Der Reichs-Civilproceß [6. Aufl. ( Unveränd. Abdr. der 4. Aufl.), Reprint 2020] 9783112381847, 9783112381830


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German Pages 478 [457] Year 1884

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Der Reichs-Civilproceß [6. Aufl. ( Unveränd. Abdr. der 4. Aufl.), Reprint 2020]
 9783112381847, 9783112381830

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8ÖHRSCHEID & EBBECKE

trauao’ooha Buchhandlung

und Antiquariat

-r----- BONN. -- ----- S.CP. 8.49. |

' CP. §. 4L

2*

20

Th. I. Gerichte und Amtspersonen.

6) in Sachen, in welchen er in einer ftüheren Instanz

oder im schiedsrichterlichen Verfahren bei der Erlassung der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, cs wäre denn, daß er nur als beauftragter oder ersuchter Richter

thätig werden soll. Wegen

eines

solchen

Ausschließungsgrundes

kann ein

Richter oder Gerichtsschreiber nicht bloß von jeder Partei

abgelehnt werden, und zwar in jeder Lage des Rechtsstreites, sondern

er soll sich auch von selbst der Ausübung seines

Amtes enthalten oder in Fällen deS Zweifels die Entschei­

dung des zuständigen Gerichtes herbeiführen.

Letzteres kann

auch von Seite anderer Gerichtsmitglieder geschehen?

Ein

Urtheil, bei welchem ein kraft Gesetzes ausgeschlossener Richter

mitgewirkt hat,

kann aus diesem Grunde nicht allein mit

Berufung oder Revision, sondern auch mit der Nichtigkeils

klage angefochten werden? II. Außerdem kann

ein Richter oder Gerichtsschreiber

von jeder Partei wegen Besorgniß der Befangenheit abgelehnt werden aus jedem Grunde, welcher geeignet ist,

Mißtrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen? wie z. B. wegen entfernterer Betheiligung am Ausgange der Sache, nahen Freundschaftsverhältnisses oder umgekehrt entschiedenen Feindschaftsverhältnisses zu einer Partei u. dgl. Zur Ableh­

nung einer Gerichtsperson wegen Besorgniß der Befangenheit ist jedoch eine Partei nicht mehr befugt, sobald sie bei der­ selben ohne Geltendmachung des Ablehnungsgrundes sich in

eine Verhandlung eingelassen oder Anträge, wenn auch z. B. nur auf Vertagung der Verhandlung? gestellt hat, es wäre 8 CP. §. 48. 4 CP. §§. 513 Nr. 2, 542 Nr. 2.

8 CP. §. 42. c A.M.Pet.z.CP. §.46Nr.1.

Ausschließung u. Ablehnung von Genchtspersonen. §• 7.

21

denn, daß sie glaubhaft macht, der Ablehnungsgrund sei erst später entstanden oder zu ihrer Kenntniß gelangt? Auch kann ein Urtheil, bei welchem ein Richter mitgewirkt hat, der nur wegen Besorgniß der Befangenheit abgelehnt werden konnte, aus diesem Grunde bloß dann angefochten werden, wenn er wirklich abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war? Uebrigens kann ein Richter oder Gerichtsschreiber wegen eines Verhältniffes, welches seine Ablehnung wegen Besorgniß der Befangenheit rechtfertigen könnte, auch aus eigenem Antriebe die Entscheidung des zu­ ständigen Gerichtes einholen, ob er sich der Ausübung seines Amtes in der Sache zu enthalten habe? III. Will eine Partei einen Richter oder Gerichtsschreiber wegen eines gesetzlichen Ausschließungsgrundes oder wegen Besorgniß der Befangenheit ablehnen, so muß sie ihr Ableh­ nungsgesuch bei dem Gerichte anbringen, welchem jener ange­ hört, was durch Erklärung vor dem Gerichtsschreiber zu Protokoll und daher selbst in Anwaltsproceffen ohne Ver­ mittelung eines Rechtsanwaltes" geschehen kann. Der Grund der Ablehnung ist anzugeben und glaubhaft zu machen, wofür ausnahmsweise der Eid nicht zulässig, dagegen die Berufung auf das Zeugniß, d. h. die dienstliche Erklärung," der ab­ gelehnten Gerichtsperson zulässig ist. Dieselbe hat sich aber auch ohnedies über den Ablehnungsgrund jedesmal dienstlich zu erklären." Ueber die Ablehnung eines Gerichtsschreibers entscheidet n S. Pr. zur Strafproceß» 7 CP. §§. 43, 44 Abs. 4. * CP. §§. 513 Nr. 3, 542 Ordnung S. 1129 fg. " CP. §. 44 Abs. 1-3 vbd. Nr. 3. §. 49. Vgl. CP. §. 266 (s. unt. 9 CP. §. 48 vbd. ß. 49. §. 46). " S. CP. §. 74 Abs. 2.

22

Th. I. Gerichte und Amtspersonen.

stets daS Gericht, dem er angehört?8 Ueber die Ablehnung eines Richters entscheidet daS Gericht, dem er angehört, wenn eS trotz seines Ausscheidens beschlußfähig bleibt; anderenfalls entscheidet das zunächst höhere Gericht." Ueber die Ablehnung eines Amtsrichters entscheidet also stets das übergeordnete Land­ gericht. Hält der Amtsrichter das Ablehnungsgesuch für be­ gründet, so ist eine Entscheidung überhaupt nicht erforderlich." Dor der Erledigung deS Ablehnungsgesuches hat die ab­ gelehnte Gerichtsperson nur solche Handlungen vorzunehmen, die keinen Aufschub gestalten."

§. 6-

4. Gliederung der Gerichte.

Unter den Gerichten sind Gerichte gleichen RangeS und Gerichte verschiedenen RangeS, über- und untergeordnete, zu unterscheiden. Von den Gerichten gleichen Ranges hat jedes seinen besonderen, örtlich abgegrenzten Gerichtsbezirk oder Gerichtssprengel, in welchem es in der Regel allein zu Amtshandlungen befugt ist. Die Bedeutung der Ueber- und Unterordnung von Gerichten ist die, daß eine Entscheidung des untergeordneten unter gewissen Voraussetzungen bei dem über­ geordneten mit sog. Rechtsmitteln (Berufung, Revision, Be­ schwerde) angegriffen werden kann. Die verschiedenen Ge­ richte, die man hienach in einer und derselben Sache nach 18 CP. §. 49. " CP. §. 45 Abs. 1. " CP. §.45 Abs. 2. - Ueber daS Verfahren und die Rechts­ mittel s. CP. §. 46. DaS Ver­ fahren ist, wenn eS nicht muth-

willig veranlaßt ist, gebürenstei: GK. §.47 Abs.1 Nr. 4, Abs. 2. S. aber RAGeb. §. 23 Nr. 1 vbd. §. 29 Nr. 6.

16 CP. §. 47. vbd. §. 49.

Gliederung der Gerichte, ß. 8.

23

einander angehen kann, heißen Instanzen; die Ordnung, welche dabei beobachtet werden muß, heißt der Instanzen­ zug. Es gibt Gerichte erster, zweiter und dritter In­ stanz. Dabei sind zur Erzielung möglichster Einheit und Gleichförmigkeit der Rechtsprechung stets mehrere Gerichte gleichen Ranges einem gemeinsamen höheren Gerichte und sÜmmtliche Gerichte schließlich einem höchsten Gerichte unter­ geordnet, so daß der Gerichtsbezirk eines höheren Gerichtes allemal die Bezirke mehrerer ihm untergeordneter umfaßt. Gerichte erster Instanz sind für bürgerliche RechtSstreitigkeiten die Amtsgerichte und die Landgerichte in ihren Civilkammern oder Kammern für Handels­ sachen. Kammern für Handelssachen können bei den Land­ gerichten von der Justizverwaltung der einzelnen Bundesstaaten je nach Bedürfniß gebildet werden, sei rS für den ganzen Landgerichtsbezirk, sei es stir örtlich abgegrenzte Theile des­ selben. Sie können ihren Sitz auch an anderen Orten deö Landgerichtsbezirkes haben als das Landgericht selbst und heißen dann paffend auswärtige Kammern für Han­ delssachen? Jede Kammer für Handelssachen besteht auS einem Mitgliede des Landgerichtes als Vorsitzendem und auS zwei Handelsrichtern; bei einer auswärtigen Kammer für Handelssachen kann auch ein Amtsrichter Vorsitzender sein? Die Handelsrichter werden aus den im Bezirke der Kammer wohnenden Angehörigen des Handelsstandes auf gutachtlichen Vorschlag des zur Vertretung dieses Standes berufenen Or­ gans (Handelskammer u. dgl.) für je drei Jahre ernannt. Ihr Amt ist ein Ehrenamt? 1 GV. §. 100. » GB. §§. 109, 110.

' Näheres GB. §ß. 111—117.

24

Th. I. Gerichte und Amtspersonen.

Als Gerichte zweiter Instanz (Berufungs- und Be­ schwerdegerichte) stehen über den Amtsgerichten die Land­

gerichte in ihren Civilkammern? über den Landgerichten

die Oberlandesgerichte in ihren Civilsenaten? Als Gericht dritter Instanz (Revisions- und Be­

schwerdegericht)

endlich

steht

über den Oberlandesgerichten

das Reichsgericht in seinen Civilsenaten° oder anstatt

desselben einoberstesLandesgericht. Denjenigen Bundes­ staaten, in welchen mehrere Oberlandesgerichte bestehen, ist

nämlich gestattet,

als oberstes Revisions- und Beschwerde­

gericht für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten an Stelle des Reichs­

gerichtes ein oberstes Landesgericht einzusetzen?

Jedoch können

bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, welche bisher zur Zuständigkeit

des Reichs-Oberhandelsgerichtes gehörten? oder welche dem

Reichsgerichte durch besondere Reichsgesetze zugewiesen werden? dieseur nicht entzogen werden?9 Das Reichsgericht hat seinen Sitz in Leipzig."

4 GB. §. 71. Die Kammern G., betr. das Urheberrecht an für Handelssachen entscheiden Werken der bildenden Künste immer nur alö Gerichte erster v. 9. Jan. 1876 §. 16, PhotoInstanz. graphieenschutzG. v. 10. Jan. 6 GD. §. 123 Nr. 1, 4. 1876 §. 9, MusterschutzG. v. 1 l.Jan. 1876 §.14; HastpflichtG. 6 GV. §. 135. 7 Von dieser Befugniß hat v. 7. Juni 1871 §. 10; Reichsbloß Bayern Gebrauch gemacht. beamtenG. v. 31. März 1873 8 S. G., betr. die Errichtung §§. 152 Abs. 2, 153, 154 Abs. 2; eines obersten Gerichtshofes für StrandungsO. v. 17. Mai 1874 Handelssachen, v. 12. Sunt 1869 §. 44. §§. 12, 13 vbd. MarkenschutzG. 9 S. G. über die Consulai> v. 80. Nov. 1874 §. 19, BankG. gerichtsbarkeit v. 10. Juli 1879 v. 14. März 1875 §.50, PatentG. §. 18 Abs. 2. 10 EG. z.GV. §.8. Vbd. EG. v. 25. Mai 1877 §.37; FlößereiAbgabenG. v. 1. Juni 1870 §. 2 z. GB. §. 10. Abs. 3 a. E.; NachdrucksG. v 11 NG. v. 11. April 1877 11. Juni 1870 §. 32 Abs. 1 vbd. ^RGD. S. 415).

Ausdehnung der Gerichtsgewalt und Rechtshülse. §. 9.

25

§. 9.

5. Ausdehnung der Gerichtsgewalt und Nechtshülfe.

I. Der Gerichtsgewalt eines jeden deutschen ordentlichen Gerichtes sind alle Personen unterworfen, die sich im Deut­ schen Reiche aushallen, auch wenn sie einem anderen Staate angehören als das Gericht. Daher sind die Urtheile eines jeden deutschen Gerichtes ohne Weiteres in ganz Deutschland vollstreckbar. Ferner sind die Ladungen und sonstigen Gebote oder Verbote eines jeden deutschen Gerichtes ohne Weiteres auch für solche Personen verbindlich, die sich in einem an­ deren Bundesstaate befinden; und zwar insbesondere auch die Ladungen von Zeugen und Sachverständigen? Auch bedarf eS für Ladungen, Zustellungen und Zwangsvollstreckungen, welche in dem Bezirke eines anderen deutschen Gerichtes geschehen sollen, nicht der Vermittelung des letzteren; sondern außerhalb wie innerhalb des Bezirkes des Proceßgerlchtes und außer­ halb wie innerhalb des nämlichen Bundesstaates geschehen die Ladungen oder sonstigen Zustellungen stets durch die Post oder einen unmittelbar beauftragten Gerichtsvollzieher, die Vollstreckungen ebenfalls durch einen unmittelbar beauftragten Gerichtsvollzieher, wenn sie nicht ihrer Art. nach ohnehin der gerichtlichen Vermittelung bedürfen? Wegen Ertheilung eines Auftrages an einen Gerichtsvollzieher können aber Gerichte, Staatsanwaltschaften und Gerichtsschreiber die Bermittelung des Gerichtsschreibers desjenigen Amtsgerichtes in Anspruch nehmen, in dessen Bezirke der Auftrag ausgeführt werden soll?

i GD.tz.166. UeberdasGanze: I Begr. z.GD.Enttv. §§. 127-138. |

3 GV. §. 161. 3 GV. §. 162.

26

Th. I. Gerichte und Amtspersonen.

Als Ausnahme von diesen Regeln sind der Gerichtsge­ walt der deutschen Gerichte nicht unterworfen diejenigen im Reichsgebiete befindlichen Ausländer, welche nach völkerrecht­ lichen Grundsätzen dem Deutschen Reiche gegenüber das Recht der sog. Exterritorialität haben, d. h. rechtlich so be­ handelt werden, als ob sie sich in ihrem Heimatstaate be­ fänden. Dieses Recht haben sämmtliche Mitglieder der bei dem Deutschen Reiche beglaubigten Gesandtschaften, ihre Familienglieder, ihr Geschäftspersonal und diejenigen Per­ sonen, welche in ihrem Privatdienste stehen/ Nur den aus­ schließlichen dinglichen Gerichtsstand müssen diese Personen vor deutschen Gerichten anerkennen/ II. Amtshandlungen darf ein Gericht regelmäßig nur in seinem eigenen Bezirke vornehmen. Wird in einem Processe eine gerichtliche Amtshandlung erforderlich, die in einem an­ deren Bezirke vorzunehmen ist (z. B. Zeugenvernehmung, Orts­ besichtigung), so muß das Proceßgericht den Amtsrichter dieses Bezirkes, um Rechtshülfe ersuchen, d. h. ihm (als sog. er­ suchtem Richter) die Vornahme der Handlung anstatt des Proceßgerichtes übertragen.* Die deutschen Gerichte sind ein­ ander die Leistung der Rechtshülfe schuldig, und der ersuchte Amtsrichter darf daher das Ersuchen in der Regel nicht ab4 Näheres GD. §§. 18, 19. 6 GV. §. 20 (f. unt §. 14 Nr. 12) und Pr. z. GD. S. 148. Die Mitglieder und sonstigen Zugehörigen der nur bei einem Bundesstaate beglaubigten Ge­ sandtschaften haben das Recht der Exterritorialität bloß diesem Bundesstaate gegenüber. Ferner haben es die nichtprenßischen Mitglieder des Bundesrathes

und ihre Angehörigen Preußen gegenüber. S. GV. §§. 18 Abs. 2, 19; Reichsverfassung Art. 10. Die im Deutschen Reiche anaestellten Consuln sind der inländischen GerichtSbarkeit unterworfen, wenn nicht Staatsverträge des Deut­ schen Reiches etwas Anderes festseßen: GV. §. 21.

6 GV. §. 158.

Zuständigkeit der Gerichte, tz. 10.

27

lehnen. Lehnt er «S ab, oder lehnt er eS nmgekrhrt nicht ab in denjenigen Fällen, in denen er eS nach GB. §. 159 Abs. 2 ausnahmsweise ablehnen soll, so entscheidet auf An­ trag der Betheiligtcn oder deS ersuchende» Gerichtes daS ObrrlandeSgericht, zu dessen Bezirke daS ersuchte Gericht ge­ hört.' Will daS Proceßgericht ausnahmsweise selbst eine Amts­ handlung in einem fremden Bezirk« vornehmen, so muß eS die Zustimmung deS Amtsgerichtes dieses Bezirkes einholen. Bei Gefahr im Verzüge genügt rin« bloße Anzeige an das­ selbe.' 6. Inständigkeit der Gerichte.

§. 10. e. Allgemeine». Zuständigkeit eines Gerichtes für eine Sache ist seine Befugniß zu richterlicher Behandlung und Erledigung derselben. Die Frage, welches Gericht für eine Sache zuständig sei, entscheidet fich aber eineötheilS nach einer Rücksicht auf die Beschaffenheit der Sache, anderentheilS nach einer Rücksicht auf ihr Verhältniß zu einem gewissen Gerichtsbezirke. Die Zuständigkeit nach jener ersten, sachlichen, Rücksicht heißt die sachliche, die Zuständigkeit nach dieser zweiten, örtlichen, heißt die örtliche. AuS den Regeln der sachlichen Zustän­ digkeit ergibt sich, ob die Sache in erster Instanz vor ein

7 Näheres GD. §§. 157. 169, 160. Ueber die Behandlung deS Kostenpunktes in den Fällen der Rechtshülfe s. GB. §. 165. Für dir RechtShülfe, welche von Seite anderer als der ordentlichen Ge­

richte oder gegenüber «»deren als den ordentlichen Gerichten nachgesucht wird, ist fortwährend daSRechtShLIfe-Gesetzv. 21.Juni 1869 maßgebend. 8 GB. z. 167.

Th. I. Gerichte und Amtspersonen.

28

Amtsgericht oder vor ein Landgericht gehört, aus den Regeln

der örtlichen, vor daS Amts- oder Landgericht welches Be­ zirkes sie gehört. Das für eine Sache sachlich und örtlich zuständige Ge­ richt ist für sie der gesetzliche Richter.

Diesem darf Nie­

mand gegen seinen Willen entzogen werden.'

Auf der anderen

Seite muß der Beklagte vor dem sachlich und örtlich zustän­ digen Gerichte zu Gerichte stehen,

hat also bei demselben

für die Sache seinen Gerichtsstand.

Die (sachliche oder örtliche) Zuständigkeit ist entweder eine

gesetzlich oder eine richterlich oder eine durch Verein­ barung bestimmte, je nachdem sie schlechthin durch das Gesetz oder durch die Anordnung eines höheren Gerichtes

oder durch eine Vereinbarung der Parteien begründet ist. Ferner ist die (sachliche oder örtliche) Zuständigkeit ent­

weder eine ausschließliche, d. h. die Zuständigkeit anderer

Gerichte ausschließende, oder eine nicht ausschließliche. Endlich hat jede Person in einem gewiffen Gerichtsbezirke

einen allgemeinen Gerichtsstand, in welchen! (bei dem jedes­ mal sachlich zuständigen Gerichte) jede Klage gegen sie er­ hoben werden kann, für die nicht anderswo ein ausschließ­ licher Gerichtsstand besteht-/ daneben hat sie aber in anderen

Gerichtsbezirken auch besondere Gerichtsstände, in welchen

nur gewisse Arten von Klagen oder gar nur gewiffe

ein­

zelne Klagen gegen sic erhoben werden können.

Sind für eine Klage mehrere Gerichte zuständig, so hat der Kläger zwischen ihnen die Wahl/

' GV. §. 16. 2 CP. §. 12.

3 CP. §. 35.

Zuständigkeit der Amtsgerichte. §♦ 11.

29

b. Gesetzlich bestimmte Zuständigkeit.

§. 11. aa.

Sachliche Zuständigkeit.

I. Die sachliche Zuständigkeit der Gerichte erster Instanz, aus welcher sich von selbst auch biejeiiißc der Gerichte zweiter und dritter Instanz ergibt, ist folgendermaßen bestimmt. A. Den Amtsgerichten sind in GV. §. 23 zugewiesen: 1) die geringfügigen Sachen, d. h. Streitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche, deren Gegenstand den Werth von 300 Mark nicht übersteigt;* 2) ohne Rücksicht auf den Werth des Streitgegenstandes gewisse einfache oder schleunige Sachen sowie solche, zu deren sachgemäßer Erledigung eine genauere örtliche Kenntniß gehört, nämlich: a) Streitigkeiten zwischen Vermiethern und Miethern von Wohnungs- oder anderen Räumen wegen Ueberlassung, Benutzung oder Räumung derselben sowie wegen Zurückhaltung der vom Miether in die Micthsränme eingebrachten Sachen; b) Streitigkeiten zwischen Dienstherrschaft und Ge­ sinde, zwischen Arbeitgebern und Arbeitern hin­ sichtlich des Dienst- und Arbeitsverhältniffes, sowie 1 Ausnahmen: GD. §. 70 Abs. 2, 3. — Ueber die Art der Feststellung des Werthes s. CP. §§. 3—9. Hauptregeln sind, daß für die Werthbe'rechnung der Zeitpunkt der Klaqeerhebung maßgebend ist, daß Äebenforde^ rungen an Früchten, Zinsen oder sonstigen Nutzungen sowie an

Schäden oder Kosten außer An­ satz bleiben, endlich daß mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche zusammengerechnet werden, nicht aber der Gegen­ stand der Klage und derjenige der Widerklage. S. noch GK. §§. 15-17.

30

Th. I. Gerichte und Amtspersonen.

die im §♦ 108 (jetzt — nach G. v. 17. Juli 1878 — §. 120a) der Gewerbeordnung bezeichneten Streitigkeiten,* insofern alle diese Streitigkeiten während der Dauer deS Dienst-, ArbeitS- oder LehrverhältnisseS entstehen; c) Streitigkeiten zwischen Reisenden und Wirthen, Fuhrleuten, Schiffern, Flößern oder AuSwanderrmgsexpedienten in den Einschiffungshäfen, welche über Wirthszechen, Fuhrlohn, UeberfahrtSgelder, Beförderung der Reisenden oder ihrer Habe oder über Verlust oder Beschädigung der letzteren ent­ standen sind, sowie Streitigkeiten zwischen Reisenden und Handwerkern, welche aus Anlaß der Reise entstanden sind; d) Streitigkeiten wegen Biehmängel;^ e) Streitigkeiten wegen Wildschadens; f) Ansprüche aus einem außerehelichen Beischlafe; g) das Aufgebotsverfahren. * Außerdem aber sind die Amtsgerichte theils durch da8 Gerichtsverfasiungsgesetz, theils durch die Civilproceßordnung 1 Nämlich Streitigkeiten der selbständigen Gewerbetreibenden mit ihren Arbeiten! (Gesellen, Gehülfen, Lehrlingen, Fabrikarbeitern), die sich auf den Antritt, die Fortsetzung oder die Aushe» bung deS ArbeitSverhälttnsseö, auf die gegenseitigen Leistungen auS demselben oder auf die Erthellvng oder den Inhalt der ArbettSbücheroderZeugnisse(§§.107 —113,129 der Gewerbeordnung) beziehen. Solche Streitigkeiten gehören zunächst vor die dafür

etwa bestehenden besonderen BeHörden oder Schiedsgerichte; wo solche nicht bestehen, gehören sie vor die Gemeindebehörde. Gegen die Entscheidung der letzteren steht jedoch den Detheiligten binnen 10 Tagen die Berufung auf den Rechtsweg offen. 1 Vgl. Pr. z. GV. S. 178 fg. 4 Val. CP. §. 823 Abs. 2; s. jedoch CP. §. 834 Abs. 2 und EG. z. GD. §. 3 Abs. 3 vbd. EG. z. CP. §. 11.

Zuständigkeit der Landgerichte,

g. 11.

31

noch in manchen anderen Fällen für sachlich zuständig er­ klärt. 8 Insbesondere gehören die Zwangsvollstreckungen, in­ soweit sie überhaupt durch Vermittelung oder unter Mit­ wirkung der Gerichte geschehen, in der Regel zur Zuständigkeit der Amtsgerichtes B. Bor die Landgerichte gehören alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, welche nicht den Amtsgerichten zugewiesen fmb.7 Für gewisse besondere Rechtsstreitigkeiten sind sie ohne Rücksicht auf den Werth des StteitgegenstandeS ausschließlich zuständig, und die Landesgesetzgebung darf ihnen auch noch gewiffe andere ohne Rücksicht auf den Werth des Stteit­ gegenstandeS ausschließlich gutveifcn.8 Wo bei den Landgerichten besondere Kammern für Handelssachen bestehen, gehören vor dieselben von den bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, für welche die Landgerichte sachlich zuständig sind, alle diejenigen, welche nach den nähe­ ren Bestimmungen in GB. §. 101 als Handelssachen er» GD. §. 24. S. GV. §. 158 (Gewährung der Rechtöhülfe); CP. §§. 448 (Beweisaufnahme zum ewigen Gedächtnisse); 471 (Sühneversuch vor der Klageerheoung); 571 (Sühneversuch in Ehesachen); 593, 594, 616, 617, 621, 625 (Entmündigungs­ verfahren); 629 (Mahnverfah­ ren); 759 (Vertheilungöverfaykit); 780 (Abnahme des Offen­ barung-eides); 799, 820 (Arreste und einstweilige Verfügungen). S. auch EG. z.CP. §. 13 Abs. 4. Die Amtsgerichte sind auch die ConcurSgerichte: Conc.O. §§. 64, 202, 208 Abs. 3.

6 CP. §. 684. 7 GV. §. 70 Abs. 1. 8 Näheres GV. 8-70 Abs. 2,3. Vgl. CP. §. 509 Nr. 2. Außer den hier genannten RechtSstrei" keiten gehören noch zur auSließlichen Zuständigkeit der Landgerichte nach CP. §. 568 die Ehesachen und nach CP. §§. 606, 620, 624, 626 die AnfechtungSund Wiederaufhevungsklaaen in Entmündigungs­ sachen. Ferner sind die Land­

3

gerichte, jedoch nicht ausschließ­ lich, zuständig für die Anfech­ tungsklage im Aufgebotsver­ fahren: CP. §. 834.

32

Th. I. Gerichte und Amtspersonen.

scheinen. Jede Partei kann eine solche Sache vor die Kammer für Handelssachen bringen? II. In Ansehung der sachlichen Zuständigkeit gelten noch folgende Regeln: 1) Das Urtheil eines Landgerichtes kann nicht aus dem Grunde angefochten werden, weil das Amtsgericht zuständig gewesen fei.10 2) Ist in einem Rechtsstreite die sachliche Unzuständigkeit des zuerst angegangenen Gerichtes rechtskräftig ausge­ sprochen , so ist diese Entscheidung bindend für dasjenige Ge­ richt, bei welchem die Sache später anhängig gemacht wird." bb. o.

Oertliche Zuständigkeit. Allgemeine Gericht-stände.

§. 12. aa. Allgemeiner Gerichtsstand dr- Wohnsitze-.

I. Seinen allgemeinen Gerichtsstand hat Jeder in dem­ jenigen Gerichtsbezirke, in welchem er seinen Wohnsitz hat, d. h. den festen Sitz und Mittelpunkt seiner wirthschaftlichen und Lebensthätigkeit.1 0 Näheres GV. §§. 102, 104. S. überhaupt GV.§§. 102—108. 16 CP. §. 10. " CP.tz.11.Vbd.CP.§§.249, 466, 467. Hat also z. B. daö zunächst angegangene Amtsge­ richt seine sachliche Unzuständig­ keit ausgesprochen, weil der Werth des Streitgegenstandes mehr als 300 Mark betrage, und ist dieser Ausspruch rechtskräftig geworden: so muß sich das Land­ gericht, wenn bei ihm später die

Sache anhängig gemacht wird, für sachlich zuständig erachten, auch wenn es den Werth deS Streitgegenstandes für geringer hält als 300 Mark. 1 CP. §. 13. Ueber die Frage, wo Jemand seinen Wohnsitz habe, entscheidet das bürgerliche Recht. Wer nach Maßgabe des­ selben mehrere Wohnsitze in ver­ schiedenen Gcrichtsbezirken hat, hat auch mehrere allgemeine Ge­ richtsstände. Wer seinen Wohn-

Als der Wohnsitz einer Militärperson gilt in Ansehung deS Gerichtsstandes der Garnisonort;a hat aber der betreffende Truppentheil keinen Garnisonori int Deutschen Reia/e, der setzte deutsche Garnisonort desselben? Diese Bestimmungen beziehen sich indessen bloß auf die selbständigen Berufssoldaten und sind daher nicht anwendbar auf diejenigen Militärper­ sonen, die nur zur Erfüllung der Wehrpflicht dienen, oder welche, wie z. B. Minderjährige, nach Maßgabe des bürger­ lichen Rechtes selbständig einen Wohnsitz nicht begründen können/ Deutsche, welche das Recht der Exterritorialität haben, behalten in Ansehung des Gerichtsstandes den Wohnsitz, den sie in ihrem Heimatstaate hatten; halten sie keinen solchen, so gilt die Hauptstadt des Heimatstaates als ihr Wohnsitz? Hierhin gehören nicht bloß die bei einem außerdeutschen Staate beglaubigten Gesandten des Deutschen Reiches oder eines deutschen Bundesstaates, sondern auch die Gesandten eines deutschen Bundesstaates, die bei einem anderen beglausitz im Auslande hat, hat im DeutschenRciche überhaupt keinen allgemeinen Gerichtsstand. S. Begr. z. CPE. §. 13 Vgl. auch unt §. 13 Nr. 1. « CP. §. 14 Abs. 1. Vgl. Reichs - MilitärG. v. 2. Mai 1874 §.39 Abs. 2. — Ueber den Begriff der „Militärperson" s. Reichs-MilitärG. §. 38, Militär­ StGB. v. 20. Juni 1872 §. 4 und Anlage dieses Gesetzes (RGB. S. 204). 3 CP. §. 15. Ausnahme, wo nach Maßgabe landesgesetllicher Vorschriften für Truppent heile, Fitting, Civilproceß. 6. Stuft.

die nach der Mobilmachung ihre Garnison verlassen haben oder sich dauernd im Auslande aufhalten, die Ausübung der Ge­

richtsbarkeit einem bestimmten inländischen Gerichte oder den Auditeuren ein für alle Mal kraft Gesetzes oder für den einzelnen Fall im Veroronungswege über­ tragen ist: Reichs-MilitärG. v. 2. Mai 1874 §. 39 Abs. 3. * CP. §. 14 Abs. 2; vgl. CP. §. 21 Abs. 2. 5 CP. §. 16 Abs. 1. Ueber den Begriff der Exterritorialität s. ob. §? 9.1. a. E. 3

bigt sind, und die nicht preußischen Mitglieder des BundesratheS? Die gleichen Bestimmungen gelten für die im Aus­ lande angestellten Beamten des Reiches oder eines Bundes­

staates? n. Der allgemeine Gerichtsstand des Wohnsitzes einer Person ist zugleich der allgemeine Gerichtsstand gewisser an­ derer, von ihr abhängiger Personen als sog. abgeleiteter Gerichtsstand. So theilt in Ansehung des Gerichtsstandes die Ehefrau den Wohnsitz des Ehemannes, ein eheliches oder einem ehelichen rechtlich gleichstehendeS Kind denjenigen des VaterS, ein uneheliches denjenigen der Mutter. Die Kinder behalten diesen Wohnsitz, und zwar selbst nach dem Tode deS BaterS bezw. der Mutter,* bis sie ihn nach Maßgabe deS bürgerlichen Rechtes in rechtsgültiger Weise aufgebm? §. 13. Lb. Sonstige allgemeine Gerichtsstände.

1) Personen ohne (inländischen oder ausländischen) Wohn­ sitz haben einen allgemeinen Gerichtsstand deS Huf* enthaltet in jedem deutschen Gerichtsbezirke, in welchem 6 Vgl. GV. §§. 18, 19. 7 CP. §. 16 Abi. 1. Z. B. für die im Groyherzogthum Luxemburg angestellten Zollver* einsbevollmächtigten. Im Aus* laude angestellte Reichsbeamte, welche keinen Heimatstaat im Deutschen Reiche haben, haben in Ansehung deS Gerichtsstandes ihren Wohnsitz in Berlin: ReichSbeamtenG. v. 31. Marz 1873 §. 21. S. auch ebend.§.22. 8u den Reichsbeamten geboren

auch die BerufSconsuln (Con* sulatsG. v. 8. Nov. 1867 §. 7). Auf die Wahlconsuln (ebend.§.9) dagegen finden die Bestimmungen im ReichSbeamtenG. §. 21 und in CP. §. 16 Abs. 1 keine An* Wendung: ReichöbeamtenG.§.21 Abs. 2; CP. §. 16 Abs. 2. 6 CP. Pr. S. 506. 9 CP. §. 17. 1 Bester wäre die Benennung alS „allgemeiner Gerichtsstand der Betreffung".

Sonstige allgemeine Gerichtsstände,

ß. 13.

35

sie sich aufhalten, wenn auch nur so lange, daß ihnen bitrin die Klage

zugestellt werden kann.

Fehlt eS

kannten Aufenthaltsorte im Deutschen Reiche,

an einem be­ so haben sie

ihren allgemeinen Gerichtsstand in demjenigen Gerichtsbezirke,

in welchem sie ihren letzten Wohnsitz gehabt haben?

War

dieser im Auslande, so haben sie im Deutschen Reiche über­

haupt keinen allgemeinen Gerichtsstand? 2)

Gemeinden und Corporationen sowie diejenigen Ge­

sellschaften,

Genossenschaften

oder

anderen

Personenvereine

und diejenigen Stiftungen, Anstalten und Bermögensmassen, welche selbständig als Vereine u. s. w. verNagt werden können?

haben ihren allgemeinen Gerichtsstand in demjenigen GerichtSbezirke, in welchem sie ihren Sitz haben.

Als Sitz gilt im

Zweifel der Sitz der Verwaltung?

Gewerkschaften haben ihren allgemeinen Gerichtsstand in demjenigen Gerichtsbezirke, in welchem das Bergwerk liegt?

Wo Behörden als solche verNagt werden können, bestimmt sich ihr allgemeiner Gerichtsstand durch ihren Amtssitz?

In den Fällm dieser Nummer ist neben dem gesetzlich bestimmten allgemeinen Gerichtsstände -auch ein durch Statut oder in anderer Weise besonders bestimmter zulässig?

a CP. §. 18. Dbd. Begr. z. CPE. §. 18. 3 S. Begr. z. CPE. §. 13 und S* ♦ S. unt. §. 21. I.

3 CP.§.19Abs.l. Dgl.HGB. Art. 86 Nr. 2, 151 Nr. 3, 175 Nr. 2 , 209 Nr. 1; GenossenschastsG. v. 4. Juli 1868 §. 3 Nr. 1; BankG. v. 14. März 1875 §. 12 Ws. 2; HülfökafsenG. v. 7. Apr. 1876 §.3 Nr. 1. Ueber

die Fortdauer des allgemeinen Gerichtsstandes von Gesellschaf­ ten, Genossenschaften oder Ver­ einen nach Auflösung derselben s. HGB. Art. 144 Abs. 2, 172, 244 Ws.2, 247Nr.2; GenossenschastSG. v. 4. Juli 1868 §. 49 Abs. 2: EG. z. CP. §. 15 Nr. 2. 6 CP. §. 19 Abs. 2. 7 CP. §. 19 Abs. 2. S. unt. §. 21. I. 8 CP. §. 19 Abs. 3. Der ge-

36

Th. I. Gerichte und Amtspersonen.

3) Der allgemeine Gerichtsstand des (Reichs- ober Landes-) FiscuS bestimmt sich jedesmal durch den Sitz derjenigen Behörde, welche ihn in dem Rechtsstreite zu vertreten hat?

§. 14. h. ßestHbtrr 6trirfjbfliebt.

1) Der Gerichtsstand des dauernden Aufent­ haltsortes. Personen, welche sich an einem Orte unter Verhältnissen aufhalten, die ihrer Natur nach auf einen längeren Aufenthalt Hinweisen, haben in dem GerichtSbezirke, in welchem dieser Aufenthaltsort liegt, einen Gerichtsstand für alle Klagen wegen vermögensrechtlicher Ansprüche. Dieses gilt insbesondere für Dienstboten, Hand- und Fabrikarbeiter, Gewerbegehülfen, Studirende, Schüler und Lehrlinge? Bei Militärpersonen, die nur zur Erfüllung der Wehr­ pflicht dienen, oder welche selbständig einen Wohnsitz nicht begründen können, ist anstatt deS Aufenthaltsortes der Gar­ nisonort oder, wenn der betreffende Truppentheil keinen Gar­ nisonort im Deutschen Reiche hat, der letzte deutsche Garni­ sonort desselben maßgebend? 2) Der Gerichtsstand der Niederlassung. Wer zum Betriebe einer Fabrik, einer Handlung oder eines ansetzlich bestimmte allgemeine I 1870 §. 2 Abs. 3, Militär-PenGerichtsstand kann also durch | sionirunasG. v. 27. Juni 1871 den statutarisch bestimmten nicht §. 116, PostG. v. 28. Okt. 1871 ausgeschlossen werden: CP. Pr. §. 13, ReichsbeamtenG.. v. 31. S. 8, 9. A. M. Struckm. z. CP. März 1873 §§. 151,,153. 153. Aus§. 19 Bem. 5, Pet. z. CP. §. 19 nähme von der Regel: RayonG. Nr. III. v. 21. Dez. 1871 §. 42. 9 CP. §. 20. Vbd. CP. Pr. * CP. ~7 §. : 21 Abs. 1. Vgl. CP. ~7 S. 9, 506 fg. Hierher gehörige Pr. S. 9, 507 fg. " reichsgesetzliche Besttmmungen: T’ CP. ™ §. 21 Abs. 2 vbd. CP. Flößerei-AbgabenG. v. 1. Juni §§. 14,' 15. Dgl. ob. §. 12. I.

Besondere Gerichtsstände, ß. 14.

37

deren Gewerbes eine dauernde Niederlassung, d. h. zum selbständigen Abschlüsse von Geschäften befugte Betriebsstelle,* hat, kann in dem Gerichtsbezirke, in welchem sich dieselbe befindet, mit allen Klagen belangt werden, die sich auf den Geschäftsbetrieb derselben beziehen/ Desgleichen kann, wer eine landwirthschaftliche Niederlassung hat, d. h. ein mit Wohn- und Wirthschastsgebäuden versehenes Gut als Eigen­ thümer, Nutznießer oder Pächter bewirthschaftet, in dem Ge­ richtsbezirke, in welchem das Gut liegt, mit allen Klagen belangt werden, die sich auf diesen Wirthschastsbetrieb be­ ziehen? 3) Der Gerichtsstand für Streitigkeiten auS gemeindlichen, gesellschaftlichen und genossenschaft­ lichen Verhältnissen. In dem Gerichtsbezirke, in welchem Gemeinden, Corporationen, Gesellschaften, Genossenschaften oder andere Personenvereine ihren gesetzlich bestimmten63 7*all *­ gemeinen Gerichtsstand haben (S. 35), ist ein Gerichtsstand auch für diejenigen Klagen ans dem gemeindlichen, gesellschaft­ lichen oder genossenschaftlichen Verhältnisse begründet, welche von der Gemeinde u. s. w. gegen die Mitglieder oder von diesen gegen einander erhoben werden? 4) Der Gerichtsstand des Vermögens. Wer im Deutschen Reiche keinen Wohnsitz hat, kann wegen vermögens­ rechtlicher Ansprüche in jedem deutschen Gerichtsbezirke ver­ klagt werden, in welchem sich Vermögen von ihm oder der mit der Klage in Anspruch genommene Gegenstand befindet. 3 © End. z. CP. §.22 Nr.I.^. Vorschriften: HGB. Art. 455, * EP. ß. 22 Abs. 1. Vgl.! 175. * v. 6 CP. §. 22 Abs. 2. BankG. 14. ..................................... Man 1875 §. 38 6 S. Begr. z. CPE. §. 23. Abs. 3; HGD. Art. 21, 86, 7 CP. §. 23. 152, 153, 179, 212. Verwandte

Th. I. Gerichte und Amtspersonen.

38

Besteht das Vermögen in einer Forderung, so gilt als der

Ort, wo sich dasselbe befindet, der Wohnsitz des Schuldners und, wenn zur Sicherheit der Forderung eine Sache haftbar

ist, auch der Ort, wo sich die letztere befindet? 5) Der

Gerichtsstand

der

Erbschaft.

Klagen,

welche sich auf eine Erbschaft beziehen, d. h. Erbrechte, An­

sprüche aus Vermächtnisien oder sonstigen Verfügungen auf den Todesfall oder die Theilung der Erbschaft zum Gegen­

stände haben, können in dem Gerichtsbezirke erhoben werden, in welchem der Erblasier zur Zeit seines Todes seinen allge­

meinen Gerichtsstand gehabt hat? In dem Gerichtsstände der Erbschaft können auch die Nachlaßgläubiger aus Ansprüchen

an den Erblasier oder an die Erben als solche klagen, so lange sich der Nachlaß noch ganz oder theilweise in dem Be­ zirke des Gerichtes befindet oder beim Dasein mehrerer Erben

der Nachlaß noch nicht getheilt ist10 ******9 8 CP. §. 24. Auch auf Ge­ meinden, Korporationen u. s. w. (CP. §§.19,20), §§. 10,20), welche im DeutDeutschen Reiche keinen »Litz haben, ist dieser Gerichtsstand anwendbar. S. Pet. z.CP. §.24 Nr. 3. | 9 CP. §. 28 Abs. 1. S. aber EG. z. CP. §. 15 Abs. 1 Nr. 3 vbd. Abs.2. — Auf Güter, welche von der allgemeinen Erbfolge ausgeschlossen sind, als Lehen,, Stammgüter, Familiensideicommisse, Bauergüter, bezieht sich dieser Gerichtsstand nicht: Begr. z. CPE. §. 28. ’ 10 CP. §. 28 Abs. 2. Das: heißt nach meiner Ansicht: „Die ; Nachlahgläubiger können in dem | Gerichtsstände der Erbschaft aus |

Ansprüchen an den Erblasier oder an die Erbschaft klagen: 1) gegen jeden Erben, " ' . sei ' i er Atteinerbe oder Theilerbe, solange solar Dasjenige, . , was ihm (einem Theilerben durch die Erbtheiluna) von dem Nachlaße zugefallen ist, sich noch ganz oder theilweise in dem Bezirke des Erbschaftsgerichles befindet. 2) gegen Miterben, so lange der Nachlaß noch nicht unter ihnen getheilt ist, sollte sich auch gar nichts von demselben in dem Bezirke des Erbjchastsgerichtes befinden." S. Arch. LXI. S. 406 ff. A. M. besonders Gaupp, Die Ci« vilproceßordnung u.s.w., z. CP. §. 28. II. B.

Besondere Gerichtsstände, g. 14.

39

6) Der Gerichtsstand des Vertrages. Auf Fest­ stellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Vertrages, auf Erfüllung oder Aufhebung eines solchen, sowie auf Ent­ schädigung wegen Nichterfüllung oder nicht gehönger Erfüllung kann in demjenigen Gerichtsbezirke geklagt werden, in welchem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist.11 * ** *13 * 7) Der Gerichtsstand für Meß- und Markt­ sachen, d. h. für Handelsgeschäfte," welche auf Messen und Märkten geschlossen sind, jedoch mit Ausnahme der Jahrund Wochenmärke. Klagen ans solchen Geschäften können in dem Gerichtsbezirke erhoben werden, in welchem der Meß­ oder Marktort liegt, wenn sich zur Zeit der Klageerhebung der Beklagte oder ein zur Proceßführung berechtigter Ver­ treter desselben in diesem Bezirke befindet." 8) Der Gerichtsstand der Vermögensverwal­ tung. Aus einer (aufgetragenen oder gesetzlich verordneten) Vermögensverwaltung kann der Geschäftsherr gegen den Ver­ walter oder der Verwalter gegen den Geschäftsherrn in dem­ jenigen Gerichtsbezirke klagen, in welchem die Verwaltung ge­ führt worden ist." 9) Der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung. Aus einer unerlaubten Handlung, gleichviel ob sie unter das Strafgesetzbuch fällt oder nicht, kann in demjenigen Gerichtsbe­ zirke geklagt werden, in welchem die Handlung begangen ist.15 " CP. §. 29. Val. HGB. Art. 824, 325, 342. In Betreff der W^selklagen s. CP. §. 566 (unt. §. 65. IVA 11 Ueber den Begriff der Handelsgeschäfte s. HGB. Art. 271 ff. ' 13 CP. §. 30.

" CP. §. 31.

15 CP. §. 32. Besondere Vor­ schrift in Betreff der vermögensrechtlichen Ansprüche gegen Neichsbeamte miß Amtsverge­ hen: ReichsbeamtenG. v. 31. Marz 1873 §. 154 Abs. 1.

LH. I. Gerichte und Amtspersonen.

40

10) Der Gerichtsstand der Widerklage.

Wider­

klage heißt eine Klage, welche der Beklagte im Laufe des Rechtsstreites Kläger erhebt.

und in dem nämlichen Verfahren gegen den

In dieser Form kann der Beklagte einen An­

spruch bei dem Gerichte der Klage geltend machen,

wenn

derselbe entweder mit dem in der Klage geltend gemachten Ansprüche oder mit den dagegen vorgebrachten Vertheidigungs­

mitteln im Zusammenhänge steht, d. h. wenn er entweder mit jenem Ansprüche oder mit den Einreden oder Dupliken, welche der Beklagte zur Bekämpfung desselben geltend macht, in

Ansehung des Entstehungsgrnndes oder durch einen Einfluß

auf die rechtliche Beurtheilung zusammenhängt."

Nur dann

kann ein solcher Anspruch nicht durch Widerklage geltend ge­

macht werden, wenn für eine Klage wegen desselben die Zu­ ständigkeit des Gerichtes auch durch Vereinbarung nicht würde

begrt'mdet werden sönnen.17 11) Der Gerichtsstand des sachlichen (materiellen) Zusammenhanges, d. h. ein Gerichtsstand, welcher bei einem Gerichte für eine Sache wegen ihres sachlichen Zu­

sammenhanges mit einer anderen begründet ist.

l" CP. §. 33 Abs. 1. Hierhin gehört namentlich der Fall, wenn der Beklagte die Forderung, wegen welcher er Widerklage er­ hebt, zugleich durch Compensattonseinrcde geltend macht. S. noch Pet. z. CP. §. 33 Nr. 2, Eno. z. CP. §. 33. L, Sttuckm. z. CP. §. 33 Bem. 1, 2. 17 CP. §. 33 Abs. 2 vbd. §. 40 Abs. 2 (s. unt. §. 16). Weitere Beschränkungen: CP. §§. 558

Abs. 1, 575 Abs. 2, 587 Abs. 2.

Aus diesem

608 Abs. 2, 620 Ads. 4, 624 Abs. 4, 626 Abs. 4. Die bloße sachliche Unzuständigkeit des Gerichtes für die Widerklage kommt nur dann in Bettacht, wenn der Proceß bei einem Amtsgerichte anhängig ist, und auch dann nur in der Weise, daß wegen der­ selben jede Partei die "Verwei­ sung deS ganzen Processes an das Landgericht verlangen kann: CP. §. 467.

Besondere Gerichtsstände, g. 14.

41

Gesichtspunkte können Proceßbevollmachtigte, Beistände, Zustellungsbcvollmächtigte und Gerichtsvollzieher wegen ihrer Gebüren und Auslagen (ohne Rücksicht auf die sachliche Zu­ ständigkeit) bei dem Gerichte klagen, bei welchem der Haupt­ proceß in erster Instanz anhängig ist oder gewesen ist." Auch noch in manchen anderen Fällen ist aus diesem Ge­ sichtspunkte ein Gerichtsstand begründet." 12) Der dingliche Gerichtsstand, d. h. ein Ge­ richtsstand, welcher in einem Gerichtsbezirke für gewisse Rechts­ streitigkeiten, die sich auf ein Grundstück beziehen, wegen der Lage desselben in dem Gerichtsbezirke begründet ist. Für die Klagen, durch welche das Eigenthum, eine dingliche Be­ lastung oder die Freiheit von einer solchen geltend gemacht wird, sowie für Grenzscheidungs-, Theilungs- und Besitzklagen besteht er als ausschließlicher, und zwar selbst wenn der Be­ klagte zu denjenigen Personen gehört, welche das Recht der Exterritorialität haben." Für gewisse andere Klagen besteht er als nicht ausschließlicher. In dem dinglichen Gerichts­ stände kann nämlich in Verbindung mit der hypothekarischen Klage die Schuldklage, mit der Klage auf Löschung einer Hypothek die Klage auf Befreiung von der persönlichen Ver­ bindlichkeit, mit der Klage auf Anerkennung einer Reallast

18 CP. §. 34 vbd. Begr. z. CPE. §. 34, CP. Pr. S. 508. 19 S. CP. §§. 26, 61, 126, 253, 352, 547, 667, 686, 687, 690, 704 Abs.3, 765, 778 Abs.2. » CP. §. 25 Abs. 1, GV. §.20. Ueber die Exterritorialität s. ob. §. 9. I. Unter den „53esitzklaqen" sind in CP. §.25 auch die Klagen auf Neuerlangung eines Besitzes (interdicta adi-

piscendae possessionis) ver­ standen: Begr. z. CPE. §§. 25 —27. Bei den Klagen, welche die Belastung mit einer Grund­ dienstbarkeit oder einer Reallast oder die Freiheit von der einen oder der anderen geltend machen, komutt es auf die Lage deö die­ nenden oder belasteten Grund­ stücke- an: CP. §. 25 Abs. 2.

42

Th. I. Gerichte und Amtspersonen.

die Klage auf rückständige Leistungen erhoben werden, wenn

beide Klagen gegen denselben Beklagten gerichtet ftnb?1 Ferner können in dem dinglichen Gerichtsstände erhoben werden per­

sönliche Klagen, welche gegen den Eigenthümer oder Besitzer

eines Grundstückes als solchen gerichtet sind, sowie Klagen wegen Beschädigung eines Grundstückes und Klagen, welche sich auf die Entschädigung wegen Enteignung (Expropriation)

eines Grundstückes beziehen?2

Alle übrigen

genannten besonderen Gerichtsstände sind

nicht ausschließliche.

Außer den bisher angegebenen auf allgemeineren Bor­

schriften der Civilproceßordnung beruhenden gibt es übrigens nach

besonderen Borschriften theils der Civilproceßordnung

theils sonstiger Neichsgesetze noch zahlreiche andere besondere

Gerichtsstände, theils ausschließliche, theils nicht ausschließliche?^ In gewissen Fällen ist die Bestimmung des Gerichts­ standes der Landesgesetzgebung überlassen?4

21 CP. §. 26. 1871 §. 42 Abs. 2. Neicbsbe22 CP. §. 27. Dgl. RayonG. amtenG.v.31 Mär; 1873 §. 154 v. 21. Dez. 1871 §. 42 Abs. 2. Abs. 1, KriegsleistungsG. r. 13. In Ansehung des Enteignungs­ Juni 1873 §.34, StrandungsO. verfahrens s. auch EG. z. CP. v. 17. Mai 1871 §§.31, 39 Abs.2. §. 15 Nr. 2 a. E. Ausschließlich sind namentlich 23 S.CP. 8§. 566, 568, 594, alle im achten Buche der Civil606, 617, 624 Abs. 4, 629, 660 Proceßordnung (von der Zwang«' Abs. 2, 684, 705 Abs. 3, 5, 710, l Vollstreckung) angeordneten Ge­ 729 Abs. 2, 755, 773, 774, 775, richtsstände: CP. §. 7O7. 780, 799, 81O Abs.l, 834 Abs. 2, 24 S. CP. §§. 823 Abs. 2, 839, 871 und ob. Anm. 19, EG. 837 Abs. 2 vbd. §. 839, EG. z. z.CP. §. 13 Abs. 4; ferner ßonc.C. CP. §. 11 vbd. EG. z.GD.§ 3 §. 134 Abs. 2; HGB. Art. 315, Abs. 3. 455, 475; RanonG. v. 21. Dez.

Richterlich bestimmte Zuständigkeit. K. 15.

43

§. 15.

c. Richterlich bestimmte Zuständigkeit.

In gewissen außerordentlichen hätten, in denen die ge­ wöhnlichen Regeln über die Zuständigkeit nicht auSreichen, kann das zuständige Gericht durch ein höheres Gericht be­ stimmt werden. Nämlich^ 1) wenn das an sich zuständige Gericht an der Ausübung des Richteramtes rechtlich (z. B. wegen eines gesetzlichen Ausschließungsgrundes) oder thatsächlich (z. B. wegen eines Krieges) gehindert ist; 2) wenn es in Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiß ist, welches Gericht für dm Rechtsstreit zuständig sei; 3) wenn mehrere Personen als Streitgenossen, d. h. ge­ meinsam mit einer und derselben Klage, verklagt werden sollen und kein gemeinschaftlicher Gerichtsstand, weder ein allgemeiner noch ein besonderer, begründet ist;2 4) wenn die Klage in dem dinglichen Gerichtsstände er­ hoben werden soll, das Grundstück aber in den Be­ zirken verschiedener Gerichte liegt; 5) wenn in einer Streitsache verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben; 6) wenn verschiedene Gerichte, von denen nothwendig eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben. Die Bestimmung des zuständigen Gerichtes geschieht durch das Gericht, welches in dem Fall der Nr. 1 für daS ver­ hinderte Gericht, in den anderen Fällen für die sämmtlichen

1 CP. §. 36. Vgl. CP. §.756.1

» S. unt. §. 22.

