Der Marner: Lieder und Sangsprüche aus dem 13. Jahrhundert und ihr Weiterleben im Meistersang 9783110210873, 9783110184570

The edition combines the texts by Der Marner, in his time a highly regarded representative of early Sangspruch poetry, t

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German Pages 442 Year 2008

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Inhalt
1 Einleitung
2 Texte
3 Anhang
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Der Marner: Lieder und Sangsprüche aus dem 13. Jahrhundert und ihr Weiterleben im Meistersang
 9783110210873, 9783110184570

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Der Marner

Codex Manesse (Cod. Pal. germ. 848) fol. 349v (Universitätsbibliothek Heidelberg)

Der Marner Lieder und Sangsprüche aus dem 13. Jahrhundert und ihr Weiterleben im Meistersang

Herausgegeben, eingeleitet, erläutert und übersetzt von Eva Willms

Walter de Gruyter · Berlin · New York

Ü Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

ISBN 978-3-11-018457-0 Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter abrufbar.

© Copyright 2008 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, 10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Einbandgestaltung: Christopher Schneider, Berlin Satz: Dörlemann Satz GmbH & Co. KG, Lemförde Druck und buchbinderische Verarbeitung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen

V

Inhalt 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.1 Die Handschriften mit deutschen Texten . . . . . . . Handschrift B (Basel, N I 6/50) . . . . . . . . . . . . Handschrift C (Heidelberg, Cpg 848) . . . . . . . . . Handschrift D/H/h/R (Heidelberg, Cpg 350) . . . . Handschrift E (München, Universitätsbibliothek Cod. ms 2o 731) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Handschrift F (München, Clm 9690) . . . . . . . . . Handschrift G (Bern, Cod. 260) . . . . . . . . . . . Handschrift I (Innsbruck, Cod. 256) . . . . . . . . . Handschrift J (Jena, Ms. El. f. 101) . . . . . . . . . . Handschrift N (Leipzig, Rep. II fol. 70a) . . . . . . . Handschrift d (Dresden, M 13) . . . . . . . . . . . . Handschrift e (München, Cgm 1019) . . . . . . . . . Handschrift k (München, Cgm 4997) . . . . . . . . . Handschrift o (München, Cgm 426) . . . . . . . . . Handschrift p (Dessau, Georg 231) . . . . . . . . . . Handschrift q (Berlin, Mgq 414) . . . . . . . . . . . . Handschrift r (Berlin, Mgq 410/3) . . . . . . . . . . . Handschrift t (Tarantsberg) . . . . . . . . . . . . . . Handschrift w (München, Cgm 5198) . . . . . . . . . 1.2.2 Die Handschriften mit lateinischen Texten . . . . . . Handschrift Au (Augsburg, UB II. 1. 2o 10) . . . . . . Handschrift Be (Berlin, Ms. lat. fol. 136) . . . . . . . Handschrift CBu (München, Clm 4660/4660a) . . . . Handschrift Kl (Klagenfurt, Studienbibliothek, Perg. Hs. 7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Handschrift Mü (Clm 5539) . . . . . . . . . . . . . . Handschrift Ste (Sterzing, Sterzinger Miscellaneenhs.) Handschrift Stu (Stuttgart, HB I 19) . . . . . . . . . 1.2.3 Bezeugte, aber verlorene Überlieferung . . . . . . . . 1.2.4 Zur Überlieferungslage . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.5 Die Melodieüberlieferung . . . . . . . . . . . . . . .

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1 1 2 2 2 3 3

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4 4 4 5 5 5 6 6 6 7 8 8 8 9 9 10 10 10 11

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11 11 11 12 12 12 17

VI

Inhalt

1.3 Das Werk . . . . . 1.3.1 Umfang. . 1.3.2 Inhalt . . 1.3.3 Form . . 1.3.3.1 Metren . . 1.3.3.2 Melodien . 1.3.4 Sprache. . 1.4 Zu dieser Ausgabe

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18 18 30 40 40 52 86 91

2 Texte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Die Lieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Die Sangsprüche. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Die einstrophige Überlieferung . . . . . . . . . . . . 2.2.1.1 Ton 1 (später Goldener Ton) . . . . . . . . . . . . . 2.2.1.2 Ton 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1.3 Ton 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1.4 Ton 4 (Stolles Alment) . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1.5 Ton 5 (Kelin III) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1.6 Ton 6 (Kurzer oder Hofton) . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1.7 Ton 7 (Langer Ton) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1.8 Die unbenannten Töne der Handschrift E . . . . . . 2.2.2 Marner-Sangsprüche in Strophenfolgen, die nicht als Bare gekennzeichnet sind (Folge I-VI) . . . . . . . . . 2.2.3 Marner-Sangsprüche in anonymen Baren (Ml 1–19) . 2.3 Anonyme Bare in Marner-Tönen mit Strophen, für die Marner als Verfasser erwogen worden ist (Ml 20–22) . . . . . . . . . . 2.4 Ein anonymes Meisterlied im goldenen Ton (Ml 23) . . . . . . 2.5 Bare in Tönen, die in der jüngeren Überlieferung Marner zugeschrieben werden (Ml 24–27) . . . . . . . . . . . . . . . 2.6 Ein ‚gekrönter Hort‘ (Ml 28) . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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96 96 133 133 133 141 144 150 157 166 222 284

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288 306

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360 367

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369 382

3 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 ille egregius dictator marnarius . 3.2 Zeugnisse . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Fremdbezeugungen . . 3.2.2 Selbstzeugnisse . . . . 3.2 Wirkungen und Nachwirkungen 3.3 Marneriana (Ml 29–35) . . . . .

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386 386 386 386 395 398 401

4 Bibliographisches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vorbemerkung

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1 Einleitung 1.1 Vorbemerkung Ein Dichter volkssprachlicher wie lateinischer Lieder und Sangsprüche, eine bemerkenswerte Gestalt in der literarischen Szene um die Mitte des 13. Jahrhunderts, ein Vorbild und Tongeber für Dichter und Dichterkreise der nachfolgenden Jahrhunderte – so kennt die Literaturgeschichte von jeher den Marner, dessen Werke denn auch vor nunmehr gut 130 Jahren – nach Vorläufen 1759 und 1839 – in einer nach damaligem Kenntnis- und Forschungsstand gediegenen Ausgabe bekannt gemacht wurden. Eine Neuausgabe vorzulegen habe ich fünf Gründe: 1. Die Textbasis hat sich seit damals um einiges erweitert. 2. Die heutige philologische Aufbereitung mhd. Texte folgt mit guten Gründen anderen Prinzipien und versucht, durch größtmögliche Nähe zu den Quellen adäquatere Vorstellungen der alten Texte zu vermitteln. 3. Nicht zuletzt dadurch hat sich auch die Nutzerkompetenz, solche Texte zu verstehen, verringert, so daß erweiterten Anforderungen an den Kommentar bis hin zur Übertragung ins Neuhochdeutsche zu genügen ist. 4. Im Laufe der Zeit ist neben viel Klugem auch einiges Falsche und Törichte über den Marner und seine Gedichte gesagt worden, das es richtigzustellen gilt. 5. In dem geräuschvollen Theorie-Diskurs, wie er in den letzten Jahrzehnten auf den üppig ins Kraut geschossenen Symposien, Kolloquien und Tagungen ausgetragen wird, wobei sich ein sog. Fachjargon entwickelt hat, der außer denen, die sich darin gefallen, keinen mehr freuen kann und der für die Außenwirkung des Faches verheerend ist (was seine Exponenten aber nicht zu kümmern scheint), möchte ich Position beziehen. Ich weiß mir dafür kein geeigneteres Mittel als eine Edition. Die Beschäftigung mit ihr erzwingt die Auseinandersetzung mit all den Problemen und Problematisierungen, die dort theoretisch verhandelt werden: Autor, Werk, Gattung, Authentizität, Performanz, mouvance, Alterität, Intertextualität usw. – dem Herausgeber begegnen sie alle. Seine Stellungnahme dazu dokumentieren seine editorischen Entscheidungen. Und, um gut mittelalterlich zu zählen, 6. Es gibt für einen Philologen meines (alten?) Schlages keine befriedigendere Arbeit.*0

*0 Viel Mühe war mir abgenommen durch die Arbeiten von Brunner, Haustein, Rettelbach, Wachinger und das als Arbeitsinstrument gar nicht hoch genug zu preisende Repertorium, dessen Zählweise hier übernommen wurde.

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Einleitung

1.2 Überlieferung1 Um 1300 stellt die autorzentrierte große Heidelberger Liederhandschrift (Hs. C) unter der Überschrift Der marner ein Corpus von einundachtzig Strophen zusammen, bunt gemischt aus mehrstrophigen Liedern und einstrophigen Sprüchen in sieben verschiedenen Tönen, alle von dem einen Hauptschreiber2 geschrieben und dem ursprünglichen Bestand der Sammlung zugehörig. Eine etwas jüngere Hand hat dem volkssprachlichen Corpus eine lateinische Strophe angefügt. Zwei datierbare Corpus-Sprüche weisen in das zweite und dritte Viertel des 13. Jahrhunderts. Soweit bisher bekannt überliefern drei Handschriften, die älter sind als C, und fünf jüngere Handschriften aus dem 14. Jahrhundert Parallelen zu einzelnen Strophen aus dem C-Corpus und weitere 25 Strophen, die nicht in C enthalten sind. Einige dieser Strophenfolgen sind vielleicht schon als Liedeinheit aufzufassen. Fünf lateinische Handschriften weisen einem Marner vier lateinische Lieder zu. Acht Handschriften aus dem 15. und dem frühen 16. Jahrhundert enthalten Corpus-Strophen im Verbund mit neu hinzugedichteten in mehrstrophigen Baren. Die Überlieferung im Einzelnen:

1.2.1 Die Handschriften mit deutschen Texten Handschrift B Basel, Öffentliche Bibliothek der Universität, Cod. N I 6/50. 4 als Lagenfälze benutzte Abschnitte einer Rolle mit Sangspruchstrophen. Ende 13. Jh. Alemannisch. Vorderseite *6,19; 6,1; 6,9; 6,8; *6,20; 6,2; *6,21; 6,7; 6,3 (unvollst.). Beschreibung und dipl. Abdruck: Martin Steinmann: Das Basler Fragment einer Rolle mit mittelhochdeutscher Spruchdichtung. In: ZfdA 117 (1988), S. 296–310.

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Da für die meisten Handschriften auf ausführliche Beschreibungen verwiesen werden kann, viele zudem im Facsimile oder diplomatisch gedruckt vorliegen, beschränke ich mich hier auf Angaben zu Typ, Alter, Umfang, Herkunft und den Inhalt, soweit er den Marner betrifft. Die mehrstrophigen Lieder des 13. Jh.s erhalten die Kennzeichnung L, in den Handschriften definierte Meisterlieder die Kennzeichnung Ml, Strophenfolgen mit undefiniertem Status die Kennzeichnung F. Zahlenangaben ohne Kennzeichnung beziehen sich immer auf die einstrophigen Sangsprüche, soweit sie in C enthalten sind. Nicht in C überlieferte Spruchstrophen sind mit * gekennzeichnet. Zu diesem Schreiber und seiner Leistung Wernfried Hofmeister: Der Mut zur Lücke: Auf den Spuren von Textnachträgen in der Manessischen Liederhandschrift. Ein Beitrag zu einer ‚Überlieferungs-Philologie‘ des Mittelalters. In: Entstehung und Typen mittelalterlicher Lyrikhandschriften. Akten des Grazer Symposiums von 1999, hg. von A. Schwob u. a. Bern usw. 2001, S. 79–106 (Jb. f. intern. Germ. A 52).

Überlieferung

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Handschrift C Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cod. pal. germ 848. Die große Heidelberger Liederhandschrift. Um 1300 mit Nachträgen bis ca. 1330. Pergament. 426 Bll. Zürich. Register: C Marner fol. 293va Schulmeister von Eßlingen V in Marners Langem Ton fol. 349r ganzseitiges Bild, Überschrift: Der Marner. fol. 349va-b 1,1-1,4. fol. 349vb–350rb L1-L4. fol. 350rb–350va 2,1-2,3. fol. 350va–351ra L5-L8. fol. 351ra-b 3,1-3,3. fol. 351rb 4,1-4,2. fol. 351rb–351vb 5,1-5,4. fol. 351vb–353ra 6,1-6,17. fol. 353ra–353vb 7,1-7,7. fol. 353vb 6,18. fol. 353vb–354vb 7,8-7,19. fol. 420ra Boppe II in Marners Langem Ton. Beschreibung und Facsimile: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/cpg848/0693. Vollfacsimile des Cod. Pal. Germ 848 der Universitätsbibliothek Heidelberg, Frankfurt a. M. 1974–1979. Kommentarband v. Walter Koschorrek und Wilfried Werner, Kassel 1981. F. Pfaff: Die große Heidelberger Liederhandschrift (Codex Manesse). In getreuem Textabdruck. Teil 1, Heidelberg 1909. 2. verb. und ergänzte Ausg. hg. v. H. Salowsky, Heidelberg 1984. G. Kornrumpf: ‚Heidelberger Liederhandschrift C‘. In 2VL 3 (1981), Sp. 584–597; s. auch Holznagel 95, hier vor allem S. 140–199. Handschrift D (Teil II H/h; Teil III R) Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cod. pal. germ 350. Lyriksammelhandschrift. Pergament. 69 Bll. Drei ursprünglich selbständige Teile: D (fol. 1–43) um 1300, südrheinfränkisch, H (fol. 44–64) mit einem Nachtrag h (fol. 64v) und R (fol. 65–68). 2. Viertel 14. Jh., rheinfränkisch/hessisch und nordbairisch. fol. 54va–55va Fünferbar im Langen Ton; RSM 4, 1Marn/7/100a. fol. 58rb–59vb ( ) 60ra–61ra Ml 1, Siebzehnerbar im Langen Ton, Str. 1 = 6,18. fol. 64va-b FI 6,8; 6,9; 6,1. fol. 66rb–68ra FII *7,22; *7,23; *7,24; *7,25; *7,26; *7,27; 7,1. Beschreibung: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/cpg350. Mhd. Spruchdichtung – früher Meistersang. Der Cod. Pal. Germ. 350 der Universitätsbibliothek Heidelberg. 3 Tle: I. Facsimile. II. Einführung und Kommentar v. W. Blank. III. Beschreibung der Hs. und Transkription v. G. und G. Kochendörfer,

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Einleitung

Wiesbaden 1974 (Facsimilia Heidelbergensia 3); s. auch Wachinger 81, Sp. 597– 606. Handschrift E München, Universitätsbibliothek, 2o Cod. ms. 731. ‚Hausbuch‘ des Michael de Leone. 1345/1354. Pergament. 285 Bll. Würzburg. Register: xxvij o dar nach des marners eyn gùt geticht von den zehen geboten vnd den siben totsunden. xxix o Des marners lyeder. fol. 191va–191vb Dreierbar Lupold Hornburgs ‚Von allen Singern‘ in Marners Langem Ton. fol. 210vb–211ra *7,20. fol. 225vb Unbenannter Ton 1. fol. 225vb–226ra *4,3. fol. 226ra Unbenannter Ton II. Beschreibung: Das Hausbuch des Michael de Leone (Würzburger Liederhandschrift) der Universitätsbibliothek München (2o Cod. ms. 731). In Abbildung hg. von Horst Brunner, Göppingen 1983 (Litterae 100). Gisela Kornrumpf/ Paul-Gerhard Völker: Die deutschen mittelalterlichen Handschriften der Universitätsbibliothek München, Wiesbaden 1968, S. 66–107. Handschrift F München, Bayerische Staatsbibliothek, Cod. lat. mon. 9690. Lat. Predigtsammlung. Um 1300. Pergament. 162 Bll. Oberaltaich. pag. 314–318 (untere Ränder) 7,15. Beschreibung: C. Halm (u. a.): Catalogus codicum latinorum Bibliothecae Regiae Monacensis. Bd. II,1. München 1881, S. 942. Hans Ulrich Schmid: Verse Freidanks und des Marners in einer lateinischen Predigtsammlung aus Oberaltaich (Clm 9690). In: ZfdA 118 (1989), S. 176–180. Handschrift G Bern, Burgerbibliothek, Cod 260. Sammelhs., überwiegend lat. Um 1350. Pergament. 286 Bll. Straßburg? fol. 234r–235v Minnesangflorilegium, darunter fol. 234rb die erste Strophe von L2. Facsimile und Beschreibung: Des Minnesangs Frühling. Unter Benutzung der Ausgaben von Karl Lachmann und Moriz Haupt, Friedrich Vogt und Carl von Kraus bearb. von Hugo Moser und Helmut Tervooren. II Editionsprinzipien, Melodien, Handschriften, Erläuterungen, Stuttgart 361977, S. 58 f. (Hs. p); S. 163; s. auch Holznagel 95, S. 65–88. Handschrift H s. Hs. D.

Überlieferung

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Handschrift I Innsbruck, Universitätsbibliothek, Cod. 256. Bartholomaeus Anglicus ‚De proprietatibus rerum‘. Um 1273. Pergament. 119 Bll. Kaisheim. Auf dem ehem. Rückenspiegel *7,21. Beschreibung: Schanze II, S. 186 f. Handschrift J Jena, Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek, Ms. El. f. 101. Jenaer Liederhandschrift. Um 1330? Pergament. 133 Bll. Mitteldeutsch/niederdeutsch. fol. 20ra-va unter Kelins Ton III 5,3; 5,1; 5,4. Beschreibung: Die Jenaer Liederhandschrift. In Abbildung hg. von H. Tervooren u. U. Müller. Göppingen 1972 (Litterae 10). G. Holz/F. Saran/E. Bernoulli: Die Jenaer Liederhandschrift. Bd. I: Getreuer Abdruck des Textes. Bd. II: Übertragung, Rhythmik und Melodik, Leipzig 1901 (Neudruck Hildesheim 1966). Karl Stackmann: Frauenlob (Heinrich von Meissen) Leichs, Sangsprüche, Lieder. 1. Teil: Einleitungen, Texte. Auf Grund der Vorarbeiten von Helmuth Thomas hg. v. Karl Stackmann und Karl Bertau, Göttingen 1981, S. 59–64; s. auch Wachinger 83, Sp. 512–516. Handschrift N Leipzig, Universitätsbibliothek, Rep. II fol. 70a. Sammelhs. Teil II: Niederrheinische Liederhandschrift, ca. 1350-ca.1400. Pergament. 102 Bll. Niederrheinisch. fol. 96rb-va 7,10. fol. 102ra-va Ml 2, Fünferbar im Hofton. Sibyllenweissagung. Str. 5 = 6,4. Beschreibung: Günter Schmeisky: Die Lyrikhandschriften m (Berlin, Ms. germ. qu. 795) und n (Leipzig, Rep. II fol. 70a). Zur mittel- und niederdeutschen Sangverslyrik. Überlieferung, Abbildung, Transkription, Beschreibung, Göppingen 1978 (GAG 243); s. auch Stackmann (wie Hs. J), S. 73–79. Handschrift R s. Hs. D. Handschrift d Dresden, Sächsische Landesbibliothek, M 13. Meisterliederhandschrift. Um 1440. Papier. 28 Bll. Ulm? fol. 6r–6v Fünferbar im Goldenen Ton; RSM 4, 1Marn/1/502. fol. 12r–13r Ml 24, Fünferbar im geblümten Ton. fol. 13r Dreierbar in Frauenlobs Flugton, Marner zugeschrieben; RSM 4, 1Marn/8/1.

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Einleitung

fol. 19r-v Fünferbar in Frauenlobs Flugton, Marner zugeschrieben; RSM 4, 1Marn/8/2. Beschreibung: Schanze I, S. 100–103; II, S. 37–40. Stackmann (wie Hs. J), S. 82–91 (Sigle p). Teilabdruck: Fritz Frauchiger: Dresden M 13: A FifteenthCentury Collection of Religious Meisterlieder, Chicago/Illinois 1938. Handschrift e München, Bayerische Staatsbibliothek, Cod. germ. mon. 1019. Meisterliederhandschrift. Mitte 15. Jh. Papier. 30 Bll. Franken. fol. 3r–4r Dreierbar im Langen Ton; RSM 4, 1Marn/7/554a. fol. 6v–8r Ml 16, Fünferbar im Langen Ton. Str. 1 = 7,14. Str. 4 = 7,12. Beschreibung: Die deutschen Hss. der Bayerischen Staatsbibliothek München. Bd. V: Die ma. Hss. aus Cgm 888–4000, neu beschrieben von Karin Schneider, Wiesbaden 1991, S. 58–62; s. auch Schanze II, S. 135–137. Handschrift h s. Hs. D Handschrift k München, Bayerische Staatsbibliothek, Cod. germ. mon. 4997, Kolmarer Liederhandschrift. Um 1460. Papier. 854 Bll. Rheinfranken. Hauptschreiber Nestler von Speyer? fol. 161ra-b Melodie der Hundweise Frauenlobs (Kelin-Ton III/Marner-Ton 5). fol. 447ra–448rb Melodie. Ml 3, Fünferbar im Langen Ton, Str. 1 = 7,8. fol. 448rb–449ra Ml 4, Dreierbar im langen Ton, Str. 1 = 7,9, Str. 3 = 7,7. fol. 449ra-vb ; 450ra-b Ml 5, Fünferbar im Langen Ton. Str. 1 = 7,14, Str. 2 = 7,12. fol. 449vb ; 451ra-vb Ml 6, Fünferbar im Langen Ton, Str. 1 = *7,20, Str. 2 = 7,6. fol. 450ra-vb; 451vb–454ra vier Dreierbare im Langen Ton; RSM 4, 1Marn/7/504; 505a; 506; 507. fol. 454ra-vb ML 7, *7,22; *7,23; *7,24. fol. 454vb–455va Ml 8, *7,25; *7,26; 7,1. fol. 455va–456rb Dreierbar im Langen Ton; RSM 4, 1Marn/7/510a. fol. 456rb-vb Ml 20, Dreierbar im Langen Ton. fol. 456vb–457va Ml 9, Dreierbar im Langen Ton, Str. 1 = 7,17. fol. 457va–458rb Ml 21, Dreierbar im Langen Ton. fol. 458rb–466rb acht Bare im Langen Ton; RSM 4, 1Marn/7/514 (3 Str.), 515a (5 Str.), 516a (5 Str.; Str. 5 unvollst.), 517 (7 Str.), 518a (7 Str.), 519 (3 Str.), 520a (3 Str.), 521 (3 Str.). fol. 466rb-vb Ml 22, Dreierbar im langen Ton. fol. 466vb–468ra Fünferbar im Langen Ton; RSM 4, 1Marn/7/515b. fol. 468ra-va Ml 10, Dreierbar im Langen Ton, Str. 1 = 7,14.

Überlieferung

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fol. 468va–475rb sieben Bare im langen Ton; RSM 4, 1Marn/7/525 (3 Str.), 526 (5 Str.), 527a (7 Str.), 528 = 533b (3 Str.), 529a (5 Str.), 530 = 100b (7 Str.), 531 (5 Str.). fol. 475rb-vb Ml 11, *7,26; *7,27; 7,1. fol. 475vb–480vb; 481ra-va fünf Bare im Langen Ton; RSM 4, 1Marn/7/533a (7 Str.), 534a (5 Str.), 535a (9 Str.), 536a (5 Str.), 520c (3 Str.). fol. 480vb zwei Einzelstrophen im Langen Ton *7,28. *7,29. fol. 481va–487va acht Bare im Langen Ton; RSM 4, 1Marn/7/539 (5 Str.), 540 (7 Str.), 541 (3 Str.), 542 (3 Str.), 543 (3 Str.), 544 (5 Str.), 545a (3 Str.), 546 (3 Str.). fol. 487va–488ra Ml 12, Dreierbar im Langen Ton, Str. 2 = *7,21. fol. 488ra-vb; 480va-b Fünferbar im Langen Ton; RSM 4, 1Marn/7/548. fol. 489ra–490ra Melodie. Ml 25, Prophetentanz. fol. 490ra–490vb Melodie. Ml 13, Fünferbar im Goldenen Ton, Str. 1–3 = 1,1–3, Str. 5 = 1,4. fol. 491ra-va Fünferbar im Goldenen Ton; RSM 4, 1Marn/1/501. fol. 494ra–495ra Melodie. FIV, *6,21; *6,22; *6,23; *6,24; 6,1; 6,9. fol. 495ra-va FV, Dreierbar im Hofton, *6,25; *6,26; *6,27. fol. 495va–497vb vier Bare im Hofton; RSM 4, 1Marn/6/502a (3 Str.), 503 (3 Str.), 504a (3 Str.), 505a (5 Str.). fol. 497vb–498va Ml 14, Fünferbar im Hofton, Str.1 = 6,15, Str. 2 = 6,7, Str. 4 = 6,18. fol. 498va–500va Dreizehnerbar im Hofton. Sibyllenweissagung. RSM 4, 1Marn/ 6/101 f. fol. 501ra–502ra FVI, Siebenerbar im Hofton, 6,3; *6,28; *6,29; 6,16; *6,30 *6,31; 6,10. fol. 502ra–502va Ml 15, Viererbar im Hofton, Str. 1 = 6,8, Str. 3 = 6,1, Str. 4 = *6,22. Beschreibung: Die Kolmarer Liederhandschrift der Bayerischen Staatsbibliothek München (cgm 4997). In Abbildung hg. von Ulrich Müller, Franz Viktor Spechtler, Horst Brunner. 2 Bde., Göppingen 1976 (Litterae 35). Karl Stackmann: Die kleineren Dichtungen Heinrichs von Mügeln. I. Abt.: Die Spruchsammlung des Göttinger Cod. Philos. 21, Berlin 1959, S. LXV–XCV (DTM 50–52); ders. (wie Hs. J), S. 102–112; s. auch Schanze I, S. 35–86; II, S. 58–83; 209, Wachinger 85, Sp. 27–39, Brunner/Rettelbach 85, S. 221–240 und Baldzuhn 02. Handschrift o München, Bayerische Staatsbibliothek, Cod. germ. mon 426. Sammelhs. Konstanzer Weltchronik u. a. 3. Viertel des 15. Jh.s. Papier. 84 Bll. Bayern. fol. 46r–50v Achtzehnerbar im Hofton. Sibyllenweissagung, Str. 1 = 6,4; RSM 4, 1Marn/6/101c.

8

Einleitung

Beschreibung: Karin Schneider: Die deutschen Hss. der Bayerischen Staatsbibliothek München. Bd. III: Cgm 351–500, Wiesbaden 1973, S. 231–234. Handschrift p Dessau, Anhaltische Landesbücherei, Hs. Georg. 231. 8o. Sammelhs. Prosatraktate. 1. Hälfte 15. Jh. Papier. 278 Bll. Ostmitteldeutsch. Schreiber: Johann Örtwen. fol. 228r–234r Siebzehnerbar im Hofton. Sibyllenweissagung. Str. 1 = 6,4; RSM 4, 1Marn/6/101d. Beschreibung: RSM 1, S. 110. Handschrift q Berlin, Staatsbibliothek – Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. qu. 414. Meisterliederhs. 1517 und 1518. Papier. 489 Bll. Nürnberg. Schreiber: Hans Sachs. fol. 244v–247v vier Dreierbare im Langen Ton; RSM 4, 1Marn/7/566; 545b, 567; 505e. fol. 248v–250v Dreier- und Fünferbar im Langen Ton; RSM 4, 1Marn/7/558b; 568. fol. 252v Str. 1 und 2 eines Siebenerbars im Langen Ton; RSM 4, 1Marn/7/569. fol. 255r und 256r Ml 30, Str. 4 (fragm.) und 5–7 eines Siebenerbars. fol. 255v u. 257v–258v; 256r–257v zwei Siebenerbare im Langen Ton; RSM 4, 1Marn/7/571; 572. fol. 267r–268r Ml 28, ein Hort in den vier gekrönten Tönen. fol. 353v–354r Ml 26, Dreierbar im Süßen Ton. fol. 354r–355v Ml 31, Fünferbar im Langen Ton. fol. 387r–388r Ml 18, Dreierbar im Hofton, Str. I = 6,15; Str. III = *6,30. fol. 398v–403r zwei Siebenerbare im Langen Ton; RSM 4, 1Marn/7/574; 575. fol. 403r-404r Ml 32, Fünferbar, Rätselstrophen in Frauenlobs Spiegelton. fol. 409r–410r der Prophetentanz; s. Ml 25 (nach k!). fol. 419r–420v Ml 27, Fünferbar im Kreuzton. fol. 425v–426v Dreierbar im Goldenen Ton; RSM 4, 1Marn/1/506. fol. 454r–455r Ml 33, Fünferbar, Rätselauflösungen in Frauenlobs Spiegelton. Beschreibung: Frances H. Ellis: Analysis of the Berlin MS Germ. Quart 414. In: PLMA 61 (1946), S. 947–996. Schanze I, S. 114–131; II, S. 92–115. Klesatschke, S. 40–81. Handschrift r Berlin, Staatsbibliothek – Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. qu. 410/3. Meistersingerhandschrift, aus verschiedenen Sammlungen kompiliert. 1. Hälfte bis Mitte 16. Jh. Papier. 557 Bll. Nürnberg. Teil III, fol. 1r–192r Schreiber: Valentin Wildenauer.

Überlieferung

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fol. 29r–30v Ml 19, Dreierbar im Hofton, Str. I = 6,15, Str. III = *6,30. Beschreibung: RSM 1, S. 82–84. Handschrift t Tarantsberg, Schloßarchiv (verschollen). Einzelblatt. 1322 oder 1326. Papier. Tirol. FIII *7,25; 7,1; *7,26; *7,24. Beschreibung: Ludwig Schönach: Marienleiche des Albertus socius inttimus 1322. In: Zs. des Ferdinandeums f. Tirol und Vorarlberg. 3. F. Heft 47, Innsbruck 1903, S. 284–289. Handschrift w München, Bayerische Staatsbibliothek, Cod. germ. mon. 5198. Wiltener Meisterliederhandschrift. Um 1500. Papier. 177 Bll. Tirol. fol. 7v–8r Fünferbar im Hofton (St. 3 fragm.); RSM 4, 1Marn/6/505d. fol. 8r–9v zwei Dreierbare im Langen Ton; RSM 4, 1Marn/7/560; 505c. fol. 10v–13v+15r-v Neunzehnerbar im Hofton. Sibyllenweissagung, Str. 2 = 6,4. fol. 14r-v–15v zwei Dreierbare im Langen Ton; RSM 4, 1Marn/7/561; 562. fol. 16r-v [Dreierbar] Str.I,1–11 im Langen, das übrige im Hofton; RSM 4, 1Marn/7/563; 6/502b. fol. 16v–17r Dreierbar im Hofton; RSM 4, 1Marn/6/511. fol. 17r-v Dreierbar im langen Ton; RSM 4, 1Marn/7/510c. fol. 17v–18r Ml 17, *7,22; *7,23; *7,24. fol. 18v–19r Dreierbar im Langen Ton; RSM 4, 1Marn/7/564. Beschreibung: Stackmann (wie Hs. k [Mügeln]), S. CXL-CLII. Schanze I, S. 103–108; II, 122–133. Die Handschriften und Drucke, die nur mehr Lieder in Marner-Tönen ohne alten Strophenbestand überliefern, verzeichnet das Repertorium Bd. 4, S. 263–324 und Bd. 2, S. 130–134. Von diesen Handschriften wurden für die vorliegende Ausgabe noch benutzt: Handschrift b Basel, Öffentliche Bibliothek der Universität, O IV 28. Meisterliederhandschrift; um 1430. Pap. 64 Bll., schwäbisch/alemannisch. fol. 45v–47r Fünferbar im Langen Ton; RSM 4, 1Marn/7/552. fol. 56v–57v Fünferbar im Hofton; RSM 4, 1Marn/6/505b. fol. 61v–62r Dreierbar im Hofton; RSM 4, 1Marn/6/504b. fol. 63v–64r Dreierbar im Hofton, Ml 29. Beschreibung: Stackmann (wie Hs. k [Mügeln]), S. XVII-XXIII. Schanze I, S. 94–100; II S. 30–34.

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Einleitung

Handschrift M 8 Dresden, Sächsische Landesbibliothek. Meisterliedersammlung. 16. Jh. 699 Bll. Nürnberg. Schreiber: Valentin Wildenauer. fol. 489r-v Ml 35, 1. Strophe eines Bars im Langen Ton (unvollständig). Beschreibung: RSM 1, S. 121–124. Handschrift Will III 782 Nürnberg, Stadtbibliothek. ‚7. Liederbuch Wolf Bauttners‘. 1. Hälfte 17. Jh., 629 Bll. Nürnberg. fol. 300–303 Ml 34, eine Schulkunst [Konrad Nachtigalls]. Beschreibung: RSM 1, S. 230–232. Handschrift 2981 Wien, Österreichische Nationalbibliothek. Meisterliederhandschrift ~ 1534. III+34+III Bll. Schwaben. fol. 24v–25r Ml 23, Dreierbar im Goldenen Ton. Beschreibung: Hermann Menhardt: Verzeichnis der altdeutschen literarischen Handschriften der Österreichischen Nationalbibliothek. Bd. 2, Berlin 1961, S. 722–726. 1.2.2 Die Handschriften mit lateinischen Texten Die Handschrift Au Augsburg, Universitätsbibliothek, Cod. II. 1. 2o 10. Lat. Sammelhs. 14. und 15. Jh. Pap. und Perg. 268 Bll. Süddeutschland. Teil VIII fol. 232r–241v lateinische Cantiones. 14. Jh. Papier. fol. 236r–237r sieben Cantiones in Marners Langem Ton (5 von Mersburch, 2 von Tilo). fol. 237r 7,19. fol. 238v–239r drei Cantiones (2 von Estas, eine von Mersburch) Melodia Marnarii, s. dazu RSM 5, S. 647; 649. Beschreibung: Günter Hägele: Lateinische mittelalterliche Handschriften in Folio der Universitätsbibliothek Augsburg. Die Signaturengruppe Cod. I. 2. 2o und Cod. II. 1. 2o 1–90, Wiesbaden 1995, S. 114–122 f. Die Handschrift Be Berlin, Staatsbibliothek – Preußischer Kulturbesitz, Ms. lat. 2o 136. Sammelhss. lat. Chroniken. 1504. Pap. 157 Bll. Böhmen? fol. 15v–23r Heinrich von Heimburg ‚Chronica Bohemorum‘, darin fol. 22r *L12. Beschreibung: Valentin Rose: Die Handschriften-Verzeichnisse der Königlichen Bibliothek zu Berlin, Bd. 13: Verzeichnis der lateinischen Handschriften. Bd. 2, Abt. 3, Berlin 1905, S. 1025f. Pertz, S. 711–718.

Überlieferung

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Handschrift CBu München, Bayerische Staatsbibliothek, Cod. lat. mon 4660/4660a. Carmina Burana. Um 1225/1230 mit Nachträgen bis in die 2. Hälfte des 13. Jh.s. Pergament. 112 + VII Bll. Kärnten, Steiermark o. Südtirol. fol. 55r Nachtrag *L9. fol. 105r; 104v; 105r Nachtrag *L10. Fragmenta Burana fol. IIrv *L11 (Melodie). Beschreibung: Facsimile der Hs. Clm 4660 und Clm 4660a, hg. v. B. Bischoff, München 1967 (Veröffentlichungen mal. Musikhss. 9). Günter Glauche: Katalog der lateinischen Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek München. Die Pergamenthss. aus Benediktbeuern. Clm 4501–4663, neu beschrieben, Wiesbaden 1994, S. 300–304. G. Bernt: ‚Carmina Burana‘. 2VL 1 (1978), Sp. 1179–1186. W. Meyer: Fragmenta Burana mit 15 Tafeln, Berlin 1901. Handschrift Kl Klagenfurt, Studienbibliothek, Perg. Hs. 7. Lat. Sammelhs. 12. und 13. Jh. Die Liedeinträge wohl im 1. Viertel des 13. Jh.s. Pergament. 47 Bll. Admont? fol. 6r die 5. Strophe von *L9. Beschreibung: Hermann Menhardt: Handschriftenverzeichnis der Österreichischen Bibliotheken. Kärnten. Bd. I: Klagenfurt usw., Wien 1927, S. 87. Hs. Mü München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 5539. Musikhandschrift. Mitte 14. Jh. Perg. 194 Bll. Diessen am Ammersee. fol. 151v–154v ein 3strophiges lat. Lied mit Neumen in Marners Spruchton 6. Beschreibung: H. Spanke: Eine mittelalterliche Musikhandschrift. In: ZfdA 69 (1932), S. 49–70. Kornrumpf 78, S. 218–230.3 Handschrift Ste Sterzing, Stadtarchiv ohne Signatur ‚Sterzinger Miscellaneen-Handschrift‘. Lat.-dt. Mischhandschrift. Nach 1420. Pap. 61 Bll. Südtirol. fol. 16r 7,19. fol. 29v *L9. Beschreibung: Die Sterzinger Miszellaneen-Handschrift. In Abbildung hg. von E. Thurnher und M. Zimmermann, Göppingen 1979 (Litterae 61). M. Zimmermann: Die Sterzinger Miscellaneen-Handschrift. Innsbrucker Beitr. zur Kulturwissenschaft. Germ. Reihe 8. Innsbruck 1980. M. Zimmermann: ‚Ster3

Kornrumpf verzeichnet eine weitere Überlieferung Vorau 401, das Repertorium 4 1Marn/6/102b eine dritte aus dem ebenfalls mit Neumen versehenen Clm 14026 Str. 1–2,4.

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Einleitung

zinger Miscellaneen-Handschrift‘. 2VL 9 (1993), Sp. 314–316. Max Siller: Wo und wann ist die Sterzinger Miszellaneen-Handschrift entstanden? In: Entstehung und Typen mittelalterlicher Lyrikhandschriften. Akten des Grazer Symposiums 1999, hg. von A. Schwob u. a., Bern usw. 2001 (Jb. f. Intern. Germ. A 52), S. 255–280. Handschrift Stu Stuttgart, Würtembergische Landesbibliothek, HB I 91. Sammelhandschrift lat. historisch-medizinisch-theologischer Schriften. Teil II ca. 1415–1418. Pap. 354 Bll. Süddeutschland. fol. 70r–81r Heinrich von Heimburg ‚Chronica Bohemorum‘, darin fol. 79v–80r *L12. Beschreibung: Johanne Autenrieth/Virgil Ernst Fiala unter Mitarbeit von Wolfgang Irtenkauf: Die Handschriften der ehemaligen Hofbibliothek Stuttgart 1. Codices ascetici 1, Wiesbaden 1968, S. 163–167.

1.2.3 Bezeugte, aber verlorene Überlieferung Im 1466/67 angelegten Bücherverzeichnis des Grafen Wilhelm von Öttingen4 Cod. VI 6 2o der Öttinger-Wallersteinschen Bibliothek, befanden sich in einer Renner-Handschrift, wohl als Anhang, neben Liedern von Neidhart, Frauenlob, dem Brennberger, Regenbogen und Konrad v. Würzburg auch solche von dem Marner und aber von dem Marner. In der mit der Sigle X bezeichneten Handschrift, von der die Zimmerische Chronik, geschrieben 1565–1566, Nachricht gibt, und die nach Schanzes5 gründlichen Überlegungen auf 1344 datiert und in Konstanz lokalisiert werden kann, war neben Frauenlob, Konrad von Würzburg u. a. auch der Marner vertreten.

1.2.4 Zur Überlieferungslage Die Überlieferung der Lieder beginnt und endet im 14. Jh. mit den Hss. C und G, die der Sprüche beginnt 1273 mit dem Eintrag der nur hier und in k, dort als 2. Strophe eines Dreierbars überlieferten Strophe im Langen Ton6 (*7,21) in die Hs. I. Eine besondere Rarität ist die Ende des 13. Jh.s entstandene Basler Rolle7. 4 5 6

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Ma. Bibliothekskataloge III,1, bearb. v. Paul Ruf, München 1932, S. 159–161, hier S. 160. Schanze 85, S. 316–320, dort auch frühere Literatur. Der Name des langen Tons zum ersten Mal in Hs. R (lange weis); die übrigen erst in der Hs. k. Vgl. Holznagel 01, S. 107–130, hier vor allem S. 117.

Überlieferung

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Ein solcher Überlieferungsträger, der vor und neben der für den Buchblock bestimmten Lagen zum bequemen Gebrauch aus Einzelblättern zusammengenäht wurde, ist sehr selten erhalten und hat auch hier nur aus Fälzen rekonstruiert werden können. Von den neun Marner-Strophen, die auf diese Weise gewonnen wurden, sind zwei nur hier überliefert, eine dritte steht überdies in k. Zwei religiöse Sprüche werden einem von nifen zugewiesen, den man wohl nicht mit dem Minnesänger Gottfried von Neifen identifizieren muß.8 Das Gros der erhaltenen Strophen, im folgenden Corpus-Strophen genannt, überliefert die um 1300 geschriebene, mit Nachträgen bis ca. 1330 fortgeführte autor- und corpusbezogene, mit ganzseitigen Miniaturen versehene große Heidelberger Liederhandschrift. Die weitere Überlieferung der Sangsprüche im 14. Jh. fließt spärlich9 und ist mit Ausnahme der Einzelstrophe in Hs. N nicht unproblematisch. Beteiligt sind neben N die Hss. J, E, D (h und R) und t: Die Jenaer Hs. hat drei Strophen mit C gemeinsam, verzeichnet sie aber unter Kelins Ton III (s. dazu u. S. 29 f.). E hat zwei sonst nicht überlieferte Strophen in Marner-Tönen und dazu zwei Marner zugeschriebene Strophen in Tönen, die nirgend sonst bezeugt sind. Für alle vier ist die Zugehörigkeit zum Marner-Œuvre fraglich (s. S. 155; 267; 284ff.). Hs. t hat eine Strophe in Marners Langem Ton mit C gemeinsam und drei weitere, die einzeln oder zu zweit, aber stets in anderer Reihenfolge und im Verbund mit weiteren Strophen auch in R und k überliefert sind; h hat drei Strophen im Hofton, die auch C hat; R hat zwei anonyme Lieder im Langen Ton, eines davon ist an eine Corpus-Strophe angeschlossen, und weitere 7 Strophen im Langen Ton, von denen nur eine auch in C überliefert ist. Soweit wir wissen, wurden nur der Goldene, der Kurze oder Hofton und der Lange Ton zu Verbindungen alter und neuer Strophen benutzt. Solche Verbindungen neben Liedern ohne alten Strophenbestand überliefern von den Meisterliederhandschriften des 15. Jahrhunderts vor allem die Kolmarer Liederhandschrift, sonst nur noch die Münchner Hss. Cgm 1019 und Cgm 5198 (Wiltener Hs.). Da eine alte Marner-Strophe in einige Fassungen der strophischen Sibyllenweissagung integriert worden ist, zählen noch die Hs. Dessau Georg 231, der Cgm 426 und der Cpg 693 zur MarnerÜberlieferung. Die übrigen Meisterliedersammlungen des 15. Jh.s enthalten ne-

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Mertens (2VL 3, Sp. 147–151) diskutiert die Zuweisung noch nicht; Haustein erinnert (S. 19 und 187) an 6,11,8 die vlugen da her von nifen unde sungen núwen sang und hält es für möglich, daß die Zuweisung in Hs. B und dieser Vers „auf einen für uns nicht mehr erkennbaren Zusammenhang zwischen beider Œuvre“ hindeute. Die angefügten Verweise sagen dazu nichts. Die erhaltene schriftliche Fixierung scheint der tatsächlichen Verbreitung nicht adaequat. Konrad v. Megenberg (‚Buch der Natur‘, S. 197) schreibt um 1350 anläßlich einer Klage über die Prälaten, die das Chorgebet vernachlässigen: „so singt der ainen Frawenlop, der ainen Marner …“. Der Bekanntheit in diesen Kreisen verdanken sich wohl auch die Einträge in die Hss. F und I, s. dazu Schanze I, S. 391 f.