Th. I. Gerichte und Amtspersonen.

44

beteiligten Gerichte

gemeinsam

das

zunächst höhere ist;8

wenn also die beteiligten Gerichte verschiedenen Oberlaudes­ gerichtsbezirken angehören, durch das Reichsgericht oder das

gemeinsam übergeordnete oberste Landesgericht/

§. 16. ’ Näheres RAO. 88- 42 — 47. Weitere Obliegenheiten der Kammer s. RAO. 8-48. S. auch RAO. 8- 50.

52

Th. I. Gerichte und Amtspersonen.

Mitglieder der Kammer hat er auch noch die Aufgaben, Streitigkeiten unter den Mitgliedern der Kammer sowie zwischen einem Mitglied« der Kammer und seinem Auftrag­ geber zu vermitteln, von der Landesjustizverwaltnng oder den Gerichten geforderte Gutachten zu erstatten und das Bennögen der Kammer zu verwalten." Endlich übt er durch ein auS seiner Mitte gebildetes Ehrengericht, welches jedesmal auS dem Vorsitzenden deS Vorstandes, dem stellvertretenden Vor­ sitzenden desselben und drei anderen vom Vorstände gewählten Vorstandsmitgliedern besteht, die ehrengerichtliche Strafge­ walt über die Mitglieder der Kammer." Die ehrengerichtliche Bestrafung verwirkt aber derjenige Rechtsanwalt, welcher seine Pflichten verletzt." Die ehren­ gerichtlichen Strafen sind:

1) Warnung;

2) Verweis; 3) Geldstrafe bis zu 3000 Mark; 4) Ausschließung von der Rechtsanwaltschaft.

Geldstrafe kann mit Verweis verbunden werden." Gegen die Urtheile des Ehrengerichtes ist die Berufung an dm Ehrengerichtshof zulässig, welcher aus dem Prä­ sidenten deS Reichsgerichtes als Dorsitzmdem, drei Mitglie­ dern deS Reichsgerichtes und drei Mitgliedcm der Anwalts­ kammer bei dem Reichsgerichte besteht." 18 Näheres RAO. §. 49. Bal. RAO. §. 3 Abs. 2, §. 5 Nr. 4 —6, §§.9. 23 Abs. 1, RAG-b. §§.88, 93 Abs. 4. S.auch RAO. §.50. 18 RAO. §§.49 Nr.1, 67, 68. « RAO. §.62. S. noch RAO.

§§. 64, 65. S. auch GB. §§. 180-182, StGB. §§.300, 352, 356. r> RAO. §. 63. » RAO. §. 90. — Ueber da­ ehrengerichtliche Verfahren s. RAO. §§. 66, 69-89, 91—97.

Verhältniß des RechtSamvalteS zum Auftraggeber. K. 19. 53

§. 19. 3. Verhältniß des NechtANNwaltes zu seinem Lvstrmzgeber.

Zwischen dem RechtSanwalte und seinem Auftraggeber be­ steht ein AustragSverhältniß/ und jeder hat daher dem an­ deren gegenüber die Pflichten, welche nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes aus diesem Verhältnisse folgen. Ins­ besondere muß der Rechtsanwalt nach Maßgabe des bürger­ lichen Rechtes für den Schaden hasten, welcher durch sein Verschulden für den Auftraggeber entsteht. Zur Tragung von Kosten, welche er durch grobes Verschulden veranlaßt, kann er durch daS Proceßgericht schon von Amtswegen verurtheilt werden? Auf der anderen Seite hat er gegen den Auftraggeber einen Anspruch auf Erstattung seiner Auslagen und auf Ver­ gütung seiner Mühewaltung durch angemessene Gebüren? — beides nach Maßgabe der Gebürenordnung für Rechts­ anwälte? Die Auslagen bestehen theils in Schreibgebüren, theils in Tagegeldern und Reisekosten bei Geschäftsreisen? Die Ge­ bären bemessen sich einerseits nach bem Umfange der Thätig­ keit des Rechtsanwaltes als Proceßgebür, d. h. Gebür für die Vorbereitung und den Betrieb des Processes mit Einschluß der Information, Verhandlungsgebür, d. h. Gebür für die mündliche Verhandlung, Beweisgebür, d. h. Gebür für die Thätigkeit bei einer Beweisaufnahme, endlich 1 Mot. z. §. 26 des Entrv. der RAO. und RAO. §§. 32, 49 Nr. 3, 4. - CP. §. 97. Md GK. §.47 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2.

3 CP. §§.34, 87 Abs. 2, 115 Abs. 1, RAO. §. 32 Abs. 1. 4 RAGeb. ß. 1.

6 Näheres RAGeb. §§.76-68.

54

Th. I. Gerichte und Amtspersonen.

Bergleichsgebür, d. h. Gebür für die Mitwirkung bei einem zur Beilegung des Rechtsstreites abgeschloffenen Ver­ gleiche/ andererseits nach dem Werthe des Streitgegenstandes? Für die bei dem Reichsgerichte zugelaffenen Rechtsanwälte sind in der Revisionsinstanz die Gebürensätze um drei Zehn­ theile höher? Der Rechtsanwalt kann wegen seiner Auslagen und Gebüren von seinem Auftraggeber angemessenen Vorschuß fordern, wobei jedenfalls die Auslagen zu ihrem vollen Betrage in Ansatz gebracht werden dürfen? Soweit er keinen Vorschuß erhalten hat, kann er die Erstattung gemachter Auslagen so­ fort, die Bezahlung seiner Gebüren dagegen erst dann be­ gehren, wenn über die Verpflichtung zur Tragung der Kosten eine (unbedingte oder noch durch Eidesleistung bedingte) Ent-

6 RAGeb. §. 13. Jede dieser Gebüren kann der Rechtsanwalt in jeder Instanz (s. RAGeb. §§. 26—36) nur Einmal berechnen: RAGeb. §. 25. Vgl. GK. §. 28. Im Uebrigen s. RAGeb. §§. 13 —24, 37-51, 87—92. S. auch RAGeb. §§. 2, 4-8. 7 RAGeb. §. 9. Die Werth­ berechnung geschiebt nach den Vorschriften in GK. §§. 9—13: RAGeb. §. 10. Die für die Be­ rechnung der Gerichtsgebüren maßgebende Festsetzung des Werthes ist auch für die Berech­ nung der Rechtsanwaltsgebüren maßgebend: RAGeb. §.11 vbd. GK. §§. 14—16. Gegen den in GK. tz. 16 bezeichneten Beschluß steht dem Rechtsanwälte Be­ schwerde nach Maßgabe von

CP. §§.531-538 zu: RAGeb. ''96 7RAGeb. * §. 52.

9 RAGeb. §. 84 vbd. Mot. zu §§.83, 84 deS Entw. der RAGeb.: „Es wird in der Regel keinem Bedenken unterliegen, wenn der Rechtsanwalt bei dem Beginne eines RechtSstteits die Proceßgebür und die VerhandlungSgebür, letztere, wenn eine Been­ digung durch Versäumnißurtheil zu vermuthen ist, zur Hälfte, alS Vorschuß beansprucht." Vgl. RAO. §. 38. Der Rechtsanwalt, welcher einer zum Armenrechte zugelassenen Partei beigeordnet ist (s. CP. §. 107 Nr. 3. RAO. §. 34), hat natürlich keinen Anspruch auf einen Vorschuß. S. Mot. a. a. O.

Verhältniß deS Rechtsanwaltes zum Auftraggeber, tz. 19.

55

scheidung ergangen oder die Instanz beendigt oder endlich der Auftrag erledigt ist.10

Die Einforderung der Gebären und

Auslagen ist aber nur zulässig auf Grund einer vorher oder

gleichzeitig mitgetheilten, von dem Rechtsanwälte unterschrie­

benen Berechnung, welche die betreffenden Bestimmungen der Gebürenordnung bezeichnen und, wo der Werth des Streit­ gegenstandes maßgebend ist, auch diesen angeben muß.11

Vor dem Empfange der Auslagen und Gebären braucht der Rechtsanwalt

herauszugeben."

seinem Auftraggeber die Handacten nicht Auch kann

er beides

des Hauptproceffes einklagen."

bei dem Gerichte

Doch kann er sich immer

nur an seinen Auftraggeber halten, selbst wenn der Gegner

zur Erstattung der Proceßkosten verurtheilt ist, es wäre denn,

daß ihm zur Deckung seiner Forderungen der Anspruch seines Auftraggebers an den Gegner abgetreten oder gerichtlich über­ wiesen ist."

Bloß derjenige Rechtsanwalt, welcher für eine

zum Armenrechte zugelassene Partei bestellt ist,

10 RAGeb. §. 85 vbd. Mot. zu §. 84 des Entw. der RAGeb. Hinsichtlich der Gebären für die Betreibung der Zwangsvoll­ streckung s. CP. §. 697. Hinsichtlich der Gebär für die ErHebung und Ablieferung von Geldern s.ÄAGeb. §. 87 Abs. 3. Ueber den Fall, wenn der Auf« traggeber zum Armenrechte zugelassen ist, s. CP. §§.115, 116. ' " RAGeb. §. 86 Abs.1. Die Mittheilung dieser Berechnung kann übrigens auch noch nach erfolgter Zahlung verlangt werden, so lange nicht die Handacten zurückgenommen sind oder die

kann seine

Verpflichtung des Rechtsan­ waltes zur Aufbewahrung der­ selben erloschen ist: RAGeb. §. 86 Abs. 2. Vgl. Anm. 12. 13 RAO. §.32 Abs.1. Hand­ acten heißen die'auf den Rechts­ streit bezüglichen Schriftstücke, welche den Parteien gehören. Ueber die Dauer der Verpflich­ tung des Rechtsanwaltes zur Aufbewahrung derselben s. RAO. §. 32 Abs. 2. 13 CP. §. 34. S. ob. §. 14 Nr. 11. " RAGeb. §. 85 vbd. RAO. §. 32 Abs. 1, CP. §§. 34, 87 Abs. 2.

56

Th. I. Gerichte und Amtspersonen.

Gebüren und Auslagen von dem in die.Proceßkosten verurtheilten Gegner ohne Weiteres beitreiben.15 Wenn nicht der Rechtsanwalt einer Partei vom Ge­ richte beigeordnet ist,16 17 so kann der Betrag der Vergütung für seine Mühewaltung durch Vertrag abweichend von den Vorschriften der Gebürenordnung festgesetzt werden. Jedoch ist eine Festsetzung durch Bezugnahme auf das Ermessen eines Dritten unzulässig. Auch ist der Auftraggeber an den Vertrag nur gebunden, soweit er ihn schriftlich ab­ geschlossen hat?7 Ferner kann er trotz des Vertrages eine gehörige Berechnung der gesetzlichen Gebüren (s. ob. S. 55) verlangen?" Hält er die vertragsmäßig festgesetzte Ver­ gütung für eine übermäßige, so kann er gegen den Rechts­ anwalt auf angemessene Herabsetzung klagen, die nach ein­ geholtem Gutachten des Vorstandes der Anwaltskammer bis auf den Betrag der gesetzlichen Gebüren herunter ausge­ sprochen werden sann?9 Der zur Erstattung der Kosten verpflichtete Gegner ist immer nur zur Erstattung der gesetzlichen Gebüren gehalten?9 8- 20.

III.

Die Gerichtsvollzieher.

I. Die Gerichtsvollzieher sind Amtspersonen für die selbständige Ausführung von Zustellungen und Zwangsvoll­ streckungen. Tie Regelung ihrer Dienst- und Geschästsverhältnisse ist für das Reichsgericht dem Reichskanzler, für die Landesgerichte der Landesjustizverwaltung überlassen? 15 CP. §. 115. S. unt. §. 104. r16 S. ob. §. 18 Nr. 3. 17 RAGeb. §. 93 Abs. 1, 2.

; ! I |

" RAGeb §. 93 Abs. 3. 19 RAGeb. §. 93 Abs. 4. 20 RAGeb. §. 94. 1 GV. §. 155.

Gerichtsvollzieher. g. 20.

57

Ein Gerichtsvollzieher ist von der Ausübung seines Amtes wesentlich in den gleichen Füllen kraft Gesetzes ausgeschloffen wie eine Gerichtsperson; nämlich 1) in Sachm, in denen er selbst Partei oder gesetzlicher Vertreter einer Partei ist, oder an deren Ausgang er als Mitberechtigter, Mitverpflichteter oder Schadens­ ersatzpflichtiger einer Partei unmittelbar beiheiligt ist; 2) in Sachen seiner Eheftau, selbst nach Auflösung der Ehe; 3) in Sachen seiner leiblichen oder Adoptiv-Derwandten in gerader Linie, seiner leiblichen Seitenverwandten bis zum dritten Grade, ferner seiner Verschwägerten in gerader Linie und bis zum zweiten Grade der Seiten­ linie, selbst nach Auflösung der Ehe, durch welche die Schwägerfchaft begründet ist. Amtshandlungen eines kraft Gesetzes ausgeschloffenen Ge­ richtsvollziehers sind nichtig? II. Das Verhältniß des Gerichtsvollziehers zu seinem Auftraggeber ist demjenigen des Rechtsanwaltes zu seinem Auf­ traggeber nahe verwandt. Es ist ebenfalls ein Anftragsverhältniß und erzeugt die wechselseitigen Verpflichtungen, welche auS einem solchen folgen. Insbesondere muß also auch der Gerichtsvollzieher nach Maßgabe des bürgerlichen Rechtes für den Schaden haften, der durch sein Verschulden für den Auf­ traggeber entsteht. Zur Tragung von Kosten, welche er durch grobes Verschulden veranlaßt, kann auch er durch das Proceß­ gericht schon von Amtswegen verurtheilt werden/

8 GV. §. 156. Val. EP. §.41 I < CP. §. 97. Vbd. GK. §. 47 (ob. §. 7. I.). w | Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2. s Begr. z. GV. Enttv. §. 126. ,

58

Th. I. Gerichte und Amtspersonen.

Auf der anderen Seite hat auch er gegen den Auftrag­

geber (bei Geschäften, die von Amtswegen angeordnet werden, gegen die Staatskasse^ einen Anspruch auf Erstattung von

Auslagen und auf Gebären, — beides nach Maßgabe der Gebürenordnung für Gerichtsvollzieher?

Die Auslagen bestehen theils in Schreibgebüren, Postund Telegraphengebüren, an Zeugen und Sachverständige zu

zahlenden Beträgen u. dgl., theils in Reisekosten? Die Ge­ bären richten sich nach der Art und dem Umfange der Thä­

tigkeit des Gerichtsvollziehers; bei Pfändungen bemessen sie sich

nach der Höhe der beizutreibenden Forderung, bei Verstei­ gerungen nach dem Betrage des Erlöses? Der Gerichtsvollzieher kann die Uebernahme eines Ge­ schäftes von der Zahlung eines zur Deckung der Auslagen

und des muthmaßlichen Betrages der Gebären hinreichenden Vorschusses abhängig machen, wenn nicht das Geschäft non Amtswegen angeordnet oder für eine zum Armenrechte zu­

gelassene Partei auszufähren ist? Soweit er keinen Vorschuss

erhalten hat, kaun er die Gebären und Auslagen alsbald nach der Erledigung des Auftrages fordern und ist berechnen

sie von dem Auftraggeber durch Postvorschuß zu erheben." Auch kann er sie, wie der Rechtsanwalt, bei dem Gerichte bes Hauptprocesses eins lagen?1 An die in die Proceßkosten 5 GVollz. Geb. §. 19. 6 GVollz. Geb. §. 1. Die Gerichtsvollzieher müssen unter den Urschriften und Abschriften ihrer Acte eine Berechnung ihrer Gebüren und Auslagen aufftellen: GVollz. Geb. §. 23. 1 Näheres GVollz. Geb. §§. 13 — 17.

8 Näheres GVollz. Geb. §§. 2—12. GVollz. Geb. §. 18. Vbd. CP. §. 107 Nr. 3 (s. unt §. 104). 10 GVollz. Geb. §. 20. Hinsichtlich der Gebären für die Ausführung einer Zwangsvollstrecftmq s. CP. §. 697. 11 CP. §. 34. S. ob. §. 14 Nr. 11.

Gerichtsvollzieher, g. 20.

59

derurtheilte Gegenpartei kann auch er sich nur halten, wenn ihm der Anspruch seines Auftraggebers an dieselbe abgetreten oder gerichtlich überwiesen ist11 12 Bloß derjenige Gerichtsvoll­ zieher, welcher für eine zum Armenrechte zugelassene Partei bestellt ist, kann seine Gebüren und Auslagen von dem in die Proceßkosten verurtheilten Gegner ohne Weiteres bei­ treiben.^ Können die Auslagen des für eine solche Partei bestellten Gerichtsvollziehers von dem Ersatzpflichtigen, sei dieser die Partei selbst oder der in die Proceßkosten verurtheilte Gegner, nicht beigetrieben werden, so werden sie aus der Staatskasse ersetzt." Die einzelnen Bundesstaaten find befugt, den Gerichts­ vollziehern statt der gesetzlichen Gebüren und Auslagen eine andere Vergütung zu gewähren und jene Gebüren und Aus­ lagen für die Staatskasse einzuziehen."

11 GDollz. Geb. §. 19. Vgl.

IV.

" GDollz. Geb. §. 21.

Zweiter Theil. Kie Parteien. §. 21.

I. Parteifahigkeit und Proceßfähigkeit. I.

Parteien oder streitende Theile sind im eigent­

lichen Sinne nur Diejenigen, welche in einem Rechtsstreite einander

als

unmittelbar betheiligte Gegner, als Kläger

und Beklagter, gegenüberstehen.

Doch können neben diesen

eigentlichen Parteien (Hauptparteien) noch Andere

als

Nebenparteien an einem Rechtsstreite theilnehmen? Die Parteifähigkeit,- d. h. die Fähigkeit,

in

einem

Procesie Haupt- oder Nebenpariei zu sein, bemißt sich nach dem bürgerlichen Rechte.'

Sie kommt nicht bloß den einzelnen

Menschen zu, sondern auch dem Fiscus, d. h. dem Reiche41 * * 1 S. mit- §§. 23, 25— 27. * S. Begr. z. CPE. §. 55. * S. Begr. z. CPE. §. 19. Als maßgebend ist hier, wie im weiteren Berlause des Para­ graphen, das bürgerliche Recht des Gebietes anzujehen, in wel­ chem die Partei ihren Wohnsitz oder, als Gemeinde, Verein, Stiftung u. dgl, ihren Sitz hat. Dgl. CP. §. 19. 4 S. Flößerei-AbgabenG. v.

1. Juni 1870 §.2 Abs.3, PostG. v. 28. Okt. 1871 §. 13, RayonG. v. 21. Dez. 1871 §. 42 Abs. 1, ReichsbeamtenG. v. 31. März 1873 §§. 151 Abs. 1, 153, G. über die Rechtsverhältnisse der zum dienstlichen Gebrauche einer Reich sverwaltung bestimmten Gegenstände v. 25. Mai 1873 §. i Abj. 3, KriegsleistungsG. v. 13. Juni 1873 §. 34, BantG. v. 14. März 1875 §. 50 Abs. 1.

oder einem Staate/ den Gemeinden und Corporationen/ sowie gewtsten Gesellschaften/ Genossenschaften86 *7und * anderen Personenvereinen, ferner gewissen Stiftungen, Anstalten/ und Vermögensmasten/° int Fall von CP. §. 397 Abs. 3 und in einigen deutschen Staaten (z. B. in Mecklenburg und den Hansestädten) noch in anderen Fällen auch Behörden als solchen." II. Wer parteifähig ist, ist aber nicht immer auch proceßfähig oder fähig vor Gericht zu stehen, d. h. fähig, einen Proceß als Haupt- oder Nebenpartei selbst zu führen oder durch einen von ihm selbst bestellten RechtSanwalt oder sonstigen Proceßbevollmächtigten führen zu lasten. Sondern die Proceßfähigkeit reicht nur so weit als die Fähigkeit, sich persönlich und selbständig, d. h. ohne jedesmalige besondere Genehmigung eines Gewalthabers oder Vormundes, durch Verträge zu verpflichten, wofür die Vorschriften des bürger­ lichen Rechtes maßgebend finb.11 Proceßunfähig sind daher alle Parteien, welche, wie z. B. der FiScus, Gemeinden,

6 Dgl. die drei zuletzt ge­ nannten Reichsgesetze a. d.a.OO. 6 Z. B. den gewerblichen In­ nungen: GewerbeO. §§. 88 Abs. 1, 103 vbd. §. 97 Abs. 2, den eingeschriebenen HülfSkassen: HülfSkaffenG. v. 7. Apr. 1876 §. 5 Abs. 1 vbd. GewerbeO. §. 140 Abs. 2. S. noch GewerbeO. §. 94 Abs. 5. 7 Hierher gehören insbesondere die Handelsgesellschaften: offene Handelöaesellschast: HGB. Art. 11L Abs. 1, Commanditgesellicbaft: HGB. Art. 164 Abs. 1,

Aktiengesellschaft: HGB. Art. 213 Abs. 1, Rhederet: HGB. Art. 460 Abs. 3. 8 S. GenoffenschaftöG. v. 4. Juli 1868 §. 11 Abs. 1. 9 Insbesondere der Reichsbank: BankG. v 14. Marz 1876 §. 38 Abs. 3. 10 Z. B. einer ConcurSmaffe. S. Conc.O. §§. 60 — 53, 159, 176. " S. EP. §§. 19, 20, 157 Abs. 2. " CP. §. 51 Abs. 1 vbd. §.50. Dgl. Arch. LXI. S. 414.

62

Th. H. Parteien.

Personenvereine, Stiftungen u. dgl., ihrer Natur nach gar

nicht persönlich, sondern nur durch Vertreter handeln können.

Proceßunfähig

sind aber ferner im Allgemeinen auch die­

jenigen Menschen, welche unter väterlicher Gewalt oder Vor­

mundschaft stehen; sie sind nur für Rechtsstreitigkeiten über

solche Rechtsverhältniffe ausnahmsweise proceßfähig, welche sie

selbständig

ihre Verträge

mit für sich verpflichtender Wirkung durch

zu

begründen

im Stande fmb.13

Jedoch

kommt die Geschlechtsvormundschaft, wo sie nach den Vor­

schriften des bürgerlichen Rechtes noch besteht, bei der Proceß­ führung nicht in Rücksicht."

Auch wird ohne Rücksicht auf

die Vorschriften des bürgerlichen Rechtes die Proceßfähigkeit einer großjährigen Person dadurch, daß sie unter väterlicher

Gewalt steht, und diejenige einer Frau dadurch, daß sie Ehefrau ist, nicht beschränkt."

Bei einem Ausländer, d. h. einem nicht Reichsangehö-

rigctt,16 genügt es, wenn er entweder nach dem Rechte seines

18 S. Bear. z. CPE. §§. 50— 55 Nr. 1 und Abs. 16. So kann z. B. der Minderjährige, welcher die Genehmigung feines Vaters oder Vormundes zur Uebernahme von Schiffsdiensten erhalten hat, Heuerverträge ganz selbständig gleich einem Großjährigen ab» schließen und daher auch Pro» ceffe, die sich auf solche Verträge beziehen, als Kläger wie als SeHagter selbständig gleich einem Großjährigen führen. S. See» mannSO. v. 27. Dez. 1872 §. 6. S. noch Arch. LXI. S. 409 ff., Wilm. z. CP. §. 51 Bem. 1, Struckm. z. CP. §. 51 Bem. 1.

“ CP. §. 51 Abs. 3. " CP. 8.51 Abs. 2. Natürlich werden aber durch einen Proceß, welcher gegen ein Hauskind oder eine Ehefrau ohne Zuziehung des VaterS oder Ehemanns ge­ führt wird, die etwaigen Rechte des letzteren an dem Proceß­ gegenstände nicht berührt. S. Begr. z. CPE. §§. 50 — 55 Abs. 13. 16 Reichs»Verfassung Art. 3, G. üb. die Erwerbung u. den Verlust der Bundes» u. Staats­ angehörigkeit v. 1. Juni 1870 §§. 1—12, StGB. §§. 3—9, 91, 102 u. a.

ProceMhigkeit. §. 21.

63

Landes oder nach dem Rechte, welches an dem Orte des Proceßgerichtes gilt, proceßfähig ist."

Mr eine proceßunfähige Partei muß der Proceß durch ihren gesetzlichen Vertreter geführt werden, d. h. durch Denjenigen, der sie nach den Vorschriften deS bürgerlichen Rechtes überhaupt in Rechtsangelegenheiten zu vertreten hat:

Vormund, Gewalthaber, Vorstand, Beamter u. s. w."

Der

gesetzliche Vertreter steht bei der Proceßführung der Partei

gleich und hat gleiche Befugnisse und Pflichten, soweit nicht

die Civilproceßordnung besondere Ausnahmen macht."

17 CP. §. 53. 18 CP. §. 50. Reichsgesetzliche Vorschriften über die gesetzliche Vertretung: 1) deS Reichssiscus: Flößerei - AbgabenG. v. 1. Juni 1870 §. 2 Abs. 3, Militär - PensionirungSG. v. 27. Juni 1871 §. 116, PostG. v. 28. Okt. 1871 §. 13, RayonG. v. 21. Dez. 1871 §. 42 Abs. 1, ReichsbeamtenG. v. 31. März 1873 §§. 151 Abs. 1, 153. S. auch BankG. v. 14. März 1875 §.50. 2) des LandesfiScuö: Militär-PensionirungsG. a. a. O. S.auch BankG. q.a.O. 3) einer offenen Handelsgesellschaft: HGB. Art. 117; im Fall der Liquidation: HGB. Art. 137 Abs. 1. 4) einer Commanditaesellschaft: HGB. Art. 167 Abs. 1;) im Fall der Liquidation: HGB. Art. 172 vbd. Art. 137 Abs. 1. 5) einer Commanditgesellschaft auf Actien ins­ besondere: HGB. Art. 196 Abs. 1; in Processen gegen die persönlich

hastenden Mitglieder: HGB. Art. 194 Abs. 1, 3. 6) einer Aktiengesellschaft: HGB. Art. 227 Abs. 1; in Processen »die Vorstandsmitglieder: . Art. 226 vbd. Art. 194 Abs. 1; im Fall der Liquidation: HGB. Art. 244 Abs. 2 vbd. Art. 137 Abs. 1. 7) einer Rhederei: HGB. Art. 460 Abs. 3. 8) einer Genossenschaft: GenossenschastsG. v. 4. Juli 1868 §. 17 Abs. 1; in Processen gegen die Vorstandsmitglieder: ebend. §.29; im Fall der Liquidation: ebend. §. 43 Abs. 1. 9) einer Innung: GewerbeO. §§. 88 Abs. 1, 4, 103. 10) einer ein­ geschriebenen HülfSkasse: HülfskassenG. v. 7. Apr. 1876 §.16 Abs. 1; im Fall der Auf­ lösung: ebend. §.30. 11) einer Concursmasse: Conc.O.§§.8, 9,121 Nr. 2. S. auch CP. §§.693 Abs. 2, 694. 19 Begr. z. CPE. §§. 50—65 a. E. Ausflüsse dieser Regel in

64

Th. n. Parteien.

III. Nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes be­ mißt sich auch, ob eine (proceßfähige oder proceßunfähige) Partei oder der gesetzliche Vertreter einer Partei zu der Proceßführung einer besonderen Ermächtigung von Seite einer Privatperson (z. B. ihres Ehemannes) oder einer Gesammt­ heit von Privatpersonen (z. B. dec Generalversammlung einer Actiengesellschaft, des Gläubigerausschusses im Concurse) oder einer Behörde (z. B. der Obervormundschaftsbehörde) be­ darf.^ Ist aber, sei es durch solche Ermächtigung, sei eS ohne dieselbe, die Befugniß zur Proceßführung im Allgemeinen vorhanden, so ist damit allemal auch die Befugniß zu allen einzelnen Proceßhandlungen gegeben, selbst zu denjenigen, zu welchen bisher nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes eine besondere Ermächtigung erforderlich toar.31 IV. Fehlt es einer Partei, welche den Proceß selbst führt, an der Proceßfähigkeit, oder fehlt es Demjenigen, CP. §§. 82, 157, 219, 223, 391 Abs. 3, 433, 435, 436, 438, 549 Abs. 3. *» CP. §. 50. Vgl. HGB. Art. 194 Abs. 1, 226; GenossenschaftsG. v. 4. Juli 1868 §. 29: Conc.O. §. 121 Nr. 2. S. auch End. z. CP. §. 50. III. Zu den proceßsähigen und nur an die Ermächtigung von Seite ihres Beistandes gebundenen, nicht aber zu den proceßunfähigen Personen ist trotz der ausdrück­ lichen Erklärung der Begr. z. CPE. §§. 50 — 55 in Abs. 16 unter b. auch der emancipirte Minderjährige des französischen Rechtes zu zählen, insofern er

nach code civ. art. 482 keinen Jmmobiliarproceß ohne Beistand seines CuratorS führen kann, zumal da es sonst für ihn an jeder Möglichkeit der Führung solcher Processe fehlen würde, well sein Curator eben nur zu seiner Verbeiständung, nicht aber zu seiner gesetzlichen Vertretung befugt ist. S. auch o. civ. art. 513 und Pet. z. CP. §. 51. I. Nr. 1 Anm. 1. 31 CP. §. 52. Vgl. CP. §§. 77 — 79 (unt. §. 28. III.) und HGB. Art. 460 Abs. 6, GenossenschaftSG. v. 4. Juli 1868 §. 20 Abs. 2, GewerbeO. §. 88 Abs. 3.

der ihn als gesetzlicher Vertreter einer Partei führt, an der Legitimation, d. h. an der Berechtigung zur gesetz­ lichen Vertretung, oder fehlt es endlich einer Partei oder ihrem gesetzlichen Vertreter an der erforderlichen Ermächtigung zur Proceßführung, so könnte daS Endurtheil, welches trotzdem in der Sache erginge, von Seite dieser Partei je nach Umständen durch Berufung, Revision oder Nichtigkeits­ klage als nichtig angefochten werden." Deshalb kann nicht bloß die Gegenpartei in jeder Lage des Rechtsstreites auf -inen solchen Mangel aufmerksam machen, sondern das Ge­ richt muß auch schon von Amtswegen darauf Rücksicht nehmen." Wird er nicht beseitigt, so steht die Partei, auf deren Seite er besteht, einer nicht erschienenen gleich, und die Gegen­ partei kann daher die Erlassung eines Versäumnißurtheils gegen sie beantragen." Steht für die Partei Gefahr auf dem Verzüge, so kann sie oder Derjenige, welcher als ihr gesetzlicher Vertreter auf­ tritt, trotz eines solchen Mangels vorläufig zur Proceß­ führung zugelasseu werden. Jedoch ist dann für die Be­ seitigung desselben eine Frist zu setzen, nach deren Abläufe erst das Endurcheil erlassen werden darf." Ist er nicht be« CP. §§. 513 Nr. 5, 512 Nr. 5 vbd. §. 549 Abs. 3 und Begr. z. CPE. §. 54. « CP. §. 54 Abs. 1. Vbd. CP. §. 84 Abs. 1. 24 CP. Pr. S. 24 fg. Dabei ist jedoch zu beachten, daß wegen CP. §. 300 Nr. 1, 2 vbd. §. 157 der Antrag der Gegenpartei auf ein Versaumnißurtheil keinen Erfolg bat, wenn auch auf ihrer Seite ein solcher Mangel besteht,

Fit trag, Civilproceß. 6. Aufl.

oder wenn sie nicht Nachweisen kann, daß sie den wirklichen ge­ setzlichen Vertreter der Proceßunfähigen Partei geladen bat Ferner kann auch daS auS diesem Grunde erlassene Versäumnißurtheil von der Partei, gegen welche es ergangen ist, mit der Nichtigkeitsklage angefochten wer­ den. Vgl. unt §. 28. II. 25 CP. §.54 Abs. 2. Vgl. CP. §. 85 Abs. 1 (f. unt. §. 28. II.).

5

66

Th. H. Parteien.

fertigt, so kann wiederum von der Gegenpartei die Erlassung eines Versäumnißurtheils beantragt werben.“ V. Soll eine nicht proceßfähige Partei, die zur Zeit keinen gesetzlichen Vertreter hat, verklagt werden, so muß ihr der Vorsitzende des Proceßgerichtes, wenn nach seinem Er­ messen für den Kläger Gefahr auf dem Verzüge steht, auf (formlosen) Antrag desselben einen besonderen Vertreter be­ stellen, der sie gleich einem gesetzlichen Vertreter so lange vertritt, bis der gesetzliche Vertreter in den Proceß eiutritt. Der Vorsitzende kann nach seinem Ermessen auf Antrag des Klägers einen solchen Vertreter bis zum Eintritte des ge­ setzlichen Vertreters in den Proceß auch dann bestellen, wenn eine nicht proceßfähige Person in dem besonderen Gerichts­ stände des dauerndm Aufenthaltsortes oder Garnisonortes (ob. §. 14 Nr. 1) verklagt werden soll, und zwar selbst, wenn keine Gefahr auf dem Verzüge steht oder der Beklagte einen gesetzlichen Vertreter hat?' §. 22.

II. Streitgenoffenschaft. I. Streitgenossen heißen zwei oder mehrere Personen, welche zusammen klagen ober verklagt werden. In den Fällen, in denen dieses überhaupt statthaft ist, ist es begünstigt durch Gewährung eines gemeinschaftlichen Gerichtsstandes, auch wo nach den gewöhnlichen Regeln ein solcher nicht bestünde? 26 S. CP. Pr. S. 24 fg. vbd. 1 CP. §. 36 Nr. 3 (ob. 5. 15 S. 517. Nr. 3), §. 566 Abs. 2. Die sach­ " CP. §. 55. S.Pet.z.CP. liche Zuständigkeit bemißt sich 55. Die Bestellung be5 Ver­ nach dem Gesammtbetrage der treters geschieht gebürcnsrei: GK. verbundenen Ansprüche: CP. §. 47 Nr. 9. aber RAGeb. §. 5. §. 23 Nr. 1 vbd. §. 29 Nr. 6.

67

Streitgenoffenschaft, g. 22.

Mehrere Personen können aber als Streitgenossen klagen oder verklagt teerten:2 3 1) wenn sie hinsichtlich des Streitgegenstandes in RechtSgemeinschaft stehen, wie z. B. mehrere Miteigenchümer der Sache, welche einem Dritten mit der EigenthumSklage abge­ fordert werden soll;3 2) wenn sie aus demselben thatsächlichen und rechtlichen Grunde berechtigt oder verpflichtet sind, wie z. B. mehrere aus einem gemeinsam vorgenommenen Rechtsgeschäfte Be­ rechtigte oder Verpflichtete, mehrere Erben des Gläubigers oder Schuldners;3 3) wenn sie aus einem im Wesentlichen gleichartigen that­ sächlichen und rechtlichen Grunde gleichartige Ansprüche oder Verpflichtungen haben, wie z. B. mehrere Miether eines und desselben Vermiethers aus wesentlich gleichlautenden Miethverträgen? Manchmal ist die Streitgenossenschaft sogar eine noth­ wendige, so daß, wenn nicht alle Betheiligte klagen ober verklagt werden, der Beklagte die Abweisung der Klage ver­ langen kann. Wann dieses der Fall sei, bemißt sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes? II. Zwischen mehreren Streitgenossen besteht in der 2 Verbindungsrecht deS Ge­ richtes: CP. §.138. Trennungs­ recht desselben: CP. §. 136 Abs. 1. Unzulässigkeit der Streitgenoffenschaft, wenn sich die verbundenen Klagen nicht zu der gleichen Procchart eignen: CP. §. 232 Abs 1. S. noch CP. §§. 61, 66, 566 Abs. 2, 586 Abs. 2, 607 Abs. 3, 690 Abs. 2, 710

Abs. 3, 753 Abs. 2, SoncJD. §§. 134, 135. 3 CP. §. 56. • CP. §. 57. 6 EP. §§. 58,59. Von einem anderen als diesem aewöhnlichen Begriffe der nothwendigen Streit« genoffenschast acht CP. §.59 aus, woraus sich die Fassung dessel­ ben (s. Anm. 8) erklärt.

5*

Th. Es. Parteien.

63

Regel nur die äußerliche Verbindung, daß über ihre An­

sprüche

oder Verpflichtungen in dem nämlichen Verfahren

gemeinsam verhandelt wird; im Uebrigen ist jeder so zu beur­ theilen, als ob er allein mit dem Gegner im Proceffe stünde, und was er thut oder unterläßt, gereicht daher den anderen weder zum Vortheil noch zum Nachtheil.

Auch kann der

Ausgang des Processes für jeden Streitgenossen ein verschie­ dener fein.6 7 8 Diese Regel erleidet jedoch Ausnahmen, theils wo sie auS Vorschriften des bürgerlichen Rechtes, theils wo sie aus be­

sonderen Bestimmungen der Civilproceßordnung? folgen.

Sie

beziehen sich vornehmlich auf die Fälle, wenn die Streitge-

noffenschaft eine nothwendige ist,

oder wenn das streitige

Rechtsverhältniß allen Streitgenoffen gegenüber nur einheitlich festgestellt werden kann, wie z. B. die streitige Wege- oder Wasserleitungsgerechtigkeit, welche für ein Grundstück in An­

spruch genommen wird, gegenüber mehreren Miteigenthümern

desselben?

Stehen in solchen Fällen die Erklärungen der

6 EP. §. 58; vgl. CP. §. 95 Abs. 3. Nicht einmal zur Auf­ stellung eines gemeinsamen Proceßbevollmächngten ober Zustel­ lungsbevollmächtigten sind die Streilgenossen gehalten: Begr. z. CPE. §. 58 in Abs. 2. S. aber CP. §. 87 Abs. 1 und Begr. ä. CPE. §. 85 in Abs. 5. Ueber Zustellungen an Streitge­ nossen s. CP. §. 172. 7 CP. §§. 59, 391 Abs. 3, 434, 438. 8 CP. §§. 59, 434 und Begr. A. CPE. §. 58 in Abs. 6. Der Wortlaut in CP. §. 59: „Kann

das streitige Rechtsverhaltniß allen Streitgenossen gegenüber nur einheitlich festgestellt werden, oder ist die Strettgenossenschaft aus einem sonstigen Grunde eine nothwendige" könnte zu der Annahme führen, als ob in den Fällen der ersten Art nach der Civilproceßordnung stets und ebne Rücksicht auf die (in ver­ schiedenen Rechtsgebieten ver­ schiedenen) Vorschriften des bür­ gerlichen Rechtes eine nothwen­ dige Streitgenossenschaft in dem angegebenen gewöhnlichen Sinn bestünde; allein dieses sollte nach

Betheiligung Dritter am Rechtsstreite. §. 23.

69

Streitgenossen im Widersprüche mit einander, wie z. B. wenn der eine gesteht, der andere leugnet: so hat das Gericht nach freier Ueberzeugung zu entscheiden, ob die Thatsache für bewiesen zu erachten sei? Ferner werden, wenn ein Termin oder eine Frist nur von einzelnen Streitgenoffen versäumt wird, die nicht säumigen als Vertreter der säumigen angesehen. Doch sind die letzteren in dem späteren Verfahren wieder in der gewöhnlichen Weise zuzuziehen." In allen Fällen der Streitgenoffenschaft steht das Recht der Betteibung des Processes einem jeden Streitgenossen zu. Jedoch muß der Streitgenosse, welcher den Gegner zu einem Termin ladet, auch die übrigen Streitgenossen laden." in.

Betheiligung Dritter am Rechtsstreite.

8. 23. Lebrrstcht der möglichen ^alle.

Mitunter kann ein Dritter in einem Processe interveniren, d. h. sich in denselben aus eigenem Rechte oder der Begründung (zu CPE. §. 58 in Abs. 6) mit jenen Motten nicht gesagt werden. S. Anm. 5 und Arch. LXI. S.415fg. — Fälle, in denen daS streitige Verhältniß nur einheit­ lich festgestellt werden kann, f. noch in CP. §§. 586 Abs. 2, 607 Abs. 3, 690 Abs. 2, 710 Abs. 3, 753 Abs. 2, 4, Conc.O. §§. 134 Abs. 1, 135. 9 CP. §. 259 und Begr. z. CPE. §. 58 a. E. Ueber die Behandlung des Eides s. CP. §§. 434, 438.

10 CP. §. 59. 11 CP. §. 60. Richrladung der übrigen Streitzenoffen hätte nach CP. §. 300 Nr. 2 die Un­ möglichkeit eines Versämnnißuttheilö gegen den Gegner und nach CP. §§. 206, 90 die 53ertagung der Verhandlung auf Kosten des betteibenden Streit» genoffen zur Folge. Gegen den von dem betteibenden geladenen aber nicht erschienenen Stteitgenoffen kann, wenn nicht die Vor­ aussetzungen von CP. §. 59 vor­ handen sind, der Gegner ein

70

Th. II. Parteien.

Interesse einmischen. Diese Einmischung heißt Hauptinter­ vention, wenn sie geschieht, um als Gegner der beiden Hauptparteien den Gegenstand ihres Rechtsstreites für sich in Anspruch zu nehmen, Nebenintervention, wenn sie ge­ schieht, um als Nebenpartei eine der Hauptparteien zu unter­ stützen. Die Nebenintervention geschieht entweder aus eigenem Antriebe und wird dann von der Civilproceßordnung vor­ zugsweise als Nebenintervention bezeichnet, oder sie ge­ schieht in Folge einer Aufforderung von Seite einer der Hauptparteien. Die letztere kann wieder entweder in einer Streitverkündung oder in Benennung des Auctors bestehen.

§. 24. 1. Hauptinterorntion.

Ein Dritter, welcher im Laufe eines Rechtsstreites den Gegenstand desselben, z. B. die streitige Sache oder Erbschaft, für sich in Anspruch nehmen will, kann sich ein gegen beide Parteien wirksames Urtheil dadurch verschaffen, daß er seinen Anspruch im Wege der Hauptintervention geltend macht, d. h. mittels einer Klage, welche er bei dem Gerichte, vor dem der schwebende Hauptproceß in erster Instanz anhängig geworden ist, gemeinsam gegen die beiden Parteien als Streitgenossen erhebt?

DersLumnißurtheil beantragen. S. Arch. LXI. S. 416 fg. — Ueber die Behandlung des Kosten­ punktes in den Fällen der Streit­ genossenschaft s. CP. §. 95, GK. §5. 91, 92, RAGeb. §. 51. 1 CP. §. 61. Die Vollmacht für den Hauptproceß erstreckt sich auch auf den JnterventionSProceß: CP. §. 78. — Ueber

I die Hauptintc ntion bei einer Kammer für Handelssachen: GD. §. 108. — Wer den Gegenstand des Hauptprocesses erst nach eingetretener RechtShängiakcit des­ selben v«m einer der Hauptparfeien erwirbt, kann nur mit Zustimulung deS Gegners eine Hauptintervention erheben: CP. §. 286 Abs. 2.

Nebenintervention. tz^25.

71

Die Hauptintervention ist zulässig, gleichviel ob der streitige Gegenstand in einer Sache, d. h. einem körperlichen, oder in einem Rechte, d. h. einem unkörperlichen Vermögensstücke wie z. B. einer Erbschaft oder Forderung, besteht, und ol der Dritte ihn ganz oder nur theilweise für sich in Anspruch nimmt. Sie kann aber nur geschehen, so lange der Haupt­ proceß noch nicht rechtskräftig entschieden ist1 Der letztere kann auf Anttag einer Partei oder auch von Amtswegen bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Häuptintervention auSgesetzt werden.1 Auf der anderen Seite kann das Gericht nach Ermessen auch die Verbindung beider Processe zu ge­ meinsamer Verhandlung und Entscheidung anordnen/ §. 25.

2. NeLrninteroeutiori. I. Einem Rechtsstreite kann zur Unterstützung einer Partei ein Feder beitreten, der an dem Obsiegen derselben ein recht­ liches Interesse hat, d. h. dem ihr Unterliegen einen rechtlichen Nachtheil brächte, waS namentlich dann der Fall ist, wenn er durch daS Unterliegen der Partei auch seinerseits ein Recht verlöre, oder wenn die Partei, gesetzt daß sie unterläge, auf ihn wegen Entschädigung jitriitfgreifeii könnte1 Der Beitritt geschieht durch Zustellung eines Schriftsatzes an beide Hauptparteien, welcher außer der Erklärung deS

1 CP. §§. 62, 139. 3 CP. §. 61. Im Zwangs« CP. §. 138. vollstreckungsverfahren tihmte 1 CP. §.63 Abs. 1. Besondere der Dritte im Wege der Klage Widerspruch gegen die Doll- Fälle; HGB. Art. 194 Abs. 2,195 streckung erheben: CP. §. 690 (s. Abs. 3, 226, GenossenschaftsG. v.4. SuU 1868 §.29 216$. 2 n.G. uni. §. 83. HL).

72

Th. IL Parteien.

Beitrittes die Bezeichnung der Parteien und deS Rechtsstreites sowie die bestimmte Angabe des Interesses deS Nebeninter­ venienten enthalten muß, außerdem aber den allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze (CP. §§. 121, 122) entsprechen soll? Widerspricht keine der Parteien, so wird der Nebenintervenient ohne Weiteres zugelaffen? Stellt dagegen eine der Parteien den Antrag auf Zurückweisung, so muß darüber nach vorgängiger mündlicher Verhandlung zwischen den Parteien und dem Nebenintervenienten durch ein Zwischenurtheil entschieden werden. Der Nebenintervenient ist zuzulaffen, wenn er sein Jntereffe glaubhaft macht. So lange die Unzulässigkeit der Nebenintervention nicht rechts­ kräftig ausgesprochen ist, wird er im Hauptverfahren gleich einem Streitgenossen zugezogen.3 4

II. Die Nebenintervention kann in jeder Lage des Rechts­ streites bis zur rechtskräftigen Entscheidung desselben geschehen; insbesondere auch, nachdem bereits ein Urtheil ergangen ist, zum Zwecke der Einlegung des Einspruches oder eines Rechts­ mittels gegen dasselbe? Jedoch ist der Intervenient als bloße Nebenpartei stets an die Lage gebunden, in welcher sich der Rechtsstreit zur Zeit seines Beitrittes befindet, und er kann daher namentlich nur solche Angriffs- und Bertheidignngsmittel geltend machen, die nicht nach der Lage des Rechts­ streites ausgeschloffen sind. Im Uebrigen kann er die Mittel,

3 CP. §. 67. Ueber die Form der Intervention im Verfahren vor den Amtsgerichten s. CP. §. 462 a. E. 3 Bear. z. CPE. §. 66 a. C. 4 CP. §. 68. Gegen das Zwischenurtheil kann sofortige

Beschwerde eingelegt werden: CP. §. 68 Abs. 2. Wegen der Gebnren dieses Zwischenstreites s. GK. §. 27 Nr. 1 vbd. §. 39, RAGeb. §. 23 Nr. 1 vbd. §. 29 Nr. 2. 5 CP. §. 63 Abs. 2.

Nebeninterventton, g. 25. die

73

er zur Unterstützung der Hauptpartei gebrauchen will,

selbständig wählen, mit der einzigen Beschränkung, daß seine

Erklärungen und Handlungen mit denjenigen der Hauptpariei

nicht in Widerspruch treten dürfen/ Mit Einwilligung aller

Theile kann er auch die Führung des Processes anstatt der Hauptpartei allein übernehmen.6 7

HI. Obgleich das Urtheil, welches in dem Rechtsstreite

ergeht, an sich nur über das Rechtsverhältniß zwischen den Hauptparteien entscheidet, so übt es doch auch auf das Verhältniß zwischen dem Intervenienten und der von ihm unter­ stützten Partei einen gewissen Einfluß.

Jener wird nämlich

dieser gegenüber mit der Behauptung unrichtiger Entscheidung des Rechtsstreites gar nicht, und mit der Behauptung mangel­

hafter Führung desselben durch die Hauptpartei nur insoweit

gehört, als er seinerseits durch die Lage des Rechtsstreites zur Zeit seines Beitrittes oder durch das Verhalten der Hauptpartei an der Geltendmachung von Rechtsbehelfen ver­ hindert war oder die Hauptpartei ihm unbekannte Rechts­

behelfe absichtlich oder durch grobes Verschulden nicht geltend gemacht hat? Mitunter ist nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes

die Entscheidung

des Rechtsstreites

auch für das Rechts­

verhältniß deS Nebenintervenienten zu der Gegenpartei maß­ gebend. In solchen Fällen gilt er als Streitgenosse der von ihm unterstützten Hauptpartei, steht daher der Gegenpartei

ganz selbständig gegenüber und ist in der Wahl der Mittel

6 CP. §. 64. Ueber die Eides­ zuschiebung und Zurückschiebung s. CP. §. 414.

7 Begr. z. CPE. §. 64 in Abs. 3. S. auch CP. Pr. S. 25. n CP. §. 65. Vgl. Pet. z. CP. §. 65.

74

Th. II. Parteien.

zur Wahrung seiner Interessen durch daS Verhalten dex Hauptpartei nirgends gebunden.9 8. 26. 3. Streitverkündung.

L Streitverkündung ist eine Anzeige von dem Rechts­ streite an einen Dritten mit der Aufforderung zur Beistands­ leistung. Sie geschieht, um für den Fall des Unterliegens dem Dritten den Einwand abzuschneiden, der Rechtsstreit sei mangelhaft geführt oder unrichtig entschieden, und sie ist statt­ haft, so oft einer Partei an der Abschneidung dieses EinwandeS gelegen sein muß, sei eS weil sie im Fall ihres Un­ terliegens chren Rückgriff an den Dritten nehmen will, sei es weil sie in diesem Fall Ansprüche von Seite des Dritten zu besorgen hat? Der Dritte kann, wenn er aus eineur der genannten Gründe ein Interesse daran hat, seinerseits eine weitere Streitverkündung vornehmen? Die Streitverkündung ist bis zur rechtskräftigen Entschei­ dung deS Rechtsstreites möglich? Sie konunt fast nur als gerichtliche vor, und nach dem Rechte mancher deutscher RechtSgebiete ist sie überhaupt nur als gerichtliche statthaft. Die gerichtliche Streitverkündung geschieht aber durch Zu­ stellung eines Schriftsatzes, welcher den Grund der Streitver9 CP. 66; vbd. CP. tz. 414. Pattei zur Streitverkündung bei Beispiele: CP. §. 753 Abs. 2, Vermeidung rechtlicher Nach­ 4, Conc.O. §. 135. Eine Aus­ theile verpflichtet sei, bemißt sich nahme s. in CP. §. 236 Abs. 2. — nach dem bürgerlichen Rechte: Ueber die Behandlung der Kosten Begr. z. CPE. §§. 68 — 70 in der Nebenintervention s. CP. Abs. 2. S. aber CP. §. 740. 1 CP. §. 69 Abs. 2. §. 96. 1 CP. §. 69 Abs. 1. Ob eine 8 CP. §. 69 Abs. 1.

Streitverkündung. §♦ 26.

75

kündung und die Lage des Rechtsstreites angeben muß? Der Gegenpartei ist (in formloser Weise) Abschrift zu geben? Wenn der Dritte dem Streitverkünder beitritt, so hat er die rechtliche Stellung eines Nebenintervementen, und es sind daher überall die Grundsätze über die Nebenintervention maß­ gebend? Lehnt er den Beitritt ab, oder erllärt er sich nicht, so wird der Rechtsstreit ohne Rücksicht auf ihn fortgesetzt? In jedem Fall aber ist für ihn der Ausgang deS Processes gegenüber dem Streitverkünder in gleicher Weise bindend, wie nach CP. §. 65 für den Nebenintervenienten gegenüber der Hauptpartei; nur mit dem Unterschiede, daß anstatt der Zeit des Beitrittes hier diejenige. Zeit entscheidet, zu welcher der Beitritt in Folge der Streitverkündung möglich war? II. Besondere Regeln gelten dann, wenn Jemand wegen einer Geldfordernng verklagt wird unb sich dem Ansprüche des Klägers bloß deshalb widersetzt, weil auch ein Dritter die Forderung als ihm zustehend in Anspruch nimmt, wie z. B. wenn der ursprüngliche Gläubiger gegen den Schuldner klagt, während dieser von einem Dritten die Anzeige erhalten hat, daß die Forderung an ihn abgetreten sei? In solchen Fällen ist es billig, daß der Schuldner den beiden Anderen den Austtag des Streites, wer von ihnen der wahre Be8 CP. 71 Abs. 3. Vgl. ob. * CP. §. 70 Abs. 1. Der Dritte kann außerdem Einsicht H. 25. III. y Daß eine Geldforderung der Proceßacten verlangen: CP. §. 271 Abs. 2. Ueber die Form vorausgesetzt wird, ergibt sich der Stteitverkündung in dem aus den Worten: „Betrag der Verfahren vor den Amtsgerichten Forderung" in CP. 5 72. S. auch End. z. CP. §. 72. I. A. s. CP. §. 462 a. E. Nr. 3. A. M. Struckm. z. CP. * CP. §. 70 Abs. 2. §. 72 Dem. 2, Seuff. z. CP. 6 CP. §. 71 Abs. 1. §. 72 Dem. 2. Im Nebrige.7 s. CP. Pr. S. 27. ’ CP. §. 71 Abs. 2.

76

Th. II. Parteien.

rechtigte sei, allein überlassen kann. Um dieses zu erreichen, muß er zuvörderst dem Dritten den Streit verkünden. Tritt nun der Dritte in den Rechtsstreit ein, so kann der Be­ klagte den (durch Geständniß oder Zwischenurtheil festgestellten) Betrag der Forderung zu Gunsten der streitenden Gläubiger gerichtlich hinterlegen und ist dann auf seinen Antrag aus dem Rechtsstreite zu entlasten, jedoch, wenn er gegen die Forderung unbegründeten Widerspruch erhoben hatte, unter Berurtheilung in die dadurch veranlaßten Kosten. Alle übrigen Kosten, auch diejenigen der Hinterlegung, werden dem unter­ liegenden Gläubiger auferlegt, dem obsiegenden dagegen wird der hinterlegte Betrag zugesprochen." §. 27.

4. Lrnrnnung des Aurtors. Manche Klagen, wie namentlich die Eigenthumsklage, können gegen Jeden erhoben werden, welcher eine Sache that­ sächlich innehat. Hat aber der Beklagte die Sache nur im Namen eines Dritten inne, z. B. Desjenigen, der sie ihm verpachtet, geliehen oder zunr Aufheben übergeben hat, so hat er an dem Ausgange des Rechtsstreites oft gar kein wesentliches eigenes Jntereffe und muß daher wünschen, sich von der Führung desselben gänzlich zu befreien. Um dieses zu erreichen, muß er vor der Verhandlung zur Hauptsache seinem Auctor, d. h. Demjenigen, in dessen Namen er die Sache innehat, den Streit verkünden und ihn zur Erklärung in einem bestimmten Termine laden, gleichzeitig aber dem 10 CP. §. 72. Vgl. noch Struckm. und End. zu diesem Paragraphen. — Wegen der Ge-

büren s. GK. §. 26 Nr. 3, vbd. §. 28, RAGeb. §. 20 vbd. §. 29.

Benennung deS AuctorS. tz. 27.

77

Klager den Auctor benennen, d. h. anzeigen, daß er im Namen des und des Anderen besitze. Bis zur Erklärung des Benannten oder bis zum Schluffe des Termins, in welchem sie zu erfolgen hat, kann der Beklagte die Ver­ handlung zur Hauptsache verweigern? Bestreitet der Benannte, daß er der Auctor des Be­ klagten sei, oder erklärt er sich nicht, so ist der Beklagte be­ rechtigt, dem Klageantrage zu genügen, ohne sich jenem da­ durch verantwortlich zu machen? Erkennt der Benannte an, daß er der Auctor des Beklagten sei, so kann er diesem als Nebenintervenient beitreten; er kann aber mit Zustimmung des Beklagten auch die Fühnmg des Proceffes anstatt des­ selben übernehmen, selbst gegen den Willen deS Klägers. Nur insoweit ist die Zustimmung des Klägers erforderlich, als dieser gegen den Beklagten Ansprüche geltend macht, welche letzterer, weil sie nicht bloß durch die Jnuehabung der Sache begründet sind, in eigenem Namen zu vertreten hat, wie z. B. Ansprüche auf Erstattung von Früchten, auf Ersatz verursachten Schadens u. dgl. Hat der Benannte den Proceß übernommen, so ist der Beklagte auf seinen Antrag von der Klage zu ent­ binden. DaS Urtheil ist aber, soweit es den Anspruch betrifft, den der Beklagte als Inhaber der Sache zu vertreten hat, auch dann gegen ihn wirksam und vollstreckbar? 1 CP. §. 73 Abs. 1. Ob der Beklagte zur Benennung des AuctorS bei Vermeidung recht­ licher Nachtheile verpflichtet fei, bemißt sich nach dem bürgerlichen Rechte: Begr. z.CPE. §. 71 in Abs. 2 u. 6. 1 CP. §. 73 Abs. 2.

3 CP. §. 73 Abs. 3, 4. Wegen der Behandlung des Kosten­ punktes s. Pet. z. CP. §. 73. IV. Nr. 4. Abweichend Seuff. z. CP. §. 73 Bem. 6 und Struckm. z. CP. §.73 Bem. 8. — Wegen der Gebären s. GK. §. 26 Nr. 3 vbd. §.28, RAGeb. §.20 vbd. §.29.

78

Th. II, Parteien,

§. 28.

IV. Proceßbevollmächtigte und Beistände. Proceßbevollmächtigter ist Derjenige, welcher ver­ möge erhaltener Vollmacht eine Partei bei der Proceßführung vertritt, Beistand Derjenige, welcher mit ihr vor Gericht erscheint, um ihr bei der Proceßführung zu helfen, namentlich für sie das Wort zu führen. I. Für das Verfahren vor den Landgerichten und allen Gerichten höherer Instanz besteht der sog. Anwaltszwang, d. h. jede Partei muß sich durch einen bei dem Proceßgerichte zugelaffenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertteten lassen, wenn sie nicht selbst zu diesen Rechtsanwälten gehört? Die Rechtsstreiligkeiten, welche vor Landgerichten oder höheren Gerichten verhandelt werden, heißen daher AnwaltSproeesse? Der Anwaltszwang fällt jedoch selbst in Anwalts­ processen weg für das Verfahren vor einem beauftragten oder ersuchten Richter und für diejenigen Proceßhandlungen, welche vor dem Gerichtsschreiber vorgenommen werden können, und zwar auch dann, wenn sie nicht wirklich vor demselben, sondern durch schriftliche Eingabe vorgenommen werden? Für die Rechtsstreitigkeiten, welche vor Amtsgerichten verhandelt werden, besteht überhaupt kein Anwaltszwang. Diese Rechts­ streitigkeiten heißen daher Partei Processe? 1 CP. §. 74 Abs. 1, 3. RAO. I vorbereitenden Schriftsätze sollen §. 27 Abs. 1. S. jedoch RAO. an Anwalt.sprocesse von dem §8. 27 Abs. 2, 100 Abs. 2, 101 Anwälte unterschrieben sein: und ob. §. 18. I. Ferner CG. CP. §. 121 Nr. 6. z. CP. §. 8 Abs. 1. 3 CP. §. 74 Abs. 2. S. auch CP. §. 74 Abs. 1. S. auch CP. §. 352 Abs. 2. CP. §§. 120, 121 Nr. 6, 152 4 Begr. z. CPE. §§. 72, 73 Abs. 2, 192, 221. Schon die unter III.

Proceßbevollmächtigte und Beistände. §• 28.

79

Wo kein Anwaltszwang besteht, kann jede Parte» ihre Sache entweder selbst führen oder durch irgend eine proceßfähige Person als Bevollmächtigten führen lassen? Jedoch kann das Gericht Bevollmächtigte zurückweisen, welche das mündliche Verhandeln vor Gericht geschäftsmäßig betreiben? Wenn in einem Anwaltsprocesse eine Partei keinen zu ihrer Vertretung geneigten Anwalt findet, so muß ihr auf ihren Antrag das Proceßgericht einen Rechtsanwalt beiordnen, vorausgesetzt daß ihre Rechtsverfolgung oder Rechtsverthei­ digung nicht muthwillig oder aussichtslos erscheint? Einer Partei, welcher das Armenrecht bewilligt ist, muß in einem Anwaltsprocesse jedesmal ein Rechtsanwalt zu vorläufig un­ entgeltlicher Wahrnehmung ihrer Rechte beigeordnet werden;' in einem Parteiprocesse kann es auf ihren Antrag geschehen? Die Auswahl des Rechtsanwaltes geschieht in allen diesen Fällen durch den Vorsitzenden des ProceßgerichteS auS der Zahl der bei diesem zugelassenen Rechtsanwälte?' 1 CP. §. 76. „Proceßfähig" wird hier im Sinn der vollkom­ menen, nicht bloß auf einzelne Arten von Processen beschränkten Proceßfähigkeit zu verstehen sein. S. ob. §. 21. II. — S.auch noch RAO. §§. 26, 100 Abs. 2. ° CP. §.143 Abs. 2. S.unt. §. 40. II. 7 RAO. §. 33. Vgl. CP. §. 106 Abs. 1. Der beigeordnete Rechtsanwalt kann die Uebernähme der Vertretung von einem angemessenen Kostenvorschusse abhängig machen: RAO. §. 38 vbd. RAGeb. §. 84 (s. ob. S. 54). 8 CP. §. 10« Nr. 3.

9 RAO. §, 34. — Andere Fälle, in denen einer Partei ein Rechtsanwalt beigeordnet werden muß oder kann, s. in CP. §§. 609, 620 Abs. 3, 626 Abs. 2. Don einem Kostenvorschusse darf in diesen Fällen die Uebernahme der Vertretung nicht abhängig gemachiwerden: RAO. §. 38. Gegen die Entscheidung, durch welche die -Beiordnung eines Rechtsanwaltes abaelehnt wird, steht der Partei die Be­ schwerde zu: RAO. §. 35. 10 RAO. §. 36 Abs. 1. Gegen die Verfügung sicht der Partei und dem Rechtsanwälte die Be­ schwerde zu: RAO. §. 36 Abs. 2.

80

Th. IL Parteien.

In AnwaltSprocessen wie in Parteiprocessen darf aber die Partei stets neben ihrem Bevollmächtigten vor Gericht erscheinen und seine Vorträge ergänzen oder berichtigen." Auch kann von dem Proceßgerichte zur Aufklärung des Sach­ verhaltes oder zum Zwecke eines SühneversucheS das per­ sönliche Erscheinen der Parteien angeordnet werden." II. Die vertretene Partei selbst muß die Proceßführung immer schon dann gegen sich gellen lasten, weiln sie auch nur mündlich Vollmacht ertheilt, oder wenn sie die Prvceßführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat?' Der Be­ vollmächtigte braucht aber zur Proceßführung nicht zugelasten zu werden, wenn er nicht eine schriftliche Vollmacht zu den Gerichtsacten gibt." Ist dieselbe eine Privaturkunde, so kann der Gegner auch die gerichtliche oder notarielle Beglaubigung verlangen." Die Vollmacht braucht nicht gerade eigens für diesen Proceß ausgestellt zu sein, und es genügt daher auch eine Generalvollmacht, eine Procura, die Anstellung als Schiffer oder Correspondentrheder, ein Procura-Indossament

11 CP. §§. 81, 128 Abs. 4. S. mit. §. 40. II. 14 CP. §§. 132, 268 Abs. 2. S. auch CP. §§. 572, 579. 13 CP. §. 85 Abs. 2. Hat sie weder Vollmacht noch Geneh­ migung ertheilt, so kann sie daS ergangene Urtheil je nach Um­ standen mit Berufung, Revision oder Nichtigkeitsklage als nichtig anfechten: CP. §§. 513 Nr. 5, 642 Nr. 4. " CP. §. 76 Abs. 1. AuS­

nähme: CP. §. 613. — Auch der bevollmächtigte, und sogar der nach CP. §. 107 Nr. 3 und RAO. §§. 33, 34 vom Proceßgerichte beigeordnete Rechtsan­ walt muß eine schriftliche Voll­ macht von Seite der Partei bei­ bringen: Begr. z. CPE. §. 74 in Abs. 2. 15 Mit erleichterter Form der Beglaubigung: CP. §.76 Abs. 2. Ueber den Begriff der Privat­ urkunde s. unt. §. 52. I.

Proceßbevollmachtigte und Beistände, tz. 28. u. dgl."

81

Ferner steht mündliche Erklärung der Bollmacht

zum Sitzungsprotokoll der schriftlichen und beglaubigten Voll­ macht gleich." Den Mangel einer gehörigen Vollmacht kann der Gegner

in jeder Lage des Rechtsstreites geltend machen;" in Partei­

processen und überhaupt, soweit kein Anwaltszwang besteht, hat ihn das Gericht schon von Amtswegen zu berücksichtigen." Wird er nicht beseitigt, so steht die Partei einer nicht er­

schienenen gleich, und der Gegner kann daher die Erlassung eines BersäumnißurtheilS gegen sie beantragen." Das Gericht kann aber in Anwalts- wie in Parteipro­

cessen nach seinem Ermessen Jemanden auch ohne Vollmacht

oder gehörige Vollmacht einstweilen als Vertreter einer Partei zulassen, sei es gegen Bestellung einer Sicherheit wegen der

Kosten und Schäden oder auch ohne solche.

Doch ist dann

jedesmal eine Frist für die Beibringung der Genehmigung

von Seite der Partei zu setzen, nach deren Ablaufe erst daS Endurtheil nicht

erlassen

beigebracht,

werden

so

darf."

Ist

die Genehmigung

kann der Gegner wiederum die Er­

lassung eines Versäumnißurcheils beantragen." III. In Anwaltsproceffen kann die Vollmacht nur als Proceßvollmacht, d. h. allgemein auf die Führung deS Rechts­

streites lautende Vollmacht, ertheilt werden; in Parteiproceffen

16 S. Bear. z. CPE. §. 74 und vgl. HGB. Art. 42, 460, 496, WO. Art. 17. S. auch noch HGB. Art. 47 Abs. 2, 58 Abs. 2. 17 S. Bear. z. CPE. §. 74 in Abs. 1 a. E. Dgl. CP. §. 146 Abs. 3. " CP. §. 84 Abs. 1.

Fitting, Civiiproceg. 6. Soft

*» CP. §. 84 Abs. 2. Bbd. CP. §§. 130 Abs. 2, 300 Nr. 1. S. CP. Pr. S. 617 vgl. S. 24 sg. Vgl. ob. §. 21. IV. u. Amu. 24. CP. §. 86 Abs. 1. Dgl. CP. §. 64 Abs. 2. » CP. Pr. S. 617 vgl. S. 24 fg. Dgl. auch ob. §. 21. IV.

6

82

Th. 17. Parkten.

und überhaupt, soweit lein Anwaltszwang besteht, ist auch eine Vollmacht mir für einzelne Proceßhandlungcn zulässig." Die Proceß voll macht gibt stets die Ermächtigung zu allen den Rechtsstreit betreffenden Proceßhandlungen mit Einschluß derjenigen, welche durch eine Widerklage, eine Wiederaufnahme des Verfahrens und die Zwangsvollstreckung veranlaßt werden; insbesondere auch zu der Bestellung eines sog. Substituten, d. h. eines Vertreters deS Bevollmächtigten," und eines Bevollmächtigten für die höheren Instanzen, ferner zur Beseitigung des Rechtsstreites durch Vergleich, Verzicht­ leistung auf den Streitgegenstand oder Anerkennung des von dem Gegner geltend gemachten Anspruches, endlich zur Em­ pfangnahme der von dem Gegner zu erstattendLn Kosten." Auch enthält die Vollmacht für den Hauptproceß von selbst zugleich die Vollmacht für das Verfahren, welches sich aus eine Hauptintervention, einen Arrest oder eine einstweilige Verfügung bezieht." Sind mehrere Bevollmächtigte ausge­ stellt, so können sie die Partei sowohl einzeln als gemein­ schaftlich vertreten." Abweichende Bestimmungen der Voll­ macht haben der Gegenpartei gegenüber, keine rechtliche Wirkung; nur die Beseitigung deS Rechtsstreites durch Vergleich, Verzicht oder Anerkennung kann wirksam ausgeschlossen werden." Soweit die Befugnisse des Bevollmächtigten reichen, haben 13 CP. §. 79 Abs. 2. Abs. 1. Vgl. Pet. z. CP. §. 80. 14 Val. RAO. §§. 27 Abs. 2, IIL Nr. 2, IV. und Struckm. 101. Wegen der Gebären f z. CP. §. 80 Beni. 3. RAGeb. §§. 42, 43. 18 CP. §§. 79 Abs. 1, 80. 15 CP. §. 77. Vgl. CP. §. 52 (ob. §. 21. III.) “ CP. §. 78. und HGB. Art. 43, 116, 138, ” CP. §.80. S. jedoch HGB. 231 Abs. 2. Art.41 Abs. 3, 86 Nr. 4, 100

Proceßbevollmachtigte und Beistände. §. 28.

seine Handlungen oder Unterlassungen

gz

für die Partei die

gleiche Wirkung, wie wenn sie eigene Handlungen oder Un­ terlassungen derselben wären.

Doch kann die Partei, wenn

sie neben ihrem Bevollmächtigten vor Gericht erschienen ist, Geständnisse und andere thatsächliche Erklärungen desselben sofort widerrufen?2

IV. Die,

sei es für den Proceß,

sei es für einzelne

Proceßhandlungen ertheilte Vollmacht wird weder durch den

Tod des Vollmachtgebers aufgehoben, noch durch eine Verände­ rung, welche hinsichtlich der Proceßfähigkeit oder der gesetzlichen

Vertretung der Partei vor sich geht, wie z. B. Entmündigung derselben wegen Geisteskrankheit oder Verschwendung, Eintritt

ihrer Großjährigkeit, Eintritt eines anderen Vormundes an Stelle des bisherigen u. dgl?°

Die Kündigung des Voll­

machtsverhältnisses wird der Gegenpartei gegenüber erst wirk­

sam durch die Anzeige des Erlöschens der Vollmacht; in An­ waltsprocessen erst durch die Anzeige der Bestellung eines

anderen Anwaltes?'

Ferner kann der Bevollmächtigte, wenn

die Kündigung von seiner Seite erfolgt ist, trotzdem noch so lange für den Vollmachtgeber handeln, bis dieser aus andere

Weise für die Wahrnehmung seiner Rechte gesorgt hat?2 V. Die Zuziehung vonBeiständen ist, soweit der Anwalts­

zwang besteht, nur in der Weise statthaft, daß die Ausfüh­ rung der Parteirechre in der nründlichen Verhandlung durch

einen anderen als den zum Vertreter bestellten Rechtsanwalt, und zwar selbst durch einen bei dem Proceßgerichte nicht zu-

19 CP. §. 81 vbd. CP. §.210 Abs. 2. 39 CP. §. 82. Vgl. HGB. Art. 54 Satz 2.

81 CP. §. 83 Abs. 1. HGB. Art. 46.

32 CP. §. K3 Abs. 2.

Ge

Vgl.

Th. IL Parteien.

84

gelassenen, geschehen sann.” Wo kein Anwaltszwang besteht, kann dagegen eine Partei mit jeder proceßfShigen Person als Beistand erscheinen.” Jedoch kann das Gericht Beistände zurückwrisen, welche daS mündliche Verhandeln vor Gericht geschäftsmäßig betreiben.” WaS der Beistand vorlrägt, wird rechtlich so angesehen, als ob rS von der Partei selbst vorgebracht wäre, insoweit rS von ihr nicht sofort widerrufen oder berichtigt wird.” §.29. V.

Veränderungen auf Seite der Parteien.

Im Laufe eines Rechtsstreites können auf Seite einer Partei Brränderungm eintreten, welche auf den Rechtsstreit eium Einfluß haben. Und zwar kommen namentlich folgende Fälle in Betracht: 1) Der Tod einer Partei bewirkt eine Unterbrechung, d. h. einen von selbst eintretenden Stillstand, deS Verfahrens so lange, bis eS durch die Rechtsnachfolger ausgenommen wird, d. h. bis sie durch Zustellung eines Schriftsatzes an die Gegenpartei erllären, daß sie das Verfahren fortsrtzen wollen.' Wird die Aufnahme verzögert, so kann sie der Gegner seinerseits herbeiführen dadurch, daß er die Rechts­ nachfolger durch Zustellung eines Schriftsatzes zur Aufnahme deS Verfahrens und zugleich zur Verhandlung der Hanpt” RAO. §. 27 Abf. 2. S. '» CP. §.143 Abs. 2. 6. mit. aber RAO. §. 100 Abf. 2. - §. 40. II. Wegen der Gebären s. RAGeb. CP. §. 86 Abs. 2. Dgl. §. 43 vbd. §. 48. CP. §. 81 (ob. III. a. E.). ” CP. 8.86 Abf. 1. Dgl. ob. ‘ CP. §. 217 Abs. 1 vbd. Anm. 5. Ausnahme: CP. §. 572 §. 227. Abs. 1.

Veränderungen auf Sette der Parteien. §. 29.

85

fache ladet. Erscheinen sie nicht, so wird auf Antrag deS Gegners ihre Eigenschaft als Rechtsnachfolger für zugestanden angenommen und durch Verfäumnißurtheil die Aufnahme deS Verfahrens als erfolgt ausgesprochen.' 2) Verliert eine Partei die Proceßfähigkeit, oder fällt der gesetzliche Vertreter einer Partei bei fortdauernder Proceß­ unfähigkeit derselben weg, so wird das Verfahren ebenfalls unterbrochen so lange, bis durch Zustellung eines Schriftsatzes entweder der gesetzliche Vertreter bezw. neue gesetzliche Ver­ treter der Partei dem Gegner seine Bestellung oder dieser jenem seine Absicht der Fortsetzung des Verfahrens anzeigt.' Gleiches gilt, wenn nach Unterbrechung deS Verfahrens durch den Tod einer Partei für den Nachlaß ein Curator bestellt ist* 3) In den sämmtlichen genannten Fällen (Nr. 1 und 2) tritt (tocgen CP. §. 82) keine Unterbrechung des Verfahrens ein, wenn, sei es in Anwalts- oder in Parieiprocessen, die Partei durch einen Proceßbevollmächtigten vertreten war. Jedoch kann dieser und im Fall des Todes auch die Gegen­ partei von dem Gerichte die Aussetzung deS Verfahrens ver­ langen, deren Dauer und Beseitigung sich dann nach den unter Nr. 1 und 2 angegebenen Regeln bemißt/ 1 Näheres CP. §. 217 Abs. 2—4. Vgl CP. §.430 (f. mit.

§. 56. VJI. a. E.). S. auch Pct. z. CP. §.217 Nr. 4 und Sttuckm. z. CP. §.217 Bem. 2 u. 3. Wegen der Gebären s. GK. §§. 26 Nr. 4, 28, RAGeb. §. 20 vbd. §. 29. — Ueber den Einfluß des Todes des Schuldners auf Beginn und 696 (uni. §. 80. L, §. 81 a. E.). 8 CP. §.219 vbd. §.227. Weg­

fall des gesetzlichen Dertteters durch Eintritt der Proceßfähigkeit der Partei bewirtt keine Unter­ brechung des Verfabrens. S. noch Sttuckm. z. CP. §. 219.

< CP. §. 220.

5 CP. §. 223. Tritt der Bevollmächtigte nach Aussetzung des Verfahrens für den Nackfolger im Rechtsstteite auf, so muß er eine Vollmacht desselben beibringen: CP. §. 82.

86

Th. IT. Parteien. 4) Fällt

in einem

Anwaltsprocesie der Anwalt einer

Partei durch Tod oder durch Unfähigkeit zur Fortführung der Bertretung, d. h. durch Ausscheiden aus der Anwaltschaft

überhaupt oder aus der Anwaltschaft bei

dem Proceßge­

richte,° weg, so wird das Verfahren unterbrochen so lange,

bis der bestellte neue Anwalt dem Gegner seine Bestellung durch Zustellung eines Schriftsatzes anzeigt.

Bei Verzögerung

dieser Anzeige kann der Gegner die Partei selbst entweder

unter Aufforderung zur Bestellung eines Anwaltes zur Ver­

handlung der Hauptsache laden oder zuvörderst nur zur Be­ stellung eines neuen Anwaltes innerhalb einer vom Gerichts­

vorsitzenden zu bestimmenden Frist auffordern. Fall die Aufforderung

erfolglos,

Ist im zweiten

so wird das Verfahren

als ausgenommen behandelt?

5) Wird über das Vermögen einer Partei der ConcurS

eröffnet, so wird in allen Processen, welche die Concursmasie

betreffen, das Verfahren unterbrochen so lange, bis es nach den Vorschriften der Concursordnung ausgenommen oder bis

das Concursverfahren aufgehoben wird? 6) Befindet sich eine Partei zu Kriegszeiten im Militär­

dienste,

oder hält sich eine Partei an einem Orte auf, der

durch obrigkeitliche Anordnung oder durch Krieg oder andere

Zufälle von dem Verkehr mit dem Proceßgerichte qbgeschnitten 6 S. RAO. §. 24 vbd. §§.21 bis 23, 63 Nr. 4, StE. §§. 63 Nr. 4. Vgl. Begr. z. CVC. §. 213. S. noch Pet. z.' CP. §. 221Nr.l. 7 CP. §.221 vbd. §. 227 und §. 192. Ueber die Art. wie bei Erfolglosigkeit der Aufforderung die Zustellungen an die Partei geschehen können, s. CP. §. 221 Abs. 2 a. E. Wegfall des bis-

berigen Anwaltes durch Kündi« gung von seiner Seite oder von Seite der Partei hat wegen CP. §. 83 Abs. 1 eine Unterbrechung des Verfahrens nicht rur Folge. S. noch Struckm. z. CP. §.221. K CP. §. 218; vbd. Conc. O. §§. 8, 9, 132 Abs. 2, 134 Abs. 3. S. auch noch CP. §. 220.

Veränderungen auf Seite der Parteien, ß. 29.

87

ist, so kann dieses auf Antrag oder auch von Amtswegen die Aussetzung de8 Verfahrens bis zur Beseitigung des Hinder­ nisses anordnen? 7) Wird während des Rechtsstreites die Sache, um welche er sich dreht, von einer der Parteien veräußert oder der gel­ tend gemachte Anspruch vom Kläger an einen Anderen ab­ getreten (cedirt), sv ist die Veräußerung oder Cession zwar gültig, hat aber auf den Proceß keinen Einfluß. Der Rechts­ nachfolger kann ohne Zustimmung der Gegenpartei weder den Proceß anstatt seines Rechtsvorgängers als Hauptpartei übernehmen, noch auch als Hauptintervenient anftreten. Tritt er als Nebenintervenient auf, so findet CP. §. 66 ausnahms­ weise keine Anwendung. Das Urtheil ist jedoch in Ansehung der Sache selbst, d. h. soweit es nicht bloß über die Tragung der Proceßkosten, Ersatzleistung wegen Verschlechterungen oder andere Leistungen erkennt, zu denen nach Maßgabe des bürger­ lichen Rechtes trotz der Veräußerung oder Cession lediglich der Rechtsvorgänger berechtigt oder verpflichtet ist, stets auch für und gegen den Rechtsnachfolger wirksam und oollstreckbar, selbst wenn er sich gar nicht an dem Processe betheiligt hat?" 8) Schwebt zwischen dem Besitzer eines Grundstückes und einem Anderen ein. Rechtsstreit über eine Berechtigung, welche für das Grundstück in Anspruch genommen wird, oder über eine Verpflichtung, welche auf demselben lasten soll, und wird das Grundstück während des Rechtsstreites veräußert, so hat der Rechtsnachfolger das Recht imb auf Antrag der Gegenpartei die Pflicht, die Fortführung des Rechtsstreites 9 CP. §. 224. Manory, Der civitrechtl. Inhalt 10 CP. §.236 Bbd.CP.§.665. ter ReichSgesetze S« 192 ff. S. auch mit §. 61. IlJ. Dgl.

Th. II. Parteien.

anstatt seines Rechtsvorgangers als Hauptpartei zu über* nehmen." 9) Die unter Nr. 7 und 8 angegebenen Grundsätze er­ leiden Einschränkungen durch gewisse Vorschriften des bür­ gerlichen Rechtes, welche in CP. §. 238 näher bezeichnet sind." n CP. §. 237. Vgl. Seuff. z. CP. §. 237. Wegen der Gebüren s. GK. §§. 26 Nr. 3, 28, RAGeb. §. 20 vbd. §. 29. 11 CP. §. 238: „Die Bestimm mungen des §. 236 Abs. 3 und des §. 237 kommen insoweit nicht zur Anwendung, als ihnen Vorschriften deö bürgerlichen Rechts über den Erwero beweg­ licher Sachen, über den Erwerb /ruf Grund des Grund- oder Hypo­

thekenbuchs und über den Erwerb in gutem Glauben entgegen­ stehen. In einem solchen Falle kann dem Kläger, welcher ver­ äußert oder cedirt hat, der Ein­ wand der nunmehr mangelnden Sachlegitimation entgegengesetzt werden." Vbd. HGB. Art. 306, 307. Vgl. Begr. z. CPE. §.231, Seuff. z. CP. §. 238, End. z. CP. §. 238.

Dritter Theil. Aas Werfayren. Erster Abschnitt.

Allgemeines. §. 30.

I. Leitende Grundsätze des Verfahrens. Für die Gestaltung des Verfahrens haben der Civilproceßordnung folgende allgemeine Grundsätze zur Richtschnur gedient: 1) Der sog. Grundsatz des wechselseitigen Ge­ hörs, d. h. der Satz, daß das Gericht nicht auf einseitiges Vorbringen der einen Partei eine Entscheidung zu Uugunsten der anderen erlassen darf, sondern nur, nachdem ihr Gele­ genheit zur Vertheidigung gegeben war? Ein mit Verletzung dieses Grundsatzes erlassenes Urtheil könnte mit Einspruch oder, wenn kein Einspruch statthaft ist, je nach Umständen mit Berustmg, Revision oder sofortiger Beschwerde, unter besonderen Voraussetzungen sogar mit der Restitutionsklage angefochten werden? In Rücksicht auf andere Entscheidungen 1 Vgl. CP. §§. 860 Abs. 1, Abs. 2; §§.474 Abs. 2, 529; 68 Abs. 2, 97 Abs. 2, 3, 126 Abs. 3 867 Nr. 4. 1 S. CP. §. 303 vbd. §. 211 u. a.; 543 Nr. 2, 4, 6.

90

Th. III. Verfahren. Abschn. T. Allgemeines.

(Beschlusse und Verfügungen) ist jedoch der Grundsatz nicht

ausnahmslos durchgeführt.3 2) Diesog. Berhandlungsmaxime, d. h. der Grund­

satz, daß die Gerichte bei ihren Entscheidungen au die Bor­ träge und Anträge der Parteien gebunden sind.

An die Bor­

träge, d. h. sie dürfen nur diejenigen Thatsachen und Beweis­ mittel berücksichtigen, auf welche sich die Parteien selbst bei der Verhandlung berufen haben/ An die Anträge, d. h. sie dürfen nichts

erkennen,

was

nicht

beantragt ist,

und namentlich

keiner Partei mehr zusprechen, als sic selbst beantragt hat;

nur über die Verpflichtung zur Tragung der Proceßkosten

haben sie auch ohne Antrag zu erkennen.'' 3)

Der Grundsatz

der Mündlichkeit und Un­

mittelbarkeit der Verhandlung, d. h. der Satz, daß

das Gericht, welches den Rechtsstreit zu entscheiden hat, den Inhalt und Stand desselben nicht aus Schriften der Parteien

und durch die Berichterstattung eines seiner Mitglieder, sondern durch Rede und Gegenrede der Parteien oder ihrer Vertreter erfahren soll?

Die Schriftsätze, welche vor der mündlichen

Verhandlung zwischen den Parteien gewechselt werden, haben

im Allgemeinen bloß den Zweck, dieselbe vorzubereiten.

Für

die richterliche Entscheidung ist allein die mündliche Verhand­

lung maßgebend.

Das Gericht darf also auf nichts Rücksicht

nehmen, was bei der mündlichen Verhandlung nicht vorgetragen worden ist, auch wenn es in den vorbereitenden Schrift­ sätzen enthalten wäre, und es muß auf alles Rücksicht nehmen, was bei der mündlichen Verhandlung vorgetragen worden ist.

3 S. z. B. CP. §§.536; 632; 801,802,804, 816, *20,822w. st. 4 Ausnahmen: CP. §§.581, 597.

6 CP. §. 279. 6 6P. §. 119.

Leitende Grundsätze des Verfahrens, g. 30.

91

auch wenn es nicht in den vorbereitenden Schriftsätzen ent­ halten wäre. Doch konlmen Schriftsätze vor, welche nicht bloß zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung bestimmt sind, sondern an deren Zustellung sich sofort bestimmte Rechts­ wirkungen knüpfen, wie z. B. an die Zustellung der Klage­ schrift der Eintritt der Rechtshängigkeit der Streitsache, an diejenige der Berufungs- oder Revisionsschrift die Verhütung der Rechtskraft des angefochtenen Erkenntnisses u. dgl. Zur Erzeugimg dieser Rechtswirkungen bedarf dann allerdings der Schriftsatz gewisser wesentlicher Bestandtheile, welche durch den Vortrag bei der mündlichen Verhandlung nicht ersetzt werden können? 4) Der Grundsatz der Öffentlichkeit derVerhandlung. Die mündliche Verhandlung vor dem erkennen­ den Gerichte sowie die Verkündung seiner Urtheile und Be­ schlüsse geschieht öffentlich? Wenn es sich um die Entmün­ digung einer Person wegen Geisteskrankheit oder die Wieder­ aufhebung einer solchen Entmündigung handelt, so ist jedoch im Ganzen das Verfahren nicht öffentlich? In Ehesachen muß die Oeffentlichkeit auf Antrag einer Partei ausgeschlossen tocrben,10 7 8und * in jeder Sache kann sie fiir die ganze Verhand­ lung oder einen Theil derselben ausgeschlossen werden, wenn sie nach dem Ermessen des Gerichtes mit Gefahr für die öffentliche Ordnung oder für die Sittlichkeit verbunden sein würde." Ueber die Ausschließung der Oeffentlichkeit wird irt 7 S. Allg. Begr. des Entw. der CPO. §. 4 a. E. 8 GV. S.170; vbd.CP.ß. 145 Nr. 5. Folge der Verletzung dieser Vorschrift: CP. 8. 513 Nr. 6.

9 Näheres GV. § 172. 10 GV. 8. 171. §§'. 568, 592.

" GV. §. 173.

Vbd. CP.

Th. HI, Verfahren. Abschn. I. Allgemeines.

92

nicht öffentlicher Sitzung verhandelt; jedoch muß der Beschluß,

welcher

die Oeffentlichkeit ausschließt,

öffentlich verkündet

werden." Auch muß die Verkündung des Urtheils öffentlich

geschehen."

Unerwachsenen Personen und solchen,

die sich

nicht im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte befinden oder

welche in einer der Würde des Gerichtes nicht entsprechenden Weise erscheinen, kann auch zu öffentlichen Verhandlungen

der Zutritt versagt

werden;

umgekehrt kann

er einzelnen

Personen auch zu nicht öffentlichen von dem Vorsitzenden ge­ stattet werden."

5) Der Grundsatz des unmittelbaren Proceß­

betriebes durch die Parteien: d. h. die Ladungen, Zu­

stellungen und sonstigen Schritte (Pfändungen u. dgl.), welche

erforderlich sind, um den Proceß einzuleiten oder weiter zu treiben, geschehen in der Regel nicht durch Vermittelung des

Gerichtes, sondern unmittelbar von Seite der Parteien durch die von ihnen beauftragten Gerichtsvollzieher oder bei La-

dungen und sonstigen Zustellungen auch durch die Post.

Je­

doch erleidet diese Regel zahlreiche Ausnahmen.

IL Zustellungen. §. 31.

1. 3m Allgemeinen. Zustellung ist die gehörige Kenntnißgebung von dem Inhalte eines Schriftstückes durch Uebergabe (Behändigung)

des Schriftstückes selbst oder einer beglaubigten Abschrift des­ selben: jenes, wenn eine Ausfertigung zugestellt werden soll,

" GV. §. 175. 11 GB. §. 174.

Auf bloße

Beschlüße (CP. §. 294) bezieht GV.'?i76.

Zustellungen, tz. 31.

dieses in allen übrigen Fällen?

93

Derjenige, von welchem eine

Zustellung ausgeht, heißt der betreibende Theil; Der­ jenige, an welchen sie geschehen soll, wird paffend der Em­ pfänger genannt? I.

Zustellungen

an

eine nicht

proceßfähige Partei ge­

schehen durch Zustellung an einen ihrer gesetzlichen Vertreter; bei parteifähigen Behörden, anderen Personenvereinen

Gemeinden, Corporationen und

können sie auch durch Zustellung

an einen der Vorsteher geschehen?

Ist aber der Rechtsstreit schon anhängig geworden und

ist

für

eine

(proceßfähige oder proceßunfähige) Partei ein

Proceßbevollmächtigter stimmten

Zustellungen

bestellt, mit

so

können alle für sie be­

rechtlicher Wirksamkeit

nur

an

diesen geschehen? ' CP. §. 156 Abs. 1. Von wem die Beglaubigung geschieht, s.CP.§§.156Abs.2, 179. Eine Ausfertigung (über den Begriff s. unt. §. 41 Anm. 17) braucht nur zugestellt zu werden, wenn gerichtliche Entscheidungen von Amtswegen zuaestellt werden. S. CP. §§.342,367 und Begr.z. CPE. §§.585,586 a. E. S. auch CP. §. 865. Don einem Schrift­ stücke, welches mehreren Betheiligten oder einem Zustellungsbe­ vollmächtigten mehrerer Betheiligterzugestelltwerdensoll, müssen so viele Ausfertigungen oder be­ glaubigte Abschriften übergeben werden, als Betheiligte vorhanden sind. Dagegen genügt bei einer Zustellung an den Vertreter (ge­ setzlichen Vertreter, Proceßbevollmächtigten u. s. w.) mehrerer Detheiligter oder an einen von

mehreren Vertretern die Ueber* gäbe nur Einer Ausfertigung oder Abschrift: CP. §. 172. Vgl. Seuff. z. CP. §. 172. 3 Die Begr.z.CPE. gebraucht statt „Empfänger" dieBenennungen „Requisit" oder „Adressat".

3 CP. §. 157. Vgl. HGB. Art. 117,144 Abs. 3,167 Abs. 2, 172, 196 Abs.2, 235,244 Abs. 2: GenoffenschastSG. v. 4. Juli 1868 §§. 24, 49 Abs. 2. Ueber Zu­ stellungen an Unterofficiere oder Gemeine deS activen HeerS oder der activen Marine s.CP.§. 158; über Zustellungen an General­ bevollmächtigte und Procuristen s. CP. §. 159.

4 Näheres CP. §. 162 vbd. §§. 163, 164, EG. z. CP. §. 8 Abs. 2. Dgl.Seuff.z.CP.§§.162, 163, 164.

Hat eine Partei keinen Proceßbcvollmächtigten bestellt, oder wohnt der bestellte Proceßbevvllmächtigte nicht innerhalb des Amtsgerichtsbezirkes, in welcbem das Proceßgericht seinen Titz hat, so kann ihr, wenn sie selbst ebenfalls nicht in diesem Bezirke wohnt, auf Antrag der Gegenpartei das Gericht die Aufstellung eines daselbst wohnhaften Zustellungs­ bevollmächtigten, d. h. einer zum Empfange von Schrift­ stücken für sie bevollmächtigten Person, aufgeben. Wohnt sie über nicht einmal im Deutschen Reiche, so ist sie auch ohne richterliche Auflage zur Aufstellung eines Zustellungsbevollmüchtigten verbunden. In beiDen Fällen muß sie den Zustcllungsbevollmachtigten bei der nächsten gerichtlichen Bcrhandlnng oder, wenn sic dem Gegner vorher einen Schriftsatz zustellen läßt, in diesem namhaft machen. Geschieht dieses nicht, so gilt die Post als Znstellungsbevollmächtigte, und die Zustellung geschieht daher durch Aufgabe zur Post, d. h. sie wird als bewirkt angesehen, sobald das Schriftstück unter der Adresse der Partei oder ihres Proceßbevollmächtigten (CP. §. 162) durch den beauftragten Gerichtsvollzieher zur Post aufgegeben ist, selbst wenn die Sendung als unbestellbar zurückkäme? II. Die Zustellungen im Deutschen Reiche können in dreifacher Form geschehen: durch einen Gerichtsvoll­ zieher, durch die Post, endlich unmittelbar von Anwalt zu Anwalt? Die letzte, einfachste Form besteht darin, daß •s Näheres CP.§§. IGO, 161. Wohnsitz bleiben, soweit eS sich Vbd.Begr. z.CPE. 154 dabei um Zustellungen handelt, in Abs. 5 a. E. S. auch RAO. in Geltung: EG. z. CP. §. 15 §. 19. Die Vorschriften des : Nr. 5. französischen und des badischen « CP. §§. 152 Abs. 1, 176, Rechtes über den erwählten I 181.

der Anwalt der einen Pattei demjenigen der anderen die zu behändigende beglaubigte Abschrift gegen einfachen schriftlichen Empsangschein übermittelt. Sie ist aber sonach mir anwend­ bar, wenn beide Parteien durch Anwälte vertreten und diese darüber einverstanden sind? Die regelmäßigen Zustellungs­ formen sind daher die Zustellung durch Gerichtsvollzieher und die Zustellung durch die Post. Zwischen beiden hat der betreibende Theil an sich die Wahl. Wählt er aber ohne Noth die Zustellung durch Gerichtsvollzieher in Fallen, wo sie kostspiellger ist als die Zustellung durch die Post, so hat er auf Erstattung der Mehrkosten unter keinen Umstanden Anspruch? Soll die Zustellung durch einen Gerichtsvollzieher ge­ deihen, so muß ihm der Auftrag, sei es schriftlich, sei es auch nur mündlich, von der Partei oder ihrem Anwälte ertheilt werden. Im Patteiprocesse kann der Auftrag auch durch Bermirtelung des Gerichtsschreibers ettheilt werden, und dieses gilt als Wille der Partei, wenn sie nicht ausdrücklich daS Gegentheil erflärt hat? Zustellungen durch die Post müssen im Anwaltsprocesse immer durch Bermittelung eines Gerichtsvollziehers geschehen. Im Parteiprocesse können sie, und dieses gilt wiederum still­ schweigend als Wille der Partei, auch durch Bermittelung deS GenchtSschreiberS geschehen: entweder so, daß er einen Gerichtsvollzieher zur Angehung der Post beauftragt, ober so, daß er dieselbe unmittelbar cmgeht." 7 CP. § 181. S. auch RAO. §. 19 Abs. 2. 6 CP.8.180. S.auchGDollz.' Geb. §. 2 Abs. 3. 9 Nähere- CP. §§. 152—155. Dgl. CP. §. 458. Wegen der

Gebären des GerichtSvollziehere für Zustellungen s. GBollz Ged. §§. 2, 3, 14 9h. 1, 17. 10 CP. §. 179 vbd. s 730 Abs. 2. Zwischen dem einen ober dem anderen Wege sann der

96

Th. III. Verfahren. Abschn.1. Allgemeine-.

Zustellungen von Amtswegen werden immer vom GerichtSfchreiber besorgt, welcher entweder einen Gerichtsvollzieher zur unmittelbaren Zustellung oder zur Zustellung durch die Post beauftragt oder die Post unmittelbar wegen der Zustellung angeht?' Bei Zustellungen durch die Post geschieht die Angehung der Post jedesmal in der Weise, daß der Gerichtsvollzieher oder der Gerichtsschreiber die zu behändigende Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift in einem mit seinem Dienstsiegel verschlossenen und mit der Adresse des Empfängers versehenen Briefumschläge der Post zur Besorgung der Zustellung über­ gibt. Die geschehene Uebergabe hat er auf der Urschrift deS Schriftstückes zu bezeugen." III. Die Zustellung kann zunächst in jeder Ortschaft (Stadt, Dorf u. s. w.) geschehen, wo der Empfänger ange­ troffen wird. Hat er jedoch in dieser Ortschaft eine, wenn auch nur vorübergehende, Wohnung oder ein GeschäftSlocal, so darf er außerhalb derselben die Annahme verweigert." Ferner kann aber die Zustellung in der Wohnung oder dem Geschaftslocal des Empfängers geschehen, auch wenn er in der betreffenden Ortschaft nicht "nzutreffen ist." Hat er in einer und derselben Ortschaft eine Wohnung und zugleich ein von derselben abgesondertes Geschäftslocal, so steht dem ansGerichtsschreiber ebenso wie zwi­ schen der Zustellung durch einen Gerichtsvollzieher oder derjenigen

durch die Post, wenn die Partei keine Bestimmung getroffen hat, nach bestem Ermessen wählen. S.Strucknr. z.CP. §.179, Seuff. z. CP. §. 179. Wegen der Gebüren s. GK. §. 40.

11 S.CP. §§. 156 Abs.2, 173 Abs. 4, 342, 179. Vgl. Seuff. j. CP. §. 342 Bem. 1. Wegen der Gebären f. ob. Anm. 9, 10. " Näheres CP. §§. 177, 179. 13 CP. §. 165. S. Struckm. z. CP. §. 165. " Begr. z. CPE. §§. 158— 164 in Abs. 3.

Zustellungen.

3L

97

führenden Gerichtsvollzieher oder Postboten zwischen der Zu­ stellung in der Wohnung und derjenigen im GeschäftSlocal die Wahl frei." Wird der Empfänger in seiner Wohnung oder in seinem GeschäftSlocal nicht angetroffen, so kann der Gerichtsvollzieher oder Postbote nach seinem Ermessen eine sog. Ersatzzustellung an andere Personen vornehmen mit der gleichen Wirkung, als wenn die Zustellung an den Empfänger selbst erfolgt wäre." Und zwar kann, wenn der Empfänger in seiner Wohnung nicht angetroffen wird, die Zustellung in der Wohnung an einen zu seiner Familie gehörigm er­ wachsenen Hausgenossen oder an eine in seiner Familie die­ nende, wenn auch nicht in demselben Hause wohnende, er­ wachsene Person, wenn aber auch ein solcher Familienangehöriger oder Bediensteter in der Wohnung nicht angetroffen wird, an den in demselben Hause wohnenden Hauswirth oder Bermiether geschehen, falls dieser das Schriftstück annehmen toiö.16 17 Ist die Ersatzzustellung nach Maßgabe dieser Regeln nach dem Ennessen deS Gerichtsvollziehers oder Postboten nicht ausführbar, so kann sie in der Weise geschehen, daß jener das Schriftstück nach seinem Ennessen entweder am Zustellungsorte selbst bei der Postanstalt, dem Gemeindevor­ steher oder dem Polizeivorsteher oder aber auf der GerichtSschreiberei des Amtsgerichtes des Bezirkes niederlegt und die Niederlegung durch eine an der Thür der Wohnung deS Empfängers befestigte schriftliche Anzeige, überdies aber, so­ weit dies den Umständen nach thunlich ist, durch mündliche Mittheilung an zwei in der Nachbarschaft wohnende Personen 16 Dies erhellt auS der be­ sonderen Ausnahme in CP. 8.169 Abs.2. Md. CP. §.178 Abs. 1.

Fitting, Sivilproccß. tz. Sufl.

16 S.Begr. a. a.O.(Anm. 14). Vbd. CP. §. 178 Abs. 1. n CP. §. 166. S. Seuff. z. CP. §. 166, End. z. CP. §. 166.

7

98

Th. HI. Verfahren. Abschn. I. Allgemeines.

bekannt macht." Wird der Empfänger m seinem von seiner Wohnung abgesonderten Geschäftslocal nicht angetroffen, so kann die Zustellung an einen dann anwesenden Geschästsgehülfen, — falls der Empfänger ein Rechtsanwalt ist, an einen darin anwesenden Gehülfen oder Schreiber geschehen." An Sonntagen und allgemeinen Feiertagen darf die An­ nahme von Zustellungen verweigert werden, wenn nicht für die Zustellung an einem solchen Tage eine besondere richter­ liche Erlaubniß ertheilt ist und bei der Zustellung abschriftlich mitgetheilt toirb.20 18 * Wird die Annahme einer Zustellung ohne gesetzlichen Grund verweigert, so ist da8 zu behändigende Schriftstück 18 CP. 167. Vgl. Seuff. z. CP. §. 167. Zu allen diesen Er« satzzustellungen ist abgesehen von dem Ausnahmefall in CP.Z. 169 Abs.2 der Gerichtsvollzieher oder Postbote an sich auch dann be­ rechtigt, wenn der in seiner Woh­ nung nicht anaetroffene Empfän­ ger in derselben Ortschaft auch noch ein besonderes Geschäfts­ local hat. Doch wird es dann nicht selten angemessen und daher für den Gerichtsvollzieher oder Postboten zur Deckung seiner dienstlichen Verantwortung rathsam sein, die Zustellung zuvör­ derst in dem Geschäftslocal zu versuchen. " CP. §. 168. Eine weiter­ gehende ErsaKzustellung ist aus dem Grunde, oaß der Empfänger bloß in seinem Gefchäftslocal nicht angetroffen worden ist, nicht zulässig. Will der Gerichtsvoll­

zieher oder Postbote zu einer solchen schreiten, so muß er erst die Zustellung auch in der Wohnungversuchen. S.nochStruckm. z. CP. 5- 168. Ueber den be­ sonderen Fall, wenn der gesetz­ liche Vertreter oder Vorsteher einer Behörde, einer Gemeinde, einer Corporation oder eines anderen Personenvereins in dem Geschäftsloca! oder aber in seiner Wohnung nicht angetroffen wird, s. CP. §. 169. a0 Näheres CP. §. 171. Die Verfügung ist gebürenfrei: GK. §. 47 Nr. 12. S. aber RAGeb. §. 23 Nr. 1 vbd. §. 29 Nr. 6. — Eine Ausnahme macht nur die Zustellung durch Aufgabe zur Post (s.ob.I. a.E.): CP.§.l71 Abs.l. S. noch Struckm. z. CP. §. 171. Ueber Zustellungen zur Nachtzeit s. Begr. z. CPtz. §§. 158-164 in Abs. 1.

Zustellungen, tz. 31.

99

an dem Orte, wo die Weigerung erfolgt ist, (Wohnung, GeschäftSlocal u. s. w.) zurückzulassen, womit dann die Zustel­ lung als bewirkt gilt." Ueber die Zustellung hat der Gerichtsvollzieher oder Post­ bote eine Urkunde aufzunehmen. Der betreibende Thell er­ hält die Urschrift derselben, der Empfänger eine beglaubigte Abschrift." IV. Zustellungen außerhalb des Deutschen Reiches geschehen stets durch Bermittelung des Proceßge­ richtes, welches die zuständige Behörde des fremden Staates oder den dort residirenden Consul oder Gesandten des Deut­ schen Reiches um die Besorgung der Zustellung ersucht." V. Wenn der Aufenthalt einer Partei unbekannt, oder wenn eine im Auslande zu bewirkende Zustellung im gewöhn­ lichen Wege unausführbar oder voraussichtlich erfolglos ist, so kann eine öffentliche Zustellung, d. h. Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung, eintreten." Sie geschieht immer durch Bermittelung des Proceßgerichtes und wird, nachdem sie auf Gesuch des betreibenden Theils von demselben be­ willigt ist, durch den Gerichtsschreiber von Amiswegen besorgt. Sie besteht in der Anheftung einer beglaubigten Abschrift 21 CP. §. 170. Vgl. Seuff. CP. §. 170. 23 Näheres CP. §§.173-175, 178, 179. Vbd. GVollz. Geb. §. 23. S. auch GVollz. Geb. §. 14 Nr. 1. 23 Näheres CP. §§. 182, 185. Vgl.ConsulatsG. v. 8.Nov.l867 §. 19. S. auch Seuff. z. CP. §. 182 und §. 185. Durch Der. Mittelung des Proceßgerichtes geschehen in ähnlicher Weise auch

Zustellungen an Deutsche, die das Recht der Exterritorialität haben (s. ob. §. 12. I.), worüber CP. §. 183, und Zustellungen an Personen, die zu einem im Auslande befindlichen oder zu einem mobilen Truppentheil oder zur Besatzung eines in Dienst gestellten KnegsfahrzeugeL aehören, worüber CP. §. 184. Vgl. Seuff. z. CP. §. 184. 34 CP. §. 186.

100

Th. HI. Verfahren. Abschn.1. Allgemeines,

des zuzustellenden Schriftstückes an die Gerichtstafel. Enthält es eine Ladung, so ist außerdem die mindestens zweimalige Einrückung eines Auszuges in das amtliche Verkündigungs­ blatt des Gerichtsbezirkes und die mindestens einmalige Ein< rückung desselben in den Deutschen Reichsanzeiger erfor­ derlich."