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Einleitung

ben den Liedern der wenigen namentlich bekannten Benutzer nur anonyme Lieder in Marner-Tönen. Im 16. Jh. bieten nur noch das Sachs-Autograph Berlin 414 und das Berliner Mgq 410/3 neben anonymen Liedern einige wenige Lieder mit alten Strophen. Aus jüngerer Zeit ist keine Überlieferung alter Strophen mehr bekannt. Die mehrheitlich protestantisch gesinnten bürgerlichen Meistersänger lehnten der neuen religiösen Ausrichtung wegen die alten Lieder insgesamt ab.10 Von den Marner erst im 15. Jh. zugesprochenen Tönen ist der Prophetentanz zweimal überliefert, der Geblümte Ton und der Süße Ton nur je einmal; nur der Kreuzton wurde im jüngeren Meistersang mehrfach benutzt (hier Ml 24–27). Fälschlich wird in der Hs. Dresden M 13 zweimal Frauenlobs Flugton Marner zugeschrieben und im Cpg 680 der fremde Ton des Ungelehrten von anderer Hand mit dem Zusatz Es stat in des Marners wildem don versehen.11 Den Druck erreichte nur der sonst weniger beachtete Goldene Ton; einige vielstrophige Erzähllieder in diesem Ton erscheinen in Drucken des 16. Jh.s. Die im 13. und frühen 14. Jh. überlieferten Sangsprüche (in den Hss. B, C, E, I, J, N) sind Einzelstrophen. Sofern sie im 15. und 16. Jh. noch überliefert werden (e, k, q, r, w), bilden sie im Verbund mit anderen alten und/oder neu hinzugedichteten Strophen Bare, die neue Einheit des Meisterlieds. Wann, warum, durch wen und für wen der Wechsel zur Mehrstrophigkeit Gesetz wurde, ist eine ungelöste Frage.12 Die Suche nach Stropheneinheiten (Ketten, Reihen) in der Sangspruchdichtung des 13. Jh.s brachte nicht nur neben den immer schon unproblematischen Einheiten wie Rätsel/Auflösung, Allegorie und Auslegung13 oder der Erörterung eines Themas nach zahlenmäßig vorgegebenen Abschnitten14 und einigen hymnusartigen Liedern15 keine weiteren wirklich überzeugenden Einheiten ans Licht16, sie trug auch nichts zur Beantwortung der generellen Frage bei. 10 11 12 13 14

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S. Brunner, S. 9–12. S. RSM 4, 1Marn/8/1 und 2 und 13/1. Referat früherer Erklärungsansätze bei Baldzuhn, S. 258. Z. B. Reinmar v. Zweter, Sprüche 8/9; 99/100; Meißner X, 2/3. Z. B. Meißner VI,9 und 10 über die fünfzehn Anzeichen des Weltuntergangs; Rumelants vierstrophiges Spruchlied über den Anteil der vier Elemente am Erlösungsgeschehen HMS I S. 267 f. (dort unter Walther v.d.Vogelweide, s. dazu P. Kern 00, S. 130–142). Z. B. Sigehers Marienhymnus, Brodt, S. 86–89. Was als ‚Strophenkette‘ oder -reihe oder liedhafte Einheit deklariert wird, sind stets Strophen zum gleichen Thema, wie sie Autoren, Sammler, Schreiber jederzeit zusammenstellen konnten und die uns entweder in einer solchen Zusammenstellung überliefert sind oder von modernen Interpreten, die nach Einheiten suchen, zusammengestellt werden. Dabei vertun Interpreten wie Leser besonders viel Zeit unnütz mit Überlegungen wie: noch Kette oder doch eher Reihe? Von der Vortragssituation her gesehen ist die Frage, ob die in sich abgeschlossenen Strophen als Einheit, Kette oder Reihe vorgetragen wurden, ohnehin albern. Aber die Spurensuche als solche ist Unfug. Ein Marienlob preist die Verbindung der Gottesmutter mit der Trinität, ihren Anteil am Erlösungsgeschehen von der Verkündigung

Überlieferung

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Sicher beginnt mit den Gedichten Heinrichs von Mügeln, verfaßt etwa ab der Mitte des 14. Jh.s, die Mehrstrophigkeit. Auf um 1350 datiert man auch die Hs. D, deren eindeutig als Lieder konzipierte Texte des Teils H wie das 17strophige Lied über die Minne und das fünfstrophige über Eva/Maria nicht nur die Nutzung von Marnertönen belegen, sondern auch erlauben, den sporadischen [?] Übergang von der Einzelstrophe zur Mehrstrophigkeit – immer noch vage genug – in die erste Hälfte des 14. Jh.s zu verlegen. Die Überlieferung der Strophenfolgen 6,8, 6,9, 6,1 in Hs. h und *7,22–27+7,1 in R enthält nicht nur keinen Hinweis auf liedhafte Einheit, sondern der Schreiber von R überschreibt jede Strophe neu mit dem Hinweis auf die Tonbezeichnung. In dem heute verschollenen Blatt t folgt den vier Strophen *7,25, 7,1, *7,26, *7,24 von einer zweiten Hand (Hand B) eine stark veränderte Fassung von Frauenlobs Liedstrophe XIV,5, darunter wiederum von Hand A der Vermerk Diu lange weis des Frawenlobes Alb(ertus) socius inttimus dixit sub m o ccc o XXII die Pancratii. Schönach, der die Strophen nicht als zum Marner gehörig erkannte, hielt dies für eine Verfasserangabe. Kornrumpf (78, Sp. 142 f.), die die Marner-Strophen identifizierte, meint ohne weitere Begründung, der Nachtrag beziehe sich „wohl“ auf die Marner-Strophen, deren Ton der Schreiber dann irrtümlich für Frauenlobs Langen Ton gehalten haben muß. Sie hält es auch für möglich, daß dieser Albertus der Verfasser der drei nicht in C überlieferten Strophen ist, was, wenn es zuträfe, „der wohl früheste Beleg für die Ergänzung von Einzelstrophen eines Spruchtons zu Baren durch (gewöhnlich anonyme) Zudichtungen“ wäre. Dem Autor Albertus begegnet schon Cramer (I, S. 408) mit Skepsis. Stackmann (81, I, S. 153) hält es sogar für möglich, daß der Nachtrag keinerlei Verbindung zu den

bis Christi Himmelfahrt, ihre Stellung im Himmel; ein Gebet um Vergebung der Sünden beruft sich auf das Erlösungsgeschehen von der Beratung der Trinität über die Inkarnation bis zum Kreuzestod; ein Gotteslob preist die Trinität, die Wunder der Schöpfung und die Wunder der Menschwerdung und Erlösung. Durch diese ständige Motivbündelung (Gade, S. 49 spricht vom „Reichtum an Kombinationsmöglichkeiten leicht variiert wiederkehrender Versatzstücke“), die vor allem die religiösen Strophen, aber auch die paränetischen kennzeichnet, paßt mehr oder weniger alles zu allem, lassen sich für den versierten Interpreten verbindende Elemente zwar leicht finden, sprechen aber häufig ebenso deutlich gegen wie für eine liedhafte Einheit. Das gilt auch für alle diesbezüglichen Überlegungen zum Marner-Corpus, wie sie Brück, Schlageter, Tervooren und noch Wachinger und Haustein angestellt haben. Es werden zuweilen Kriterien für die Zusammengehörigkeit von Strophen angewendet, die tatsächlich zusammengehörende Strophen gar nicht aufweisen, z. B. der Beginn mit einem a : a-Reim oder die Wiederholung einer Reimfolge an gleicher Strophenstelle, so Haustein zu der postulierten Liedkette im goldenen Ton, S. 48–58 und zu der Verbindung der dritten und vierten Strophe von Ml 6 im langen Ton, S. 102. Mit wünschenswerter Offenheit registriert Tervooren selbst (67, S. 292–294) den gänzlichen Mangel der sonst als tragfähig angesehenen Kriterien für eine „liedhafte Einheit“ bei Meißners sicher zusammengehörigen Strophen XII,1–4.

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Einleitung

Texten hat. Was die Ergänzung zu Baren angeht, so hielt Schönach die Strophen für „4 Leiche“, hat also keinen Hinweis auf eine Verbindung als Lied vorgefunden; damit haben Kornrumpfs beide Vermutungen keine rechte Grundlage. Dennoch steht für Wachinger (87, Sp.77) fest: „Erweiterung einer echten Einzelstrophe zum Lied zuerst bei Albertus.“ Auch Haustein (S. 83, Anm. 66) meint: „die weitere Überlieferung“ zeige, „daß die vier Strophen wohl auch schon ursprünglich [Die alte mit den neuen? E.W.] zusammengehört haben.“ Diese Folgerung scheint mir der Befund aber nicht zu erlauben: Von den fünf Marienstrophen in R (*7,24; *7,25; *7,26; *7,27; 7,1) stehen 4 auch in t (*7,25; 7,1; *7,26; *7,24). Drei von ihnen sind in k zu einem Bar vereinigt worden (*7,25; *7,26; 7,1), zwei noch einmal mit einer anderen Strophe zusammengebunden (*7,26; *7,27; 7,1), während *7,24 zu einer gänzlich anderen Verbindung genutzt wird. Was für das 15. Jh. offensichtlich ist, die Kombination neuer Lieder aus einer auf unbekannten Wegen sich erhaltenden Anzahl17 von älteren, wohl besonders bekannten oder geschätzten Marner-Strophen mit jüngeren mehr oder minder passenden oder passend gemachten, kann t nicht belegen. Einen eindeutigen Beleg für ein Verfügbarhalten von Einzelstrophen bietet dagegen sogar noch die Hs. k; auf Bl. 480vb sind auf vormals freier Spalte in gedrängter Schreibweise zwei nicht zusammenhängende Strophen eingetragen, über deren Eignung zur Barbildung der Schreiber eigens vermerkt Dyse zwey lied’ meget wol gesungen w’den nach de fur wurff im dritte plat vor Appoccalips.18 Der Fall ist vor allem interessant hinsichtlich der Strophenfolgen, die in k nicht als Bare gekennzeichnet sind. Das ist im Marner-Teil zweimal der Fall: einmal zu Beginn des Kurzen Tons, der fol. 494ra mit der Generalüberschrift In marner kUrcze od’ hofedone und der ersten Strophe im Notensystem beginnt. Daß hier nicht noch eine eigene Überschrift über die folgenden 6 [!] überwiegend an die Gottesmutter gerichteten Strophen gesetzt wurde, ist üblich.19 Nicht üblich aber ist, daß an diese Strophenfolge von sechs Strophen drei weitere, nur durch eine etwas größere Initiale abgesetzte angefügt sind, die damit ebenfalls nicht als Bar gekennzeichnet sind, mit den vorherigen nicht zusammenhängen und auch unter sich keine sinnvolle Einheit bilden, s. u. S. 212 ff.

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Baldzuhn, S. 276 spricht von einem „Pool“, für den heutigen Nutzer von Datenbanken eine Vorstellung von suggestiver Plausibilität. Die griffige Formulierung täuscht jedoch eine Konkretheit vor, die nach dem ‚Sitz im Leben‘ im Mittelalter nicht fragt. Wo, bei wem, von wem angelegt, wie fixiert, von wem verwaltet, wie und für wen zugänglich soll ein solcher Pool im Mittelalter existiert haben? Daß sie mit dem furwurf nichts, aber auch gar nichts zu tun haben, sollte als Warnung verstanden werden, daß es doch nicht so generell gilt, daß in der Barbildung mit fertigen Strophen ‚immer‘ sinnvolle Liedkontexte hergestellt werden, wie Baldzuhn (S. 275) glaubt feststellen zu können. Von den 6 Strophen stehen 5 und 6 auch in C, 5, 6 und 1 auch in der Basler Rolle. Nach RSM 4, S. 283 waren nur Strophe 2–6 als Bar gedacht; das heißt aber, daß auch hier eine Einzelstrophe überliefert worden wäre.

Überlieferung

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Der zweite Fall ist der Neueinsatz der Überlieferung des Kurzen Tons fol 501ra nach einer dreiviertel Leerseite mit der Überschrift Ab’and’ im kurcze marn’, also ebenfalls ohne Hinweis auf Barbildung, mit einer Strophenfolge, die RSM 4, 1Marn/6/508a nur als Konglomerat20 bezeichnen kann und die sich plausibel als ein Verfügbarhalten von Einzelstrophen erklärt.

1.2.5 Die Melodieüberlieferung Melodien zu den deutschen Liedern sind nicht überliefert. Von den vier lateinischen Liedern bedient sich Lied *11 der verbreiteten Vagantenstrophe, die in den Fragmenta Burana überdies noch neumiert ist, von den übrigen haben wir nur die Texte. Vermutlich übernahm Lied *9 mit Walthers Metrum und Reimtechnik wohl auch die Melodie zu seinem Vokalspiel, sie ist aber auch nicht erhalten. Von Lied *10 wird angenommen, daß es auf die Melodie von Lied 8 gedichtet worden ist, obwohl v. 7 um zwei Takte kürzer ist. Lied *12 stimmt mit keinem bislang bekannten Metrum überein. Es gibt auch keine Melodieaufzeichnung zu den Sangsprüchen 2 und 3, was besonders für Spruch 2 bedauerlich ist, der aus allen Sangspruchreihen tanzt. Die Töne zu den Sangsprüchen 4 und 5 überliefert die Jenaer Liederhandschrift mit den Strophen Stolles und Kelins, Ton 5 dürfte aber dem Marner gehören (s. dazu S. 29 f.), Ton 4, die Stolle zugeschriebene Alment, wurde schon zur Marner-Zeit von mehreren Dichtern betextet, in der Regel mit jeweils spezifischen kleinen Abwandlungen. Ton 6 wurde um die Mitte des 14. Jahrhunderts von einem Anonymus für eine lateinisches Lied benutzt, das in dreifacher Überlieferung (s. Hs. Mü und Anm. dazu) mit Melodieaufzeichnung erhalten ist. Darüberhinaus wird der Hofton in k und dann in den nachfolgenden Jahrhunderten des Meistersangs wie die Töne 1 und 7 tradiert, für die die Melodieüberlieferung mit der Kolmarer Hs. beginnt, deren Notierung, rund 200 Jahre nach Entstehung der Töne noch zu deren Formen 1 und 2 paßt, wie sie das Corpus überliefert. Die reiche jüngere Melodieüberlieferung21 notiert die weitgehenden Umformungen, wie sie dem gewandelten musikalischen Geschmack der Meistersinger entsprachen.

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Zu der völlig entgegengesetzten Einschätzung bei Haustein s. u. Folge VI, S. 305. Vollständig verzeichnet RSM II, S. 130–134. Ein detaillierter Überblick auch Rettelbach, S. 274–276.

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Einleitung

1.3 Das Werk 1.3.1 Umfang Das in C überlieferte und von Strauch in der Reihenfolge der Handschrift herausgegebene Corpus mitsamt seiner Ergänzung aus Hs. E (*4,3) wurde lange fraglos als das Werk eines Verfassers, eben des Marner angesehen. Die KelinFrage (s. u. S. 29) wurde rasch zu Gunsten des Marner gelöst. Vor allem aber wurden die lateinischen Texte *L10 und 7,19 zu seinem Werk gerechnet; es gehört zu den Stereotypen der Literaturgeschichtschreibung von Docen bis Heinzle22, eigens hervorzuheben, daß der Marner deutsch und lateinisch gedichtet habe. Strauch selbst und später Brackert stellten denn auch ohne Zweifel an den hsl. Zuweisungen noch die lateinischen Lieder *9, *11 und *12 hinzu. 1995 erschienen Hausteins Marner-Studien, in denen er in einem eigenen Kapitel (S. 111–123) Marners Autorschaft an den lateinischen Texten generell bezweifelt und in zwei Fällen sogar für ausgeschlossen hält.23 Sein Generaleinwand, eine für die Abfassung lateinischer Gedichte vorauszusetzende gelehrte Bildung hätte sich auch in den deutschen Texten niederschlagen müssen, ist ein Vorurteil. Daß ein Dichter des 13. Jahrhunderts für verschiedene Lebensbereiche mit verschiedenem Publikum verschiedene Stillagen wählen und verschiedene Ansprüche befriedigen konnte, zeigt z. B. der gelehrte Thomasin, der bewußt darauf verzichtet, welhische worte zu verwenden, weil ihm vor allem daran liegt, verstanden zu werden: ich hân einn andern sin erkorn, / daz ich mich des gern vlîzen wil / und wil dar ûf gedenken vil / daz man mir verneme wol.24 Es ist also durchaus möglich, daß der Anstrich des Ungelehrten, was ja nicht mit Kunstlosigkeit gleichzusetzen ist und beim Marner sicher nicht gleichgesetzt werden darf25, Programm war (s. 5,3). Außerdem: Wann immer Haustein den Nachweis führt, daß man für dieses oder jenes Phänomen kein lateinisches Vorbild oder keine lateinischen 22

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J. B. Docen: Versuch einer vollständigen Literatur der älteren Deutschen Poesie von den frühesten Zeiten bis zu Anfange des XVI. Jahrh. 1. Abt. In: Museum für Altdeutsche Literatur und Kunst, hg. von F. H. v.d.Hagen u. a. Berlin 1809 (Reprint 1971), S. 126–234, hier S. 184 f. Joachim Heinzle: Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zum Beginn der Neuzeit. II,2 Wandlungen und Neuansätze im 13. Jahrhundert. 2. durchgesehene Aufl. Tübingen 1994, S. 97. So S. 241. Haustein favorisiert Marners Verankerung in ‚volkssprachlicher Tradition‘, mit der sich eo ipso eine gelehrte lateinische Kompetenz nicht vertragen würde. ‚Der wälsche gast‘ v. 49–53. Vgl. auch ‚Minneburg‘ 4637–4641, deren Verf. eigens darauf verweist, daß er seinen anspruchsvollen Passagen sehr wohl einfache beigesellen kann, daz ist uff daz geschide / geschehen, daz ez wol vernemen, / Waz lut ez ymmer fur quemen, / Ez wern frawen oder man. Eines der Verdienste gerade der Hausteinschen Untersuchungen ist das Aufzeigen kunstvoller Kompositionen, bei denen kein Wort zuviel und jedes an seinem Platz ist und alle Motive notwendig sind, s. z. B. S. 50 und passim.

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Quellen zu bemühen brauche, da es schon volkssprachlich vorgegeben sei, räumt er damit ein, daß man durchaus lateinische bemühen könne. In einigen Fällen hat er sogar selbst auf solche verwiesen oder ist von anderen auf sie verwiesen worden.26 Befremden muß auch, daß Haustein bei einem lateinischen Lied gegen die Verfasserschaft des Marner keine Einwände hat, sich aber dadurch in der Argumentation gegen die anderen nicht beirren läßt. Es ist das Loblied auf Bischof Bruno von Olmütz (hier Lied *12), das Brackert27 mit guten Gründen auf 1256 datiert und das nun wirklich auf eine Weise, die Haustein noch nicht kannte, mit dem Marner verbunden werden kann, so daß nicht mehr nur nichts gegen seine Verfasserschaft, sondern alles für sie spricht: In 6,17,10 f. kommt das Sänger-Ich auf seine Lebensumstände zu sprechen, in denen wir des realen Namens wegen die Umstände des Autors sehen dürfen, und zwar fordert es einen Herren, dem rede, wort, rime in sprúchen bekannt sind, auf, die redlichen Absichten seines Dichtens zu bezeugen. Der Name dieses Herrn wurde seit von der Hagen als von heimberg gelesen. Identifizieren konnte man ihn trotz eifriger Suche nicht.28 Nun schreibt die Hs. C an dieser Stelle gar nicht den sonst konsequent für er verwendeten r-Haken, sondern die Tilde, die zwar auch er bedeuten kann, aber in C nur sehr selten verwendet wird und zwar ausschließlich für ur, z. B. nat ~e (7,2,11), so daß der Name von Heimburg gelesen werden muß. Der ist nun längst bekannt. Heinrich von Heimburg ist der Verfasser jener böhmischen Chronik, in der er mit dem rühmenden Hinweis ille egregius cantor manarius Marners Lied *12 auf Bischof Bruno von Olmütz aufzeichnete. 1242 geboren, 1279 Priester geworden, eifriger Anhänger Brunos29, kann er zwar 26

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Z. B. S. 81 Anm. 63 zu 7,1,11; S. 97 zu 4,3,2 und 5; S. 229 Anm. 203 zu 7,16,10. Insofern besteht eine gewisse Diskrepanz zwischen den Analysen und der oft wiederholten These, Marners Dichtung, vor allem die religiöse, sei auf dem Hintergrund volkssprachlicher Dichtung zu sehen (s. vor allem Hausteins Schlußkapitel). Gegen diese These wendet sich auch vehement Hübner (S. 213 Anm. 165): „Daß das Marienlob der Spruchdichter im 13. Jahrhundert ohne Kontakt zur lateinischen Produktion existiert und nur in einer im 12. Jahrhundert begründeten deutschen Tradition stand, übersteigt meine Vorstellungskraft. Gerade Texte wie Sigehers Marienlied und die Marner-Strophe [5,1 E.W.] lassen sich so kaum erklären.“ S. 192; vgl. auch Haustein S. 117. Strauch (79, S. 93 f.) vermutete zunächst, es könne sich um den Minnesänger Albrecht II. von Hohenberg Haigerloch (geschrieben auch Hœnberg und heinberg) handeln, was Bumke (S. 434 Anm. 14) und Haustein (S. 133 f.) aufgreifen. Einer Mitteilung Schröders (ZfdA 43 [1899] S. 184–192) zufolge lieferte der Enkel jenes Albrecht, Albrecht V., vermutlich aus der Bibliothek des Großvaters Vorlagen für die Berner Hs. G, darunter könne auch der Marner-Text gewesen sein, wodurch Albrecht II. als Gönner an Wahrscheinlichkeit gewönne. Strauch selbst ist später (90, S. 106) von seiner Erstvermutung abgerückt und hat „das geschlecht der herren von heineberg im würtemb. oberamt Weinsberg“ in Betracht gezogen, worauf schon Objartel, S. 45 Anm. 14 hingewiesen hat. Daten nach Pertz, S. 717; s. auch W. Wattenbach: Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts. Bd. 2, Berlin 61894, S. 323 Anm. 1.

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selbst kaum der vom Marner gemeinte sein, den dieser als min herre bezeichnet, sondern es muß sich um einen älteren Verwandten handeln. Als junger Mann aber könnte er den Dichter gekannt haben, dem er als Chronist zum Jahre 1281 ein so schönes Denkmal setzt. Bekräftigend kommt hinzu, daß es eine Parallele zwischen dem deutschen Spruch 7,2 und diesem lateinischen Lied gibt, auf die schon Strauch (1879, S. 92) und nach ihm Gerhardt (76, S. 92 Anm. 5) und Löhr (S. 72 f.) hingewiesen haben, auf die Haustein aber nicht eingeht. Die im Lied Strophe 4 namentlich genannten Parzen kommen in Spruch 7,2,6 ff. als schepfen vor, die genau dies, was sie hier für alle vagos vornehmen, dem Sänger als Einzelschicksal bereiten. Die deutsche Fassung, die wie eine ungenaue Schulreminiszenz wirkt, kann als bewußte Vereinfachung angesehen werden für Kreise, die mit den lateinischen Parzennamen vielleicht nichts hätten anfangen können30, als Beleg also auch dafür, daß über die gleiche Sache vor unterschiedlich gebildeten Zuhörerkreisen durchaus verschieden gesprochen wird. Die Einwände gegen die Marner-Verfasserschaft der übrigen Lieder, die Haustein selbst als unterschiedlich gewichtig einstuft, im Einzelnen31: 1. Das Vokalspiel (hier *L9). Alle fünf Strophen, die fünfte fragmentarisch, stehen mit *L10 als Nachträge, die bis ca. 1300 datiert sind, in der carmina-buranaHandschrift, ein weiteres in den Fragmenta Burana (Clm 4660/4660a; ~ 1230).32 Ein jüngerer Korrektor notiert bei den beiden letzten Liedern auf dem Rand den Namen Marner, bei dem Vokalspiel nicht; erst die erheblich jüngere Sterzinger Hs. überliefert Text und Namen. Nur die 5. Strophe des Liedes steht in einer Klagenfurter Handschrift, wo der Eintrag nach Karin Schneiders33 Vermutung ins 1. Viertel des 13. Jh.s gehört. Dieser Befund lasse sich nur durch den Rückschluß auf einen Autor erklären, der älter als der Marner ist. Das Lied weise zudem weder Parallelen zu Walthers Vokalspiel, das es doch nachahmen solle, noch zu den übrigen Werken des Marner auf. Nahezu alle Lieder in den carmina burana sind ohne Autorsigle aufgezeichnet worden, diese Praxis halten auch die Nachträge ein. Warum einundderselbe Korrektor zu zwei Gedichten eine Autorsigle notiert, zu einem dritten nicht, kann viele Gründe haben, Unkenntnis ist ebenso plausibel wie Flüchtigkeit o. dgl. Dafür aber, daß er in der Fülle nicht signierter Lieder zwei, nur zwei, diese zwei mit 30 31

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Auch diese Vermutung schon bei Gerhardt. Eine Widerlegung in allen Punkten versuchte schon Kühne 96, S. 275–296, auf die Haustein 97, S. 193–199 noch einmal reagiert, der nunmehr weit weniger rigoros formuliert: Ziel seiner Bemühungen sei lediglich gewesen, auf die schlechte Begründung für die Zuweisungen an den Marner hinzuweisen. Die alten wie die neuen Gründe, aber auch einige der Kühneschen Argumente scheinen mir für den Befund beim Marner nicht recht tauglich zu sein. Ich beginne deshalb noch einmal von vorn. Vgl. G. Bernt, 2VL 1, Sp. 1179–1186. nach brieflicher Auskunft an Haustein, abgedruckt S. 113.

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einer Signatur versieht, scheint mir Kenntnis der Verfasserschaft nach wie vor die plausibelste Annahme. Der terminus ante quem der Entstehung, der Eintrag in die Klagenfurter Hs. ca. 1225, liegt im Bereich der frühesten Datierung durch das Lied *10 (s. u.), ist also mit unserem biographischen Wissen über den Marner vereinbar; es könnte von einem jungen Scholaren stammen, der ein bekanntes Formspiel Walthers, und zwar nach Form und Thema (Klage über den Winter mit den Motiven: verödetes Land, verstummte Vögel, Erinnerungen an den Frühling34) auf Latein wiederholt. Warum sich ein Sammler zur Entstehungszeit eines Gedichts nur dessen fünfte Strophe, den in sich recht abgeschlossen wirkenden Ruf nach dem Frühling, notiert, können wir nicht erklären, müssen wir aber auch nicht, für die Echtheitsfrage ist es belanglos. Warum der Text mehr Parallelen zu Walthers Text zeigen müsse, um als Marner-Text gelten zu können, ist nicht einzusehen. Ihr Fehlen wäre allenfalls ein Argument gegen die Einstufung als Walther-Nachfolge, die Frage der Verfasserschaft ist davon unberührt.35 Parallelen zu den übrigen Liedern des Marner sind bei einem einmal gewählten Thema (Klage über den Winter) nicht zu verlangen. Selbst wenn es sie gäbe, wären sie von zweifelhaftem Wert, was die Autorschaft angeht; ein plündernder Nachdichter könnte sie zumindest ebenso deutlich hergestellt haben. 2. Das Preislied auf einen Prälaten von Maria Saal (hier *L10), bisher Marners Liedton 8 zugerechnet, im Codex Buranus vom Korrektor (s. o.) dem Marner zugewiesen, weiche an zwei Stellen vom Metrum des Liedes 8 ab: v. 7 habe zwei Takte weniger, die vv. 9 und 10 hätten eine Silbe weniger als das deutsche Lied; zudem sei es „immerhin auffällig, daß der Marner ein und denselben Ton für Minnesangstrophen und einen Panegyrikus auf einen Geistlichen benutzt haben soll.“36. 34

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So schon Kühne 96, S. 294 Anm. 88. Haustein scheinen sie nicht beweiskräftig genug. Die hier waltende Strenge des Maßstabs, was und wie viel an Parallelen als beweiskräftig anzusehen ist, läßt er an anderer Stelle durchaus vermissen, z. B. bei der Einordnung des Marnerschen Minnesangs, s. dazu S. 25–28. So auch Kühne 96, S. 294. Haustein selbst (S. 113 Anm. 10) hält lateinisch-romanische Vorlagen für wahrscheinlicher. Haustein, S. 114 f. Den Spekulationen um den Hof des Bischofs Heinrich von Seckau als Entstehungsort des Codex Buranus halte Georg Steer (‚Carmina Burana‘ in Südtirol. Zur Herkunft des clm 4660. In: ZfdA 112 [1983], S. 1–37), S. 11 entgegen, so Haustein, S. 115: „ … daß die Eintragung der Marner-Dichtungen … erst in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts erfolgte, … man mithin keinerlei persönliche Verbindung zwischen dem Marner und Heinrich konstruieren dürfe.“ Letzteres ist eine Schlußfolgerung, die Haustein zieht, nicht Steer. Dieser lehnt lediglich eine persönliche Beziehung zum Auftraggeber des Buranus ab, und den sieht er gerade nicht in Heinrich von Seckau. Die Verfasserschaft des Marner ebenso wie der Adressat Heinrich sind für Steer selbstverständliche Voraussetzung; der Panegyrikus „sehr wahrscheinlich eine Auftragsarbeit“, aus der lediglich nicht sicher ge-

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Die Reihenfolge der Entstehung ist uns nicht bekannt, vielleicht sind ja Panegyrikusstrophen für ein Liebeslied verwendet worden.37 Ein tragfähiges Argument ergibt beides nicht. Daß (nur!) v. 10 in Lied 8 eine Silbe mehr hat, liegt an der Lizenz des Wechsels zwischen einsilbig und zweisilbig voller Kadenz (s. u. S. 50), die Hebungszahl ist die gleiche. Zutreffend ist, daß der erste Vers des Abgesangs im lateinischen Lied um zwei Takte kürzer ist als in Lied 8. Eventuell muß man also mit einer Variante oder, auch das wäre trotz der immer noch weitgehenden Übereinstimmung der Metren möglich, mit einer ganz anderen Melodie für dieses Lied rechnen. Die Frage der Verfasserschaft wird davon aber gar nicht berührt. 3. Das Scheltlied auf die Bettelmönche (hier Lied *11), in den Fragmenta Burana ebenfalls und zwar von der Hand des gleichen Korrektors Marner zugewiesen, habe keine Parallele im übrigen Werk. Weder zeige sich der Marner als Verteidiger der alten noch als Gegner der neuen Orden. Für dieses Faktum sind unterschiedliche Rezipientenkreise Erklärung genug. Schließlich muß man nicht jederzeit und überall auf die Mönche schimpfen, wenn man es einmal getan hat. Die Laien teilten die Abneigung der alten Orden gegen die neuen durchaus nicht, hätten für derlei Invektiven also kaum Verständnis haben können. Das missfällige Verhalten von Ordensleuten zählt der Marner 7,12 sehr wohl zu den Umständen, die ihm nicht zusagen, wobei speziell das Tanzen den Predigern auch andernorts vorgeworfen worden ist.38 Und wenn Kästner (S. 235 f.) Recht hat und mit dem Monstrum am Hof, vor dem das LiedIch 7,16 zu singen verabscheut, nicht der Schmeichler, wie bisher meist angenommen, sondern der Bettelmönch gemeint ist, dann ist diesem Konkurrenten sogar ein eigener Spruch gewidmet.39 4. Die Strophe im Langen Ton über die sieben freien Künste (hier Sangspruch 7,19), in C von jüngerer Hand40 dem Marner-Corpus angehängt, außerdem in den jüngeren Augsburger und Sterzinger Sammelhandschriften lateinischer Poesie überliefert, weiche im Reimschema ab, dem Inhalt nach sei sie, wie seit Kibel-

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schlossen werden dürfe, daß der Marner sich auch in Kärnten aufgehalten habe (Steer, S. 12). Die weiteren Argumente gegen den Adressaten gehen an der Autorschaftsfrage ohnehin vorbei und hätten der Widerlegung durch Kühne (S. 291 f.) nicht bedurft. Wenn nicht jener Heinrich, sondern ein anderer Propst von Maria Saal der Gepriesene wäre, fiele damit lediglich die bislang früheste Datierung auf 1231. S. dazu Kühne, S. 284 Anm. 39. Zu dem von Kühne herangezogenen Beispiel Haustein 97, S. 195 und Anm. 6. S. dazu Koch, S. 55 ff. Auch darauf verweist schon Kühne, S. 280 Anm. 26. von Karin Schneider (brieflich an Haustein, s. d. S. 118) „mit einiger Vorsicht“ auf um 1330/40 datiert.

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kas Feststellung „immer wieder“ konstatiert worden sei41, von auffallender Modernität, passe deshalb besser in den „überlieferungsgeschichtlichen Zusammenhang (lateinische cantiones auf die Melodie deutscher Sangsprüche)“. Das gibt in der Tat zu denken. Die Eintragung von jüngerer Hand in C kann entweder zutreffen oder auf einem Irrtum beruhen oder ganz willkürlich sein. Die Abweichungen im Reimschema der Stollen, die ursprünglich vielleicht gar nicht vorhanden waren42, wird man mit Blick auf die von Kornrumpf (78, S. 229) festgestellten Varianzen bei lateinischer Übernahme deutscher Formen nicht sehr wichtig nehmen. Der Spruch bietet, wie Haustein (S. 119) zutreffend beschreibt: „einen Abriß des mittelalterlichen Wissenschaftsaufbaus, der sich etwa auch in der Fakultätengliederung der Universitäten niedergeschlagen hat“, und dies ohne jede Wertung oder Rangordnung. Die artes werden nicht, wie später zumeist43 mit Vorstellungen über die Kunst zusammengebracht, es ist also eher eine Bestandsaufnahme, eine Art Merkspruch derjenigen Wissensgebiete, die Studien voraussetzten, und kann als solcher durchaus im 13. Jh. verfaßt worden sein. Die Feststellung der Modernität, die Kibelka44 dem Marner zugesprochen hat und die Haustein gegen eine Entstehung des Spruchs noch im 13. Jh. ins Feld führt, hat bei Kibelka einen wichtigen Zusatz, der von Haustein nicht beachtet wurde. Kibelka fügt hinzu, „wie Heinrich [von Mügeln E.W.] hat er sie im gehobenen Lateinunterricht kennengelernt“, wo sie durchaus nicht auffallend modern ist.45 Dem hat Haustein inzwischen zugestimmt46, hält aber daran fest, dass der Überlieferungsbefund für eine Entstehung im 14. Jh. spreche. Die Augsburger Hs. leitet ihren Liederteil mit der Überschrift ein: Hic notantur dictamina a diuersis magistris in diuersas melodias magistrorum vulgariter dictantium mensurata scilicet Vrownlob Regenbog Marner Popp Roumzlant Meychsner Premwerger etc. Das klingt nach einer bewußt angelegten Sammlung solcher Tonentlehnungen durch lateinisch dichtende Autoren, die dann auch für die Mehrzahl der Lieder namentlich genannt werden. Beim artes-Spruch, der auf sieben

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Haustein, S. 121. Gefunden habe ich nur Löhr, S. 92 und Wachinger 85, Sp.74, die Kibelka vollständig zitieren. Den unterschiedlichen Angaben zum Reimschema bei Haustein (S. 118), Kühne (96, S. 284) und Wachinger (06, S. 759) liegen verschiedene Fassungen zugrunde; zudem sind sie über die Zuordnung der lateinischen -ia- und -ica-Reime nicht einig. Vgl. März, S. 74: „ … der Katalog der sieben Künste gerät … zur Gebetsmühle.“ S. 31: „Dem Marner müssen wir … eine für Spruchdichter ungewöhnliche Modernität der Quellen zubilligen.“ Kühne hat dazu S. 283–291 aus zahlreichen lateinischen Schulschriftstellern Parallelen zusammengetragen. Aber schon Kibelka (S. 22) hatte darauf hingewiesen, daß schon im 12. Jh. „die höchstpersönliche divisio scientiae … geradezu als eine der vornehmeren Aufgaben“ gegolten hat.“ Haustein 97, S. 197.

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namentlich gekennzeichnete Sprüche im Langen Ton folgt, findet sich keine Namensangabe, nur die Beischrift Alter eadem melodia. Weitere drei cantiones namhafter Autoren in einem ebenfalls Marner zugeschriebenen Ton, der aber sonst nicht für den Marner bezeugt ist, sind vielleicht als Hinweis zu werten, daß er unter lateinisch Dichtenden präsent war und man ihm möglicherweise sogar mehr zuschrieb, als ihm wirklich zugehört hat. Daß er sich auch einmal als Tonfinder selbst an der Praxis beteiligt hat, seinen für deutsche Sangsprüche erfundenen Ton lateinisch zu betexten, und dieser später als anonymes Gut unter die cantiones bekannter Autoren geriet, kann man lediglich nicht ‚passend‘ finden, auszuschließen ist es nicht. Die Sterzinger Hs., die im Gegensatz zur etwa zeitgleich entstandenen Augsburger Sammlung viele Texte ohne Autorzuweisung neben namentlich gekennzeichneten überliefert,47 weist diesen Text, wieder muß man betonen: nur diesen Text ausdrücklich dem Marner zu, eine Zuweisung, deren allgemeinere Bekanntheit ja auch den Nachtrag in C zur Folge hatte. Wenn sich also außer vielleicht beim Sangspruch 7,19 keine stichhaltigen Gründe gegen die Autorschaft finden lassen, bleibt das volle Gewicht der Zuweisungen der vier lateinischen Lieder bestehen. Bisher sah man eine zusätzliche Stütze für dieses Faktum in dem Anhang S. 391f. abgedruckten Lied Rumelants.48 Haustein weist aber völlig zu Recht darauf hin, daß in diesem Text, der weder bei Panzer (S. 19) noch bei Wachinger49, die sich ausführlich mit ihm beschäftigt haben, Zweifel an Marners Verfasserschaft lateinischer Dichtungen geweckt hat, nur von Lateinkenntnissen, nicht von lateinischen Dichtungen die Rede ist, und hält Rumelants Strophe für den Ausgangspunkt einer Legendenbildung, beruhend auf einem Mißverständnis, dem die cantiones-Sammler ebenso aufgesessen seien wie die neuzeitlichen Gelehrten. Das gelte bereits für Hugo von Trimberg, der in seinem ‚Renner‘ gegen Ende des 13. Jh.s dem Marner nachrühmt: Doch rennet in allen der Marner vor, Der lustic tiutsch und schœne latîn, Alsam frischen brunnen und starken wîn Gemischet hât in süezem gedœne. Hugo scheint eher bilingue Texte zu beschreiben, eine Gedichtsorte, die für den Marner gar nicht bezeugt ist, was, wenn nicht gerade diese Texte verloren gegangen sind, eher nach einer Beschreibung nach vagem Hörensagen klingt und nicht dafür spricht, daß Hugo lateinische Texte des Marner tatsächlich gekannt hat.50 Ein Beweis gegen Marners Verfasserschaft solcher Texte ist es allerdings auch nicht. Dagegen hat die Legendenbildung ihr Unwahrscheinliches, jedenfalls, 47 48 49 50

Vgl. Kühne, S. 282 f. So auch Kühne, S. 279 f. 73, S. 164–170; ders. 85, Sp. 72. So schon v.d.Hagen IV, S. 532. Wachinger (brieflich an Haustein, s. dort S. 35 Anm. 56) meint, daß Hugo hier „auf das gemischtsprachige Liedœuvre des Marner“ ziele.

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soweit sie vom Rumelant-Text ausgehen soll, der für die Zeitgenossen unmissverständlich von Lateinkenntnissen und damit von einer gelehrten Schulung spricht, wie sie für manchen Sangspruchdichter anzunehmen ist, den als Verfasser lateinischer Gedichte anzugeben unserer Kenntnis nach nie jemandem in den Sinn gekommen ist.51 Den Schluß auf lateinische Werke legt das in der Tat nicht eo ipso nahe. Welchen Grund aber sollten die cantiones-Dichter oder der Sammler ihrer Dichtungen haben, gerade den Marner in ihre Reihen aufzunehmen, wenn er nicht tatsächlich als Verfasser lateinischer Dichtungen bekannt war? Tatsächliche Verfasserschaft bleibt die plausiblere Erklärung für die Zuweisungen, die sonst völlig willkürlich wären, was im Fall des Liedes *12 ja ohnehin auszuschließen ist. Ich zähle also die lateinischen Texte, wenn auch ohne Stütze in Rumelants Text, weiterhin zum œuvre, wie es durch C repräsentiert wird und ordne sie entsprechend in die Ausgabe ein.52 Was die deutschen Lieder des Corpus angeht, ist ein Repertoire, das Lieder und Sangsprüche enthält, an sich nichts Besonderes. Der Marner steht damit in einer Reihe z. B. mit Walther, Reinmar von Brennenberg, Rumelant von Sachsen, Konrad von Würzburg oder dem Kanzler. Noch 1985 meinte Wachinger: „Ernsthafte Zweifel an der Echtheit können wohl nur bei Ton XII und XIII [hier 4 und 5] auftreten.“ Haustein (S. 155 f.) nun meint, man müsse „prinzipiell mit der Möglichkeit rechnen …, daß das Minnesang-Œuvre … von mehr als einem Verfasser stammt. Denn es besteht ja durchaus die Möglichkeit, daß in dieses Œuvre Lieder anderer geraten sind oder daß es sogar ganz aus fremdem Gut besteht – wie man dies ja wohl auch für ein Œuvre wie das Wachsmuts annehmen muß.“ Wäre dies nur ein prinzipieller Zweifel, könnte man ihn mit dem Hinweis auf seine Unbrauchbarkeit als Grundlage philologischen Arbeitens ignorieren. Haustein aber formuliert ihn als Ergebnis ausführlicher Untersuchungen. Das zwingt zur Auseinandersetzung. Die beiden Pfeiler seiner Argumentationen sind einmal die Nähe zu einem Lied Wachsmuts von Künzich, den der Marner in 6,17 in einer Reihe mit Walther, Heinrich von Veldeke, Neidhart und anderen Sängern aus dem 12. und den ersten drei Jahrzehnten des 13. Jh.s als Vorgänger nennt, und die „Abhängigkeit des Marnerschen Minnesang-Œuvres von demjenigen der etwa eine Generation älteren Minnesänger“ (S. 154). Als Vertreter der „älteren“ Generation der Minnesänger der dreißiger/vierziger Jahre nennt Haustein (S. 155) Burkhard v. Hohenfels, Gottfried v. Neifen und Ulrich v. Winterstetten. Ich übergehe das Anachronistische der Zusammenfassung der Werke der drei genannten als Minnesänger der

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Obwohl es vielfach Spuren von Lateinkenntnissen gibt, vgl. März, S. 83. Auch für Wachinger (06, S. 749) ist Marners Autorschaft „nach wie vor wahrscheinlich“. Birkhan (2005) ist von Hausteins Argumenten offenbar auch nicht überzeugt. In Kenntnis von Hausteins Arbeit druckt er die Lieder weiterhin als Marner-Lieder (S. 174–182).

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dreißiger/vierziger Jahre und als ältere Generation53 und halte mich mit Haustein an die Merkmale, die Hugo Kuhn als Charakteristika des nachklassischen Minnesangs am Werk dieser drei Autoren herausgestellt hat und die Haustein alle auch beim Marner vorfinden will: 1. Bei Burkhard v. Hohenfels begegneten „zahlreiche allegorische Figuren“, und das treffe auch auf den Marner zu, „vor allem für das zweite Tagelied und Lied VIII“ (hier L6).54 Es trifft nur für das zweite Tagelied zu, in dem fünf Personifikationen auftreten, von denen minne, unminne, huote und sælde schon in ‚Minnesangs Frühling‘ begegnen und die melde, wenn auch als masc. melt, in Wolframs Tagelied 5,2,10 einen Vorgänger hat. 2. Burkhards auffällige Betonung des fröide-Motivs gelte auch für den Marner (Lied VIII). In diesem Lied (hier L6) ist fröide zu belegen in Strophe 4,7 f. si sint, die man eren sol / z’allen froiden mit trúwen und 5,12 f. so wære in der werlde / dú froide ein wicht. Das kann man kaum eine auffällige Betonung des fröide-Motivs nennen. Die übrigen vier fröide-Belege verteilen sich je einmal auf die Lieder 3–5 und 8.55 Hinzu kommen noch 5 Belege für das Verbum vröuwen, und zwar freut sich dú heide (L3,2,1; L5,1,1), der luft, daz wasser (L4,1,1), ein sælig man (L6,2,7) und swer daz weis (L7,3,8), wohingegen das Sänger-Ich traurig ist. 3. Dreiversige Stollen mit kompliziertem Abgesang, Reimkunststücke oder den Refrain treffe man auch beim Marner. Dreiversige Stollen haben Marners Lieder 2–6 und Lied 8, einen komplizierten Abgesang hat keines und auch keine Reimkunststücke, es sei denn, man wertet die reimenden Eintakter in Lied 1 und 6 schon als Kunststücke. Marners charakteristische Kurzverse dagegen begegnen schon bei Neidhart und Refrains verwendet schon Heinrich von Veldeke.56 4. Speziell Marners zweites Tagelied sei abhängig vom Lied VII Ulrichs v. Winterstetten. Innerhalb des für beide gleich eng gesteckten Gattungsrahmens könnten die Lieder kaum verschiedener sein. Einzige Gemeinsamkeit ist nur die Bezeichnung des Liebhabers als helt (Ulrich VII,3,4), die aber nicht in Marners zweitem, sondern in seinem ersten Tagelied gebraucht wird. 53 54

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Ulrich urkundet bis 1280. S. 155. Die Wiedergabe der Kuhnschen Ausführungen ist so nicht zutreffend; Kuhn (S. 24 f.) spricht von „vier ‚allegorischen‘ Metaphern“, diese sind allesamt beim Marner nicht vorhanden. Bei dem Prototypen eines trûren-Dichters Reinmar zeigen die Lieder 2–9 die gleiche Beleglage. Ich übergehe den Übergang von der Darstellung des fiktiv-persönlichen Erlebnisses zur Formulierung vom Minnesang als Gesellschaftskunst, der für den späten Minnesang konstatierbar sein mag, für den Marner aber nicht recht plausibel zu machen ist.

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5. Von dem müemel Burkhards v. Hohenfels (VII,3,2) „könnte der Marner sein minnemüemel haben“57 (Marner L5,2,4). Selbst wenn die müemel, bei Burkhard Bezeichnung für eine mißliebige Verwandte, beim Marner ein Kosename für die Geliebte, nicht unabhängig von einander gewählt wurden, ist wie bei dem helt auch keineswegs ausgemacht, wer der Nehmer, wer der Geber war. Insgesamt läßt sich feststellen, daß, wo der Marner nicht ganz eigene Wege geht wie in den Liedern 4,7 und 8 und in den Tageliedern, er nichts hat, was nicht schon bei den Dichtern zu finden wäre, die ihm bekannt sind und die er 6,17,1 ff. als seine Vorgänger benennt. Nun zu des Marners „deutlicher Nähe“58 zu Wachsmut: Das Lied KLD V Str. 1–3 zeige ganz deutliche, weit über das Zufällige hinausgehende Parallelen mit Marners Lied VIII und der zweiten Strophe in Ton X (hier L6 und 8). Die in Frage kommenden Verse lauten Marner L6,2,6ff. Wachsmut V,1,1–8 ich mUs trurig sin, Wê war umbe trûrent sie swa sich froit ein sælig man, die bî liebe habent gelegen? jâ fröiwe ich mich und ich doch nie der mit liebe kan slafen.59 Marner L8,2,8 liep gewan noch solhen segen swer bi liebe hat gelegen, den liep nâch liebe tuot mit senden sorgen, der sol dar sô si scheident sich: senden sinen morgen segen sô slâfe ab ich unz an den morgen, daz nieman sprichet ‚friunt, got segen dich!‘ Der lockere Ton beider Marner-Lieder insgesamt hat mit der konventionellen Devotheit des Wachsmut-Textes nichts weiter gemein. Das Motiv der Liebesnacht der andern, durch Reinmar VIa,1,1–11 bereits im Minnesang eingeführt, sehr verschieden ausgestaltet und je einmal bei Marner und Wachsmut gekoppelt mit dem des Morgensegens, das kann, muß aber noch nicht auf Anleihe deuten, wobei auch hier durchaus offen bleiben muß, wer, wenn überhaupt, bei wem abgeguckt hat. Da Wachsmuts Lied aber in C noch einmal unter Kunz von Rosenheim eingetragen sei60, also in ein Fahrenden-Repertoire geraten sei und dieses Schicksal mit einigen der Lieder aus dem Minnesang der dreißiger und vierziger Jahre teile61, Marners Lieder 6 und 8 aber gerade diesem Lied nahestünden und seine ganze Liebeslyrik von dem Minnesang abhänge, den die Fahrenden übernahmen, könne 57 58 59 60

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Haustein, S. 154 Anm. 57. Ebd. S. 155. Zu der abweichenden Interpunktion bei Haustein s. die Anm. zu L2,6. Noch einmal, nicht ausschließlich, wie man nach Hausteins Darstellung (S. 154) annehmen muß und wie er wohl selbst angenommen hat, denn er erklärt auch Wachsmut zu einem Fahrenden, wozu uns nichts berechtigt (s. Holznagel 99, Sp. 555 ff.). S. dazu z. B. die Artikel von Schweikle über Niune, Mertens über Gedrut und Hugo von Mühldorf (Kunz v. Rosenheim) im VL.