§. 32. 2. Ladungen. Unter den Zustellungen sind diejenigen besonders hervor­ zuheben, welche eine Ladung enthalten, d. h. die Aufforderung an eine Person, in einem gewissen Termin zu einem gewissen Zwecke vor Gericht zu erscheinen. Soll in dem Termin über die Hauptsache oder über einen Zwischenstreit mündlich verhandelt werden, so ist es in der Regel Sache derjenigen Partei, welche die Verhandlung herbeiführen will, die übrigen Betheiligten: Gegerrpartei, Streilgenoffen, Intervenienten u. s. w., zu dem Termin zu laden. Ist zugleich eine Klageschrift oder ein anderer Schrift­ satz zuzustellen, so ist die Ladung in den Schriftsatz selbst aufzunehmen? In Anwaltsproceffen muß die Ladung zur mündlichen Verhandlung, so oft die Zustellung nicht an einen Rechtsanwalt, sondern an die Gegenpartei selbst oder ihren Generalbevollmächtigten u. dgl. geschieht, auch die Aufforderung zur Bestellung eines bei dem Proceßgerichte zugelassenen An­ waltes enthalten? Der Verhandlungstermin selbst wird von " Näheres CP. §§. 187, 188. doch die Wirkungen der Zu­ Ueber die Zeitpunkte, zu welchen stellung eintreten, f.CP. §§. 189, eine durch Dermitteluna des 190. ProceßgerichteS zu bewirkende 1 CP. §. 191. Zustellung als erfolgt gilt oder 1 CP. §. 192.

Angriffs, und Vertheidigung-handlungen, g. 33.

dem Gerichtsvorfftzenden bestimmt.

101

Zu diesem Zwecke ist die

Ladung vor der Zustellung bei dem Gerichtsschreiber einzu­

reichen, der dafür zu sorgen hat, daß die Terminsbestimmung binnen 24 Stunden erfolgt3

Ausnahmen von der Regel treten ein: wenn ein Berhandlnngstermin in einer verkündeten

1)

richterlichen

Entscheidung

bestimmt

ist.

Eine Ladung der

Parteien zu demselben ist dann in der Regel nicht erfor­ derlich/

2)

wenn ein solcher Termin von AmtSwegen in einer verkündeten Entscheidung bestimmt ist.

nicht

Die Parteien

werden dann zu demselbm von AmtSwegen geladen.3

Die Ladung von Zeugen und Sachverständigen zur ge­ richtlichen Vemehmung geschieht stets von AmtSwegen.3

§.33.

III. Angriffs- und Vertheidigungshandluugen. I.

Angriff ist jeder Versuch der Veränderung eines be­

stehenden Zustandes zu Ungunsten rineS Anderen.

Demge­

mäß erscheint als AngriffShandlnng im Sinne des Pro» «ßrechteS jeder Antrag einer Partei auf eine richterliche Ent»

schcidung, welche den bestehenden Zustand zu ihren Gunsten

und

folglich zu Ungunsten des Gegners verändern würde.

Hierhin gehört vor allen Dingen die Klage; aber auch die

Widerklage, der Antrag, dem Gegner die Vorlegung einer

' CP. §. 193 Abs. 1, 2. 4 CP. §. 195. Ausnahmen: CP. §S. 300 Abs. 2 , 302, 316 Abs. 1, 578 Ms. 2, 611, 620 Abs. 4, 624 Abs. 4, 626 Ms. 4.

‘ CP. §. 294 Abs. 3 vbd. §. 354 Abs. 2 und GV. S-107 a. E. 3 CP. §§. 342, 367.

102

Th. ITT. Verfahren. Abschn. I. Allgemeines.

Urkunde oder Sicherheitsleistung wegen der Proceßkosten aufgugeben*1 u. dgl. Umgekehrt erscheint als Vertheidigungs­ handlung alles, was der Angegriffene thut, um die gegen ihn beantragte Entscheidung abzuwenden, wie z. B. alles, was der Beklagte thut, um die Abweisung der Klage herbeizu­ führen. Eine Angriffshandlung besteht jedesmal in der „Geltend­ machung" oder „Erhebung" eines Anspruches gegen den Angegriffenen. Unter Anspruch versteht aber die Civilproceßordnung jedes von einer Person auf Grund eines bestimmten Rechtsverhältnisses an eine andere gestelltes Verlangen, sei es das Verlangen einer den thatsächlichen Stand der Dinge zu Gunsten der ersten verändernden wirklichen Leistung oder daS Verlangen einer den rechtlichen Stand derselben für sie verbeffernden Feststellung einer rechtlich wichtigen Frage? Als Vertheidigungshandlung kann die Geltendmachung eines Anspruches nur in der Gestalt austreten, daß die Befriedigung 1 Dgl. CP. §§. 230. 33, 386, 102. 1 Dgl. z. B. CP. §§. 5, 28 Abs. 2, 33 Abs. 1, 40 Abs. 2, 61, 69 Abs. 1, 136, 137, 138, 230 Nr. 2, 232, 236 Abs. 1, 254, 276, 277, 278, 293 Abs. 1, 567 Abs. 1, 499, 503 Abs. 2, 608 Abs. 1, 555, 560 Abs. 1, 428, 630 Nr. 3, 686 Abs. 1 u. a. Weil der Anspruch selbst als ein Ganzetz erscheint, so kann er mehrere „Forderungen", insbesondere „Haupt * und Nebenfor­ derungen", erzeugen: CP. §§. 4, 240 Nr. 2, 279 Abs. 1, EG. z. CP. §. 14 Nr. 5. die aber mit­ unter auch als „Ansprüche" be­

zeichnet werden: CD. §§. 73 Abs. 3, 491 Abs. 2 vbd. §. 240 Nr. 2, 3. („Haupt- und Neben­ anspruch": CP. §. 292 Abs. 1.) Aus dem gleichen Grunde kann ein „Theil" eines Anspruches sein eigenes von den übrigen Theilen verschiedenes Schicksal haben : CP. §§. 103 n. E., 104 Abs. 3, 273 Abs. 1, 631 Abs. 2, 634 Abs. 1, 635. Unter „For­ derung" versteht übrigens daS Gesetzbuch vorznasweise^die Geld­ forderung. S CP. 6, 24, 72, 88 Abs. 2, 136 Abs. 2, 274, 293 Abs. 2, 729, 730—744 vgl. §§. 745-748.

Angriffs- und BettheidigungShaNdlungen. §. 33.

103

desselben mittels Aufrechnung ((Kompensation) gegen den An­ spruch des Gegners verlangt und sonach die gänzliche ober theilweise Abweisung des letzteren beantragt wird? II. Eine Angriffshandlung kann nur bann Erfolg haben, wenn der gestellte Antrag ein gerechtfertigter ist. Dazu ge­ hört vor Allem, daß er rechtlich und thatsächlich begründet ist, d. h. daß ein Rechtssatz besteht, der unter gewiffen Vor­ aussetzungen, seien eS bestimmte thatsächliche oder bestimmte rechtliche Verhältniffe, die Berechtigung zu einem solchen An­ träge gibt, und daß diese Voraussetzungen in dem vor­ liegenden Fall auch wirklich vorhanden sind. Beides zusam­ men bildet daher den Grvnd des Antrages;* das Erste den sog. Rechtsgrund, bad Zweite den sog. thatsächlichen oder geschichtlichen Grund desselben. Wie der Antrag selbst immer ausdrücklich gestellt werden muß, so muß wegen der Verhandlungsmaxime stets auch der thatsächliche Grund, auf welchen er gestützt wird, ausdrücklich angegeben („behauptet") werden? Dagegen ist die aus-

• S. CP. §§. 274, 293 Abs. 2, | 491 Abs. 2; vbd. CP. §. 136 Abs. 2. 4 3n der besonderen Anwen­ dung auf die Klage den Klagegründ. S. CP. §§. 230 Nr. 2,

31 GV. ” Abs.

GV. §. 166 Abs. 3. GK. §. 79 Nr. 4. Näheres CP. §. 344 vbd. §. 165 Abs. 2, 3. ZGeb. §.16 vgl. GV.8.166 1.

13 Näheres ZGeb. §. 17 vbd. GK. §.4 Abs. 3. Vgl. CP. §.532 Abs. 2. CP. §. 539 ist hier unanwendbar.

Sachverständige, tz. 51.

175

Sollen sie über Wahrnehmungen aussagen, die sie ver­ möge ihrer Sachkunde früher gemacht haben, so erscheinen sie

als Zeugen (sog. sachverständige Zeugen), und es

kommen daher die Vorschriften über den Zeugenbeweis zur Anwendung?

Um einen eigentlichen Beweis durch Sachver­

ständige handelt es sich nur da, wo diese zur Ergänzung

der mangelnden Sachkunde des Richters und daher gleichsam als Gehülfen desselben? über gewisse Fragen ein Gut­

achten abgeben sollen.

Die Vorschriften über den Zeugen­

beweis kommen dabei zu entsprechender Anwendung, soweit nicht in CP. §§. 368—378 abweichende Bestimmungen ent­

halten sind? Die Antretung des Beweises durch Sachverständige ge­ schieht durch Bezeichnung der Punkte, worüber das Gutachten

abgegeben werden soll? Das Gericht kann aber eine Begut­

achtung

durch

Sachverständige

auch

von Amtswegen

an­

ordnen? Die Anzahl der Sachverständigen wird stets vom Proceß­

gerichte bestimmt und kann auf einen einzigen beschränkt werden. Auch die Auswahl der Sachverständigen geschieht durch das

Gericht, wenn sich nicht die Parteien über bestimmte Personen geeinigt haben.

Das Gericht kann aber die Parteien zur

1 CP. §. 379. 1 S. Begr. z. CPE. §§. 354 bis 366. 8 CP. §. 367. Eine Uebersicht der hienach anwendbaren und nicht anwendbaren Vorschriften über den Zeugenbeweis s. bei Seuff. z. CP. §. 367 Bem. 3. 4 CP. §. 368. Bei späterem Verzichte des Beweisführers auf

die Vernehmung des oder der Sachverständigen kommt CP. §. 374 zur Anwendung. Auch kann wegen CP. §. 135 das Ge­ richt trotz des Verzichtes die Ver­ nehmung seinerseits anordnen. 6 CP. §.135. Vgl. CP. §§.3, 260, 337, 407. S. auch CP. §§. 598, 599, 612.

176

Th. HI. Abschn. n. Cap. I. Ordtl. Verf. in erster Jnstarz.

Bezeichnung

geeigneter Personen auffordern, und wenn in

dem Gerichtsbezirke96 7für * gewisse Arten von Gutachten Sach­

verständige öffentlich bestellt sind (wie z. B. Gerichtsärzte, gerichtlich bestellte Taxatoren u. dgl.), so soll es ohne drin­ genden Grund nicht andere Personen wählen.

Endlich kann

das Gericht an Stelle der zuerst ernannten Sachverständigen nach Bedürfniß andere ernennen?

Die Beweisaufnahme kann aus den gleichen Gründen, wie die Aufnahme eines Zeugenbeweises, einem beauftragten oder ersuchten Richter übertragen, und dieser kann dann von

dem Proceßgerichte auch zu der Ernennung der Sachverstän­ digen ermächtigt werden? Ein Sachverständiger kann aus den gleichen Gründen wie ein Richter abgelehnt werden, mit der Ausnahme, daß die geschehene Vernehmung des Sachverständigen als Zeugm

keinen Ablehnunzsgrund bildet? II.

Der zum Sachverständigen Ernannte ist zur Erstat­

tung des Gutachtens verpflichtet, wenn er sich dazu vor Ge­

richt bereit erklärt hat, oder wenn er für solche Gutachten

öffentlich bestellt ist oder feinem Berufe nach die erforderliche Sachkunde besitzt?9

Er darf dann das Gutachten nur aus

6 CP. Pr. S. 141. 7 CP. §. 369. Vgl. Struckm. z. CP. §. 369. • CP. §. 367 vbd. §. 310; §. 370. 9 CP. §. 371 Abs. 1 vbd. §§.41,42 (ob. §.7). Vgl. StGB. §. 161 Abs. 1. Auch in Ansehung deö Verfahrens gelten wesentlich die gleichen Grundsätze, wie bei der Ablehnung eines Richters; s. CP. §. 371 Abs. 2-5 und vgl. CP. §§. 43-46. S. auch

noch CP. §. 377 Abs. 2. .Wegen der Gebären s. GK. §. 47 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2, RAGeb. §. 23 Nr. 1 vbd. §. 29 Nr. 6.

10 Näheres CP. §. 372. S. auch NachdrucksG. v. 11. Juni 1870 §§. 31, 49, vbd. G., betr. das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste, v. 9. Jan. 1876 §. 16, PhotographieenschutzG. v. 10. San. 1876 §§. 9,10, MusterschutzG. v. 11. Jan. 1876 §. 14.

177

Sachverständige, g 51.

denselben Gründen verweigern, aus denen ein Zeuge das

Zeugniß verweigern darf." Doch kann ihn daS Gericht auch aus anderen Gründen von der Erstattung des Gutachtens

entbinden. Ein öffentlicher Beamter darf als Sachverständiger

nicht vernommen werden, wenn seine vorgesetzte Behörde er­ klärt, daß seine Vernehmung den dienstlichen Interessen nach­ theilig sein toürbe.11 12 13 Wenn ein zur Erstattung des Gutachtens verpflichteter

Sachverständiger

ohne genügende Entschuldigung ausbleibt,

oder wenn er das Gutachten verweigert, so wird er von

Amtswegen in die durch sein Ausbleiben oder seine Weige­ rung

verursachten Kosten und zu einer Geldstrafe bis zu

300 Mark verurtheilt.

Bei wiederholtem Ungehorsam kann

er noch einmal zu einer Geldstrafe bis zu 600 Mark ver­

urteilt werden." HI. Der Sachverständige ist, wenn nicht beide Parteien

auf seine Beeidigung verzichten, vor Erstattung seines Gut­

achtens darauf zu beeidigen, daß er das von ihm geforderte Gutachten unparteiisch und nach bestem Wissen und Gewissen

erstatten werde.

Bei Sachverständigen, welche für die Er­

stattung von Gutachten solcher Art im Allgemeinen beeidigt sind, genügt die Berufung auf den geleisteten Eid."

Das Gericht kann mündliche oder schriftliche Erstattung

11 S. ob. §. 50. II. 12 CP. §. 373. Vbd. CP. §§. 351-354 (s. ob. §. 50. II. a. E.). Val. auch StGB. §. 138 Abs. 2. Wegen der Gebären s. GK. §. 47 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2, RAGeb. §. 23 Nr. 1 vbd. §. 29 Nr. 6. 13 Näheres CP. §. 374 vbd. Fitting, Civilproceß. 6.2üfl.

§§. 345 , 346 , 355 , 365 , 532 Abs. 2, 535 Abs. 1. Wegen der Gebären s. GK. §. 47 Nr. 8, RAGeb. §. 23 Nr. 1 vbd. §. 29 Nr. 6. 14 CP.§.375.Vg!.GV.§.191. S. noch Struckm. z. CP. §. 375, Seuff. z. CP. §. 375 und §.376 Dem. 2.

12

178

Th. III.

Abschn. II. Cap. I. Ordtl. Verf. in erster Instanz.

des Gutachtens und in diesem letzten Fall das Erscheinen des

Sachverständigen 311 mündlicher Erläuterung des Gutachtens anordnen."

nügend

Auch kann es, wenn ihm das Gutachten unge­

erscheint,

eine

neue Begutachtung

durch

dieselben

oder durch andere Sachverständige anorbncn.15 16

IV. Der Sachverständige hat nach Maßgabe der Gebttrenordnung

für Zeugen und Sachverständige nicht allein aus

Entschädigung für Zeitversäumniß und Kosten, sondern auch

auf angemessene Vergütung seiner Bemühung Anspruch?7 Im Uebrigen gelten in Ansehung der Gebüren der Sachverstän­

digen die nämlichen Vorschriften wie in Ansehung der Ge­

büren der Zeugen?8

dd) Urkunden.

§. 52. a) Lrvrkkrast. I.

Urkunde

ist

im

bürgerlichen

Verfahren

jedes

Schriftstück. Die Urkunden zerfallen urkunden.

in öffentliche und Privat­

Oeffentliche Urkunden sind diejenigen,

welche

von einer öffentlichen Behörde oder von einer UrfanbSperfon, d. h. einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person (z. B. 15 Näheres CP. §. 376. Fest­ stellung der Aussagen durch das Protokoll: CP. §§. 146 Nr. 3, 151 vbd. §. 354 Abs. 1; §. 147. Vgl. Struckm. z. CP. §. 376. 16 CP. § 377 Abs. 1. Vgl. Struckm. z. CP. §. 377, Seuff. z. CP. §.377. — Die Vorschriften der Civilproceßordnung über die Ernennung, Beeidigung und

Vernehmung der Sachverstän­ digen kommen auch in den Fällen von HGB. Art. 348, 365, 407 zur Anwendung: EG. z. CP. §. 13 Abs. 4. 17 CP.§. 378. S.ZGeb. §§.3 — 11, 13-15. 18 S. ob. §. 50. V. und die dort in den Anmerkungen 29— 33 angegebenen Gesepesftellerr.

Urkunden. Aeußere Beweiskraft, tz. 52,

J 79

Notar, Reichsconsul, Gerichtsvollzieher, Postbote, Rechtsan­ walt), innerhalb ihrer amtlichen Zuständigkeit und in der vorgeschriebenen Form ausgenommen sind? Alle anderen Urkunden sind Pnvaturkunden. Ferner fmb zu unterscheiden Urschriften (Originale) und Abschriften (Copieen). Urschrift ist die Urkunde, auf die es ankommt, selbst, Abschrift die bloße Wiedergabe des Wortlautes einer Urkunde. Die Abschriften sind beglaubigte oder einfache, je nachdem ihre Uebereinstimmung mit der Urschrift durch eine öffentliche Urkunde bezeugt ist oder nicht? II. Die Beweiskraft jeder Urkunde ist bedingt durch ihre Echtheit, d. h. die Gewißheit, daß sie wirklich von dem angeblichen Aussteller herrührt, und durch ihre Unver­ fälschtheit, d. h. die Gewißheit, daß ihr ursprünglicher In­ halt nicht verändert ist. Die Unverfälschtheit wird angenommen, wenn die Urkunde nicht an Durchstreichungen, Ra­ dirungen, Einschaltungen oder sonstigen äußeren Mängeln leidet? Inwieweit solche Mängel die Beweiskraft der Ur­ kunde beeinträchtigen, hat das Gericht nach freier Ueber­ zeugung zu entscheiden? In Ansehung der Echtheit ist ein wesentlicher Unterschied zwischen öffentlichen und Privaturkunden. Urkunden, welche sich nach Form und Inhalt als von einer öffentlichen Be­ hörde oder einer Urkundsperson des Inlandes errichtete dar­ stellen, gelten als echt, wenn nicht der Gegner die Unechtheit

1 CP. §. 380 Abs. 1. Vbd. vbd. Nr. 4. S. noch Struckm. CP. §§. 156 Abs. 2, 173, 178, z. CP. §. 380 Bem. 2. 179. Dgl.ConsulatSG. v.8.Nov. ' Dgl. CP. §. 400. 1867 §§. 14-17, PostG. v. 28. 8 Dgl. CP. §. 405 Abs. 2. Okt. 1871 ß. 47, Reichs-MilitärG. * CP. §. 384. v. 2. Mai 1874 §. 44 Nr. 2 c.

180

Th. HI. Abschn. U. Cap. I. Ordtl. Verf. in erster Instanz.

beweist. Doch kann das Gericht, wenn es selbst Zweifel über die Echtheit hat, auf Antrag oder auch von Amtswegen den

angeblichen Aussteller zu einer Erklärung über die Echtheit veranlassen? Bei Privaturkunden dagegen muß, weil es hier

an öffentlich anerkannten Kennzeichen der Echtheit fehlt, die letztere

besonders

bewiesen werden; jedoch nur,

Urkunde vom Gegner nicht anerkannt wird?

wenn die

Dieser muß

sich immer zuvörderst über die Echtheit nach den Vorschriften in CP. §. 129 erklären; hat die Urkunde eine Namensunter­ schrift, so muß er die Erklärung auf die Echtheit der letzteren

richten.

Unterläßt er die Erklänmg, so wird die Urkunde

als anerkannt angesehen, wenn nicht die Absicht der Bestrei­

tung ihrer Echtheit aus seinen übrigen Erklärungen hervor­

geht?

Erkennt er die Urkrnde nicht an, so braucht der Be­

weisführer, wenn sich unter der Urkunde eine Namensunter­

schrift befindet, nur die Echtheit der letzteren zu beweisen. Ist die Echtheit der Unterschrift bewiesen, oder steht sie durch

Anerkennung oder durch gerichtliche oder notarielle Beglaubi­

gung fest, so gilt auch die Echtheit der darüber stehenden Schrift, d. h. die Eigenschaft derselben als einer Erklärung 6 CP. §. 402. Dgl. Struckm. z. CP. §. 402 Bem. 1, 2. Einer Bealaubigung bedarf es bei in­ ländischen öffentlichen Urkunden zum Gebrauche im Jnlande nicht: RG. v. 1. Mai 1878 (RGB. S. 89) §. 1. Ueber ausländische öffentliche Urkunden s. CP. §. 403 und RG. v. 1. Mai 1878 §. 2; vbd.ConsulatsG. v. 8.Nov. 1867 §. 14. c CP. §. 405 Abs. 1. 7 CP. §. 404. Dgl. CP. §. 129 Abs. 2. S. auch CP.

g. 129 Abs. 3. Die unterlassene Erklärung kann in erster Instanz bis zum Schluffe derjenigen mündlichen Verhandlung, auf welche oaS Urtheil (über die Echtheit) ergeht, und selbst noch in der Berufungsinstanz nachge­ holt werden. S. CP. §. 493 und vgl. ob. §. 33. IV. a. E. Ausnabmen von der Regel in CP. §.404 Abs. 3 s. in CP. §§. 577 Abs. 1, 611 Abs. 1, 620 Abs. 4. 624 Abs. 4, 626 Abs. 4.

Urkunden. Aeußere Beweiskraft. §» 52,

181

des Urhebers der Unterschrift, als bewiesen, falls nicht der Gegner die Unechtheit derselben, d. h. einen Mißbrauch der Unterschristb oder eine Verwechselung bei der Unterschreibung u. dgl., beweist. Ein unter der Urkunde stehendes bloßes Handzeichen hat die Wirkung einer Namensunterschrift nur dann, wenn es gerichtlich oder notariell beglaubigt ist, steht aber dann der beglaubigten Namensunterschrift gleich? Der Beweis der Echtheit oder Unechtheit von Schrift­ zügen, auf welchen es zum Beweise der Echtheit oder Un­ echtheit einer (öffentlichen oder Privat-) Urkunde ankommt, kann auch durch Schriftvergleichung geführt werden, d. h. durch Vergleichung der Schriftzüge mit denjenigen eines anderen von dem angeblichen Urheber geschriebenen Schrift­ stückes. Der Beweisführer muß dann geeignete Vergleichungs­ stücke beschaffen und nöthigen Falls die Echtheit der darin enthaltenen Schrift beweisen. Befinden sich solche in den Händen des Gegners, so ist dieser auf Antrag des Beweisführers nach Maßgabe der Grundsätze über die Verpflichtung zur Vorlegung von Urkunden zur Vorlegung verpflichtet?8 9 10 Ueber 11 das Ergebniß der Schriftvergleichung entscheidet das Gericht nach freier Ueberzeugung, allenfalls nach Anhörung von Sachverständigen." III. Steht die Echtheit und Unverfälschtheit einer Ur­ kunde fest, so wird dadurch bewiesen, daß sie so, wie sie lautet, von dem Aussteller herrührt. Ist sie eine öffentliche Urkunde, oder ist sie als Privaturkunde von dem Aussteller

8 Vgl. StGB. §. 269. 9 CP. §.405vbd.§.38I. Vgl. noch CP. §. 76 Abs. 2. 10 Näheres CP. §. 406. 11 CP. §. 407. — Urkunden,

deren Echtheit oder Unverfälscht­ heit bestritten ist, werden bis zur ErlediauNg des Rechtsstreites auf der Gerichtsschreiberei auf­ bewahrt: "CP. §. 408.

182

Th. NI. Abschn. N. Cap.I. Ordtl. Vers, in erster Instanz,

unterschrieben oder durch gerichtlich oder notariell beglaubigtes

Handzeichen unterzeichnet, so liefert sie zugleich vollen Beweis, daß der Aussteller Das, was die Urkunde nach ihrem Wort­ laute sagt, auch wirklich hat erklären wollen, daß also die

Urkunde nicht ein bloßer Entwurf ist, den sein Urheber noch nicht als wirkliche Erklärung betrachtet hat?"

IV. Die Beweiskraft der urkundlichen Erklärung selbst

hängt von ihren! Inhalte ab.

Oeffentliche Urkunden, worin

eine zuständige Behörde oder Urkundsperson gewisie That­

sachen auf Grund vollen Beweis

eigener Wahrnehmung bezeugt,

dieser Thatsachen.^

Insbesondere

liefern

liefern

öffentliche Urkunden, welche eine vor der Behörde oder der Urkundsperson abgegebene Erklärung bezeugen, vollen Be­ weis des ganzen beurkundeten Vorganges, d. h. vollen Beweis

dafür, daß die bestimmte Erklärung von der bestimmten Per­ son an dem bestimniten Orte und zu der bestimmten Zeit

abgegeben worden ist?4 Doch ist in jeder dieser Beziehungen der Beweis unrichtiger Beurkundung durch

alle zulässigen

Beweismittel statthaft." Gegen öffentliche Zeugniffe anderen Inhaltes, wie z. B. Sitzungsprotokolle, Zustellungsurkunden,

Protokolle

der Gerichtsvollzieher über Vollstreckungshand­

lungen, Wechselproteste u. dgl., ist der Beweis der Unrichtig13 CP. §§. 381, 382. Vbd. CP. Pr. S. 156. Mitunter gehört zur Vollendung der Erklärung auch noch die Aushändigung der Urkunde an einen Anderen, j wie z. B. bei einem Wechsel, ' Schuldschein u. dgl. Daran ist\ durch die Vorschriften der Civil* ' proceßordnung nichts geändert. S. CP. Pr. S. 155 fa. Vgl.' Arch. LXI. S. 434 sg. Die Be- \

weiskrast nicht unterschriebener Schriftstücke hat das Gericht nach freierUeberzeuaung zu würdigen: CP. §. 259. Aushebung abwei* ckender reichsgeseplicher Vorschriften: s. ob. tz. 46 Anm. 4. 13 CP. §§. 380 Abs. 1, 383 Abs. 1. 14 CP. §. 380 Abs. 1. 15 CP. §. 380 Abs. 2. Dejchrankung: CP. §. 285.

Urkunden. Innere Beweiskraft, tz. 52.

183

leit der bezeugten Thatsachen nur statthaft, insofern ihn nicht Reichs- oder Landesgesetze bei Urkunden gewissen Inhaltes, z. B. Eintragung in das Grundbuch, ausschließen oder be­ schranken." Oeffentliche Zeugnisse, welche nicht auf eigener Wahrnehmung der Behörde oder Urkundspersou beruhen, liefen: nur dann vollen Beweis der bezeugten Thatsachen, wenn die Beweiskraft des Zeugnisses nach Reichs- oder Landesgesetzen von der eigenen Wahrnehmung unabhängig ist, wie z. B. die Zeugnisse der Standesbeamten und Geist­ lichen über den Personenstand." Soweit diese gesetzlichen Beweisregeln nicht eingreifen, hat das Gericht die Beweiskraft einer urkundlichen Erklärung nach freier Ueberzeugung zu beurtheilen." Und zwar hat eine solche Erklärung im Allgemeinen dieselbe Beweiskraft, wie eine von ihrem Urheber mündlich gemachte Erklärung gleichen Inhaltes. Wenn und soweit sie, wie z. B. bei Schuldscheinen und Quittungen, ein Geständniß enthält, welches gegenüber dem Beweisführer oder einem Rechtsvorgänger desselben in der Absicht gemacht ist, daß dadurch die zugestandene That­ sache solle bewiesen werden können, liefert sie naturgemäß " CP. §. 383 Abs. 2. Vgl. CP. §§. 145 ff.; 173 ff., 178; 682; WO. Art. 87 ff. Beschrän­ kung des Beweises der Unrichtig­ keit: CP. 8.150. 17 CP. §. 383 Abs. 3, EG. z. CP. §. 16 Nr. 2. Ueber die Beweiskraft der von den Stan­ desbeamten aufgenommenen Geburts- und Sterbeurkunden s. PersonenstandsG. v. 6. Febr.1875 8. 15. S. auch RG. über die Beurkundung des Personenstan­

des im Auslande v. 4. Mai 1870 §§.11, 12. - Die Verweisungen auf die landesgesetzlichen Vor­ schriften über die Beweiskraft öffentlicher Urkunden tut HaftpstichtG. v. 7. Juni 1871 §. 6 und im ReichsbeamtenG. v. 31. März 1873 §. 141 Abst 4 sind aufgehoben: EG. z. EP. §. 13 Nr.'3, 5. 18 Ueber die Aufhebung an­ derer reichsgesetzlicher Beweisre­ geln s. ob. §. 46 Anm. 4.

184

Th. LH. Abschn. II. Cap. I. OrdLl. Verf. in erster Instanz.

vollen Beweis, falls nicht der Gegner die Unwahrheit des

Zngestandenen beweist."

Wenn und soweit sie, wie z. B. bei

Dienstzeugnissen und Lehrbriefen, ein bloß privates Zeugniß

enthält, hat sie keine oder doch nur geringe Beweiskraft, weil die Glaubwürdigkeit privater Zeugnisse durch gerichtliche und

eidliche Aussage bedingt ist.

Wenn und soweit sie endlich

in einer Willenserllärung besteht, wie z. B. bei einem Wechsel,

einem Testamente u. dgl., ist das Dasein und der Inhalt derselben durch gerichtlichen Augenschein bewiesen. V.

Eine Privaturkunde kann als Beweismittel nur in

der Urschrift gebraucht werden, nicht in einer bloßen, wenn auch beglaubigten> Abschrift.

Eine öffentliche Urkunde da­

gegen kann in Urschrift oder in beglaubigter Abschrift vor­ gelegt werden; das Gericht kann jedoch die Vorlegung der

Urschrift oder Angabe und Glaubhaftmachung der Thatsachen

anordncn, welche die Vorlegung derselben verhindern.

Er­

folgt weder das Eine noch das Andere, so entscheidet es über

die Beweiskraft der beglaubigten Abschrift uach freier Ueber­ zeugung." ' ' Vegr. z. EPE. §§.367, 368. II. Nr. 2. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechtes, wonach die Beweiskraft eines Schuldscheins oder einer Quittung vom Ablauf einer gewissen Zeit abhängig war, sind aufgehoben: EG. z. CP. §.17 Abs. 1. Ausnahme ebend. Abs.2. — Doch liefert ein solches urkundliches Geständniß nicht unbedingt vollen Beweis, sondern der Werth dieser wie aller an­ derer außergerichtlicher Geständ­ nisse ist vom Gerichte jedesmal nach den Umstänten und nach

freier Ueberzeugung zu fceurtheilen: CP. §. 259. S. auch ob. §. 47 Sinnt. 6 a. E. — Auch urkundliche Aeußerungen, welche dem Aussteller vortheilhast sind, können nach Umständen eine ge­ wisse Beweiskraft haben, wie z. B. die Einträge in Handels­ büchern. Die weitcrgehenden Vorschriften in HGB. Art. 34 — 36 sind ausgeboben: EG. z. EP. §. 13 Nr. 2. ’20 EP. §. 400. Ueber die Zu­ lässigkeit bloß theilweiser Vorlegnng einer Urkunde, wenn nur

Urkunden. Dörlegungspflicht. §.53.

185

§. 53. b) VrrblndllchKrlt }»r Vorlrgang von Urkunden.

I. Wenn sich die Urkunde, welche eine Partei in dem Rechtsstreite als Beweismittel benutzen will, in den Händen eines Anderen, sei es des Proceßgegners oder eines Dritten/ befindet, so ist der Inhaber zur Vorlegung (Edition) der­ selben verpflichtet/ 1) wenn der Beweisführer nach den Vorschriften deS bürgerlichen Rechtes, z. B. als Eigenthümer der Ur­ kunde oder als Dienstherr des Inhabers, die Heraus­ gabe oder Vorlegung der Urkunde auch außerhalb des Rechtsstreites verlangen könnte/

2) wenn die Urkunde ihrem Inhalte nach eine für dert Deweisführer und den Inhaber gemeinschaftliche ist, d. h. die Angelegenheiten Beider betrifft, wie z. B. die Urkunde über einen zwischen ihnen geschloffenen Kauf­ oder Miethvertrag/

Der Proceßgegner ist auch zur Vorlegung derjenigen in ein Thell derselben erbeblich ist, s. z. B. HGB. §. 38. .Vgl. Begr. z. EPE. §. 387 a. E. 1 Als Dritter ist auch der Ne­ benintervenient anzusehen, wenn er nicht nach CP. §. 66 Streitqenosse des Proceßgegners ist. L.. Pet. z. CP. §§. 393-396 Nr. 2. ’ CP. §§. 387, 394. 3 Vgl. HGB. Art. 105, 145 Abs. 2, 160, 253 u. a. 4 Besondere Beispiele gemein­ schaftlicher Urkunden: CP. §.387

Nr.2Abs.2. Vbd.HGB.Art.270. Aus dem Gesichtspunkte der Gemeinschaftlichkeit kann in Handelssuchen jede Partei von der an­ deren die Vorlegung ihrer Han­ delsbücher verlangen: HGB: Art. 37 Satz 1. Die Vorlegung des Tagebuches eines Handels­ maklers kann das Gericht auch ohne Antrag anordnen: HGB. Art. 79 Abs. 1. Ebenso unter besonderen Voraussekungen die Vorlegung der Handelsbncher: HGB. Art. 40.

186

Th. III. Abschn.N. Cap.I. Ordtl. Verf. in erster Instanz,

seinen Händen befindlichen Urkunden verpflichtet, auf welche

er in dem Processe als Beweismittel Bezug genommen hat, wenn auch nur in einem vorbereitenden Schriftsätze?

Aus den gleichen Gründen wie Privatpersonen sind auch öffentliche Behörden und Beamte zur Vorlegung von Urkunden

verpflichtet? Inwieweit sie in anderen Fällen befugt sind, die Mittheilung von Urkunden zu verweigern, und auf welchem

Wege bei grundloser Weigerung die Mittheilung erzwungen werden kann, ist nach den für die Behörde oder den Beamten

maßgebenden Gesetzen zu beurtheilen?

II. Wo nach den Vorschriften der Civilproceßordnung eine Verpflichtung zur Vorlegung einer Urkunde besteht, kann

der Inhaber

stets int Rechtswege dazu genöthigt werden;

ein Dritter, sei es eine Privatperson, sei es eine Behörde öder­

em Beamter, aber nur durch eine selbständige Klage, welche

in jeder Beziehung nach den gewöhnlichen Grundsätzen zu behandeln ist?

Auch wird das verurtheilende Erkenntniß in

der gewöhnlichen Weise vollstreckt?

Wird

dagegen die Vorlegung einer Urkunde von dem

Proceßgegner verlangt, so wird über seine Verpflichtung zu

der Vorlegung

im

Hauptprocesse

selbst

entschieden.

Die

Verhandlung darüber erscheint dann als Zwischenstreit im

Beweisverfahren."

6 EP. 388 vbd. §§. 122, einen besonderen Fall s. CP. 125. §. 126 Abs. 2. G CP. §. 397 Abs. 3. 9 Nach Maßgabe von CP. 7 Begr. z. CPE. §. 384. §§. 769, 774 (j. unt. §. 95. I.). * CP. §§. 394, 397 Abs. 3. 10 S. ob. §. 38 Sinnt. 6. Dgl. ob. §. 21.1. a. E. — lieber

Urkunden. Beweis»erfahren, ß. 54.

187

8.54. k) DctfaN«** htim LrKvvLeubeaelse.

I. Wenn der Beweisführer selbst die Urkunde in Händen hat oder doch zu ihrer Beschaffung ohne Mitwirkung des Ge­ richtes im Stande ist, so geschieht die Beweisantretung durch Vorlegung der Urkunde bei der mündlichen Verhandlung? Ist die Vorlegung bei der mündlichen Verhandlung wegen erheblicher Hindernisse unmöglich oder wegen der Wichtigkeit der Urkunde und der Besorgniß des Verlustes oder der Be­ schädigung bedenklich, so kann das Proceßgericht die Vorle­ gung vor einem beauftragten.oder ersuchten Richter an­ ordnen? II. Befindet sich die Urkunde nach der Behauptung des Beweisführers in den Händen des Gegners, so geschieht die Beweisantretung dadurch, daß jener bei der mündlichen Ver­ handlung den Antrag stellt, dem Gegner die Vorlegung der Urkunde aufzugeben? Zur Begründung desselben muß er die Urkunde und ihren Inhalt sowie die Thatsachen, welche durch sie bewiesen werden sollen, bezeichnen, die Gründe der Behauptung, daß die Urkunde im Besitze des Gegners sei, ' CP. §. 385 vbd. §. 397 Abs. 2. * CP. §. 399. Als Beweisan­ tretung muß es dann genügen, daß sich der Beweisführer bei der mündlichen Verhandlung zur Vorlegung der Urkunde erbietet. Uebrigens bezieht sich CP. §. 399 auch auf den Fall, wenn ein Anderer als der Beweissührer die Urkunde vorzulegen hat. Die Vorschriften in HGB. Art. 39,

79 Abs. 2, wonach Handelsbücher und Tagebücher von Handelsmällern, wenn sie sich nicht im Bezirke des Proceßgerichtes be­ finden, mir vor einem ersuchten Richter vorgelegt werden dürfen, sind aufgehoben: EG. z. CP. §. 13 Nr. 2. 2 CP. §. 386. Vgl. ob. 8.53 Anm. 1. Beschränkung der Zulässigkeit des Vorlegungsantragcs: CP. §. 577 Abs. 2.

188

Th. HI. Abschn. II. Cap. I. Ordtl. Verf. in erster Instanz

und den Grund der Verpflichtung desselben zur Vorlegung

angeben und den letzteren glaubhaft machen? Hält das Ge­ richt die zu beweisende Thatsache für erheblich und den An­

trag

für

begründet, so ordnet es, wenn der Gegner den

Besitz der Urkunde ausdrücklich

oder durch Nichterklärung

über den Antrag zugesteht, bei Unbestrittenheit der Vorlegungs­

pflicht durch Bewcisbeschluß, bei Bestrittenheit derselben durch Zwischenurtheil die Vorlegung der Urkunde an? Bestreitet da­

gegen der Gegner den Besitz der Urkunde, so muß er den sog. Editionseid leisten dahin, daß nach seiner durch sorgfältige Nach­ forschung erlangten Ueberzeugung die Urkunde sich nicht in

seinem Besitze befinde, daß er sie nicht in der Absicht abhanden gebracht habe, dem Beweisführer ihre Benutzung zn entziehen, daß er auch nicht wisse, wo sie sich befinde? Kommt der Gegner

der Anordnung, die Urkunde vorzulegen, oder der Anordnung, den Eid zu leisten, nicht nach, so ist eine vom Beweisführer beige­

brachte Abschrift der Urkunde als richtig anzusehen. Ist keine Abschrift beigebracht, so können die Behauptungen des Be­ weisführers über die Beschaffenheit und den Inhalt der Ur­

kunde als bewiesen angenommen werden? III. Befindet sich die Urkunde nach der Behauptung des

Beweisführers in den Händen einer dritten Privatperson, so geschieht die Beweisantretung durch den Antrag, zur Herbei-

4 CP. §§. 386, 389 und 6 Näheres CP. §.391. Vgl. Bear. z. CPC. §§. 376-— 379 Struckm. z. CP. §. 391. in Äbs. 1, wonach sich das „soll" ' CP. §. 392. Vgl. CP. in CP. §. 389 nur auf den §. 409 (unt. VI.). Die noch Schriftsatz bezieht, durch welchen i weiter gehende ^Vorschrift in

den Antrag vorzuberetten ist. 5 CP. §. 390 vbd. §. 324 und

. • * gehoben: EG. z. CP."§.13 Nr.2. 1 ■ . -

Urkunden. Beweisverfahren. §. 54.

189

fchaffung der Urkunde eine Frist zu bestimmen? Zur Be­ gründung desselben muß der Beweisführer die Urkunde und ihren Inhalt sowie die zu beweisenden Thatsachen bezeichne, den Grund der Verpflichtung zur Vorlegung angebcn und glaubhaft machen, endlich auch glaubhaft machen- daß sich die Urkunde in den Händen des Dritten befinde? Entspricht der Antrag diesen Erfordernissen und ist die zu beweisende Thatsache erheblich, so bestimmt das Gericht eine Frist für die Vorlegung der Urknnde, die dann in einem vom Beweis­ führer auszuwirkenden Termine geschehen muß." IV. Befindet sich die Urkunde nach der Behauptung deS Beweisführers in den Handen einer öffentlichen Behörde oder eineS öffentlichen Beamten und ist der Beweisführer ohne Mitwirkung des Gerichtes zu ihrer Beschaffung nicht im Stande, so geschieht die Beweisantretung durch den Antrag, die Behörde oder den Beamtm um die Mittheilung der Ur­ kunde zu ersuchen?' Wird dieselbe in einem Falle verweigert, in welchem der Beweisführer eine Verpflichtung zur Vor­ legung nach den Vorschriften der Civilproceßordnung be­ hauptet, so muß er nun eine neue Beweisantretung vor­ nehmen durch den Antrag, zur Herbeischaffung der Urkunde eine Frist zu bestimmen, und es gelten dann die unter III. dargestellten Regeln." 8 CP. §. 393. • CP-8. 395. lo CP. §. 396 Abs. 1. Fälle, in welchen der Gegner die Fort­ setzung deS Verfahrens vor dem Ablaufe der Frist beantragen kann, s. CP. §. 396 Abs. 2. Nach fruchtlosem Ablaufe der Frist kann die Urkunde nur noch

benutzt werden, wenn dadurch daS Verfahren nicht venögert wird: CP. §§. 321, 329 Abs. 3. Vgl. noch Struckm. z. CP. §. 396. " CP. §. 397 Abs. 1, 2 Dbd. GV. §. 169. Vgl. Struckm. z. CP. §. 397 Bem. 1.

" CP. 8. 397 Abs. 3.

190

Th. III. Abschn. n. Cap. I. Ordtl. Verf. in erster Instanz.

V. Nach erfolgter Borlegung einer Urkunde kann der Be­ weisführer nur noch mit Zustimmung des Gegners auf dieses Beweismittel verzichten?3 VI. Kann eine Partei beweisen, daß eine Urkunde von dem Gegner in der Absicht, ihr die Benutzung derselben zu entziehen, beseitigt oder zur Benutzung untauglich gemacht sei, so können ihre Behauptungen über die Beschaffenheit und den Inhalt derselben als bewiesen angesehen werden." ee) Gib. §.55.

e) Allgemeine Regeln.

I. Jeder Eid, welcher im bürgerlichen Verfahren vor Gericht, sei es von den Parteien, fei es von anderen Per­ sonen (Zeugen, Sachverständigen), zu leisten ist, muß von dem Schwurpflichtigen in Person' und in der Regel vor dem Proceßgerichte geleistet werden. Nur dann, wenn der Schwur­ pflichtige am Erscheinen vor dem Proceßgerichte verhindert ist oder sich in großer Entfernung von dem Sitze desselben aufhält, kann die Eidesleistung, vor einem beauftragten oder ersuchten Richter stattfinden? 13 CP. §. 401. Dgl. CP. §. 364. Ueber das Verhältniß von CP. §. 401 zu CP. §. 388 s. Pet. z. CP. §. 401. A. M. Struckm. z. CP. § 401, End. -. CP. §. 388. " CP. §. 409. Vgl. CP. & 392 (ob. II. a. E). 1 CP. §. 440. Ausnahme nach LandeSgesetzen bei den Lan­ desherren und den Mitgliedern der landesherrlichen Familien. Dgl. z. B. Preußische Cabinets-

Ordre vom 15. Sept. 1836 und ob. §. 2. Isl. 1 CP. §. 441 Abs. 1. Im AuSlande kann die Eidesleistung vor den Reichsconsuln geschehen: ConsulatsG. v. 8. Nov. 1867 §. 20. Dgl. Struckm. z. CP. §. 441 Bem. 1—3. Ueber die Eidesleistung der Landesherren und der Mitglieder der landes­ herrlichen Familien s. CP. §. 441 Abs. 2 und ob. §. 48 Amn. 1 a. E.

Eid. Allgemeines. §.55.

191

Vor der Eidesleistung muß der Richter den Schwur­ pflichtigen in angemessener Art auf die Bedeutung des Eides Hinweisen? Die Eidesleistung selbst geschieht regelmäßig in der Form, daß der Schwörende die Eidesformel nachspricht oder abliest, wobei er die rechte Hand erheben soll. Die Eidesformel, d. h. Dasjenige, waS der Schwörende aus­ zusprechen hat, soll in der Regel die Eidesnorm, d. h. den zu beschwörenden Satz, enthalten. Bei großem Umfange der Eidesnorm genügt es jedoch, daß sie vorgelesen und in der Eidesformel auf sie verwiesen wird? Die Eidesformel be­ ginnt mit den Worten: „Ich schwöre bei Gott dem Allmäch­ tigen und Allwissenden" und schließt mit den Worten: „So wahr mir Gott helfe"? Ausnahmen von dieser regelmäßigen Form treten ein: 1) bei Stummen. Sie leisten bat Eid, wenn sie schreibm können, durch Abschreiben und Unterschreiben der Eidesformel, welche die Eidesnorm enthält. Wenn sie nicht schreiben können, so leisten sie chn mit Hülfe eines Dolmetschers durch Zeichen? 2) bei Mitgliedern einer ReligionSgesellfchaft, welcher Reichs- oder Landesgesetz anstatt deS Eides den Gebrauch gewisser Betheuerungsformeln gestattet. Eine Betheuerung in dieser Form gilt bei ihnen der Eidesleistung gleich? IL Zur Glaubhaftmachung einer thatsächlichen Behauptung kaun das Gericht nach freiem Ermessen die eidliche Bersiche' CP. §. 442. ’ CP. 8.44«. Hierhin gehören * CP. §. 444 Abs. 1, 2. namenüich die Mennoniten. — ‘ CP. §. 443. Ueber Eides- Ueber die Form der Eidesleistung leistuugen von Personen, die der der Landesherren und der Mit­ deutschen Sprache nicht mächtig glieder der landesherrlichen Fa­ siud, (. SB. §. 190. milien f. CP. §. 444 Abs. 3. » CP.S.445.Dgl.ob.§.40.I.

192

Th. HI. Abschn. II. Cap. I. Ordtl. Verf. in erster Instanz,

rnng ihrer Wahrheit zulassen? Als eigentliches Beweismittel dagegen kann die eidliche Versicherung einer Partei nur unter besonderen Voraussetzungen dienen: als zugeschobener Eid oder als richterlicher Eid. Der eine wie der andere ist in der Regel als sog. Wahrheitseid zu leisten, d. h. dahin, „daß die Thatsache wahr fei“, oder dahin, „daß sie nicht wahr sei". Und unbedingt ist ein Wahrheitseid zu leisten, wenn es sich um etwas handelt, was der Schwurpflichtige selbst gethan oder wahrgenommen haben soll und was er selbst behauptet hat? Ist es vom Gegner des Schwur­ pflichtigen behauptet und liegen die Umstände so, daß man dem letzteren einen Wahrheitseid nicht zumuthen kann, wie z. B. bei einer Handlung oder Wahrnehmung, die schon vor langer Zeit geschehen sein soll: so kann ihm das Gericht auf seinen Antrag die Leistung eines sog. Ueberzeugungs­ eides gestatten dahin, „daß er nach sorgfältiger Prüfung und Erkundigung die Ueberzeugung erlangt habe, daß die Thatsache nicht wahr fei."10 8 9 Handelt es sich nicht um eigene Handlungen oder Wahrnehumngen des Schwurpflichtigen, so hat er immer nur einen Uebe^eugungseid zu leisten, und zwar, wenn er selbst in Ansehung der Thatsache die Beweis8 CP. §. 266. S. ob. §. 46. 9 CP. §. 424 Abs. 1 vbd. §. 439 Abs. 1. 10 CP. §. 424 Abs. 2 vbd. §. 439 Abs. 1. Einen anderen Inhalt kann, da es sich um eine von dem Gegner behauptete Thatsache handelt, nach meinem Erachten dieser Ueberzeugungs­ eid nie haben. Die Fasiung des Gesetzes, wonach er unter Um­ ständen auch auf die erlangte

Ueberzeugung von der Wahr­ heit der Thatsache gehen könnte, beruht, wie mir scheint, auf einem Versehen. Daß die Eides­ nonn der Fasiung nach auf die erlangte Ueberzeugung von der Wahrheit, aber nicht, wie daS Gesetz sagt, der vom Gegner behaupteten Thatsache, sondern des Gegentheils derselben, gestellt werden kann, ist natür­ lich nicht ausgeschlossen.

Zugefchobener Eid. f. 66.

193

pflicht hat, dahin, „daß er nach sorgfältiger Prüfung und Erkundigung die Ueberzeugung erlangt habe, daß die That­

sache wahr sei", wenn dagegen sein Gegner die Beweispflicht hat, nur dahin, „daß er nach sorgfältiger Prüfung und Er­

kundigung die Ueberzeugung nicht erlangt habe, daß die That­

sache wahr fei".11 §.56.

d) L»grschodr«rr El». Die EideSzuschiebung über eine Thatsache besteht in

der Aufforderung an den Gegner, die Unwahrheit derselbm

zu beschwören.

Der Gegner muß dann im Allgemeinen ent­

weder schwärm oder den Eid zurückschieben, d. h. den Zufchiebenden auffordern, seinerseits die Wahrheit der That­

sache zu beschwören.

Thut der Gegner weder das Eine noch

daS Andere, so gilt die Thatsache als zugestandm.*1 I.

Die Eideszuschiebung ist nur über thatsächliche Ver­

hältnisse zulässig,1 nicht über Rechtsbegriffe (tote z. B. Empfang

einer

Summe als

eines „DarlehmS", „Beerbung"

einer

Person u. dgl.) oder über Urtheile (wie z. B. Abschätzung

einer Sache); und bloß über solche thatsächliche Verhältnisse deren Wahrheit oder Unwahrheit daS Gericht noch nicht für

" CP. §. 424 Abs! 3 ebb. sog. HaftpflichtG. v. 7. Juni 1871 §. 489 Abs. 1. Vgl. CP. Pr. §. 6 und im ReichSbeamtenG. E. 177 ff. v. 31. März 1873 §. 144 Abs. 4 1 CP. §. 417 ebb. §. 429 find aufgehoben: EG. z. CP. Ws. 2. — In Ansehung beS §. 13 Nr. 3, 5. Beweises durch Eib sind die 1 CP. §§. 410, 411, 416 Vorschriften der Cieilproceßorb- a. E. S. ob. §. 33 Anm.14. Dgl. mma ausschließlich maßgebend; CP.Pr.S.167, Struckm.z.CP. die Verweisungen auf die Vor» §. 410 Bem. 1, Pet. z. CP. schristen der LanbeSgesetze im §. 410. I. Nr. 1, 2.

Fitting, Civilproccß. o.Aufl.

13

194

Th. in. ylbschn. H. Cap. I. Ordn. Verf. in erster Instanz,

erwiesen hält? Ferner kann der Eid nur zugeschoben oder zurückgeschoben werden über etwas, waS der Gegner oder ein Rechtsvorgänger oder Vertreter desselben entweder selbst gethan (bezw. nicht gethan) oder selbst wahrgenommen haben soll? Han­ delt es sich dabei zwar für die Partei, welcher der Eid zuge­ schoben ist, um eine eigene Handlung oder Wahrnehmung, nicht aber für die zuschiebende Partei, und ist also nur jene, nicht aber diese zur Leistung eines Wahrheitseides im Stande, so ist die Zurückschiebung unstatthaft? Endlich kann die Zu­ schiebung oder Znrückschiebung des Eides bloß an die Gegen­ partei geschehen, nicht an eine dritte Person, und zwar nicht einmal an einen Nebenintervenienten der Gegenpartei, wenn er nicht nach CP. §. 66 als Streitgenosse derselben gilt? Das Gericht kann jedoch die in den drei letzten Sätzen („Ferner" bis „gilt") angegebenen Beschränkungen außer Anwendung setzen, wenn die Parteien über den zu leistenden Eid in allen Stücken, d. h. darüber: daß, von wem und was 8 CP. §. 411 vbd. Bear. z. CPE. §. 398. S. aber EG. z. CP. §. 16 Nr. 1 Abs. 2. Fälle, in denen die Eideszuschiebuug überhaupt unzulässig ist, s. CP. §§. 266, 544 Abs. 2, 555, 577 Abs. 2, 611, 620 Abs. 4, 624 Abs. 4, 626 Abs. 4. Landesrechtliche Beschränkungen der Etdeszuschiebung sind aufgeho­ ben: EG. z. CP. §. 14 Nr. 2. ♦ CP. §§. 410, 413 Abs. 1. Ob es sich dabei um sog. äußere oder nm soa. innere Voraänge (wie z. B. Absicht, guten Glau­ ben, Willen oder Nichtwiffen) handelt, ist gleichgültig.. Ebenso, ob diese Vorgänge für die Ent­

scheidung unmittelbar oder nur mittelbar erheblich sind. S. Begr. z. CPE. §. 397. Ueber den Be­ griff deS „Vertreters" s. ebend. a. E. Vgl. Seuff. z. CP. §. 410 Bem. 2. 6 CP. §. 413 Abs. 2. Ueber die Zuschiebmm oder "Zurück­ schiebung des Eides an Streit­ genoffen, wenn die zu beschwö­ rende Thatsache von Einfluß ist auf ein Rechtsverhältniß, welches allen Streitaenossen gegenüber nur einheitlich festgesteut «erden kann, f. CP. §. 434 Abs. 1. 6 CP. §. 414. Vgl. CP. §. 350 Nr. 4. S. noch Struckm. z. CP. §. 414 Bem. 2.

Zugeschobener Eid. tz. 56.

195

geschworen werden soll, einig sind? Auch darf zu den dritten Personen, an welche die Zuschiebung oder Zurückschiebung unzulässig ist, nicht der gesetzliche Vertreter einer proceßunfähigen Partei gerechnet werden, da er selbst die Rechte und Pflichten der Partei hat. Vielmehr kann die Zuschiebung oder Zurückschiebung des Eides bloß an den gesetzlichen Ver­ treter geschehen, und zwar insoweit, als sie entweder an die vertretene Partei, wenn diese den Proceß in Person führte, oder an den Vertreter, wenn dieser selbst Partei wäre, zu­ lässig sein würde? Ausnahmsweise kann jedoch einem minde-. stens sechszehn Jahre alten Minderjährigen oder einem Ver­ schwender über etwas, was er selbst gethan oder wahrge­ nommen haben soll, der Eid zugeschoben oder zurückgeschoben werden, wenn dieses auf Antrag des zuschiebenden oder zu­ rückschiebenden Gegners von dem Gerichte nach Ermessen für zulässig erklärt wird? An eine proceßfähige Partei ist die Zuschiebung oder Zurückschiebung des Eides stets und ohne Rücksicht auf ihr Alter oder sonstige Verhältnisse zulässig?97 8 II. Die Eideszuschiebung über eine streitige Thatsache kann an sich von jeder Partei, auch von der nicht beweiSpflichtigen, ausgehen, gilt aber im Zweifel nur als geschehen 7 CP. §. 415. 8 CP. §. 435 Abs. 1. Ueber den Fall des Vorhandenseins mehrerer gesetzlicher Vertreter s. CP. §. 436 und Struckm. z. CP. §. 436. — Eide für eine Aktienaesellschast oder eine Genossen­ schaft werden vom Vorstande ge­ lastet: HGB. Art. 232, Genossen-

schiebung oder Zurückschiebung an den Minderjährigen oder Ver­ schwender, nicht auch über die Angemessenheit derselben hat daS Gericht nach Ermessen zu ent­ scheiden. est-1

Revision. Verfahren. §. 73.

289

einen juristischen Fehler aufweisen, die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig erscheint?3

V. Soweit das Revisionsgericht die Revision für be­ gründet erachtet, ist das angefochtene Urtheil aufzuheben. Geschieht dieses wegen eines Mangels des Verfahrens, so ist auch das letztere aufzuheben, soweit es durch den Mangel betroffen toirb.23 Mit der Aufhebung des Urtheils muß das Revisions­ gericht die Erlassung des neuen Endurtheils in der Sache verbinden, so ost sie sofort und ohne neue thatsächliche Fest­ stellungen möglich ist. Dies ist aber der Fall:

1) wenn die Aufhebung des Urtheils nur wegen unrichtiger rechtlicher Beurtheilung des in demselben festgestellten Sachverhältnisses erfolgt und nach diesem die Sache zur Eiidentscheidung reif ist; 2) wenn die Aushebung des Urtheils wegen Unzuständig­ keit des Gerichtes oder wegen Unzulässigkeit des Rechts­ weges erfolgt.24 Kommt jedoch in solchen Fällen (Nr. 1 und 2) für das neue Enduriheil in der Sache die Anwendbarkeit von Gesetzen in Frage, auf deren Verletzung die Revision nicht gestützt werden kann, so kann das Revisionsgericht nach seinem Er­ messen die Sache an das Berufungsgericht zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen." Eine solche Zurückverweisung muß jedesmal erfolgen, wenn die Erlassung des neuen Endurtheils in der Sache noch neue » CP. §. 526. » CP. §.527. Dgl. CP. §.501 (s. ob. §. 71. VI. a. (*.). Fitting, Civilproceß. «3.XtfL

24 CP. §. 528 Abs. 3. Vgl. Struckm. z. CP. §.528 Bem. 4,5. 25 CP. §. 528 Abs. 4 vbd. §. 511 und EG. z. CP. §. 6.

19

290

Th, HI. dlbschn. HI. Rechtsmittel.

thatsächliche Feststellungen erfordert, also namentlich dann,

wenn die Aufhebung des Urtheils wegen gesetzwidriger Fest­ stellung des Sachverhältnisses oder wegen Verstoßes gegen

Vorschriften über das Verfahren erfolgt.26 Bei jeder Zunickverweisung muß aber das Berufungsge­

richt die rechtliche Beurtheilung, welche der Aufhebung des Urtheils zu Grunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zu

Grunde fegen.27 VI. In Ansehung des Versäumnißverfahrens kommen die

Vorschriften über das Versäumnißverfahren in erster Instanz zu entsprechender Anwendung.26

Daher wird, wenn der Re­

visionskläger einen Verhandlungstermin versäumt, auf Antrag des erschienenen Revisionsbeklagten die Revision ohne Weiteres

durch Versäumnißurtheil zurückgewiesen.

Versäumt dagegen

der Revisionsbeklagte einen jolchen Termin, so werden, wenn

der erschienene Revisionskläger ein Versäumnißurtheil bean­ tragt und die Revision als zulässig erscheint (f. ob. IV.), die

zulässigen neuen Thatsachen, welche der Revisionskläger in der mündlichen Verhandlung angeführt hat, vorausgesetzt daß sie

dem Revisionsbeklagten rechtzeitig angekündigt waren, für zu­

gestanden angenommen, und nach Maßgabe dieser Annahme sowie des in dem angefochtenen Urtheil festgestellten SachverhältnisieK, soweit es mit jenen Thatsachen nicht im Widere

spruche steht, wird sodann das Versäumnißurtheil erlassen.29 VII. Nach der Erledigung der Revision hat der Gerichts­

schreiber des Revisionsgerichtes dem Gerichtsschreiber des Be­ rufungsgerichtes die eingeforderten Procxßacten mit einer be16 CP.§.528Abs.Ivbd.Abs.3. « CP. ß, 528 Abs.1,2, Dgl. Vgl. Struckm. z. CP. §. 528 Struäm. z. CP. K. 628 Bem. 3. Bem. 2. « CP. §. 520. S. ob. §. 63. 29 Vgl. Begr. z. CPE. §.505.

Beschwerde. Im Allgemeinen, g. 74.

291

glaubigten Abschrift des in der Revisionsinstanz erlassenen Urtheils zurückzusenden.^ IH. Beschwerde. §. 74. 1. Im Allgemeinen.

I. Beschwerde kann eingelegt werden gegen diejenigen einzelnen Entscheidungen, gegen welche sie durch besondere gesetzliche Vorschrift für zulässig erklärt ist;*1 außerdem gegen diejenigen Entscheidungen, durch welche ein das Verfahren betreffendes Gesuch (z. B. das Gesuch um Anberaumung 36 CP. §. 529 vbd. §. 506 Abs. 2. 1 Alle Entscheidungen, welche mit der Beschwerde angefochten werden können, haben mit einander gemein, daß sie keine Endurtheile sind. Zu denselben gehören zuvörderst Entscheidungen (Zwischenurtheile, Beschlüsse, Verfügungen), welche in einem Zwischenstreite mit dritten Per­ sonen ergehen oder doch Personen außer den Proceßparteien be­ treffen: CP. §§. 68 Abs. 2, 97 Abs. 3, 126 Abs. 3, 352 Abs. 3 vbd. §. 367:46 Abs. 2 vbd. §.49; 345 Abs. 3, 355 Stbf. 3, 371 Abs. 5, 374 Abs.2;RAO.§§.35, 36 Abs. 2; GK. §§. 4 Abs. 2, 16 Abs. 2, 47 Abs. 2, 48 Abs. 2; GDollz.Geb. §. 22, ZGeb. §. 17 Abs. 3, RAGeb. §. 12. Ferner Entscheidungen, welche deshalb nicht alS Urtheile erscheinen, weil sie nicht durch vorgängige münd-

liche Verhandlung bedingt sind: CP. §§. 99 Abs. 3, 290 Abs. 3, 604 Abs. 1, 619 Abs. 2, 621 Abs. 3, 639 Abs. 2, 701, 813 ; Abs. 4, Conc.O. §§. 66 Abs. 3, ~ 101, 174. Endlich Entscheidungen, welche mit der sachlichen Entscheidung deS Rechtsstreites selbst in gar feinem oder nur ganz losem Zusammenhänge ste­ hen: CP. §§. 118 , 229 , 301. S. auch CP. §. 829 Abs. 3. Um eine andere Art von Be­ schwerde handelt eS sich in GD. §§. 160, 183: s. Begr. z. GD. Enttv. §. 130 in Abs. 2. Ferner in RAO. §§. 58 Abs. 3, 59 Abs. 1. Auch die Beschwerde wegen Justizverweigerung oder Justizverzogerung gehört nicht hierher. S. Pr. z. GD. S. 144 bis 148 und Reichsverfassung Art. 77. Vgl. Struckm. z. CP. §. 530 Bem. 2.

292

Th. ni. Abschn. III. Rechtsmittel,

eines Tennins) zurückgewiesen wird, vorausgesetzt daß sie ohne vorgängige nlündliche Verhandlung erlassen werden können? Entscheidungen, gegen welche die Beschwerde zu­ lässig ist, können aber auch bloß mit Beschwerde angefochten werden und werden daher von fernem anderen Rechtsmittel mit ergriffen? Auf der anderen Seite wird die Zulässigkeit der Beschwerde nicht dadurch ausgeschlossen, daß gegen das Endurtheil des Gerichtes kein Rechtsmittel möglich ist? Ueber die Beschwerde entscheidet das zunächst höhere Ge­ richt? Gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichtes ist eine weitere Beschwerde nur dann zulässig, wenn jene nicht allein an und für sich betrachtet ihrem Inhalte nach mit der Beschwerde anfechtbar ist, sondern auch einen neuen selbständigen Beschwerdegrund enthält, d. h. entweder durch Abänderung der angefochtenen Entscheidung nunmehr den Gegner oder sonst Bethciligten (mie 5. B. Nebenintervenienten, Zeugen u. s. w.) beschwert, oder bei Verwerfung der Be­ schwerde teilt Beschwerdeführer, sei es durch Verletzung wesentlicher Kormen des Berfahrcns, sei es durch Verwerfung der Beschwerde wegen Unzulässigkeit, einen von dem ur­ sprünglichen Beschwerdegrunde ganz unabhängigen neuen Anlaß zur Beschwerde gibt? Dagegen ist die Zulässigkeit 1 EP. §.530. Eine Ausnahme machen diejenigen Entscheidun-gen solcher Art, welche für un­ anfechtbar erflnrt sind. L. ob. §. 70 Anm. 3. 3 CP. §§. 473, 510. Dgl. ob. §.70.L, §.72.1. S.aberEP.Pr. S. 104 fg. und Stnlckm. z. CP. §. 290 Bem. 5. 4 Degr. z. CPE. §. 507.

I * CP. §. 531 Abs. 1. Vbd. I GD. §§.71, 123 Nr. 4, 135 Nr. 2, EG. z. GV. §. 8. 6 CP. §. 531 Abs. 2. Darum allein, daß das Beschwerdegericht bei der Verwerfung der Be­ schwerde als unbegründet von j anderen rechtlichen oder thatsäch­ lichen Erwägungen auögegangen I ist als das erste Gericht, ist eine

Beschwerde. Zm Allgemeinen. D. 74.

293

der weiteren Beschwerde weder durch das Erforderniß eineS bestimmten Werthes des Streit- oder Beschwerdegegenstandes noch durch eine Begrenzung der Zahl der Instanzen be­ schränkt? Die Beschwerde im Allgemeinen zerfällt in die Be­ schwerde schlechthin (einfache Beschwerde), welche an keine bestimmte Frist gebunden ist, und die sofortige Beschwerde, welche innerhalb einer kurzen Frist eingelegt werden muß. II. Die einfache Beschwerde enthält immer zugleich eine Gegenvorstellungb und ist daher bei demjenigen Gerichte ein­ zulegen, von dem oder von besten Vorsitzendem die angefochtene Entscheidung erlassen ist. Nur in dringlichen Fällen kann sie auch unmittelbar bei dem Beschwerdegerichte eingelegt werden? Die Einlegung nlnß in der Regel durch Ein­ reichung einer von einem Rechtsanwälte nnterschriebenen Beschwerdeschrift geschehen." Ausnahmsweise kann sie durch Erklärlmg vor dem Gerichtsschreiber zu Protokoll und daher auch durch Einreichung einer nicht von einem Rechtsanwalt unterschriebenen Beschwerdeschrift geschehen, wenn der Rechts­ streit bei einem Amtsgerichte anhängig ist oder in erster In­ stanz anhängig war, wenn die Beschwerde das Armenrecht weitere Beschwerde nicht statthast. Vgl. Sensf. z. CP. §. 531 Bem. 2; Pet. z. CP. §. 531 Dir. 2. inc weüere SctoTOerte^f"9 oHo

j A. M. Drettner in Itschr. f. CP. ; I. S. 248. j b S. Begr. z. CPE. §. 507 in Abs. 3. ' Struckim Bem.^

SbrnnffrtLn?n1 »n*mnU

I Ueber die Einlegung der Be• schwerde bei einem obersten Lan-

ÄS&’Ä.iHW*' '■ «®s-7 Ntt KäK ®":4: \«** *■»74

Rechtsmittel.

Th. IH. Abschn. IN.

294

ober den Ansatz von Gerichtskosten oder von Gebüren eines Gerichtsvollziehers, Zeugen

oder Sachverständigen betrifft,

endlich wenn sie von einem Zeugen oder Sachverständigen erhoben wird."

Erlaffung

der

Die Beschwerde kann auf neue, d. h. vor der

angefochtenen

geltend gemachte, Thaffachen

Entscheidung

noch

nicht

und Beweise gestützt werden,

welche in der Beschwerdeschrift angegeben werden müssen?Erscheint beni Gerichte

oder Vorsitzenden,

besten Ent­

angefochten wird, die Beschwerde als begründet,

scheidung

so hat ihr jenes oder dieser selbst durch Zurücknahme oder Abänderung der Entscheidung abzuhelfen.

Im anderen Fall

ist sie vor Ablauf einer Woche seit der Einlegung dem Be­

schwerdegerichte vorzulegen, je nach Umständen und Ermessen mit oder ohne Beifügung von Bemerkungen oder der Proceßacten."

III. wird

Die

durch

Vollziehung die Einlegung

der der

angefochtenen

Entscheidung

(einfachen oder sofortigen)

Beschwerde in der Regel nicht gehemmt."

Eine Ausnahme

machen gewisse Entscheidungen (meist Strafanordnungen und Zwangsmaßregeln), deren sofortige Vollziehung einen nicht mehr zu

beseitigenden Nachtheil

bringen könnte."

Ferner

kann sowohl von dem Gerichte oder Vorsitzenden, von welchem

die angefochtene Entscheidung erlassen ist, als auch von dem

" CP. 532 Abs. 2 vbd. §. 74 Abs.2; GK. §8.4 Abs. 3. 16 Abs. 2, 47 Abs. 2, 48 Abs. 2, GVollz.Geb. §. 22, ZGeb. §.17 Abs. 3.

11 CP. 8. 533 vbd. §8. 531, 536 Abs. 1.

13 CP. §. 534. Vgl. Struckm. z. CP. 8- 534 Bem. 1. " CP. 8. 535 Abs. 1 vbd. §. 702 Nr. 3. 15 Nämlich die in CP. §8- 345 Abs. 2, 355 Abs. 3, 374 Abs. 2, 579 Abs. 3, 619 Abs. 2 erwähnten: CP. §. 535 Abs. 1.

Beschwerde. Im Allgemeinen, tz. 74.

295

Beschwerdegerichte die Aussetzung der Vollziehung derselben angeordnet werden?9 IV. Die Entscheidung über die (einfache oder sofortige) Beschwerde kann ohne vorgängige mündliche Verhandlung erfolgen, und es hängt überhaupt vom Ermessen des Be­ schwerdegerichtes ab, den Gegner oder beide Theile vor bet Entscheidung noch mündlich oder schriftlich zu hören." In den Fällen, in welchen die Beschwerde zum Protokoll des Gerichtsschreibers eingelegt werden darf, kann eine angeordnete schriftliche Erklärung eines Betheiligten auf die gleiche Weise geschehen?9 Das Beschwerdegericht hat von Amtswegen zu prüfen, ob die Beschwerde an sich statthaft, und ob sie in der ge­ setzlichen Form, bei der sofortigen Beschwerde auch, ob sie in der gesetzlichen Frist eingelegt sei. Fehlt es an einem, dieser Erfordernisse, so ist die Beschwerde als „unzulässig" zu oerroerfen.19 Erscheint sie als zulässig und zugleich als sachlich begründet, so kann das Beschwerdegericht nach seinem Ermessen entweder selbst die erforderliche neue Anordnung treffen oder dieselbe dem Gerichte oder Vorsitzenden, von welchem die beschwerende Entscheidung erlassen war, über­ tragen?9 Von einem Versäumnißverfahren und der Erlassung eines 16 CP. §. 535 Abs. 2, 3. Das Beschwerdegericht kann auch son­ stige einstweilige Anordnungen erlassen. " CP. §.536 Abs. l. Vbd.

19 CP. §. 537. 20 CP. §. 538. S. nochStruckm. z. CP. §. 536 Bem. 3 u. §. 538 Bem. 2, Pet. z. CP. §§. 536— 538 Nr. 2, 3. Wegen der Ge»

Struckm. z. CP. §. 536 Bem. 1, |. GK. §. 45 Ab,. 1 vvb. §. 47 Seuff. r. CP. §. 531 Bem. 1-3. Abs. 3, RAGeb. §. 41 Abs. 1 18 CP. §. 536 Abs. 2. j Nr. 1, Abs. 2.

296

Th. IN. Abschn. IN. Rechtsmittel.

mit Einspruch anfechtbaren Bersäumnißurtheils kann in der

Beschwerdeinstanz keine Rede sein, weil die Entscheidung deS Beschwerdegerichtes nicht durch vorgängige mündliche Ver­

handlung, ja nicht einmal durch vorgängiges Gehör beider Theile bedingt ist und überhaupt nicht durch Urtheil, sondern durch Beschluß erfolgt." V.

Wird

einer Entscheidung eines be­

die Aenderung

auftragten oder ersuchten Richters oder des Gerichtsschreibers verlangt, so ist zuvörderst die Entscheidung des Proceßge-

richtes nachzusuchen, und erst gegen diese kann, wenn die

gesetzlichen Voraussetzungen vorhanden sind, Beschwerde ein­ gelegt werden."

§. 75. 2. Sofortige Beschwerde.

Die

sofortige

Beschwerde

beschränkt

einzelnen gesetzlich bestinnnten Fälle?

sich auf die

Sie nähert sich der

Berufung und unterscheidet sich von der einfachen Beschwerde durch folgende Eigenthümlichkeiten?

1) Tie muß innerhalb einer Nothfrist von zwei Wochen

eingelegt werden, welche bei Zurückweisung des Antrages auf Erlaffung

eines Bersäumnißurtheils oder eines Ausschluß­

urtheils (CP. §§. 301, 829 Abs. 3) von der Verkündung, in 21 S. CP. §§. 531, 536. Vgl. Seuff. z. CP. §. 536 Bem. 1 in Abs. 3. 22 CP. §. 539. Vgl. CP. §§. 363 Abs. 2, 365. Wegen der Gebären s. GK. §. 45 tzlbs. 2, RAGeb. §. 41 Nr. 2 vbd. tz. 29 Nr. 5. In dem Fall von ZGeb. 17 findet die Beschwerte ausnahmsweise unmittelbar gegen

| | ! ! ;

die Entscheidung des beanstraglen oder ersuchten Richters statt, - CP.Zß.46 Abs. 2, 68 Abs. 2, 97 Abs. 3, 99 Abs. 3, 126 Abs. 3, 229, 290 Abs. 3, 301, 352 Abs.3, 371 Abs.5, 604 Abs.l, 619 Abs.2, 621 Abs. 3, 639 Ads.2, 701, 813 Abs. 4. 829 Abs. 3: Conc.O. §5. 66 Abs. 3. 101, 174. 2 CP. §. 540.

Wiederaufnahme des Verfahrens. Voraussetzungen, g. 76. 297

allen übrigen Fällen von der Zustellung der anzufechtenden Entscheidung an läuft. Sind die Voraussetzungen der NichtigkeitS- oder der Restitutionsklage vorhanden,^ so kann die Beschwerde auch nach Ablauf jener Nothfrist innerhalb der für diese Klagen geltenden Nothfrister? eingelegt werden. 2) Die Einlegung muß in gleicher Form wie diejenige der einfachen Beschwerde, kann aber auch in nicht dringlichen Fällen bei dem Beschwerdegerichte geschehen? 3) Das Gericht, welches die angefochtene Entscheidung erlassen hat, ist zu einer Abänderung derselben nicht befugt. 4) Richtet sich die sofortige Beschwerde gegen eine Ent­ scheidung eines beauftragten oder ersuchten Richters oder des Gerichtsschreibers/ so muß innerhalb der Nothfrist in der für die Einlegung der Beschwerde vorgeschriebenen Form die Entscheidung des Proceßgerichtes nachgesucht werden. Er­ scheint diesem das Gesuch nicht als begründet, so ist dasselbe von ihm dem Beschwerdegerichte vorzulegen.

vierter Abschnitt.

Wiederaufnahme des Verfahrens. §. 76.

1. Voraussetzungen.

I. Wiederaufnahme des Verfahrens ist Erneuerung eines früher in dein Rechtsstreite stattgehabte,t Verfahrens, obwohl derselbe bereits durch ein nach Maßgabe der gewöhn' E. CP. §§. 542- 544. S. » Vgl. CP. §. 214 Ads. 2. unt. §. 76. II. und III. 6 Vgl. CP. §. 539. S. ob. ‘ CP. §.549. S. unt. §.76. V. §. 74. V.

298

Th. III. Abschn. IV. Wiederaufnahme des Verfahrens,

lichen Grundsätze rechtskräftiges und daher durch Einspruch oder Rechtsmittel nicht anfechtbares Endurtheil abgeschlossen ist. Sie hat die Aufhebung des letzteren zum Zwecke und kann begehrt werden entweder wegen Nichtigkeit des ange­ fochtenen Urtheils mit der Nichtigkeitsklage oder aus Rücksichten der Billigkeit mit der Restitutionsklage? Werden beide Klagen, sei es von derselben Partei, sei es von verschiedenen Parteien, erhoben, so ist die Verhandlung und Entscheidung über die Restitutionsklage bis zur rechtsIräftigcii Entscheidung über die Nichtigkeitsklage auszusetzen?

II. Die Nichtigkeitsklage kann erhoben werden: 1) wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; 2) wenn bei der Entscheidung ein kraft Gesetzes von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossener Richter mitgewirkt hat, falls nicht der AusschließungSgrund mittels eines Ablehnungsgesuches oder eines Rechts­ mittels ohne Erfolg geltend gemacht ist; 3) wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, welcher wegen Besorgniß der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war; 4) wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vor­ schrift der Gesetze vertreten war, vorausgesetzt daß sie nicht die Proceßführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat? 1 CP. §. 541 Abs. 1. Gegen andere Entscheidungen als rechts­ kräftige Endurtheile ist eine selbständige Nichtigkeits- oder Restitutionsklage unzulässig. Hier reicht aber die Beschwerde aus

wegen der Vorschrift in CP. 8.540 Abs. 2. S. ob. §. 75 Nr. 1. - CP. §. 541 Abs. 2. 3 CP. tz. 542 Abs. 1. Vgl. CP. §. 513 Nr. 1, 2, 3, 5. 'S. ob. §. 72. II.

Voraussetzungen, tz. 73.

299

In den Fällen der Nr. 1 und 3 ist die Nichtigkeitsklage unstatthaft, wenn die Nichtigkeit mittels eines Rechtsmittels hätte geltend gemacht werden können/

III. Die

Restitutionsklage

ist

zulässig

aus folgenden

Restitutions gründen:

1)

wenn das Urtheil auf einen vom Gegner geleisteten

Parteieid gegründet ist, durch desien Leistung sich der­

selbe einer vorsätzlichen

oder fahrlässigen Verletzung

der Eidespsiicht schuldig geniacht hat;9 2) wenn das Unheil auf eine fälschlich angefertigte oder verfälschte Urkunde gegründet ist;7

3) wenn das Urtheil auf ein beeidigtes Zeugniß oder Gut­ achten gegründet ist, dnrch desien Beeidigung der Zeuge

oder Sachverständige sich einer vorsätzlichen oder fahr­ lässigen Verletzung

der Eidespsiicht

schuldig gemacht

hat;-

4) wenn das Urtheil von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder seinem Vertreter durch eine im

Wege des gerichtlichen Strafverfahrens strafbare und

in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Handlung herbeigeführt worden ist;9 5) wenn bei dem Urtheil ein Richter mitgewirkt hat, der

sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer im Wege des gerichtlichen Strafverfahrens strafbaren Verletzung

seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht

hat;79

< CP. 6 CP. 6 Vgl. 163. 7 Vgl. 271.

§. 542 Abs. 2. §. 543. StGB. §§. 153, 155,

' Vgl. StGB. §§. 154, 155, 163. 9 Vgl. StGB. §§. 263, 266, 354, 356. StGB. §§. 267-269, 10 Vgl. StGB. §§. 334, 336.

300

Abschn. IV. Wiederaufnahme des Verfahrens.

Th- m

6)

wenn das Urtheil auf ein strafzerichtliches Urtheil ge­ gründet und dieses durch ein anderes rechtskräftig ge­

7)

wenn die Partei entweder a) ein in derselben Sache erlassenes, früher rechts­

wordenes Urtheil aufgehoben ist;

kräftig gewordenes Urtheil oder welche eine ihr günstigere

b) eine andere Urkunde,

Entscheidung herbeigeführt haben würde,

ausfiudet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird.

In dem Falle der Nr. 7 b. ist jedoch die Restitutionsklage unzulässig, wenn das angefochtene Urtheil darauf beruht, daß

die betreffende Thatsache oder das Gegentheil derselben auf

Grund einer Eidesleistung des Gegners für bewiesen erachtet worden ist.11 dann

Ferner ist sie in den Fällen der Nr. 1—5 nur

zulässig,

wenn wegen der strafbaren Handlung eine

rechtskräftige Verurtheilung ergangen ist, oder wenn die Ein­

leitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mallgels an Beweis (wie z. B. wegen Abwesenheit, Tod, Verjährung) nicht erfolgen kann.1'

Endlich

ist die Zulässigkeit der Nestitutionsklage stets dadurch bedingt,

daß

die Partei

ohne ihr Verschulden außer Stande war,

den Restitntiousgrund in dein früheren Verfahren, insbesondere

durch Einspruch, Berufung oder Anschließung an eine Be­ rufung, geltend zu machen."

Der Beweis eines Restiilltionsgrundes kann nicht durch Eidesznschicbnng geführt werden." IV.

Sowohl mit der Nichtigkeitsklage als mit der Resti­

tutionsklage können auch Anfechtungsgründe geltend gemacht

11 CP. Lj. 543 Nr. 7 ALs. 2. » CP. §.514 Abj. 1.

j j

" CP. §. 545. " CP. §. 544 Abs. 2.

werden, dürch welche eine dem angefochtenen Urtheil vorauSgegangene Entscheidung der nämlichen oder einer unteren Instanz betroffen wird, vorausgesetzt daß das angefochtene Urtheil auf dieser Entscheidung beruht." Für die eine wie für die andere Klage ist dasjenige Ge­ richt, von welchem das angefochtene Urtheil erlassen ist, aus­ schließlich zuständig, eS wäre denn, daß mehrere in derselben Sache ergangene Urtheile angefochten werden nnd eines der­ selben von dem Berufungsgerichte erlassen ist,16 oder daß ein in der Revisionsinstanz erlassenes Urtheil wegen eines der Restitutionsgründe unter Nr. 1—3, 6, 7 angefochten wird. In diesen Ausnahmefällen ist das Berufungsgericht ausschließ­ lich zuständig?7 Richtet sich die eine oder die andere Klage gegen einen im Mahnverfahren erlassenen Vollstreckungsbefehl, so ist das Amtsgericht, welches den Befehl erlassen hat, aus­ schließlich zuständig, wenn es bei Widerspruch gegen den Zahlungsbefehl für die weitere Verhandlung der Sache zu­ ständig gewesen wäre. Wäre dagegen für diese weitere Der16 CP. §. 546. Vgl. CP. §§. das darauf hin ergangene neue 473, 510. Urtheil des letzteren; 3) das in Z. V. wenn aus selbstän­ Berufungsurthett und das Re­ digen Gründen, sei es je mit visionsurtheil, welches die Re­ Nichtigkeitsklage, sei cs je mit vision nach CP. §. 529 vbd. Restitutionsklage, sei es endlich §. 497 als unzulässia verworfen, theils mit Nichtigkeitsklage, theils oder auch als sachlich unbcgrüuuntRestitutionsilage, angefochten dct (CP. §. 526) zurückgewieseu werden: 1) das Urtheil erster hat; 4) das Revisionsurtlreil, Instanz und das Berusungsur« welches die Sache nach CP. theil, welches die Berufung nach §. 528 an das Berufungsgericht CP. §. 497 als unzulässig ver­ zurückverwiesen hat, und das da­ worfen hat; 2) das Berusungs- rauf hin ergangene neue Urtheil urtheil, welches die Sache nach des Berufungsgerichtes. S. Begr. CP. §. 501 an das Gericht erster z. CPE. §. 523. 17 CP. §. 547 Abs. 1. Instanz zurückverwiesen hat, und

302

Th HI. Abschn. IV. Wiederaufnahme des Verfahrens.

Handlung ein Landgericht zuständig gewesen, so gehört vor

dieses auch die Nichtigkeits- oder Restituüonsklage.'8 V. Jede der beiden Klagen muß vor Ablauf einer Noth­

frist von

einem Monat erhoben werden,

welche von dem

Tage, an welchem die Partei von dem Anfechtungsgründe Kenntniß erhalten hat,

frühestens aber von dem Eintritte

der Rechtskraft des Urtheils an läuft.

Nach Ablauf von fünf

Jahren seit dem Eintritte der Rechtskraft des Urtheils sind

die Klagen überhaupt nicht mehr statthaft.'9

Eine Ausnahme

von diesen Regeln tritt bei der Nichtigkeitsklage wegen man­ gelnder Vertretung (CP. §. 542 Nr. 4) ein.

Hier läuft die

Nothfrist für die Erhebung der Klage von dem Tage, an welchem der Partei oder, wenn sie nicht proceßfähig ist, ihrem gesetzlichen Vertreter das Urtheil zugestellt ist.

Auch findet

hier die fünfjährige Verjährung nicht statt.20 18 19 Die Thatsachen,

aus

welchen

sich

im

einzelnen

Fall die

Einhaltung der

Nothfrist ergibt, sind vom Kläger glaubhaft zu machen?' §. 77.

2. Verfahren. Da die Wiederaufnahme des Verfahrens als bloße Er­

neuerung des früheren Verfahrens vor dem nämlichen Gerichte und in derselben Instanz behandelt wird,' so richtet sich das Verfahren im Ganzen nach den allgemeinen Vorschriften über 18 CP. §. 547 Abf. 2. S. Begr. z. CPE. §. 523 a. E. Vgl. CP. §§. 636, 637 und ob. §. 66. III. 19 CP.Z.549 Abs. 1,2. Wegen der fünfjährigen Frist vgl. ob. §. 35 Anm. 14. 20 CP. §. 549 Abs. 3.

CP. §. 552 Abs. 2. 1 Vgl. CP. §. 163. Daher erstreckt sich auch die für eine Instanz ertheilte Proceßvollmacht von selbst auf die Wiederauf­ nahme des Verfahrens in der­ selben: CP. §§. 77, 163 vbd. §. 162.

Verfahren, tz. 77.

303

daS Verfahren in derjenigen Instanz, in welcher die Nichtigkeits- oder Restitutionsklage den Umständen nach zu erheben ist*3 4 5 Die

Abweichungen

hängen

damit

die Wiederaufnahme des Verfahrens

zusammen,

daß

nur aus bestimmten

Gründen statthaft ist imb stets in Gestalt einer selbständigen

Klage beantragt werden muß, daß aber ferner diese Klage gleich einem Rechtsmittel an eine bestimmte Frist gebunden

ist und die Aufhebung eines Endurtheils zu Gunsten eines

neuen bezweckt. I.

Die Klage wird, je nachdem ihre Erhebung vor einem

Amtsgerichte oder einem Collegialgerichte geschieht, in der für das amtsgerichtliche oder für das landgerichtliche Verfahren

vorgeschriebenen Form

der Nothfrist und

um

erhoben?

Sie muß zur Wahrung

nicht als unzulässig verworfen zu

werden, die Bezeichnung des angefochtenen Urtheil und die

Erklärung,

werde,

ob Nichtigkeits-

enthalten?

oder Restitutionsklage erhoben

Außerdem

soll

sie

als

vorbereitender

Schriftsatz die Bezeichnung des Aufechtungsgrundes, die An­

gabe der Beweismittel für denselben und für die Einhaltung der Nothfrist, endlich die Erklärung enthalte!!, wieweit der

Kläger die Beseitigung des angefochtenen Urtheils und welche

andere Entscheidung in der Hauptsache er beantragen will? Einer NestituLionsklageschrift sollen auch die Urkunden, wo­

rauf sie gestützt wird, in Urschrift oder in Abschrift beigefügt

werden? Befinden sie sich nicht in den Händen des Klägers,

so soll er erklären, welchen Antrag er wegen ihrer Herbeischaffung zu stellen beabsichtigt?

3 4 5

CP. §.548. Vgl. ob.Z.76.IV. c „In Urschrift oder in Ab­ S. ob. §. 62. L, §. 43. I. schrift": s. ob. §. 39 bei Anm. 5. CP. §. 550. 7 CP. §. 551 Abs. 2. Vgl. CP. CP. §. 551 Abs. 1. §§. 122, 386, 393, 397. Ueber

304 II.

Tb. ni. Abschn. IV. Wiederaufnahme deS Verfahrens.

Die mündliche Verhandlung

Verfahrens

in der

besteht theils

ob die Wiederaufnahme des

Verhandlung der Borftagen,

zulässig und gerechtfertigt sei,

theils in neuer

Verhandlung der Hauptsache, soweit sie von dem AnfechtungSgrunde betroffen wird?

Regel

mit

Beide Verhandlungen sollen in der

einander verbunden werden;

das Gericht kann

jedoch nach Ermessen anordnen, daß über Zulässigkeit und

Grund der Wiederaufnahme vor der Verhandlung der Haupt­

sache verhandelt und entschieden werden solle. Wird in solchem

Fall zu Gunsten der Wiederaufnahme entschieden, so schließt

sich die Verhandlung der Hauptsache als Fortsetzung an,

so

daß jene Entscheidung als bloßes Zwischenurtheil nicht selb­ ständig durch Rechtsmittel angefochten werden kann?

III. Das Gericht hat stets von Amtswegen zu prüfen,

ob die erhobene Nichtigkeits- oder Restitutionsklage an sich

statthaft, und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist er­ hoben sei.

Fehlt es an einem dieser Erfordernisse, so ist sie

durch Endurtheil als „unzulässig" zu verwerfen." sie als zulässig und

Verhandlung

Erscheint

stellt sich ferner auf Grund der neuen

das angefochtene Urtheil als

der Hauptsache

nicht gerechtfertigt heraus, so wird unter Aushebung desselben

ein neues Endurtheil in der Sache erlassen.

den Einfluß der Erhebung einer Wiederaumahmeklaze auf die Zwangörvlistrectungs. CP. § 647. 6 CP. §. 553 Abs. 1. Vgl. Begr. z. CPE. §. 529 in Abs. ->. Die Verhandlung über Zulässigfeit und Grund der Wiederaufnähme hat jedesmal auch das zuständige Revisionsgericht zu erledigen, selbst wenn die (Sr«

I ! | ! I >

In dem einen

lcdigung von der Feststellung nut Würdigung bestrittener Thatsachen abbängt: CP. §.553 Abj. 3. » CP. §. 553 Abs. 2. Vbd. Begr. z. CPE. §. 529 in Abs. 1. lu CP. §. 552 Abs. 1. Wegen ! der Gebüren s. GK. §. 26 Abs. L ■ Nr. 5, Abs. 2 vbd. §.28, RAGeb. | §. 20 vbd. §. 29.

305

Verfahren, tz. 77.

wie in dem anderen Fall kann das ergangene Endurtheil nach den gewöhnlichen Regeln durch Rechtsmittel angefochten werden."

IV. Das Versäumnißverfahren bemißt sich nach den all­

gemeinen Grundsätzen."

Daher ist, wenn der Nichtigkeits­

oder Restitutionskläger einen Verhandlungstermin versäumt, auf Antrag des erschienenen Beklagten die Klage ohne Weiteres

'durch

Versäumnißurtheil abzuweisen."

Versäumt dagegen

der Beklagte einen Verhandlungstermin, so werden, wenn

der erschienene Kläger ein Versäumnißurtheil beantragt und

die Klage durch Wahrung der gesetzlichen Form und Frist sowie nach Maßgabe des von dem Kläger angeführten An­ fechtungsgrundes als zulässig erscheint (s. ob. III.), die That­

sachen,

welche

dieser in der mündlichen Verhandlung zur

Rechtfertigung sowohl seines Antrages auf Wiederaufnahme

als seines Antrages auf Abänderung des angefochtenen Ur­

theils vorgetragen hat, vorausgesetzt daß sie nebst diesen An­ trägen dem Beklagten rechtzeitig angekündigt waren, für zu­

gestanden angenommen und demgemäß das Versäumnißurtheil erfassen.14

" CP. §. 554. Vbd. Begr. z. CPE. §. 530. 13 S. Begr. z. CPE. §. 524.

Fitting, Civilproceß. e. Ausl.

13 CP. §. 295. 14 CP. §. 296 vbd. §§. 551 Nr. 1, 3, 300 Nr. 3.

20

306

Th. ni. Abschn. V. ZwangSvollstr. Cap. I. Allgemeines.

Master Abschnitt.

Zwangsvollstreckung Erste» Eaxitel. Allgemeines. I. Uerausstbungtn der Zwangsvollstreckung. 1. Vollstreckbarer Schuldtitel.

§. 78. &) Uederftcht der noOflrtAbartn JBd)ilMüel.

Die erste Voraussetzung jeder Zwangsvollstreckung ist daS Dasein eines vollstreckbaren Schuldtitels, d. h. einer Thatsache, welche die Verpflichtung zu einer Leistung in voll­ streckbarer Weise begründet oder feststellt. Dazu gehört jedesmal, daß der Berpflichtnngsgrund in urkundlicher Form vorliegt. Vollstreckbare Schuldtitel sind aber nach der Civilproceßorbnmtg:1 1) die vollstreckbaren Urtheile;3 2) die Vergleiche, welche vor einem deutschen (ordentlichen oder besonderen) Gerichte zur Beilegung eines bereits an­ hängigen Rechtsstreites, sei es seinem ganzen Umfange nach oder für einen Theil des Streitgegenstandes, abgeschlossen fmb;3 1 Wegen der Arrestbefehle s. CP. §§. 802, 804 Abs. 3, 808, 809 (mit. §. 98. TL), wegen der einstweiligen Vei fügungen j. CP. §. 815 (mit. §. 99. III. a. C.).

wegen der Schiedssprüche s. CP. §. 868 (mit. §. 107. VII.). 2 S. darüber unt. §. 79. 3 CP. §. 702 Nr. 1. Vbd CP. Pr. S. 367 a. E.

3) die Vergleiche, welche in dem amtsgerichtlichen Sühneverfahren (CP. §. 471) vor dem Amtsgerichte abgeschlossen fmb;4 * 6 7 4) die Entscheidungen, gegen welche das Rechtsmittel der Beschwerde stattfindet/ 5) die im Mahnverfahren erlassenen Bollstreckungsbefehle; ° 6) die vollstreckbaren Urkunden, d. h. Urkunden, welche von einem deutschen (ordentlichen oder besonderen) Gerichte oder einem deutschen Notar innerhalb seiner amtlichen Zu­ ständigkeit und in der vorgeschriebenen Form ausgenommen sind, wenn sie über einen Anspruch auf Zahlung einer be­ stimmten Geldsumme oder auf Leistung einer bestimmten Menge anderer vertretbarer Sachen ober Werthpapiere' er­ richtet flnb unb ber Schulbner sich barin ber sofortigen Zwangsvollstreckung ausbrücklich unterworfen hat? Andere vollstreckbare Schulbtitel treten nach ber ConcurSordnung, ber Strafproceßordmmg unb anderen Reichsgesetzen hinzu/ unb bie Lanbesgesetzgebung ist befugt, bie ZwangS4 CP. §. 702 Nr. 2. Vgl. ob. §. 62. I. 6 CP. §. 702 Nr. 3. Hierhin gehören j. B. Kostenfestsetzungen (CP. §. 99), Entscheidungen gegen ungehorsame Zeugen oder Sachverständige (CP. '§§. 345, 355, 374) u. dgl. Ueber die Fälle, in denen die Beschwerde aufschiebende Wirkung hat, s. CP. §.535. 6 CP. §. 702 Nr. 4. Vgl. CP. §. 640 und §. 66. V. 7 Vgl. CP. §§. 555, 628 Abs. 1. lieber den Begriff der vertretbaren Sachen und Werth« Papiere s. ob. §. 65. I.

" CP. §. 702 Nr. 5. Vbd. CP. Pr. S. 36« a. E. Wegen der vor dem Inkrafttreten der Civilprocebordnuna errichteten nach bisherigen Landesgesetzen vollstreckbaren Urkunden EG. z. EP. §. 22. 9 S. Conc.O. §§. 152 Abs. 2, 3, 179,192 Abs. 2; StP.88-122 Abs. 3, 495; SeemannöO. v. 27. Dez. 1872 §. 106, Reichs« beamtenG. v. 31. März 1873 8. 143 vbd. 8§. 139 Abs. 1, 2, 140. S. auch HGD. Art. 310; 374, 375; 382 , 387 vbd. 375; 409 vbd. 407; 624 , 626, 629, 675.

308

Th. III. Abschn. V. ZwangSvollstr. Cap. I. Allgemeines.

Vollstreckung noch aus weiteren Schuldtiteln für statthaft zu

erklären?" Die Kosten der Zwangsvollstreckung

fallen,

soweit sie

nothwendig waren, dem Schuldner zur Last und sind zu­ gleich mit dem zu vollstreckenden Hauptanspruche beizutreiben."

Wird das Urtheil oder der sonstige Schuldtitel, aus welchem die Zwangsvollstreckung erfolgt ist, aufgehoben,

so sind die

Kosten derselben dem Schuldner von: Gläubiger zurückzuer-

ftattcn.12 1013 11

§. 79. b) Dir vollstreckbar,n Mrthrilr.

I. Vollstreckbar ist zuvörderst jedes seinem Inhalte nach der Vollstreckung fähige

oder in Ansehung der

Zwangsvollstreckung einem Endurtheil gleichstehende Urtheil,2 welches rechtskräftig ist, d. h. gegen welches Einspruch oder Rechtsmittel entweder überhaupt nicht zulässig oder im Fall

der Zulässigkeit nicht rechtzeitig eingelegt sind?

II. Vollstreckbar ist aber ferner ein noch nicht rechtskräftiges 10 CP. §. 706. 11 CP. §§. 697 Abs. 1, 703; vbd. GK. §. 92, GVollz.Geb. §. 20. — Wegen der Gerichts' gebären für Acte der Zwangsvoll­ streckung s. GK. §§. 13 Äbs. 2, 16 Abs. 1; 27 Nr. 2 vbd. §. 39; 35 Nr. 3 vbd. §. 39. Wegen der Gebären der Gerichtsvollzieher s. GVollz.Geb. §§.4—12; wegen der Auslagen derselben: GVollz. Geb. §§. 13—17. Wegen der Rechtsanwaltsgebürens. RAGeb. §§.23 Nr. 2, 29 Nr. 4,30 Abs. 1 Nr. 2. Abs. 2, 31-35. 13 CP. §§. 697 Abs. 2, 703.

1 Ueber den Begriff des EndUrtheils s. ob. §. 60.1. Seinem Inhalte nach ist namentlich ein durch Eidesleistung bedingtes Endurtheil .(CP. §. 425) der Vollstreckung unfähig. 1 S. CP. §§. 502 Abs. 3, 562 Abs. 3. 8 CP. §§. 644 Abs. 1, 645. Vgl. ob. §. 61.1. Zeugnisse über die Rechtskraft sind von dem Gerichtsschreiberzu ertheilen nach den näheren Bestimmungen in CP. §. 646. Wegen der Gebären s. GK. §. 38 vbd. §. 39 Abs. 1, RAGeb. §. 24 vbd. §. 35.

Vollstreckbare Urtheile. §. 79.

309

Endurtheil oder in Ansehung der Zwangsvollstreckung gleich­

stehendes Urtheil, wenn es von dem Proceßgerichte ausdrück­ lich

für vorläufig vollstreckbar,

d. h. schon vor dem

Eintritte der Rechtskraft vollstreckbar, erklärt ist/

Hierüber

gibt das Gesetzbuch folgende Vorschriften: A. Gewisse Urtheile sind auch ohne Antrag von Amts­ wegen für vorläufig vollstreckbar zu erklären, nämlich:*

1) Urtheile, welche ans Grund eines Anerkenntniffes eine

Verurtheilnng aussprechen 2) Urtheile, welche den Eintritt der in einem bedingten

Endurtheil ausgedrückten Folgen aussprechen;'

3) ein zweites oder ferneres Versäumnißurtheil, welches zur Hauptsache in derselben Instanz

gegen

dieselbe

Partei ergeht;8 4) Urtheile, welche im Urkunden- oder Wechselproteste er­ lassen werdens

5) Unheile, durch welche Arreste oder einstweilige Ver­

fügungen aufgehoben oder zu Gunsten des Schuldners abgeändert toerben;10

6) Urtheile,

welche eine Verurtheilung zur Entrichtung

von Alimenten (d. h. Reichniffen zum Zwecke des Lebens­ unterhaltes) aussprechen, soweit die Alimente für die

Zeit nach der Erhebung der Klage und für das vor­ hergehende letzte Vierteljahr zu entrichten sind. < CP. §. 644 Abs. 1. Wegen der Gebüren s. GK. §§. 26 Nr. 7 vbd. §. 28, RAGeb. §. 20 vbd. §. 29.

6 CP. §. 648.

6 Dgl. CP. §. 278. S. ob. §. 44. I. Nr. 1 und §. 60. III.

7 Dgl. CP. §. 427 Abs. 2. S. ob. §. 56. VIII., §. 57 a. E. 9 Dgl. ob. §. 63. V. Abs. 2. 9 Dgl. CP. §. 562 Abs. 3. S. ob. §. 65. II., IV. 10 Dal. CP. §§. 805-807, 815. Vbo. Begr. z. CPE. §.752 in Abs. 2.

310

Th. III. Abschn. V. Zwangsvollstr. Cap. I. Allgemeines.

B. Andere Urtheile

dagegen nur auf Antrag des

sind

Gläubigers, d. h. Desjenigen, an welchen der Gegner da­ durch zu einer Leistung verurtheilt wird, für vorläufig voll­

Und zwar ohne weitere Voraussetzung

streckbar zu erklären.

diejenigen, welche betreffen:" 1) Streitigkeiten zwischen Vermiethern und Miethern von

Wohnungs- oder anderen Räumen wegen Ueberlaffung, Benutzung oder Räumung derselben, sowie wegen Zu­

rückhaltung der vom Miether in die Miethsräume ein­ gebrachten Sachen;

2) Streitigkeiten

und Gesinde,

Dienstherrschaft

zwischen

zwischen Arbeitgebern

und Arbeitern

hinsichtlich

deS

Dienst- und Arbeitsverhältnisses, sowie die im §. 108 (§. 120 a nach G. v. 17. Juli 1878) der Gewerbe­

ordnung bezeichneten Streitigkeiten, insofern alle diese

Streitigkeiten während der Dauer des Dienst-, Arbeits­ oder Lehrverhältnisses entstehen;

3) Streitigkeiten zwischen Reisenden und Wirthen, Fuhr­

leuten,

Schiffern,

expedienten

in

den

Flößern

oder

Auswanderungs­

Einschiffungshäfen,

welche

über

Wirthszechen, Fuhrlohn, Ueberfahrtsgelder, Beförde­

rung der Reisenden oder ihrer Habe oder über Ver­ lust sowie

oder Beschädigung der letzteren entstanden sind,

Streitigkeiten

zwischen Reisenden

und

Hand­

werkern, welche aus Anlaß der Reise entstanden sind;13

11 CP. §.649. In der Berufungs- oder Revisionöinstanz ist daö angesuck'tene Urtheil, soweit eS durch die Bernsungs oder Nevisioubanträae nicht nngegriffen ist, auf Antrag für

vorläufig vollstreckbar zu erklären: CP. §§. 496, 523. S. ob. §. 71. II. a. E., §. 73. II. a. E. ! 11 Zu Nr. 1—3 vgl. GV. j 23 Nr. 2 Abs. 1—3 ls. ob. [ §. 11. I. A. Nr. 2. a—c).

Vollstreckbare Urtheile, g. 79.

311

4) andere vermögensrechtliche Ansprüche, falls der Gegen­ stand der Verurtheilung an Geld oder Geldeswerth die Summe von 300 Mark nicht übersteigt." In anderen als diesen Fällen ist ein Urtheil auf Antrag des Gläubigers nur dann für vorläufig vollstreckbar zu erllären, wenn dieser glaubhaft macht, daß ihm die Aussetzung der Vollstreckung einen schwer zu ersetzenden oder schwer zu ermittelnden Nachtheil bringen würde, oder wenn er sich er­ bietet, vor der Vollstreckung für den Fall der Aufhebung oder Abänderung des Urtheils Sicherheit zu leisten wegen jedes Schadens, der dem Schuldner durch die Vollstreckung er­ wachsen könnte." C. Das Gericht kann auf Antrag des Schuldners, d. h. Desjenigen, welcher durch das Urtheil zu einer Leistung verurtheilt wird, die vorläufige Vollstreckbarkeit in allen Fällen, sowohl in denjenigen, in welchen sie ohne Antrag, als in denjenigen, in welchen sie nur auf Antrag auszusprvchen ist, nach Ermessen von einer solchen vorgängigen Sicherheits­ leistung von Seite des Gläubigers abhängig machen." Ferner muß es dem Schuldner auf seinen Antrag in dem Urtheil nachlassen, die Vollstreckung durch eine von ihm geleistete Sicherheit für die dereinstige Erfüllung des Urtheils und für Ersatz alles Desjenigen, was dem Gläubiger in Folge des Unterbleibens der vorläufigen Vollstreckung abgeht," oder durch Hinterlegung des Streitgegenstandes (bei Gericht oder " Der Werth ist nach bcn I Vorschriften in CP. §§. 3—9 zu j berechnen: CP. §. 649 Nr. 4 a. E. I " CP. §. 650 vbd. §. 101.; Vgl. Begr. z. CPC §§. 601 — j

606 9k. 2. b., (5$. §.801 9Ib{.2. Ueber die Wirkung der Sicherbeitsleistungs.nnt.L;.10ZAnm.2. 15 CP. §. 652 M. 1. »e Vgl. Begr z CPE.6tz.eoo, 609 in Abs. I gegen Cnde

312

Th. III. Abschn. V. Zwangsvollstr. Cap. I. Allgemeines,

der sonstigen landesgesetzlich bestimmten Stelle) abzuwenden,

falls nicht gegenüber einem solchen Anträge der Gläubiger sich erbietet, vor der Vollstreckung die oben genannte Sicher­

heit zu leisten.17

Macht der Schuldner glaubhaft, daß ihm

die Vollstreckung des Urtheils einen unersetzlichen Nachtheil bringen würde,

so

muß

auf seinen Antrag in denjenigen

Fällen, in welchen sonst die vorläufige Vollstreckbarkeit ohne

Antrag auszusprechen wäre (CP. §. 648), ausgesprochen werden, daß das Urtheil nicht vorläufig vollstreckbar sei; in denjenigen

Fällen aber, in welchen sonst die vorläufige Vollstreckbarkeit auf Antrag auszusprechen wäre (CP. §§. 649, 650), muß dieser Antrag zurückgewiesen werden."