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(müsse?) auch das Marner-Corpus ein Fahrenden-Repertoire sein, das möglicherweise nicht einen Marner-Text enthalte. Einen derart voltigierend begründeten Zweifel wird man kaum teilen wollen. Ich berücksichtige ihn nur insoweit, als ich mit Nachdruck gegen Hausteins Votum62 auf ein Stilelement eingehe, das die Lieder zumindest mit einigen Sangsprüchen verbindet: Einige der Sangsprüche des Corpus sind so auffällig, daß sie immer als charakteristisch hervorgehoben werden. Z. B. heißt es bei Strohschneider 90, S. 223: „Die Struktur seiner Spruchstrophen gestaltet der Marner häufig als Sequenz heterogen wirkender Elemente, die erst ein pointierter, zuweilen überraschender Strophenschluß auf einen gemeinsamen Fluchtpunkt bezieht.“63 Damit beschreibt Strohschneider das Priamel, nicht aber exakt die Marner-Technik. Denn hier fehlt der pointierte Schluß, der das allen Elementen Gemeinsame benennen und ihre Zusammenstellung legitimieren würde. Das aber heißt, daß die ‚Elemente‘, billigt man dem berühmten Dichter zu, daß er nicht einfach gefaselt hat, in ganz anderer Beziehung zueinander stehen können als die des Priamels, die ja heterogen bleiben und von denen der Schluß nur die eine Gemeinsamkeit, die sie haben, heraushebt. In den CorpusTexten können es Gegensätze sein, sie können auseinander folgen oder einander begründen, und zumeist bleibt es dem Hörer überlassen, die Beziehung zwischen ihnen herzustellen; es sind vor allem die Sprüche 2,2; 2,3; 6,3,15 f.; 6,4,11 f.; 7,2; 7,12. Diesen Zuschnitt hat keiner der religiösen Sangsprüche, die allesamt sehr geradlinig verlaufen, wohl aber begegnen wir dieser Besonderheit in den Liebesliedern. In der ersten Strophe von Lied 8 sind an das zweiversige Liebesrezept vier sehr unterschiedliche Feststellungen angeschlossen, in denen jeweils ein Unangenehmes mit einem Angenehmen verbunden erscheint, die keine Pointe oder auch nur Quintessenz zusammenfaßt und deren Verhältnis zu den Eingangsversen offen bleibt. An v. 6 der 2. Strophe von Lied 7 wird, durchschaubarer als in Lied 8, aber ebenso unverbunden und unvermittelt (wer ist was?), das Bild von Gold und Seide angeschlossen. Diese Lieder und die o. g. Sangsprüche verbindet damit ein Charakteristikum, das sich so in keinem anderen Œuvre findet. Was die Lieder angeht, kann man also dem Sammler von C getrost folgen. Von den Sangsprüchen braucht man die Alment-Strophen (Ton 4), die nur in C überliefert sind, ebenfalls nicht anzuzweifeln, da auch andere sich in diesem Ton versucht haben, er also so etwas wie Gemeingut war.64 Anders verhält es sich mit Ton 5. Hier geht es um einen fremden Ton, dessen Benutzung in den Augen

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S. 156: „Die unübersehbaren Motiv- und Stilparallelen zum Werk der genannten Lyriker [der dreißiger und vierziger Jahre E.W.] sprechen zudem dagegen, durch Vergleiche der Marner-Lieder untereinander ‚Marner-Charakteristika‘ zu postulieren.“ Ähnlich Wachinger 85, S. 74 f. und 87, Sp. 77. S. Kornrumpf/Wachinger. Die beiden Alment-Strophen aus der Leipziger Hs. III,12 „In Marners Weise“ (Inc. Ein wiser alder edel man und Wer tore vfer heringe), die HMS III, S. 451 f. und Strauch, S. 159 f. aufgenommen haben, jetzt RSM 5, 1Stol/38 und 39.

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seiner neuzeitlichen Interpreten stets ein besonders schlechtes Licht auf den Marner warf, der einen Sängerkollegen einen donedieb (3,3,16) gescholten hat. In der Echtheitsfrage hatte Strauch (S. 73) seinerzeit entschieden: „Es ist kein Grund vorhanden eine der in C überlieferten Strophen anzuzweifeln.“ Das Urteil hatte Bestand, bis Wangenheim 1972 alle 13 Sprüche in diesem Ton, durchaus nicht ohne Bedenken, als Sangsprüche Kelins herausgab. Aus den unterschiedlichen Sammlerintentionen, auf die C und J zurückgehen, und der vielfach erwiesenen Zuverlässigkeit der Zuweisungen in C folgerten dann Kornrumpf/ Wachinger 1979, Kelin sei wohl der Tonfinder, Marner der Verfasser der auch in J überlieferten Sprüche dieses Tons, eine Folgerung, der man sich allgemein angeschlossen hat.65 Haustein (S. 170) verweist nun darauf, daß unter dieser Prämisse der Vermittlungsweg der Sprüche sehr viel komplizierter sei als unter der Prämisse der Autorschaft des Marner von Ton und Text. Diesem Hinweis ist genauer nachzugehen. Man vergegenwärtige sich die beiden Möglichkeiten: Die erste: Kelin kreiert einen Ton x und benutzt ihn häufig. Der Marner übernimmt ihn für 4 Strophen, die in guter Textqualität in C Aufnahme finden. Wie kommen 3 von ihnen in sehr viel schlechterer Textqualität (Haustein [S. 170] hat durch Textvergleich den C-Text als den „ursprünglichen“, den J-Text als den „sekundären“ ermittelt) ohne Autorkennzeichnung in das Kelin-Corpus in J? Die zweite Möglichkeit: Marner kreiert den Ton x, benutzt ihn wie seine Töne 1–4 auch nur für wenige Strophen, die mit seinem übrigen Œuvre in C überliefert werden. Kelin übernimmt diesen Ton für mindestens 10 Strophen, was den Ton weiter bekannt macht und lebendig erhält (das erklärt den Vermerk kelin in C). So kommt er an den tonorientierten Redaktor von J, der ihn als Kelins Ton aufnimmt. Drei weitere Strophen in diesem Ton, deren Verfasser er nicht mehr kennt oder ignoriert, hängt er an das Kelin-Corpus an. Die Parallelen zwischen beiden Corpora, auf die Haustein (S. 73) hinweist und die ihn veranlaßten, etwas so Spekulatives wie eine „Werkstattgemeinschaft“ zu erwägen (s. Anhang. S. 398), würden sich unter dieser Annahme unschwer als zusätzliche Anleihen Kelins erklären. Sicher stekken in dieser Annahme zumindest zwei unbewiesene und unbeweisbare Prämissen, zum einen die, daß die vier Marner-Strophen fortlaufend und innerhalb eines kurzen Zeitraums entstanden sind, zum andern, daß die Zahl der überlieferten Strophen der Zahl der in diesem Ton tatsächlich verfaßten entspricht. Falls diese Annahmen jedoch zutreffen, scheint es in der Tat näherliegend, den Ton Marner zuzusprechen. Daß nur dieser Ton, wenn auch unter Frauenlobs Namen weiter tradiert wurde, könnte ein Indiz dafür sein, daß man ihn für den 65

Vgl. Lomnitzer 83, Sp. 1106: „Kelins Sprüche, denen III,11–13 auf Grund von Überlieferungsbefund und sprachlich-stilistischen Erwägungen nicht zugerechnet werden können …“. Tervooren 67, S. 172 hatte festgestellt, daß die drei Strophen weder zu Kelins Strophen 1–10 noch untereinander „Anknüpfungspunkte“ hätten, dagegen passe Kelin III,12 (Marner 5,1) vorzüglich zu Marner 5,2,

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besten hielt, besser jedenfalls als die beiden anderen. Damit ist er nicht schon als Fremdgut identifiziert, aber im Verbund mit den übrigen Indizien ist es vielleicht nicht unerheblich. Letzte Sicherheit, so Wachinger (87, Sp.74) wie Haustein (S. 170), wird man in dieser Frage nicht erreichen, aber es gibt gute Gründe, das C-Corpus insgesamt als ein einheitliches Corpus, eben als Marner-Corpus anzusehen.66 Zu entscheiden ist noch die Frage etwaiger Zugehörigkeit der nicht in C überlieferten Sprüche, sie betrifft neben dem Neufund der Basler Rolle, die älter ist als C, jenes Teilcorpus, das eine ganze Anzahl früherer Gelehrter kenntnisreich und spürsinnig aus der Gesamtüberlieferung der anonymen Texte in Marner-Tönen herausgelesen hat und in dem alles versammelt ist, was nach Sprache und Stil noch irgend ins 13. Jahrhundert gehören könnte.67 Nur dieses Teil-Corpus kommt in Betracht. Da innerhalb dieses Corpus die Entscheidungen Marner oder Nicht-Marner vielfach mit unzureichenden Kriterien und zudem keineswegs einheitlich getroffen worden sind68, überprüfe ich Zuweisungen wie Ausgrenzungen noch einmal, wobei Beins nachgerade klassisches Zitat mit Nachdruck zu wiederholen ist: „Wir werden niemals in der Lage sein, mit philologischen Mitteln die Echtheit eines Textes zu ‚beweisen‘.69 Ein ‚nach meinem Ermessen spricht nichts für oder gegen die Zugehörigkeit‘ ist das Äußerste, was wir erreichen können. Unsere Kriterien: Gleichheiten, Ähnlichkeiten, Übereinstimmungen versagen vor dem geschickten Nachahmer, und selbst Ausgrenzungen (mundartfremder Wort- und/oder Reimgebrauch u. dgl.) erreichen häufig keine auch nur annähernd befriedigende Sicherheit. Was mir feststellbar erschien, ist in dem B-Teil der Anmerkungen jeweils vermerkt.70

1.3.2 Inhalt An dem kleinen Corpus deutschsprachiger Lieder hebt Wachinger (85, S. 81) zu Recht die „fast experimentelle Vielfalt“ hervor und dies bei konventioneller Thematik. Es sind Lieder über die Liebe, aber es herrscht insgesamt ein lockerer, fast leichtfertiger Ton. Liebe ist nicht die Schicksalsmacht, die das Leben des Einzel66 67

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Haustein bezweifelt noch die Zugehörigkeit von 7,5; s. dazu die Anmerkungen. Theoretisch könnten in den anonymen Baren noch weitere Überarbeitungen Marnerscher Sprüche stecken, aber es besteht kaum die Möglichkeit, sie zu erkennen, und noch weniger, sie in ihrer ursprünglichen Gestalt, wenn es denn eine solche gab, zurückzugewinnen. Beins kritische Musterkarte der Entscheidungskriterien (98, S. 319 ff.) ist hier in vollem Umfang anzutreffen. Bein 98, S. 37 ohne Angabe der Quelle. Die von v.d.Hagen II, S. 256 f. noch zum Marner-Copus gestellten Bare aus E spricht schon Strauch S. 77 dem Marner ab. Das Repertorium verzeichnet sie RSM 4, 1Mar/7/100a und 101a.

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nen bestimmt und von deren Erfüllung sein ganzes Wohl und Wehe abhängt, wie es die Vorgänger des Marner so gern stilisieren. Die lyrisch so ergiebige Situation dessen, der klagt, daß seine vrouwe ihn nicht erhört, wird nur in L3 durchgehalten; die abweisende vrouwe taucht in der zweiten Strophe von L6 noch einmal auf, tritt aber hinter optimistisch gefärbte, von Männerkumpanei71 getragene Liebeslehren zurück. In L5 hat das minnemüemel die vrouwe abgelöst. Neben ihm treten als Adressaten der Lieder schon kint und meide auf (L3,1,2; L7,5,1), jene heiteren Kunstwesen des 13. Jh.s, zu denen Neidharts Dorfschöne sich gewandelt haben und die statuslos, von keinen dörpern mehr ständisch fixiert, jenseits von Hof, Dorf und Stadt in die Naturkulisse gesetzt werden. L8 wird die Geliebte (roter mund, gUt wip) sehr direkt und eindeutig zum Entgegenkommen aufgefordert, solange noch Zeit und die Gefühle noch heiß sind. Darauf laufen auch die Lehren in L6 und L7 hinaus. Schließlich gibt es noch das Gespräch L4, in dem ein Ich einen liebesscheuen jungen Mann zu einer Liebe ermuntert, die nichts mit dem entbehrungsreichen konventionellen Frauendienst gemein hat. Dem Tagelied, dem des fest umrissenen Plots wegen nur die Kunstfigur des Wächters einigen Spielraum ließ, beschert der Marner zu dem rhetorisch versierten, den schon Wolfram (MF II,1–10) beigetragen hatte, den literarisch versierten als neue Nuance; außerdem das trauliche Komplizen-Gespräch Wächter/Dame. Daß in Marners Sangspruchwerk „gravitätischer Ernst … dominiert“72, ist ein modernes Geschmacksurteil, das daher rühren mag, daß vierzehn der zweiundfünfzig Corpus-Sprüche religiöse Gegenstände zum Thema haben, wobei die Marienstrophen die Mehrheit bilden. Das mag mit der Propagierung des Marienkults durch die neuen Orden zusammenhängen. In diesen Marien-Strophen konzentriert sich der Marner ohne Spitzfindigkeit, ohne den bei jüngeren Autoren oft so aufdringlichen erotischen Beigeschmack auf die preisende Beschreibung der Verdienste der Auserwählten und auf die Hilfe, die die Menschheit von 71

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Das valwe zu den brûnen-Motiv (L7,4,1) zieht sich durch die deutsche Literatur bis ins 20. Jh. In Auswahl (Quelle u.a.: digitale-bibliothekband125): Thümmel (wie es sein Herz begehrt, / Blond oder braun – und lockender und neuer), Gleim (lauter zärtliche Blondinen, / lauter willige Bünetten), Goethe (Ja, die Blonde gleichet oft der Braunen, / eine reizet eben wie die andre), Müller (Heute blond und morgen braun / ist mein Schätzchen anzuschaun), Geibel (Heut klopf ich bei der Blonden an / und morgen bei der Braunen), Hartleben (Drum, wenn den ruhelosen Sohn der Freude / die blonden Locken bald und bald die braunen / unwiderstehlich, neu und ewig fesseln), Mühsam (und aller Mädchen Freund. / Ob schwarz, ob blond, ob rot, ob braun), Marischka (Ob blond, ob braun, ich liebe alle Fraun). Wachinger 85, Sp. 74. Vierzehn religiöse, fünf naturkundliche und zwei Fürstenlob-Strophen sind weder ernst noch heiter, die restlichen einunddreißig enthalten ein Scherzlied, drei weitere Strophen mit Verkehrte-Welt-Motiven, zwei Rätsel, fünf polemisierende Strophen, die durchaus ihre komischen Seiten haben, und die drei heiteren Fabeln. Es scheint mir auch durchaus möglich, dass die o. S. 28 geschilderten Charakteristika dem Publikum ein quasi intellektuelles Vergnügen bereiteten. Außerdem ignoriert Wachingers Urteil die witzig-ironischen Wendungen, deren sich der Marner z. B. 3,2,5; 4,2,1; 5,3,1–18 bedient.

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der Gottesmutter erhoffen darf. Unspekulativ, in unangreifbarer Orthodoxie verharren auch die übrigen religiösen Sprüche, die an eine oder alle drei göttlichen Personen gerichtet sind. Hier lehrt und betet der Marner vor und mahnt er all das an, was die Predigt seiner Zeit lehrt und anmahnt. Was ein einziges Mal wie Aufbegehren anfängt, endet in devoter Ergebung (6,18). Er hat höchstwahrscheinlich das Vaterunser und den englischen Gruß versifiziert (*4,3), und er vermittelt in gleicher Weise wie die Predigt der Zeit Sündenbewußtsein, Hilfsbedürftigkeit und Erlösungsgewissheit. Über das, was er an Glaubenslehren in seinen Sprüchen seinen Zuhörern in Erinnerung bringt, gibt die folgende Zusammenstellung Auskunft. Sie zeigt auch das ständige Miteinander der einzelnen Glaubensinhalte, von denen immer mehrere, wenn auch manche davon zuweilen nur mit einem Halbvers oder in einem Attribut präsent sind:73 Der ewige (4,1,13. 6,8,3. *6,29,1. *7,21,1–4), allmächtige (1,2,1–3. 1,3,2–9. 6,8,1. 6,10,1–4; 10–16. 6,16. *6,21,3. *7,21,5 ff.), allwissende (1,3,2 f. 6,10,12–16), als Vater/Sohn/Geist dreieinige (5,1,20. 6,8,2; 15. 7,6,2. *4,3,1 f. *6,21,5–8. *6,22,12. *7,27,4. *U1,1–13) Schöpfer (1,2,1–3. 1,3,4–6. 6,2,9. 6,10,11–16. 6,14,6–8. 6,16,1–16. 7,8,19. *6,19,1–6. *6,21,3. *6,24,15) und Erhalter der Welt (1,3,4–9. 6,3,9. 6,10,11. *6,30,1–14. *7,27,20), dessen Wesen alle menschlichen Vorstellungen übersteigt (1,2,7–8. 1,3.10. *U2,11), der den Menschen nach seinem Bild geschaffen hat (1,2,4), wurde erzürnt durch den Ungehorsam der Stammeltern (1,2,9. 5,2,16. 6,1,16. 7,9,12 f. 7,17,17 ff. *6,19,12 f. *6,22,1 f. *6,29,12 ff. *7,26,10), die sich vom Teufel verführen ließen (3,1,12. 7,17,16 ff. *7,24,18. *7,26,1) und für sich und ihre Nachkommen das Paradies verwirkten (1,2,12 f. *6,22,1 f. *6,29,16. *7,27,6 f.), aus dem Gott sie verstieß (1,2,10), so daß sie in Not und Schuld unerlöst verharren mußten (*7,24,20. *7,26,5; 16 f. *7,27,7), bis der barmherzige Sohn sich als Sühneopfer anbot (1,3,12 f. 7,8,16–20. *4,3,2. *6,22,9–11. *7,26,5–10. *U1,6). Die Erlösung begann mit der Verkündigung durch den Engel Gabriel (5,1,16. 5,2,4. 6,8,9. *4,3,9–13. *6,22,3 f. *7,25,7) an Maria, der von Ewigkeit her in Liebe auserwählten (5,2,14. 6,1,7f. *4,3,13. *6,23,7f. *7,25,8–19. *7,26,9), von Propheten vorhergesagten (7,8,3. *6,23,1–3. *7,24,14), in Präfigurationen vorgebildeten (5,2,1. 6,8,7. 6,9,4. 7,1,1; 2; 5–11; 14. *6,23,3f. *7,22,15 ff. *7,24,15–17. *7,25,6–10) Jungfrau und Mutter (4,1,1. 5,1,5 f.; 14 f. 5,2,12. 6,1,2. 6,8,5. 6,9,2. 7,1,19. 7,8,1. *6,23,11 f.; 14–16. *6,24,16. *7,22,14. *7,26,11 ff. *7,27,13) und Braut (6,1,3) aus dem Geschlecht Davids (5,2,3. 7,1,5), die durch das Geheimnis der Menschwerdung durch das Wort (5,1,15. 5,2,4. 6,8,9f. *4,3,9. *6,22,3. *U2,1–13) teilhat am Erlösungsgeschehen (6,8,8. 7,8,5. *6,19,13. *7,24,18 ff. *7,27,20), indem sie, sündenlos (5,2,2. 6,1,6. 6,8,6. 7,8,2.*6,24,2. *U2,13), ohne Zutun eines Mannes (6,1,12. *7,21,18) in unversehrter Jungfräulichkeit (5,2,12. 6,8,6. 6,9,4. *6,23,14; 16. *6,24,2. *7,22,14) und ohne

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Was die Liste für die Echtheitsfragen hergibt, wird jeweils in den Anmerkungen aufgegriffen.

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Schmerzen (5,2,6. *6,24,7) den Gottessohn als Menschen gebar (5,2,5 f. 6,1,11 ff. 6,8,8. *4,3,13 f. *6,19,13. *6,23,12; 15. *6,24,6 f.; 15. *7,21,17. *7,22,14). Die Erlösung wurde vollendet durch Gethsemane (6,8,13), die Marter (7,8,20. *7,26,20), den Kreuzestod (1,3,12 f. 6,2,10. 6,8,11. 6,10,8. 7,6,10 f.; 20. 7,8,20. *6,19,16. *6,21,12. *6,22,9 f. *7,23,14; 20. *7,26,19 f.), die Auferstehung (7,8,14 f. *6,19,16. *7,23,20) und die Himmelfahrt (*7,23,20). Christus, nach dem wir Christen heißen (6,10,9), besiegte Tod und Hölle (6,8,12. 7,8,15. 7,15,20. *6,19,16. *6,23,8; 13. *7,27,9), tilgte die Urschuld (5,2,15. 7,8,16 f. *4,3,12. *7,23,20. *7,24,20. *7,26,20) und führte die Väter aus der Vorhölle (6,8,12). Des versöhnten liebenden Vaters (5,2,15. 5,4,3. 6,9,12. 6,18,7; 16. *4,3,1. *6,19,9. *6,21,15. *6,22,6. *7,21,20) Himmel steht wieder offen (5,2,15. 6,2,13 ff. 6,8,8. 7,8,13 f. *4,3,12. *6,22,7. *6,23,8. *7,27,6), wohin zu gelangen die Menschen streben (sollen) (1,1,13. 1,4,13. 4,1,7. 6,2,13 f. 6,8,15 f. 6,14,16. 7,1,20. *4,3,3; 14. *6,24,13), um der Herrlichkeit teilhaftig zu werden (4,1,5. 6,2,13 f. 6,8,16. 7,1,20. 7,8,13 f. *4,3,3; 13. *6,24,13 f. *7,20,20. *7,21,12 f.) zusammen mit der Himmelskönigin (4,1,1–4. 5,1,9 f. 5,2,18. *6,22,16. *6,24,5. *7,21,14. *7,25,20. *7,27,19), der Kaiserin (*6,23,6; 9. *6,24,3. *7,21,14), deren Schönheit alles überstrahlt (4,1,3 ff. 5,1,7 f. *6,24,1), den 24 Alten (*7,21,15) und den unter Führung Michaels (4,1,9) den ewigen Lobgesang singenden Engelchören (4,1,8 ff. 6,1,14. *6,24,9. *7,20,18. *7,21,15. *7,25,17 f.). Die Schlüsselgewalt wurde Petrus verliehen (4,2,6). Den Weg ins Himmelreich bahnt das Einhalten der zehn Gebote des Alten und Neuen Bundes (6,14,16. *7,20,1–15), wahre Reue, Beichte und Buße (6,10,5–7. 7,6,5. *6,22,15. *6,28,3; 12–16. *6,31,8–16) und gute Werke (1,1,3–13. 1,4,5 f. 5,4,1–8. 6,5,7 ff. 7,3,20). Der weiterhin sein Heil durch Sünden gefährdende Mensch (6,2,1–7. 6,3,12 ff. 6,9,14. 6,10,5–7. 7,1,3. 7,6,3–8; 19–20. *6,22,14. *6,30,15), schwach und zum Bösen geneigt durch die Erbsünde (6,3,13–15. 6,9,14. 6,10,6 f. 7,1,3. *6,22,14), bedrängt von dem gefallenen Engel, dem Teufel (7,6,14. 7,8,9 f. 7,9,19. *4,3,7. *6,19,14. *6,21,12 f.) muß deshalb Gottes Strafe nach seinem Tod fürchten (1,1,11 f. 6,2,7. 6,5,14 ff. 6,9,7. 7,13,1–5. *6,22,15. *6,28,7 ff. *7,20,1 f.) und das jüngste Gericht (1,4. 7,6,15 ff.), wo die Guten von den Bösen geschieden werden (1,4,9–12), die auf ewig der Hölle verfallen sind (1,4,11 f. 5,4,9–13. 6,2,15 f. 6,5,12; 16. *6,28,8 f.). Ohne die helfende Gnade ist der Mensch verloren (1,2,6. 6,2,9. 6,10,5. 7,6,4; 11–15; 20. *4,3,6 ff. *6,21,12; 15 f. *6,22,13 f. *7,21,20); deshalb bitte er auch die barmherzige Mutter, Helferin und Trösterin, um ihre Hilfe (4,1,1. 5,1,17. 5,2,19 f. 6,1,15. 6,9,1; 5; 15 f. 7,1,4; 14; 19. 7,8,7. *6,24,8; 11; 16. *7,26,2. *7,27,2. *U2,2–9) und Fürsprache bei ihrem Sohn (5,2,20. 7,8,11 f. *6,22,16), der seiner Mutter keine Bitte abschlagen kann (6,9,6–8. 7,8,8. *6,24,12. *7,26,9). Ihr gebührt Lob und Preis (5,1,3 f. 5,2,18), mehr als der Mensch zu preisen vermag (6,1,4; 9. *7,27,14–18). Eingekleidet sind die Lehren in hymnische Preisstrophen Gottes, der Trinität, der Gottesmutter, in Sündenklagen, in Betrachtungen über die Schöpfung und in Gebete, die Marienstrophen vielfach geschmückt mit den Bildern und Gleichnis-

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sen aus der lateinischen Hymnik, die schon seit über 100 Jahren eingedeutscht worden sind.74 Es finden sich aber auch äußerst selten belegte Präfigurationen (7,1), die nach Ausweis der einschlägigen Verzeichnisse in der deutschen Spruchdichtung zum ersten Mal aufgegriffen wurden.75 Der Gestus des Lehrens, Mahnens und Warnens prägt auch die übrigen Sangsprüche: die Tugend- und Lasterschelte (scham 7,10, minne 7,18, nît 3,1, gîtekeit 3,2, 7,3, lüge 7,17), die Lobsprüche (7,4, 7,5), die Armutklage (6,7, 6,18). Zuweilen werden die Lehren eingekleidet in Rätsel (3,1, 7,9), in sehr eigenwillig ausgestaltete und ausgedeutete Fabeln (6,6, 6,13, 7,7) und Exempel aus der Bibel und – ebenfalls beim Marner zum ersten Mal belegt – aus antiken Sagen (6,4, 6,12, 7,11). Ein Novum, das viele Nachahmer finden wird und fortan aus dem Themenbereich der Sangspruchdichter nicht mehr verschwindet, ist der Ausgriff auf die verschiedenen Wissensgebiete der Zeit (6,14, 6,16, 7,15). Weder Herger/Spervogel noch Walther, weder Bruder Wernher noch der so außerordentlich produktive Reinmar v. Zweter76 haben Vergleichbares in ihrem Repertoire. Wie die Welt beschaffen ist, was an ihr seltsam und rätselhaft ist, was die Naturkunde an Außerordentlichem weiß oder zu wissen glaubt – der Marner faßt es in Strophen, unspeziell, einfach, wohl auch rudimentär, Basiswissen sozusagen, aber er trägt es gesangsweise vor und reagiert damit auf ein Interesse an diesen Fragen, wie es auch auf anderen Gebieten als dem der Sangspruchdichtung für die Mitte des

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In den Corpus-Texten: Rose ohne Dorn 6,1,5 f. 6,9,3. 7,8,2. Taube ohne Galle 6,9,3. Thron 7,1,5. Lucerne, Laterne 5,1,18 f. Schrein 6,8,7. 7,1,2. Gefäß 5,1,19. Arche 6,9,4. Meerstern 5,1,16. 7,1,13. Gerte Aarons 5,2,1. 6,8,7. 7,1,1. Außerhalb des Corpus’ kommen hinzu: Bach, Tau, Maienregen *Unb. Ton II,2–6. Lilie *6,23,11. *6,24,2. Veilchen *6,24,3. dryackel *6,24,4. balsam smag *6,24,4. Kristall *7,24,7 ff. Leuchter Unb. Ton *II,7. kefs Unb. Ton *II,3. Fahne *7,26,1. Morgenröte *7,25,1. Hausteins Feststellung (S. 240): „Jedes religiöse Bild, jedes Thema, jede Mariensigle ist … geläufig und unmittelbar verständlich“ trifft also zumindest für diese Strophe nicht zu. Auch sonst steht es schlecht um die Beleglage. Haustein hält die Annahme der Nähe zur älteren Mariendichtung für „eine Strophe wie XIII,1 [hier 5,1], aber auch XIV,11 [hier 6,10]“ für „unabweisbar“, dabei enthält gerade 5,1 neben den traditionellen auch eine gänzlich neue Mariensigle (s. Anm.) und 6,10 ist gar keine Marienstrophe. Die moralisierende Lehrdichtung aber schöpft aus dem allen zugänglichen Fundus von Erfahrungen über das, was dem Umgang der Menschen miteinder guttut und was ihm schadet, die Tugenden und Laster, die den Alltag erleichtern oder erschweren. Ein Rückgriff auf Dichtungen ist nicht nur unbewiesen, er muß auch gar nicht vorausgesetzt werden, auch nicht der auf Freidanks ‚Bescheidenheit‘ (so Haustein, S. 241), der der Marner nicht näher steht als andere Sangspruchdichter auch, eben der gemeinsamen Quelle wegen. Wenn Haustein feststellt (S. 106), Strophen mit einem Thema wie diesem gehörten „offenbar ins Repertoire eines Sangspruchdichters“, verkennt er einmal mehr das Innovative des Marnerschen Dichtens. Einmal findet sich bei Bruder Wernher 16,7ff ein Hinweis auf das Verjüngen des Adlers und der Schlange von der wîsen meister lêre. Reinmar nennt mehrfach strûzes ougen als besonders kraftvoll (99,4, 137,7, 185,10, 302a,3, b,1); er weiß auch (Man sagt), daß der Strauß Eisen verschlingen könne (280,1).

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Jahrhunderts festgestellt worden ist.77 Er läutet damit einen Themenbereich ein, der das Gesicht der Gattung fortan mit prägen wird. Wie sehr er damit auch unter den Dichterkollegen Furore machte, zeigt die vierstrophige Anstrengung des Meißner, so etwas auch und noch besser zu können (s. u. S. 255 f.). Adressaten der Sprüche sind meist nicht näher bezeichnet, es geht um das, was swer/der (7,2,3 f.), wir, (6,3,9, 6,14,14) ein man (7,13,14) kennen, tun oder lassen sollen. Apostrophiert werden vielfach die göttlichen Personen und die Gottesmutter (passim), darüberhinaus gerndú diet (7,4,20), tumb man (2,1,5), ir milten lúte, (5,4,1), súnder (6,2,1), du mensche (1,1,4), welt (7,3,16), Reinmar v. Zweter (3,3,1), die geistlichen (der Papst, die Bischöfe 4,2,5; 11) und die weltlichen Fürsten (6,12,12), ein ungenannter ir (7,5). Ein ich agiert als Rätselsteller (3,1,1, 7,9,3), als Spaßmacher (6,11,3), als Betender (4,1,7, 6,8,15, 6,9,14, 6,10,6, 7,6,5), als Lobsprecher (*L10, *L12, 7,4), als Sänger in Konfrontation mit einem fiktiven Publikum (6,15,3, 7,14,1, 7,16,1) und als Kläger über die eigene Armut (6,7,4, 6,18,8); sonst vereint Sprecher und Zuhörer das wir (passim; 7,3,6 ich unde maniger).78 Als Spruch ohne zumindest impliziten Lehranspruch kann allenfalls 6,11 gelten. Selbst das Thema Kunst (3,3, 5,3, 6,15, 6,17, 7, 14, 7,16) ist allgemeinen moralischen Erwägungen untergeordnet und wird eher derentwegen herangezogen als um seiner selbst willen. Es nimmt übehaupt in Marners Werk wenig Raum ein. Der Dichter rühmt sich nicht, weist nicht auf sein Können hin, seine Werke heißen liet (L3,1,2, 7,14,1), sang (L6,1,2, 6,15,2; 6, 6,17,13, 7,14,19), rede (7,16,20), wort (7,14,16), mære (6,11,3), bispel/spel (7,16,1) und einmal, in scherzhaftem Kontext, lêre (L7,1,1), die er (ge)singen, sagen (L7,5,2, L6,1,2, 7,14,1; 20), künden mit sange unde sagen (6,15,3) will. Wenn er Walther von der Vogelweide seinen meister nennt (6,17,1 f.), gibt er sich zumindest als einen Dichter zu erkennen, der einem großen Vorbild folgt.79 Ohne sich einzubeziehen, aber vom Publikum als einbezogen zu verstehen, heißt es 2,3,3f. wer kan … sprechen alde sinen sank verzern, 6,17,8 sanges meister lebent noh, 5,3,20 er kúnste git im nah sinem dunke (einziger Beleg für kunst); einmal ruft er einen Zeugen an, der sich auf rede, wort, rime in sprúchen versteht (6,17,11 f.). Als Kunsttermini finden sich nur blUmen lesen (6,17,16), einen vunt vinden oder núwen (6,17,14, 3,3,2) und das nicht ganz deutliche mit sange triegen (6,17,13), das er von sich weist, aber Reinmar vorwirft (3,3). Wenn er die Publikumswünsche beklagt (2,3, 7,14) oder selbst eine Liste möglicher Themen aufstellt, um davon ein Thema und ein mögliches Publikum wirkungsvoll abzuheben, für das er nicht singen kann und will (7,16, vgl. auch 7,14,20), dann bestätigt

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Vgl. Simek, S. 124 ff. L7,5,5 meint das wir nur die Männer, 5,3,1 vielleicht nur die Dichter, 6,3,3 nur die Leien. Anders als etwa beim Meißner erinnert Eberhard Nellmann (Zur Rezeption von Walthers Sangsprüchen in der deutschen Literatur bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts. In: Der achthundertjährige Pelzrock usw., hg. von Helmut Birkhan. Wien 2005, S. 363–381) in Marners Texten nichts an Walther, doch vgl. 6,15,1–7.

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er damit indirekt, daß er seiner dichterischen Tätigkeit eben diese Funktion des Belehrens, Mahnens und Warnens zuschreibt, auch wenn er sie so gut wie gar nicht beredet. Bezeichnenderweise kommt das Verb râten im Corpus gar nicht, das Verb lêren nur L6,3,3 vor; in der heiteren Runde der kint stilisiert sich das Ich als Berater, aber was es lehrt, wozu es rät (L7,5,2 vernemt, waz ich uch sage), ist, die Sommerzeit zu genießen. Die zahlreichen Anweisungen werden kaum einmal ausdrücklich als Ratschläge oder Anweisungen eines Ich formuliert wie bei anderen Sangspruchdichtern, zuweilen schon bei Spervogel (z.B. MF 1,2 daz waere mîn rât), vielfach bei Walther (z.B. 3,IV,1 Solte ich den pfaffen râten an den triuwen mîn), bei Reinmar von Zweter (77,9 dâ von rât ich, 84,6 daz ist mîn rât, 212,1 Spotter, dû solt hœren mich), bei Kelin (I,6,4 nim an dich mînen rât), beim Meißner (II,6,2 der volge mir unde tU nach miner lere, XV,4,2f. ich bin ein lerer aller gUten dinge / unde bin ein ratgebe aller tugent, XVII,5,5 daz wil ich raten unde leren) oder bei Rumelant (27,7 der merke mîne lêre). Seine Quellenangaben bleiben vage, siebenmal beruft er sich auf andere: die meister 6,14,9, 7,2,15, die meister und dú bUch 7,10,20, von dien bUchen und och von der wisen lúte sage 6,3,4, König David 6,7,3, auf eigene Lektüre 5,4,11, auf die alten 7,3,1. Er präsentiert sich als ein Sänger, der weiß, daß das, was er zu sagen hat, nützlich und wichtig ist; es durch Autoritäten abzusichern oder durch Wahrheitsbeteuerungen zu unterstreichen, sah er offenbar keinen Anlaß. Aber um die Eigenständigkeit und wohl auch den Rang seiner Kunst zu betonen, beruft er sich auf einen lebenden namentlich genannten sachverständigen Gewährsmann. Bein (S. 167) schreibt dazu: „Diese Darstellung dürfte in ihrer Form einzigartig sein (ich kenne kein wirklich vergleichbares anderes Beispiel).“ Über die stilistische Eigenart, das Publikum zum Nachdenken dadurch herauszufordern, daß er die gedanklichen Verbindungen zwischen blockhaft gereihten Aussagen unausgesprochen läßt, wurde oben S. 28 schon gesprochen. Wer das alles nur als Erfüllung des Gattungsgesetzes und „auf das Typische hin geschrieben“80 ansieht und meint, ein Werk-Profil sei damit nicht erstellt und könne auch für die Vertreter der Gattung Sangspruchdichtung vor Frauenlob gar nicht erstellt werden, geriete wohl in Verlegenheit, wenn er definieren müßte, was denn als Typisches zu gelten hat und was zu einem solchen Profil eigentlich gehöre. Vermutlich wäre es leicht zu beweisen, daß ein solches, immer idealtypisch gedachtes Profil von keinem Dichter befriedigend erstellt werden kann. Wir können uns ihm immer nur annähern mit so relativen Kriterien wie Vorlieben, Häufigkeiten, Vermeidungen, wohl auch einmal mit mehr oder weniger punktuellen Singularitäten, von denen der eine mehr, der andere weniger aufweist. Dies ist eigentlich eine Trivialität. Dennoch sieht es so aus, als ob für die Sangspruchdichtung das notwendig Unzulängliche eines Autorprofils mehr als sonst empfunden, Gemeinsamkeiten mehr als sonst betont, Parallelen mehr als üblich hervorgeho-

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Haustein, S. 248. Vgl. hierzu und zum Folgenden Willms, Noch einmal, S. 338 f.

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ben werden81 und die Gattung den Werken wie einer quasi kollektiven Dichtung in einer Weise vorgeordnet wird, als sei sie gar keine historische Kategorie, als arbeiteten unsere rührigen Sangspruchdichter insgesamt nur die Vorgaben einer Herrscherin Gattung ab.82 Die Gründe dafür mögen vielfältig sein: die Verachtung der Philologen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, die die Sangspruchdichter schon wegen ihrer als degoutant empfundenen Bettelstrophen nicht liebten83, auch wohl die lange gültige Geringschätzung der Lehrdichtung als Unkunst und 81

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Wenn auch nicht alle ebenso unsensibel wie ahnungslos von „öder Gleichförmigkeit“ und von „einem Schema, das in ermüdender Weise wiederholt wird“, sprechen, vom gleichen Gedanken, der „immer wieder behandelt wird ohne Abwechslung in der Gestaltung oder den Bildern“ was die Sangsprüche „zum Verwechseln ähnlich“ mache, was alles man bei Hellmich (S. 45 u. ö.) nachlesen kann, so vergröbert der forsche Doktorand doch nur, was spätestens mit Roethe (S. 258 „ihren für unser Gefühl mit ermüdender Konsequenz herrschenden Stil“) communis opinio war und lange blieb und auch in neuerer und neuester Zeit noch recht ähnlich klingt, wenn z. B. Stackmann (58, S. 54) von der stets zu beachtenden „Prävalenz des Typischen vor dem Individuellen“ spricht oder (S. 141) vom Ewig-Gleiche[n] im Werk eines zufälligen einzelnen“, oder Haustein (S. 245) meint, daß in der Sangspruchdichtung „immer wieder dieselben Themen mit stets vergleichbaren literarischen Mitteln gestaltet wurden“ (s. dort auch S. 248 und 253). Hier ist diese Meinung, bei allen das Gleiche anzutreffen, sogar so verfestigt, daß er dem Marner ein Thema unterstellt, das dieser kaum behandelt hat. S. 240 spricht Haustein von der „wiederkehrende(n) Thematisierung von Buße und Reue“. Das C-Corpus, Hausteins Textbasis, behandelt das Thema peripher an zwei Stellen (s. o. S. 33) und enthält nicht einmal die beiden Wörter. Daß überall in „der Spruchdichtung“ das Gleiche vorkomme, steht auch hinter Schulzes (S. 320) Feststellung, daß Marners Töne „die zeitgenössische Themenbreite der Gattung umfassen“ oder hinter Wachingers Behauptung (73, S. 127), zur Abfassungszeit von XI,3 sei die lekerSchelte in der Spruchdichtung „längst heimisch“ gewesen. Der Marner gebraucht sie nur an dieser Stelle, und zwar als erster. Kurt Ruh hatte zwar (S. 318) genau beschrieben, was Walther als ‚Spruchdichtung‘ übernahm und inwieweit er diese der höfischen Dichtung (dem Minnesang) anglich, aber (sicher gegen seinen Willen) wurde aus dem, was er ‚Spruchdichtung‘ genannt hatte, die fertige ‚Gattung‘ Sangspruchdichtung und es entfiel die notwendige historische Differenzierung, so z. B. bei Christa Ortmann (Der Spruchdichter am Hof usw, In: Walther v.d.Vogelweide. Hamburger Koll. 1988, S. 17–35), S. 17: „Walther hat, auch darüber besteht Konsens in der Forschung, die beiden Gattungen einander ‚angenähert‘.“ Hier ist die „Gattung“ vor ihrem Schöpfer vorhanden, und die gleiche Schiefigkeit des Verhältnisses von Gattung und Autoren, die diese erst allmählich entwickeln, ergibt sich, wenn generell gesagt wird: „ … die literarische Gattung [?] mit ihren formalen, inhaltlichen und funktionalen Implikationen, mit deren Bedingungen und Konzepten der Autor sich kritisch und kreativ auseinandersetzen kann, der er aber nicht seine individuelle Persönlichkeit als eine das Werk konstituierende und strukturierende Größe entgegensetzen kann“ (Wachinger 91, S. 22) oder: „literarische Individualität verwirklicht sich in mittelalterlicher Literatur stets nur in den Grenzen, die die Gattung vorgibt“ (Haustein, S. 10). Vgl. etwa Wilmanns (S. 396): „Die Art seiner Dichtung entspricht dem Geschmack der Zeit … Gelehrsamkeit wird mehr gesucht als Anmuth.“ Selbst in Stackmanns (58, S. 120 und Anm 278) Abwehr so abfälliger Urteile wie das von Schneider oder Roethe wird noch ein Gutteil ihrer Anschauungen konzediert; vgl. auch o. Anm. 81.

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Tendenzlyrik, die vielen poetisch so dürren Produkte des Meistersangs, in deren Licht auch die Werke der Vorgänger glanzloser zu sein schienen, sicher auch die radikale Andersartigkeit eines Heinrich von Meißen, vor dessen Sprachgewalt und stilistischer Raffinesse alles Vorherige bieder wirken mußte. Auch förderte wohl schon die Einteilung der mittelalterlichen Lyrik in Minnesang einerseits und Spruch für alles andere die Einstellung des Blicks auf das Gemeinsame statt auf die Unterschiede. Aber eine sachliche Begründung für diese Beurteilung gibt es nicht. Denn weder metrisch-musikalisch noch den Inhalten nach ist Eintönigkeit oder Uniformität gegeben. Wenn man die Enge der Vorgaben bedenkt, innerhalb derer die kirchliche Autorität zu wissen und zu glauben und zu sprechen erlaubte, die relative Gleichförmigkeit der Zustände, vor allem der Mißstände, den Stand der Laienbildung, die noch ganz rudimentäre Reflexion über mentale Befindlichkeiten, die karge Besetzung der zugehörigen Wortfelder und die entsprechend geringen sprachlichen Möglichkeiten, dann erstaunt die Vielfalt der erhaltenen Sangsprüche. Was die lateinischen Dichter längst betrieben, erobern Künstler nun für das Kunstlied in der Volkssprache. Sie betreten das Feld geistlicher und weltlicher Themen jenseits des Minnesangs, machen ihre Sprache geschmeidig für alle Rezepte poetisch-rhetorischen Ausdrucks, den die Lateiner längst beherrschten.84 Ein genialer Neuerer geht voran, weniger durch das Schaffen modellbildender Werke85 als durch sein umfangreiches Produzieren auf diesem Feld überhaupt. Nun finden sich da und dort andere, die sich gleich ihm an die Behandlung der Themen wagen, die die Menschheit seit eh und je beschäftigt haben und noch beschäftigen, die wir bei antiken Paränetikern ebenso behandelt finden wie bei denen des Barock oder des 19. Jahrhunderts: Was ist gut, was ist böse, was sind unsere Werte, was unsere Normen, wie soll der Mensch leben, wie sich zum Mitmenschen verhalten, zum anderen Geschlecht, zu der Generation vor ihm und der nach ihm? Was gibt es zu wissen, zu erfahren, zu lernen, und wozu ist es nütze, und das alles in den unterschiedlichsten Aufmachungen und Einkleidungen, deren Kunstcharakter Hausteins Analysen der Marner-Texte eindrucksvoll bezeugen.86 Die Antworten freilich sind vorgegeben, ihr enger Rahmen die Rechtgläubigkeit, aber das ist eine Stereotypie des Denkens, nicht des Dichtens. Eine Dichtung in diesem Rahmen und unter diesen Gesetzen er84

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Die „stets vergleichbaren literarischen Mittel“ (s. die Anm. 81) sind die des poetischen Sprechens allgemein, ihre Auswahl hängt ab von der paränetischen Funktion der Sangspruchstrophen und ist ebensowenig ein spezielles Charakteristikum der Sangspruchdichtung wie diese ein spezielles Phänomen des 13./14. Jahrhunderts ist. S. dazu Ruh, S. 217 f. Zur Modellbildung vgl. Wilhelm Voßkamp: Gattungen als literarischsoziale Institutionen. Zu Problemen sozial- und funktionsgeschichtlich orientiert« Gattungstheorie und Historie. In: Textsortenlehre – Gattungsgeschichte, hg. v. W. Hinck, Heidelberg1977 (medium literatur 4), S. 27–42. Umso überraschender sein Schlußkapitel, das der Unmöglichkeit, eine Künstlerindividualität zu erfassen, Ausdruck gibt.