17 CP. §. 652 Abs. 2. S. auch CP. §.659 (s. unt.§.87 Anm. 11, 14). Vgl. Seusf. z. CP. §. 652 Bem. 3. Ueber die Wirkung der von Seite des Schuldners ge­ schehenen Sicherheitsleistung s. unt. §. 103 Anm. 2. Die Wir­ kungen der Hinterlegung bemessen sich nach dem bürgerlichen Rechte. Am richtigsten ist sie wohl als Hinterlegung im Namen des Gläubigers oder des Schuldners zu betrachten, je nachdem das vorläufig vollstreckbare Urtheil zur Rechtskraft gelangt oder wieder aufgehoben wird. Damit stimmt im Wesentlichen auch die bei den Verhandlungen der Reichs-Justizcommission verthei­ digte Auffassung als einer be­ dingten Erfüllung überein. S. CP. Pr. S. 711 ff. Entsprechend werden die Hinterlegungen in

Urtheile in Ehesachen

den Fällen von CP. §§. 659, 710 Abs. 4. 728 Abs. 2, 3, 738, 750, 751 Abs. 2, 3 als Hinterlegnng int Namen des einen oder des anderen der Bethei­ ligten aufzufaffen sein, je nachdem die Entscheidung zu Gun­ sten des einen oder des anderen ausfällt. Vgl. L. 5 §. 1 C. quor. appell. non recip. 7, 65. Da­ gegen kann in dem Fall von CP. §. 810 Abs. 2 die Hinterlegung zu Gunsten des Arrestglänbigers diesem in Rücksicht auf den Zweck des Arrestes nur die Fortdauer des durch die Pfändung erwor­ benen Faustpsandrechtes sichern. Vgl. über diese Fragen Seuff. z. CP. §. 709 Bem. 4. a. u. b., Wilm. z. CP. §. 709 Bem. 3 Abs. 3, Pet. z. CP. §6. 708, 7()9. 11. Nr. 3. CP. §. 651.

Vollstreckbare Urtheile. §• 79.

313

dürfen überhaupt nicht für vorläufig vollstreckbar erklärt werden."

D. Ueber die vorläufige Vollstreckbarkeit wird in Ver­ bindung mit der Verhandlung der Hauptsache verhandelt, und die auf sie bezüglichen Anträge des Gläubigers oder des Schuldners sind daher vor dem Schluffe derjenigen münd­ lichen Verhandlung zu stellen, auf welche das Urtheil ergeht.29 Ist die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit in Fällen, in welchen sie wegen eines gestellten Antrages oder auch ohne Antrag hätte erfolgen müssen, in dem Urtheil über­ gangen, so kann eine Ergänzung des Urtheils nach CP. §. 292 verlangt werden." E. In der Berufungsinstanz ist über die in dem Urtheil erster Instanz ausgesprochene oder verweigerte vorläufige Vollstreckbarkeit auf Antrag vor der Verhandlung der Haupt­ sache zu verhandeln und zu entscheiden." Die Entscheidung des Berufungsgerichtes kann aber nicht weiter angefochten werden." F. Wird gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes 19 CP. §. 644 Abs. 2. S.auch verstrichener Beruftmgsfrist oder CP. §§.613 Abs. 1, 620 Abs. 4, noch nicht erledigten Einspruches 624 Abs. 4; BankG. v. 14. März gegen das Urtheil findet in 1875 §. 51 Abs. 1. Dgl. CP. diesem Fall keine Anwendung: §§. 425 Abs. 2, 781 Abs. 2. CP. §. 656 Abs. 2. — Die Ent­ Eine Beschränkung der Wirkung scheidung über die vorläufige der vorläufigen Vollstreckbarkeit Vollstreckbarkeit kann wegen des s. in CP. §. 658. Grundsatzes in CP. §. 499 auch 20 CP. §. 653. für sich allein den Gegenstand 11 CP. §. 654. einer Berufung bilden. S. Begr. 21 CP. §. 656 Abs. 1. Die z. CPE. §. 608 und CP. Pr. Vorschrift in CP. §. 486 über S. 344. Vgl. Struckm. z. CP. die Vertagung der mündlichen §. 656 Bein. 2. Verhandlung wegen noch nicht 23 CP. §. 656 Abs. 3.

314

Th. III. Abschn. V. Zwangsvollstr. Cap I. Allgemeines.

Urtheil der Einspnrch ober ein Rechtsmittel eingelegt, so kann das Gericht, welches über den Einspruch oder das Rechts­ mittel zu entscheiden hat, auf Antrag des Schuldners ohne vorgängige mündliche Verhandlung durch einen unanfechtbaren Beschluß anordnen, daß die Zwangsvollstreckung gegen oder auch ohne Sicherheitsleistung von Seite des Schuldners einst­ weilen eingestellt werde, oder daß sie nur gegen Sicherheits­ leistung von Seite des Gläubigers stattfinde, ja sogar daß die bereits erfolgten Vollstrcckungsmaßregeln gegen Sicher­ heitsleistung von Seite des Schuldners wieder aufzuheben seien. Die Einstellung der Vollstreckung ohne Sicherheits­ leistung von Seite des Schuldners ist jedoch nur zulässig, wenn dieser glaubhaft macht, daß ihm die Vollstreckung einen unersetzlichen Nachtheil bringen würde." G. Wird in Folge Einspruches oder eines Rechtsmittels ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urtheil hinsichtlich der Entscheidung in der Hauptsache oder auch bloß hinsichtlich der Vollstreckbarkeitserklärung durch ein späteres Urtheil auf­ gehoben oder abgeändert, so tritt, soweit die Aufhebung oder Abänderung reicht, die vorläufige Vollstreckbarkeit alsbald mit der Verkündung dieses Urtheils außer Kraft. Zugleich ist innerhalb der bezeichneten Grenze der Kläger auf Antrag deS Beklagten zur Erstattung Desjenigen zu verurtheilen, 11 CP. §. 657 vbd. §. 647. | S.auch CP.§.640. Die gleichen > Anordnungen können auf Antrag I des Schuldners auch dann ge->. troffen werden, wenn gegenüber einem bereits rechtskräftigen Ur» | theil die Wiedereinsetzung in den j vorigen Stand gegen Versäumung ; der Einspruchs« oder Nechls' j

Mittelfrist oder die Wiederaufnähme des Verfahrens durch Nichtigkeits- oder Restitutionsklage beantragt wird: CP. §.ll47. Vgl. auch ReichsbeamtenG. v. 31. März 1873 §. 145. Wegen der Wcbitren s. (M. tz. 35 Nr. 2 vbfc.§. 39 Abi. 1, RAGeb. tz. 23 Nr. I vbd. §. 29 Nr. 4.

Vollstreckbare Urtheile, ß. 79.

315

waS dieser auf Grund des aufgehobenen oder abgeänderten Urtheils gezahlt oder sonst geleistet hat." III. Aus dem Urtheil eines ausländischen, d. h. nicht deutschen, Gerichtes kann die Zwangsvollstreckung nur stattsinden, wenn ihre Zulässigkeit von einem inländischen Gerichte nach vorgängiger Verhandlung durch ein Vollstreckungsurtheil ausgesprochen ist." Auf die Erlassung desselben ist in der gewöhnlichen Form Klage zu erheben, und zwar nach Maß­ gabe der Regeln über die sachliche Zuständigkeit bei demjenigen Amtsgerichte oder Landgerichte, bei welchem der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand oder, wenn eS an einem solchen im Deutschen Reiche fehlt, einen Gerichtsstand des Vermögens (CP. §. 24: ob. S. 37 Nr. 4) hat?' Gegen das Urtheil dieses Gerichtes sind nach den gewöhnlichen Regeln Einspruch oder Rechtsmittel statthaft. Auch ist das­ selbe, wenn es die Vollstreckbarkeit ausspricht, noch nicht so­ fort vollstreckbar, sondern erst nach Eintritt der Rechtskraft, es wäre denn in Gemäßheit der oben dargestellten Grund­ sätze für vorläufig vollstreckbar erklärt." Das Bollstreckungsurtheil ist ohne Prüfung der Gesetz­ mäßigkeit des ausländischen Urtheils zu erlassen." Jedoch darf eS nicht erlassen werden:" 1) wenn das ausländische Urtheil nach dem dort geltenden Rechte noch nicht rechtskräftig ist; 16 CP. §. 655. Vgl. CP. §§. I 27 CP. §. 660 Abs. 2. Dieser 503 Abs. 2, 563 Abs. 2. Daß | Gerichtsstand ist ein ausschließlieber: CP. §. 707. S. noch daö neue Urtheil selbst wieder an-.............. . 660 Bem. 4. sechster ist. kommt hiebei nicht in Struckm. z. CP Betracht. S.Begr.z.CPE.tz.607. « S. Begr. z. CPE. §§. 610, 2ß CP. §. 660 Abs. 1. Wegen 611 a. E. der Gebürerr s. GK. tz. 26 Nr. 8 " CP. §. 661 Abs. 1. a. C. vbd. 28, RAGeb. §. 20 Su CK 5. 661 Abs. 2. vbö. $. 29.

316

Th. HI. Abschn. V. Zwangsvollstr. Cap. I. MgemeineS.

2) wenn durch die Vollstreckung eine Handlung erzwungen

werden würde, welche nach dem Rechte de8 über die Vollstreckbarkeit erkennenden inländischen Gerichtes nicht

erzwungen werden bars;31 3) wenn nach Maßgabe des inländischen Rechtes das aus­

ländische Gericht für die Sache nicht zuständig gewesen wäre und auch durch Vereinbarung nicht hätte zuständig

werden können;33 4) wenn der verurtheilte -Schuldner ein Deutscher ist, der sich auf den Proceß vor dem ausländischen Gerichte nicht eingelassen hat, es wäre denn, daß ihm die den

Proceß nach Maßgabe des ausländischen Rechtes ein­

leitende Ladung oder Verfügung entweder in dem Staate

des Proceßgerichtes in Person oder im Deutschen Reiche durch Gewährung der Rechtshülfe zugestellt ist; 5) wenn von Seite des ausländischen Staates die Gegen­ seitigkeit nicht verbürgt ist.33

Auch aus einem Schiedssprüche sann die Zwangsvoll­ streckung nur stattfinden, wenn ihre Zulässigkeit durch ein

gerichtliches Vollstreckungsurtheil ausgesprochen ist.34

§. 80. 2. Vollstreckbare Ausfertigung des Schuldtitels.

Die Zwangsvollstreckung kann nur auf Grund einer voll­

streckbaren Ausfertigung des zu vollstreckenden Urtheils

oder sonstigen Schuldtitels erfolgen.

Vollstreckbar heißt aber

31 Vgl. GV. §. 159, CP. I und Struckm. z. CP. §. 661 Bem. 9-12. §. 867 Nr. 2. 33 S. Begr. z. CPE. §§. CIO, 34 CP. §. 868. S. unt. §.107. 611 und CP. Pr. S. 469. VII. 33 Vgl. CP. Pr. S. 446—449

Vollstreckbare Anfertigung.

§. 80.

317

eine Ausfertigung, welcher am Schluffe von einer dazu be­ fugten Amtsperson oder Behörde die sog. Vollstreckungsclauset beigefügt ist, d. h. die von der Amtsperson oder Behörde mit Beidrückung des Amtssiegels unterschriebene Erklärung: „Vorstehende Ausfertigung wird dem u. s. w. zum Zwecke der Zwangsvollstreckung ertheilt. I. Die vollstreckbare Ausfertigung eines Urtheils wird von dem Gerichtsschreiber des Proceßgerichtes erster Instanz, so lange aber der Rechtsstreit bei einem höheren Gerichte an­ hängig ist, von dem Gerichtsschreiber des letzteren ertheilt? Hängt die Vollstreckung des Urtheils nach seinem Inhalte noch von einer Vorbedingung ab, so darf, falls diese nicht lediglich in einer dem Gläubiger obliegenden Sicherheits­ leistung besteht, eine vollstreckbare Ausfertigung nur ertheilt werden, wenn der Gläubiger den Eintritt der Vorbedingung durch öffentliche Urkunden bewiesen hat? Ist nach der Er1 CP. §§. 662 Abs. 1, 663 I v. 14. Marz 1875 §. 51 Abs. 1. 3 CP. §. 662 Abs. 2. Vgl. vbd. §. 705 Abs. 1, 2. S. auch Com.O. §§. 152 Abs. 2, 179. CP. §.646. Wegen der Gebüren Die obiqe Formel gibt nur die s. GK. §. 35 Nr. 1 vbd. §. 39 festen Bestandtheile der Voll- Abs. 1, RAGeb. §. 24 vbd. §. 35. 3 CP. §. 664. Trotz der streckungsclausel an, welche int Uebrigen je nach Bedürfniß entgegenstehenden Erklärungen mancherlei Zusätze in sich auf­ in der Begründung (zu CPE. nehmen kann. S. CP. §§. 665 §§. 620—622 in Abs. 4) und in Abs. 2. 666 Abs. 3 und Begr. den Protokollen der Reichs z. CPE. §§. 612, 613 a. E. — Justtzcommission (S. 351 fg.) Vollstreckunasbefehle und Arrest­ ist die Vorschrift auch auf den befehle bedürfen in der Regel Fall zu beziehen, wenn die Verder VollstreckungSclausel nicht: urtheilung nur auf Leistung gegen CP. §. 704 Abs. 1 (s. unt. II. eine von Seite deö Gläubigers a. E.), §. 809 Abs. 1 (s. unt. zu machende Gegenleistung lautet, §. 98. II. a. E.). Ausnahme wie z. B. Verurteilung zur nach anderer Richtung: BankG. Herausgabe einer Sache gegen

318

Th. HI. ALschn. V. Zwangsvollstr. Cap. I. Mgemeines.

laffung des Urtheils an die Stelle des darin bezeichneten Gläubigers oder Schuldners ein Erbe oder sonstiger allge­ meiner Rechtsnachfolger getreten, oder hat nach dem Eintritte der Rechtshängigkeit der Streitsache, sei es vor oder nach der Erlassung dcs Urtheils, der Gläubiger seinen Anspruch oder der Schuldner die streitige Sache an einen Anderen veräußert: so kann zwar das Urtheil auch für oder gegen jenen allgemeincn oder diesen besonderen Rechtsnachfolger (gegen den be­ sonderen Rechtsnachfolger des Schuldners jedoch nur mit Vor­ behalt der in CP. §. 238 bestimmten Ausnahmen) vollstreckt werden, aber bloß auf Grund einer auf seinen Namen lau­ tenden vollstreckbaren Ausfertigung. Diese darf nur ertheilt werden, wenn die Rechtsnachfolge entweder bei dem Gerichte offenkundig ist (s. ob. §. 47 a. E.) oder durch öffentliche Ur­ kunden nachgewiesen wird? Ueberdies bedarf es sowohl in dem Fall der Rechtsnachfolge als dann, wenn die Vollstreckung noch von dem Eintritte einer Vorbedingung abhängt, zur Ertheilung der vollstreckbaren Ausfertigung einer Anordnung des Gerichtsvorsitzenden, welche in der Vollstreckuugsclausel Erstattung der zu ihrer Erhalhing gemachten Aufwendungen. Dieses ergibt sich aus CP.8. y CP. §. 684 Abs. 2. Ansdaä Ausland geschehen. Sie ge- i nahmen:: CV. SS. 729 Abl. 2, schicht aber mittels einfachen — 750' —— 752, 759, 780, 783, 799, Brieses und ohne Errichtung 816 Abs. 1. einer Zustellungsurkunde. — " CP. 8. 707. Wegen der Gebüren, Auslagen 17 CP. §. 684 Abs. S. Wegen und Reisekosten des Gerichts­ 35 Nr. vollziehers bei der Zwanqsvoll- der Gebüren s. GK. , §. ---- -3 ftredun« s. GPoll;.Ged. 88. 4 i vbd. §. 39, RAGcb. §. 23 9h. 2 l'i? 17.* ' vbü. tz. 31. CP. 8.631 Abs. 1. AuS-1 " CP. §. 701.

Einwendungen im Vollslreckungsver fahren, tz. 83.

ZZg

Bollstreckungs- oder das Proceßgericht, nm ihr Einschreiten ersucht werden." Insbesondere kann die Zwangsvollstreckung gegen eine dem activen Heer oder der activen Marine ange­ hörende Person des Soldatenstandes in Kasernen und anderen militärischen Dienstgebänden oder auf Kriegsfahrzeugen mir durch die zuständige Militärbehörde geschehen, welche auf An< trag des Gläubigers durch das für die Vollstreckung zu­ ständige Gericht darum zu ersuchen ist?" V. Soll die Zwangsvollstreckung in einem ausländischen Staate erfolgen, dessen Behörden die Urtheile deutscher Ge­ richte im Wege der Rechtshülfe vollstrecken, so hat auf An­ trag des Gläubigers das Proceßgericht erster Instanz die zu­ ständige ausländische Behörde um die Vollstreckung zu er­ suchen. Kann die letztere durch einen Reichsconsnl geschehen, so ist dieser darum zu ersuchen." §. 83. IH. Einwendungen im voUsirecknngsnerfahrrn.

I. Ueber Einwendungen, Erinnerungen nnb Anträge des Schuldners, des Gläubigers od'er eines Dritten, welche die Art und Weise der Zwangsvollstreckung oder das Verfahren des Ge­ richtsvollziehers bei derselben betreffen, hat das Vollstreckuugs-

10 CP. §. 698 vbd. 678 • tete Gegenstände sind einem von Abs. 3 a. E., 699, 793 vgl. dem Gläubiger beauftragten Ge774 Abs. 1. Nur die Polizei» richtövollzieher zu übergeben: liebe Hülfe kann der Gerichts' I CP. §. 699 Abi. 2. S. noch vollzieherunmittelbar nachsuchen:! CP. S. 383, 384. Wegen CP. §. 678 Abs. 3. Die Mit-1 der GebürdeS Gerichtsvollziehers wirklmg des Gerichtes erfolgt! s. GVoUz Geb. §. 5. gebürenfrei: GK. §. 47 9lr. 13. j ?l CP. §. 70Q. Wegen der 20 CP- $. 699 Abs. 1, vbd. ! Gebur für das Ersuchen s. GK. tz. 793 vgl. z. 771 Abs. 1. Gepfäu-1 tz. 35 Nr. 3 vbd. §. 39.

330

Th. HL Abschn. V. Zwangsvollstr. Cap. I. Allgemeines,

gerichl zu entscheiden. Dieses kann vor der Entscheidung eine einstweilige Anordnung erlassen. Insbesondere kann es an­ ordnen, daß die Zwangsvollstreckung gegen oder ohne Sicher­ heitsleistung von Seite des Schuldners einstweilen einzustellen oder nur gegen Sicherheitsleistung von Seite des Gläubigers fortzusetzen sei? Das Dollstreckungsgericht hat auch dann zu entscheiden, wenn ein Gerichtsvollzieher sich weigert, einen Vollstreckungs­ auftrag zu übernehmen oder eine Bollstreckungshandlung dem Auftrage gemäß auszuführen, oder wenn hinsichtlich der von den: Gerichtsvollzieher angesetzten Kosten Erinnerungen ge­ macht werden? II. Einwendungen dagegen, welche her Schuldner in Be­ treff des zu vollstreckenden Anspruches selbst erheben will, (wie z. B. Einwand der Zahlung, des Erlasses, der Stundung u. dgl.) muß er im Wege einer förmlichen Klage geltend machen? Beruht dieser Anspruch auf einem Urtheil, einer durch Beschwerde anfechtbaren Entscheidung (CP. §. 702 Nr. 3: ob. S. 307 Nr. 4) oder einem vor Gericht über einen anhängigen Rechtsstreit abgeschlossenen Vergleiche (CP. §. 702 Nr. 1: ob. S. 306 Nr. 2), so ist die Klage bei dem Proceßgerichte erster Instanz, beruht er auf einem im amtsgerichtlichen Sühneversahren abgeschlossenen Vergleiche (CP. §. 702 Nr. 2: > CP. §. 685 Abs. 1. Vgl. ob. §. 80. I. (S. 319). ' CP. §. 685 Abs. 2. Vbd. GVollz.Geb. §§. 18,22.—Wegen der Gebären in den Fällen von CP. 685 s. GK. §§. 35 Nr. 5, 17 Nr. 14, RAGeb. §. 23 Nr. 2 vdd. §. 31.

3 CP. §§. 686 Abs. 1, 703. Wegen des Inhaltes des auf die Klage zu erlassenden Urtheils s. Senfs. z. CP. §. 686 Bem. 2, Pet. z. CP. §§. 685—687. III. Nr. 4. A. M. Struckm. z. CP. §. 686 Bem. 2.

Einwendungen im Vollstreckungsverfahren. §. 83.

ZA1

ost. S. 307 Nr. 3), so ist sie bei dem Amtsgerichte zu er­ heben? Auch sind Einwendungen der genannten Art nur dann zulässig, wenn sie erst nach dem Schluff« derjenigen mündlichen Verhandlung, in welcher Einwendungen spä­ testens hätten geltend gemacht werden muffen, entstanden sind unb nicht mehr durch Einspruch geltend gemacht werden können? Bemht der Anspruch auf einem Vollstreckungsbefehl, so ist die Klage bei dem Amtsgerichte, welches den BollstreckungS» befehl erlaffen hat, wenn aber der Anspruch nicht zur sach­ lichen Zuständigkeit der Amtsgerichte gehört, bei dem zustän­ digen Landgerichte zu erheben? Die Einwendungen sind in diesem Fall nur insoweit zulässig, als sie erst nach Zustellung deS Bollstreckungsbefehls entstanden sind? Beruht endlich der Anspruch auf einer vollstreckbaren ge­ richtlichen oder notariellen Urkunde (CP. §. 702 Nr. 5: ob. S. 307 Nr. 6), so ist die Klage bei demjenigen sachlich zu­ ständigen Gerichte zu erheben, bei welchem der Schuldner feinen allgemeinen Gerichtsstand oder, wenn eS an einem solchen im Deutschen Reiche fehü, einen Gerichtsstand deS Vermögens (CP. §. 24: ob. S. 37 Nr. 4) hat? Die Zu­ lässigkeit der Einwendungen ist hier nicht beschränkt? In den sämmtlichen Fällen muß aber der Schuldner in seiner Klage jede Einwendung geltend machen, die er zur 4 CP. §§. 686 Abs. 1, 703. » CP. §§. 686 Abs. 2, 703. SI. Pet. z. CP. §§. 685-687. . Nr. 3. Wegen der Gebären s. GK. §. 26 8k. 8 vbd. §. 28, RAGeb. §. 20 vbd. §. 29. ° CP. §. 704 Abs. 3. Vgl. CP. §§. 636, 637, 640.

’ CP. §. 704 Abs. 2. Wegen der Gebären s. Anm. 5. • CP. §. 705 Abs. 5. • CP. §. 705 Abs. 4. Wegen der Gebären s. GK. §. 18, RAGeb. §§. 13, 16. - S. noch Conc.O. §. 152 Abs. 3 vbd. §§. 152 Abs. 2, 179, 192 Abs. 2.

332

Th. IIL Abschn. V. ZwangSvollstr. Cav. T. Allgemeines.

Zeit der Klageerhebung geltend zu machen im Stande ist,

bei Vermeidung des Verlustes?" Aus Antrag des Schuldners kann das Proceßgericht, selbst

ohne vorgängige mündliche Verhandlung, aus triftigen und glaubhaft gemachten Gründen nach Ermessen anordnen, daß bis zur Erlassung des Urtheils die Zwangsvollstreckung gegen

oder anch ohne Sicherheitsleistung von Seite des Schuldners

eingestellt oder nnr gegen Sicherheitsleistung von Seite des Gläubigers fortgesetzt werde, ja sogar daß die bereits er­

folgten Vollstreckungsmaßregeln gegen Sicherheitsleistung von Seite des Schuldners wieder anfzuheben seien.

den Fällen

In dringen­

kann auch daS Bollstrecknngsgericht eine solche

Anordnung erlassen, jedoch nur unter Bestimmung einer Frist, innerhalb welcher die Entscheidung des Proceßgerichtes bei­

zubringen ist, widrigenfalls die Zwangsvollstreckung fortgesetzt

wird." Das Proceßgericht

kann auch in dem

Uttheil,

durch

welches über die Einwendungen entschieden wird, die bezeich­ neten Anordnungen

erlassen,

nicht minder die bereits er­

lassenen aufheben, abändern oder bestätigen.

Ueber diesen

Theil der Entscheidung ist in der Berufungsinstanz auf An­

trag vor der Verhandlung der Hauptsache zu verhandeln und zu entscheiden; die Entscheidung des Berufungsgerichtes kann

aber nicht weiter angefochten werden?Der Schuldner kann bei dem für Einwendungen in Be­

treff des Anspruches zuständigen Gerichte auch dann Klage

lü EP. §. G3G Abs. 3, 703. ! Wegen der Gebären s. " EP. §. 688. Gegen diese! §. 35 Nr. 2 vbd. §. 39 Abs. 1, Entscheidungen kaun sofortige! RAGcb. §. 23 Nr. 1 nbd. §§. 29 Äeschwerde * cingcleqt werden: • Nr. 4, 30 Abs. 1 Nr. 2, Abj. 2. EP. Z. 701 vbd'. §. ‘688 Abs. 3. | 12 EP. §. 689 vbd. §. 656.

Einwendungen im Bollstreckungsverfahren. §. 83.

ZZZ

erheben," wenn er im Falle von CP. §. 664 den bei Er­ teilung der Bollstreckmlgsckausel als bewiesen angenommenen Eintritt der Vorbedingung der Vollstreckung, im Falle von CP. §. 665 die als eingetreten angenommene Rechtsnachfolge bestreitet." Auch sonst gelten dabei die gleichen Regeln wie bei der Klage girr Geltendmachung von Einwendungen in Betteff des Anspruches." HI. Will ein Dritter wegen eines Rechtes, welches er an dem Gegenstände der Zwangsvollstreckung in Anspruch nimmt, Widerspruch gegen dieselbe erheben," so muß er dieses im Wege einer Klage bei demjenigen sachlich zuständigen Ge­ richte thun, in dessen Bezirke die Vollstreckung erfolgt." Die

18 Neben seiner Befugniß zu Einwendungen gegen die Zu­ lässigkeit der ertheilten Vollsttemmgsclausel: CP. §. 668. S. ob. §. 80 Anm. 5. " CP. §§. 687, 703, 701 Abs. 3, 705 Abs. 5. Wegen der Gebären s. ob. Anm. 5. 18 CP.§. 687 vbd. §.686 Abs. 3: §§. 688, 689. 16 Sog. VollstreckuttgsIntervention. Z.B. die Ehe­ frau deö Schuldners behauptet, daß die zur Vollstteckung einer Geldforderung gepfändete Sache, oder auch bte Sache, welche der Gegenstand deSHauptproceffes gewesen und zu deren Herausgabe der Schuldner ter» utthellt ist, ihr Eigenthum sei. 17 EP. §. 690 Am. 1. (We^en der Gevüren s. ob. Anm. 9.) Da­ bei wird jedoch vorausgesetzt, daß der Dritte den Gegenstand

nicht besitzt. Besitzt er denselben, so ist, wenn er ihn nicht freiwillig herausgeben will (CP. §. 713) und. nicht CP. §. 665 eingreift, die Zwangsvollstteckung nur in der Weise möglich, daß sich der Gläubiger den Anspruch deö Schuldners gegen den Dritten überweisen läßt und seinerseits gegen diesen durch Klage geltend macht: CP. §§. 745, 718 vbd. §§. 736, 740; §. 772. S. unt §. 90. — Nimmt ein Dritter an dem nicht in seinem Besitze befindlichen Gegenstände der Zwangsvoll­ streckung ein Pfand- oder Vorzugs­ recht in Anspruch, so kann er der Vollstreckung nicht wider­ sprechen, sondern nur seinen Anspruch auf vorzugsweise Be­ friedigung auS dem Erlöse durch Klage geltend machen: CP. 8- 7 10. S. unt. §. 86. I.

334

Th. m. ALschn. V. ZwangSvollstr. Cap. I. Allgemeines.

Klage ist jedenfalls gegen den Gläubiger zu richten. Wird sie zugleich gegen den Schuldner gerichtet, weil auch dieser daS Recht des Dritten bestreitet, so erscheinen Gläubiger und Schuldner als Streitgenossen." Auf Antrag des Dritten können schon vor der Erlassung deS Urtheils sowie in demselben wegen Einstellung der Zwangsvollstreckung oder Aufhebung der bereits erfolgten Bollstreckungsmaßregeln die unter II. (S. 332) erwähnten Anordnungen erlassen werden nach Maßgabe der nämlichen Regeln, nur mit der Abweichung, daß die Aufhebung einer BollstreckungSmaßregel auch ohne Sicherheitsleistung von Seite des Dritten zulässig ist."

8- 84. IV. Einstellung und Beschränkung der ZwangsvolMrrckrmg. Der Gerichtsvollzieher oder die ausführende Sc^örbc*1 hat die Zwangsvollstreckung einzustellen oder entsprechend zu be­ schränken :2 * 1) wenn die Ausfertigung einer vollstreckbaren Entscheidung vorgelegt wird, wonach das zu vollstreckende Urtheil8 oder der zu vollstreckende sonstige Schuldtitel 4 oder doch die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urtheils aufgehoben8 " CP. §. 690 Abs. 2. Und zwar sind Gläubiger und Schuld­ ner Streitgenossen im Sinn von CP. §.59. S. Str-uckm. z. CP. §. 690 Bem. 6. 19 EP. §.690 Abs.3. Wegen der Gebären s. ob. Anm. 11. 1 Vollstreckungsgericht, Proceß­ gericht, Militärbehörde, Reichsconsul, ausländische Behörde. S. ob. §. 82.

1 CP. §§. 691, 703. Wegen der Gebären s. GVollz.Geb. §. 10. 8 Vgl. z. B. CP. §§. 503 Abs. 2, 563 Abs. 2, 655. 4 Vgl. z. B. (in Rückficht auf CP. §. 702 Nr. 3): CP. §§.538, 540. 6 S. CP. §§. 655 Abs.1, 656.

Einstellung und Beschränkung der Vollstreckung.

84.

335

oder die Zwangsvollstreckung für unzulässig erflärt6 oder die Einstellung derselben angeordnet ist;7 2) wenn die Ausfertigung einer gerichtlichen Entscheidung vorgelegt wird, wonach die einstweilige Einstellung der Vollstreckung oder einer Vollstreckungsmaßregel ange­ ordnet ist;8 3) wenn eine öffentliche Urkunde vorgelegt wird, wonach die zur Abwendung der Vollstreckung nachgelassene Sicherheitsleistung oder Hinterlegung erfolgt ist;8 4) wenn eine öffentliche Urkunde oder eine von dem Gläu• Dgl. CP. §§. 668 Abs. 1, 687, 690. ’ Dal. CP. §§. 689, 690. Nr. 1 bezieht sich auf die Fälle, in welchen es durch gerichtliche Entscheidung feststehl, daß die Vollstreckung ausgehoben werden muß. Dieses steht aber in der Regel erst fest, wenn das Urtheil oder die sonstige Entscheidung, wodurch der zu vollstreckende Schuldntel aufgehoben oder die Bollstreckuna für unzulässig er­ klärt oder die Einstellung der­ selben angeordnet ist, entweder rechtskräftig oder für vorläufig vollstreckbar erklärt ist. Ist das letzte laut der ihm vorgelegten Ausfertigung nicht der Fall, so darf daher der Gerichtsvollzieher die Bollstreckuna nur dann ein­ stellen, wenn ihm zugleich ein Zeugniß über die Rechtskraft der Entscheidung (CP. §. 646) vorgeleat wird. Eine Ausnahme macht oer Fall, wenn der zu vollstreckende Schuldtitel ein für

vorläufig vollstreckbar erklärtes Urtheil ist. Hier muß der Ge­ richtsvollzieher die Vollstreckung immer schon dann einstellen, wenn ihm Die Ausfertigung eines (wenn auch weder rechtskräftigen noch für vorläufig vollstreckbar erklärten) Urtheils vorgelegt wird, wodurch jenes frühere Urtheil in der Hauptsache ober auch nur hinsichtlich der Vollstreckbarkeits­ erklärung aufgehoben ist: CP. §.655 vbd. §.656 (s. ob. §.79. II. G.). Vgl. Begr. z. CPE. §§. 640, 641 in Abs.1. Die Ausfertigung selbst braucht in keinem der ge­ nannten Fälle eine vollstreckbare, d.h.mit der VollftreckungSclausel versehene, zu sein. 8 Vgl. CP. §§. 647 , 657, 668 Abs. 2, 685 Abs. 1, 688, 690 Abs. 3 und (in Rücksicht aus CP. §. 702 Nr. 3) §. 535 Avs. 2, 3. » Vgl. CP. §. 652 Abs. 2 (s. ob. §. 79. II. C.). S. auch Struckm. z. CP. §. 709 Bem. 6.

336

Th. III. Abschn.V. ZwangSvollstr. Cap. I. Allgemeines,

biger ausgestellte Privatruknnde vorgelegt wird, auS welcher sich ergibt, daß der Gläubiger nach der Er­ lassung der zu vollstreckenden Entscheidung10 oder nach der Entstehung des zu vollstreckenden sonstigen Schuldtiteid11 * befriedigt ** ist oder Stundung bewilligt hat; 5) wenn ein Postschein vorgelegr wird, aus welchem sich ergibt, daß nach der Erlassung der Entscheidung oder der Entstehung deS sonstigen Schnldtitels die zur Be­ friedigung deS Gläubigers erforderliche Summe zur Auszahlung an denselben bei der Post eingezahlt ist. In den Fällen der Nr. 1 und 3 sind zugleich die schon erfolgten BollstreckungSmaßregeln anfzuheben. In den Fällen der Nr. 4 und 5 bleiben sie einstweilen bestehen, bis entweder der Gläubiger in die Aufhebung willigt oder auf Antrag des Schuldners das zuständige Gericht (f. ob. K. 83 II.) dieselbe anordnet. Ebenso in den Fällen der Nr. 2, falls nicht schon durch die betreffende Entscheidung auch die Aufhebung der bereits erfolgten Bollstreckuugsmaßregeln angeordnet ist.19 In den Fällen der Nr. 3—5 ist übrigens der Gerichts­ vollzieher auf Verlangen deS Gläubigers zur Fortsetzung der Vollstreckung verpflichtet; der Schuldner muß dann die Ein­ stellung bei dem zuständigen Gerichte beantragen." 10 Urtheil, Vollstreckungobesehl, durch Beschwerde anfechtbare Entscheidung: CP. §§. G91 Nr. 4, 702 Nr. 3, 4 vbd. §. 703. 11 GerichtlicherDergleich, voll­ streckbare gerichtliche oder nota­ rielle Urkunde: CP.tz.702 Nr.I, 2, 5 vbd. tz. 703.

" CP. tz. 692. 13 Begr.z.CPE. §§. 640, in Abs. 2. Der Schuldner kann sich nach CP. tz. 685 (s. ob. §. 83. I.) an das Vollstreckungsgericht wenden, in den Fallen der Nr. 4 und 5 ofctr auch nach CP. tz. 686 (s. ob. tz.83. n.) Klage erheben.

Uebersicht der BollstreckungSarten.

85.

337

3n>eile* Capitel

Eiuzene Arte« und Mittel der Zwangsvollstreckung. §. 85. Uebersicht.

Du Zwangsvollstreckung geschieht durch Anwendung verschiedeur Mittel je nach Verschiedenheit der Leistung, auf welche Der zu vollstreckende Anspruch geht. Handelt es sich um ein Geldleistung, so geschieht sie durch Befriedigung deS Gläubiers auS dem Geldwerthe von Vermögensstacken des SchuldierS. Handelt eS sich um die Herausgabe von Sachen, so werdn diese dem Schuldner entzogen und dem Gläubiger überantoortet. Besteht die schuldige Leistung in der Vor­ nahme einer anderen Handlung, so wird, wo dies angeht, der Glmbigrr ermächtigt, sie auf Kosten des Schuldners durch men Dritten vornehmen zu kaffen; wo eS nicht an­ gehl wrd der Schuldner durch Geldstrafen oder durch Hast zur Vonahme der Handlung augehalten. Zur Unterlaffung oder Dlduug einer Handlung endlich wird der Schuldner angehalm durch Androhung von Geldstrafe oder Haft für den Fal der Zuwiderhandlung. Die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen gestaltet sich soieer verschiedm, je nachdem sie in bewegliches oder unbeweglsteS Vermögen geschieht. Mr die Zwangsvollstreckung in daS bewegliche Bermögm ist von der Civilproceßordnung eiuheitlih für daS ganze Deutsche Reich geregelt. Die Regrluug der Zwangsvollstreckung in daS unbewegliche Bermögm iberläßt sie der LandrSgesetzgebung und begnügt sich mit einzen Vorschriften in Bettest der Zuständigkeit. Ferner FitUn, SivUpioceß. 6. «ufL

22

338

Th. HI. Abschn.V. Zwangsvollstr. Cap. II. Arten u. Mittel,

sind aufrechterhalten die bestehenden landesgesetzlichen Vor­ schriften über die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen

gegen den Fiscus, Gemeinden und andere Communalverbände

(Provincial-, Kreis-, Amtsverbände) sowie gegen solche Corporationen, deren Vermögen von Staatsbehörden verwaltet wird, soweit nicht dingliche (z. B. hypothekarische) Rechte ver­

folgt werden?

I. Zwangsvollstreckung wegen Eetdsordernngen. A. Jwangsoollstrrckung in bewegliche» Vermögen.

§. 86. 1. Allgemeines.

Bewegliches Vermögen ist hier alles dasjenige Ver­ mögen des Schuldners, welches die Landesgesetze in Ansehung der Zwangsvollstreckung

nicht zu

dem unbeweglichen Ver­

mögen rechnen?

I.

Die

in

Zwangsvollstreckung

bewegliches

Vermögen

geschieht durch Pfändung, d. h. dadurch, daß ein Vermögensstück des Schuldners zum Zwecke der Befriedigung des

Gläubigers

als Pfand

erklärt

und

behandelt

Pfändung darf nur so weit ausgedehnt werden,

wird.

Die

als es zur

Befriedigung des Gläubigers und zur Deckung der Kosten der

Vollstreckung

erforderlich

ist.

Sie

muß

unterbleiben,

wenn sie den Umständen nach mehr als die Deckung dieser Kosten nicht erwarten läßt?

Durch die Pfändung erlangt der Gläubiger ein Pfand-

1 EG. z. CP. §. 15 Nr. 4. Ueber die Berechnung der Gebüren für Acte der Zwangsvollstteckung wegen Geldforderungen

s. GK. §. 13 Abs. 2, RAGeb. §. 10. 1 CP. §. 757 Abs. 2. 1 CP. §. 708.

Tollstreämg in Bewegt Vermögen. Mgemeines. §♦ 86. ZZg

recht an dem gepfändeten Gegenstände, welches einem durch Vertrag rrworbenen Faustpfandrechte rechtlich gleichsteht? Es geht (auh außerhalb des ConcurseS) Pfand- und Vorzugs­ rechten wr, welche im Concurfe den Faustpfandrechten nach­ stehen.^ Ferner geht das durch eine frühere Pfändung be­ gründete Pfandrecht demjenigen vor, welches durch eine spätere PfLndurij begründet wird? Dagegen steht das durch Pfän­ dung begründete Pfandrecht denjenigen Faustpfandrechten und im konmrse gleichgestellten Vorzugsrechten nach, welche zur Zeit der Pfändung bereits erworben waren? Jedoch kann aufGrund eines dem Pfändungspfandrechte vorgehenden Pfandrechtes oder Vorzugsrechtes ein Dritter, welcher die Sache ncht in seinem Gewahrsam hat? der Pfändung der­ selben ncht widersprechen? sondern er muß seinen Anspruch auf vorzigsrveise Befriedigung aus dem Erlöse mittels Klage bei dem Rollstreckungsgerichte oder, falls der Streitgegenstand s CP 8. 709 Abs. 1, 2, Conc.O. 41 Nr. 9. Vbd. CP. §. 810 Ws. 1. Andere Gläu­ biger, wlche den Faustpfand« gläubigen gleichstehen, s.Conc.O. §.41 Nr 1—8. S. auch noch EG. z. Tonc.O. §§. 14-17, ferner Cnc.O. §. 117. ♦ CP. 8. 709 Abs. 2. Vgl. Conc.O. ?. 40. * CP. 8. 709 Abs. 3. 6 Folgi aus dem allgemeinen Grundsatz. Im Uebngen be­ mißt sich die Rangordnung der Pfänduncspfandrechte unter sich und im Verhältnisse zu anderen in dem Cmcurse gleichstehenden Pfand- uib Vorzugsrechten nach dem bürgelichen Rechte. S.Begr.

z. ®ntw. der Conc.O. §. 41 a. E. Ueber das Verhältniß deS durch Pfändung entstehenden Pfand­ rechtes zu Pfand« oder Vorzugs­ rechten, welche schon vor dem Inkrafttreten der Civilproceßordnung entstanden sind, s. EG. z. CP. ß.23. Vgl.EG.z.Conc.O. 88- 12, 13. — S. auch noch Conc.O. §§.11,23 Nr. 1,28,98. 7 S. Struckm. z. CP. §. 710 Vein. 2. 8 So z. B. der Vermiether nicht auf Grund von Conc.O. §. 41 Nr. 4 der Pfändung ein­ gebrachter Sachen des Miethers, wenn diese sich im Gewahrsam deS letzteren befinden, u. dgt 22e

340

Th.HI. Abschn.V. Zwangsvollstr. Cap.II. Arten ».Mittel.

nicht zur Zuständigkeit der Amtsgerichte gehört, bei beut Landgerichte geltend machen, in dessen Bezirke das Voll­ streckungsgericht seinen Sitz hat; er kann dieses aber ohne Rücksicht darauf, ob seine Forderung fällig ist oder nicht? Wird der Anspruch glaubhaft gemacht, so hat das Gericht die Hinterlegung des Erlöses anzuordnen, wobei die in CP. §§. 688, 689 enthaltenen Vorschriften zu entsprechender Anwendung kommen." II. Hat eine stattzehabte Pfändung nicht zu einer voll­ ständigen Beftiedigung des Gläubigers geführt, oder macht dieser glaubhaft, daß er durch Pfändung seine Beftiedigung nicht vollständig erlangen werde, so ist auf seinen Antrag der Schuldner gehalten, ein Verzeichniß seines gesammten (beweglichen und unbeweglichen) Vermögens vorzulegen, in Betreff seiner Forderungen den Grund und die Beweismittel zu bezeichnen und den Offenbarungseid dahin zu leisten, „daß er sein Vermögen vollständig angegeben und wissentlich nichts verschwiegen habe."" Hat aber der Schuldner diesen Eid p CP. §. 710 Abs. 1, 2. Vgl. maßregeln" in CP. §.690 Abs. 3, CP. §. 690 Abs. 1. Wird die und, wie nach CP. §. 690 Abs. 3 Klage gegen den Gläubiger und bei dieser, so finden daher nach den Schuldner gerichtet, so er­ CP. §. 710 Abs. 4 auch bei jener scheinen dieselben als Streitge- die Vorschriften in CP. §§. 688, nofsen (im Sinne von CP. §. 59) : 689 entsprechende Anwendung. CP. §. 710 Abs. 3. Vgl. CP. Dgl. Struckm. z. CP. §. 710 §. 690 Abs. 2. Wegen der Ge-1 Bem. 7.) Wegen der Gebären büren s. GK. §. 18, RAGeb. f. ob. §. 83 Anm. 11. lieber die §§. 13, IG. ! Wirkung der Hinterlegung s. ob. 10 CP. §. 710 Abs. 4. Vgl. | §. 79 Änm. 17. CP. §. 690 Abj. 3. (Die „Hin­ 11 CP. §. 711. Vbd. CP. terlegung deS Erlöses" in CP. §§. 780—783 (s. rmt. §. 96). §. 710 der S. noch Seuff. z. CP. §. 711 u «Abs.• 4u enffpricht o Ä^U"?nhbM„rkS Bem. 4; Struckm. z. CP. §. 711 streckünz und Aufhebung der Bem. 2, 3. bereits erfolgten Vollftreckungs-

Vollstreckung in körperlich« Sachen. §. 87.

341

einmal geleistet, so ist er zur nochmaligm Leistung desselben, selbst einem anderen Gläubiger gegenüber, nur verpflichtet, wenn glaubhaft gemacht wird, daß er später neues Vermögen

erworben habe." Auch kann er, selbst auf Antrag eines an­ deren Gläubigers, nur unter der gleichen DorauSsetzMg zur

Leistung

bieftfi Eides

von Neuem

durch Haft

angehalten

werden, wenn gegen ihn wegm Verweigerung desselben be­

reits «ine Hast von sechs Monaten vollstreckt ist.''

§.87. 2. Zwangsvollstreckung in körperliche Sachen.

I. Die Pfändung körperlicher Sachen, welche sich im Ge­ wahrsam des Schuldners oder des Gläubigers oder eines zur Herausgabe beraten Dritten befinden, geschieht dadurch,

daß

sie der Gerichtsvollzieher in Besitz nimmt.'

Die ge­

pfändeten Sachen dürfen nur, wenn der Gläubiger einwMgt oder wenn ein anderes Verfahren mit erheblichen Schwierig-

keiten verbunden ist, im Gewahrsam deS bisherigen Inhabers (Schuldners, Gläubigers oder Dritten) belassen werden; die Wncksamkeit der Pfändung ist dann aber dadurch bedingt, daß sie mittels Anlegung von Siegeln oder auf andere Weife er-

sichtlich gemacht ist.' zieher

den

In jedem Fall muß der Gerichtsvoll­

Schuldner

von der geschehenen

Pfändung

in

Kenntniß setzen?

Früchte könnm auch noch vor der Trennung von dem

•• CP. §. 784. '» CP. §. 795. Bal. CP. §. 794. S. unt. §. 97 a. E. ' CP. §§. 712 Abs. 1, 713. Wegm der Gebär deS Ge­

richtsvollziehers s. GVollz.Geb. 8-4. • CP. §§. 712 Abs. 2, 713. • CP. §§. 712 Abs. 3, 713 vbd. §. 683 (ob. §. 82. H. a. E.).

342

Th. III. Abschn-V. Zwangsvollstr. Cap. II. Arten u. Mittel.

Boden gepfändet werden; jedoch darf eine solche Pfändung

nicht früher als einen Monat vor der gewöhnlichen Zeit der

Reife erfolgen/

Gewisie Sachen sind auS Rücksichten theils der Schonung des Schuldners, theils des öffentlichen Wohls der Pfändung

entzogen, nämlich 1) die Kleidungsstücke, die Betten, das Haus- und Küchen-

geräth, insbesondere die Heiz- und Kochöfen, soweit

diese Gegenstände für den Schuldner, seine Familie und sein Gesinde unentbehrlich sind;

2) die für den Schuldner, seine Familie und sein Gesinde auf zwei Wochen erforderlichen Nahrungs- und Fene-

rnngsmittel; 3) eine Milchkuh oder nach der Wahl des Schuldners

statt einer solchen zwei Ziegen oder zwei Schafe nebst dem zum Unterhalte und zur Streu für diese Thiere

auf zwei Wochen erforderlichen Futter und Stroh, falls

dieselben für die Ernährung des Schuldners,

seiner

Familie und seines Gesindes unentbehrlich sind; 4) bei Künstlern,

Handwerkern, Hand- und Fabrikar­

beitern sowie bei Hebammen die zur persönlichen Aus­ übung des Berufes unentbehrlichen Gegenstände;

5) bei Personen, welche Landwirthschaft betreiben, das

zum Wirthschaftsbetriebe unentbehrliche Geräth, Vieh-

und

Feldinventarium

liebst

dem

nöthigen Dünger,

4 CP. §. 714. Sog. Pfau- | Halm s. CP. §. 725. S. noch düng von Früchten auf dem ! Struckm. z. CP. §. 714. Halm, lieber die Versteigerung 5 CP. §.715. Vbd.Conc.O.§.l. gepfändeter Früchte auf dem , Abs.l. VgI.Struckm.z.CP.§.715.

Vollstreckung in körperliche Sachen. §. 87»

sowie die zur

343

Fortsetzung der Wirthschaft bis zur

nächsten Ernte unentbehrlichen landwirthschaftlichen Er-

zeugniffe;«

6)

bei Offneren, Deckoffneren, Beamten, Geistlichen, Lehrern an öffentlichen Unterrichtsanstalten, Rechtsan­ wälten, Notaren und Aerzten die zur Verwaltung des

Dienstes

oder Ausübung des Berufes erforderlichen

Gegenstände sowie anständige Kleidung;

7)

bei Offneren, Militärärzten, Deckoffneren, Beamten, Geistlichen und Lehrern an öffentlichen Unterrichtsan­ stalten ein Geldbetrag, welcher dem der Pfändung

nicht unterworfenen Theil des Diensteinkommens oder

der Pension6 7 8für die Zeit von der Pfändung bis zum nächsten Termin der Gehalts- oder Pensionszahlung

gleichkommt;

8) die zum Betriebe einer Apotheke unentbehrlichen Ge­ rüche, Gefäße und Waaren;°

9) Orden und Ehrenzeichen;

10) die Bücher, welche zum Gebrauche des Schuldners und

seiner Familie in der Kirche oder Schule bestimmt sind; 11) das Inventarium der Posthaltereien? Endlich darf ein segelfertiges, d. h. zum Abgehen fertiges, Schiff wegen anderer als

der zum Behufe der anzutre­

tenden Reise gemachten Schulden nicht gepfändet toerben?0

II. Gepfändetes Geld hat der Gerichtsvollzieher an den

6 S. aber Conc.O. §.l Abs.3. 7 S. CP. §.749 Abs. 1 Nr. 8, Ms. 2, 4, 5 (s. unt §.89. VIII.). 8 S. aber Conc.O. §.1Abs.3.

0 PostG. v. 28. Oct. 1871 §. 20. S. aber Conc.O. §. 1 Abs. 3. ro HGB. Art. 446 Abs. 1. S. auch ebend. Abs. 2.

344

Th.HI. Abschn-V. Zwangsvollstr. Cap.H. Arten u. Mittel.

Gläubiger abzuliefern. Die Wegnahme desselben durch den Gerichtsvollzieher gilt als Zahlung von Seite deö Schuld­ ners, falls nicht dem letzteren die Abwendung der Voll­ streckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung nachge­ lassen ist." Andere gepfändete Sachen sind von dem Gerichtsvollzieher öffentlich zu versteigern, Kostbarkeiten nach vorgängiger Ab­ schätzung durch Sachverständige." Die Versteigerung darf in der Regel nur in der Gemeinde, in welcher die Pfändung geschehen ist, und erst nach Ablauf einer Woche seit der Pfändung nach vorgängiger öffentlicher Bekanntmachung er­ folgen. Der Zuschlag muß an den Meistbietenden, die Ab­ lieferung einer zugeschlagenen Sache darf aber nur gegen baare Zahlung geschehen. Hat der Meistbietende die Ab­ lieferung gegen Zahlung nicht rechtzeitig, d. h., wenn nicht die Versteigerungsbedingungen eine andere Zeit festsetzen, vor dem Schluffe des Versteigerungstermins, verlangt, so wird unter Aufhebung deS ersten Zuschlages die Sache von Neuem versteigert. Jener darf dabei nicht mitbieten und hat auf den Mehrerlös keinen Anspruch, haftet aber wegen seines Ver­ zuges für den Ausfall. Die Versteigerung ist einzustellen, sobald der Erlös zur Befriedigung des Gläubigers und zur Deckung der Kosten der Zwangsvollstreckung hinreicht." Die 11 CP. §. 716 Abi. 2. Vbd. CP. §. 677. Vgl. Struckm. z. CP. §. 716 Bem. 2, 3. Ist dem Schuldner die Abwendung der Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung nachgelassen, so ist das gepfändete Geld zu hinterlegen: CP. §. 659. Ueber die Wirkung

dieser Hinterlegung s. ob. §. 79 Anm. 17. " CP. §. 716 Abs. 1. Wegen der Vergütung der Abschätzung s. GVoilz.Gev. §. 16. Wegen der Gebür des Gerichtsvollzie­ hers für die Versteigerung s. GVollz.Geb. §. 7. 13 Näheres über das Ver-

Vollstreckung in körperliche Sachen. §♦ 87.