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fordert eine eigene Feinteilung unserer Maßstäbe. Individualitäten können von vornherein nicht in den Blick geraten, wenn unsere Analyseinstrumente zu nicht mehr taugen als nach dem Vorkommen von „Tugend, Tadel, Politik, Heische, Glauben“87 „typische“ Sangspruchdichtercorpora zu konstatieren. Wer sich einmal die Mühe macht, das ja durchaus überschaubare Kontingent an Sangsprüchen vor Frauenlob auch nur thematisch zu ordnen, wird erstaunt sein über den Umfang des Rasters, das er anlegen muß, und über die geringe Zahl der Texte, die überhaupt unter einer Rubrik zusammengefaßt werden können, und wie viele und wie unterschiedliche Nuancen einunddemselben Thema abgewonnen werden. Ob und wieviel deren Verfasser dann auch noch von einander wußten, wieweit sie sich als „auf eine Gattung hin“ Dichtende verstanden, verstehen konnten, darüber wissen wir herzlich wenig; dennoch ist es die zumeist stillschweigende, zuweilen vielleicht gar nicht bewußt vollzogene Voraussetzung allen Sprechens über die Sangspruchdichter und ihre Gattungsgebundenheit. Hausteins sehr weitgehende Einschätzung des spruchdichterischen Schreibens auf das Typische hin, formuliert als Konsequenz aus am Marner-Corpus ermittelter Untersuchungsergebnissen, ist schon deshalb anfechtbar, weil eben diese Ergebnisse wie oben gezeigt der Nachprüfung nicht standhalten. Weder ist des Marners Abhängigkeit von ausschließlich volkssprachlichen Quellen noch seine Nähe zum Minnesang des 13. Jahrhunderts erwiesen. Die Autorschaft der lateinischen Gedichte ist keineswegs so unwahrscheinlich, wie Haustein es darstellt. Der Marner bildet keine Strophenketten, seine Argumentationsweisen, bei Haustein wie auch sonst unzureichend beschrieben, sind durchaus singulär und seine Rolle als Initiator kann nicht ins rechte Licht stellen, wer jedes ‚Stilmittel‘ als immer gleiches der Gattung als ganzer zuschlägt. Eine allen Sangspruchdichtern gemeinsame Grundhaltung läßt sich wohl erkennen: das Bewußtsein, eine besondere Art von Künstlern zu sein, deren Wort hörenswert, deren Tun verdienstlich ist, so daß die Gesellschaft sich ihnen gegenüber zu Dank verpflichtet fühlen sollte. Daß sie es tat, daß sie die Sänger schätzte und unterhielt, ist keine Frage. Ihre Existenz und die Tradierung ihrer Werke ist Beweis genug, aber wer im Einzelnen in welchem Umfang und wann die Sänger förderte und entlohnte, wissen wir nicht. Wir haben Dankesstrophen an einzelne Herren, aber über Dauer und Art der Beziehung ist nichts bekannt.88 Die Auftragsarbeit, der Freundeskreis, die gesellige 87 88

Haustein, S. 245. Wenn Bein (96, S. 92) schreibt, die Sänger seien „nicht primär [!] zur Artikulation ihrer eigenen Bedürftigkeit e n g a g i e r t “ worden, und sie hätten eine Chance, auf der B ü h n e zu stehen [Sperrung von mir], scheint er sich eine Art Kammersängerexistenz vorzustellen. Sieht man einmal von der Bühne ab, kann er damit durchaus etwas von der realen Existenz eines, einzelner, vieler Sänger getroffen haben; einen Unterschied zum modernen Kammersänger aber wird man wohl annehmen müssen: Die Sänger dürften ihre eigenen Agenten gewesen sein, und schon öffnet sich wieder das ganze weite Feld der ungelösten Fragen, wie, wann und vor wem was zu singen möglich war.

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Runde, die Herberge (an der strâzen), der geistliche Konvent, die häusliche Andacht größerer (vornehmer) Haushalte, die Tischunterhaltung eines einzelnen Herren, festliche Anlässe aller (geistlicher und weltlicher) Art vom Verwandtenbesuch bis zur Staatsaktion89 – alle diese Situationen finden wir in chronikalischen und literarischen Quellen der verschiedensten Art erwähnt, häufig verbunden mit Musik und Gesang, aber nicht ein einziger Name erlaubt einen Bezug zu auch nur einem unserer Sänger. Für das, was diese selbst in noch so autobiographisch anmutender Weise ihr Sänger-Ich sagen lassen, gibt es keine „verbindliche Fiktionalitätskonvention“90, aber eben auch keine Garantie für erzählte Lebenswirklichkeit. Was nun den Marner und sein Profil angeht, verweise ich auf seine originellen Lieder, die bei Haustein allenthalben nachgewiesene Meisterschaft der Komposition, seine drei von Mit- und Nachwelt hochgeschätzten Töne und daneben den folgenlosen, aber putzigen Ton 2, seine Eigenart des Argumentierens (s. o. S. 28), seine Innovationen (antike Mythologie und Naturkunde), für die Mariendichtung seinen Ausgriff in ungebräuchliche Präfigurationen und das Fehlen erotisierter Passagen – und überlasse alles weitere einer vorurteilsfreien Lektüre.

1.3.3 Form 1.3.3.1 Metren Untersuchungen metrischer Verhältnisse, aus dem akademischen Unterricht zumindest der Mediävistik weitgehend verschwunden, sind mit der Abkehr von der kritischen Edition und der Zuwendung zu der vermeintlichen Lebenswirklichkeit der Texte in den Handschriften für viele Herausgeber obsolet geworden. Metrischer Wildwuchs gilt ihnen als erhaltenswerte Gebrauchsspur; älteren Generationen dagegen galt er als die schwarze Patina, die den Silberglanz der poetischen Werke verdarb. Ihnen galt die Metrik, auf deren Untersuchung sie so ungemein viel Zeit und Mühe verwendeten, als oberstes Regulativ, dem der Text sich fügen mußte, und wo mittelalterliche Texte überhaupt zum ‚Ewigen Vorrat deutscher Poesie‘ gestellt werden, da erscheinen sie in diesen Fassungen, wie sie aus der Normpresse unserer alten Metriker hervorgegangen sind. Richtig ist, daß die Angaben über Norm und Abweichung, vor allem da, wo sie in Prozentzahlen angegeben wurden, oft Vorentscheidungen enthielten, über die man nichts erfuhr, die 89

90

Die ausschließliche Behandlung des Sängerauftritts als Element gehobener Unterhaltung beim höfischen Fest (vgl. Strohschneider 96, S. 10 ff.) ist eine willkürlich gesetzte Einschränkung. ebd. S. 28 u. ö.

Das Werk

41

aber meist auch anders hätten ausfallen können; oft gingen ihnen Textbereinigungen voraus, die sich in den Zahlangaben nicht niederschlugen. Weiblicher Dreitakter oder klingender Viertakter, Auftakt und beschwerte Hebung im Versinnern oder Auftaktlosigkeit und regelmäßige Alternation waren ohnehin Glaubensfragen; die Entscheidung: Schreiberschlacke oder Künstlerabsicht beruhte nur zu oft auf massiven Vorurteilen. Schon das Beschreibungsinstrumentarium, gleich welcher Schule es entstammte, suggerierte und suggeriert noch eine Mechanik des Versemachens, die mit der Praxis mittelalterlicher Poeten vielleicht gar nichts zu tun hat. Hier ist uns jede Sicherheit abhanden gekommen. Dennoch ist das Absehen von metrischen Verhältnissen eine nicht zu tolerierende Nachlässigkeit. Die Strophigkeit, in der uns, von einigen Frühformen abgesehen, die mittelalterliche Poesie begegnet, sei es im mehrstrophigen Lied, sei es in der Gebrauchsform des Sangspruchs, setzt eine feste Strophenform voraus, gebaut aus Versen bestimmter Länge, die nicht beliebig ausdehnbar sind, deren Füllungsfreiheit vielmehr enge Grenzen gezogen sind. Um die Feststellung dieser Grenzen und der Freiheiten, die sie ließen, und um die Unterschiedlichkeit der Nutzung dieser Freiheiten durch den Einzelnen geht es und muß es der Beschäftigung mit mittelalterlicher Poesie gehen, nicht nur, um die Stelle des jeweiligen Dichters so genau wie möglich markieren zu können, die er im Chor der zeitgenössischen Poeten wie in der Geschichte der poetischen Bemühungen einnimmt, sondern auch, um überhaupt annähernd zutreffende Kriterien für die Entscheidung zu erhalten, was Norm und was Abweichung, und damit aber auch, was Gebrauchsspur, was ursprüngliche künstlerische Freiheit ist. Die Norm für die Sangsprüche im Schema anzugeben, d. h. das metrische Gerüst, dem sich die Masse der Verse nahezu91 exakt fügt, bereitet keine Schwierigkeit. Alternierender Gang, Dreiteiligkeit der Strophe, Verszahl und -länge wird zudem in 5 der sieben Töne von der Notierung gestützt. Für die Lieder fehlt uns diese Stütze. Deshalb ist es auch nicht zu entscheiden, ob etwa Lied 7 ein ungegliederter Achtzeiler mit Refrain oder eine gegliederte Kanzone mit oder ohne da capo-Form oder ganz etwas anderes ist. Strauch, der Schemata zu den Sangsprüchen angibt, hat sich wohlweislich gehütet, auch solche zu den Liedern anzugeben. Hier läßt er es bei summarischen Angaben bewenden, und nur gelegentliche Akzente lassen erkennen, welche Vorstellungen er sich über das Taktgeschlecht der Verse machte. Hier haben wir es mit der Möglichkeit dreisilbiger Taktfüllungen zu tun, die nicht unter die Sonderfälle ‚gespaltene Hebung bzw. Senkung‘ zu buchen sind, also mit dem „Daktylenproblem“, nach Heusler (II, S. 206) dem zweitschwierigsten Kapitel der altdeutschen Verslehre überhaupt.92 Fragen nach Herkunft und Vorbilder dieser Taktform sind für den Mar91 92

Abweichungen s. u. S. 50. Vgl. auch Brunner, S. 201 Anm. 70: „Das Problem der dreisilbigen Takte in der mhd. Lyrik ist noch nicht ausdiskutiert.“

42

Einleitung

ner insofern irrelevant, als er ja bereits eine ganze Reihe deutscher Vorgänger hat. Sie gehört zwar zu den Charakteristika speziell dieses Corpus, das Ausmaß ihrer Verwendung festzustellen ist jedoch schwierig, weil, zumal bei fehlender Melodie, oft schwer zu entscheiden ist, ob wir Alternation oder Dreiertakt vor uns haben, und sie oft ohne Zwang in einander überführt werden können.93 Die Liedschemata haben also eher Vorschlagscharakter. Abweichungen innerhalb der Strophen können beabsichtigte Variationen sein. Über die Metrik der Sangspruchdichter sowohl wie die des Meistersangs informiert demnächst der lange erwartete 2. Band des Repertoriums. Der Abschnitt über die Marner-Töne wurde mir freundlicherweise von den Herren Wachinger und Rettelbach vorab zugänglich gemacht und erklärt. Ihre auf größtmögliche Vergleichbarkeit mit Varianten innerhalb und außerhalb der Marner-Tradition ausgerichtete, äußerst ökonomische, unsinnliche Art der Darstellung mochte ich nicht übernehmen. Auch den Verzicht auf die eigene Kennzeichnung der klingenden Kadenz, der dort der vereinheitlichenden Darstellung hebungs- und silbenzählender Systeme wegen vorgenommen wurde, brauchte ich für meine Darstellung von Strophen nur des 13. Jh.s nicht mitzuvollziehen. In meinen Schemata bezeichnet die kursive Zahl die Stelle des Verses in der Strophe; A steht für Auftakt; abgesetzte kleine Buchstaben (a,b,c usw.) für die Reimfolge (x = Waise); Zahl (recte) für die Anzahl der realisierten Betonungen (Hebungen); m für einsilbige Kadenz (Heuslers einsilbig männlich volle Kadenz), sie zählt als (unvollständiger) Takt; w für zweisilbige Kadenz; k für zweisilbige Kadenz, den vorletzten und letzten Takt umfassend, bestehend aus einer langen Silbe (naturlang oder durch mehrfache Konsonanz gedeckte Kürze) und einer an sich nicht hebungsfähigen Silbe, Typ | –´ | x` (Heuslers klingende Kadenz), im Gegensatz zum Repertorium immer als zwei Takte gezählt. Gezählt werden die Takte (Versteil von einer Betonung bis ´ ix | oder |x´ii| oder |x´xx |, im letzteren zur nächsten): | x´x | oder |–´ | oder | i Fall durch Zahl mit hochgestellter 3 als ‚daktylisch‘ erkennbar, d. h. als Takt, dessen zweisilbige Senkung nicht mit offener Kürze beginnen muß; also A 4m = x | x´x | x´x | x´x | x´; A 4k = x| x´x | x´x | –´ | x`; 23w = | x´xx | x´x; damit ist auch Auskunft über die normgerechte Silbenzahl der Verse gegeben. Häufigkeitsangaben beziehen sich nur auf das C-Corpus. Die Lieder 1, 3 und 4 könnten mit ‚daktylischen‘ Doppelsenkungen gebaut worden sein. Einige Verse fügen sich zwanglos dieser Messung, bei einigen scheint sie zumindest zulässig, wenn sie auch alternierend gemessen werden können, was bei den meisten Versen ohnehin die einzige Möglichkeit ist. Die Strophen realisieren vielleicht sogar an gleichen Stellen unterschiedliche Möglichkeiten, z. B L1,1,8 und 1,2,8. Die Auftakte sind unfest. Die zweisilbigen Verse (mit und ohne Auftakt) könnten ebenso gut als 1w statt 2k dargestellt werden. Verse

93

Vgl. Wachinger 06, S. 750.

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Das Werk

dieser Länge werden häufig nicht als eigene Verse gewertet, sondern mit dem vorhergehenden oder folgenden Vers verbunden. Lied 1 1 A 4k a oder 2 A 3k a 3 2m b 4 A 3k c 5 3k c 6 3m d

A 2 3w a 2 3w a 2 3w c

7 A 4k e oder A 8 A 3k e 9 2m b 10 A 3k f 11 3k f 12 3m d

2 3w e 2 3w e 2 3w f 23w f (nur Strophe 3)

13 A 2m g 14 A 4k h 15 A 2m g 16 4k h 17 A 3k i oder 2 3w i 18 A 3k i 2 3w i 19 2k j 20 A 3k j 2 3w j 21 A 3m k 22 A 3m k In 2,14:16 schin : vogellin volle statt vom Schema geforderte klingende Kadenz; hat der Schreiber irrtümlich v. 14 an v. 12 angereimt oder liegt Kadenzentausch vor? Er gilt zwar nach 1200 für nahezu ausgestorben (Heusler, § 855), aber Lied 6,5,2/5 wird man kaum anders deuten können, also gilt er vielleicht auch hier. Lied 2 1 A 2m a 2 4m b 3 4m c 7 8 A 9 10 11 A 12 13 A

4 A 2m a 5 4m b 6 4m c 4m d 7m d 4k e 4m f 3k e 4m f 4m f

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Einleitung

Lied 3 Die 2., 5. und 10. Verse können schwerlich anders als mit Doppelsenkung (‚daktylisch‘) gemessen werden. 4 4k a oder A 23w a 1 4k a oder A 23w a 5 A 3 3w b 2 A 3 3w b 3 6 A 33w c oder 6k c 3 A 3 w c oder 6k c* 7 7k d 8 7k d 9 A 2k e oder A1w e 10 A 33w e *Für 4,3 besteht die Alternative nicht. Lied 4 1 A 4k a 4 A 4k a 2 A 2k b 5 A 2k b 6 A 3m c oder A 23m c 3 A 3m c oder A 23m c 7 8k d 8 8k d 9 4m e oder 23m e 10 A 4k f 11 A 2k f 12 A 3m e oder A 23m e Lied 5 Wegen der deutlichen Zäsuren in den dritten Versen (weniger deutlich in den sechsten) könnte man auch von einer Teilung der Verse in Waisen + Zweiheber ausgehen. Schema 1 Schema 2 1 6k a 4 6k a 1 6k a 5 6k a 2 2m b 5 2m b 2 2m b 6 2m b 3 6m c 6 6m c 3 4m x 7 4m x 7 7k d 4 2m c 8 2m c 8 6k d 9 7k d 9 4m c 10 6k d 10 4m c 11 4m c 11 2m c 12 4m c 13 2m c

Das Werk

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Lied 6 1 4m a 4 4m a 2 3m b* 5 3m b* 3 3m c 6 3m c 7 4m x 8 4k d 9 2k d 10 A 2m e 11 2m e 12 4k x** 13 3m e **In Strophe 5 der 2. und 5. Vers 4k; Kadenzentausch. **Die Waise in der 2. und 3. Strophe 3m, also auch eine Art Kadenzentausch. Lied 7 Heusler (§ 738) faßte die Strophe als „anderthalbfachen Hildebrandston“ auf. Haustein vermutet mit Hinweis auf parallele Formen bei Frank (Handbuch der deutschen Strophenformen. München/Wien 1980, S. 106 ff.), daß für dieses „Sentenzenlied“ eine „außerhöfische, volksliedhafte Strophenform rezipiert“ worden ist. Für Bein (S. 398 f.) ist die äußerst seltene Form strukturell nur mit Walther 112 vergleichbar. 1 4k a 2 A 3m b 3 4k a 4 A 3m b 5 4k c 6 A 3m d 7 4k c 8 A 3m d 9 4k e 10 3m f 11 4k e 12 3m f Lied 8 1 4k a 2 2m x 3 4m b 7 8 9 10

4 4k a 5 2m x 6 4m b 8m c 4m c 2m x 4m c

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Einleitung

Lied *9 (alternierend gelesen) siebenmal 4m, mit oder ohne Auftakt, jede Strophe ein Reimklang in der Folge der Vokale a, e, i, o, u. Lied *10 wie Lied 8, doch s. S. 21 f. Lied *11 Vagantenstrophe; 4 zäsurierte Langzeilen 4m / 3w; ein Reim pro Strophe. In Strophe 13,1 und 4 Auftakt. Lied *12 1 4m a 2 4m a 3 4k b 7 8 9 10

4 4m c 5 4m c 6 4k b 4k d 4k d 4k d 4k d

Der Versbau der Sangsprüche ist rein alternierend (zu den Lizenzen der Innentaktfüllung und der Kadenzen s. u.)94. Auftakt wurde dann als Regel angegeben, wenn er bei der Mehrzahl der betroffenen Verse tatsächlich vorhanden ist. Abweichungen der einzelnen Strophen vom Schema sind jeweils in den Anmerkungen im Abschnitt B vermerkt. Sangspruch 1 (In der jüngeren Überlieferung Goldener Ton) 1 A 4m a 4 A 4m c 2 A 4m a 5 A 4m c 3 A 8k b 6 A 8k b 7 A 4m d 9 A 4m d 8 A 8k e 10 A 8k e 11 A 4m f 12 A 7m f 13 A 8k b

94

Die mechanisch hochgerechneten Silbenzahlen des RSM stimmen mit den realen, von Strophe zu Strophe der reichlich genutzten Lizenzen wegen wechselnden Silbenzahlen oft nur annähernd überein. Im Hinblick auf eine spätere (mögliche) Verwendung der Töne werden dort zuweilen Auftakte schon für die Frühzeit dann angesetzt, wenn die hsl. Fassungen, also die Schreiber, wenigstens einen boten; die der Textkritik erschließbare tatsächliche Versgestaltung beim Marner kann davon durchaus abweichen, was besonders bei Ton 2 (s. die folg. Anm.) und dem 1. unbenannten Ton (s. S. 284 f.) zu beachten ist.

Das Werk

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Sangspruch 295 1 6k a 3 6k a 2 6m b 4 6m b 5 2m c 6 2m c 7 6k a 8 6m b Sangspruch 3 1 A 4m a 6 2 A 4m b 7 3 A 4m a 8 4 A 4m b 9 5 5k c 10 11 A 7m d 12 A 6m d 13 A 4m e 14 A 2m f 15 A 2m f 16 A 2m g 17 A 4m e 18 A 4m g 19 A 5k c

95

A A A A

4m a 4m b 4m a 4m b 5k c

Weil v. 2,3,1 in der Hs. Us eime [lies: eim] herten steine zuker billen lautet, gibt das RSM 2, S. 133 die gleich gebauten Verse 1, 3 und 7 als auftaktig an, obwohl sonst keine der drei Strophen dieses Tons in diesen Versen einen Auftakt hat. Wie man v. 5 beschreiben soll, ist wohl eine Ermessensfrage. Er erscheint im Schema des Repertoriums als 1, also als ein Takt mit Auftakt, (obwohl er in dieser Form nach der Definition der Einleitung S. 7 gar nicht als selbständiger Vers gezählt werden dürfte); das Kuriose dieses Tons scheint mir aber mit der Darstellung als auftaktloser Vers, bestehend aus zwei einsilbig gefüllten Takten passender beschrieben; der ganze in seiner Art singuläre Ton wurde aus auftaktlosen Versen gebaut. So auch Vogt, S. 199 f. Er erwägt, Ton II könne ein Lied mit Spruchinhalt sein.

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Einleitung

Sangspruch 4 (Stolles Alment, s. 4,1 Abschnitt B) 1 A 7m a 5 A 7m d 2 A 7m a 6 A 7m d 3 A 4m b 7 A 4m b 4 A 6k c 8 A 6k c 9 A 4m e 10 A 6k f 11 A 4m e 12 A 8k f 13 A 7m g 14 A 9m g96 Sangspruch 5 (Kelins Ton III, s. 5,1 Abschnitt B) 1 A 4k a 7 A 4k d 2 A 3m b 8 A 3m e 3 A 4k a 9 A 4k d 4 A 4m b 10 A 4m e 5 A 2m b 11 A 2m e 6 A 4k c 12 A 4k c 13 A 4m f 17 A 4m h 14 A 7m f 18 A 7m h 15 A 6m f 19 A 6m h 16 A 6k g 20 A 6k g

96

Nach Kornrumpf/Wachinger. Strauch, dem sich Haustein anschließt, teilt den Vers in 4m x/5m g, rechnet also mit 15 Versen.

Das Werk

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Sangspruch 6 (In der jüngeren Überlieferung Kurzer oder Hofton) 1 A 4k a 5 A 4k a 2 4m b 6 4m b 3 6m c 7 6m c 4 7m d 8 7m d 9 A 7m e 10 A 5k f 97 11 A 4m e 12 A 6m g 13 A 5k f 14 A 4m g98 15 A 6m h 16 A 7m h Sangspruch 7 (In der jüngeren Überlieferung Langer Ton) 1 A 4m a 6 A 4m a 2 A 3m b 7 A 3m b 3 A 4m a 8 A 4m a 4 A 4m b 9 A 4m b 5 8m c 10 8m c 11 A 7m d 12 A 6m d 13 A 3m e 14 A 8m e 15 A 7m f 16 A 2m f 17 A 3m f 99 18 A 4m f 19 A 8m f 20 A 8m c

97

98

99

Dreimal (6,8; 6,9; 6,29) ist der Reim v. 10:13 gestört; es sind die Verse, die im jüngeren Tongebrauch generell verkürzt werden, 6,17 die Kürzung bereits im Corpus. V. 14 erscheint in der Hs. 10mal ohne, 7mal mit Auftakt, einmal läßt die hsl. Fassung beides anzunehmen zu. Nach meinen Prinzipien wird der Vers als auftaktlos eingeordnet, im Vorausdruck des Repertorium 2, S. 131 als auftaktig (vgl. dazu die folgende Anm.). Alle auftaktlosen Verse des Schemas haben zwischen drei und siebenmal in der Hs. Auftakt. V. 17 hat 7mal Auftakt, 10mal keinen, einmal ist keine eindeutige Zuordnung möglich. Dennoch erscheint er im Schema des Repertoriums als auftaktlos, v. 6,14 (s. die vorige Anm.) bei gleichem Befund als auftaktig.

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Einleitung

Die geringen Abweichungen aller Strophen von den Schemata zeigen, daß im Corpus regelmäßige Versfüllung angestrebt und von den Schreibern, vor allem vom Schreiber der Hs. C auch weitgehend eingehalten wurde. Lieder und Sangsprüche zeigen dabei, von den Daktylen abgesehen, die nur in den Liedern verwendet wurden, keine markanten Unterschiede. Generell gilt alternierender Versbau bei unfester Auftaktregelung. Die üblichen Lizenzen sind a) einsilbige Innentakte (sog. beschwerte Hebungen, traditionell bei Namen, z. B. 6,17,4 níthàrt, aber auch 2,3,2 wáchs|bérn100, b) gespaltene Hebungen und gespaltene ´ ix (L1,2,14 séhe des), i ´ xx (L6,5,3 Senkungen, also die Heuslerschen Typen i ´ wol ). Die túgenden), x´ii (L3,1,10 várwe ge-) und sehr selten x´ix (7,7,20 wære in den Hss. vorhandenen Hebungen und Senkungen dieser Art dürften erheblich zahlreicher sein als vom Autor beabsichtigt, da die Schreiber neben den vollen Formen nur selten die möglichen Alternation schaffenden Kurzformen (also manger neben maniger, nimt neben nimet, ald neben alder, vint neben vindet usw.) verwenden (s. u.).101 Das gleiche gilt für die meisten der gelegentlich auftauchenden zweisilbigen Auftakte. Ob in einem Vers eine dieser Lizenzen vorliegt oder ein Auftakt vorhanden ist oder fehlt, ist häufig nicht zu entscheiden. Füllungen, die nicht von dieser Lizenz-Regelung erfaßt werden, sind äußerst selten (s. u. überfüllte Verse). Schwer gefüllte Auftakte vom Typ golt | sílber (6,15,11), lug | íst (7,17,2), golt | swíndet (L4,4,10), die sich ca. 30mal finden, erwähne ich nur, weil frühere Metriker sie ebenso wie die sog. Tonbeugungen (Strauch, S. 66 f.: „Ungenaue Betonung“) mißbilligten und ihnen durch Eingriffe in den Text zu entgehen trachteten (in den Abschnitten B verzeichnet); sie sind nur ein Problem des metrischen Lesens. Die einsilbige Kadenz wechselt mit der zweisilbigen, sofern deren erste Silbe offene Kürze ist, Typen ii sage : tage oder ix nagel : zagel.102 Die nicht schemagerechten Kadenzen L1,2,14/16, 5,1,17–19, 7,8,13/14 und 7,9,13/14 dürften zwar zu Lasten des Schreibers gehen, nicht aber L6,5,2/5, hier muß man Kadenzentausch annehmen. Weiter sind auffällig die beiden klingenden Kadenzen lebenden/gebenden 6,5,10 : 13, also Heuslers ‚unreiner Hagene-Reim‘ (Bd. II, S. 125 f.) und, von keiner Ausnahmeregel gedeckt, die Kadenz 5,4,7/9 stîgende/sîgende (s. die Anm.).103 100

101

102 103

Strauch mochte sie gar nicht und hat sie nahezu immer durch Einfügen von Füllwörtern oder durch Umbauen des ganzen Verses wie hier beseitigt, was einer Verfälschung des Marnerschen Stils gleichkommt. Strauch setzte denn auch, wo immer es möglich war, Synkope, Apokope, Inklinatio, Krasis, Synaloephe und Verschleifung als Praxis des Verfassers an und richtete den Text entsprechend ein. Beispiele für die Notierung solcher Kadenzen bei Brunner, S. 206–209. Nach Heusler, S. 184 „ziemlich außer Brauch gekommen“ Nach Brunner, S. 210 f. findet sie sich in den Melodieaufzeichnungen des 14. Jahrhunderts nur einmal bei Konrad v. Würz-

Das Werk

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Reime gibt es nur als Endreime, paarig, gehäuft, gekreuzt und schweifend, dies vor allem, wenn sie Stollenenden und diese mit dem letzten Vers des Abgesangs verbinden wie in L5 und in den Tönen 1, 2, 3 und 7. Darüberhinaus gibt es dreifachen Reimklang in den Liedern 2, 5, 6 und 8 und in Ton 5, hier sogar jeweils 3mal, vierfachen in Ton 3 und 7 und fünffachen Reim nur in Ton 7. Einen identischen Reim gibt es nur einmal in 7,5,13 : 14 : 20 wert : gert : wert, wobei aber falsch angereimt wurde, s. dazu S. 30 Anm. 66. Rührende Reime (nach Strauch [S. 71] alle erlaubt) sind L2,2,9 : 11 werden (Adj.) : werden (Inf.); 6,12,10 : 13 manlichen : gelichen; 6,13,3 : 7 bern (Subst.) : enbern; 6,17,2 : 6 Walther : her; 7,3,2 : 4 : 9 bar (Verb) : bar (Adj.) : offenbar; 7,4,15 : 16 : 18 wern (gewähren) : gewern : wern (dauern); 7,8,1 : 3 : 6 : 8 maget : saget : betaget : versaget. Übereinstimmung von Satzbau und Strophenbau scheint nicht gesucht worden zu sein, was Roethe (S. 343) als Zeugnis eines „gesunkenen Formgefühls“ wertet. Die Enjambements trennen Subjekt vom Prädikat oder Prädikat vom Objekt (z. B. 4,1,9/10; 6,4,2/3; 6,17,1/2; 7,1,6/7; 7,7,1/2; 7,17,18/19; 7,18,3/4), trennen Hilfsverb und Verb (7,9,16/17; 7,10,16/17), isolieren Umstandsbestimmungen (6,18,3/4; 7,15,1/2; 16/17), überspringen sogar zuweilen die Versikelgrenzen (5,3,12/13), trennen Einzelworte, z. B. Konjunktionen ab (4,1,3/4; 7,18,3/4) und sind insgesamt so zahlreich, daß man eine bewußt geübte Stileigentümlichkeit erwägen muß.104 Erkennbare gravierende Schreiberfehler sind: fehlende Verse 5,1,8–9; fehlender oder zerstörter Reim *4,3,13 : 14; 6,8,10 : 13; 6,9,10 : 13; *6,29,10 : 13; 7,11,3 : 6. Zu 7,5,20 s. die Anm. Zu vermutende Schreiberfehler: Die erforderliche Silbenzahl ist nicht vorhanden, es fehlt ein ganzer Takt (meist ist ein einsilbiger Takt zu vermuten): *4,3,13; 6,5,4; 6,9,10; 6,12,15; 6,17,10; *6,21,10; 7,1,20; 7,2,5; 7,4,14; 7,7,11; 7,9,11; 14; 7,11,11; 7,13,20. Bis auf die Verse 6,5,4 und 7,7,11 hat Strauch überall eingegriffen. Der Vers ist um einen ganzen Takt oder Taktteil über die Lizenzen (s. o.) hinaus überfüllt: *4,3,6; 5,2,16 (doch s. Anm.) und 17; 5,4,9; 15; 6,4,13; 6,7,8; 6,11,4; 6,13,9; 6,14,6; 12; 6,15,16; 6,16,8; 6,17,9; *6,19,16; *6,20,14; *6,31,8; 7,6,11 (doch s. Anm.); 7,7,10; 7,12,10; *7,20,10; 15; *7,24,13. Auch hier hat Strauch zumeist die Unregelmäßigkeiten durch Auslassungen beseitigt. Bei allen übrigen Phänomenen ist zwischen Schreibereingriff oder Verfasserabsicht nicht zu entscheiden.

104

burg; Brunner verweist auf Pickerodt-Uthleb, nach der diese Kadenz die einzige dieser Art in J überhaupt ist; darüberhinaus fände sie sich noch einige Male in Texten Rumslands von Sachsen. Eine Eigentümlichkeit, die der Marner „mit wachsendem merkwürdigen Behagen“ (Roethe, S. 343) gepflegt hat.

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Einleitung

1.3.3.2 Melodien Alle Lieder außer Lied 7 haben die im 13. Jh. für die Lyrik üblich gewordene Kanzonenform, d. h. gleichgebaute Stollen oft durch Reime verbunden, die Stollenlänge übertreffender anders gebauter Abgesang. Dies dürfte auch für die Melodien gelten. Repetitionen zeigt nur Lied 1, sonst kommen sie bei den vergleichsweise kurzen Strophen nicht vor. Für die Spruchtöne gilt, daß ein dritter Stollen zwar angedeutet, aber in keinem Fall voll realisiert wird.105 Mit den beiden Melodien der Jenaer Handschrift, die der Marner benutzt hat, gewinnen wir für zwei seiner Töne eine ungefähre Vorstellung, wie sie geklungen haben könnten, soweit das bei all den bekannten Unsicherheiten bei der Übertragung mittelalterlicher Notierung überhaupt möglich ist. Die Melodieaufzeichnung eines etwa gleichzeitig entstandenen lateinischen Liedes in Marners Ton 6 hat so weitgehende Ähnlichkeit mit der Melodieaufzeichnungen der Kolmarer Hs., daß auch in den Aufzeichnungen der Töne 1 und 7 dieser Hs, die eigentlich schon in den weiteren musikgeschichtlichen Zusammenhang des Meistersangs gehört, noch annäherd authentische Melodien vermutet werde dürfen. Wenn auch die demnächst erscheinende Ausgabe aller Melodien in den von Brunner betreuten Monumenta Monodica Medii Aevi alles enthalten wird, was die Musikhistoriker dazu vorgelegt haben, lasse ich hier den Facsimilia der Notierungen die vorhandenen modernen Übertragungen folgen, damit die Kunst des Marner auch nach der musikalischen Seite einige Konturen gewinnt. Hinsichtlich der tatsächlichen Realisierung, der Praxis des Singens vor den liuten, bleiben freilich alle Fragen offen. Über die gewandelten musikalischen Anforderungen der Zeit, in der die Töne aufgezeichnet wurden, und die entsprechenden Umarbeitungen der Originalmelodien allgemein informieren vor allem Brunner, Rettelbach und Lomnitzer, speziell zur Kolmarer Handschrift Schumann; soweit sie auch die metrische Struktur betreffen, können sie an den Texten aus Teil 2.2.3 verifiziert werden.

105

Brunner, MGG 16 (1979), Sp. 1206.

Das Werk

Ton 1: Goldener Ton. fol. 490ra-b der Münchner Hs. 4997 (Kolmarer Hs., s. S. 6 f.).

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54

Einleitung

Versuch der Übertragung der Version der Kolmarer Hs. von Marners Goldenem Ton in eine modernere Notenschrift durch P. Runge, S. 122.

Versuch der Übertragung der Version der Kolmarer Hs. von Marners Goldenem Ton in eine moderne Notenschrift durch Ronald J. Taylor 64, S. 25.

Das Werk

55

fol. 2ra-va der Jenaer Hs. (s. S. 6 f.): Stolles Alment (stark verkleinert).

56 Einleitung

Ton 4: Stolles Alment.

57

Das Werk

Bauschema (E. Pickerodt-Uthleb, S. 421) von Stolles Alment nach der Jenaer Hs. Die metrischen Zeichen wie o. S. 42 (gm = 2mv); die Punkte stehen für Zeileninitialen der Handschrift. J 1 fol.2ra2,

Lob aller engel vnde lob (Lydisch)

.4 .3m .4 .3m .4m .6k .4 .3m .4 .3m .4m .6k .4m .6k .4m .4 .4k .4 .3m .4(m) .5m

he < i > t

a

C1)

leit wert reyne

a b c

A F F

d

korn gert meyne

d b c

ryn gynne sin

e f e

mynne

f

C A C E F

seit

g w g

F F F

KANZONE

1)

     1

lorn

leit

Zeilenschlußtöne

     1

    2

1

Fünf-Zeilen-Periode

Einzelzeile

Fünf-Zeilen-Periode

Vier-Zeilen-Periode

58

Einleitung

Versuch der Übertragung der Jenaer Version von Stolles Alment in moderne Notenschrift durch E. Bernoulli und F. Saran, S. 1 f.

Das Werk

59

Versuch der Übertragung der Jenaer Version von Stolles Alment in moderne Notenschrift durch Ronald J. Taylor 68, S. 90 f.

60

Einleitung

fol. 706ra-b der Münchner Hs. 4997 (Kolmarer Hs., s. S. 6 f.).

Das Werk

61

Versuch der Übertragung der Version der Kolmarer Hs. von Stolles Alment in eine modernere Notenschrift durch P. Runge, S. 159 f.

62

Einleitung

Versuch der Übertragung der Version der Kolmarer Hs. von Stolles Alment in eine moderne Notenschrift durch E. Bernoulli und F. Saran, Anhang S. 198 f.

Das Werk

63

Versuch der Übertragung der Version der Kolmarer Hs. von Stolles Alment in eine moderne Notenschrift durch Ronald J. Taylor 68, S. 89 f.

64

Einleitung

Versuch der Übertragung der Versionen der Jenaer, der Kolmarer und der Berliner Hs. Ms. germ. fol. 25 (B1, geschrieben um 1630) durch E. Schumann, Notenteil S. 18.

fol. 18rb-vb der Jenaer Hs. (s. S. 6 f.) (stark verkleinert).

Das Werk

Ton 5: Kelins Ton III (Frauenlobs Hundweise)

65

66

Einleitung

Bauschema (E. Pickerodt-Uthleb, S. 430) von Kelins Ton III nach der Jenaer Hs. Die metrischen Zeichen wie o. S. 42; die Punkte stehen für Zeileninitialen der Handschrift. fol.18r,

Ez ist vil maniger herre. ( Jonisch)

.4k .3m .4k .4m .2m+4k

herre born lere tzorn korn vellet

a b a b b

.4k .3m .4k .4m .2m+4k

tribet gar blibet war schar sellet

d e d e e

.4m .7m .6m .6k

vert nert wert bryngen

f f f g

.4m .7m .6m .6k

mv˚ t gu ˚t tu ˚t lingen

h h h g

REPETITIONSFORM

c

G G E C C

  ’ 1 1   ’ 1 1

c C G D C

Vier-Zeilen-Paar Einzelzeile

2  2 1 2  2 1

Einzelzeile Einzelzeile gepaarte Zeile

Das Werk

67

Versuch der Übertragung von Kelins Ton III in moderne Notenschrift durch E. Bernoulli und F. Saran, S. 10.

68

Einleitung

Versuch der Übertragung von Kelins Ton III in moderne Notenschrift durch Ronald J. Taylor 68, S. 33 f.

Das Werk

69

fol. 161ra-b der Münchner Hs. 4997 (Kolmarer Hs., s. S. 6 f.): Frauenlobs Hundweise. (stark verkleinert). Zur Tonbezeichnung s. S. 29.

70

Einleitung

Versuch der Übertragung der Version der Kolmarer Hs. und der Jenaer Hs. von Kelins Ton III/Frauenlobs Hundweise in eine moderne Notenschrift durch P. Runge, S. 80.

Nach der Jenaer Handschrift gehört die Hundweise dem sonst unbekannten aber in Jena mit 3 Weisen vertretenen Meister Kelyn an. Jena hat auch die Melodie (v. d. Hagen IV. 871b), zwar stark abweichend von Colmar, doch immerhin so, daß der Zusammenhang beider unverkennbar ist (ich mache die plikierten Noten durch kenntlich):

Die Jenaer Fassung zählt in der 2. und 3. Zeile des Abgesanges zwei Silben mehr als die Colmarer (von welcher v. d. Hagen auch eine Textstrophe hat [III. 408]; doch erscheint die Colmarer Melodie zwar einfacher, aber auch einleuchtender.

Das Werk

71

Versuch der Übertragung der Version der Kolmarer Hs. von Kelins Ton III/ Frauenlobs Hundweise in eine moderne Notenschrift durch E. Bernoulli und F. Saran, Anhang S. 196.

72

Einleitung

Ton 6: Marners Kurzer oder Hofton. fol. 151v–154v Clm 5539 (s. S. 11). Lat. cantio in Marners Hofton (stark verkleinert.)

Das Werk

73

74

Einleitung

Versuch der Übertragung der Version des Clm 5539 von Marners Hofton in eine moderne Notenschrift durch Gisela Kornrumpf 78, S. 222 f. Die Marner-Strophe 6,1 mit freundlicher Erlaubnis von Frau Kornrumpf von mir unterlegt.

Das Werk

75

76

Einleitung

fol. 494va-b der Münchner Hs. 4997 (Kolmarer Hs., s. S. 6 f.).

Das Werk

77

Versuch der Übertragung der Version der Kolmarer Hs. von Marners Hofton in eine modernere Notenschrift durch P. Runge, S. 125.

78

Einleitung

Versuch der Übertragung der Version der Kolmarer Hs. von Marners Hofton in eine moderne Notenschrift durch Ronald J. Taylor 68, S. 42.

Das Werk

79

Versuch der Übertragung der Versionen der Kolmarer und der Berliner Hs. Ms. germ. fol. 24 (B2, geschrieben um 1613) von Marners Hofton durch E. Schumann, Notenteil S. 12.

80

Einleitung

Ton 7: Marners Langer Ton. fol. 447ra-b der Münchner Hs. 4997 (Kolmarer Hs., s. S. 6 f.).

Das Werk

81

Versuch der Übertragung der Version der Kolmarer Hs. von Marners Langem Ton in eine modernere Notenschrift durch P. Runge, S. 119.

82

Einleitung

Versuch der Übertragung der Version der Kolmarer Hs. von Marners Langem Ton in eine moderne Notenschrift durch Ronald J. Taylor 68, S. 39 f.

Das Werk

83

Versuch der Übertragung der Version der Kolmarer Hs. von Marners Langem Ton in eine moderne Notenschrift durch H. Moser und J. Müller-Blattau, S. 155 f.

84

Einleitung

Versuch der Übertragung der Versionen der Kolmarer Hs., der Jenaer Hs. Ms. El. f.100 (geschrieben vor 1558), der Breslauer Hs. Nr. 356 (Singebuch des Adam Puschman, geschrieben von 1584–1597) und der Berliner Hs. Ms. germ. fol. 24 (geschrieben um 1615) von Marners Langem Ton durch E. Schumann, Notenteil S. 13.

Das Werk

85

86

Einleitung

1.3.4 Sprache Die Sprache der Gedichte des C-Corpus entspricht einem geradezu klassischen Mittelhochdeutsch, mit dem der oberdeutsche Schreiber keine Probleme hatte. Die Reime sind durchaus rein, aber auch durchaus konventionell; die vereinzelten Unregelmäßigkeiten (z. B. maget : verseit 6,9,2) gehen zu Lasten des Schreibers. Sieht man von der gelegentlich etwas kruden Syntax ab (z. B. 6,12,1–3), könnte man an der Marner-Überlieferung die mhd. Normalgrammatik mit nur gelegentlichen Ausflügen in das Kleingedruckte alem. Besonderheiten ablesen (z. B. swel, dien, sunt, rugge u. dgl.). Ich stelle diese Besonderheiten zusammen und verweise schon hier auf abweichenden Gebrauch in Strophen, die nicht zum C-Corpus gehören.106 Vokalismus Reime von Vokalkürze auf -länge107: a:â kan, man : undertân, gân, getân L6,4,1108; L7,5,6; 6,18,9. dar, gar, gevar, schar, star, war : hâr, jâr, klâr, Reimâr 1,3,1; 3,3,1; 4,2,3; 5,1,8; 6,17,3. e/ë : ê 109 verst : kêrst 6,2,4. swërt : gelêrt 4,2,9. këwen : êwen (?) 1,4,11. i:î dich, ich, sich, sprich : freudenrîch L5,1,3. ist : krîst 6,16,9.

106

107

108 109

Schreibung der Belege um größerer Deutlichkeit willen vielfach in Normalmittelhochdeutsch. Haustein spricht S. 167 Anm. 22 von „zahlreichen quantitätsunreinen Reimen“; es sind genau 14, davon entfallen 7 auf den allgemein verwendeten a : â-Reim; das etwa anderthalbmal so umfangreiche Corpus des Meißner hat den Angaben Objartels, S. 144 zufolge deren 29. Angegeben wird immer nur der erste Vers. Strauch verzeichnet noch den Reim 7,17,2 walthêr : her, der Ansatz walthêr ist aber nicht nowendig, s. Zwierzina, S. 96 Anm. 1.

Das Werk

87

o:ô vor : kôr 4,1,9. Alle diese Reime nur in den Liedern und den ersten 6 Tönen, zudem alle bis auf 1,4,11 (?) in männlicher Kadenz; der Reim erahte : brâhte *6,22,1 ist verdächtig. Die aus Kontraktion entstandenen î reimen zu altem î sowie untereinander. î : î < ibe zît : gît L4,1,3. î : î < ige gît, zît : lît L1,1,6; L6,1,1; 7,16,13. î < ibe : î < ige gîst : lîst 1,1,11. Das aus Kontraktion age/ege entstandene ei reimt zu altem ei. heide : meide L7,5,1. arebeit, bereit, eit, gemeit, -heit/-keit, leit (Adj./Subst.), streit, versneit : geleit, meit, seit, treit L6,3,1; 5,1,2; 6,10,11; 6,12,9; 6,13,15; 7,7,15; 7,18,15. Reime verschiedener Vokale. e/ä : ë uberheben : gegëben, lëben, nëben 7,5,2. donreslege : pflëge 1,3,4. gesellen, verswellen : wëllen 2,2,1. sen : dën L6,3,2. ungebert, gevert, hert, wert : gërt 7,13,15. besten : zerbrësten L3,3,7.110 a:o ach (?) : joch 7,12,7.111 a : ei raget (?) : erzeiget L4,1,10 (s. die Anm. zu diesem Vers). Umlautformen nur hsl. ermú 7,12,15, ellú 6,15,15 (§ 41 Anm. 2. 2), aber auch ermem 1,1,12.