345

Empfangnahme des Erlöses durch den Gerichtsvollzieher gilt als Zahlung von Seite des Schuldners, falls nicht dem letzteren die Abwendung der Vollstreckung durch Sicherheits­ leistung oder Hinterlegung nachgelassen ist.14 Auf Antrag des Gläubigers oder des Schuldners kann daS Bollstreckungsgcricht anordnen, daß die Verwerthung einer gepfändeten Sache in anderer Weise oder au einem anderen Orte, als die geschlichen Regeln vorschreiben, stattzufinden habe, oder daß dir Versteigerung durch eine andere Person als den Gerichtsvollzieher vorzunehmen fei?8 HI. Die Pfändung bereits gepfändeter Sachen (sog. Anfchlußpfändung) geschieht durch die Erklärung des damit beauftragten Gerichtsvollziehers, daß er die Sachen für seinen Auftraggeber pfände. Und zwar liegt der Vollzug der Pfänduug, wenn die erste Pfändung durch den nämlichen Gerichts­ vollzieher bewirkt ist, darin, daß der Gerichtsvollzieher jene Erklärung zu Protokoll nimmt, wenn dagegen die erste Pfändung durch einen anderen Gerichtsvollzieher bewirkt ist, darin, daß er die Erklärung an den letzteren macht. Auch im zweiten Fall ist aber die geschehene Erklärung in das Protokoll aufzünehmen und dieses dem anderen Gerichtsvollzieher abfahren bei der Versteigerung s. CP. §§• 717—719. Besondere Regeln 1) über die Behandlung 1gepfändeter Gold- und Silber­ achen: CP. §. 721 vbd. §. 716 Abs. 1: 2) über die Behandlung gepfändeter Werthpapiere: CP. 8§. 722-724. Vbd. GK. §§. 35 Nr. 3, 39, GVollz.Geb. §. 12 Nr. 3; 2) über die Versteigerung gepfändeter Früchte auf dem Halm: CP. §. 725.

CP.8.720. Vbd.CP.tz.677. Ist dem Schuldner die Abwen­ dung der Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung, oder Hinterlegung nachgelassen, so ist der Erlös der gepfändeten Sachen zu hinterlegen: CP. §.659. Ueber die Wirkung dieser Hinterlegung s. ob. §. 79 Anm. 17. 16 CP. §. 726.

346

Th. NI. Abschn.V. Zwangsvollstr. Cap. II. Arten u. Mittel,

schriftlich zuzustellen." Der Schuldner ist von jeder Anschluß­ pfändung in Kenntniß zu setzen." Die weitere Ausführung der Vollstreckung, insbesondere

die Versteigerung, geschieht für die sämmtlichen betheiligten Gläubiger immer nur durch Einen Gerichtsvollzieher, der kraft Gesetzes als Beauftragter aller gilt, und zwar durch denjenigen, welcher die erste Pfändung bewirkt hat, falls nicht

auf Antrag eines der Gläubiger oder des Schuldners das Vollstreckungsgericht einen anderen bezeichnet?8

Reicht der

Erlös zur Deckung der sämmtlichen Forderungen nicht aus,

so muß, wenn einer der betheiligten Gläubiger Widerspruch gegen die Vertheiluug nach der Reihenfolge der Pfändungen erhebt imb eine Einigung über die Art der VerLheilung nicht

zu Stande kommt, der Gerichtsvollzieher den Erlös hinter­

legen und die Sachlage mit Beifügung der das Verfahren betreffenden Schriftstücke dem Vollstreckungsgerichte anzeigen, von welchem alsdann das Vertheilungsverfahren eingeleitet

toirb?9

Das Gleiche gilt, wenn die Pfändung für mehrere

16 CP. §. 727 Abs. 1, 2 obb. Begr. z. CPE. §§. 675, 676. Nach Wilm. z. CP. §. 727 Bem. 2 würde die Anschluß­ pfändung auch dann, wenn die erste Pfändung durch einen ande­ ren Gerichtsvollzieher bewirkt ist, schon durch die bloße Protokollirung der gedachten Erklä­ rung, nach Struckm. z. CP. §. 727 Bem. 2 und Seuff. z. CP. §. 727 Bem. 2 dagegen würde sie in diesem Fall erst durch die Zustellung des die Er­ klärung enthaltenden Protokolls an den anderen Gerichtsvollzieher

vollzogen: beides nicht im Einklänge mit der Begründung. — Wegen der Gebür für die An­ schlußpfändung s. GVollz.Geb. §. 5. 17 CP. §. 727 Abs. 3. 18 CP. §. 728 Abs. 1. Die Bezeichnung eines Gerichtsvoll­ ziehers geschieht gebürenfrei: GK. §. 47 Nr. 3. S. aber RAGeb. §. 23 Nr. 1 vbd. §. 29 Nr. 6. 19 CP. §. 728 Abs. 2. Vbd. CP. §§. 758 ff. S. mit. §. 93. Ueber die Wirkung dieser Hin­ terlegung s. ob. §. 79 Anm. 17.

Vollstreckung in Geldforderungen. g. 89.

347

Gläubiger gleichzeitig bewirkt ist und diese sich bei Unzulänglichkeit des Erlöses über die Art der Bertheilung nicht eini­

gen sönnen.20 3. Zwangsvollstreckung in Forderungen und andere unkörperliche Vermögensstücke. §. 88. Die Zwangsvollstreckung in Forderungen und andere nicht

körperliche Stücke des beweglichen Vermögens (wie z. B. Nieß­ brauch, Erfindungspatent u. dgl.) geschieht durch Bermittelung des Vollstreckungsgerichtes. Vollstreckungsgericht ist aber hier

dasjenige Amtsgericht, bei welchem der Schuldner feinen all­ gemeinen Gerichtsstand oder,

wenn es an einem solchen im

Deutschen Reiche fehlt, einen Gerichtsstand des Vermögens (CP. §. 24: s. ob. S. 37 Nr. 4) hat? §. 69. b. SroaugiDOllflrtdinng in Ctlbforbtrungcn.

I. Soll eine Geldforderung gepfändet werden, so hat das Gericht auf das (schriftlich oder durch Erklärung zu Prowkoll

des Gerichtsschreibers

gestellte) Pfändungsgesuch des

Gläubigers ohne vorgängiges Gehör des Schuldners2 dem

Drittschuldner, d. h. dem Schuldner des Schuldners, die Zahlung an den letzteren, zugleich aber diesem selbst jede

Verfügung über die Forderung, insbesondere ihre Einziehung,

zu verbieten?

Diesen Beschluß muß der Gläubiger, dem er

10 CP. §. 728 Abs. 3. 1 CP. §. 729. Wegen der Gebüren s. GK. §.35 Nr. 3 vbd.

§. 39, RAGeb. §. 23 Nr. 2 vbd. §§.31, 32. 1 CP. §. 735. 9 CP. §. 730 Abs. 1.

348 Th. IH. AbschmV. Zwangsvollstr. Cap. II. Arten u. Mittel, von Amtswegen zugestellt toirb,3 4dem * Drittschuldner zustellen lassen/ und mit dieser Zustellung gilt dann die Pfändung als bewirft6 Geschieht die Zustellung, sei es unter Bermitte­ lung oder ohne Vermittelung deS Gerichtsschreibers, durch einen Gerichtsvollzieher, so hat dieser alsbald nach der Aus­ führung derselben auch dein Schuldner den Beschluß nebst einer Abschrift der Zustellungsurkunde zuzustellen; geschieht sie unter Vermittelung des Gerichtsschreibers durch die Post, und zwar in der Weise, daß die Post von dem Gerichts­ schreiber unmittelbar angegangen wird, so hat dieser auch für die Zustellung an den Schuldner zu sorgen. Nach dem Auslande geschieht die Zustellung an den Schuldner durch Aufgabe zur Post. Wo die Zustellung an den Schuldner in Gestalt einer öffentlichen Zustellung erfolgen müßte, ist sie nicht erforderlich.6 Eine Ausnahme von der Regel macht die Pfändung von Forderungen aus Wechseln und anderen durch Indossament (d. h. Vermerk auf der Rückseite) übertragbaren Papieren. Sie geschieht, wie die Pfändung körperlicher Sachen, dadurch, daß im Auftrage des Gläubigers der Gerichtsvollzieher diese Papiere in Besitz nimmt.7 8 CP. §. 294 Abs. 3. 4 CP. §. 730 Abs. 2. Vbd. CP. §§. 152 Abs. 2, 179, 674 Abs. 2. 6 CP. §. 730 Abs 3. 6 CP. §. 730 Abs. 2 und CP. Pr. S. 397 fg. Ob die Pfän­ dung einer Forderung (wie z. B. einer hypothekarischen Forderung) auch in daö Hypothekenbuch ein-utragen sei, bemißt sich nach den Landesgesetzen: EP. 8.731. S.

auch EG. z. Conc.O. §. 15 Nr. 3, §* ’ CP. §. 732. Vgl. WO.

Art. 9 ff., HGB.Ätt.301, 302, 304. Daneben muß daö Dollstreckungsgericht (CP. §. 729) auf Gesuch deS Gläubigers einen Psändunasbeschluß und einen UeberweisungSveschluß nach CP. §§. 730,736 erlassen. S. Wilm. z. CP. §. 732. Nach Struckm. z. CP. §. 732 Bem. 1 Abs. 2 würde

n. Das Pfandrecht, welches der Gläubiger durch die Pfändung einer Gehaltsforderung oder einer ähnlichen auf fortlaufende Bezüge gehenden Forderung (z. B. Leibrenten­ forderung u. dgl.) erwirbt, erstreckt sich auch auf die Beträge, welche erst nach der Pfändung fällig werden? Ferner wird durch die Pfändung eines Diensteinkommens auch dasjenige Einkommen ergriffen, welches der Schuldner bei Gleichbleiben des Dienstherrn zufolge einer Gehaltserhöhung oder der Ver­ setzung in ein anderes Amt oder endlich der Uebertragung eines neuen Amteö zu beziehen hat? III. Schon vor der Pfändung kann der Gläubiger auf Grund eines vollstreckbaren Schuldtitels dem Drittschuldner und dem Schuldner durch einen Gerichtsvollzieher eine Be­ nachrichtigung von der bevorstehenden Pfändung zustellen lassen mit der Aufforderung an den Drittschuldner, nicht an den Schuldner zu zahlen, und mit der Aufforderung an den Schuldner, sich jeder Verfügung über die Forderung, ins­ besondere ihrer Einziehung, zu enthalten. Die Benachrichti­ gung an den Drittschuldner hat die Wirkung eines Arrestes (CP. §. 810), falls innerhalb der nächsten drei Wochen seit der Zustellung derselben die Pfändung der Forderung wirklich erfolgt.10 IV. Auf Verlangen des Gläubigers muß der Drittschuldner, bei Vermeidung der Haftung für den durch die Unterlassung der Gerichtsvollzieher den Auftrag zu der Pfändung der Papiere vom Vollstreckungsgerichte er­ halten. Dagegen streitet aber die völlige Gleichheit der Fassung von CP. §. 732 mit CP. §. 712 Abs. 1 und die Begründung (z. CPE. §. 680). — Wegen

der Gebür des Gerichtsvollziehers f. GVollz. Geb. §. 4. 8 CP. §. 733. • CP. §. 734. 10 CP. §. 744. Auf die in CP. §. 732 bezeichneten Forde­ rungen ist CP. §. 744 nicht an­ wendbar.

350

Th. HI. Abschn.V. Zwangsvollstr. Cap.H. Arten u. Mittel,

dem Gläubiger entstehenden Schaden, innerhalb zweier Wochen seit der an ihn

geschehenen Zustellung des Pfändungsbe­

schlusses dem Gläubiger erklären: 1) ob und inwieweit er die gepfändete Forderung als be­ gründet anerkenne und zur Zahlung bereit sei; 2) ob

und

welche Ansprüche andere Personen an diese

Forderung machen; 3) ob und wegen welcher Ansprüche die Forderung schon

für andere Gläubiger gepfändet sei. Die Aufforderung

zu

diesen Erklärungen

muß in die

Urkunde über die Zustellung des Pfändungsbeschlusses aus­ genommen werden.

Sie können an den zustellenden Gerichts­

vollzieher erfolgen.

Geschieht dieses bei der Zustellung, so

sind sie in die Zustellungsurkunde aufzunehmen und von dem

Drtttschuldner zu unterschreiben." V. Auf Gesuch des Gläubigers, welches sogleich mit dem

Pfändungsgesuche verbunden werden kann, ist durch Beschluß des Vollstreckungsgerichtes, welcher ohne vorgängiges Gehör des Schuldners erlassen und mit dem Pfändungsbeschlusse

verbunden werden kann, die gepfändete Geldforderung dem

Gläubiger nach seiner Wahl entweder zur Einziehung oder zum Nennwerthe an

Zahlungsstatt zu

überweisen."

Im

ersten Fall wird seine Forderung nur so weit getilgt, als ihm die Einziehung der überwiesenen Forderung Befriedigung ver­ schafft; im zweiten dagegen geht die überwiesene Forderung

mit der Wirkung auf ihn über, daß er, soweit dieselbe besteht,

für seine Forderung als befriedigt gilt, ohne Rücksicht darauf, vb es möglich ist, jene zu ihrem vollen Nennwerthe beizu-

11 CP. §. 739. I Begr. z. CPE. §. 683 und §§.684 » CP. §. 736 Abs. 1. Vgl. | -689.

Vollstreckung in Geldforderungen, tz. 89.

351

treiben oder nicht." Der UeberweisungSbeschluß ist dem Drittschuldner und sodann dem Schuldner auf gleiche Art wie der Pfändungsbeschluß gugufteßen.13 14 15 Die * Ueberweisung ersetzt die förmlichen Erklärungen des Schuldners, von denen nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes die Berechtigung zur Einziehung der Forderung abhängig ist. Der Schuldner ist zur Herausgabe der über die Forderung vorhandenen Urkunden an den Gläubiger verpflichtet, und dieser kann die Herausgabe nöthigenfalls im Wege der Zwangsvollstreckung (CP. §. 769) erwirken?4 Ist gemäß CP. §. 652 Abs. 2 (ob. §. 79. II. C.) dem Schuldner die Abwendung der Vollstreckung durch Sicher­ heitsleistung oder Hinterlegung nachgelassen, so darf eine ge­ pfändete Geldforderung dem Gläubiger nur zur Einziehung überwiesen werden und nur in dem Sinne, daß der Dritt­ schuldner den Schuldbetrag zu hinterlegen habe?4 Wenn der Gläubiger die ihm, sei es zur Einziehung oder an Zahlungsstatt, überwiesene Forderung einklagt, so ist er zur gerichtlichen Streitverkündung an den Schuldner ver­ pflichtet, falls nicht zur Ausführung derselben eine Zustellung im Auslande oder eine öffentliche Zustellung erforderlich toärc.17 Ferner ist der Gläubiger, welchem eine Forderung nur zur

13 CP. §. 736 Abs. 2. Vgl. Struckm. z. CP. §. 736 Bem. 3 —7, Wilm. z. CP. §.736 Bem.1. “ CP. §. 736 Abs. 3. S. ob. I. Vgl. aber Seuff. z. CP. §. 736 Bem. 2' und Struckm. z. CP. §. 736 Bem. 8 Abs. 3. 15 CP. §.737. Vgl. CP. §.702 Nr. 3. iß CP. §. 738. Vgl. CP.

§. 659. Ueber die Wirkung der Hinterlegung s. ob. §. 79 Anm. 17.

17 CP. §. 740. Wenn der Schuldner in Folge der ©treib Verkündung dem Gläubiger Bei­ tritt, so ist er nach CP. §.71 vbd. §. 66 als Streitgenosse des­ selben zu bettachten. S. noch Sttuckm. z. CP. §. 740 Bem. 2.

352

Th. HI. Abschn.V. ZwangSvollstr. Cap. H. Arten u. Mittel.

Einziehung überwiesen ist, dem Schuldner gegenüber zur Sorgfalt verpflichtet und haftet ihm daher namentlich für den Schaden, welcher durch nachlässige Verzögerung der Bei­ treibung entsteht?9 VI. Auf die durch die Pfändung und durch die Ueberrweisung zur Einziehung erworbenen Rechte kann der Gläubi­ ger unbeschadet seines Anspruches wieder verzichten. Der Verzicht geschieht durch Zustellung der Erklärung desselben an den Schuldner. Diese Erklärung soll aber auch dem Drittschuldner zur Nachricht zugestellt toerben.19 VII. Ist die gepfändete Forderung eine bedingte oder eine betagte (d. h. erst zu einem späteren Zeitpunkte zahlbare), oder ist ihre Einziehung wegen der Abhängigkeit von einer Gegenleistung oder auS anderen Gründen mit Schwierigkeiten verbunden, so kann das Gericht auf Antrag des Gläubigers oder des Schuldners anstatt der Ueberweisung an jenen eine andere Art der Verwerthung, namentlich die Verwerthung durch Verkauf, anordnen. Vor dem Beschlusse, durch welchen dem Anträge stattgegeben wird, ist jedoch der Gegner, d. h. der Schuldner bezw. der Gläubiger, zu hören, falls nicht zu diesem Ende eine Zustellung im AuSlande oder eine öffent­ liche Zustellung erforderlich wäre?9

VIII. Gewisse Forderungen sind aus Rücksichten theils der Schonung des Schuldners, theils des öffentlichen Wohls der Pfändung entzogen; nämlich:" 1) der noch unverdiente oder noch nicht fällige Arbeits-

Vollstreckung in Geldforderungen

2)

3)

4)

5) 6)

7)

8)

g. 89.

353

oder Dienstlohn nach Maßgabe des ReichSgesetzeS vom 21 Juni 1869;" die auf gesetzlicher Vorschrift beruhenden Alimentenfordenmgen; die fortlaufenden Einkünfte, welche der Schuldner auS Stiftungen oder sonst auf Grund der Fürsorge und Freigebigkeit eines Dritten bezieht, insoweit er derselben zur Bestreitung des notdürftigen Unterhaltes für sich, seine Ehefrau und seine noch unversorgten Kinder be­ darf;" die aus Kranken-, Hülfs- oder Sterbekassen, insbeson­ dere aus Knappschaftskassen und Kassen der Knapp­ schaftsvereine zu beziehenden Hebungen;" der Sold und die Jnvalidenpension der Unterofficiere und der Soldaten; das Diensteinkommen der Militärpersonen, welche zu einem mobilen Truppentheil oder zur Besatzung eines in Dienst gestellten Kriegsfahrzeuges gehören; die Pensionen der Wittwen und Waisen und die Be­ züge, welche denselben aus Wittwen oder Waisenkassen zukommen, die Erziehungsgelder und die Studienstipen­ dien, sowie die Pensionen invalider Arbeiter; das Diensteinkommen der Ofsiciere, Militärärzte und Deckofficiere, der Beamten," der Geistlichen und der Lehrer an öffentlichen Unterrichtsanstalten; die Pension

25 Nicht aber der Rechtsan­ M Ausnahmen: RG. v. 21. wälte und Notare. S. CP. Pr. Juni 1869 §. 4 Nr. 2, 3. 23 Vgl. Struckm. z. CP. §. 749 S. 403 a. E. Dgl. CP. §. 715 Nr. 6. Bem. 4. 24 Vgl. HülfskassenG. v. 7. April 1876 §. 10. Fitting, Civilprcccß. 6. Aufl.

23

354

Th. IH. AbschmV. Zwcmgsvvllstr. Cap. II. Arten u. Mittel,

dieser Personen nach ihrer Versetzung in einstweiligen oder dauernden Ruhestand, sowie der nach ihrem Tode den Hinterbliebenen

zu

gewährende

Sterbe-

oder

Gnadengehalt. Wenn in den Fällen der Nr. 7 und 8 das Diensteinkommen,

die Pension oder die sonstigen Bezüge mehr als 1500 Mark

für das Jahr betragen, so ist der dritte Theil dieses Mehr­

betrages der. Pfändung unterworfen."

Der Gehalt und die Dienstbezüge der im Privatdienste dauernd, d. h. mindestens ans ein Jahr oder auf unbestimmte Zeit mit mindestens dreimonatlicher Kündigung, angestellten Personen sind der Pfändung nur für den Betrag unterworfen,

um welchen ihr Gesammtbetrag 1500 Mark für das Jahr

übersteigt?7 Sowohl in diesem Fall als in den Fällen der Nr. 7 und 8 ist aber die Pfändung ausnahmsweise ohne Rücksicht auf den

Betrag zulässig, wenn sie zur Befriedigung der Ehefrau oder der ehelichen Kinder des Schuldners wegen solcher Alimente beantragt wird, welche für die Zeit nach der Erhebung der

Klage und für das vorhergehende letzte Vierteljahr zu ent­

richten sind." Diejenigen Einkünfte, welche zur Bestreitung eines Dienst­

aufwandes bestimmt sind (wie z. B. Reisekosten und Tage­ gelder für Dienstreisen, Umzugsgelder für Versetzungen u. dgl.),

sind weder der Pfändung unterworfen, noch auch zur Ent­

scheidung der Frage, ob und zu welchem Betrage ein Dienst­ einkommen der Pfändung unterliege, mit in Rechnung zu

16 CP. §. 749 Abs. 2. 37 CP. §. 749 Abs. 3 vbd. RG. v. 21. Juni 1869 §.4 Nr. 4.

88 CP. §. 749 Abs. 4. Ueber den Begriff der Alimente s. ob. §. 79. II. A. Nr. 6.

Vollstreckung in Ansprüche auf körperliche Sachen. K. 90.

355

bringen. Dasselbe gilt von dem Servis der Officiere, Militär­ ärzte und Militärbeamten?' §. 90. c JoengiDollAnAnng in Ansprache ans dtk jytrousgabe oder die Ptislcng kürpirlicher Lachen.

Die Zwangsvollstreckung in Ansprüche, welche die ,§erau9> gobe1 *oder * * die Leistung? körperlicher Sachen zum Gegenstände haben, geschieht nach den gleichen Regeln wie die Zwangs­ vollstreckung in Geldforderungen, mit folgenden Abweichungen:5 6 1) Eine Ueberweisung an Zahlnngsstott ist unzulässig/ 2) Bezieht sich der Anspruch auf eine bewegliche Sache, so ist in dem Pfändungsbeschluffe anzuordnen, daß sie von dem Drittschuldner an einen von dem Gläubiger zu beauf­ tragenden Gerichtsvollzieher herauszugeben fei.5 Die Ver­ werthung der Sache geschieht sodann nach Maßgabe der Vorschriften über die Verwerthung gepfändeter Sachen? 3) Bezieht sich der Anspruch auf eine unbewegliche Sache, so ist in dem PfändungSbeschluffe anzuordnen, daß sie von dem Drittschuldner an einen Sequester7 herauSzugeben sei, welchen das Amtsgericht, in dessen Bezirke die Sache liegt, auf Antrag deS Gläubigers zu bestellen hat?

« CP. §. 749 Abs. 5. 1 S. CP. §. 769. - S. CP. §. 770. » CP §. 745. < CP. §. 748. S. ob. ß.89. V. 6 Durch die Herausgabe an den Gerichtsvollzieher erhält der Gläubiger an der Sache ein Pfandungspfandrecht (CP. §. 709), dessen Rangordnung sich jedoch nach dem Zeitpunkte der

Pfändung des Anspruches be­ stimmt: CP. § 751 Abs. 2. S. noch Struckm x. CP. §. 746. Weg.n der Gebür deS Gerichts­ vollziehers für die Uebernahme der Sache s. GVollz.Geb. §. 5. 6 CP. 8. 746. S.ob.8.87. II. 7 Sequester ist der Verwahrer und Verwalter streitigen ober in Beschlag genommenen Gutes. 8 CP. 8. 747 Abs. 1. Dgl.

356

Th. HI. Abschn.V. Zwangövollstr. Cap. H. Arten u.Mttel

Die Zwangsvollstreckung in die herausgegebene Sache ge­ schieht sodann nach Maßgabe der (landesgesetzlichen) Vor­ schriften über die Zwangsvollstreckung in unbewegliche Sachen?

§. 91. d. Mehrheit eou Gläubiger« bei der Jwaogsvollflreckuog io Geldsorderunzra oder Ansprüche auf die Verausgabe oder die Leistung körperlicher Sachen.

I. Ist eine Geldforderung für mehrere Gläubiger gepfändet, so kann der Drittschuldner an einen derselben allein mcht mit Sicherheit zahlen. Er ist daher berechtigt und auf Verlangen, d. h. auf zugestellte Aufforderung, eines Gläubigers, welchen: die Forderung überwiesen ist, auch verpflichtet, unter Anzeige der Sachlage und Aushändigung der ihm zugestellten Se* schlüfse an dasjenige Amtsgericht, deffen Pfändungsbeschluß ihm zuerst zugestellt worden ist, den Schuldbetrag (bei Ge­ richt oder der sonstigen landesgesetzlich bestimmten Stelle) zu hinterlegen? Ist ein Anspruch auf Herausgabe oder auf Leistung einer beweglichen körperlichen Sache für mehrere Gläubiger ge­ pfändet, so ist der Drittschuldner berechtigt und auf Verlangen eines Gläubigers, welchem der Anspruch überwiesen ist, auch verpflichtet, die Sache unter Anzeige der Sachlage und Aus­ händigung der ihm zugestellten Beschlüffe an denjenigen Ge­ richtsvollzieher herauszugeben, welcher zufolge des dem DrittCP. §. 755. S. noch Struckm. z. 1 CP. §. 750. Ueber die Wir­ CP. §. 747. Die Bestellung des kung der Hinterlegung s.ob.§.79 Sequester geschieht aebürenfrei: Anm. 17. Ueber die Anwendung GK. §. 47 Nr. 3 a. E S. aber von CP. §. 750 auf die in CP. RAGeb. §. 23 Nr. 1 vbd. §. 29 §. 732 bezeichneten Forderungen Nr. 6. s. Struckm. z. CP. §. 750 Bem. 4. 9 CP. §. 747 Abs. 2 vbd. §. 757 Abs. 1.

Mehrheit v. Gläubigem bei Vollstr. in Forderungen. tz. 91.

357

schuldner zuerst zugestellten Pfändungsbeschluffes zur Empfang­ nahme der Sache ermächtigt ist. Ist von dem Gläubiger, auf besten Gesuch dieser Beschluß erlassen ist, ein solcher Ge­ richtsvollzieher nicht bezeichnet, so wird er auf Antrag des Drittschuldners von dem Amtsgerichte des Ortes, wo die Sache herauszugeben ist, ernannt? Reicht der Erlös der Sache zur Deckung der sämmtlichen Forderungen nicht aus, so muß, wenn einer der betheiligten Gläubiger Widerspruch gegen die Vertheilung nach der Reihenfolge der Pfändungen erhebt und eine Einigung über die Art der Vertheilung nicht zu Stande kommt, der Gerichtsvollzieher den Erlös hinterlegen und die Sachlage mit Beifügung der das Verfahren betreffenden Schriftstücke demjenigen Amtsgerichte anzeigen, dessen Pfändungsbeschluß dem Drittschuldner zuerst zugestellt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn die Pfändung für mehrere Gläubiger gleichzeitig bewirkt ist und diese sich bei Unzu­ länglichkeit des Erlöses über die Art der Vertheilung nicht einigen können? Das Amtsgericht leitet alsdann das Ber­ theilungsverfahren ein? Bezieht sich der für mehrere Gläubiger gepfändete An­ spruch auf eine unbewegliche Sache, so ist der Drittschuldner berechtigt und auf Verlangen eines Gläubigers, welchem der Anspruch überwiesen ist, auch verpflichtet, die Sache unter Anzeige der Sachlage und Aushändigung der ihm zugestellten « CP. §. 751 Abs. 1 vgl. §. 746. Ueber die Wirkung der Herausgabe s. ob. §. 90 Amn. 5. Die Ernennung des Gerichts« Vollziehers geschieht aebürenftei: GK.tz.47 Nr.3. S.aberRAGeb. §. 23 Nr. 1 vbd. §. 29 97r. 6. Wegen der Gebür des Ge­

richtsvollziehers s. GVollz.Geb. tz. 5. 3 CP. tz. 751 Abs. 2, 3. Vgl. CP. §. 728 Abs, 2, 3 (s. ob. §. 87. III. a. E.). Ueber die Wirkung der Hinterlegung s. ob. tz. 79 Anm. 17. 4 CP. §§. 758 ff.

358

Th III. Abschn.V. ZwaugSvollstr. Cap. II. Arten u. Mittel.

Beschlüsse an den Sequester herauszugeben, welchen das Amts­ gericht, in dessen Bezirke die Sache liegt, bereits bestellt oder, wenn dies noch nicht geschehen ist, auf Antrag des Dritt­ schuldners zu bestellen hat?

II. Auf Erfüllung der genannten Verpflichtungen (CP.

§§. 750—752) kann jeder der mehreren Gläubiger, wenn ihm die gepfändete Geldforderung oder der gepfändete sonstige

Anspruch überwiesen ist, für sich allein gegen den Drittschuldner Klage erheben? Da man aber dem letzteren nicht zumuthen kann, mit jedem Gläubiger einen besonderen Proceß zu führen,

so ist die Entscheidung, welche auf jene Klage ergeht, für und gegen sämmtliche betheiligte Gläubiger wirksam?

Um gegen­

über den übrigen Gläubigern jede Unbilligkeit zu verhüten,

darf sich nicht allein jeder Gläubiger, für welchen der An­ spruch gepfändet ist, dem Kläger in jeder Lage des Rechts­

streites als Streitgenosse

anschließen?

sondern der Dritt­

schuldner ist auch gehalten, diejenigen Gläubiger, welche weder die Klage erhoben noch sich dem Kläger angeschlossen haben, seinerseits zu der mündlichen Verhandlung zu laden?

Gegen

einen Gläubiger, welchen er zu derselben nicht geladen hat.

6 CP. §. 752. Vgl. CP. §. 747 (f. ob. §. 90 Nr. 3). Die Bestellung deö Sequester ge-

bigern gegenüber nur eiuheit lich sestgestellt werden kaun so sind die Vorschriften in CP.

Vollste. in sonstige unkörperl. BermögenSstücke. g. 92.

359

obwohl er ihn hätte laden sollen, kann er sich ans die ihm günstige Entscheidung nicht berufen?"

§.92. e. 3wfl«giooH|!rtdiung In sonstige Ansprüche und uukvrperllche vermvgenistScke.

Die Zwangsvollstreckung in Ansprüche, welche sich nicht auf Geldzahlung noch auf Herausgabe oder Leistung körper­ licher Sachen beziehen, oder in sonstige nicht körperliche Stücke des beweglichen Vermögens geschieht nach den gleichen Regeln wie die Zwangsvollstreckung in Geldforderungen und Ansprüche auf Herausgabe oder Leistung körperlicher Sachen, soweit diese Regeln auf den Fall paffen? Ist kein Drittschuldner vorhanden,3* 1so* gilt die Pfändung als bewirkt, sobald dem Schuldner das gerichtliche Verbot jeder Verfügung über das Recht auf Betreiben des Gläubi­ gers zugestellt ist.3 Bei der Zwangsvollstreckung in Rechte, welche, wie z. B. der Nießbrauch, nur in Ansehung der Ausübung veräußerlich sind, kann das Vollstreckungsgericht besondere Anordnungen erlassen. Insbesondere kann es bei der Zwangsvollstreckung in einen Nießbrauch oder ein anderes Nutzungsrecht eine 10 CP. §. 753 Abs. 5. Wohl aber der Gläubiger gegen den Drittschuldner auf die für die­ sen ungünstige. 1 CP. §. 754 Abs. 1. Ueber die hierher gehörigen Ansprüche und Vermögensstucke s. Struckm. z. CP. §. 754 Bem. 1, Seuff. z. CP. §. 754 Bem. 1. 3 Wie z. B. wenn der Schuld­ ner die Sache, an welcher ihm der Nießbrauch zusteht, selbst

inne hat und benutzt. Dagegen wäre ein Drittschuldner vor­ handen, wenn z. B. die genannte Sache von dem Schuldner vermiethet oder verliehen wäre, oder wenn der Schuldner nur erst einen Anspruch auf Bestelluna des Nießbrauches gegen einen Anderen hätte u. dgl.

8 CP. §. 754 §. 730 Abs. 1, 2.

Abs. 2 vbd.

360

Th. HI. AbschmV. Zwangsvollstr. Cap. II. Arten u. Mittel.

Verwaltung anordnen. In diesem Falle wird die Pfändung

jedenfalls durch die Uebergabe der dem Nutzungsrechte unter­ worfenen Sache an den bestellten Verwalter bewirkt, wenn sie nicht schon vorher durch die Zustellung des Pfändungs-

beschlusses an den Drittschuldner oder in Ermangelrmg eines solchen an den Schuldner bewirkt war?

Ist die Veräußerung des gepfändeten Rechtes selbst zu­

lässig, wie z. B. bei Ersindungspateuten und Urheberrechten, so

kann das Vollstreckungsgerichl auch diese Veräußerung

anordnen/

§♦ 93. 4. Vertheilnngsverfahren.

Das Vertheilungsverfahren tritt ein, wenn bei der Zwangs­ vollstreckung in bewegliches Vermögen ein Geldbetrag hinter­

legt ist, welcher zur Befriedigung der betheiligten Gläubiger,

d. h. derjenigen, für welche die Pfändung, sei es zum Zwecke

der Vollstreckung, sei es zum Zwecke des Arrestes, erfolgt ist, nicht ausreicht?

Es wird von dem je nach Bewandtniß des

Falles zuständigen Amtsgerichte2 von Amtswegen eingeleitet

und betrieben.

I.

Dieses Amtsgericht hat nach Eingang der Anzeige von

der Sachlage zunächst an jeden der betheiligten Gläubiger die

4 CP. §. 754 Abs. 3. Ueber den Sinn dieser Vorschrift s. Struckm. z. CP. §. 754 Lern. 3. Wegen der Anwaltsgebüren s. RAGeb. §. 32 a. E. 5 CP. §. 754 Abs. 4. Dgl. CP. §§. 743, 746 Abs. 2. ' CP. §. 758 vbd. §§. 728 Abs. 2, 3 (s. ob. §. 87. III.

a. C.), 750, 751 Abs. 2, 3 (s. ob. §. 91. I.), 810. Vbd. CP.Pr. S. 409 fg. S. auch Struckm. z. CP. §. 758 Bem. 2. — Wegen der Gebüren s. GK. §. 42, RAGeb. §. 39. 2 CP. §§. 728 Abs. 2, 750, 751 Abs. 2. S. ob. §. 87. III. a. E., §. 91. I.

Aufforderung zu erlassen, innerhalb zweier Wochen eine Be­ rechnung seiner Forderung an Capital, Zinsen, Kosten und sonstigen Nebenforderungen einzureichen? Nachdem diese Frist für jeden der Gläubiger abgelaufen ist, wird von dem Ge­ richte ein Theilungsplan angefertigt. Die Forderung eines Gläubigers, welcher bis zur Anfertigung des Theilungsplans die erwähnte Berechnung nicht eingereicht hat, wird dabei lediglich imb mit Allsschluß jeder nachträglichen Ergänzung nach der von dem Gerichtsvollzieher oder dem Drittschuldner­ erstatteten Anzeige und ihren Unterlagen berechnet. Die Kosten des Vertheilungsverfahrens sind vorweg von der Maffe in Abzug zu bringen? Zur Erklärung über den Theilungsplatt und zur Ansführuilg der Vertheilung ist von dem Gerichte ein Termin zu bestimmen, und spätestens drei Tage vor demselben ist der Theillnrgsplan auf der Gerichtsschreiberei zur Einsicht der Betheiligten niederzulegen. Zu denr Termin muß auch der Schuldner geladen werdell, weiln nicht für diese Ladung eine Zustellung im Auslande oder eine öffentliche Zustellung erforderlich wäre? II. Wird vor oder in dem Termin kein Widerspruch gegen deil Theilungsplatt erhoben, so ist dieser zur Aus­ führung zu bringen. Erfolgt ein Widerspnich, so hat sich jeder dabei beiheiligte Gläubiger sofort zu erklären. Wird der Widerspruch von den Betheiligten als begründet aner­ kannt, oder kommt sonst eine Einigung zu Stande, so ist der Theilungsplan entsprechend zu berichtigen. Erledigt sich ein Widerspruch nicht auf diese Weise, so wird der TheilungS-

3 CP. §. 759. I 4 CP. 8.760. S. nochStruckm. | z. CP. §. 760 Bem. 4. i

6 CP. §. 761.

362

Th. IH. Abschu-V. Zwangsvollstr. Cap. II. Arten u. Mittel,

plan wenigstens insoweit ausgeführt, als er durch den Wider­ spruch nicht betroffen wird/ Gegen einen Gläubiger, welcher weder vor dem Termin bei dem Gerichte Widerspruch erhoben hat noch in dem Ter­ min erschienen ist, wird angenommen, daß er mit der Aus­ führung des Theilungsplans einverstanden sei. Ist ein nicht erschienener Gläubiger bei dem von einem anderen Gläubiger erhobenen Widerspruche betheiligt, so wird angenommen, daß er denselben nicht als begründet anerkenne? III. Besteht ein in dem Termine nicht erledigter Wider­ spruch, so muß ohne vorherige Aufforderung derjenige Gläubiger, welcher ihn erhoben hat, gegen die dabei betheiligten Gläubiger zur Anfechtung des Theilungsplans Klage erheben und die geschehene Klageerhebung dem Vertheilungsgcrichte innerhalb eines Monates seit dem Terminstage nachweisen. Widrigen­ falls wird die Ausführung des TheilungSplans ohne Rücksicht auf den Widerspruch angeordnet. Dadurch verliert jedoch der Gläubiger, der ihn erhoben hat, nicht die Befugniß, gegen den anderen, welcher durch jene Ausführung des Thei­ lungsplans dem Widerspruche zuwider einen Geldbetrag er­ hält, ein besseres Recht im Wege einer selbständigen, mit dem Vertheilungsverfahren nicht mehr zusammenhängenden Klage geltend zu machen, für welche sich die Zuständigkeit nach den gewöhnlichen Grundsätzen bemißt? Für die oben genannte Klage zur Anfechttulg des Theilungsplans (CP. §. 764 Abs. 1) dagegen ist das Bertheilungsgericht oder, 6 CP. §. 762 vbd. §. 763 terlegt: CP. §. 810 Abs. 2 (s. Abs 1. — Die aus Gläubiger, unt. §. 98. VI.). für welche die Pfändung zum * CP. §. 763. Zwecke des Arrestes erfolgt ist, 8 CP. §. 764. treffenden Beträge werden hin­

Vertheilungsverfahren. g. 98,

363

wenn der Streitgegenstand nicht zur sachlichen Zuständigkeit der Amtsgerichte gehört, das übergeordnete Landgericht aus­ schließlich zuständig? Bestehen mehrere nicht erledigte Wider­ sprüche und gehört auch nur eine der Klagen, welche nunmehr zur Anfechtung des Theilungsplans erforderlich sind, zur sachlichen Zuständigkeit deS Landgerichtes, so ist dieses für alle jene Klagen zuständig, falls nicht die sämmtlichen betheiligten Gläubiger vereinbaren, daß das Bertheilungsgericht über alle Widersprüche entscheiden solle.10 IV. In dem Urtheil, durch welches über einen Widerspruch entschieden wird, ist zugleich zu bestimmen, an welche Gläubiger und in welchen Beträgen der streitige Theil der Masse auszuzahlen sei, oder, wenn dieses nicht für angemessen erachtet wird, die Anfertigung eines neuen Theilungsplans und ein anderweites Vertheilungsverfahren anzuordnen." Das Versäumnißurthcil gegen einen Gläubiger, welcher Widerspruch erhoben hat, ist dahin zu erlassen, daß der Widerspruch als

zurückgenommen anzusehen fei.1Auf Grund des ergangenen Urtheils wird die Auszahlung

9 CP. §. 765 Abs. 1 vbd. §. 707. Nach Rücksichten bloß des sprachlichen Zusammenhanges könnte man geneigt sein, den Ausdruck „die Klage" in CP. §. 765 Abs. 1 auch und sogar nur aus die in CP. §. 764 Abs. 2 genannte Klage zu be­ ziehen; allein nach dem sach­ lichen Zusammenhänge (s. na­ mentlich CP. §.766) und nach der Begründung CPE. §§. 711—715) darf er vielmehr nur auf die in CP. §. 764 Abs. 1

genannte Klage bezogen werden. Die in §. 764 Abs. 2 genannte macht juristisch einen ganz neuen, erst durch die Ausführung des Theilungsplans entstehenden An­ spruch geltend und hat mit dem Bollstreckungsverfahren gar nichts zu thun. " CP. §. 765 Abs. 2. Vgl. ob. ß. 16 Anm. 4. 11 CP. §. 766. Vbd. CP.Pr. S. 410 (zu §. 713). S. noch Struckm. z.CP. §.766 Dem. 2, 3. 13 CP. §. 767.

364

Th. NI. Abschn.V. Zwangsvollstr. Cap. N. Arten u. Mittel,

oder das anderweile Bertheilnngsverfahren von dem Vertheilungsgerichte cmgeorbnet.13 §. 94. B. Zwangsvollstreckung tu unbewegliches vermögen.

Für die Zwangsvollstreckung in ein Grundstück ist als Vollstreckungsgericht dasjenige Amtsgericht zuständig, in deffen Bezirke daS Gnmdstück liegt? Es ordnet die Vollstreckung auf Antrag des Gläubigers an? Ist es mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Amts­ gerichtsbezirke ungewiß, welches Amtsgericht zuständig sei, oder liegt das Grundstück in den Bezirken verschiedener Amts­ gerichte, so ist auf Antrag eines Betheiligten, sei es eines der betheiligten Gläubiger oder des Schuldners, von demjenigen Gerichte, welches für jene sämmtlichen Amtsgerichte gemein­ sam daS zunächst höhere ist, eines derselben zum Boll­ streckunzsgerichte zu bestellen? Das Gleiche kann nach Er­ messen des gemeinsamen höheren Gerichtes auf Antrag ge­ schehen, wenn die Zwangsvollstreckung in mehrere, in ver­ schiedenen Alntsgerichtsbezirken liegende Grundstücke desselben Schuldners beantragt wird? *3* 1 *CP. ** * * 8§. 768. 1 CP. §. 755 Abs. 1 vbd. §. 707. Zn Ansehung anderen unbeweglichen Vermögens richtet sich die Zuständigkeit nach CP. §. 684 Abs. 2. 1 CP. §. 755 Abs. 2. Wegen der Gebären s. GK. §. 35 Nr. 3 vbd. §. 39, RAGeb. §. 23 Nr. 2 vbd. §.31. 8 CP. §.756 Abs. 1. Vgl.CP. §. 36 Nr. 2, 4 (s. ob. §. 15).

S. auch EG. z. CP. §. 9. Ueber das Verfahren s. CP. §. 37. (Dieser Paragraph ist ohne Zweifel anstatt des in CP. §. 756 Abs. 1 genannten §. 36 gemeint.) 4 CP. §. 756 Abs. 2. Die Bestimmung des zuständigen Gerichtes geschieht gebürenfrei: GK. §. 17 Nr. 3. S. aber RAGeb. §. 23 Nr. 1 vbd. §. 29 Nr. 6.

Erzwingung der Herausgabe von Sachen, tz. 95,

Zgg

Im Uebrigen richtet sich die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen einschließlich des mit derselben ver­ bundenen Aufgebots- und Vertheilungsverfahrens nach den Landesgesetzen. Auch bestimmt sich nach denselben, welche Sachen und Rechte in Ansehung der Zwangsvollstreckung zum unbeweglichen Vermögen gehören, inwiefern der Gläubiger berechtigt ist, seine Forderung in das Hypothekenbuch (Grund­ buch, Hypothekenregister) eintragen zu lassen, und wie die Eintragung zu bewirken ist? Die Erledigung derjenigen RechtSstreitigkeiten, welche in dem Bollstrecknngsverfahren entstehen und in einem besonderen Processe zu erledigen sind, geschieht jedoch nach den Vorschriften der Civilproceßordnung. Insbe­ sondere kommen bei Streitigkeiten, welche im Vertheilungsverfahren entstehen und in einem besonderen Processe zu er­ ledigen sind, die g§. 765—768 der Civilproceßordnung (ob. §. 93. II. III.) zu entsprechender Anwendung?

§. 95. IT. Zwangsvollstreckung jur Erwirkung der Herausgabe von Sachen und jur Erwirkung von Handlungen oder linterlastimgen.

I. Hat der Schuldner eine in seinem Gewahrsam befind­ liche bestimmte bewegliche Sache (z. B. ein bestimmtes Pferd) herauSzugeben, so geschieht die Zwangsvollstreckung in der Weise, daß ihm der Gerichtsvollzieher die Sache wegnimmt und sie dem Gläubiger übergibt. Gleiches gilt, wenn der Schuldner von bestinnnten beweglichen in seinem Gewahrsam befindlichen Sachen eine gewisse Menge (z. B. 20 Hektoliter von dem auf seinem Speicher lagernden Weizen, zwei von

6 CP. §. 757 Abs. 1, 2. Vbd. I Conc.O. §. 39 Abs. 2. |

6 CP. §. 757 Abs. 3.

366

Th. IHv AbschmV. Zwangsvollstr. Cap. H. Arien u. Mittel,

den Pferden in seinem Stall) herauszugeben hat? Wird die herauszugebende Sache, oder werden die Sachen, oon denen eine gewisse Menge herauszngcben ist, bei dein Schuldner nicht vorgefunden, so muß er auf Antrag des Gläubigers den Offenbarungseid dahin leisten, „daß er die Sache (bezw. „die Sachen") nicht besitze, auch nicht wisse, wo die Sache sich befinde."3* 1 * Durch Wegnahme und Uebergabe an den Gläubiger ge­ schieht die Zwangsvollstreckung auch dann, wenn der Schuldner eine bestimmte- Menge vertretbarer Sachen oder Werthpapierc3 zu leisten hat und dergleichen Sachen oder Werthpapiere sich bei ihm vorfinden.4 CP. §. 769 Abs. 1. Die Auswahl unter den Sachen, von denen eine gewisse Menge ber« aukzugeben ist, steht also, sobald es einmalzurZwangsvoustreckung kommt, stets dem Gläubiger zu,, auch wenn sie ursprünglich dem Schuldner zustand. S. auch CP.Pr. S.572—581,604-606. Wegen der Gebür des Gerichts­ vollziehers s. GVollz.Geb. §. 6. 1 CP. §. 769 Abs. 2. S. auch Abs. 3. Der Schuldner ist je­ doch verpflichtet, alles anzugeben, was ihm über den Derbleib der Sache bekannt ist: Bear. z. CPE. §§. 715-718. - Nach Maß­ gabe von CP. §. 769 geschieht die Zwangsvollstreckung auch bei einer Verpflichtung zur Herausgäbe von Personen: CP. Pr. S. 414. 3 Ueber den Begriff s. ob. §. 65. I.

4 CP. §. 770. Diese Vorichrift ist auch auf den Fall an­ zuwenden, wenn der Schuldner eine gewisse Menge nicht ver­ tretbarer aber nur der Gat­ tung nach bestimmter Sachen (z. B. zwei Kutschpferde von bestimmter Raffe) zu liefern hat, weil auch in dem verwandten Fall des § 769, sobald eö zur Zwangsvollstreckung kommt, je­ desmal dem Gläubiger die Aus­ wahl zufieht. UeberdieS steht zur Erwiüung solcher Leistungen ein anderes Vottstreckungsmittel wegen CP. §. 773 Abs. 3 gar nicht zu Gebote. S. auch CP.Pr'. S. 576, 577, 579, 581, 605. Vgl. Arch. LXI. S. 438. Ebenso Struckm. z. CP. §.770 Bem. 2 Abs. 2. A. M. Wilm. z. CP. §. 773 Bem. 5. — Zur Leistung eines Offenbarungseides ist der Schuldner in den Fallen von

Erzwingung der Herausgabe von Sachen, g. 95.

Ztz7

Hat der Schuldner eine unbewegliche Sache oder ein be­ wohntes Schiff herauszugeben, zu überlassen oder zu räumen, so geschieht die Zwangsvollstreckung in der Weise, daß der Gerichtsvollzieher den Schuldner aus dem Besitze setzt und ben Gläubiger in den Besitz einweist/ In dem Grundstücke oder Schiffe befindliche bewegliche Sachen, welche nicht als Zubehürungen von der Zwangsvollstreckung mit ergriffen werden, werden von dem Gerichtsvollzieher weggeschafft und dem Schuldner oder, wenn dieser abwesend ist, einem Be­ vollmächtigten desselben oder einer zu der Familie deS Schuldners gehörigen oder in derselben dienenden erwachsenen Person übergeben. Ist weder der Schuldner noch eine der genannten Personen anwesend, so hat der Gerichtsvollzieher die Sachen auf Kosten des Schuldners in daS Pfandlocal zu schaffen oder sonst in Verwahrung zu bringen. Verzögert der Schuldner die Abforderung, so kann das Bollstreckungs­ gericht auf Antrag des Verwahrers oder auch von Amts­ wegen den Verkauf der Sachen und die Hinterlegung deS Erlöses anordnen? Befindet sich eine herauSzugebende bewegliche oder unbe­ wegliche Sache im Gewahrsam eines Dritten, gegen welchen aus dem Schuldtitel eine unmittelbare Zwangsvollstreckung nicht zulässig,' und der auch nicht freiwillig zur Herausgabe der Sache bereit ist,' so muß der Gläubiger den Anspruch deS Schuldners auf die Herausgabe der Sache nach den CP. §. 770 nicht verpflichtet: CP-Pr. S. 604-606. • CP. §. 771 Abs. 1. • CP. §. 771 Abs. 2-4. Sauch CP-Pr. S. 412. — Wegen der Gebären s. GBollz.Geb. §.8

Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2: GK. 6-35 Nr. 3 vbd. §. 39« RAGeb. §. 23 Nr. 2 vbd. §. 31. ’ S. CP. §§. 73 Abs. 4, 665 (ob. §. 80. I.). « Vgl. CP. §. 713.

368

Th. III. Slbschn.V. Zwangsvollstr. Cap. U. Arten u. Mittel.

Regeln über die Pfändung von Ansprüchen pfänden und sich überweisen lassen? IL

Ist der Schuldner zu einer anderen Handlung als

Herausgabe oder Leistung von Sachen verpflichtet, und ist die «Handlung von der Art, daß es für den Gläubiger gleichgültig

sein muß, ob sie durch den Schuldner selbst oder durch einen Dritten vorgenommen wird, (z. B. Beseitigung eines Bau­ werkes, Straßenreinigung u. dgl.): so geschieht die Zwangs­

vollstreckung in der Weise, daß das Proceßgericht erster In­ stanz den Gläubiger auf seinen Antrag ermächtigt, die Hand­

lung auf Kosten des Schuldners vornehmen zu lassen.

Der

Gläubiger kann zugleich eine Verurteilung des Schuldners

zur Vorauszahlung

der muthmaßlichen Kosten beantragen,

unbeschadet des Rechtes auf eine Nachforderung, wenn die

Vornahme der Handlung «lehr Kosten verursacht?9 10 Ist die Handlung nicht von der Art, daß sie auch durch

einen Dritten vorgenommen werben kann, so kommt es darauf 9 CP. §. 772 vbd. §§. 7457-18. S. ob. §. 89. V. vbd. §. 90 Nr. 1. Auch die Vorschristen in CP. §§. 751 — 753 (ob. §. 91. I.) sind anwendbar. S. noch Struckm. z. CP. §. 772 Bem. 1, 2. Wegen der Gebären s. GK. §. 35 Nr. 3 vbd. §. 39, RAGe! §. 23 Nr. 2 vbd. 6. 31. 10 CP. §. 773. Die Cntscheidung 7ann ohne vorgängige mündliche Verhandlung, jedoch mir nach schriftlichem oder münd­ lichem Gehör des Schuldners erfolgen: CP. §. 776. S. auch CP.'§.777 (unt. III a. E.). 5m Fall von CP. §. 702 Nr. 2 ist das dem Proeeßgerichte evfter

Instanz entsprechende Gericht das Amtsgericht, vor welchem der Vergleich abgeschlossen ist. Vgl. CP. §. 703 vbd. §§. 662 Abs. 2, 667, 686 Abs. 1, 700. A. M. v. Sarrvey, Die Civilproceßordnung, z. CP. §. 773 Anm. 3 und Struckm. z. CP. §. 773 Bem. 2, welche an daö Vollstreckungsgericht nach CP. §. 684 Abs.2 denken. — Wegen der Gebüren s. GK. §. 27 Nr. 2 vbd. tz. 39, RAGeb. §. 23 Nr. 2 vbd. §§. 31, 33 Abs. 1. — lieber eine besondere Form der Voll­ streckung s. BankG. v. 14. März 1875 §§.51 — 53.