110 111

Vielleicht auch vert : erwërt 3,3,11; s. die Anm. zu diesem Vers. Strauch notiert diesen Reim nicht, weil er das standardisierte mhd. ach als och schreibt.

88

Einleitung

Konsonantismus Als konsonantisch ungenaue Reime sind allenfalls zu verbuchen: g : k im Auslaut betwang : getrank 6,10,3. barg : stark 6,1,9. getwerg : tagewerk 7,4,5. sig : blik 1,4,7. s:z was, sas : daz, haz, laz, naz 6,7,4; 7,2,2. altissimus, sus : kuz L1,3,3; 5,2,8. Auslautendes h (§ 140 Anm. 2) ist abgeworfen, z. B. vrô, drô : hô 5,4,2; die Hs. hier wie auch sonst stets hoh (z. B. hoh : floch (Prät.) 1,2,7, auch hohvart 7,12,15); dru 7,7,14. Inlautendes w (§ 117) ist ausgefallen in froit L4,1,1 (und so immer, aber 3. Pers. Konj. Präs. in der Hs. sich frowe. L7,3,8), droit 7,13,19, aber buwen 1,1,7; gelwer 3,1,2, briuwest 3,3,17; iuweln 7,3,13; iuwer, niuwe, triuwe, ouwe, schouwen, vrouwe (die Hs. immer froˇ we oder frowe, auch im metrisch erforderlichen einsilbigen Vokativ 5,2,17, nur in Titeln vro, z. B. 6,13,16). Inlautendes j (§ 118; 256 Anm. 1) ist immer ausgefallen, blüende 5,2,1 u. ö.; mæn; sæn 1,1,7; 9. Gegen den Gleitlaut g, den die Handschrift gelegentlich zeigt, z. B. eiger, vigent, steht der Reim schrient : vient 6,6,10. Binnendeutsche Konsonantenschwächung zeigt sich in der Hs. bei horde 5,4,20; leiden 7,10,17; solde (3mal); walden 6,3,9; werlde (6mal); wolde (4mal); d für t auch im direkten und indirekten Anlaut hsl. bedagt 6,1,6, droˇ met L1,2,17, endrinnen 1,4,4, endran 7,9,19. Daneben meist Formen mit t, z. B. troume (4mal); leitesterne 7,1,13; betaget 7,8,6; du waltest 6,9,13; werlte (8mal); si solten 6,11,9; wolte (4mal); einziger Reimbeleg golde : solde 4,2,10. Für Sproßkonsonant t/d der Hs. bei wilent (generell so geschrieben), babst 4,2,5, ernde 1,1,3, sust 7,14,14 kein Reimbeleg. Formen Apokope (§ 53) wird reichlich verwendet (vom Schreiber sehr häufig ignoriert), wenn auch daneben fast immer die vollen Formen stehen (dabei keine Scheu vor Hiaten, z. B. varwe in 1,3,13; werlte ist 4,2,2, werde als 4,3,4 u. ö.), z. B. bei den sw. flektierten Nomina Nom. han 7,10,19; nam L7,4,8; 5,4,14;112 der ahtode. 7,14,11; 112

St. flekt. Akk. nam 1,3,8; 5,3,14 (hsl. namen) neben namen 7,9,11 u. ö.

Das Werk

89

den st. flektierten Nomina Gen. kunft L5,1,1; Dat. schîn 3,1,2; luft 6,14,3; dienest 7,10,19; beim Nom. Pl. meit 5,1,12; bei Verben Konj. Präs. er sen (: den) 6,3,5; bei Adverbien, Pronomina, Präpositionen im, ab, an, als u. ä. passim. Vereinzelt metrisch notwendiges epithetisches e in furebaz 7,18,6, die Hs. noch metrisch nicht erforderliches dar uffe 6,14,12. Metr. notwendiges er schuofe (*6,23,16) ist verdächtig. Synkope über die üblichen Anwendungen (dienstes, nemt, kumt, siht, geborn, gernde, wirt, manger, fast alle auch mit den vollen Formen vertreten) hinaus metrisch erforderlich babst 4,2,5; balsme 6,5,6 und 9; habches 6,11,12; adlar 7,15,11; selten beim Präfix ge- (in der Hs. immer ausgeschrieben), z. B. wohl ge. nade 7,5,11 u. ö. Synkope zwischen Dentalen mit scheinbarem Verlust der gesamten Flexionsendung (§ 53d) 3. Sg. Präs. lût 7,4,3; vint 7,15,16; Part. bereit L4,4,12 u. ö.; behuot 7,18,5. Apokope und Synkope reduzieren sich in erheblichem Umfang, wenn man mit zweisilbig vollen Kadenzen und mit gespaltener Hebung und Senkung rechnet (s. o. S. 50), was besonders bei den zahlreichen gegen (nie hsl. gein oder gen wie z. B. in Hs. R) zu beachten ist, auch bei oder, das die Hs. auch bei einsilbiger Messung (z. B. 2,1,8) schreibt. Flexionsendung -en im Reim auf -e muß wohl angenommen werden bei gefüege : genüegen L6,5,2 (doch s. die Anm. zu diesem Vers), vergahen : versmahe L3,3,3, vielleicht auch sternen (Akk. Sg.) : ungerne L1,2,7; L2,1,9; Verlust der ganzen Endung du tröst L5,1,9. Die Endung -ent der 3. Pl. Präs. Ind. belegt nur ein beweisender Reim schrient : vient 6,6,10, -(e)n nur si gan : lan (Inf.) 6,2,2. Es brauchen also weder die seltenen -en-Schreibungen in C (3,2,5; 6,10,9; 6,13,14) durch -ent ersetzt zu werden, noch sind die -en-Reime in Strophen außerhalb von C, z. B. lesen : wesen (Inf.) *7,20,5, lesen : genesen (Inf.) *6,21,11, erben : sterben (Inf.) *U1,2 für die Echtheitsfrage relevant. Imp. der 2. Sg. mit metr. überschüssigem -e nach Art der sw. Verben kúse L2,1,9. Von den vielen hsl. Imperativformen der 2. Pl. auf -ent (z. B. sprechent L5,2,9; schowent L6,1,4) ebenso wie von der vor allem alem. (§ 240 Anm. 3) gebildeten -ent-Endung der 2. Pl. (ir ritent 4,2,12; sint 7,5,18) ist keine im Reim belegt. Metrisch gesicherte Partizipen ohne ge- sind vunden 6,17,5, komen 6,2,3 u. ö., worden 4,2,9 (§ 243). Von den sw. Verben mit sog. Rückumlaut (§ 259 f.) sind nur die Formen ohne Umlaut im Gebrauch: gestalt : alt 4,2,2; gesant, genant, bekant, gerant : hant, sant, lant L4,3,8; 6,7,3; 7,4,4; 7,5,17; der Reim genennet : erkennet *U2,3 verdächtig. Bei den Präteritopräsentien (verwendet werden nur wizzen, künnen, suln, mügen, müezen und von günnen einmal gan L6,4,13; türren nur in Strophen außerhalb von C) werden nebeneinander geschrieben 2. Sg. Prät. muoste 7,1,18 und muose (hsl. mUz) 7,7,15; 1. Pl. Präs. sun neben suln L3,1,6; 2. Pl. sunt neben sult

90

Einleitung

L7,5,5 und 3. Pl. suln neben sunt 7,11,20 und sun 7,13,6; Prät. solde neben solten 6,11,9. Im Reim von allen Formen nur einmal solde : golde 4,2,10. Die übrigen unregelmäßigen Verben: gân/gên, stân/stên nebeneinander, doch im Reim nur Formen von gân (: man L7,5,6; lân 6,2,2; lât, trinitat, maiestat 4,1,5; 6,8,15 u. ö.), so daß Strauch die wenigen hsl. Formen von gên (6,15,9; 7,10,10; 7,14,19) und stên (L4,2,6; 7; L8,1,7; 4,2,3; 14; 6,16,9; 7,3,4) angeglichen hat (doch vgl. § 280 Anm. 1). Prät. gie (: enpfie 6,8,11) neben gieng (7,11,8) nicht im Reim. lâzen/lân: die Kontraktionsformen nur im Indikativ Präs., im Konjunktiv die Vollformen 3. Sg. lasse (L6,5,5; 5,3,19; 7,8,12), 1. Pl. lassen (6,3,9). haben/hân: die Kontraktionsformen überwiegen, in der 3. Sg. Präs. ausschließlich, zweimal Inf. haben neben hân, dreimal 1. Pl. haben (davon 5,3,1 einsilbig zu messen), einmal 2. Pl. habt neben Imp. hant (7,5,13) und einmal einsilbig zu messendes si habent (5,1,20). Prät. Konj. hæten (: stæten L6,5,9). Prät Ind. 6,13,4 nicht im Reim, die Hs. schreibt in allen Formen e. Beim Verbum substantivum wesen (metrisch erforderlich L7,2,6 und 5,4,14) neben üblichem sîn; Sonderformen ir sint 7,5,18 und Imp. Sg. bis 1,3,11; 6,9,5. Imp. Pl sint 5,4,2 wie bei den übrigen Verben. Sonstige Doppelformen: Nom. und Akk. Pl. kint L7,5,1; 7,15,15; kinder 4,2,1; 7,15,11. Gen. Pl. geiste 7,17,10; Akk. Pl. geister (: meister 5,3,3), s. § 177 Anm. 4. Nom. Pl. füezze, Akk. Pl. fuoz 7,11,14, s. § 178 Anm. 6. Nom. Pl. die man L5,2,8; L7,5,8 und metr. notwendig manne L6,5,10. -în (im Reim 4,1,2; 6,9,16; 7,1,4) und metrisch notwendig -inne 7,1,8. ho neben hoch. Adverbendung -lîche (: entwîche 6,5,1; rîche 6,18,1) und -lîchen (: Inf. gelîchen 6,12,10). hövsche 3,2,1; hübschen 7,14,11. Dat. Sg. hende L3,3,1 und Dat. Pl. handen L3,1,6. Seltenes dehein der Hs. (z. B. 5,4,7 iuwer deheiner) immer mit metrisch überschüssiger Silbe, neben häufigerem kein, z. B. ir keiner 6,7,6. Dat. iu, etwa gleich häufig iuch, nicht im Reim. Akk. uns neben altem unsich, davon metrisch notwendig nur 6,2,11. So weit erkennbar sind Masc. und Fem. mane und sunne, ist lop Neutr., ist slange 7,1,12 st. Masc., sind breme 7,3,15 und snegge 6,11,4 sw. Masculina, flektieren herze (§ 188 Anm. 1), ore, sterne/stern, storc, strâze, zunge st. und sw., rugge, teil, sele, helle, creatiure, erde und galle (!) nur st., mensche, rabe, schatte, tugent nur sw.

Zu dieser Ausgabe

91

Syntax: Verneinung nur durch Partikel en kommt nicht mehr vor; mehrheitlich steht en – niht, daneben auch schon niht allein, z. B. L1,2,15. Die Konstruktion apo koinu ist zwar selten zwingend, aber mehrfach naheliegend, noch häufiger möglich.113 Anakoluthe liegen wohl 6,2,9 und 6,12,8–9 vor. Wortschatz: Durch die Wbb. nicht belegt ist minnemumel (L5,2,4), überkrepfig (6,1,9; s. dazu die Anm.). Nur aus dem Marner-Corpus belegen BMZ und Lexer behügen 7,5,9 und verschorn 7,14,18, Lexer darüberhinaus noch wuocherheit 5,1,2, erspannen (‚abmessen‘) 6,1,10, durchzeln 6,10,15 und ûzjungen 7,16,12. Vielleicht hierher gehörig erglaffen *7,29,6 (s. dazu u. S. 284). Als Erstbelege verzeichnen BMZ und Lexer laterne 5,1,19; swf. schephe 7,2,6, (nächster Beleg aus Ottokars Reimchronik), swv. ehsen 6,16,11 (nächster Beleg bei Frauenlob) und magenvröude (übernommen aus der Meisterliedfassung der Kolmarer Hs., nächster Beleg bei Hugo von Trimberg). Der gesamte übrige Wortschatz ist bestens belegtes Allerweltsdeutsch, was bei den realitätsnahen Themen, die der Marner behandelt, nicht verwunderlich ist. Der geringe Umfang des Werks bei großer Themenvielfalt bringt es mit sich, daß sehr viele Wörter nur einmal auftauchen, so daß über Wortschatzerhebungen allein weder Argumente für die Zusammengehörigkeit des Corpus’ noch für die Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit der außerhalb überlieferten Texte zu gewinnen sind.

1.4 Zu dieser Ausgabe Umfang: Leithandschrift ist C. Lieder (2.1) und Sangsprüche (2.2) wurden getrennt (Konkordanz zur Strauchschen Ausgabe s. u.). Abschnitt 2.2.1 umfaßt, nach Tönen geordnet, alle einzelnen Strophen in der Reihenfolge der Hss. C, B, E, I, h, R und t sowie die vagierenden Strophen aus k. Abschnitt 2.2.2 umfaßt die Strophen, die außerhalb von C überliefert sind und zwar jeweils in der Folge ihres Auftretens. Damit ist dem Umstand Rechnung getragen, daß bestimmte Strophenfolgen einiger Handschriften zuweilen als Bare angesehen werden, in den Hss. aber nicht als solche gekennzeichnet sind. Solche Strophenfolgen (F) sollten nicht mühsam aus den Apparaten rekonstruiert werden müssen, sondern als ganze vor Augen geführt werden. Abschnitt 2.2.3 umfaßt, soweit bekannt, alle

113

S. dazu P. Kern 85, vor allem S. 348 f.

92

Einleitung

Meisterlieder, die eine oder mehrere der in 2.2.1 enthaltenen Strophen ausdrücklich (ein par, driu liet o. dgl.) oder deutlich erkennbar (gleiche Strophenanfänge, eindeutige Bezugnahmen u. ä.) mit neuen Strophen in einen Liedzusammenhang stellen. Abschnitt 2.3 umfaßt Meisterlieder, die keine der in 2.2.1 enthaltenen Strophen integrieren, sondern gänzlich neue Texte in Marner-Tönen enthalten, deren Zugehörigkeit zum Marner-Corpus aber irgendwann erwogen wurde. 2.4 enthält ein Meisterlied im Goldenen Ton, um auch dessen spätere Verwendung wenigstens an einem Beispiel vorzuführen. Abschnitt 2.5 umfaßt je ein Lied in den Tönen, die dem Marner im 15. und 16. Jh. zugeschrieben wurden, Abschnitt 2.6 den ältesten Hort in den vier gekrönten Tönen. Der Anhang enthält die jüngeren Textzeugnisse über den Autor ‚Marner‘ sowie Texte, die ihn als Autor fingieren. Den Strophen in 2.2.1 ist beigegeben A ein Apparat I. Er enthält die Fundorte, ev. Beischriften, die Varianten der Parallelüberlieferung, den hsl. Befund bei Konjekturen sowie die Verweise auf die Versionen in 2.2.2 und 2.2.3, deren Varianten nicht in den Apparaten erscheinen; B ein Apparat II. Er enthält Hinweise auf die metrische Gestaltung der Handschrift sowie deren Behandlung durch frühere Herausgeber, ggf. Überlegungen zur Echtheit der Strophe und einen Stellenkommentar; C eine Übersetzung; D ein Verzeichnis früherer Abdrucke (nur vollständige Strophen!); E Literaturhinweise. In sehr viel eingeschränkterem Umfang sind diese Informationen unter den gleichen Rubriken auch allen anderen Texten beigegeben. In App. I wird die Herkunft von Konjekturen nur in textrelevanten Fällen angegeben, stehen sie in runder Klammer, wurden sie graphisch verändert. Dabei benutzte Abkürzungen sind Ba. (Bartsch), Ha. (Haustein), St. (Strauch), v.d.H. (von der Hagen), W. (Wachinger). Der vollständige Abdruck der Meisterliedfassungen machte umfängliche Apparate überflüssig, die der teils erheblich veränderten Fassungen wegen ohnehin kaum noch leserlich gewesen wären, er macht zudem den Gestaltungswillen derjenigen sinnfällig, die die alten Strophen eigenen neuen Gebilden einformten. Apparat II (Abschnitt B) enthält, soweit es mir möglich war und wünschenswert schien, neben den Anmerkungen zu einzelnen Stellen, die sprachlich wie sachlich dem Verständnis der Texte dienen sollen, von Fall zu Fall auch die Auseinandersetzung mit früheren Deutungen der Strophe bzw. einzelner Verse. Dazu habe ich im Einzelfall auch auf weiterführende Spezialliteratur verwiesen, wohl wissend, daß es dem einen zu viel, dem anderen zu wenig erscheinen wird. Mit dem Hinweis auf Bibelstellen soll nicht der Weg, sondern stets nur der vermutete Ausgangspunkt bezeichnet werden, von dem aus bestimmte Kenntnisse und Motive zum Marner gelangt sind; eigene Lektüre ist dabei ebenso möglich wie eine lange Traditionskette über die Auslegungen der Kirchenväter oder die Predigt.

Zu dieser Ausgabe

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Übersetzungen (Abschnitt C) sind nur den Einzelstrophen beigegeben. Was ich vom Umsetzen mhd. Texte in modernes Deutsch halte und welche Probleme dabei (nicht) zu bewältigen sind, habe ich an anderer Stelle gesagt.114 Dem habe ich nur hinzuzufügen, daß vor dem lyrischen Text die Peinlichkeit der nhd. Fassung noch weit größer ist, sofern sie denn noch Übersetzung heißen kann und nicht schon unter den Begriff der Nachdichtung fällt, wo der gelungene Einfall zählt, der bei Glück und Geschick am Tenor, nicht aber am Text orientiert ist.115 Das Verzeichnis früherer Abdrucke (Abschnitt D) in chronologischer Folge kann, wie alle Verzeichnisse dieser Art, dem Kenner so viel sagen, bildet auf seine Weise ein so aufschlußreiches Stück Forschungsgeschichte, daß ich hier mit Absicht auch Entlegenes und Vergessenes aufgenommen habe, soweit ich seiner habhaft werden konnte. Das chronologisch geordnete Verzeichnis der Sekundärliteratur zur jeweiligen Strophe (Abschnitt E) berücksichtigt über das in den Anmerkungen Behandelte hinaus alle Äußerungen zum jeweiligen Marner-Text, soweit sie mir bekannt geworden sind und mir (noch) relevant erschienen.116 Einrichtung: Der Abdruck der Texte sucht einen Kompromiß zwischen Wiedergabe der authentischen handschriftlichen Fassung und Lesbarkeit (die zahlreich vorhandenen Facsimilia machen einen solchen Kompromiß nicht nur möglich, sondern lassen ihn als geboten erscheinen). Im Einzelnen heißt das: Alle Texte erscheinen soweit tunlich (s. u.) in den Graphien der Hss., d. h. z. B. keine Auslautverhärtung, die die Hs. auch nicht hat, kein Ausgleich von f/v, kein Vereinheitlichen von Schreibvarianten wie gotes/gottes u. dgl., keine metrische Regelung. Wo die Hs. eine überschießende Silbe hat, wird sie nur dann zuweilen unterpungiert, wenn sie nicht den üblichen Ausnahmeregeln der Alternation entspricht (s. o. S. 50); der Punkt soll dabei nur anzeigen, daß hier das Metrum überfüllt ist, er soll weder ein Lesevorschlag sein noch eine Vorstellung nahelegen, wie der Autor hier verfahren sein könnte. Der Leser soll nur sicher sein, daß vorkommende ungekürzte wie gekürzte Formen so in der Hs. stehen. Wo ein grammatisch notwendiges e im In- oder Auslaut eingefügt wird, erscheint es wie alle übrigen Abweichungen (Ausnahmen s. u.) kursiv, so daß das Verhältnis des Schreibers zur metrischen Gestalt des Textes immer deutlich ist. Alle Texte erhalten eine moderne Interpunktion117, dazu gehört auch der Apostroph bei Kurzformen wie 114

115

116 117

Vgl. Thomasin von Zerklaere ‚Der Welsche Gast‘. Ausgewählt, eingeleitet, übersetzt und mit Anmerkungen versehen von E. W. Berlin/New York 2004, S. 19 f. Vgl. Karl Stackmann: Rez. zu Wachingers Lyrik-Anthologie. In: ZfdA 136 (2007), S. 100–113, hier S. 106–110. Literaturgeschichten wurden nur in Ausnahmefällen berücksichtigt. Vgl. Stackmann 94, S. 417, auch Heinzle 93, S. 52. Haustein favorisiert einen unerklärten und oft unerklärlichen Doppelpunkt, z. B. L1,2,21; 1,3,21; 5,2,17; 6,8,14; 6,9,6; 6,9,14; 6,9,16; 7,6,3 und passim.

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Einleitung

z’einem. Längenzeichen wurden nicht eingesetzt; die Übersetzungen enthalten hier die ev. nötigen Verständnishilfen. Für die Konstruktion apo koinu, die sich eigentlich jeder modernen Zeichensetzung entzieht, dennoch allzu oft in den modernen Ausgaben durch Kommata unkenntlich gemacht wird118, wurde als eigenes Zeichen der Doppelpfeil←→ eingeführt. Von früheren Ausgaben abweichende Interpunktion wurde nur dann in den Abschnitten B vermerkt, wenn sie inhaltlich relevant ist, also z. B. andere Redeverteilung o. dgl. zur Folge hat. In folgenden Fällen wurde von den Graphien der Handschriften abgewichen (gilt nicht für Apparat A, der soweit wie möglich die hsl. Fassung abbildet): u/v/w, b/w und i(y)/j werden nach ihrem Lautwert geschrieben; die Regelung gilt für alle Texte. Hsl e für mhd. æ wird æ geschrieben, mhd. œ dagegen wie die Hs. als o; diese Regelung gilt nur für die Einzelstrophen. Dittographien sowie offensichtliche Verschreibungen, beides in der gesamten Überlieferung höchst selten, wurden ohne Vermerk getilgt. Abbreviaturen wurden aufgelöst; es sind: Nasalstrich für m und n, selten für en (z. B. kom¯ 7,6,15); vn¯ je nach Bedarf für und und unde, dc, dz für daz, bc für baz, o wc für waz und was; w für wu (sehr selten, z. B. twg 7,8,16); r-Haken immer für er, ~ für ur, ar; -p für pro und par, ) für us). Die diakritischen Zeichen, in den hier benutzten Hss. des 13. und 14. Jahrhunderts, vor allem in C sehr konsequent und eindeutig zur Kennzeichnung der Diphthonge und Umlaute genutzt (v, ˚ U, = uo, oˇ = ou, u = ü, üe, ú = u, ˝ iu [ganz selten iu, z. B. iv 5,4,6], o = ö, œ) wurden in dieser Funktion beibehalten. Für die Texte aus jüngeren Hss., wo eine konsequente Nutzung nicht festzustellen ist, wo sie vielformig und uneinheitlich gesetzt werden und neue Funktionen, etwa als reines Vokalzeichen, hinzugekommen sind, werden sie in eindeutigen Fällen übernommen, sonst vereinheitlicht als o über u und e über o; Lücken werden durch < …> nur dann angezeigt, wenn die Hs. defekt oder unleserlich oder der Text tatsächlich fehlerhaft ist, nicht bei metrischen Defiziten.

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S. dazu Anm.113.

Zu dieser Ausgabe

alte Zählung (Strauch) I,1–4 II III IV V VI,1–3 VII VIII IX X,1–2 X S. 193 S. 194–196 S. 191–193 XI,1–3 XII,1–2 XII,3 XIII,1–4 XIV,1–9 XIV,10 XIV,11–18 XV,1–19 I,4a XIV,18a-c XIV,18d-e XIV,18f XV,19a XV,19b XV,19c-e XV,19f XV,19g XV,19h S. 158 S. 158

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neue Zählung Ton 1,1–4 L1 L2 L3 L4 Ton 2,1–3 L5 L6 L7 L8 *L9 *L10 *L11 *L12 Ton 3,1–3 Ton 4,1–2 Ton *4,3 Ton 5,1–4 Ton 6,1–9 Ton 6,18 Ton 6,10–17 Ton 7,1-19 Ml 1,IV FIV,a-c FV,a-b Ml 15,II Ml 6,III Ml 6,V Ml 20,I-III Ml 9,II *7,28 *7,29 Unbenannter Ton 1 Unbenannter Ton 2

Die Literaturverzeichnisse enthalten nur die Werke, die in den Paratexten erwähnt oder auf die hingewiesen wurde.

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Texte

2 Texte 2.1 Die Lieder Lied 1 1

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„Ich kúnde in dem done ‚der tag vil schone wil uf sin‘: swer toˇgen minne, der beginne wachen, des ist zit. ich hore uf den zwigen singende schrien vogellin. der tag wil nahen; hinnan gahen sol, swer toˇgen lit. ich warne also“, sprach der wahter in sorgen, „der merker dro lit in slafe. verborgen. uf dirre mure stan ich und trure sere. waz sol ich mere frúnde unde viende sagen, wan: ‚es wil schiere tagen‘?“ 2 Dú rede ein ritter duhte vil bitter, da er lak

Die Lieder

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bi einer frowen. dú gie schowen z’einem vensterlin. si sach vil ungernen den morgen sternen, grawen tag, dú wolken grise. si sprach lise: „lieber herre min, der wahter giht, er sehe des morgens schin. des wæne ich niht. dien kleinen vogellin droˇmet uf esten. des sternen glesten trúget. der wahter lúget, des er sich schamen mag, wan es ist noh niht tag.“ 3

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Der ritter vil sUsse mit liebem grUsse mangen kus bot rotem munde, kurzer stunde do der wahter sweig. er rief aber lute: „trut sich von trute scheide sus, daz valsche hUte pfande. s iht mUte.“ sa der ritter neig der frowen sin. da schiet sich lieb mit leide. vil manigen pin trUgen ir herzen beide. sus kan dú minne

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Texte

mUt unde sinne teilen, wunden und heilen. der helt sloˇf dur den hag. alda luhte im der tag.

A C 349 vb. 1,2 vil v.d.H.] wil C. 2,14 morgens] morgen C. B Strauch stellt durch Umstellungen alternierende Verse her 1,14 der wahter sprach in sorgen; 1,16 in slâfe lît; 3,11 iht pfandes muote; 3,16 ir herzen truogen beide. Zur Kadenz 2,14 : 16 schin : vogellin s. Einl. S. 50; grammatisch ist sie unbedenklich, da die Wörter auf -în im Pl. häufig ohne Endung gebraucht werden (§ 180 Anm. 3); auch die übrigen Lieder (L1,1,9; L2,1,10; L3,2,2; L6,1,3) haben nur diese Form; v.d.Hagen und Strauch schreiben den morgen schînen : vogellînen. Die Beurteilung dieses Liedes in der Forschung bietet ein lehrreiches Beispiel für die Spannweite reiner Geschmacksurteile: Strauch (1876, S. 42) fand dieses Lied „von wunderbarer Anmuth …, das schönste, was Marner gedichtet“, Ehrismann (Gesch. d. Lit. 2. Th. Schlußband, 1934, S. 290): „nur gemacht und ohne Reiz und Tiefe“, Haustein (1995, S. 128 gegen Wachinger und Backes, die das Lied konventionell finden): „eines der schönsten deutschen Tagelieder“. Zur ma. Rezeption des Liedes s. Anhang, S. 399 und Haustein, S. 133–136. 1,1–13 s. Willms, Noch einmal, S. 342–347. 2,1 ein, ist Akk. einen; zur Synkope des e s. § 53e. 2,7 ungernen, vom Schreiber dem auch sonst meist als swm. gebrauchten sternen angepaßt, oder ist gerne : sternen zu lesen? gerne : sterne, wie Strauch schreibt, wäre gramm. nicht korrekt. 2,10 wolken stn. 2,16 dien, alem. für den s. § 217. 3,5 kurzer stunde, zum Gen. als Zeitbestimmung s. § 366. 3,8 zum artikellosen Gebrauch des Substantivs s. § 421. 3,11 iht, als Ausdruck der Verneinung im Finalsatz s. § 441. C „Auf die Melodie ‚Der Tag will schön beginnen‘ verkünde ich: Wer im Verborgenen eine Liebesnacht verbringt, der wache auf, es ist Zeit. Ich höre auf den Zweigen Vögelchen singend lärmen. Der Tag zieht herauf. Fort eilen soll, wer hier im Verborgenen schläft. Ich warne so“, sprach der Wächter sorgenvoll, „[noch] ist die Bedrohung durch die Spione in Schlaf gehüllt. Ich stehe auf dieser Mauer und mache mir große Sorgen. Was kann ich ich Freund und Feind mehr sagen als: ‚Es ist bald Tag‘?“ 2. Den Ruf empfand ein Ritter mit bitterem Schmerz dort, wo er bei einer Frau geschlafen hatte. Die ging und sah zu einem Fensterchen hinaus. Mit äußerstem Widerwillen erblickte sie den Morgenstern, dämmernden Tag, graue Wolken. Leise sprach sie: „Mein Liebster, der Wächter sagt, er sehe die Helligkeit des Morgens. Das glaube ich nicht. Den Vögelchen im Geäst träumt nur. Das Fun-

Die Lieder

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keln des Sterns täuscht. Der Wächter lügt, er sollte sich deswegen schämen, denn es ist noch gar nicht Tag.“ 3. Als der Wächter für kurze Zeit schwieg, wandte sich der Ritter ihr zärtlich zu und küßte und küßte immer wieder [ihren] roten Mund. Jener rief wiederum laut: „Der Liebste trenne sich so [rechtzeitig] von der Liebsten, daß die böswillige Schar der Spione kein Pfand fordern kann.“ [?] Nun verabschiedete sich der Ritter von seiner Geliebten. Da ging ihre Freude im Leid unter. Tiefer Schmerz erfüllte ihre beiden Herzen. So kann die Liebe Fühlen und Denken zwiespältig machen, verwunden und heilen. Der Held schlich durch das Gebüsch, wo ihn der Tag empfing. D Bodmer 1759, S. 166 f.; HMS II, S. 236 f.; Strauch, S. 83–85; Pfaff, S. 172 f.; Pfaff/Salowsky, Sp. 1142 f.; Scheunemann, S. 14 f.; Freund, S. 160 f.; Hausner, S. 17 f.; Haustein, S. 124 f. E. Strauch, S. 42 f.; 145; Schönbach, S. 126; Wachinger 85, Sp. 75; Backes, 260 f.; Haustein, S. 124–128; 134–136; Willms, Noch einmal, S. 342–347.

Lied 2 1

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„GUt wahter wis, du merke wol die stunt, so dú wolken verwent sich und werdent gris. die zit tU mir kunt!“, sprach ein frowe minneklich. „warne, ob ich entslafen bin, so daz der ritter vor der argen hUte kome hin. kúse den morgen sternen, sang der kleinen vogellin. ich seh in gerne langer hie, des mag niht sin. er liebet wol dem herzen min.“ 2 Der wahter schiet oben uf die zinne dan. do der tag dú wolken spielt,

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Texte

ein tage liet in der wise vieng er an: „sælde ir beider maze wielt: troie wart zerstoret e, tristranden von minne dur ysalden dike we. noch hat minne werden man, der wirbet frowen grUs, dem sol er werden, ob ich alsus warten mUs: es ist vor tage niht einen fUs.“ 3

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Dú liebe entslief, wan si was vermudet so, daz dú frowe zU dem man sich umbe swief. wachte da dú minne, so kumt der ritter wol von dan. minne lach, unminne habe. unminne. entslús du, minne, tU daz slos mit fUgen abe. , dú zit meldet melde. kumt, dú selten ie gelag, an minnegelde hat unminne. noch ir bejag. „nu wol uf, ritter, es ist tag!“

A C 349 vb–350 ra. G 234 r nur Strophe 1. 1,1 GUt (G )] Gvt’ ˚ C 1,2 du] nun G. 1,3 dú] die G. 1,6 sprach] so redte G. 1,8 der G ] nicht in C. vor] von G. 1,11 seh in G] were C. 1,12 lenger moht es sin G. 2,8 tristranden] tristran de C. 3,5 minne so] mine do so C. B In der Hs. einsilbig gefüllte Innentakte 1,2 dú mérke; 1,5 díe zít túo; v.d.Hagen und Strauch stellen v. 2,8 den Auftakt durch tristánden wárt her. 3,12 tilgt Strauch ir. Zur ma. Rezeption der Tagelieder s. Anhang, S. 399. 1,9 kúse, zu dieser Schreiberform des Imperativs eines st. Verbs s. § 240 Anm. 5; metrisch und gramm. korrekt wäre kús. sternen, s. L1,2,7. 2,6 versteht Strauch als Parenthese und bezieht den Vers auf die beiden Liebenden, ebenso verfahren Curschmann/Glier. Schönbach versteht ihn als Teil der Wächterrede, schlägt aber Sælde ie leider mâze wielt vor, was Strauch später akzeptiert hat

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(s. Riordan 46, S. 335). Wachinger hält mit Schönbach sælde für fortuna, die stets mit zweierlei Maßstäben messe: liebe und leit (s. dazu Willms, Noch einmal, S. 348 f.). 2,7–9 Keine disquisition on love (Sayce, S. 276), sondern Erinnerung daran, daß auch vorbildliche Liebe nicht vor einem schlimmen Ende geschützt ist. 2,7 troie, Stadt und Festung des Trojanerkönigs Priamos. Dessen Sohn Paris entführte Helena, die Frau des Griechenfürsten Menelaos; um ihre Rückgewinnung entbrannte der zehnjährige trojanische Krieg, an dessen Ende durch die List des Odysseus (trojan. Pferd) Troja zerstört wurde. Die Sagen kamen schon um die Wende zum 13. Jh. über Frankreich nach Deutschland. 2,8 tristrant und isalde heißt das Liebespaar in der äußerst wirksam gewordenen Fassung der berühmten Dreiecksgeschichte, die Eilhart von Oberg gegen Ende des 12. Jh.s nach einer französischen Vorlage verfaßt hat (s. L. Wolff/W. Schröder, 2VL 2, 410–418). 2,9:11 werden : werden, sog. erlaubter rührender Reim (s. Strauch, S. 71); zum Reim und zum Enjambement s. Einl. S. 51. 2,13 einen fUs, der Akk. bezeichnet eine Erstreckung im Raum, s. § 354. 3,5–8 zu Willms, Noch einmal, S. 349 f. Vgl. noch v.d.Hagen IV, S. 531: „dennoch wird dem Morgen ein Minnegruß abgewonnen.“ 3,5 Um den identischen Reim so : so zu vermeiden, den sie nur im Dreireim „entschuldigen“, halten v.d.Hagen und Strauch das do so der Hs. und ziehen das so zu v. 3,6, den sie entsprechend umbauen müssen sô kumt wol der ritter dan. Ich halte den identischen Reim für zulässiger (s. auch Sangspruch 6,9) als das do neben da im gleichen Vers und den für das Verständnis unnötigen Eingriff in v. 3,6. 3,7 unminne, „dem Mittelhochdeutschen spezifische sprachliche Ausdrucksmöglichkeit … benennt stets das Gegenteil der rehten minne mit ihren verschiedenen Aspekten“ (Huber, S. 90 f.), vgl. L4,3,8. 3,9 melde, könnte auch als apo koinu stehend aufgefaßt werden, dann wäre nach gelag ein Punkt zu setzen. 3,10 dú, Relativum zu unminne. C Guter, kluger Wächter, gib gut Acht auf die Zeit, wenn die Wolken sich färben und grau werden. Den Zeitpunkt melde mir!“, sagte eine liebenswürdige Frau. „Warne, wenn ich eingeschlafen bin, so daß der Ritter von der bösen Aufsicht unbemerkt fortkommt. Gib Acht auf den Morgenstern, den Gesang der kleinen Vögelchen. Gern sähe ich ihn länger hier, [aber] das darf nicht sein. Und ich liebe ihn doch so sehr.“ 2. Der Wächter begab sich oben auf die Zinne. Als der Tag durch die Wolken drang, begann er auf folgende Weise einen Weckgesang: „Fortuna zeigte ihr zweierlei Maß [oder: Fortuna war den beiden wenig hold]: Troia wurde seinerzeit zerstört, Tristrant litt oft aus Liebe Isaldes wegen Qualen. Auch jetzt noch kennt die Liebe den edlen Mann, der sich um Frauengunst bemüht. Die soll ihm zuteil werden, wenn ich auch dies bedenken muß: Es ist keinen Fußbreit mehr vom Tag entfernt.“ 3. Die Liebe war eingeschlafen, denn sie war völlig erschöpft, so daß die Frau sich an den Ritter schmiegte. Erwachte die Liebe da erneut, gibt es für den Ritter einen schönen Abschied. Liebe freue sich, der Liebe Gegenteil ernte der Liebe

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Texte

Gegenteil. Du, Liebe, löse sie wieder, trenne behutsam den Zusammenschluß. Die Zeit kündigt den Verrat an. Kommt es, das niemals ruht, macht dieses Gegenteil der Liebe am Liebestausch doch noch seine Beute (oder: die Zeit kündigt den Verrat. Der Verrat kommt, der noch nie geruht hat. Dieses Gegenteil von Liebe macht …). „Auf jetzt, Ritter, der Tag ist da!“ D Bodmer 1759, S. 167; HMS II, S. 237; Strauch, S. 85 f.; Pfaff/Salowsky, Sp. 1143 f.; Curschmann/Glier I, S. 670–73 (mit Übers.); Freund, S. 161 f.; Hausner, S. 18 f.; Backes, S. 132–135 (mit Übers.); Haustein, S. 128 f.; Birkhan VIII, S. 188 f. (mit. Übers.). E Strauch, S. 43; 145f.; Schönbach, S. 126f.; Wachinger 85, S. 81–83; Backes, S. 261; Haustein, S. 128–136; M. Kern, S. 235–237; Willms, Noch einmal, S. 347–350.

Lied 3 1

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Ich wil aber singen ein liet hin ze stúre dien kinden, da sú mitte enpfahen den meien, tanzen und springen. ir megede, wol uf zU der linden! da sun wir mit handen uns zweien, hie ein tschapel, dort ein krenzel uf úr hoˇbet. da hat uns der meie sinen kram erloˇbet ze sUchen, waz wir siner varwe gerUchen. 2

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Nu froit sich dú heide, der walt, vogellin mit ir stimme, nahtegal, dú liebe, in der owe. noch lebe ich mit leide. der jamer mich twinget mit grimme, daz mich niht engrusset min frowe. leit mit liebe in minem herzen ist gemischet, da von mir der lib in froiden dike erlischet. ich tumber, sol mich niht vervahen min kumber?

Die Lieder

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3

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Stunde in miner hende daz riche, si truge die krone, daz si. ir armen frúnt icht versmahe. swer si des wende, daz si mir nah dienste niht lone, der musse alle sin sælde vergahen. nit was ie, da vor so huten sich die besten. das die valschen von ir nide. niht gar zerbresten! daz meine mag mich von ir scheiden noh. neine! 4

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Ist ir herze ersteinet, so trúget ir lachen mih sere. da bi kan si schone gebaren. ich bin, der si meinet mit trúwen (mir’s nieman verkere) sit von minen kintlichen jaren. mag si dur ir gute mich von sorgen bringen? ich mUz uber hoˇbet dike unsanfte ringen in sorgen. wil si, so i. st min truren verborgen.

A C 350 ra. 1,3 da] dc C. 1,7 úr (St.)] ir C. 1,8 kram (v.d.H.)] kran C. 3,3 versmahe (W. )] v’smahen C. 3,10 mich (W. )] ich C. B Zu 1,4 und 3,4 s. Einl. S. 44. Strauch (S. 56 f.) hielt Str. 1 für eine Tanzliedstrophe, 2–4 für ein eigenes Lied; Wachinger tritt für die Einheit des ganzen ein, Haustein neigt der Ansicht von Strauch zu, obwohl zwei Lieder im gleichen Ton im Minnesang äußerst selten sind, bleibt aber letztlich unentschieden. 1,3–4 Bartsch schlägt Punkt nach meien vor, tanzen und springen als 1. Pl. Imp. 1,6 sun, in Teilen des Südalem. für suln (§ 273). 3,3:6 v.d.Hagens und Strauchs Version daz si ir friunt iht müge versmâhen vermeidet den Reim -e : -en. Bartsch sieht darin eine „bedenkliche( ) Bedeutung von müge“. Er schlägt vor versmâhe /…/ daz den al sîn sælde vergâhe! Wachinger möchte nur den Reim zu versmahe : vergahen ändern und faßt v. 3,3 als Wunsch auf, Haustein will bei der Hs. bleiben, was ihn zu der Übersetzung zwingt „so daß ihre armen Freunde/ Verwandten sie, die Geliebte, nicht weiterhin verachten werden“, ein Gedanke, der nicht nur „nicht recht“ paßt, sondern völlig aus dem Rahmen fällt und nicht

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Texte

nur dieses Liedes, sondern aus dem gesamten Minnesang. Ich vermute, es fehlt hier, wie beim Marner häufig (s. Einl. S. 28), ein Zwischenglied: So etwas Großartiges projektiere ich für sie, damit … Die Entscheidung für den -e : -en-Reim sehe ich gestützt durch den gleichen Reim L6,5,2 : 5, den Strauch ebenfalls beseitigt hat. 3,8 v.d.Hagen tilgt niht, Strauch ändert zu iht. 3,9–10 v.d.Hagen daz meine, / mag ich von ir scheiden noch? neine. Strauch daz, meine, / mac ich von in scheiden niht, neine! Wachinger konjiziert plausibel mich, Haustein sieht im überlieferten Text einen Sinn und erläutert: „Die hinterlistige Tat werde ich noch von ihr abhalten können, auf!“ neine „müßte man dann mit Lexer (2, Sp. 51) ohne negative Bedeutung als aufmunternden Zuruf nehmen.“ Diese Bedeutung, die Lexer als „manchmal“ vorkommend unter nein-a bucht, muß aber der jeweilige Kontext verständlich machen, was hier nicht der Fall ist. Zudem ist ein emphatisches ‚nein‘ zur Trennung ungleich plausibler als ein munteres ‚auf‘ zur Abwehr der Hinterlist. 4,1–10 Nach Haustein insistiert die Strophe auf dem „rollenspezifischen Selbstmitleid des Ich, das seine Erfüllung in der Darstellung des Kummers und dem Beharren auf der eigenen triuwe findet.“ Interpretationen dieser Art haben zwar eine lange Tradition, werden aber dadurch nicht richtiger. Hier werden die Verse 7–10 einfach ignoriert, die die Erfüllung in ganz anderen Bereichen sehen. 4,8 uber hoˇ bet, eigentlich ‚ohne die Häupter zu zählen‘, d. h. ‚alles, ganz‘, hier nur allgemein steigernd. C Wieder will ich das junge Volk mit einem Lied beschenken, mit dem sie den Mai begrüßen, tanzen und springen sollen. Auf, ihr Mädchen, zur Linde! Dort wollen wir uns zu zweien an den Händen fassen, die ein Häubchen, die ein Kränzchen auf dem Kopf. Dort hat der Mai uns sein Warenlager aufgetan, damit wir uns aussuchen, was uns von seinem bunten Zeug zusagt. 2. Nun freut sich die Heide, der Wald, die Vögelchen mit ihrem Gesang, die liebe Nachtigall im Hag. Ich aber bin immer noch traurig, der Kummer setzt mir gewaltig zu, weil meine Liebste nichts von mir wissen will. Leid und Freude sind in meinem Herzen vereint, weswegen ich oft freudlos und wie ausgelöscht bin. Ich Tor, wird mein Leiden mir nichts nutzen? 3. Wäre das Reich in meiner Gewalt, trüge sie darin die Krone, damit sie ihren bedauernswerten Freund nicht verschmähe. Wer sie so beeinflußt, daß sie mich nicht meinem Dienst entsprechend belohnt, der soll all sein Glück verlieren. Immer gab es diesen Neid, die besten hüten sich davor. Daß die Bösen nicht vor Neid platzen! Diese Bosheit wird mich noch von ihr trennnen. Nein! 4. Ist ihr Herz zu Stein geworden, täuscht mich ihr Lachen darüber sehr. Sie kann sich dabei nämlich so erfreulich verhalten. Ich bin es doch, der sie getreulich liebt (davon bringt mich niemand ab) seit meiner Kinderzeit. Wird sie mich durch ihr Entgegenkommen von traurigen Gedanken lösen? Ich muß mich unsagbar oft mit Ängsten plagen. Wenn sie will, ist meine Trauer verschwunden.

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D Bodmer 1759, S. 167; HMS II, S. 237 f.; Strauch, S. 86 f.; Pfaff/Salowsky, Sp. 1144 f.; Wachinger 85, S. 84 nur Strophe 3; Haustein, S. 136 f. E Strauch, S. 41; 56 f.; 147 f.; Bartsch 77, S. 96; Wachinger 85, S. 83 f.; Haustein, S. 136–139.

Lied 4 1

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Sich froit der luft, daz wasser mit fúre, dú erde und dú zit. jung man, des bist du lasser, sin stúre dir alles daz git. lieb ist wilder creature zwein und zwein gemeine; du bist der werden minne liebes ane unde eine. „minne ist unstæte bi: swa sich der rose erzeiget, da reiget der dorn an daz zwi.“ 2

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Dú zit mit froiden buze der oˇwe, daz si trurig was. meie die heide grusse! in toˇwe stent blUmen und gras. wis, bla, gel, brun, grune, rot der anger stet geblumet, da bi sich diu linde breit ir grunen loˇbes rumet, donet dú nahtegal, trosche. l, lerche und kalander und ander gefúge. l sussen schal.

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Texte

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„Ich wil die minne strafen: si swachet ir eren ein teil. swa si wol solde slafen, da wachet si uf ir unheil. ich tUn ir mit rede gewalt, daz ist ir widerwinne, si vert usserthalb der masse und ist genant unminne. minne ist unstæte vri. swa sich dú rose erzeiget, da reiget der dorn an das zwi.“ 4

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Schimpfwort, schimpfliches lachen dú minne vúr gUt von dir nimet, niemans in schimpfe swachen, der sinne die minne gezimet. minne git zwein lieben einen mUt und eine trúwe. „wan daz ielich varwe ist gelfer in ir blunden núwe. lieb wirt niht anders leit. golt swinet an der hende. selh ende der minne ist bereit.“

A C 350 rb. 3,3 teil] tel C. 4,8 wan daz W.] wand es C. In der Hs. freier Raum im Umfang einer Strophe. B Wie schon v.d.Hagen zählen Strauch und Haustein die Verse 2, 5 und 11 nicht als eigene Verse, die Strophe also neunversig. Den singulären Auftakt 1,8 beseitigt Strauch durch dû bist werder minne liebes; er glättet 2,3 daz trûric si was und 2,10 lerch tröschel; ersetzt 2,12 sussen durch ir und ändert den Reim 2,1 : 4 zu büezet : grüezet. 3,9 v.d.H. setzt auch hier bî. 4,8 v.d.Hagen und Strauch ändern wand es zu wande. Strauch, S. 12f: „Ich habe in der ganzen Minnesingersammlung auch nicht éine Strophe finden können, die entfernt mit diesem Ton V verglichen werden

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könnte. Es muss uns dieser Ton daher als einziger aber interessanter Versuch erscheinen, den Stoff des Minneliedes in einer gelehrten, spitzfindigen Weise zum Ausdruck zu bringen.“ S. 44: „dass mit dem Liede eine Richtung eingeschlagen ist, die in dieser Weise bei keinem andern Minnesänger nachzuweisen sein möchte.“ Strohschneider: in diesem Lied „sind wohl Reflexionen über Minne als zivilisierte Kulturleistung und Liebe als unbezähmbare Naturgewalt in eine schwer zu deutende Balance gebracht.“ Strauch erwähnt noch (Nachtrag, S. 186): „dass wie Wilmanns so auch Schneider in Marners Ton V einen Wechsel sieht“. Der Ansicht ist auch Schönbach, dagegen Wachinger 06: „Der Gang der Reflexion wird nicht, wie man in Strophe I meinen könnte, in einem richtigen Lehrdialog realisiert, sondern, wie die revocatio von Strophe III zeigt, in einem fortschreitenden Nach- und Gegeneinander verschiedener innerer Stimmen. Sprecher ist der junc man, der sich in I,3 selbst anredet.“ S. dazu Willms, Noch einmal, S. 350–353. 1,1–3 Nach ma. Naturlehre besteht die Materie alles Geschaffenen aus der je verschiedenen Mischung und dem Zusammenhalt der vier Elemente, die jeweils zwei der vier Grundqualitäten besitzen: die Erde ist trocken und kalt, das Wasser kalt und feucht, die Luft feucht und warm, das Feuer warm und trocken. 1,4 lasser, zum st. flektierten Nom. Sg. des prädikativen Adjektivs s. § 393. 1,10–12 vgl. Carmina Burana 68,2,5–8 vernant spine floribus / micantibus, / signantibus / Venerem, quia spina pungit, flos blanditur; ebd. 78,2,6 f. michi mors est iam vicina, / nisi sanet me flos de spina. 1,10 der rose, mhd. rose ist swfm. 1,11 reiget, zu mhd. ragen ‚in die Höhe stehen‘ oder Nebenform zu reichen an ‚nach etwas langen‘? Strauch verweist auf die Verwendung in dieser Bedeutung beim Hardegger HMS II,134b und 135b, ebenfalls im Reim auf zeiget/zeigen. 2,1–12 Lieb, S. 186 spricht vom „Jahreszeitentopos“ mit einem „relativ fest umrissenen Inventar von sprachlichen Formeln … Durch diese Formelhaftigkeit läßt sich der Topos leicht als eine bekannte Bezugnahme wiedererkennen. Sie evoziert das kulturelle Wissen, daß der Sommer eine Zeit der Liebe … sei.“ 3,8 unminne, s. die Anm. zu L2,3,7. 4,4 niemans, den Gen. kann ich nicht erklären; Bartsch hielt ihn für einen Fehler und schlägt nieman vor, so übersetzt ihn auch Wachinger ohne Kommentar. 4,6 gezimet, mit Akk. der Person und Gen. der Sache. 4,9 Strauchs Änderung niht zu lîht verwirft schon Schönbach. C Es freut sich die Luft, das Wasser mitsamt dem Feuer [oder: an der Vereinigung mit dem Feuer], die Erde und die Jahreszeit. Du, junger Mann, willst davon nichts wissen. All dies will sich dir mitteilen. Liebesglück ist allen Geschöpfen draußen je zweien und zweien gemeinsam, du lebst ohne die wunderbare Liebe und allein. „Es gibt keine Liebe ohne Unbeständigkeit. Wo sich die Rose zeigt, macht sich auch der Dorn an dem Zweig breit.“ 2. Die Zeit muß die Aue mit Freuden dafür entschädigen, daß sie zuvor traurig war. Der Mai begrüße die Heide! Im Tau stehen Blumen und Gras. Weiß, blau,

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gelb, violett, grün, rot steht der Anger mit Blumen geschmückt. Dazu rühmt sich die ausladende Linde ihres grünen Laubes, bringt die Nachtigall, Drossel, Lerche und Goldammer und anderes Vogelvolk süßes Getön hervor. 3. „Ich will die Liebe schelten: Sie arbeitet selbst am Verlust ihrer Ehre. Wo sie schlafen sollte, wacht sie zu ihrem eigenen Schaden. Ich strafe sie mit Worten ab: Sie ist nämlich ihr Gegenteil, sie läuft aus dem Ruder und heißt Nicht-Liebe. [Wahre] Liebe kennt keine Unbeständigkeit. Wo die Rose erscheint, macht sich auch der Dorn an dem Zweig breit.“ 4. Scherzworte und heiteres Lachen mag die Liebe an dir leiden [oder: nimmt die Liebe dir nicht übel?], niemanden im Scherz kränken, solche Einstellung gefällt der Liebe. Liebe gibt zwei Liebenden eine Gesinnung und eine Treue. „Nur daß jede Farbe glänzender ist, wenn sie frisch und neu ist. Genau so wird aus Freude Leid. Der Goldschmuck an der Hand nutzt sich ab. So endet auch die Liebe.“ D Bodmer 1759, S. 167 f.; Rückert, S. 372 f. (Nachdichtung); HMS II, S. 238; Strauch, S. 88 f.; Pfaff/Salowsky, Sp. 1145 f.; Zoozmann, S. 126 f. (Nachdichtung); Höver/Kiepe, S. 272 (nur Str. 3 mit Übers.); Haustein, S. 140 f.; Wachinger 06, S. 244–247 (mit Übers.). E Strauch, S. 12 f.; 43–45; 148–150; Nachtrag, S. 186; Bartsch 77, S. 96; Schönbach, S. 127; Wachinger 85, S. 84–87; Strohschneider, S. 223; Haustein, S. 140–143; Wachinger 06, S. 750 f.; Willms, Noch einmal, S. 350–353.

Lied 5 1

5

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Sumer, diner kunft froit sich dú heide sunderbar. swer den winter trurig was und oˇch ich, gegen der wunneklichen oˇgenweide nimt sin war: der walt hat von loˇbe ein dach uber sich, da dú kleinen vogelin under sUze singent, dú vil mani. gem herzen froide bringent. herze min, wes trost du dich, sit dú gUte ist froidenrich? also sprich!

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Swie der meie verwet sine blumel rosenrot, viol-, liljen-, purpervar, gel, brun, bla, noch bas ge. vallet mir min minnemumel. es enbot mir sin ‚nein‘, do ich im seite umbe ein ‚ja‘; alsus hilfet mich gegen ir min langes kriegen. si giht, daz die man wol kunnen triegen. frage ich: „frowe, sprechent, wa?“ si giht: „hie, dort unde da.“ minne, la! 3

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Sol unminne frúndes minne heissen? minne, sprich: wie zimt diner frowen daz und oˇch dir? man sol gUten frúnt niht lange reissen. wil si mich, daz ende, in der zit ich múge unde gir. ja, fúrhte ich der blute, swanne es sere rifet. waz, ob si ein andern mUt ergrifet, des ich an ir gerne enbir? sus bin ich ir dienest zwir, wirt si mir.

A C 350 va. 1,5 nimt St.] nemt C. 3,4 man] wan C. B Bartsch möchte die letzten Stollenverse teilen (s. S. 44 Schema 2; von Haustein übernommen), dann hat die Strophe 13 Verse, von denen zwei Waisen sind. 2,4 tilgt Strauch den singulären Auftakt noch. 1,3:6:9:10:11 zum i : î-Reim s. Einl. S. 86. 1,5 nimt, v. d. Hagen nem. 1,9 trost, mhd. trœstest, Unterdrückung der ganzen Personalendung nur an dieser Stelle. 2,4 minnemumel, hapax legomenon; mhd. muome bezeichnet überwiegend die Schwester der Mutter, kann aber auch für jede weibliche Verwandte (Tante, Cousine, Schwägerin, Nichte) gebraucht werden, das Diminutiv wohl auch als Koseform ohne verwandtschaftlichen Hintergrund im Gebrauch. Die Anrede im überwiegend adorierenden Liebeslied der Zeit ist vrouwe, Koseformen wie frouwelin und kint sind bestimmten Kontexten vorbehalten. Es paßt zum Stil der übrigen Lieder, daß von der Dame des Herzens, die sich durchaus minnesang-

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konform verhält, dennoch in dieser leicht despektierlichen Form geredet wird. 2,6 nein/ja, derlei Substantivierungen, die besonders Reinmar v. Zweter häufig verwendet (Belege Roethe, S. 238) gelegentlich auch beim Marner, s. noch 2,2,7; 6,15,8. 3,1 unminne, s. die Anm. zu L2,3,7. 3,6 zum Fehlen des Pronomens si nach ende, einem Konjunktiv mit imperativischer Funktion s. § 399; unde gir, v.d.Hagen und Haustein unt (habe) gir; Strauch und sî gir. 3,9 des, Genitiv der Relation (§ 365), zugleich Relativum und Bezugswort (§ 453). C Sommer, über deine Ankunft freut sich die Heide ganz besonders. Jeder, der den Winter über verdrossen war, und auch ich, merkt es an dem herzerfreuenden Anblick: Der Wald hat ein Dach aus Laub über sich, unter dem die kleinen Vögelchen lieblich singen, die so manches Herz erfreuen. Herz, da die Liebste fröhlich ist, sag, was ist dein Trost? 2. Wie der Mai auch seine Blümchen rosenrot, veilchen-, lilien-, purpurfarbig, gelb, violett, blau färbt, noch besser gefällt mir meine Zuckerpuppe. Sie gab mir ein ‚nein‘, als ich um ein ‚ja‘ bettelte; so erfolgreich ist bei ihr mein langes Kämpfen. Sie sagt, daß die Männer trefflich betrügen können. Frage ich: „Liebste, sag, wo?“, sagt sie: „Hier, da und dort.“ Liebe, halt ein! 3. Soll die Liebe eines Freundes als ihr Gegenteil bezeichnet werden? Liebe, sag: wie paßt das zu deiner Dame und zu dir? Guten Freund soll man nicht lange hinhalten. Will sie mich, tue sie was, solange ich noch kann und begehre. Ich fürchte nämlich für die Blüte, wenn starker Reif fällt. Vielleicht wird sie ja noch anderen Sinnes in Bezug auf das, was ich bei ihr so unerträglich finde. Dann bin ich ihr doppelt so willfährig, wenn sie die Meine wird. D Bodmer 1759, S. 168; Rückert, S. 373 f. (Nachdichtung); HMS II, S. 239; Strauch, S. 89 f.; Pfaff/Salowsky, Sp. 1146 f.; Zoozmann, S. 125 (Nachdichtung); Haustein, S. 143 f. E Strauch, S. 151 f.; Bartsch 77, S. 96; Haustein, S. 143–145; 147.

Lied 6 1

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Sumer, gegen diner zit singe ich minen sang mit dien vogellin. schowent, wie dú heide lit, die der winter twank: si hat liehten schin mit den blUmen dur daz gras,

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in ir varwe. gesundert hundert. „ist ir niht me?“ grunen kle sach ich uf der heide, da was ich e. 2

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Wan daz ich wol halber tobe, ich geswige ir gar, ie der frowen min. die ich vor in allen lobe, wie nimt si des war? ich mUs trurig sin, swa sich froit ein sælig man, der mit liebe. kan slafen. wafen, ist minne daz? „sprechent, was?“ daz ich minne die, dú mir ist gehas? 3

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Swer nu siner frowen treit holdes herze, den wil ich leren, daz er si fro, dar zU gemeit, sich niht sere sen uf der valschen has. swer dien frowen gerne tUt gUt und ere mit grUsse, sUze der wirt gewert, swes er gert. frowen, die sint gUt húre alsam vert.

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Sit daz frowen gute kan herze machen vro, so sin wir gemeit; dien sol man sin undertan. si vertribent so swære, herzeleit. si sint, die man eren sol z’allen froide. n mit trúwen. rúwen sol niemer man, swer es kan, daz er si wol ere und in gUtes gan. 5

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Man sol reinen vrowen jehen, daz si sin gefuge und oˇch tugenden vol. swem si wol von in geschehen, der lasse in’s genugen unde spreche in wol, wan si sint der werlde spil und ir wunne. mit stæten. hæten die manne niht ir ange. siht, so wære in der werlde dú froide ein wiht.

A C 350 va-b. 5,1 Man] Wan C. B Strauch faßt die deutlich zäsurierten Verse 7 und 8, 9 und 10, 12 und 13 jeweils zu einem, immer etwas holprigen Vers zusammen. Die Waise v. 12 in Strophe 2 und 3 endet männlich statt sonst klingend. In Strophe 5,2 : 5 nicht nur Kadenzentausch, sondern auch ein -e : -en-Reim, den Strauch nicht als Besonderheit erwähnt, da er wie schon in Lied 1 den Tausch durch den Einsatz von gefuoc und genuoc aufhebt. Die Beleglage (BMZ III 437a) macht ein gefuoc an dieser Stelle aber äußerst unwahrscheinlich.

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Eikelmanns Deutung des Liedes als „didaktisch orientierte Darbietung von ethischen Werten und Verhaltensmustern“ hat schon Haustein (S. 147 f.) zurückgewiesen. Für ihn, der wie auch Eikelmann die Texte im Bann einer auf Sublimierung und Vergeistigung gerichteten Minne-Ideologie liest, geht es aber auch um die „stets wieder literarisch zu gestaltende Fiktion höfischer Minnebeziehung.“ Um etwaige Nähe zu handfesteren Deutungen zu meiden, setzt er nach 2,6 einen Punkt und faßt die Verse 2,7–10 als Frage auf, die negativ beantwortet werde, ohne zu bemerken, daß die Verse mit der eigentlichen Antwort, die Verse 2,11–13 damit quasi in der Luft hängen. Entsprechend sollen die Verse 3,9–10 besagen, daß das Ich „wenig mehr als die Gewährung des gruozes durch die Dame“ begehre. 1,4 schowent und 2,11 sprechent, zu dieser Form des Imperativs s. § 240 Anm. 3. 1,10–12 interpungiert v.d.Hagen geradezu töricht hundert ist ir, niht me; ähnlich Strauch und Haustein hundert / ist ir, niht mê / grüenen klê (dazu Strauchs Anm.: „man erwartet klêwes“ ). Ich nehme einen durch die präzise, aber angesichts der Fülle viel zu kleine Zahlenangabe provozierten Zwischenruf an, was die Verse ungleich witziger macht. 2,9 wafen, zu einem Klageruf abgeblaßter ehemaliger Ruf ‚zu den Waffen‘. 4,1:4 zu dem Reim â : a s. Einl. S. 86. 4,2 herze, hier Akk. Pl. (s. Lexer I, 1269). 4,8 froide. n, besonders harte Elision, zit würde inhaltlich wie metrisch besser passen. 5,1 reinen, zu der großen Bedeutungsbreite vgl. Ilgner, S. 87 Anm. 1. 5,6 spreche in wol, zu diesem oft betonten Gebot und dem implizierten Verbot der Frauenschelte vgl. auch L7,1,9 f. und Egidi 02, S. 301. 5,8 stæten, Dat. Pl., zum häufigen Gebrauch der Abstracta im Plural s. § 183 Anm. 4. 5,13 ein wiht, Variante des vielformigen niwiht ‚nichts‘. C Sommer, dir zum Willkommen singe ich mit den Vöglein zusammen mein Lied. Seht, wie die Heide daliegt, die der Winter besiegt hatte. Sie glänzt und durch das Gras die hundert nach ihrer Farbe verschiedenen Blumen. „Mehr gibt es nicht?“ Grünen Klee sah ich auf der Heide, wo ich früher schon war. 2. Wäre ich nicht halb verrückt, ich würde über meine Liebste schweigen. Die ich mehr als alles preise, wie beachtet sie das? Ich muß trauern, wo ein glücklicher Mann, der mit der Liebsten schlafen kann, sich freut. Ach, ist das Liebe? „Sagt, was meint ihr?“ Daß ich die liebe, die mich nicht mag? 3. Wer ein Herz voll Liebe für seine Liebste hat, den will ich lehren, daß er froh und glücklich sei und sich nicht zu sehr über die Bosheit der Neider gräme. Wer den Frauen bereitwillig Gutes erweist und ihnen respektvoll begegnet, dem wird auf süße Weise geschenkt, was er begehrt. Die Frauen sind gut, heute, wie eh und je. 4. Da Frauengunst die Herzen glücklich machen kann, laßt uns froh sein; man soll sich ihnen unterordnen, sie vertreiben Kummer, Herzeleid. Sie sind es, die man bei allem Liebesgenuß beständig respektieren soll. Niemandem soll es

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leid werden, ihnen, wenn er die Gelegenheit dazu hat, Respekt zu erweisen und Gutes zu tun. 5. An edlen Frauen soll man anerkennen, daß sie wohlerzogen und mit guten Eigenschaften ausgestattet sind. Wem ihre Huld zuteil geworden ist, der sei höchlich zufrieden und verkünde ihr Lob. Denn sie sind aller Welt Freude und ihr beständiges Glück. Fehlte den Männern die Begegnung mit den Frauen, es gäbe keine Freude in der Welt. D Bodmer 1759, S. 168; HMS II, S. 239 f.; Strauch, S. 90–92; Pfaff/Salowsky, Sp. 1147 f.; Haustein, S. 145–147. E Strauch, S. 42; 152 f.; Eikelmann, S. 310; Haustein, S. 145–148; 155; 156 Anm. 60; Egidi 02, S. 301 und Anm. 1031.

Lied 7

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1 Swer nach miner lere nach liebe werben wil, der sol frowen ere niht haben fúr ein spil. rumen unde liegen ist werden wiben leit, doch sol man si triegen mit stolzer húbescheit. man sol reinen wiben iemer sprechen wol; herzeleit vertriben sit man bi in sol. 2 Es ist niht ein wunder, daz man die frowen bitte. si geligent under und gesigent doch da mitte. swaz wir alle niden, man sol in wesen holt. es zimt wol bi siden

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daz vil rote golt. Man sol reinen wiben iemer sprechen wol; herzeleit vertriben sit man bi in sol. 3 Ob ich hete alleine wol tusent meister sin, der wær doch ze kleine, da ich gedæhte hin, wie dú minne letzet. ir anegenge ist heis. den si wol ergetzet, des frowe. sih, swer daz weis. Man sol reinen wiben iemer sprechen wol; herzeleit vertriben sit man bi in sol. 4 Valwe zU den brunen, die sol man haben lieb, slichen unde runen zU z’in alsam ein dieb. tumber man wirt niemer niht wan von minnen zam. wol in húte und iemer! minne ist ein susser nam. Man sol reinen wiben iemer sprechen wol; herzeleit vertriben sit man bi in sol. 5 Ir kint und och ir meide, vernemt, waz ich uch sage: schone. sint uf der heide die liehten sumer tage.

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dar sunt ir dur schowen, und lant uns mit úch gan: bi den schonen frowen die wol gemUten man. Man sol reinen wiben iemer sprechen wol; herzeleit vertriben sit man bi in sol.

A C 350 vb–351ra. 2,6 man] wan C. 2,9 ab hier in C Refrain nicht ausgeschrieben. 4,1 Valwe v.d.H.] Walwe C. 5,7 schonen (v.d.H.)] schone C. B Zur Form s. Einl. S. 41. 5,1 hat Auftakt. 1,10 sprechen wol, s. zu L6,5,6. 2,3 Man vergleiche zu den Belegen bei Strauch, S. 154 und Bezzenberger, S. 391 noch Neidhart 82,VI,3 alda warff ichs vnter mich. 35,XII,8f. verpút Ir mirs besunder / Ich lig dem knaben vnder. Riordan: Die Stelle „ist sicher als bedenkliches Wortspiel aufzufassen“. Barbara Weber (S. 392) stuft das Lied als „obszönes Lied“ ein. 2,5 Strauch fand nîden „unklar“, Schönbach „unpassend und unverständlich“, er schlägt lîden vor. 2,7–8 siden … golt, der edelste Stoff und das edelste Metall; s. dazu o. S. 28. 4,1 Valwe zU den brunen, erster Beleg dieses einer bestimmten männlichen Haltung offenbar gelegenen Topos; s. o. Anm. 71. 4,3 runen, es gehört zum literarischen Spiel des Minnesangs, einer tougen minne anzuhängen, so daß auch die Werbung heimlich betrieben werden muß. Jeder heimlich Liebende wird Minnedieb genannt und das rûnen, das Flüstern des Liebesgeständnisses und der Bitte um Erhörung wird von den Befürwortern der Liebe ebenso dringlich empfohlen wie es von den Gegnern geächtet wird (vgl. z.B. Neidhart 123 X,8 da gehóret unterweiln gut gerúne zu und Geltar II,10 slahen ûf die minnesänger die man rûnen siht). Zuweilen wird es geradezu gegen das Liebeslied, das ja für den öffentlichen Vortrag bestimmt ist, ausgespielt, so z.B. Neidhart 86 II,1f. Die will mit baiden oren nicht erhóren was ich kunde / suften runen des vernem sie gar. 4,5–6 vgl. Meißner (Objartel II,8,9) Wib machent mannes herze milde. 5,2 uch und 6 úch, zu dieser Form des Dativs s. § 213 Anm. 5. 5,5 sunt, in Teilen des Südalemann. für sult (§ 273). 5,6 lant, zu dieser Form des Imperativs s. § 240 Anm. 3. 5,6:8 zu dem Reim â : a s. Einl. S. 86. C Wer nach meiner Lehre Liebe verdienen will, soll die Ehre der Frau nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. Mit Renommieren und Lügen erreicht man bei guten Frauen nichts, aber mit feinem höfischem Benehmen wird man sie einwickeln. Über gute Frauen soll man stets Gutes sagen. Bei ihnen wird man allen Kummer vergessen. 2. Es ist nicht verwunderlich, daß man die Frauen bedrängt. Sie liegen zwar unten, tragen aber doch dadurch den Sieg davon. Was wir auch sonst

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begeifern, sie soll man lieben. Seide und rotes Gold passen zueinander. Über gute … 3. Wenn ich als Einzelner den Verstand von tausend Meistern hätte, wäre er doch zu schwach, wenn ich zu ergründen versuchte, wie die Liebe einen beglückt. Ihr Anfang ist eitel Glut. Wer das weiß, der freue sich darüber, wenn sie ihn beglückt. Über gute … 4. Blonde wie Braune soll man lieben, sich wie ein Dieb an sie heranmachen und ihnen Liebesworte zuflüstern. Nur durch die Liebe wird ein ungeschliffener Bengel domestiziert. Gepriesen seien sie jetzt und für alle Zeit. Liebe ist etwas Wundervolles. Über gute … 5. Ihr kleinen und großen Mädchen, hört, was ich euch sage: Die hellen Sommertage auf der Heide sind herrlich. Dort sollt ihr hingehen um zu staunen, und laßt uns euch begleiten, ihr, die schönen Frauen und die höchst animierten Männer. Über gute … D Bodmer 1759, S. 168 f.; Rückert, S. 374 ff.; HMS II, S. 240; Storck, S. 198–200; Strauch, S. 92–94; Pfaff/Salowsky, Sp. 1149 f.; Haustein, S. 148 f. E Strauch, S. 42; 153 f.; Schönbach, S. 128; Riordan 50, S. 152; Haustein, S. 147; 148–151; Bein 98, S. 398 f.; Egidi 02, S. 301 und Anm. 1.

Lied 8 1

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Roter munt sol grussen stæten frúnt, daz sin truren gar zerge. zuker kan wol sussen, kumt ein senf, der tUt in den oˇgen we. an dem weichen vinger stet vil lihte vor ein herter nagel. von dem schure kumt der hagel. harm ist blank unde hat doch swarzen zagel. 2 Ich wil minne werben. gUt wib, sage, ist din lib vúr truren gUt?

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so la niht verderben froide an mir, kanst du geben hohen mUt. i’n han niht versUchet, wie dú minne ir frúndes kunne pflegen. swer bi liebe hat gelegen, der sol dar senden sinen morgen segen.

A C 351ra. B Strauch und Haustein fassen wie schon v.d.Hagen die vv. 2/3, 5/6 und 9/10 als zäsurierte Langzeilen auf. Haustein (S. 151–153) nimmt an, daß die beiden Strophen nicht zusammen gehören. Aber in Str. 1 wird die Aufforderung, den stæten frúnt zu erhören unterstrichen durch die Hinweise auf Bereiche, bei denen allemal das Angenehme (Zucker, Regenschauer) vom Unangenehmen abgelöst oder (weicher Finger, weißes Hermelin) beeinträchtigt wird, die also nicht stæte sind. In Strophe 2 zeigt sich das Ich dann als eben dieser beständige frúnt. Da Haustein hohen mUt nicht für eine Hüllformel für Liebeserfüllung hält, sondern als Ziel höfischen Sehnens, muß er ferner annehmen, daß in der zweiten Strophe zwei Liebeskonzeptionen (höfische Minne und zur Identifikation geeignete persönliche Liebeserfahrung) einander gegenübergestellt werden, worin er eine „subtile literarische Strategie“ sieht, die Verankerung in der literarischen Tradition und Unterhaltungsqualität auszutarieren weiß. Ob Haustein bewußt war, daß er damit dem, was er als traditionell einstuft, der höfischen Minne, die seit Jahrzehnten Bestandteil höfischer Unterhaltungskultur war, die Unterhaltungsqualität abspricht? Da ich in der Bitte um hohen mUt nichts anderes sehe als die Bitte des Liebenden um Erhörung, kann ich Strophe 2 als Streben nach konkreter Erfahrung dessen verstehen, was Strophe 1 als allgemeine Forderung aufgestellt hat. Das Sprecher-Ich kennt ein gUt wip, das das grussen des bisher noch Unerfahrenen übernehmen könnte. Die letzten Verse beschreiben dann das, was zwischen den beiden geschehen soll. Wegen der Direktheit der Anspielung auf die Liebesnacht halte ich es für möglich, daß der morgensegen eine Hüllformel ist für die letzte Vereinigung der Liebenden, die seit Wolfram MF I,3,4 ff. und II,5,6 ff. Bestandteil fast jeden Tagelieds ist. Belegen kann ich das nicht, und Zeyen hat den morgensegen auch nicht unter die Hüllformeln aufgenommen. Stellen, die aber in gleicher Weise verstanden werden könnten, führe ich hier an: Gottfried v. Neifen XV,2,9 sus segen ich mich des morgens mit ir, sô ich wil ûf stân. Hätzl. 11,263 Ward er den segen geben. 25,109 Der gesell gab ir den segen. 27,361 Da was beraitt / Der vnuerzaitt, / Zu gesegen die vil rainen. Unerfahrenheit in der Liebe ist ein auch in anderen literarischen Genera gern benutztes Motiv, um Heiterkeit zu erzeugen, vgl. z. B. Hartmann ‚Iwein‘

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2971–3028; Wolfram ‚Parzival‘ 130,3–132,24; 369,1–372,21; die Mären ‚Das Häslein‘, ‚Das Gänslein‘, ‚Die halbe Birne‘ u. ö (vgl. Hanns Fischer: Studien zur deutschen Märendichtung. 2. durchgesehene und erw. Aufl. besorgt v. J. Janota. Tübingen 1983, S. 97 den Abschnitt: Verführung und erotische Naivität). C Ein roter Mund soll den treuen Freund so empfangen, daß sein Kummer gänzlich verschwindet. Zucker macht süß, kommt aber ein Senf dazu, das schmerzt die Augen. Über den weichen Finger ragt vorn oft genug ein harter Nagel hinaus. Wetterschauer kann Hagel bringen. Das Hermelin ist weiß, hat aber einen schwarzen Schwanz. Ich will Liebe machen. Liebste, sag, bist du ein Mittel gegen den Kummer? Dann laß Freude an mir nicht zu kurz kommen, wenn du glücklich machen kannst. Ich habs (noch) nicht ausprobiert, wie die Liebe den Freund bedient. Wer bei der Liebsten geschlafen hat, soll ihr seinen Morgensegen spenden. D Bodmer 1759, S. 169; HMS II, S. 240; Strauch, S. 94; Pfaff/Salowsky, Sp. 1150; Haustein, S. 151. E Strauch, S. 42; 43; 154 f.; Haustein, S. 114; 121; 151–153; 156 Anm. 60.

Lied *9

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1 Iam dudum estivalia pertransiere tempora. brumalis sevitia iam venit in tristitia. grando, nix et pluvia sic corda reddunt segnia, ut desolentur omnia. 2 Nam conticent avicule, que solebant in nemore cantica depromere et voluptates gignere. tellus caret gramine; sol lento micat iubare et dies currunt propere.

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3 Ad obsequendum Veneri vis tota languet animi, fervor abest pectori; iam cedit calor frigori. maledicant hiemi, qui veris erant soliti amenitate perfrui. 4 In omni loco congruo sermonis oblectatio cum sexu femineo evanuit omnimodo. tempori preterito sit decus in perpetuo et gratiarum actio! 5 Pro dulcis aure transitu et tempestatis impetu tribulato spiritu in gravi sumus habitu. ver, nos tuo reditu refove, quos in gemitu relinquis aliquandiu!

A CBu 55 r, bis Strophe 5,2. Kl 6 r, nur Strophe 5. Ste 29 v, Überschrift Marnarii de Vque vocalibus, auf dem Rand carme marnarii de vq) voub). 1,1 dudum] pridem Ste. 1,2 pertransire gaudia Ste. 1,4 iam] nicht in Ste. in] cu Ste. 1,6 corda nuc reddut segnia Ste. 2,1 Nam] Nunc Ste. 2,4 voluptates] volutates Ste. 2,6 sol lento] leto sol Ste. 3,2 vis] mes Ste. languet] lagwet Ste. 3,3 abest Ste.] habens CBu. 3,4 et calor cedit frigori Ste. 3,5 hiemi Ste.] yemi CBu. 4,5 tempori Ste.] tempore CBu. 4,6 decus] salus Ste. 5,1 pro dulcis] Pre lucis Ste. 5,3–7 nicht in CBu, das Folgende nach Kl. 5,5 ver Ste.] o ver Kl. nos] nuc Ste. 5,7 reliquisti tam diu Ste. B Zur Verfasserfrage s. Einl. S. 20 f. Gilt als Nachahmung des Vokalspiels Walthers v.d.Vogelweide 52, das, thematisch freier, auch von Rudolf dem Schreiber I und Ulrich von Singenberg II,31 aufgegriffen wurde.

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C Schon lange sind die sommerlichen Zeiten vergangen. Unbarmherzig breitet sich schon winterliche Strenge aus. Hagel, Schnee und Regenschauer versetzen die Gemüter in solche Schlaffheit, daß alles trostlos ist. 2. Denn die Vögelchen schweigen, die im Hain Lieder zu schmettern und Vergnügen zu wecken pflegten. Das Erdreich liegt brach; die Sonne scheint in mattem Glanz, und die Tage gehen rasch zu Ende. 3. Der Venus zu dienen schwindet alle Kraft des Innern. Der Brust fehlt das Feuer. Es weicht die Glut dem Eis. Verfluchen sollen den Winter, die gewohnt waren, des Maien Wonnen zu genießen. 4. Wo es sonst üblich war, ist das Vergnügen, mit dem Frauenvolk zu schäkern, gänzlich vorbei. Lob und Dank auf ewig der vergangenen Zeit! 5. Weil die linde Luft dahin und das schlimme Wetter regiert, sind wir bekümmerten Gemüts in schlechter Laune. Frühling, komm zurück und erwärme uns wieder, die du so lange in Betrübnis sitzen läßt! D Schmeller, S. 174 nach Ste.; Strauch 78, S. 255; Pfaff, S. 178 f.; Dreves 45b, S. 6 f.; Strauch/Brackert, S. 193 nach Ste.; CB 3*, S. 704 f. (mit Nachdichtung von Carl Fischer); Löhr, S. 16 (nur Übers.); Schweikle 86, S. 22 f.; Vollmann, S. 768–771 (mit Übers.); Birkhan, S. 174 f. (nur Nachdichtung von C. Fischer). E Die ältere Lit. bei Bischoff, S. 113; Löhr, S. 16–23; Vollmann, S. 1267; Haustein, S. 112 f.; 122; Kühne 96, S. 294 f.

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1 Pange, vox adonis, nobilem prelatum de Solio, qui gaudet in donis et caret vitiorum lolio. est iocundus, letus et affabilis, in promisso stabilis, providus, prudens, honorabilis. 2 Cum architriclino dicere

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possum eius vultibus: „tu servasti vino nobili finem atque dapibus.“ et post primum non datur deterius, verum loquor verius: funditur bonum atque melius. 3

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Ad gradus virtutum properas ut sol ad meridiem. paupertatis nutum sentiens queres eius faciem. cur, fortuna vitrea, sic deficis, cur cito non efficis, quod sit hic in loco pontificis? 4

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Sed si non est princeps, cathedre scilicet officio, ut clerus deinceps memoret, quando fit electio: est statura ceteris prestantior, vultu elegantior, moribus cunctis honorantior. 5 Maior mea laude, dignior forma veri hominis; tamen sine fraude

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gloriam cano sui nominis. verbi dei gratia fit ratio, (non est adulatio): hunc decet vere collaudatio. 6

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Huic ignoro parem circiter per totam carinthiam. si perambularem saxones, Francos et bawariam, swevos, renum, fertilem alsatiam, (ibi finem faciam): non habet clerus talem gratiam.

A CBu 105 r/104 v/105 r, auf dem oberen Rand von jüngerer Hand Marn’. 3,2 properas] -p pera Cbu, darüber von jüngerer Hand s. 3,3 ut] cum Cbu, darüber von jüngerer Hand ut. 3,5 sentiens v.d.H.] senties CBu. 3,7 cur] quod Cbu, das cur von jüngerer Hand über quod. 4,5 memoret St.] memorat CBu. B Zur Verfasserfrage s. Einleitung S. 21 f. Als Melodie wurde Marners Lied 8 angenommen, v. 7 ist aber um zwei Takte kürzer. Loblied auf einen Probst von Maria Saal (v. 3 solio) in Kärnten, s. Anhang S. 396. 1,1 adonis, mlat. Schreibung wäre Aedonis, Gen. zu Aedon = Sängerin, Beiname der Prokne, Tochter des Pandareus, die im griech. Mythos in verschiedenen Sagenversionen in eine Nachtigall verwandelt wurde, daher poet. Name für die Nachtigall, ein sehr gelehrter Namensgebrauch, da in der lateinischen Tradition meist ihre Schwester Philomele diese Verwandlung erlebte, weshalb ihr Name zur bis heute geläufigen poet. Bezeichnung der Nachtigall wurde. 1,6 lolio, Lolch, Grasart mit giftigem Samen, Schädling im Flachs- und Getreidefeld. 2,1–10 Anspielung auf die Hochzeit zu Kana Joh. 2,1–10. 2,3 possum, Bischoff schreibt possem. 2,6 nobilis ist auch auf dapibus zu beziehen. 3,6 queres, Strauch schreibt quaerens, erwägt aber auch quaeris. 3,7 fortuna vitrea, im lat. wie im deutschen Sprichwort geläufig, s. z. B. Walther II, Nr. 9878 und Wander Bd. 1, Sp. 1750 Nr. 462 u. ö. 4,7–8 Georgi weist darauf hin, daß im Preis geistlicher Fürsten Äu-

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ßerungen zum guten Aussehen nicht üblich sind. 4,10 honorantior, mlat. neben honoratior. 5,7–10 verbi dei, möchte Vollmann auf Ps. 33,1 rectos decet collaudatio beziehen. Nun wird das Wort des Psalmisten gewöhnlich als dessen Wort oder als Wort Davids zitiert, zudem wäre die Stelle inhaltlich und grammatisch beträchtlich umgedeutet worden, die in ihrem Kontext besagt: es ziemt sich für die Gerechten (Gott) zu loben. Eher scheint mir auf die Lehre Christi ‚jedem, was ihm gebührt‘ angespielt, wie sie z. B. Mt. 22,21 ausgedrückt ist (vgl. Röm. 13,7). C Preise, Stimme der Nachtigall, den edlen Prälaten von Maria Saal, der am Schenken Freude hat und frei ist vom Unkraut der Laster. Er ist liebenswürdig, heiter, leutselig, zuverlässig, was Versprechen angeht, fürsorglich, weise, ehrenwert. 2. Ihm ins Gesicht kann ich wie jener Küchenmeister sagen: „Du hast das Ende dem edlen Wein und (ebensolchen) Speisen vorbehalten.“ Richtiger aber sage ich dieses Richtige: Nach dem ersten wird kein schlechterer gereicht, Gutes wird ausgeschenkt und danach Besseres. 3. Die Stufen der Tugenden eilst du hinauf wie die Sonne zum Zenit. Winkt die Armut, suche man sein Antlitz. Warum, gläsernes Glück, versagst du so, warum richtest du es nicht ein, daß dieser einen Bischofssitz erhält? 4. Ist er nicht der Oberste, was das Kirchenamt angeht, möge der Klerus, wenn die nächste Wahl ansteht, bedenken: Er überragt die übrigen an Größe, ist vornehmer im Aussehen, in seinem Lebenswandel angesehener als alle. 5. Größer und würdiger als mein Lob ist dieses Ideal eines wirklichen Menschen, dennoch verkünde ich ohne Falsch den Ruhm seines Namens. Der Grund verdankt sich dem Wort Gottes (es ist keine Schmeichelei): diesem gebührt wahrhaftig das Lob. 6. In ganz Kärnten kenne ich keinen seinesgleichen. Wenn ich die Sachsen, die Franken und Baiern, die Schwaben, den Rhein, das fruchtbare Elsaß (hier mach ich mal Schluß) durchstreifen würde: Der Klerus hat kein solches Gottesgeschenk. D [Docen], Neuer lit. Anzeiger 14 (1807), Sp. 247 f.; MSH III, S. 333; Schmeller, S. 79 f. Nr. CCI; Strauch, S. 94–96; Müller I, S. 64; CB 6*, S. 712–715 (mit Nachdichtung von Carl Fischer); Löhr, S. 25 (nur Übers.); Vollmann, S. 774–777 (mit Übers.); Birkhan, S. 176 f. (nur Nachdichtung von C. Fischer). E Strauch, S. 155; die ältere Lit. bei Bischoff, S. 119; Georgi, S. 118–120; Löhr, S. 25–34; Vollmann, S. 1269 f.; Haustein, S. 114–116; 121 f. Kühne 96, S. 291 f.

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Lied *11 1 Mundus finem properans vergit ad occasum; omnis compaternitas retro vertit nasum. celeste sacrarium sic minatur casum, quasi cum novacula fundo sit abrasum. 2 Dolor se multiplicat ut parturientis; sevit in ecclesia pena morientis. non est, qui respiciat lacrimas plangentis, sed manus invaluit iacula mittentis. 3 Antichristus nuntios plurimos premisit, sed in christi milites acies divisit, quibus arma bellica plurima commisit renovare cupiens, demon quod amisit. 4 Instituta primitus patrum floruerunt, qui carnis et sanguinis curam non egerunt, sine mundo vivere semper studuerunt; taliter perpetua regna meruerunt. 5 Benedicti regula fuit primitiva, placuit pre ceteris, quia fuit diva; primo constantissima – sed nunc est procliva – eminebat ceteris et compositiva. 6 Ab hac derivatus est ordo Griseorum, qui dat elemosinam et frequentat chorum; sudat et inflectitur studio laborum, unde sperat fieri consors angelorum.