Erzwingung von Handlungen,

§. 95.

369

an, ob ihre Vornahme ausschließlich von dem Willen deS Schuldners

abhängt oder nicht.

auf Vornahme zulässig."

der Handlung

Im letzten Fall ist jeder

selbst gerichtete Zwang un­

Im ersten Fall dagegen (wie z. B. bei einer Ver­

pflichtung zu RechnungslegungM) hat das Proceßgericht erster

Instanz

auf Antrag des Gläubigers zu erkennen,

daß der

Schuldner zur Vornahme der Handlung durch Geldstrafe, die bis zur Erreichung eines Gesammtbetrages von 1500 Mark

nötigenfalls wiederholt werden kann, oder durch Haft anzu­ halten sei."

Zur Eheschließung darf jedoch ein Zwang nicht

angewendet werden und zur Herstellung des ehelichen Lebens

nur so weit, als ihn die Landesgesetze für zulässig erklären." HL

Ist der Schuldner zur Unterlassung einer Handlung

(z. D. des Fahrens über ein Grundstück des Gläubigers) oder zur Duldung

der

Vornahme

einer

Handlung

(z. B. deS

Wafferholens an seinem Brunnen) verpflichtet, so ist ihm auf Antrag des Gläubigers" in dem Urtheil, welches die Ber-

11 Begr. z. EPE. §§.719—722, 725 in Abs. 4. Vgl. RG. v. 29. Mai 1868 §. 1. " S. auch HGB. Art. 532, SeemannsO. v. 27. Dez. 1872 §. 29. Vgl. Begr. z. CPE.

öe « CP. §. 774 Abs. 1.

Vbd.

CP. §. 776 (ob. Anm. 10). S. auch CP. §. 794 (unt. §. 97. II. a. E.). Die Wahl zwischen der Geldstrafe oder der Hast steht dem Gläubiger, nicht dem Ge­ richte, zu. S. Bear. z. CPE. a. a. O. in Ms. 5, Wilm. z. CP. §. 774 Bem. 2, Seuff. z. CP. §§.773—775 Bem. 3.ä. A. M. Fitting, Civilproceß. 6. Äufl.

Struckm. z. CP. §. 774 Bem. 2 a. E. S. noch Struckm. ebend. Bem. 3, 4. — Wegen der Ge­ bären s. GK. §. 27 Nr. 2 vbd. §. 39, RAGeb. §. 23 Nr. 2 vbd. §. 34. " CP. §. 774 Abs. 2 vbd. §. 779 Abs. 2. S. auch EG. z. CP. ß. 16 Nr. 6. Wird trotz der Verurthellung zur Einge­ hung der Ehe die Eheschließung venveigert, so kann bloß auf Leistung des Interesse nach CP. §. 778 geklagt werden. S. Begr. z. CPE. §§.719—722, 725 gegen Ende. " CP. §. 279.

24

370

TH.Ill. Abschn.V. Zwangsvollstr. Cap. U. Arten u.Mitte!.

Pflichtung ausspricht, zugleich für jede Zuwiderhandlung eine

Geldstrafe bis zu 1500 Mark oder die Strafe der Haft

bis zu

sechs Monaten

anzudrohen.

Ist dieses nicht ge­

schehen, so ist die Strafandrohung auf Antrag des Gläu­

bigers von dem Proceßgerichte erster Instanz nachträglich zu erlassen."

Handelt der Schuldner trotzdem seiner Verpflich­

tung zuwider, so ist er wegen einer jeden Zuwiderhandlung auf Antrag des Gläubigers von dem Proceßgerichte erster

Instanz zu der angedrohten Strafe zu verurtheilen; jedoch darf wegen mehrerer gleichzeitig 5.1 bestrafender Zuwiderhand­

lungen nie auf eine höhere Gesammtstrafe alc zwei Jahre Haft erkannt werden?7

Daneben ftiiui der Schuldner auf

Antrag des Gläubigers zur Bestellung einer Sicherheit für den durch fernere Zuwiderhandlung entstehenden Schaden auf

bestimmte Zeit vernrthcilt werden."

Leistet der Schuldner Widerstand gegen die Vornahme einer Handlung, welche er 511 dulden hat (CP. §§. 773 Abs. 1,

775 Abs. 1), so ist der Gläubiger auch befugt, zur Beseitigung des Widerstandes einen Gerichtsvollzieher zuzuziehen, welcher

nach CP. §. 678 Abs. 3 (ob. S. 326) zu verfahren hat."

IV.

Durch die bisher in diesem Paragraphen dargestellten

19 CP. §. 775 Abs. 2 vbd. §. 776 (ob. Amu. 10). Die Wahl zwischen der Geldstrafe oder der Haststrafe steht hier beut Genchte zu. S. Seuff. z. CP. 773 775 Bem. 4.6. A. M. Wilm.z. CP. §. 775 Bem. 1. S. noch Struckm. z. CP. §. 775 Bem. 2, 4. — Wegen des Falls von CP. §. 702 Nr. 2 s. Anm. 10. 17 CP. §. 775 Abs. 1 vbd. §. 776 (ob. Anm. 10). Vgl.

StGB. 74, 79 und CP. Pr. S. 114 folg. " CP. §. 775 Abs. 3 vbd. 776 (ob Anm. 10). — Wegen der Gebären für die in CP. §. 775 bezeichneten Verhandlun­ gen und Entscheidungen s. GK. §. 27 Nr. 2 vbd. §. 39, RAGeb. §. 23 Nr. 2 vbd. §§. 33 Abs. 2, 3. 19 CP. §. 777. Wegen der Gebür des Gerichtsvollziehers s. GVollz.Ged. §. 8 Nr. 2.

Offenbarungßeid. g. 96.

371

Vorschriften wird daS nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes begründete Recht des Gläubigers, anstatt der wirk­ lichen Erfüllung der Verpflichtung die Leistung seines Interesse, d. h. Ersatz des Werthes, welcher seinem Vermögen in Folge der Nichterfüllung abgeht, zu fordern, nicht berührt. Der Anspruch auf Leistung des Interesse ist int Wege einer be­ sonderen Klage geltend zu machen, für welche das Proceß­ gericht erster Instanz ausschließlich zuständig ist20 V. Ist der Schuldner zur Abgabe einer Willenserklärmtg (z. D. zur Bewilligung einer Eintragung oder Löschung im Hypothekenbuche, zur Antretung einer Erbschaft ii. dgl.) ver­ urteilt, so gilt die Erklärung als abgegeben, sobald das

Urtheil rechtskräftig geworden ist. Ist die Willenserklärung von einer Gegenleistung abhängig gemacht,, so gilt sie als abgegeben, sobald nach den Vorschriften in CP. §§. 664, 666 (s. ob. §.80.1.) eine vollstreckbare Ausfertigung des rechtskräf­ tigen Urtheils ertheilt ist21 Im Fall der Verurtheilung zur Eingehung einer Ehe sind diese Vorschriften nicht anwendbar.2'

§. 96. III. Bffenbanmgseid.

Für die Abnahme des nach den Vorschriften der Civilproceßordnullg (und der Concursordnung) ztt leistenden Offenbarungseides1 ist als Vollstreckungsgericht dasjenige 10 CP. §. 778 vbd. §. 707. 11 CP. §. 779 Abs. 1. S. ob. §. 80 Anm. 3. Ueber die ver­ schiedenen Ansichten s. Sttuckm. z. CP. §. 779 Bem. 2. Vgl. auch Pet. z. CP. §. 779 Nr. 2 und Eccius in Gruch. XXIII. S. 740 fo.

« CP. §. 779 Abs. 2. S. ob. Anm. 14. 1 S. CP. §§. 711, 769 Abs. 2, 3; Conc.O. §. 115. Der nach Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu leistende Offenbarungseid (EG. z. CP. §. 16 Nr. 3) fällt nicht unter CP.

24*

372

Th.HI. Abschn.V. ZwangSvollstr. Cap.H. Artrnu-Mittel.

Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirke der Schuldner seinen

Wohnsitz

oder,

wenn

eS

an

einem

solchen im Deutschen

Reiche fehlt, seinen, wenn auch nur vorübergehenden, Auf­

enthalt hat? DaS Verfahren beginnt damit, daß der Gläubiger den Schuldner zur Leistung des OffenbarungsrideS in einem durch daS Vollstreckungsgericht bestimmten Termine ladet? Bestreitet

der Schuldner die Verpflichtung zur Leistung des EideS, so

hat daS Gericht nach vorgängiger mündlicher Verhandlung durch Urtheil über den Widerspruch zu entscheiden? Schuldner braucht den Eid erst dann zu leisten,

Der

wenn er

durch rechtskräftiges Urtheil dazu für schuldig erkannt ist6 Ist der Gläubiger in dem Termine nicht erschienen, so

ist auf Antrag deS erschienenen Schuldners der Antrag auf

die Leistung deS OffenbarungSeideS durch Verfäumnißurtheil abzuweisen?

kann

der

Ist dagegen der Schuldner nicht erschienen, so

erschienene Gläubiger ohne Weiteres,

und ohne

daß eS erst noch einer Verurtheilung deS Schuldners zur

§§. 780—784, sondern ist, nach­ dem durch rechtskräftiges Urtheil (f. CP. §§. 425 Abs. 2, 781 Abs. 2) daraus erkannt ist, nach Maßgabe von CP. §. 774 zu er­ zwingen. S. Begr. z. CPE. §§. 719-722, 726 in Abs. 4 gegen Ende. * CP. §. 780. Vgl. CP. §. 18 und ob. §. 13 Nr. 1. — Wegen der Gebären s. GK. §. 36 Nr. 3, vbd. §§. 39, 43, RAGeb. §. 23 Nr. 2 vbd. §. 32. s CP. §. 781 Abs. 1 vbd. §§. 782, 191. Wegen der Form der Ladung s.CP. §. 462; wegen

der Ladungsfrist s. CP. §. 194. S- aber auch CP. §. 461. 4 CP. §. 781 Abs. 2. (Ausnähme von CP. §. 684 Abs. 3.) DaS Urtheil ist durch Berufung anfechtbar. Vgl. Seuff. z. CP. §. 781 Bem. 2, Struckm. z. EP. §. 781 Bem. 2, 3. A. M. Wilm, z. CP. §. 781 Bem. 3. • CP. §. 781 Abs. 2, Vgl. CP. 8. 425 Abs. 2. Der Gläubiger muß dann den Schuldner von Neuem zur Leistung deS EideS laden. S. auch CP. §. 671 Abs. 1. 0 CP. §. 295.

Hast.

S7.

373

Leistung des Offenbarungseides bedarf, die Anordnung der

Hast zur Erzwingung desselben beantragen?

Auch dann muß das Gericht auf Antrag deS Gläubigers zur Erzwingung deS Eides die Hast anordnen, wenn der Schuldner die Leistung desselben ohne Angabe eines GrundeS

oder nach rechtskräftiger Verwerfung des angegebenen ver­

weigert? Der

verhaftete Schuldner kann zu jeder Zeit bei dem

Amtsgerichte des Haftortes beantragen, ihm den Eid abzu­

nehmen, und diesem Anträge muß ohne Verzug stattgegeben

werden.

Nach Leistung des Eides wird der Schuldner auS

der Haft entlassen und davon der Gläubiger in Kenntniß

gesetzt.»

8. 97. IV. Hast. I. Die Haft als Mittel zur Erzwingung von Handlungen1

wird in einem Raume vollstreckt, in welchem sich nicht zugleich Untersuchungs- oder Strafgefangene befinden?

7 CP. §. 782. « CP. §. 782 vgl. §. 355. Vbd. CP. §. 794. Gegen den die Hast anordnenden Beschluß ist nach CP. §. 701 sofortige Beschwerde statthaft, weil über den Antrag des Gläubigers auf Anordnung der Hast nach CP. §. 684 Abs. 3 ohne vorgängige mündliche Verhandlung entschiedenwerden kann. A.M.Struckm. z. CP. §. 782 Bem. 2, Seuff. J. CP. §. 782 Bem. 1, welche den Beschluß für unanfechtbar

0 CP. §. 783. 1 S. CP. §§. 355 Abs. 2, 774 Abs. 1, 782. Diese ZwangShast ist wohl zu unterscheiden von der Strafe der Haft, von welcher in CP. §§. 345 Abs. 1, 355 Abs. 1, 775 Abs. 1 die Rede ist. Letztere steht nicht unter den Vorschriften in CP. §§.785—794, sondern fällt unter §. 18 des Strafgesetzbuches und ist demgemäß zu beurtheilen.

1 CP. §. 788.

374

Th. HI. Abschn.V. ZwangSvollstr. Cap. II. Arten n. Mittel.

Die Vollstreckung der Haft ist aus Rücksichten des Ge­ meinwohls unstatthaft?

1) gegen Mitglieder einer deutschen gesetzgebenden Ver­ sammlung während der Sitzungsperiode, falls nicht die Versammlung die Vollstreckung genehmigt;4 2) gegen Militärpcrsonen, welche zu einem mobilen Truppen-

theil oder zu der Besatzung eines in Dienst gestellten Kriegsfahrzeuges gehören;

3) gegen

den Schiffer,

die Schiffsmannschaft und alle

übrigen auf einem Seeschiffe angestellten Personen, wenn dieses segelfertig, d. h. fertig zum Abgehen, ist?

Die Haft wird unterbrochen:^ 1) gegen Mitglieder einer deutschen gesetzgebenden Ver­

sammlung für die Dauer der Sitzungsperiode,

wenn

die Versammlung die Freilaffung verlangt;' 2) gegen Militärpcrsonen, welche zu einem mobilen Truppen-

theil oder auf ein in Dienst gestelltes Kriegsfahrzeug einberufen werden, für die Dauer dieser Verhältniffe.

Gegen einen Schuldner, deffen Gesundheit durch die Voll­

streckung der Haft einer nahen und erheblichen Gefahr aus­ gesetzt werden würde, darf, so lange dieser Zustand dauert,

die Haft nicht vollstreckt werden?

8 CP. tz. 785. Vgl. Struckm. z. CP. §. 785 Bem. 1. Wegen der Gebären des Gerichtsvollzichers in diesen Fällen s. GVollz.Geb. §. 9 Abs. 2. 4 Vgl. ReichSverfaffunz Art.31 Abs. 2. 5 Vgl. HGB. Art. 445 , 446 Abs. 3.

c CP. §. 786.

7 Vgl. Reichsverfassung Art.31 Abs. 3. 8 CP. §. 787. Wegen der Gebür des Gerichtsvollziehers in einem solchen Falle s.GVollz.Geb. §. 9 Abs. 2.

Hast. g.97.

375

II. DaS Gericht, welches die Haft onorbnct,9 hat gleich­ zeitig einen Haftbefehl zu erlassen, worin der Gläubiger, der Schuldner und der Grund der Verhaftung zu bezeichnen sind?9 Die Verhaftung geschieht durch einen vom Gläubiger beauftragten Gerichtsvollzieher, welcher dabei dem Schuldner den Haftbefehl vorzeigen und auf Begehren abschriftlich mit­ theilen mufj.11 Bor der Verhaftung eines Beamten, eines Geistlichen oder eines Lehrers an einer öffentlichen UnterrichtSanstalt hat der Gerichtsvollzieher der vorgesetzten Dienst­ behörde Anzeige zu machen und darf die Verhaftung erst vornehmen, nachdem jene für die dienstliche Vertretung des Schuldners gesorgt hat." Die Kosten, welche durch die Haft entstehen," einschließlich der Verpflegungskosten, muß der Gläubiger von Monat zu Monat vorauszahlen, und der Schuldner darf in das Ge­ fängniß nicht ausgenommen werden, wenn die Zahlung nicht mindestens für einen Monat geleistet ist. Wird die Zahlung nicht spätestens bis zum Mittage des letzten Tages, für den sie geleistet ist, erneuert, so wird der Schuldner von Amts­ wegen aus der Haft entlasten. Gegen den Schuldner, welcher aus diesem Grunde oder ohne sein Zuthun auf Antrag des Gläubigers entlasten ist, ist auf Antrag desselben Gläubigers eine Erneuerung der Haft aus dem nämlichen Haftgrunde unzulässig." Soll die Haft gegen eine dem activen Heer oder der 9 S. CP. §§. 355 Abs. 2, 774 Ms. 1, 782. S. auch CP. §. 812.

des Gerichtsvollziehers s.GVollz.Geb. §. 9 Abs. 1. " Nabercs CP. §. 791. i° CP. §. 789. 13 S. GK. §. 79 Nr. 8. " CP. §. 790 vbd. §. G71: “ u CP. T §.792. Vbd. CP. Pr. Abs. 1. - - Wegen der Gebür * S. 583.

376

Th. IH. Abschn.V. Cap. HI. Sicherung der ZwangSvollstr.

activen Marine angehörende Militärperson vollstreckt werden, so hat das Gericht auf Antrag des Gläubigers die vorge­

setzte Militärbehörde um die Vollstreckung zu ersuchen."

Die Haft darf aus dem nämlichen Haftgrunde und auf Antrag des nämlichen Gläubigers die Dauer von sechs Mo­ naten nicht übersteigen.

Nach Ablauf dieser Zeit wird der

Schuldner von Amtswegen entfaffcn?6

Drittes Eapitek.

Sicherung der zukünftigen Zwangsvollstreckung. §. 98. I. Arrest.

Arrest ist die Beschränkung Jemandes in seiner freien

persönlichen

Bewegung

(persönlicher Arrest)

oder

in

der

freien Verfügung über Bermögensstücke (dinglicher Arrest).

Der Arrest in dieser allgemeinen Bedeutung dient entweder als Vollstreckungsarrest zur Ausführung einer Zwangsvoll­

streckung, oder er dient als Sicherheitsarrest zur bloßen Siche­

rung einer jetzt noch nicht möglichen und daher erst in der Zukunft bevorstehenden Zwangsvollstreckung. Die Civilproceß-

ordnung

versteht unter Arrest nur den Sicherheitsarrest,

und zwar wiederum nur denjenigen Sichcrheitsarrest, welcher

16 CP. §. 794 Auch auf ,s CP. s.793. Vgl. CP. §.699 (ob. §. 82. IV.). S. aber CP. Antrag eines anderen Gläubigers §. 785 Nr. 2 (ob. I. Nr. 2). Die darf eine neue Haft nicht angeMitwirkung des Gerichtes ist ordnet werden im Fall von gebürenftei: GK. §.47 Nr. 13. CP. §.795 (s. ob. §.86. II. a. E.).

Arrest. §. 98.

377

die künftige Erlangung einer Geldleistung sichern soll.

Den-

jenigm Sicherheitsarrest, welcher die künftige Erlangung einer

anderen Leistung, z. B. der Herausgabe einer bestimmten be­

weglichen oder unbeweglichen Sache,

sichern soll, stellt sie

unter den Begriff der einstweiligen Verfügungen.1

I. Der Arrest in diesem Sinn ist zulässig zur Sicherung einer

zukünftigen

unbewegliches

Zwangsvollstreckung

Vermögen

wegen

einer

bewegliches

oder

Geldforderung

oder

in

wegen eines Anspruches, welcher in eine Geldforderung über­ gehen kann, für den Fall, daß er in eine solche übergehen,

daß

sich

also

die

ursprünglich

schuldige

Ersatzleistung in Geld verwandeln sollte?

Leistung in

eine

Daß die Geld­

forderung oder der sonstige Anspruch ein betagter iji, d. h. erst in einem späteren Zeitpunkte geltend gemacht werden kann,

schließt die Zulässigkeit des Arrestes nicht aus? Als bloßes Sicherungsmittel ist aber der Arrest immer nur zulässig, um eine drohende Veränderung der gegenwärtig

bestehenden Sachlage zu Ungunsten des Gläubigers zu ver-

1 S. Begr. z. CPE. §§. 741 bis 767. Landesgesetzliche Vor. schriften, wonach der Arrest auch zur Sicherung der Einleitung oder Fortsetzung eines Proceß, verfahrens verhängt werden konnte, und welche in Ansehung deö persönlichen Arrestes durch §. 2 deS Reichsgesetzes, betr. die Aufhebung der Schuldhaft, vom 29. Mai 1868 ausdrücklich aufrechterhatten waren, sind aufgeboven. S. EG. z. EP. §. 13 Nr. 1. Vbd. Begr. z. CPE. §§. 741—758 und §. 743. — Ueber den „offenenArrest" imConcurs.

verfahren s. Conc.O. §§. 102, 103, 108. 3 CP. §. 796 Abs. 1; vbd. §. 778 (s. ob. §. 95. IV.).

3 CP. 8.796 Abs. 2. Bei einem Ansprüche, dessen Entstehung von einer Bedingung avhangt, ist der Arrest nur, wenn nach dem bürgerlichen Rechte ein An­ spruch auf Sicherstellung besteht, zur Sicherung dieses letzten An­ spruches zulässig. S. Begr. z. CPE. 8. 741 a. E., CP.Pr. S. 423 sg. Vgl. Wilm. z. CP. §. 796 Beur. 4.

378

Th. HI. Abschn.V. Cap. III. Sicherung der Zwangsvollstr,

hüten, also mir dann, wenn die Gefahr besteht, daß ohne seine Verhängung die Beitreibung der Geldleistung so, wie

sie zur Zeit noch möglich wäre, künftig, wenn es zur Zwangs­ vollstreckung kommt, nicht mehr möglich oder doch erheblich

erschwert sein werde (wie z. B. wegen verschwenderischer Lebens­

weise des Schuldners, verdächtiger Veräußerung von Ver­

mögensstücken, u. dgl.)/

Flucht

oder

Fluchtverdächtigkeit

desselben

Der Umstand, daß die künftige Zwangsvollstreckung

im Auslande stattsinden müßte, ist stets als ein zureichender

Arrestgrund anzusehen.' Zur Verhängung des dinglichen Arrestes sind diese Voraussetzungen genügend?

Dagegen ist die Zulässigkeit des

persönlichen Arrestes noch

von

den weiteren Voraus­

setzungen abhängig, daß zur Sicherung der gefährdeten Zwangs­ vollstreckung in das Vermögen des Schuldners ein

ding­

licher Arrest (z. B. wegen Unbekanntsein der Bestandtheile dieses Vermögens oder des Ortes, wo sie sich befinden) nicht ansreicht und überdies die Gefahr besteht, daß der Schuldner

seine

persönliche Freiheit zur Vereitelung

Erschwerung

der Zwangsvollstreckung

4 S. CP. §§. 796—798. Da- I gegen darf der Anest nie ver- * hängt werden, um den Gläubi- , ger in eine günstigere alö die : gegenwärtig bestehende Lage zu! bringen; also namentlich der per- : sönliche Arrest nicht, um den | Schuldner zurHerbeijchaffung im \ Auslande befindlicher DeckungS ' iniitcl zu nötbigen. S. Begr. 1 z. CPE. 74:'. in Abf. 2 und Senst. i. CP. 79h Bem. 1. A. M. Wilm. x. CP. 798. -- j

oder erheblichen

in jenes Vermögen

CP. §. 798 spricht nur von der drohenden Vereitelung oder Er­ schwerung der Vollstreckung eines Urtheils; gewiß aber muß, besonders in Rücksicht auf CP. §. 796 Avs. 2, der Arrest auch zulässig sein zur Sicherung der gefährdeten Vollstreckung eines anderen vollstreckbaren Schuldtitcls, namentlich einer vollstreckbaren Urkunde. 6 CP. §. 797 Abs. 2. *• CP. §. 797.

Arrest, tz. 98.

379

(wie z. D. durch Berbringung desselben in daS Ausland) be­ nutzen würde?

II.

Für die Anordnung des Arrestes ist sowohl das Ge­

richt der Hauptsache zuständig, als dasjenige Amtsgericht, in dessen Bezirke der mit dinglichem Arreste zu belegende Ge­

genstand

oder die mit persönlichen:

Person sich befindet?

Arreste

zu belegende

Als Gericht der Hauptsache ist hier

dasjenige Gericht anzusehen, bei welchen! die Klage wegen

deS Hauptanspruches (d. h. des zu sichernden Anspruches) in

erster Instanz anhängig gemacht werden kann oder zur Zeit

anhängig ist oder früher anhängig war, falls aber die Haupt­ sache zur Zeit in der Berufungsinstanz anhängig ist, das Be­

rufungsgericht?

Das Gericht, welches den Arrest im einzelnen

Fall anordnet, heißt das Arrestgericht." Das Arrestgesuch des Gläubigers, welches vor dem

Gerichtsschrciber zu Protokoll erklärt werden kann," joll die

Bezeichnung des Hauptanspruches unter Angabe seines Geld­ betrages oder Geldwerthes und die Bezeichnung des Arrest­ 7 CP. §. 798. Vbd. Begr. z. I 10 Vgl.CP.§§.806,810Abj.l, CPE. §.743, wonach hierher! 812. Nach Struckm. z. CP. auch der ho- Fall gehört, «Am,-* 'wenn "es §. 799 wäre das „Arrestgericht" sich darum handelt, durch den mit dem in CP. §. 799 bereich' persönlichen Arrest die künftige neten Amtsgerichte gleicbbedeuLeistung oder oder Erzwingung E^rvmHung des des lend, was sich aber mit keinem Leistung Osfenbarungseides (CP. §§.711, der drei Gesctzesparagraphen 782) zu sichern. S. nochConc.O. (806, 810, 812) verträgt. CP.' tz. §. , 6Ln ! Abs. 4, 621 Abs. 4. Nickt hier- ! her gehören die „einstweiligen ;

Anordnungen", von denen in CP. 535 Abs. 3, 668 Abs. 2, 688 die Rede ist. S.auch Conc.O. L'n 98, no 183 vtr. 4. L. auch eb. tz. au. V., §. 51. IV.

Arten der Proceßkosten, tz. 100.

393

Die Gebüren bemessen sich theils nach dem Umfange der gerichtlichen Thätigkeit als Berhandlnngsgebür, d. lr. Gebür für eine contradictorische mündliche Verhandlung/ Beweisgebür, d. h. Gebür für die Anordnung einer Be­ weisaufnahme, und Entscheidungsgebür, d. h. Gebür für eine andere Entscheidung/ theils nach dem Werthe des Streit­ gegenstandes/ theils endlich nach der Verschiedenheit der Instanzen? Ueber Erinnerungen gegen den Ansatz von Gebüren oder Auslagen entscheidet das Gericht der Instanz gebürenfrei. Die Entscheidung kann mit Beschwerde nach Maßgabe von EP. §§. 531—538 angefochten, aber auch schon von Amts­ wegen sowohl von dem Gerichte, von welchem sie erlassen ist. 4 Ueber den Begriff derselben im Sinn des Gerichtskosten­ gesetzes s. GK. §. 19. S. noch GK. §§. 20, 21. 6 GK. §. 18. Jede dieser Ge­ bären wird in jeder Instanz nur Einmal erhoben: GK. §. 28. Eine neue Instanz beginnt im Sinn des Gerichtskostengesetzes, wenn ein Gericht höheren Ran?fies mit dem Rechtsstreite br­ aßt wird. S. Mot. z. Entw. des GK. §§. 23—28 in Abs. 5 und GK. §§. 45, 49. Ausnah­ men: GK. §§. 30- 32. S. auch GK. SS* 33, 39. — Neber die Abstufung der Gebüren im Ein­ zelnen s. GK. §§. 19-48. S. auch noch GK. §.7 und §. 101. fi GK. §. 8. Ueber die Werth berechnung s. GK. 9—13. Bei jedem Anträge ist der Werth des Streitgegenstandes anzu­

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geben. wenn er nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht oder aus früheren Anträgen hervorgeht: GK. tz. 14. Die zum Zwecke der Entscheidung über die Zuständigkeit des Proceß­ gerichtes oder die Zulässigkeit der Revision erfolgte Festsetzung des Werthes ist für die Berech­ nung der Gebüren maßgebend: GK. §. 15. Wo für diese Be­ rechnung eine bejondere Festsepung des Werthes erforderlich wird, geschieht sie gebürenfrei durch Beschluß des Proceßgerichtes, bei der Zwangsvoüstreckunz durch Beschluß de? VollstreckungSgerichtes: GK. -y. 16. S. auch GK. §. 17. ’ GK. 49 (Erhöhung der Gedürensa've um ein Viertheil in der Bcrufmtgvinstanz um die Halste in der Rcvisiousmstanz-.

394

Th. IV. Proceßkosten und Sicherheitsleistungen,

als von dem Gerichte der höheren Instanz ßcänbcrt werden? Eine Nachforderung von Gerichtskosten wegen irrigen Ansatzes ist nur bis zunr Ablaufe des nächsten Kalenderjahres nach rechtskräftiger oder sonstiger endgültiger Erledigung des Ver­ fahrens zulässig? Die Gerichte können Gebürcn, welche durch eine unrich­ tige Behandlung der Sache ohne Schuld der Betheitigten entstanden sind, niederschlagen und für abweisende Bescheide, wenn der Antrag auf nicht anzurechncnder Uiikimtmß der Verhältnisse oder auf Unwiffenheit beruht, Gebürenfreiheit gewähren?8 9 10 * Eine allgemeine Gebürenfteiheit steht dem Reiche in dem Verfahren vor den Landesgerichten und den Bundesstaaten in dem Verfahren vor dem Reichsgerichte zu. Ferner kann Gebürenfreiheit für gewisse Rechtssachen oder Personen in bcm Verfahren vor den Landesgerichten durch landesgesetzliche Vorschriften, in dem Verfahren vor dem Reichsgerichte durch Kaiserliche Verordnung mit Zustimmung des Bnndesrathes gewährt werden." II. Die außergerichtlichen Proceßkosten bestehen haupt­ sächlich in den gesetzlichen Gebüren und Auslagen der Rechts­ anwälte und der Gerichtsvollzieher?? Außerdem aber können zu denselben gehören Reise- uiib Zehrungskosten der Parteien,13 Kosten der Beglaubigung von Urkunden," Kosten von Briefund anderen Sendungen u. dgl. m. 8 GK. §. 4. Ueber die Form der Einlegung der Beschwerde s. ob. §. 74. II. 9 Genaueres GK. §. 5. 10 GK. §. 6. " GK. §. 98.

" S. ob. §. 19 und §. 20. II.

" Vgl. CP. §§. 132, Abs. 2, 579 u. a.

268

" Dgl. CP. §§. 76 Abs. 2, 403 Abs. 2.

§. 101.

L Lostenpfitchttgkrtt gegenüber -er Serichtsdaffe.

Für jede Instanz kann die Gerichtskaffe von dem An­ tragsteller, d. h. derjenigen Partei, welche die Instanz durch ihrm Antrag herbeiführt, einen Gebürenvorschuß, d. h. eine Barauszahlung auf die Gebüren, erheben im Betrage der vollen EntscheidungSgebür, welche für die Instanz in Ansatz tommt1 Außerdem kann sie bei jedem Anträge auf Vornahme einer mit Auslagen verbundenen Handlung von derjenigen Partei, welche denselben gestellt hat» einen zur Deckung der Auslagen hinreichenden Vorschuß erheben? Abgesehen von dem Rechte dieser Vorschußerhebung darf di« Erhebung der Gebüren und Auslagen in der Regel erst geschehen, wen» daS Verfahren oder die Instanz durch un­ bedingte Entscheidung über die Kosten, durch Vergleich, Zu­ rücknahme oder auf andere Weise beendigt ist? Und zwar ist zur Zahlung derselben der GerichtSkaffr gegenüber Der­ jenige verpflichtet, dem die Kosten des Verfahrens durch ge­ richtliche Entscheidung auferlegt sind, oder der sie durch eine dem Gerichte mitgetheilte Uebereinkunst der Parteien Über­ nommen hat.« Wo aber die Verpflichtung zur Kostenzahlung ' GK. §. 81. Vbd. Mot. z. Entn. dcS GK. S. 100. AusIander, welche als Kläger auf­ treten, müssen unter den gleichen Voraussetzungen, unter welchen sie zur Bestellung einer Sicher­ heit für die Proceßkosten ver­ bunden sind, den dreifachen Be­ trag deß gewöhnlichen Gebürenvorschusscß zahlen: GK. §. 85.

Dgl. mit. §. 103. » GK. §. 84 Abs. L

Vbd.

CP. 88. 344, 813 Abs. 2. Vgl. auch CP. 8- 792. s GK. §. 93.

« GK. §. 86 Abs. 1. Die Schreibgebür fürAussertigungen und Abschriften, welche nicht von Amtßwegen zu ertheilen sind, hat Derjenige zu entrichten, welcher sich die Ausfertigung oder Abschrift ertheilen läßt: GK. §. 86 Abs. 2.

Th. IV. Proceßkosten und Sicherheitsleistungen,

396

auf gerichtlicher Entscheidung beruht,

erlischt sie durch Auf­

hebung oder Abänderung der letzteren?

Wo sie auf Ueber-

einkunft der Parteien beruht, kann sich die Gerichtskasse auch

au jede Partei für je eine Hälfte der Kosten halten; an den

Gegner des Zahlungspflichtigen jedoch erst, wenn eine Zwangs­ vollstreckung in das bewegliche Vermögen des letzteren erfolg­

los

gewesen ist?

Ferner kann,

soweit die oben erwähnte

Vorschußpflicht reicht, die Gerichtskasse sich jedesmal auch an

Denjenigen halten, dem diese Pflicht obliegt, selbst wenn die Kosten des Verfahrens einem Anderen auferlegt oder von

einem Anderen übernommen sind?

Fehlt es an einem anderen

Schuldner, so ist Derjenige, welcher die Instanz durch seinen

Antrag herbeigeführt hat, Zahlung

der Gerichtskasse gegenüber zur

der Gerichrskosten verpflichtet.

Jedoch sind Aus­

lagen, für welche der Gegner Vorschuß zu leisten verpflichtet war, von diesem zu erheben?

Als Ausnahme von der Regel sind schon vor der Been­

digung der Instanz mit dem Abläufe eines Jahres seit der Bestinnnung des ersten Termins oder, wenn keine Termins­

bestimmung stattgefunden hat,

seit der Stellung des ersten

Antrages die bis dahin entstandenen Gebüren und Auslagen

5 GK. tz. 87 Abs. 1. Bereits lichen Entscheidung über die bezahlte Beträge werden, soweit Kostenvertbeilung zu gleichen der Gebürenansatz bestehen bleibt, Theilen: GK. §. 91. Vgl. CP. nicht zurückgezahlt: GK. §. 87 §. 95 Abs. 1. Eine nach den Vorschriften des bürgerlichen Abs. 2. Rechtes oder nach CP. §. 697 h GK. §. 88. begründete Verpflichtung zur 7 GK. §. 90. 8 GK. §. 89. — Wenn eine Zahlung entstandener Gebüren zur Zahlung von Kosten ver­ und Auslagen wird durch die 81- 91 pflichtete Partei aus mehreren Vorschriften in GK. Perioncn besteht, so haften diese niäU berübrt: GK. §. 92. Vgl. in Erinangelnnz einer gericht EP. tz. 95 Abs. 1.

Verpflichtung zur Kostentragung. g. 102.

397

zu erheben; und zwar nach dem so eben angegebenen Grund­ sätze (GK. §. 89) von Demjenigen, welcher die Instanz durch seinen Antrag herbeigeführt hat, soweit es nicht Auslagen sind, für welche der Gegner Vorschuß zu leisten verpflichtet war und daher seinerseits zahlungspflichtig ist. Die einjährige Frist kann auf Antrag von dem Gerichte verlängert werden? Als fernere Ausnahme kann eine nach GK. §. 47 Abs. 2 oder §. 48 zur Strafe muthwilliger Proceßführung oder verschuldeter Proceßverzögerung vom Gerichte beschlossene besondere Gebür sofort nach dem Beschlusse von der darin bezeichneten Partei erhoben werden ohne Anrechnung eines ihr obliegenden Vorschusses." Im Fall einer Widerklage oder wechselseitig eingelegter Rechtsmittel kann jede Partei, wenn sie das durch ihren An­ trag herbeigeführte Verfahren durch Zurücknahme des An­ trages fallen läßt, die getrennte Berechnung der Gebttren und Auslagen für dasselbe und die Zurückzahlung des von ihr gezahlten Vorschusses fordern, soweit dieser noch nicht verbraucht ist11 9 10 §. 102. 3. Verpflichtung zur Kostentragung. I. Wer im Laufe des Rechtsstreites gerichtliche oder außergerichtliche Proceßkosten bezahlt hat, braucht dieselben nicht immer auch wirklich zu tragen, sondern Regel ist, daß die sämmtlichm Kosten deS Rechtsstreites derjenigen Partei zur Last fallen, welche in der Hauptsache unterliegt. Diese muß also der obsiegenden Gegenpartei die für dieselbe ent-

9 GK. §. 94 Nr. 1. " GK. §. 94 Nr. 2. Vgl.GK. 10 GK. §. 94 Nr. 3. Vgl. ob. §§. 11, 81 Abs. 2. §. 39 Anm. 2, §. 40 Anm. 16.

398

Th. IV. Proceßkosten und Sicherheitsleistungen.

standenen Kosten zurückerstatten, soweit sie nach freiem Er­ messen des Gerichtes zur zweckentsprechenden RechtSverfolgimg oder Rechtsvertheidignng nothwendig waren.' Dahin find stets, und selbst in Parteiprocessen, die Gebüren und Auslagen eines von der obsiegenden Partei bestellten Rechtsanwaltes zu rechnen. Die Kosten mehrerer gleichzeitig oder nach ein­ ander bestellter Rechtsanwälte dagegen sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten Eines Rechtsanwaltes nicht über­ steigen, falls nicht nach dem ©messen des Gerichtes ein Wechsel in der Person deS Rechtsanwaltes nothwendig war. Ob und inwieweit Reisekosten eines auswärtigen RechtSananwaltes zu erstatten sind, hängt gleichfalls von dem Er­ messen deS Gerichtes ab? Ferner hat dieses nach seinem ©messen zu beurtheilen, ob für Streitgenoffen eine genügende Veranlassung zur Bestellung mehrerer Anwälte bestand, ob die Partei Grund hatte, neben dem Proceßbevollmächtigten im Verhandlungstermin zu erscheinen, ob die Kosten der Beweisaufnahme, z. B. deS Zengenbeweises, sämmtlich erforderlich waren, u. dgl. m? Wenn jede Partei theilweise obsiegt, theilweise unterliegt, wohin auch der Fall gehört, wen» sowohl die Klage als die Widerklage abgewiesen wird, so sind nach Ermessen deS Ge­ richtes entweder die Kosten gegeneinander aufzuheben, fo daß jede Partei die von ihr aufgewendeten Kosten selbst zu tragen und keine gegen die andere einen Anspruch auf Er-

» CP. §. 87 Abs. 1. Diese ' CP. 8.87 Abs. 2. ©. auch Regel ist sowie die folgenden auch RAO. §. 18 Abs. 6 (ob. §. 17 auf Zwischenstreite mit Dritten Aum. 16), §. 37, RAGeb. §. 94 (s. ob. §. 38. II.) anzuwenden, (ob. §. 19 a. ©.). well dieselben ihrer rechllichen 1 S. auch CP. #. 180. Natur nach als selbständige RechtSstreittgkelten erscheinen.

Verpflichtung zur Kostentragung. §. 103.

399

stattung hat (sog. Kostencompensation), ober die Kosten sind verhältnißmäßig zu theilen, so baß z. B. jede Partei die Hälfte sämmtlicher Proceßkosten tragen muß, ober bie eine brei Viertheile, bie andere einen Viertheil derselben, ober bie eine eine bestimmte Summe, bie onbere beit Rest der Kosten u. dgl. nt* DaS Gericht kann jedoch ausnahmsweise der einen Partei bie sämmtlichen Proceßkosten auferlegen, wenn bie Zuvielfordenmg, wodurch das theilweise Unterliegen der anderen herbeigeftihrt ist, eine verhältnißmäßig geringfügige war und keine besonderen Kosten veranlaßt hat, ober wenn sie schwer zu vermeiden war, weil der Betrag der Forderung von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der AuSmittelung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhing? Dem Kläger fallen trotz feines Obsiegens sämmtliche Proceßkosten zur Last, wenn der Bellagte den Anspruch des­ selben sofort (bei der mündlichen Verhandlung) anerkennt und nicht durch sein Verhalten (z. B. durch Bestreitung, Ver­ zug, Borenthaltung der Sache) zu der Erhebung der Klage Beranlaffnng gegeben hat." II. Jede Partei, welche mit oder ohne Verschulden einen Termin oder eine Frist versäumt, oder welche durch ihr Ver­ schulden eine Verzögerung deS Processes veranlaßt, muß bie dadurch, sei es- fitr sie selbst, sei eS für die Gegenpartei, ent­ standenen besonderen Kosten ohne Rücksicht auf ihr schließ-

« CP.tz.SS Abs.1 vbd. §.100. ' CP. §. 88 Abs. 2. « CP. §. 89. Val. Couc.O. § S Abs. 2. Die Versäumung deS Verhandlungstermins von Seite des Beklagten steht dem

Anertenntniffe des Anspruches nicht gleich. Hier bleibt eS also bei der Regel in CP. §. 87 Abs. 1. Vgl. Struckm. j. CP. §. 89 Bem. 3.

400

Th. IV. Proceßkosten und Sicherheitsleistungen,

liches Unterliegen oder Obsiegen tragen? Das Gericht kann nach Ermeffen auch die besonderen Kosten eines erfolglos ge­ bliebenen Angriffs- oder Vertheidigungsmittels derjenigen Partei, die es geltend gemacht hat trotz ihres Obsiegens in der Hauptsache anferlegen?

III. Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechts­ mittels fallen in Gemäßheit der allgemeinen Regel (CP. 87 Abs. 1) derjenigen Partei zur Last, welche es eingelegt hat? Wird dagegen in Folge des Rechtsmittels das angefochtene Urtheil abgeändert, so kommt damit auch die Entscheidung desselben über den Kostenpunkt in Wegfall, und es ist daher über die sämmtlichen Kosten des Rechtsstreites, d. h. nunmehr über die Kosten aller Instanzen zusammengenommen, von Neuem nach Maßgabe der dargestellten gesetzlichen Vorschriften (CP. §§. 87, 88, 90, 91) zu erkennen." Die Kosten der Berufungsinstanz können jedoch der obsiegenden Partei ganz oder theilwcise auferlegt werden, wenn sie cmf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, welches sie nach freiem Er­ meffen des Gerichtes in erster Instanz hätte geltend machen können." 7 CP. §. 90. Besondere An­ wendungen: CP. §§.216 Abs. 3, 309. S. auch CP. §§.251 Abs. 2, 256 Abs. 2, GK. tz. 48. * CP. §. 91. Der Begriff von Angriffs- und Vertheidiaungsmittel ist hier im weitesten Sinn zu nehmen, also nament­ lich mit Einschluß der Beweis­ mittel und Beweiseinreden. S. ob. §. 33. V. Ferner ist CP. §. 91 auf Zwisckenstreite unter den Parteien entsprechend anzu­

wenden. Vgl. Begr. z. CPE. §§. 88, 89, 90 Abs. 2 u. Seuff. z. CP. §§. 90—92 Bem. 3. ü CP. §. 92 Abs. 1. 10 Begr. CPE. §.90Abs.l. S. auch GK. §. 87 Abs. 1. 11 CP. §. 92 Abs. 2. S. ob. §. 71. III. Vgl. CP. §§. 251 Abs. 2, 256 Abs. 2. - Eine besondere Vorschrift in Betreff der Kosten der Revisionsinstanz in Sachen, für welche die Land­ gerichte ohne Rücksicht auf den

Verpflichtung zur Kostentragung, ß. 102.

401

IV, Die Kosten eines abgeschlossenen Vergleiches werden, wem nicht die Parteien ein Anderes verabredet haben, als gegen einander aufgehoben, angesehen. Dasselbe gilt von den Kosten deS durch den Vergleich erledigten Rechtsstreites, so­ weit nicht über dieselben bereits rechtskräftig erkannt ist." V. Sind Streitgenoffen zur Erstattung von Kosten ver­ pflichtet, so hastet in der Regel jeder für einen Kopstheil, d. h. für denjenigen Bruchtheil des zu erstattenden Betrages, welcher sich mittels Theilung desselben durch die Zahl der verpflichteten Streitgenoffen ergibt.'' Ist jedoch die Be­ theiligung der Strcitgenoffen am Rechtsstreite eine erheblich verschiedene, so kann ihnen das Gericht nach seinem Ermessen die Kosten nach Verhältniß dieser Betheiligung auferlegen." Hat ein Strcitgenosse ein besonderes Angriffs- oder Vertheidigungsmiltel geltend gemacht, so sind für die dadurch ver­ anlaßten Kosten die übrigen Streitgenossen nicht verhaftet." Solidarisch, d. h. so, daß einer von ihnen herausgegriffen und für den ganzen ungeteilten Betrag in Anspruch genom­ men werden kann, hasten mehrere Streitgenossen für die Kosten nur da, wo die Vorschriften des bürgerlichen Rechtes eine solidarische Haftung mit sich bringen." Diese Regeln sind auch dann maßgebend, wenn ein Neben­ intervenient als Streitgenosse der Hauptpartei gilt." Wenn dieses nicht der Fall ist, so sind die durch die NebeninterWerth des Streitgegenstandes ausschließlichzuständig sind ((9S3. §. 70 Abs. 2, 3), s. in CP. §. 92 Abs. 3. " CP.8.93. Dbd.GK.88.2t, 23, 41, 101. 13 CP. ß.95 Abs. 1 vbd. Begr. CPE. 8- 93. Dgl. GK. 8- 91.

KiNiag, Tivilproceß. C- Ksfl.

" CP. 8.95 Abs. 2. 15 CP. 8- 95 Abs. 3. " CP. §.95 Abs. 4. Vgl.GK. §. 92. S. noch Begr. z. CPE. §. 93 zu Nr. 3, Wilm. z. CP. §. 95, Pet. z. CP. 8. 95 Nr. 6, Struckm. z. CP. 8- 95 Bem. 4. " CP. 8.96 Abs. 2 vbd. §. 66.

402

Th. IV. Proceßkosten und Sicherheitsleistungen,

vention verursachten Kosten selbständig und nach den allge­

meinen Grundsätzen (CP. §§. 87—93) zu beurtheilen?' Dem­ nach sind die Kosten des Zwischenstreites über die Zulässig­

keit der Intervention im Fall der Zulassung derselben von der Hauptpartei, welche die Zurückweisung beantragt hatte, im

Fall der Zurückweisung von dem Intervenienten zu tragen." Die durch die Theilnahme des Intervenienten am Haupt­

processe entstandenen Kosten sind im Fall der Zurückweisung der Intervention ebenfalls vom Intervenienten zu tragen bezw.

beiden Hauptparteien zu erstatten?9

Im Fall der Zulassung

der Intervention dagegen sind sie, wenn die von dem Inter­

venienten unterstützte Hauptpartei obsiegt, dem Intervenienten

von der unterliegenden Gegenpartei, wenn jene dagegen unter­

liegt, der obsiegenden Gegenpartei von dem Intervenienten zu erstatten."

VI.

Gerichtsschreiber, Gerichtsvollzieher, gesetzliche Ver­

treter, Rechtsanwälte und andere Bevollmächtigte können von dem Proceßgerichte auf Antrag oder auch von Amiswegen

zur Tragung derjenigen Kosten verurtheilt werden, welche sie

durch grobes Verschulden veranlaßt haben.

Die Entscheidung

kann ohne mündliche Verhandlung, jedoch nur nach Anhörung deS Betheiligten erfolgen.

Sie kann mit sofortiger Beschwerde

angefochten werden?? 18 CP. §. 96 Abs. 1. Gleiches gilt nach CP. §§.71, 73 in An­ sehung der Kosten, welche in Folge einer Streitverkündung oder einer Benennung des Amtors durch den Beitritt des Drit­ ten, dem der Stteit verkündet ist, oder des Benannten ensstehen. S. Begr. z. CPE. §. 94. Be­ sondere Vorschrift: CP. §. 72.

19 CP. §. 87 Abs 1. Vgl. Pet. z. CP. §. 96 Nr. 2 a. E. 20 Dies läßt sich auS CP. §§. 91, 92 folgern. S. auch Seuff. z. CP. §. 96 Bem. 1. a. 21 Begr. z. CPE. §. 94. S. auch CP.Pr. S. 34. 22 CP. §.97. Vbd.GK.ß.48. S. noch Pet. z. CP. §. 97 Bem. 2 — 4. — Wegen der Gebären

Verpflichtung zur Kostentragung. §♦ 102.

4Q3

VII. Ueber die Verpflichtung der Parteien zur Tragung der Proceßkosten hat das Gericht auch ohne darauf gerichteten Antrag zu erkennen." Und zwar jedenfalls in dem Endurtheil über die Hauptsache." Ueber die Kosten eines er­ folglos gebliebenen selbständigen Angriffs- oder Vertheidigungs­ mittels oder eines Zwischenstreites unter den Parteien kann schon in dem Zwischenurtheil, welches über das Angriffs­ oder Vertheidigungsmittel oder über den Zwischenstreit ent­ scheidet, mit entschieden werden," und über die Kosten eines Zwischenstreites mit Dritten muß jedesmal das Zwischen­ urtheil, welches denselben erledigt, die Entscheidung ent­ halten." Die Entscheidung über den Kostenpunkt kann nur dann angefochten werden, wenn gegen die Entscheidung in der Hauptsache, sei es von derselben Partei oder von der Gegen­ partei, ein Rechtsmittel eingelegt wird."

VIII. Der Anspruch auf Erstattung von Proceßkosten kann nur gellend gemacht werden, wenn er durch einen voll­ streckbaren Schuldtitel, also namentlich eine rechtskräfttge oder für vorläufig vollstreckbar erklärte Verurtheilung zur Tragung der Proceßkosten, begründet ist." Weil dadurch aber in der Regel nur erst die Verpflichtung zur Kostenerstattung an und für sich feststeht, so bedarf es noch einer gerichtlichen Festsetzung des zu erstattenden Betrages. Das Gesuch um

s. GK. §. 47 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2, RAGeb. §.23 Nr.1 vbd. §.29 Nr.6. m CP. §. 279 Abs. 2. « S. CP. §. 292 Abs. 1. " S. CP. §. 275 vbd. §. 91. 16 Val. CP. §§. 345 Abs. 1, 355 Abs. 1, 374 Abs. 1.

37 CP. §. 94 vbd. §§. 482, 518. S. ob. §. 70 Anm. 1 und 13. 88 CP. §. 98 Abs. 1 vbd. §§. 644, 648-650, 660, 702 Nr. 1 bis 4, 706, 868. S. ob. §. 78 und §. 79. Ausnahmen: CP. §§. 632, 697.

404

Th. IV. Proceßkosten und Sicherheitsleistungen.

dieselbe ist auf Grund des vollstreckbaren Schuldtitels unter Beifügung der Kostenberechnung, einer für den Gegner be­ stimmten Abschrift derselben und der zur Rechtfertigung der einzelnen Ansätze dienenden Belege bei dem Proceßgerichte erster Instanz anzubringen und kann vor dem Gerichtsschreiber jit Protokoll erklärt werden.^ Zur Berücksichtigung eines Ansatzes genügt seine Glaubhaftmachung.3" Die Entscheidung kann ohne vorgängige mündliche Verhandlung erfolgen.^ Gegen den Festsetzungsbeschluß ist sofortige Beschwerde zu­ lässig.^ Auf Grund einer vollstreckbaren Ausfertigung des­ selben kann die Zwangsvollstreckung ftattfmbcn.33 * * 30 * * IX. Außer diesen allgemeinen enthält die Civilproceßordnung noch vielfache besondere Vorschriften über die Ver­ pflichtung zur Tragung von Proceßkosten.34

* CP. §. 98 Abs. 2. Dbd. CP. fr. 74 Abs. 2. 30 CP. §. 99 Abs. 2. «l CP.§.99 Abs.1. Vbd.CP. §. 294. — Wegen der Gebüren s. GK. §. 34 Nr. 1 vbd. §. 39, RAGeb. §. 23 Nr. 1 vbd. §. 30 Nr. 3. » CP. §. 99 Abs. 3. — Ueber die Behandlung des Falls, wenn die Proceßkosten ganz oder theilweise nach Bruchtheilen vertheilt sind, s. CP. §. 100. Vgl. Pet. z. CP. §§. 98-100. II. Nr. 6, Struckm. z. CP. §. 100. 33 CP. §§. 702 Nr. 3, 703 vbd. §. 662. S. ob. §. 80. II. 34 S. CP. §§. 72 (Streitver­ kündung an einen Dritten, der die eingellagte Forderung für sich in Anspruch nimmt), 180

(Zustellung durch Gerichtsvoll­ zieher statt durch die Post), 216 Abs. 3 (Wiedereinsetzung gegen Fristversäumung), 309 (Ver­ säumung eines Verhandlungs­ termins), 251 Abf. 2, 256 Abs. 2 (schuldhafte Zuruckhaltung