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7 Clericorum regulam pater Augustinus ornavit sollemniter; post hec Norperthinus ordinem instituit. paulo plus, non minus, has qui servat regulas, Deo fit vicinus. 8 Heu, nostris temporibus emersit dolosa novitas, irrutilat undique famosa. istam plebem sequitur turba copiosa sperans indulgentia frui spatiosa. 9 Hos, quos novos nomino, sunt fratres minores et maiores, sitiunt nummos et honores. Deus, qualis novitas et quales sunt mores! modo superveniunt etiam sorores. 10 Sorores, sic credite, sunt Magdalenite, et fratres ex opere dicuntur Paulite, sed, opinor, verius sunt Ismahelite; botrus non colligitur dulcis ab hac vite. 11 Erant a principio quasi nil habentes; modo vivunt omnia tamquam possidentes. raro sunt in cellulis, semper sunt currentes; quamvis multa habeant, tamen sunt egentes. 12 Castra solent querere, claustra devitare; domos querunt divitum, sciunt bene quare: vesci volunt pinguibus et vinum potare, contemnunt cum monachis olus manducare. 13 Audite, dilectissimi, magnum detrimentum, arbitror, a fratribus nefas sit inventum:

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indulgent pro prandio dies bene centum, pro quibus ipsi colligunt aurum et argentum. 14 Divites recipiunt in confessione; clericis preiudicant sine ratione. fremunt et concutiunt mira torsione. tua, dum vis, iudica, Deus, ultione. 15 Propter laudes hominum predicant in foro, et cum sacerdotibus raro sunt in choro, quosque iunxit Dominus, contradicunt thoro. confundantur citius! illud supplex oro. A Fragm. Bur. II r-v, Str. 1 neumiert, auf dem oberen Rand Marn’. 5,3 primo Meyer] prima Fragm. B Vagantenstrophe. 13,1 und 4 eine Silbe zu viel. Bischoff erwägt 13,1 Audi, dilectissime; 13,4 per quod. Zur Verfasserfrage s. S. 22. Die Ordensregeln der Franziskaner (fratres minores, Minderbrüder) waren in vielen Stücken denen der alten Orden, der Benediktiner (Str. 5), der Zisterzienser (6), der Augustinerchorherren und Praemonstratenser (7) entgegengesetzt: lokale Gebundenheit (stabilitas loci ) hier, freier Ortswechsel dort (11); umfangreiches Stundengebet hier, wenig Gebetsauflagen dort (15); Zurückgezogenheit und Stille hier, Volks-und Stadtnähe dort, verbunden mit Predigt und Seelsorge, was die neuen Orden zusätzlich in Konkurrenz zum Weltklerus brachte (12–15); körperliche Arbeit zum Erhalt und zur Vermehrung des Klosterbesitzes hier, Erbetteln des Lebensunterhalts dort (6/11). In der Polemik der alten Orden und ihrer Anhänger erscheint die Lebensweise der neuen Orden als Reichtümer scheffelndes, vagierendes, arbeitsscheues, verweltlichtes, prassendes und hurendes Lotterleben, dem die alten monastischen Ideale hypostasierend gegenübergestellt werden; vgl. dazu Schüppert, S. 130–138; Koch, S. 88 ff. und 108 ff. 1,2, retro vertit, schnüffelt dem Duft vergangener Zeiten hinterher. 1,4 novacula, Bernt vermutet eine Anspielung auf Jes. 7,20. 2,1 vgl. Ps. 48,7. 3,1 Antichristus, den in vielen Religionen verbreiteten Vorstellungen eines endzeitlichen Kampfes zwischen Gut und Böse entsprachen im frühen Christentum, das sich als Endzeit begriff, Vorstellungen von einem machtvollen Widersacher Christi, den die Apostel unter verschiedenen Bezeichnungen angekündigt hatten (2 Thess. 2,3–10. 1 Joh. 2,18 u. ö.), und der vor der Wiederkunft Christi erschei-

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nen und, mit der Macht Satans ausgestattet, viele Gläubige verderben werde. Da die Apostel ihn schon wie anwesend beschrieben, wurden zunächst die römischen Kaiser als Antichrist identifiziert. Nachdem Kaiser Konstantin im Jahre 347 das Christentum zur Staatsreligion erhoben hatte und Rom Hauptstadt der Christenheit geworden war, wurde die Vorstellung vom Antichrist (ahd./mhd. entechrist, volksetymol. umgedeutet zu endchrist ) ausgebaut und mit Vorstellungen verschiedener Herkunft angereichert bis hin zu einer ganzen vita dieses zukünftigen Gegners des Messias und der Christenheit. Das machte den Begriff anwendbar auf beliebige Personen, Lehren oder Zustände, die auch nur einige der dort vereinigten Züge (Gegnerschaft zur christlichen Lehre und zur Kirche, große Verführungskraft, Unterstützung der Sünde und sündhafter Zustände) aufwiesen, z. B. auf Luther, der seinerseits den Papst als den Antichrist bezeichnete. Siehe dazu TRE 3,20–49, vor allem 24–28. 3,4 quod amisit, durch das Erlösungswerk Christi. 4,1 patrum, (Wüsten-)Väter heißen die als Einzelne oder in größeren Gemeinschaften lebenden, nicht regulierten Eremiten der frühen christlichen Jahrhunderte. 5,1 Benedicti regula, Benedikt von Nursia (*~ 480, † ~ 547), Begründer des abendländischen Mönchstums durch die Gründung und Regulierung des nach ihm benannten Benediktiner-Ordens, dessen erster Abt im Stammkloster zu Monte Cassino er bis zu seinem Tod gewesen ist, s. TRE 5, 538–549. 6,1 Griseorum, die Grauen Brüder waren die Zisterzienser, eine Ende des 11. Jh.s vom Reformkloster Cîteaux ausgehende Abzweigung des Benediktinerordens. 7,1 pater Augustinus, einer der vier Kirchenväter, † 460 als Bischof von Hippo, gab den in klosterähnlicher Gemeinschaft lebenden Geistlichen eine Regel, die von vielen ordensähnlichen Gemeinschaften, vor allem den Kanonikern übernommen wurde. 7,2 Norperthinus, Norbert von Xanten, später Bischof von Magdeburg (†~ 1134), gründete 1129 den Prämonstratenser-Orden, vgl. TRE 27, 167–171. 8,4 indulgentia, Ablaß; nach der Lehre der Kirche konnte der Gläubige durch gottgefällige Werke aller Art die nach dem Tode fälligen Strafen für seine Sünden verringern, d. h. einen Ablaß erwerben. Noch im 11. Jh. war es ein Gewährungsprivileg der Bischöfe und Päpste, solche Ablässe zu vergeben, wurde dann aber reichlich an die neuen Orden verliehen, die im Lauf der Jahrhunderte einen regelrechten Handel daraus machten, dessen Auswüchse eine der Ursachen für die Reformation durch Luther bildeten; s. TRE 1, S. 347–364 und Koch, S. 70 ff. 9,1 Hos, Löhr und Vollmann erhalten das hos als attractio inversa, Bischoff schreibt hi. fratres minores, Angehörige des Minoritenordens, den Franz von Assisi um 1209 gegründet hat. 9,2 maiores, bislang als Adjektiv zu nummos aufgefaßt, nach Kühne zu fratres gezogen, der nachweist, daß fratres maiores die Dominikaner genannt wurden, die sich nach der Gründung 1216 durch den heiligen Dominikus rasch ausbreiteten, ähnlich wie die Franziskaner reguliert waren und entsprechend angefeindet wurden. 10,1 Magdalenite, nach Kühnes Deutung kein Spottname für Nonnen mit schlechtem Lebenswandel in Anlehnung an die biblische Sünderin Lk. 7,36 ff., die lange mit der

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Maria Magdalena Lk. 8,2 ineinsgesetzt wurde, sondern die mit den Dominikanern vielfach verbundenen Angehörigen des Ordens der Sorores Poenitentes Beatae Mariae Magdalenae, der seit 1227 bestand. 10,2 Paulite, nach Bischoff (S. 123) von paulum operis ‚geringe Tätigkeit‘ abgeleiteter Spottname; nach Kühne im nördlichen [!] Deutschland gebräuchliche Bezeichnung für die Dominikaner (auch Praedikanten, Predigerorden genannt), weil sie Nacheiferer des größten christlichen Predigers, des hl. Paulus, sein wollten. Weniger naheliegend ist Meyers von Schüppert und Brackert aufgegriffene Vermutung, es habe sich um den Eremitenverband der Pauliner gehandelt, zu dem sich ~ 1250 in Ungarn zwei Mönchsorden zusammengeschlossen haben, was eine Datierung des Liedes nach 1250 ermöglichen würde. 10,3 Ismahelite, da Abraham den Ismael, den Sohn der Magd Hagar verstieß (Gen. 21,8–21), gehörten dessen Nachkommen nicht zum auserwählten Volk, später wurde der Name für alle Ketzer und Feinde der Christenheit gebraucht. 13,2 sit, üblich wäre esse; spätlat.? 14,2 Das Spenden der Sakramente oblag den Weltgeistlichen, die dafür nach Zeit und Ort verschiedene Gebühren einnehmen durften, eine in der Kirche selbst umstrittene Praxis. 14,4 ultione, vgl. Jer. 51,11. C Die Welt, ihr Ende beschleunigend, neigt sich zum Untergang. Das Chor der Patres wendet die Nasen rückwärts. Das Verderben bedroht das himmlische Heiligtum; mit dem Schermesser gleichsam ist es von seinem Fundament geschnitten. 2. Der Schmerz vervielfacht sich wie der der Wöchnerin, in der Kirche wütet die Qual des Sterbenden. Keinen gibt es, der die Tränen des Trauernden beachtet, sondern es erstarkt die Hand dessen, der Pfeile schleudert. 3. Der Antichrist hat viele Boten vor sich her gesendet, ja, er hat gegen die Streiter Christi Schlachtreihen aufgestellt, denen er viel Kriegsgerät zugeteilt hat, begierig, wiederzuerlangen, was der Satan verloren hat. 4. Zuerst blühten die Einrichtungen der Väter, die sich nicht um Fleisch und Blut sorgten, sich bemühten, nicht der Welt zugewandt zu leben; auf diese Weise verdienten sie die ewige Herrlichkeit. 5. Benedikts Regel war die erste in ihrer Art, sie gefiel mehr als alle anderen, denn sie war göttlichen Ursprungs; als die erste, die beständigste – jetzt freilich ist sie ins Trudeln geraten – überragte sie die anderen, zum Gemeinschaftsleben ist sie d i e geeignete. 6. Von ihr ist der Orden der grauen Mönche abgeleitet, der Almosen verteilt und das Chorgebet pflegt. Er schwitzt und wird gebeugt unter der Anstrengung der Arbeiten, wodurch er hofft, den Engeln zugesellt zu werden. 7. Eine Regel für die Geistlichen stiftete auch in verehrungswürdiger Weise der Kirchenvater Augustinus, nach ihr richtete Norbertius seinen Orden ein. Ein wenig näher, keinesfalls ferner wird der bei Gott stehen, der diese Regeln befolgt. 8. Wehe, zu unserer Zeit ist eine betrügerische neue Sorte aufgetaucht, gei-

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stert herum, überall berüchtigt. Diesem Gesindel folgt eine vielköpfige Menge und hofft umfänglichen Ablaß zu erlangen. 9. Die, die ich die Neuen nenne, sind die Franziskaner und die Dominikaner, die nach Geld und Ehren dürsten. Herrgott, was für eine neue Sorte und wie führen sie sich auf! Doch es kommen sogar noch Schwestern hinzu. 10. Die Schwestern, glaubt nur, sind vom Orden der Magdalena und die Brüder werden nach ihrem Hauptgeschäft Pauliten genannt, aber, so meine ich, richtiger sind es Ismaeliten. Von diesem Weinstock pflückt man keine süße Traube. 11. Von ihrer Gründung her waren sie sozusagen Habenichtse, jetzt leben sie auf eine Weise, als gehöre ihnen alles. Selten sind sie in den Zellen, ständig treiben sie sich herum; obgleich sie schon viel haben, gieren sie dennoch nach mehr. 12. Sie pflegen die Burgen (Städte?) aufzusuchen, die Klöster zu meiden. Sie suchen die Häuser der Reichen auf, sie wissen genau, warum. Mit fetten Speisen wollen sie sich nähren und Wein trinken, verabscheuen es, mit den Mönchen Kohl zu essen. 13. Hört, Geliebte, den großen Schaden, ich glaube sogar, daß hier von diesen Brüdern etwas Widergöttliches eingeführt worden ist: Für ein Frühstück gewähren sie runde hundert Tage Ablaß, dafür scheffeln sie Gold und Silber. 14. Durch das Beichtsakrament ziehen sie die Reichen an sich, greifen ohne Berechtigung den Weltgeistlichen vor. Sie machen Lärm und schrecken durch wildes Gestikulieren. Herrgott, wenn du willst, nimm Rache und verurteile sie! 15. Um des Ruhms bei der Menge willen predigen sie auf dem Marktplatz und sind so gut wie nie mit den Priestern beim Chorgebet. Sie attackieren die, die Gott in ehelicher Gemeinschaft verbunden hat. Mögen sie auf die Schnelle zu Schanden werden. Kniefällig bitte ich darum. D Meyer, Tafel 2 und 3 und S. 27 f.; Strauch/Brackert, S. 194–196; Müller I, S. 65 f.; CB, S. 718–723 (mit Nachdichtung von Carl Fischer); Löhr, S. 36–38 (nur Übers.); Vollmann, S. 780–787 (mit Übers.); Birkhan, S. 178–180 (nur die Nachdichtung Fischers). E Meyer, S. 25–28; Schüppert, S. 130–138; CB, S. 969; Löhr, S. 38–58; Vollmann, S. 1272–1274; Kühne, S. 251–256; Haustein, S. 116; 121 f.; Kühne 96, S. 293 f.; Haustein 97, S. 196 f. (ebd. S. 195 werden Lied 10 [Pange vox] und Lied 11 [Mundus finem] verwechselt).

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1 Opto, quod in seculum cleri flos et speculum vivat, presul Bruno, quem famosa veritas mentisque sinceritas beat non in uno dono probitatis, bono pietatis, cultu castitatis, actu largitatis. 2 Hunc dedit Saxonia, tenet nunc Moravia patrem et patronum. tutor legis, veri lux, pastor gregis, boni dux est ad omne bonum; ut palmes in vite fructum ferens vite, fervet sine lite, legem tenet rite. 3 Hunc pre participibus variis virtutibus Gratia ditavit; largo Dei munere alto gaudet genere, quem sic sors beavit. ut verus in vita est Israhelita; nam archimandrita felix vivat vita.

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4 Nunc aput episcopos quosdam nequam Atropos vagis occat filum. sed te datum celitus advena proselitus expetit asilum. quem Clotho fugavit, Lachesis prostravit, ad te declinavit, manu fortis David!

A Berlin, Ms. lat. fol. 136, 22 r, Einleitung In laudem ergo huius tanti presulis inter cetera commendabilia carmina cecinit ille egregius dictator Maruarius [sic] dictus. Stuttgart HB I 19, fol 80 r, Einleitung In laudem ergo huius tanti presulis inter cetera carmina commendabilia cecinit ille egregius dictator Marnarius dictus. 3,1 participibus] particibus BeStu. 4,2 Atropos (Stu)] antropos Be. 4,3 occat] attat Stu. filum] filium BeStu. 4,4 sed te datum Bischoff] Set cedatum Be. Ecce datum Stu. 4,5 advena] ad viam Stu. 4,7 fugavit] fugat Stu. B Loblied auf Bischof Bruno von Olmütz (im heutigen Tschechien, damals Moravia = Mähren [v. 2,2]), Bischof daselbst von 1245 bis1281. Das Lied entstand nach Brackert (S. 192) vielleicht um 1255, da zu dem Zeitpunkt durch päpstlichen Erlaß fast die Hälfte der irregulär besetzten geistlichen Stellen neu besetzt wurden, wodurch manch einer der vagorum seinen Gönner verloren haben könnte. Zur Verfasserfrage s. Einl. S. 19 f. Zum Fürstenlob allgemein s. Georgi und Hübner, S. 219–279. 2,1 Saxonia, Sachsen; Bruno war Probst von Lübeck und Hamburg und Domherr zu Magdeburg. 3,8 Israhelita, Angehöriger des auserwählten Volkes Israel, übertragen: ein wahrhaft Auserwählter. 3,9 archimandrita, griech. ‚Erzabt‘, hier auf den Bischof angewendet. 4,2–8 Atropos, Lachesis und Clotho heißen die Parzen, in der griechischen Mythologie die Schicksalsgöttinnen, die die Spindel tragen, den Lebensfaden spinnen und schließlich zerschneiden. 7,2,6–8 wird in gleicher Weise das Schicksal des Sängers beschrieben. 4,5 proselitus, nach Strauch und Löhr Adj., griech./lat. eigentlich ‚der vom Heidentum zum Judentum übergetreten ist‘; hier in übertr. Bedeutung ‚aus der Fremde kommend‘. 4,10 David, hebr. der Hirte. C Ich wünsche, daß Bischof Bruno, Blüte und Spiegel der Geistlichkeit, lange leben möge, den seine berühmte Wahrheitsliebe, die Aufrichtigkeit der Gesinnung auszeichnet und zwar nicht nicht nur durch die Gabe der Rechtschaffenheit, auch

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durch das Gut der Rechtgläubigkeit, durch stete Übung der Keuschheit, durch tätige Nächstenliebe. 2. Ihn schenkte (uns) Sachsen, ihn besitzt jetzt Mähren als Vater und Beschützer. Ein Lehrer des Rechts, eine Leuchte der Wahrheit, ein Hirt seiner Herde, ein Führer zum Guten ist er zu alledem hervorragend geeignet. Wie die Rebe am Weinstock lebendige Frucht trägt, so ist er ohne Streitsucht voll glühenden Eifers, erfüllt er das Gesetz in rechter Weise. 3. Mehr als seinesgleichen hat diesen die Gnade mit vielen Tugenden begabt; er, den das Schicksal so sehr begünstigt hat, erfreut sich eines hohen Geschenks Gottes, einer edlen Abkunft, so daß er in diesem Leben als wahrer Israelit dasteht; und so möge er in seinem Leben als Bischof glücklich leben. 4. Nun hat die böse Atropos bei einigen Bischöfen den Vaganten den Lebensnerv durchgeschnitten. Aber der vertriebene Fremde bittet dich, den vom Himmel Geschickten, um Asyl. Der, den Clotho vertrieben, Lachesis niedergeschmettert hat, hat bei dir Zuflucht gesucht, du mächtiger David. D Pertz, S. 717; Strauch 79, S. 91–92; Strauch/Brackert, S. 191 f.; Bischoff, Anhang S. 189 f.; Müller I, S. 66; Löhr, S. 60 (nur Übers.). E Pertz, S. 717; Strauch 79, S. 91–94; Bischoff, Anhang S. 189 f.; Löhr, S. 61–73; Haustein, S. 117; 122; M. Kern, Anm. 459 und 526.

2.2 Die Sangsprüche 2.2.1 Die einstrophige Überlieferung 2.2.1.1 Ton 1 (später Goldener Ton)

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1,1 Merkent an die kleine ameis: so si den winter vor ir weis, si samnet in des sumers ernde kúndekliche ir spise. sam tU du, mensche, und buwe enzit. ein starker winter uf dir lit, der machet dich in sorgen alt und in dem alter grise. du maht hie buwen unde sæn mit gUten werken gegen gote und dinem eben kristen, daz du maht sniden unde mæn und oˇch dich dort gegen dinem hohen herren maht gevristen,

ML 13,I

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so du den zins ze hove gist: die sele gote, und du in ermem melwe begraben list. du schaffe es so, das din dú sele warte imme. paradise. A C 349 va. k 490 ra-b = Ml 13,I. B In der Hs. ist von den vier Sprüchen dieses Tons nur 1,1 ohne Auftakt, der Imperativ also möglicherweise nicht beabsichtigt (s. die k-Version), doch vgl. Vogt (S. 73 f.), der gerade bei Imperativen einen hohen Anteil auftaktloser Verse bei sonst regulärer Auftaktigkeit ausgezählt hat. Die C-Strophen dieses Tons fügen sich nach Wachinger „zwar nicht zu einer vollen liedhaften Einheit“, sind „aber doch durch gemeinsame Themen und Motive verbunden“; Strohschneider sieht in 1,2 und 1,3 „deutliche Signale thematischer Gruppierung“; Haustein (S. 53 ff.) kann sich vorstellen, daß die Strophen 1,2–4 ein dreistrophiges Lied bildeten, mit dem 1,1 „in irgendeiner Weise“ eine „lockere Einheit gebildet hat“, und zwar als Strophe 4, wie schon Schlageter vermutet hat. Lauter überflüssige Angaben, da ein Dichter, der sich hinsetzt, um eine lockere liedhafte Einheit zu dichten ebenso wenig vorstellbar ist wie ein Vortrag eines solchen Gebildes; ‚halbe‘ oder ‚lockere‘ liedhafte Einheiten lassen sich als solche nicht von einem Liedvortrag unterscheiden, und eine Strophe, die nach keiner zweiten verlangt, ist eben eine Einzelstrophe, die man nach Belieben mit einer themengleichen ebenso wie mit einer gänzlich anderen zusammen singen kann. Haustein findet für seine Einheit sogar ein Kriterium, das tatsächliche Einheiten in der Regel gar nicht zeigen, den a/a-Reim zu Beginn jeder Strophe. 1–3 die Ameise schon biblisch als Vorbild verwendet, vgl. Spr. 6,6–8: „Geh zur Ameise, du Fauler, betrachte ihr Verhalten und werde weise! Sie hat keinen Meister … und doch sorgt sie im Sommer für Futter, sammelt sich zur Erntezeit Vorrat.“ Vgl. auch Schmidtke, S. 238–245. 1 merkent, zu dieser Form des Imperativs s. § 240 Anm. 3. an die, zu mhd. merken ane mit Akk. s. auch 6,3,10. 7 hie, im geistl. Kontext immer die Erde bzw. das Erdendasein, dort (v. 10) das Jenseits, vgl. 7,6,14. 7–10 entsprechen den im NT vielfach ausgesprochenen, die Werkgerechtigkeit fördernden Mahnungen, sich gute Werke gleichsam als Guthaben im Himmelreich anrechnen zu lassen (z. B. Mt. 6,19 f.; Gal. 6,9 f.). 8 gegen, mhd. mit Dativ verbunden; die Abbreviatur dine der Hs. also auch als dinen (Pl.) auflösbar. 10–11 hier liegt wohl die Vorstellung von Lc. 19,12–25 zugrunde, daß nur diejenigen Knechte vor ihrem edlen Herren bestehen können, die mit den ihnen geliehenen Pfunden gewuchert haben. 13 schaffe, Imp. vom swv. schaffen. dú sele, nach christlicher Lehre trennt sich die Seele, der unsterbliche Teil des Menschen, im Tod von der sterblichen Hülle und wird sich am Tag der Auferstehung wieder mit ihm vereinen; s. die Anm. zu sunetage 1,4,1.

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C Lernt von der kleinen Ameise: Wenn sie den Winter herannahen fühlt, sammelt sie im Erntegut des Sommers klug ihren Essensvorrat. Mach es auch so, Mensch, und pflanze rechtzeitig. Ein schlimmer Winter steht dir bevor, der dich in Sorgen alt und im Alter grau werden läßt. Du kannst hier unten pflanzen und säen mit guten Werken gegenüber Gott und deinem Nächsten, damit du ernten und mähen und dort vor deinem hohen Herren bestehen kannst, wenn du bei Hof deinen Tribut entrichtest: die Seele Gott, und du in elendem Staub begraben liegst. Richte es so ein, daß die Seele im Paradies auf dich wartet. D Bodmer 1759, S. 166; HMS II, S. 236; Bartsch 62, Nr. CI,1; WKL II, Nr. 169; Strauch, S. 81; Pfaff/Salowsky, Sp. 1140; Runge Nr. 67 (mit Mel.); Taylor 64, S. 25 (mit Mel.); de Boor I, S. 544 f.; Taylor 68, S. 41 (mit Mel.); Haustein, S. 54; Krause, S. 250 f. E Strauch, S. 33; 142; Schlageter, S. 89–96; Teschner, S. 140–146; Nowak, S. 210 f.; Wachinger 85, S. 71; Strohschneider, S. 223; Haustein, S. 53–58; 157–159; Yao, S. 102 f.

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1,2 Ml 13,II Es hat dú starke gotes kraft mit wunderlicher meisterschaft gecirgget wol der sternen kreis, den sunnen und die manen. du bist gebildet, mensche, nach im. du sitze, du stant, du wat, du swim –, du solt dich siner helfe niemer vrevenliche entanen. sin hohe, dú ist dir ze hoh, sin wite ze breit, sin grunt ze tief, sin lenge sich dir lenget. der erste mensche sin lere floch, da von wart er us paradyses froiden her gepfrenget in dirre werlte unfroiden kamer; da von uns twinget noch des flUches zange und sleht der hamer. wir mussen unser spise in sweize von der erde janen.

A C 349 va. k 490 rb-va = Ml 13,II. B Zum Verhältnis der Strophen dieses Tons zueinander s. 1,1, Abschnitt B. 3 gecirgget, nach mittelalterlichem – teils biblisch (vgl. Gen. 1,16), teils von spätantiken Naturlehren vermitteltem – Weltbild ist das geozentrische Weltall ein Ineinander von zwischenraumlosen Kugelschalen (zirkel, kreis, ring ), die um die unbewegte Erde kreisen; an den sublunaren Bereich, den die vier Elemente (s. die

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Anm. zu L4,1,1–3) bilden, schließen sich sieben Schalen an, auf deren Rand die sieben Planeten die Erde umrunden, der Mond auf der untersten, die Sonne auf der vierten Schale (s. auch 5,3,7–11; 6,16,10–12). Die achte Schale bildet der Fixsternhimmel. sternen, s. die Anm. zu L1,2,7. den sunnen, im Corpus wird sunne sowohl als swm. wie als swf. gebraucht. die manen, das vereinzelt bis ins 15. Jh. belegte sw. Femininum nur hier, sonst swm., vgl. 5,3,9. 4 gebildet … nach im, s. Gen. 1,27: „Gott schuf also den Menschen als sein Abbild, als Abbild Gottes schuf er ihn.“ 5 Zum Imperativ statt eines untergeordneten Satzes s. § 443. Haustein, der nach v. 4 ein Komma setzt, kommentiert allen Ernstes, die Gottebenbildlichkeit des Menschen komme „in ihren Körpereigenschaften zum Ausdruck“. 7–8 Die Unendlichkeit Gottes (nach Ijob 11,7–9: „Die Tiefen Gottes willst du finden, bis zur Vollkommenheit des Allmächtigen vordringen? Höher als der Himmel ist sie, was machst du da? Tiefer als die Unterwelt, was kannst du wissen? Länger als die Erde ist ihr Maß, breiter ist sie als das Meer“ u. ö.) häufig diäretisch durch die vier Dimensionen bezeichnet, die er alle unendlich überschreitet, s. noch 6,10,11–16; 7,21,5; weitere Belege Strauch, S. 142 f. und Riordan 42, S. 607 f. 9–13 Vom Teufel in der Gestalt der Schlange verführt, essen die ersten Menschen die verbotene Frucht vom Baum der Erkenntnis und werden aus dem Paradies verbannt (Gen. 3). Gottes Fluch, der sie und alle ihre Nachkommen trifft, wird erst durch die Erlösungstat Christi wieder aufgehoben. Auf diese Glaubenstatsache wird immer wieder Bezug genommen, s. Einl. S. 32. 12 Belege zu Zange und Hammer als Metaphern für schmerzliche oder dilemmatische Zustände Strauch, S. 143 f. und Riordan 42, S. 608 f. 13 in sweize, s. Gen. 3,19: „Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen.“ C Die gewaltige Macht Gottes hat mit staunenswerter Meisterschaft die Sphären der Sterne in ihre kreisförmigen Bahnen gebracht, die Sonne und den Mond. Du, Mensch, bist als sein Abbild geschaffen. Sitz, stehe, wate, schwimme –, seinen Beistand sollst du niemals leichtsinnig ausschlagen. Seine Höhe ist zu hoch für dich, seine Weite zu breit, sein Abgrund zu tief, seine Länge geht weit über deine Vorstellung von Länge hinaus. Der erste Mensch kehrte sich von seiner Lehre ab, deshalb wurde er aus den Wonnen des Paradieses in das freudlose Verließ dieser Erde hinabgedrückt; deshalb preßt uns noch jetzt die Zange des Fluches und schlägt uns ihr Hammer. Im Schweiß müssen wir unser Brot der Erde abgewinnen. D Bodmer 1748, S. 220; Bodmer 1759, S. 166; HMS II, S. 236; Bartsch 62, Nr. CI,2; WKL II, Nr. 170; Strauch, S. 81 f.; Pfaff/Salowsky, Sp. 1140 f.; de Boor I, S. 388 f.; Höver/Kiepe, S. 272 (mit Übers.); Haustein, S. 48. E Strauch, S. 56; 142–144; Riordan 42, S. 607–609; Schlageter, S. 89–96; Nowak, S. 210 f.; Haustein, S. 48–50; 53–58; 157–159.

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1,3 Ml 13,III Der súnder fluhe, und wisse er, war. dú gottes oˇgen sint so clar, daz sich vor ime verbirget niht so kleine als ist ein milwe. die blikzen und die donreslege sint mit gewalte in siner pflege, der regenboge. , der winde sus, dú heiter, das gehilwe. sin sin kan alle sternen zeln, ir namen, ir loˇf und alle ir maht, ir schin und alle ir zeichen. er sitzet uf den himelsteln –, wie wilt du, mensche, mit dinem kranken sinne den erreichen? bis demut und erbarme dich! erbermde schUf, daz er von hime. l zer erde neigete sich. er gab durh uns sin liehten varwe in des todes gilwe.

A C 349 va. k 490 va = Ml 13,III. 5 pflege (k )] pflige C. B Zum Verhältnis der Strophen dieses Tons zueinander s. 1,1 Abschnitt B. 1 fluhe, vgl. Ps. 139,7: „Wohin könnte ich fliehen vor deinem Geist, wohin mich vor deinem Angesicht flüchten?“ und, als Einleitung eines Konditionalsatzes s. § 445 Anm. 1. 1:2 zu dem Reim â : a s. Einl. S. 86. 2–3 vgl. Sir. 23,19: „Er bedenkt nicht, daß die Augen des Herren zehntausendmal heller sind als die Sonne, daß sie alle Wege des Menschen sehen und die geheimsten Winkel durchdringen.“ Hebr. 4,13: „vor ihm bleibt kein Geschöpf verborgen, sondern alles liegt nackt und bloß vor den Augen dessen, dem wir Rechenschaft schulden.“ 5 pflege, nach ma. Weltbild wird die Welt allein durch den Willen ihres Schöpfers in ihrer Existenz erhalten (creatio continua), s. TRE 35 ‚Welt/Weltanschauung/ Weltbild‘ II, S. 539. 6 gehilwe, schon Strauch verweist auf ‚Daz himelrîche‘ (W. Freytag, 2VL 4,18–21) v. 5,12 von gehilwe unde heitere wirt der regenboge. 7–8 Die Verse wirken wie eine kürzende Übersetzung von imago mundi Buch I c, 90 des Honorius Augustodunensis (~1080–~1156), auf die schon Strauch verwiesen hat (was Haustein nicht aufgreift): „[deus] qui stellas numerat, quarum nomina, signa, potestates, cursus, loca, tempora solus novit.“ Vgl. auch Ps. 147,4: „Er bestimmt die Zahl der Sterne und ruft sie alle mit Namen.“ 7 sternen, s. die Anm. zu L1,2,8. 8 maht, die Astrologie, die im Mittelalter gleiches Ansehen wie die Astronomie besaß, lehrte, daß die Planeten, vor allem der Mond, die irdischen Geschicke insgesamt sowohl wie das Leben des Einzelnen beeinflußten (Planetenkinder). 9 himelsteln, noch dreimal belegt, zweimal etwa zeitgleich Boppe I,1,4, ob in gelücke trüege unz an der himel steln (: zeln) und Meißner IV,2,11 din cepter unde din tron, din himelstelle (: velle), einmal sicher jünger in

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drei Hss., die den ‚Wilhelm von Österreich‘ des Johann von Würzburg überliefern. Es heißt dort v. 13930 f. des hohe, tief zeswen kraft / kan hymel stern mezzen. Der Apparat verzeichnet als Varianten zu hymel stern hymelsteln, hymel stellen und hymeln vnd stern. Das Glossar gibt an: „himelstele swf. Himmelsraum.“ Es liegt eine Reihe weiterer insgesamt nicht überzeugender Erklärungs- und Herleitungsversuche vor, referiert von Objartel, S. 262 f. (zitiert bei Alex, S. 122), der „ein(en) dichterische(n) terminus technicus für Gottes Sitz oder Thron“ vermutet. Er weist aber selbst schon auf das Nebeneinander von tron und stelle beim Meißner hin, was eine andere Bedeutung für stelle nahelegt. Nach bibl. Weltbild, dessen eine Quelle das 1. Henochbuch (s. TRE 15, S. 43 ff.) war, ruhte der Thron Gottes auf zwei Stützpfeilern über dem äußeren Wasser, s. TRE 35, S. 575. Könnte das lat. stela ‚Säule‘ eingedeutscht worden sein? Vgl. Ijob 26,11: „Die Säulen des Himmels erzittern“ und Sir. 24,4: „auf einer Wolkensäule stand mein Thron“, wo der lat. Text allerdings columna bietet. Daß solche Eindeutschungen gelegentlich vorgenommen wurden, belegt Frauenlobs stelle für lat. stella (GA I,II,2,4 din untirmic stelle; dazu GA II, S. 667). 12–13 Durch den Opfertod des Mensch gewordenen Gottesohnes wurde die Menschheit von der Erbschuld befreit (s. die Anm. zu I,2,9–13), mit Gott versöhnt und dem Paradies wiedergewonnen, eine Glaubenstatsache, die in fast allen religiösen Gedichten des corpus thematisiert wird, s. Einl. S. 32. 12 von himel, zum artikellosen Gebrauch des Substantivs s. § 421. C Der Sünder würde fliehen, wenn er wüßte, wohin. Die Augen Gottes sind so scharf, daß sich nichts vor ihm verbirgt, und wäre es so winzig wie die Milbe. Die Blitze und die Donnerschläge mit ihrer Gewalt sind in seiner Hand, der Regenbogen, des Windes Sausen, das schöne und das trübe Wetter. Sein Verstand kennt die Zahl der Sterne, ihre Namen, ihren Lauf, alles, was sie vermögen, ihr Licht und was sie bedeuten. Er wohnt auf den Säulen [?] des Himmels –, wie willst du, Mensch, mit deinem schwachen Verstand zu seiner Erkenntnis gelangen? Sei demütig und sei barmherzig! Barmherzigkeit bewirkte, daß er vom Himmel zur Erde herabstieg. Um unsertwillen vertauschte er seinen Glanz mit der bleichen Farbe des Todes. D Bodmer 1748, S. 221; Bodmer 1759, S. 166; HMS II, S. 236; Bartsch 62, Nr. CI,3; WKL II, Nr. 171; Strauch, S. 82; Pfaff/Salowsky, Sp. 1141; de Boor I, S. 389; Haustein, S. 50 f. E Strauch, S. 144; 198; Riordan 42, S. 605; 609; Schlageter, S. 89–96; Nowak, S. 210 f.; Haustein, S. 50–57; 157–159.

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1,4 Es nahet gegen der sune tage, daz got wil sunen alle klage; wir haben niht gewisses vúr des todes offenunge. wilt du dem tode endrinnen dort, sich, mensche, vernim daz gottes wort. erfúlle mit den werken, daz du sprichest mit der zunge. wie snel ist eines oˇgen blik; so snel ist da ze Josaphat des algerihtes ende. die rehten furent da den sig, so windent die vertanen da vil jæmerlich ir hende. die mUssen in des tievels kewen, da sint si lebent in jamer tot von ewen und ze ewen. da samne uns gottes gute zU der rehten samenunge.

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A C 349 va-b. k 490 vb = Ml 13,V. 12 ze ewen] zewe C. B Zum Verhältnis der Strophen dieses Tons zu einander s. 1,1 Abschnitt B. 1 der sune tage, die zahlreichen, aus verschiedenen Zeiten und Zuständen des Volkes Israel stammenden Prophezeiungen des AT.s vom Strafgericht, das am „Tag des Zorns“ im Tal Josaphat über die dort versammelten Heiden und Gottlosen ergehen werde (s. z. B. Joël 4,2,12; Ez. 7 u. ö.), verknüpft das NT mit den Ankündigungen Christi über das (jüngste) Gericht bei der Wiederkunft des Menschensohnes (s. Mt. 10,15; 12,36; 24,3–25,46; Mk. 13,14–37; Joh. 5,21–28), dem deshalb folgenschwersten Ereignis der Kirchengeschichte, weil es nicht eintrat. Im Urchristentum noch als unmittelbar bevorstehend gedacht, führte die „Parusieverzögerung“ gleichsam zwangsläufig neben der Erwartung des allgemeinen Weltgerichts, dessen Erscheinen immer wieder einmal, vor allem an Jahrhundertwenden, erwartet wurde, zur kirchlichen Lehre vom Strafgericht, dem der Einzelne unmittelbar nach seinem Tod unterzogen wird, verbunden mit der Lehre über ein Fegefeuer als Aufenthalts- und Sühneort bis zur Auferstehung allen Fleisches am jüngsten Tag. Sie war „aus der Auseinandersetzung mit gnostischem Gedankengut unter Anknüpfung an biblische Metaphern“ (TRE 11, S. 70) schon von den Kirchenvätern des 5. Jahrhunderts erwogen worden, erhielt vom 11. Jh. an immer festere Konturen und prägte die Jenseitsvorstellungen und -erwartungen der Gläubigen und damit ihre religiösen Praktiken (vgl. Jaques Le Goff: Die Geburt des Fegefeuers. Stuttgart 1984). Die Lehre, man könne durch ‚gute Werke‘ (Gebete, Seelmessen, Almosen) die Pein der Verstorbenen lindern, war für die katholische Kirche eine reichlich sprudelnde Geldquelle; vgl. auch die Anm. zu L11,8,4. 3 offenunge, eigentlich ‚Öffnung‘, auch ‚Eröffnung‘; Haustein

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plädiert für ‚Öffnung‘ als Vorausdeutung auf den Teufelsrachen in v. 11. Das würde aber in v. 4 einen Bildbereich einbringen, der mit dem Tod sonst nicht verbunden ist. Es ist wohl eher an einen Eingang zum Jenseits zu denken. 4 tode, gemeint ist die Hölle, zu der verdammt zu sein als ‚ewiger Tod‘ bezeichnet wird, s. v. 12. 7 oˇ gen, swn., st. Formen im Sg. erst im 15. Jh. (§ 188 Anm. 2). 11 kewen, mhd kiuwe, eigentlich ‚Kiefer, Kinnbacken‘, zur Form s. u. v. 12. Gottes Widersacher, der Teufel, erscheint im Alten und Neuen Testament als Schlange oder Drache (z. B. Gen. 3.1–15; Offb. 12,7–9), der die Menschen zu verderben sucht, daher schon im AT die Vorstellung vom Höllenrachen (Jes. 5,14); die christliche Ikonographik bildete häufig das Tor zur Hölle, in das die Verdammten eingehen müssen, als weit aufgesperrten Drachenschlund ab, s. LCI, 4, 513–523 Stichwort ‚Weltgericht‘. 12 von êwen zuo (unz, in, an) êwen lautet die vielgebrauchte Formel, die auch hier einzig sinnvoll ist (v.d.Hagen und de Boor ewen unze z’ewen). Strauch schreibt kewen : zewen („für ze êwen“ [S. 144]), führt den Reim zwar unter den wenigen e : ê-Reimen auf (S. 70), will ihn aber (S. 71) einsilbig als keun : zeun lesen, was Bartsch mit dem Hinweis auf ein sewen/seun bei Wolfram, Parz. 497,9 und 681,9 (nicht im Reim) glaubt stützen zu können. Wahrscheinlicher aber liegt auch hier ein Kadenzentausch vor. Weitere e : ê-Reime s. Einl. S. 86. 13 samenunge, beim jüngsten Gericht werden die Gerechten als Versammlung der ‚Gesegneten des Vaters‘ (Mt. 25,31–46) von den Verdammten geschieden. C Es geht auf den Tag des Gerichtes zu, wo Gott alle Klagen befrieden wird; wir haben nichts so Sicheres wie das Tor des Todes. Willst du dort dem [ewigen] Tod entkommen, gib Acht, Mensch, und höre Gottes Wort. Löse, was deine Zunge spricht, durch Werke ein. Wie rasch vergeht ein Augenblick; ebenso rasch ist da zu Josaphat das Weltgericht ergangen. Da tragen die Guten den Sieg davon, die Verdammten ringen jammervoll die Hände. Die müssen in den Teufelsrachen, wo sie lebendig tot sind von Ewigkeit zu Ewigkeit. Möge Gottes Güte uns dort zu der Schar der Gerechten gesellen. D Bodmer 1759, S. 166; HMS II, S. 236; Bartsch 62, Nr. CI,5; WKL II, Nr. 172; Strauch, S. 83; Pfaff/Salowsky, Sp. 1141; de Boor I, S. 545; Haustein, S. 52. E Strauch, S. 144 f.; Bartsch 77, S. 95; Riordan 42, S. 609 f.; Schlageter, S. 89–96; Nowak, S. 210 f.; Haustein, S. 52–57; 157–159.

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2.2.1.2 Ton 2

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2,1 Treit der igel dorne in siner húte, das ist niht ein wunder, wan es ist sin reht. dem sint ungelich die valschen lúte, die sint innen ruch und usserthalben sleht. tumb man, nim dich an! swer dich mit den worten loslich trúte, tU im sam, si er ein ritter ode. r ein kneht.

A C 350 rb. B Zu der Besonderheit der Form s. Einl. S. 47. Wachinger zu den drei Strophen dieses Tons: „Obwohl jede Strophe für sich stehen kann, erhalten doch die ersten beiden Strophen deutlicheres Profil, wenn man sie im Lichte der dritten liest, die die Themen Aufrichtigkeit und Torheit auf das Verhältnis von Sänger und Publikum bezieht, das ja im Idealfall ein Freundschaftsverhältnis sein sollte.“ Aber die dritte Strophe, die ironische Klage des Sängers über die unverständige, lärmende Welt, läßt sich weder mit Aufrichtigkeit noch mit Freundschaft verbinden. Insgesamt scheinen mir Wachingers Profilierungen nur über stark abstrahierende Paraphrasierungen nachvollziehbar. Die Texte legen keine engere Verbindung nahe. Eben die aber scheint mir als Wunsch hinter dergleichen Interpretationen zu stehen, fehlen uns doch präzise Kenntnisse von dem Übergang von der Einstrophigkeit des 12./13. Jahrhunderts zur Mehrstrophigkeit des 15., s. Einl. S. 14 ff. Haustein spricht von der „deutlichen strukturellen Kohärenz der drei Strophen“, die „in Form einer Strophenkette, eines lockeren Strophengefüges also, zusammenhängen.“ Das mag annehmen, wer will (s. dazu die Anm. zu 1,1). Das von Haustein als verbindend angesehene dreimalige tump („Motiv der tumpheit“) funktioniert jeweils unterschiedlich. 1 dorne, mhd. stm., s. § 187 Anm. 1. C Trägt der Igel eine Stachelhaut, so ist das nichts Besonders, es ist das Gesetz seiner Art. Die Betrüger sind ganz anders, die sind innen stachlig und außen glatt. Dummer Mensch, werde gescheit! Wer dir gute Worte gibt um dich zu betrügen, den behandle ebenso, er sei Ritter oder Knecht. D Bodmer 1748, S. 221; Bodmer 1759, S. 168; Rückert, S. 376 (Nachdichtung); HMS II, S. 238; Goedeke, S. 945; Strauch, S. 89; Pfaff/Salowsky, Sp. 1146; Zoozmann, S. 127 (Nachdichtung); Wentzlaff-Eggebert I, S. 216; Haustein, S. 160.

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E Strauch, S. 31 f.; 150; Wachinger 85, S. 72 f.; Rettelbach, S. 227; Haustein, S. 160–162.

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2,2 Ob dem beine hasset hunt gesellen. gUter frúnde in not ieman vil lúzel siht. swer den rin mit leime wil verswellen, der hat min, swie tumbe ich si, ze helfe niht. frúnt min du solt sin, swie min ‚nein‘, din ‚ja‘ gelichen wellen. sus hat frúnt mit frúnde rehtes frúndes pfliht.

A C 350 va. 7 din v.d.H.] dich C. B Zum Verhältnis der Strophen dieses Tons zueinander s. o. Abschnitt 2,1B. 4 swie tumbe, häufig verwendeter Bescheidenheitstopos, Belege Roethe, S. 203 Anm. 258. 7 Strauch (S. 32) paraphrasiert: „nur wo der eine sein Ja dem Nein des andern opfert.“ Wachinger wendet ein, daß gelichen gerade nicht auf eine Unterordnung hindeute, und versteht die Stelle, richtig, wie ich meine, so: „wie immer mein Nein und dein Ja zusammenpassen mögen, d. h. auch und gerade, wenn ich dir widerspreche.“ Haustein stimmt dem zu, meint aber, daß gelîchen einen Dativ erfordere und konjiziert, einem Vorschlag Stackmanns folgend, dîm, gibt aber zu bedenken, daß man dann einen Reim gesellen : verswellen : welle in Kauf nehmen müsse, den er für singulär hält, da Strauchs Ausgabe die übrigen beseitigt hat (s. o. die Anm. zu L3,3,3 : 6). Wenngleich also gegen einen -e : -en-Reim keine Bedenken bestehen, scheint mir doch eher eine parallele Fügung min/din beabsichtigt gewesen zu sein. Ich nehme absolut gebrauchtes gelîchen ‚gleich sein‘ an, vgl. BMZ I, 974a. Der Spruch ist ein Paradebeispiel für einen Stil, der anscheinend Unzusammenhängendes aufzählt, aber durch die Schlußfolgerungen aus jeder einzelnen Aussage, die dem Hörer überlassen bleiben, ein Thema, hier die Freundschaft, umkreist, etwa so: Unter Hunden hört die Freundschaft beim Knochen auf. Wahre Freundschaft zeigt sich in der Not. Für Torheiten sollte man Freundschaft nicht mißbrauchen. Meinungsverschiedenheiten sollten die Freundschaft nicht tangieren. C Wenn der Hund einen Knochen hat, mag er keinen andern in seiner Nähe haben. In der Not sieht man kaum einen guten Freund. Wer den Rhein mit Lehm stauen will, findet in mir keinen Helfer, so töricht ich auch sonst sein mag. Mein Freund sollst du sein, auch wenn mein ‚ja‘, dein ‚nein‘ gleich gelten wollen. So geht der Freund als rechter Freund mit dem Freund um.

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D Bodmer 1759, S. 168; HMS II, S. 238; Goedeke, S. 945; Strauch, S. 89; Pfaff/ Salowsky, Sp. 1146; Wentzlaff-Eggebert I, S. 216; Haustein, S. 160. E Strauch, S. 31 f.; 150; Wachinger 85, S. 72 f.; Rettelbach, S. 227; Haustein, S. 160–162.

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2,3 Us eime. herten steine zuker billen ald us einem fulen holze wachs bern –, wer kan dirre werlte nach ir willen sprechen alde sinen sank verzern? wes, des wæne ich, wes muggen susent, schrient oˇch grillen. wer kan dirre tumben diet ir mUt erwern?

A C 350 va. B Zu v. 1 s. Anm. 75; v. 4 ist um einen Takt zu kurz, Strauch ergänzt nu wol; rehte oder etwas Entsprechendes schiene mir angemessener. Zur Vermeidung der einsilbigen Innentakte v. 2 wáchs bérn und v. 7 oˇ´ ch gríllèn schreibt Strauch alde wahs ûz usw und die grillen; er zerstört damit den Parallelismus in v. 1 und 2. Zum Verhältnis der Strophen dieses Tons zueinander s. o. Abschnitt 2,1B. 1–2 Unerreichbares oder auch nur Schwierigkeiten werden in der Gnomik vielfach mit Beispielen unmöglicher Vorgänge illustriert; s. dazu ‚Lügendichtung‘, 2RL II, S. 496–499. 4 verzern, nach Wachinger hier wohl ‚aufwenden‘ im Sinne von ‚sich abmühen‘, eine Deutung, die Haustein für die Marner-Zeit für unzulässig hält. Er bleibt bei der geläufigen Bedeutung ‚vernichten, verbrauchen‘ und glaubt, es sei etwas gemeint wie „Weder kann man stets alles loben noch seinen Tadel (sanc ) herunterschlucken.“ Als Frage (Wer kann seinen Sang herunterschlucken?) gibt das aber keinen rechten Sinn; verzern muß hier so etwas wie ‚anwenden, gebrauchen‘ bedeuten. 5–8 Wachinger meint, das „dunkle Tiergleichnis“ mit der Dummheit des Publikums in Verbindung bringen zu sollen („wessen [mhd. swes] Mücken sausen, dem [! nicht im Text] schreien auch die Grillen“), er paraphrasiert deshalb: „Wer seinen törichten Flausen freien Lauf läßt, der darf keine schönen Lieder erwarten, für den sollen meine Lieder wie Grillengeschrei klingen.“ Haustein möchte v. 5–7 „weniger auf die Lieder des Sänger-Ich als auf die unsinnigen Lebensmaximen der Zuhörer“ beziehen und paraphrasiert grammatisch korrekt: „Wovon die einen sûsent, davon schrîent die anderen, d. h. alle reden auf dümmliche Weise.“ 5–7 das ungewöhnliche Me-

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trum (s. Anm. 95) erzwingt hier eine syntaktische Verschiebung: wes, des = wovon, davon, mit eingeschobenem wæne ich; dann wird das wes wiederholt; die Gleichsetzung von Mücken und Grillen mit dem dummen Volk bleibt dem Hörer überlassen; nur das deiktische dirre funktioniert als Rückverweis. Zu der Einstellung zum Publikum vgl. auch 7,14. 7 muggen, zur im Alem. bevorzugten Form s. § 133,1. 8 ir, zur Inkongruenz s. § 430. C Aus einem harten Stein Zucker herausschlagen oder aus faulem Holz Wachs klopfen –, wer kann für diese Welt sprechen oder seinen Gesang einsetzen, wie sie es sich wünscht? Wovon, so kommt es mir vor, Mücken summen, schreien Grillen, wer kann dies dumme Volk von solchem Geschmack abbringen? D Bodmer 1748, S. 221; Bodmer 1759, S. 168; HMS II, S. 239; Goedeke, S. 945; Strauch, S. 89; Pfaff/Salowsky, Sp. 1146; Wentzlaff-Eggebert I, S. 217; Haustein, S. 160. E Strauch, S. 31; 150 f.; Wachinger 85, S. 72 f.; Rettelbach, S. 227; Haustein, S. 160–162; Obermaier, S. 178 und Anm. 81.

2.2.1.3 Ton 3

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3,1 Ich spúr ein wunder dur dú lant in gelwer grüener varwe schin. es hat fús, oˇgen noch die hant und wil doch bi den lúten sin, beide armen unde richen. es bindet manigen ane bant. es vert die tUnoˇwe und den rin. es treit den herren ir gewant und trinket mit den vúrsten win. es kan bi den frowen slichen. es stirbet hie und wahset dort, es vert spate unde frU. es sleich uf einem boˇm der ersten megede zU. es slUg der werlte vierden teil und sleht noch oˇch vil manigen goˇch, rint ane horn. es hat vil manig man sin heil,

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sinen lib, sine. sele von im verlorn. sage an, wem mag es sich ge. lichen? A C 351ra. 2 gelwer v.d.H.] gelf’ C. 11 frU] froˇ C. 12 boˇm v.d.H.] bon ˘ C. B Wachinger (85, S. 75) findet den Ton 3 „thematisch homogen“, Haustein (S. 163) glaubt zumindest, „von der Möglichkeit eines liedartigen Vortrags ausgehen zu können“ (s. dazu die Anm. zu 1,1). Zum „änigmatischen Sprechen“ und seiner Funktion s. Bulang, S. 43–45. 1 Ich spúr, Tomasek nimmt für diese Wendung sowie den Aufbau des Rätsels insgesamt Einfluß von Offb. 13 und 14 an. wunder, die Lösung des Rätsels ist ‚der Neid‘. 2 gelwer gruner, schon Strauch verweist auf Freidank 60,5 f. Gel, grüne, weitîn [blaßblau] / daz sol diu nîtvarwe sîn. 7 die Flußnamen müssen nicht als Hinweise auf bestimmte Aufenthalte verstanden werden, sondern bezeichnen wohl nur allgemein weite Bereiche. Strauch (S. 156) und Haustein (S. 164) möchten eine Anspielung auf die großen Höfe längs Rhein und Donau darin sehen. 12 einem, Strauch löst eine der Hs. als einen auf. boˇ m, Anspielung auf die Verführung der Eva im Paradies, die ikonographisch häufig mit einer von einem Baum herabzüngelnden Schlange dargestellt wird; s. die Anm. zu 1,2,9–13. 13 vierden teil, Kain (Gen. 4,8) beging als dritter Mensch neben Adam und Eva an dem vierten, seinem Bruder Abel, den ersten Mord der (biblischen) Menschheitsgeschichte (vgl. Freidank 109,8 f.). C In allen Ländern stoße ich auf ein Monstrum, gelbgrün von Aussehen. Es hat weder Fuß noch Augen noch eine Hand, will sich aber doch bei den Menschen aufhalten, bei armen wie bei reichen. Ohne Band fesselt es doch viele. Es reist über Donau und Rhein. Es trägt den Herren die Schleppe und trinkt Wein mit den Fürsten. Es treibt sich bei den Frauen herum. Es stirbt hier und wächst dort empor, spät und früh ist es am Werk. Auf einem Baum machte es sich an die erste Jungfrau heran. Ein Vierteil der Menschheit hat es erschlagen und stößt auch noch heute manchen Toren zu Boden, dieses Vieh ohne Horn. So mancher hat seinetwegen Heil, Leben und Seele verloren. Sag, worauf trifft das zu? D Bodmer 1759, S. 169; HMS II, S. 240 f.; Goedeke, S. 945; Strauch, S. 96; Pannier, S. 245 f.; Pfaff/Salowsky, Sp. 1150; Obermann, S. 149 (Nachdichtung); Loewenthal, S. 100 f.; Schupp, S. 41 f.; Tomasek, S. 275; Haustein, S. 162. E Strauch, S. 15; 155 f.; Roethe, S. 184 f.; Loewenthal, S. 101; 137–139; Wachinger 73, S. 121; 85, S. 75 f.; Tomasek, S. 275 f.; Haustein, S. 21; 27; 162–166.

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3,2 Wie hofsche lúte habe der rin, daz ist mir wol mit schaden kunt. ir hube, ir har, ir keppelin erzeigent núwer fúnde vunt. crist in helfe, so si niesen! es mag wol curteis povel sin: ‚pittit mangier‘ ist in gesunt. stad uf, stad abe in wechset win, in dienet oˇch des rines grunt. ich wil uf si gar verkiesen: der ymelunge hort lit in dem lurlenberge in bi. i’n weis ir niender einen, der so milte si, der den gernden teilte mite von siner gebe. die wile ich lebe, sin vri vor mir. ir mUt, der stat uf solhen sitte: „nu gib du mir, so gibe ich dir.“ si e nwellent niht verliesen.

A C 351ra-b. 19 si enwellent] sinen wellent C. B In der Hs. ist v. 13 ohne Auftakt, den Strauch durch daz er herstellt, weil er das hsl. der als dêr auffaßte, was er 4,2,8, 7,2,17 und 7,8,20 auch schreibt. Dieses dêr gilt seit Hermann Paul (PBB 1 [1874], S. 358 Anm.) als Lachmannsches Kunstwort, gegen das Haustein (S. 90 Anm. 92) noch einmal Einwände sammelt. Die Mhd. Grammatik wendet sich gegen die Form dêr, gibt aber an, daß „oft“ dër für daz er eintrete, was auch hier der Fall ist. Dazu Pauls Erklärung, die Annahme von dêr beruhe „hauptsächlich auf der verkennung des dem mhd. mit dem afranz. gemeinsamen eigentümlichen gebrauch des relativpronomens in fällen, in denen wir im nhd. allerdings ‚dass er, dass sie‘ etc. zu setzen pflegen.“ Zum Verhältnis der Strophen zueinander s. o. Abschnitt 3,1B. Zum biographischen Gehalt und zu den gleichen Vorwürfen bei Bruder Wernher s. Anhang S. 395. 5 helfe, wohl nicht, weil sie beim Niesen aus ihrer höfischen Rolle fallen könnten (Haustein), auch nicht, wie Wachinger als Brauch erschließt, der dem Sänger übertrieben höfisch vorkomme: „wenn sie niesen, heißt es: „Helf euch Christus“, sondern bezogen auf v. 3–4: ihr Kopfputz könnte dabei in Unordnung geraten. 6–7 curteis … pittit mangier, ironisieren die in vornehmen Kreisen der rheinischen Gebiete offenbar stark ausgeprägte Neigung, sich nicht nur französi-

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scher Wörter zu bedienen, sondern auch französische Sitten einzuführen. 7 pittit mangier, nach H. Suolahti, S. 182 eine „leichte Mahlzeit, die oft früh Morgens eingenommen wurde“, also nicht ‚karge Mahlzeit‘, wie Wachinger und Haustein vermuten. 9 rines grunt, v.d.Hagen IV, S. 525 verweist auf das Gold im Rheinsand, „dessen Wäsche und Ausmünzung noch fortdauert“. Strauch, S. 156 vermehrt dazu die Belege. 11 ymelunge, die gleiche Form auch 7,14,15. W. Grimm (Die deutsche Heldensage. Darmstadt 41957), S. 179 f. hält ymelunge für eine „absichtliche oder volksmäßige Entstellung“, J. Grimm für eine Nebenform von „nibelunge“. lurlenberge, der Hort der Nibelungen wurde in den Rhein versenkt. Haustein nimmt an, daß er des Rheingoldes in v. 9 wegen, „um eine ungeschickte Wiederholung zu vermeiden“, in den Lurleberg verlegt worden sei. Ich halte eine solche willkürliche Veränderung eines so integralen Bestandteils der Nibelungensage für unwahrscheinlich, eher möchte ich mit Jacob Grimm (S. 820) Vermischung mit einer Sage von einem ganz anderen Schatz vermuten. Grimm verweist auf einen Bürglenberg unweit Breisach, in dem der Schatz der Harlunge (Amelunge) verborgen war. Eine Verwechslung mit dem Amelungenschatz im Bürglenberg im Breisgau nahmen auch Karl Simrock (Handbuch der deutschen Mythologie, Bonn 1887), S. 393 und Wilhelm Wackernagel (Die deutsche Heldensage im Lande der Zähringer und in Basel. ZfdA 6 [1848], S. 156–161), S. 157 an, weshalb Wackernagel ohne Kommentar ‚Burlenberg‘ für lurlenberge einsetzte. Gegen den Burlenberg und für den Loreleifelsen wieder Holtzmann, S. 446, ohne auf die ymelunge einzugehen. Bei dieser Sachlage: der Nibelungenhort im Rhein, lediglich in der Nähe des Loreleifelsens, der Amelungenschatz im Berg, aber mit dem falschen Bergnamen, entschieden sich die Herausgeber seit und mit Bartsch für ‚Nibelungen‘ (Ausnahme: Wachinger 06) und ‚Lorlaiberg‘, auch das Register des RSM gibt für diese Stelle ‚Lorelai‘ an. Vgl. dazu noch die zweite Strophe eines mehrfach überlieferten Meisterlieds mit polemischem Hintergrund in der Alment des Stolle (RSM 5, 1Stol/504a-c), Kolmarer Hs. 713rb Ich kam zu tal in nyderlant gefarn by kurczer zyt / fur daz gebirge da der lorleberg nah inne lyt / Ich kam da fur vnd rieff dar yn / Ich fragte wann myn armUt hett ein ende. 12–13 si, zum Konjunktiv in Sätzen, die von einem übergeordneten negierten Satz abhängen s. § 469. teilte, Strauch schreibt gramm. korrekt teile; ist das Präteritum Ausdruck einer realen Erfahrung in der Vergangenheit? 16 zum Fehlen des Pronomens si nach einem Konjunktiv mit imperativischer Funktion (sin) s. § 399. 20 si enwellent, v.d.Hagen sin’enwellent, Strauch sine wellent. C Was der Rhein für höfisches Volk hat, habe ich nicht ohne Schaden erfahren. Ihre Hauben, ihre Frisuren, ihre Kapuzenmäntelchen sind Kreationen der neuesten Mode. Möge Christus ihnen beistehen, wenn sie niesen! Sie müssen courtoises Gesindel sein: ‚pittit mangier‘ halten sie für bekömmlich. Den Fluß hinauf und hinunter wächst ihnen Wein, der Grund des Rheins kommt ihnen zu Hilfe. Ich trage ihnen wirklich nichts nach: Im Lorleberg liegt der Schatz der ymelunge

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für sie. [Aber] ich kenne keinen von ihnen, der so freigebig ist, daß er von dem Seinen den Fahrenden etwas abgegeben hätte. So lange ich lebe, will ich nichts mit ihnen zu tun haben. Ihre Gesinnung kennt nur: „Gib du mir, entsprechend gebe ich dir.“ Sie wollen nichts einbüßen. D Bodmer 1748, S. 221 f.; Bodmer 1759, S. 169; W. Wackernagel1, S. 330; HMS II, S. 241; Wackernagel2, S. 691 f.; Goedeke, S. 945; Bartsch 64, S. 175; Strauch, S. 97 (Übers. S. 14); Pannier, S. 244 f.; Pfaff, S. 173 f.; Pfaff/Salowsky, Sp. 1150 f.; v.d.Leyen 41, S. 102; v.d.Leyen 62 und 80, S. 579 f.; Haustein, S. 163; Krause, S. 251; Wachinger 06, S. 246 f. (mit Übers.). E J. Grimm, S. 820; Holtzmann, S. 445 f.; Strauch, S. 14; 156 f.; Wachinger 73, S. 121 f.; Haustein, S. 6; 27f.; 162–166; Wachinger 06, S. 751 f.

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3,3 We dir, von zweter Regimar! du núwest mangen alten vunt, du speltest als ein milwe ein har, dir wirt us einem orte ein pfunt, ob din liessen dich niht trúget. dir wirt us einem tage ein jar, ein wilder wolf wirt dir ein hunt, ein gans ein goˇch, ein trappe ein star, dir spinnet hirz dur dinen munt: wa mit hast du daz erzúget? ein lug dur dine lespe sam ein slehtú warheit vert, du hast dien vischen hUsten, krebsen sat erwert. bi dir so sint drú wundertier: daz ist der git, has unde nit. du dœnedieb! du brúwest ane malz ein bier: supf us! dir ist ein leker lieb, der den herren vil gelúget.

A C 351rb. 17 brúwest (Wackernagel )] pruuest C. B Zu diesem Text, dem mit 7,14 meistbeachteten Sangspruch des Marner s. Willms, Noch einmal, S. 335–342. Als Nachtrag dazu: Obermaier (S. 210) sieht den „Angriffspunkt“ des zweiten Verses ohne weitere Erklärung „weder im niu-

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wen noch im alten vunt, sondern in dem Wörtchen manegen.“ Ähnlich wie Haustein sieht sie überdies im Marner-Text weniger einen Angriff auf die Person Reinmars, wie bisher angenommen (s. u.); der Marner exemplifiziere „vielmehr – in Form einer Polemik – einen seiner poetologischen Grundgedanken: die Wahrung des ernsthaften Anspruchs der Dichtung ohne Rücksicht auf Publikumsgeschmack und finanzielle Vorteile“. 1 Reinmar v. Zweter, berühmter, äußerst produktiver Sangspruchdichter aus der ersten Hälfte des 13. Jh.s., verfaßte weit über zweihundert Sangsprüche von großer Themenvielfalt, die meisten im Frau-Ehren-Ton, Lobsprüche auf verschiedene hohe Herren, keine Bettelsprüche, s. H. Brunner, 2VL 7, 1198–1207. 1:3:6:8 zu dem â : a-Reim s. Einl. S. 86. 4 orte, stn., Lexer II,171 (aus einer Urkunde von 1330) ain viertail von ainem Wienner phenning, daz dô haizzet ein ort oder ein halber helblinch. 7–12 Ein Teil der Invektiven enthält Anklänge an Reinmars Lügenspruch 159 Ich quam geriten in ein lant / ûf einer blâwen gense, dâ ich âventiure vant: / ein crâ mit einem habche diu viengen vil der swîne in einer bach. / Ein hase zwêne winde zôch, / ein ber jagt einen valken, den vienc er in den lüften hôch, / schâchzabel spilten muggen, zwô meisen einen turn ich mûren sach. / Dâ saz ein hirz unt span vil cleine sîden, / dâ huote ein wolf der lember in den wîden: / ein crebze vlouc mit einer tûben / ze wette, ein phunt err an gewan: / drî grôze risen erbeiz ein han: / ist daz wâr, sô næt ein esel hûben. Nur v. 9 kann als Zitat gelten. Für den Angriff insgesamt fand man in Reinmars Sprüchen keinen Anhaltspunkt, was zu Deutungsfehden unter den Literaturwissenschaftlern führte, z. B. neigt Wackernagel (Geschichte d. dt. Lit., 21879, S. 303 Anm. 67) dazu, das Ganze für Ironie zu halten, dagegen nennt Roethe (S. 184) „den unflätig albernen Angriff“ töricht und ungeschickt, geboren aus dem Brotneid des Konkurrenten. Für Wachinger (73, S. 127) ist die Strophe: „Der … erste konkret polemische Text“; ebenso Wittstruck und Strohschneider. 12 erwert, der Vers wurde meist als weiterer Vorwurf aus Verkehrte-Welt-Motiven verstanden (Wehrli: „gewährt“; Curschmann/Glier: „angedichtet“; Höver/Kiepe: „zugestanden“). Haustein übersetzt unter Berufung auf BMZ III, Sp. 515a-b; Lexer 1, Sp. 700: „verweigert“, auf der gleichen Spur Birkhan: „verboten“. Wenn sie Recht haben, erhebt v. 12 eine ganz andere Art von Vorwürfen: Da Fische nicht husten und Krebse nicht säen, ist es überflüssiger Unsinn, es ihnen zu verbieten. Ist das vielleicht sogar die slehtú warheit aus v. 11, hinter dem man dann einen Doppelpunkt erwägen könnte? 16 dœnediep, diese Beschimpfung bereitet den Mediaevisten nach wie vor ein besonderes Unbehagen; noch Tervooren 01, S. 63 spricht von dem „bisher nicht befriedigend geklärten Vorwurf des Marners“, er äußert sich zudem etwas kryptisch zu Hausteins Übersetzung als ‚Kunstverderber‘, was „allerdings das Problem auf andere Weise“ löse. 17 Eine Kollegenschelte, die in C und A unter dem ‚Jungen Spervogel‘ aufgeführt wird, bedient sich eines Bildes aus dem gleichen Bildbereich (KLD Namenlos h 22b, 9 f.) swer malzes pfligt die wîle ez lît dur derren ûf dem slâte / der lobe sîn bier unz er besehe wie ime sîn wurz gerâte, ein Be-

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zug auf den Marner muß darin nicht gesehen werden, vgl. Anhang, Anm. 152. 18 supf us, vgl. Berthold v. Regensburg I, 435,20 Daz dû dir selber gebriuwen habest, daz trinck ouch selber. C Schande über dich, Reinmar von Zweter! Du erneuerst [zwar] manchen alten Fund, [aber] du spaltest ein Haar wie die Milbe, ein Halbheller wird dir zu einem ganzen Pfund, wenn dein fauler Zauber dich nicht [selbst] täuscht. Ein Tag gerät dir zu einem Jahr, ein wilder Wolf zu einem Hund, eine Gans zum Kuckuck, eine Trappe zu einem Star. Durch deinen Mund [in deinen Worten] kann ein Hirsch spinnen: Womit hast du das nachgewiesen? Eine Lüge geht so leicht über deine Lippen wie eine aufrechte Wahrheit, den Fischen hast du zu husten, den Krebsen die Aussaat gestattet (oder: verboten?). Drei Monstren begleiten dich: Das ist der Geiz, Mißgunst und Neid. Du Tönedieb! Du braust ein Bier ohne Malz: Schluck das! Du machst gern den Speichellecker, der den Herren viel vorlügt. D Bodmer 1748, S. 222; Bodmer 1759, S. 169; HMS II, S. 241; W. Wackernagel2, Sp. 695; Goedeke, S. 945; Bartsch 64, S. 175 f.; Strauch, S. 97 f.; Pfaff/Salowsky, Sp. 1151; Walter, S. 106; Wehrli, S. 450 f. (mit Übers.); de Boor I, S. 696; Wentzlaff-Eggebert III, S. 108; Wachinger 73, S. 121; Koch, S. 79 f.; Höver/Kiepe, S. 273 (mit Übers.); Curschmann/Glier II, S. 54 (mit Übers.); Schweikle 86, S. 78; Jaegle, S. 80 (nur Nachdichtung); Haustein, S. 14; Bein 98, S. 126 f.; Birkhan, S. 169 f. (mit Übers.). E Strauch, S. 24–26; 157; Roethe, S. 183–187; Walter, S. 106; Kohnle, S. 145–148; Wachinger 73, S. 121–127; Wittstruck, S. 142; Strohschneider 90, S. 223; Haustein, S. 14–31; 162–166; Obermaier, S. 210 ff.; Bein 98, S. 126–128; Yao, S. 78; Willms, Noch einmal, S. 335–342.

2.2.1.4 Ton 4 (Stolles Alment)

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4,1 Maria, mUter unde meit, der súnder trosterin, aller heiligen frowe und in himel kúnigin, din schone git dem throne glast also, daz in din schone uberschonet. da ist froide an ende und an ort, dú niemer me zergat, da got und sin mUter sitzent in ir majestat. ich wolte gerne sin ein gast, da iegelich engel lob ze lobe donet. sant michahel, der singet vor

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christes lob, daz es in dem throne erhillet; sam tUnt engel in ir kor, daz alles himelisches her in den froiden schillet, da tusent jar noch kurzer sint danne hie ein stúndelin. die ge. nade hant si von gotte und dar zU von der lieben mUter sin.

A C 351rb, zwischen den Spalten vor 4,1,1 alt stolle. 12 himelisches (St.)] himelsches C. B Als Alment tradierter Ton, der mit dem Namen des alten Stolle, eines Sangspruchdichters und Zeitgenossen des Marner (s. G. Kornrumpf, 2VL 9,356–359), verbunden wird und von verschiedenen Sängern, meist mit leichten Abwandlungen, benutzt wurde (s. dazu Kornrumpf/Wachinger). Die in allen drei Strophen nicht deutlich zäsurierte Langzeile v. 14 bei Strauch, Pickerodt-Uthleb und im RSM als v. 14 (vierhebige Waise) und v. 15 aufgefaßt und als Tonvariante verbucht; dagegen Rettelbach, S. 85 Anm. 52: „Zäsur der Schlußzeile“. In der Hs. sind ohne Auftakt v. 2 (oder allér?), v. 10 (oder christés?) und v. 11, wo Strauch ihn durch alsam herstellt. Er tilgt die zweisilbige Senkung v. 10 daz es durch deiz (s. S. 69: Synaloephe), vermeidet den eigentlich zu schwach gefüllten einsilbigen Takt v. 12 hér ín durch Einfügen eines da (zu erwägen wäre here) und v. 14 hánt sí durch hábent, nicht aber v. 6 sín múter. 1 mUter unde meit, die im AT vorhergesagte jungfräuliche Empfängnis der Gottesmutter (Jes. 7,14 „Seht, die Jungfrau wird ein Kind empfangen, sie wird einen Sohn gebären, und sie wird ihm den Namen Immanuel [Gott mit uns] geben.“), die Parthenogenese (Lk. 1,26–38) ist neben dem Opfertod Christi das Thema, auf das der Marner in seinen geistlichen Gedichten am häufigsten zu sprechen kommt, s. Einl. S. 32 f. 2 in himel, zum artikellosen Gebrauch des Substantivs s. § 421 . kúnigin, zwar galt Maria als Abkömmling aus dem Königsgeschlecht Davids (s. die Anm. zu 5,2,3), aber der Titel ‚Königin‘ (regina coeli ) kam ihr in erster Linie deshalb zu, weil sie die Mutter des himmlischen Königs war. Ihre leibliche Aufnahme in den Himmel und ihre Krönung dort galten als Glaubenstatsachen (Belege P. Kern, Anhang XIV*). Ihr Vorbild sah man aber auch in dem Apokalyptischen Weib Offb. 12,1: „eine Frau mit der Sonne bekleidet, der Mond war unter ihren Füßen und ein Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt.“ 3 schone, Schönheit wurde der Gottesmutter wohl aufgrund der Identifizierung mit der Braut des Hohen Liedes (Hld. 1,8: „du schönste der Frauen“; ebd. 1,15: „Schön bist du, meine Freundin, ja, du bist schön“) zugesprochen; s. noch Einl. S. 33. 9 michahel, durch Offb. 12,7 verbürgter Name eines Engels, der mit seinen Engeln den Drachen (Teufel) und dessen Engel besiegen werde. Er wurde mit jenem Schutzgeist Michael identifiziert, der im AT (Dan. 10,13; 21 und 12,1) als Helfer gegen die Feinde Israels genannt wird. Ihm

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werden der Vorrang vor allen Engeln und größte Gottesnähe zugeschrieben. 9:11 zu dem o : ô-Reim s. Einl. S. 87. 10 Strauch an statt in, Thron steht aber für Himmel. 11 kor, durch die dem Pseudo-Dionysius Areopagita zugeschriebene, um 533 entstandene Schrift ‚De caelesti hierarchia‘ wurde die Vorstellung einer himmlischen Hierarchie von neun Engelchören, die wohl auch mit einer räumlichen Vorstellung verbunden war, allgemein verbreitet. 13 Ps. 90,4: „Denn tausend Jahre sind für dich wie der Tag, der gestern vergangen ist, wie eine Wache in der Nacht.“ 14 Haustein (S. 79) bezieht die gnade auf das Geschenk des Gesanges und sieht hier die Erörterung einer „poetologischen Thematik“, die er im Rahmen eines Marienlobs „ungewöhnlich“ findet. Der näher liegende Bezug auf das Geschenk der himmlischen Existenz allgemein hebt die Ungewöhnlichkeit auf. C Maria, Mutter und Jungfrau, Trösterin der Sünder, Herrscherin aller Heiligen und Königin im Himmel, deine Schönheit verleiht dem Thron Glanz, so daß deine Schönheit seine Schönheit noch strahlender macht. Wo Gott und seine Mutter in ihrer Herrlichkeit thronen, da ist Seligkeit ohne Grenze und Ende, die niemals vergeht. Gern wäre ich Gast dort, wo jeder Engel Lob mit Lob vermehrt. Sankt Michael stimmt Christi Lob an, daß es in dem Thronsaal aufschallt, ihm folgen die Engel in ihrem Chor, so daß das ganze himmlische Heer in Seligkeit erschallt, wo tausend Jahre kürzer sind als hier ein Stündchen. Dies Gnadengeschenk haben sie von Gott und auch von seiner geliebten Mutter. D Bodmer 1759, S. 169 f.; Tieck, S. 179 f.; HMS II, S. 241; WKL II, Nr. 174; Strauch, S. 98; Pfaff/Salowsky, Sp. 1151 f.; Höver/Kiepe, S. 273 f. (mit Übers.); Haustein, S. 78. E. Strauch, S. 157; Schlageter, S. 103–109; Wachinger 73, S. 125 Anm. 16; Kornrumpf/Wachinger, S. 360 ff.; Rettelbach, S. 84–86; 137; Haustein, S. 78–80; 166–171.

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4,2 Got helfe mir, daz minú kinder niemer werden alt, sit daz es in der werlte ist so jæmerlich gestalt. wie stet es uber drisseg jar, sit man die pfaffen siht so sere striten? sagt mir, der babst von rome, waz sol ú der krumbe stab, den got dem gUten sant peter uns z’enbinden gab? stol unde infel gab er dar, das er uns erloste. von súnden z’allen ziten. nu sint die stole worden swert, die vehtent niht nach sele. n, núwan nach golde.

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wer hat úch, bischof, daz gelere. t, daz ir under helme ritent, da dú infel sunen solde? úwer krumber stab, der ist gewahsen z’einem langen sper. die werlt habt ir betwungen gar, úwe. r mUt stet anders niht wan: „gib eht her!“ A C 351rb. B Zur Tonbezeichnung und zur Teilung von v. 14 s. 4,1B. Zu der „unreinen“ Anreimung des Halbverses mit gar an 3 und 7 jâr : dâr (korrekt: dar ‚dorthin‘) Rettelbach, S. 85 Anm.: in 4,2 und 4,3 „scheint in der Zäsur der Schlußzeile Reim b noch einmal aufgenommen. In 3 wäre dies aber ein identischer Reim …, der nicht als Reim gilt …, so mag das auch in 2 Zufall sein.“ Strauch beseitigt den einsilbigen Takt in v. 6 sánt péter durch sante, den zweisilbigen Auftakt in v. 8 durch dêr statt das er (Haustein daz’r ), s. dazu die Anm. zu 3,2,13; v. 12 zweisilb. Auftakt oder undr? Für Müller gibt es keine Anhaltspunkte für eine Datierung. Hohmann (S. 99) vermutet Entstehung zur Zeit des Interregnums (vom Tod des letzten Staufers Konrads IV bis zur Wahl Rudolfs von Habsburg 1273). 1 minú kinder, s. § 180 Anm. 2, sonst Pl. kint, s. L7,5,1 und 7,15,15. Der Vers wurde früher als Beleg dafür genommen, daß der Marner Familie gehabt habe. Haustein verweist zu Recht auf den „literarischen“ Charakter dieses Stropheneingangs, der die „Dramatik“ der politischen Situation aufs äußerste verschärft. 3:7 zu dem Reim â : a s. Einl. S. 86. 5–7 verliehen wurde dem Jünger Petrus als Schlüssel zum Himmelreich die Macht der Sündenvergebung; Krummstab, Stola und Inful (eine Kopfbedeckung) wurden später Teile des bischöflichen Ornats. 5 zum best. Artikel in der Anrede s. § 347,3. 9:11 einer der wenigen e : ê-Reime, s. dazu Einl. S. 86. 9–14 Hohmann (S. 100 Anm. 160) verweist auf das anonyme carmen buranum 38,4, das dem Marner als Vorlage gedient haben könnte: Episcopi cornuti conticuere muti, ad predam sunt parati et indecenter coronati; pro virga ferunt lanceam, pro infula galeam, clipeum pro stola – hec mortis erit mola –, loricam pro alba – hec occasio calva –, pellem pro humerali pro ritu seculari.

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11 bischof, der Papst war zugleich Bischof von Rom; zu erwägen ist aber vor allem in Hinblick auf die mögliche Vorlage der – möglicherweise erst vom Schreiber – apokopierte Plural Bischöfe (so auch Gent, S. 167; Hagenlocher, S. 213; unbestimmt Haustein, S. 168: „und wohl auch generell … die Bischöfe“), in beiden Fällen wäre der Ausdruck under helme ritent (vgl. noch Reinmar 127) ebenso wie das ferunt wohl metaphorisch für das Anzetteln und Austragen von Kriegen durch gedungene Heere zu verstehen; den Geistlichen war das Tragen und Führen von Waffen pro ritu seculari verboten. 12 ritent, zur hauptsächlich im Alem. gebrauchten Flexionsendung -ent für die 2. Pers. Pl. s. § 240 Anm. 3. 13 krumber stab, vgl. 6,4,11–13. Über die Schelte der Geistlichen allgemein vgl. Schüppert, S. 58–90; Ilgner, S. 164–178; Koch, S. 54 ff. C Gott steh mir bei, daß meine Kinder nicht alt werden, da es um die Welt so schlimm bestellt ist. Wie wird es in dreißig Jahren aussehen, da man die Geistlichen so heftige Fehden austragen sieht? Sagt mir, Papst in Rom, was macht ihr mit dem kurmmen Stab, den Gott dem guten Sankt Peter verlieh, um uns [von unseren Sünden] zu entbinden? Stola und Inful hat er ihm verliehen, damit er uns immer wieder von den Sünden erlöse. Nun sind die Stolen zu Schwertern geworden, die aber nicht um Seelen kämpfen, sondern nur um Gold. Wer hat euch, Bischof [oder: Bischöfe], dazu angeleitet, daß ihr da behelmt reitet, wo die Inful ihr Sühnewerk tun sollte? Euer krummer Stab hat sich zu einem langen Speer ausgewachsen. Der ganzen Welt habt ihr Gewalt angetan, euer Sinn steht nach nichts anderem als nach: ‚Her damit!‘ D Goldast, S. 426 f.; Bodmer 1759, S. 170; Rückert, S. 376 nur v. 1–4; danach Werner Kraft: Wiederfinden. Heidelberg 1962, S. 192; HMS II, S. 241; Strauch, S. 98 f.; Pannier, S. 247; Pfaff/Salowsky, Sp. 1152; Obermann, S. 148 (Nachdichtung); Nitz, S. 50 f.; de Boor II, S. 1028 f.; Wentzlaff-Eggebert II, S. 182; Müller I, S. 60; Ilgner, S. 271; Höver/Kiepe, S. 274 (mit Übers.); Haustein, S. 167 f. E HMS IV, 526; Strauch, S. 22; 157; Nitz, S. 42–51; Gent, S. 167; Schlageter, S. 103–109; Müller, S. 116; Nowak, S. 205; Ilgner, S. 270–272; Hohmann, S. 98–101; Haustein, S. 5; 166–169.

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*4,3 Got herre, vater unser, der du in dem himel bist, Geheiliget si din nam, an uns getruwe reiner crist, zU kum an uns daz riche din, din wille hie werde als in dime riche. Din gotliche. brot, daz gib uns hute sunder zwifels wan. vergib auch uns unser schult, als wir unsern schuldern han getan.

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Bekorunge. laz uns anig sin, lose uns von disen ubeln algeliche. „Ave“, den grUz der engel sprach. maria, mit den worten her dich grUzte. Gar vol gnaden er dich sach. Got ist mit dir, der al unser erbsunde bUzte. Du bist gesegent vor allen frauwen immer me Die fruht des reinen libes din muzze wir mit freuden noch gesehen.

A E 225 vb–226 ra, Überschrift marn’, am Ende ame. 1 du (St.)] doch E. 8 algeliche (v.d.H.)] algelich E. B Zur Tonbezeichnung, zu der Teilung und dem Zäsurreim v. 14 s. o. 4,1B; v. 6 ist um einen Takt zu lang; v.d.Hagen tilgt nur auch; Strauch schreibt vergip uns unser schult, alsô wir unsern schuldern hân; v.d.Hagen und Strauch stellen in v. 7 um uns laz und stellen v. 11 durch genaden den Auftakt her. Aus demselben Grund schreibt Strauch v. 12 dir mite; er beseitigt den einsilbigen Takt v. 12 érbe e su´ nde durch erbesünde, v. 14 dín mu´ zze mit v.d.Hagen durch dîn, die; de Boor schreibt v. 4 dîn wille werde hie; v. 13–15 (mit Wechsel der Kadenz) dû bist gesegent immer mê vor allen frouwen / die fruht des reinen lîbes dîn, / die müeze wir mit fröuden noch beschouwen! Zur Frage der Echtheit äußert sich Strauch (S. 77) widersprüchlich: „Die letzte Strophe erregt wenigstens keinen Zweifel an ihrer Echtheit.“ Zwei Zeilen weiter: „Ich hätte übrigens besser auch XII,3 in die Anmerkungen verweisen sollen.“ Dort notiert Strauch aber nur Unechtes. Vermutlich hat er nicht Anmerkungen, sondern Anhang gemeint, wo die nicht in C überlieferten, aber für echt gehaltenen Strophen gesammelt sind. Nach Haustein, der sich nur auf Strauchs zweiten Satz bezieht und deshalb eigene Überlegungen zur Echtheit der Strophe anstellt, läßt sich kein Argument gegen die Echtheit anführen. RMS 1Marn/4/3 S. 272 ohne Verf.-Angabe. 1–8 Nach Mt. 6,9 Gebet, das Christus selbst seine Jünger lehrte (kathol. Form ohne den bibl. Schluß). 2 getruwe, unfl. Adjektiv neben dem flektierten § 392 ; v.d.Hagen und Strauch getriuwer. Die zweite pater noster-Anrufung sanctificetur nomen tuum auf Christus zu beziehen, nach dem die Christenheit benannt ist (s. 6,10,9), hat eine lange Tradition gelehrter (lateinischer!) Exegese, belegt bei P. Kern, S. 253 f.; im deutschsprachigen Bereich kann Kern nur einen ‚Paternosterleich‘ aus dem 12. Jh. (WKL II, 30,6,3–5 geheleget werde der name din / da wir getoufet inne sin / vone Christo Christiani ) und diesen Marner-Vers anführen. 5 gotliche, die 4. Bitte erfuhr seit Tertullian (1. Drittel des 3. Jh.s) eine dreifache Auslegung: leibliche Nahrung, Nahrung des Geistes (göttliche Lehre), eucharistisches Brot, wobei die Auslegung als geistiges Brot (Wort Gottes) deut-

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lich überwiegt. In den erhaltenen deutschsprachigen Auslegungen ist neben der üblichen wörtlichen Übersetzung auch die Auslegung von panis als ‚Brot des Geistes‘ mehrfach zu belegen (s. TRE 34,516 ff.; für die Zeit von den Anfängen bis ins 12. Jh. s. auch Pfältzer, passim), die hier doch wohl intendierte Auslegung als eucharistisches Brot ist dagegen ungewöhnlich. Beide Abweichungen sprechen für die Herkunft aus lateinisch geprägter Gedankenwelt der Klöster, wie auch Haustein an dieser Stelle feststellt (doch vgl. S. 240 f.). Zum Vergleich die beiden annähernd zeitgenössischen Versifikationen: Reinmar v. Zweter 13,1–6 Got vater unser, dâ dû bist in dem himelrîche gewaltic alles des dir ist, geheiligt sô werde dîn nam, zuo müeze uns komen daz rîche dîn! Dîn wille werde dem gelîch hie ûf der erde als in den himeln, des gewer unsich! nû gip uns unser tegelich brôt unt swes wir dar nâch dürftic sîn! Eine dem Kanzler zugewiesene Strophe in Boppes Hofton (KLD 28 [XVIII],1–8) Got herre, vater unser, küng in himelrîch, wol im der mag dîn kint geheizen êwiclîch! geheilget werde an uns dîn name hêre, zuo kum dîn rîch und daz wir nâhen uns ze dir. dîn wille ervüllet werde an uns nâch dîner gir. hie als in himelrîche durch dîn êre. du gib uns tegelîchez brôt der gnâden dîn; 9–12 Nacherzählung des bibl. Berichts von der Ankündigung der Geburt Christi durch den Engel Gabriel (Lk. 1,26–38); der Text der Engelsbotschaft wurde Teil des als ‚Englischer Gruß‘ bezeichneten Mariengebetes (s. Marienlexikon I, Sp. 311 ff.). 12 erbsunde, s. die Anm. zu 1,2,9–13. 13 Lobpreis der Elisabeth beim Anblick ihrer schwangeren Base Maria (Lk. 1,42). C Gott Herr, unser Vater, der du in dem Himmel bist, geheiligt werde dein Name, uns liebender heiliger Christ, zu uns komme dein Reich, dein Wille geschehe hier wie in deinem Reich. Dein göttliches Brot gib uns heute, ohne daß Zweifel uns anficht. Vergib uns auch unsere Schuld, wie wir unseren Schuldnern vergeben haben. Laß uns der Versuchung entgehen, löse uns von all diesen Übeln. ‚Ave‘, dieses Grußwort hat der Engel gesprochen. Maria, dich grüßte er mit diesen Worten. Er sah dich voll der Gnade. Gott ist mit dir, der die ganze Erbsünde von uns nahm. Du bist gesegnet vor allen Frauen mehr und mehr . Möge es geschehen, daß wir die Frucht deines heiligen Leibes dereinst in Freuden [selbst] sehen.

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D HMS III, S. 333 f.; WKL II, Nr. 173; Strauch, S. 99; de Boor I, S. 605; Haustein, S. 96. E Strauch, S. 157 f.; Schlageter, S. 103–109; Nowak, S. 206–208; Haustein, S. 93–100; 166–169; 240.

2.2.1.5 Ton 5 (Kelin III)

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5,1 Maria, frowe here, der sælden wUcherheit, maria, lob und ere dir iemer mere si geseit, maria, meit und mUter doch dar under. maria, dú geschontú uz aller menscheit gar, Maria, dú gekrontú hoh uber aller engel schar, maria, klar vúr alle meit besunder. maria, gotes froiden hort, maria, got betwang din magtliche. kúsche minne dort, maria, daz er sich dir neigte mit dem wort, daz gabriel dir brahte von sinem throne. maria, meres leite sterne. , maria, in der vinsternis ein luter lieht lucerne. , maria, vas der gotheit und ein ganzú laterne. , dich habent erlúhtet gottes dri persone.

A C 351rb-va. Auf dem unteren Rand von fol. 351vb Vermerk „von einer Hand wohl noch des 14. Jahrhunderts“ (Wachinger 73, S. 125 Anm.16 ) keli. J 20 rb als 12. Strophe von Kelins Ton III. 2 sælden] salde ein J. 3 und] sich J. 7 dú] die J. 8–9 ( J )] nicht in C. 9 dú] nicht in C, die J. 12 vúr alle meit] ob allen maget J. 14 din] de J. 15 mit] tzv˚ J. 16 von sinem] vz syme J. 17 meres leite sterne ( J )] mers breit’ st’ne C. 18 Maria in der dinsternys ein glanze licht (das l von glanze und licht über der Zeile) latern J. 18 vinsternis (v.d.H.)] vinstri C. dinsternys J. 19 nicht in J.

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B Kelin, Sangspruchdichter, Mitte und 2. Hälfte 13. Jh. Zur Verfasserfrage s. Einl. S. 29 f. Der Kadenzentausch v. 17–19 hier wohl zu Lasten des Schreibers. Strauch beseitigt den überfüllten Takt v. 19 ganzú laterne durch Einsatz der unflektierten Form ganz. Zyklischen Zusammenhang der beiden Marienstrophen dieses Tons nehmen Schlageter und Nowak an; für Haustein (S. 77 Anm. 58) spricht nichts dafür, S. 244 spricht er aber doch von einem wenn auch weniger deutlichen Strophenverband. 2 wUcherheit, hapax legomenon. 5–6 meit … mUter, s. die Anm. zu 4,1,1. 6 darunder, die auffallende Fügung nach Nowak (S. 21) vielleicht aus Versikel 4b der Mariensequenz aus Muri (K. Kunze, 2VL 6, Sp. 50–54) Frow an dir ist wundir : muotir und magit dar undir. / der die helle brach der lac in dime libe, / dune wurde iedoch darundir niet zi wibe. 7 und 9 dú, mhd. diu ( J die ), zum Vokativ mit dem bestimmten Artikel s. § 347,3; v.d.Hagen und Strauch schreiben dû. 7 geschontú, s. die Anm. zu 4,1,3 f. 8:10:11 zu dem Reim â : a s. die Einl. S. 86. 9–10 gekrontú hoch uber aller engel schar, s. die Anm. zu 4,1,2. 11 klar, s. unten zu 18–20. 14 got, ist Akk.; magtliche kúsche minne, es ist möglich, daß hier, wie Nowak (S. 86 f.) meint, die Vorstellung der geistig-seelischen Jungfräulichkeit Mariens ausgedrückt werden sollte, wie sie neben der leiblichen und wichtiger als diese bei den Kirchenvätern immer wieder betont wird. 15–16 s. die Anm. zu 4,3,9 ff. 17 meres leite sterne, vgl. noch 7,1,13. Die Prophezeiung des Propheten Bileam Num. 24,17: „Ein Stern geht in Jakob auf“ wurde auf Maria bezogen; Morgenstern wurde sie genannt, weil sie die Sonne Christus in die Welt gebracht hat; die Bezeichnung stella maris, Stern des Meeres, der dem Seefahrer den Weg weist, entstand nach Haubrichs (S. 247 Anm. 105 nach Bertholet: Wortanklang usw. Berlin 1940, S. 3) „durch (phonetische) Fehlinterpretation von stilla [Tropfen E.W.] maris, der Übersetzung von hebr. mar jam, aus dem man sich, etymologisch wieder falsch, den Namen Maria erklärte, während er wahrscheinlich so viel bedeutete wie ‚die Wohlbeleibte‘“. 18–20 lucerne, die ausgedehnte marianische Lichtmetaphorik bildete sich auf Grund der Vorstellung, daß Maria das Licht (Christus) in die vom Sündenfall verfinsterte Welt gebracht hat und die als vom Hl. Geist enzündete (v. 20) Lichtbringerin auch selbst als Licht gedacht wurde. Der Bildbereich vermischte sich vielfach mit der Vorstellung von dem Glanz, der Maria auf Grund ihrer Reinheit zugesprochen wurde. 19 vas der gotheit, als Bild für die Gottesgebärerin dienten alle Arten von aufnehmenden Gefäßen (Tiegel, Schrein, Sarg, Eimer, Faß, vor allem die Hostienbehälter Tabernakel und Monstranz) oder Räumen (Kammer, Klause, Zelle, Haus, Palast, Tempel). Präfiguriert sah man die Mutterschaft auch in dem Schaugefäß im Tempel zu Jerusalem, in dem etwas von dem Manna, dem Brot, das die Israeliten in der Wüste ernährte (Ex. 16,32 ff.), aufbewahrt wurde (s. auch 6,9,4; 7,1,2 und P. Kern, S. 128–138). laterne, nach Lexer frühester Beleg des eingedeutschten lat. la(n)terna, nach Salzer einziger Beleg für diese Benennung Mariens. 20 erlúhtet, die Befruchtung Mariens wurde vielfach metaphorisch ausgedrückt durch Verben

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wie ‚erleuchten, entzünden, segnen, weihen‘ usw. dri persone, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist; das rational nicht faßbare Glaubensgeheimnis der Dreifaltigkeit, des einen Gottes in drei Personen (Trinität), hat die gläubigen Dichter bis hin zum Meistersang stark beschäftigt; immer wieder suchen sie es sprachlich zu fassen, wiederholen die Bilder, die ihnen die Kirche zur Erklärung anbot, betonen aber auch die Notwendigkeit der gläubigen Annahme des letztlich Unvorstellbaren, s. Einl. S. 32; (Nachweise bei P. Kern, passim); persone ist stf. C Maria, erhabene Herrscherin, Frucht des Heils, Maria, Lob und Ehre sei dir immer zugesprochen, Maria, Jungfrau und dabei doch Mutter. Maria, mehr als die ganze Menschheit an Schönheit ausgezeichnete, Maria, du zur Herrscherin über die Schar aller Engel gekrönte, Maria, alle Jungfrauen überstrahlend. Maria, Hort der göttlichen Wonnen, Maria, deine jungfräulich keusche Liebe überwältigte Gott so, Maria, daß er sich dir zuwendete mit dem Gruß, den Gabriel dir aus seinem Himmelsthron brachte. Maria, Leitstern des Meeres, Maria, lautere klare Leuchte in der Finsternis, Maria, Behältnis der Gottheit und vollkommene Laterne, Gottes drei Personen haben dich licht gemacht. D Bodmer 1759, S. 170; HMS II, S. 241 f.; Strauch, S. 99 f.; Pfaff, S. 174; Pfaff/ Salowsky, Sp. 1152; Holz, S. 37 f.; de Boor I, S. 413 f.; Haufe, S. 74 f. (mit Übers.); Wangenheim, S. 145; Haustein, S. 73 f.; Hübner, S. 213 f. E. Strauch, S. 46; 161; Schlageter, S. 86 und 110; Wangenheim, S. 140–151; Wachinger 73, S. 125 Anm. 16; Nowak, S. 86 f.; 208f.; Kornrumpf/Wachinger, S. 360 f.; Rettelbach, S. 55; Haustein, S. 72–77; 169–171; 244; Hübner, S. 212–217; Yao, S. 163.

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5,2 Du blunde gert arones, dú súnde nie bekort, du sippe salomones, die din geburt schUf uns ein wort. der werlte hort truge du an alle swære. daz was der werde reine, der susse altissimus, den du gebære aleine und leitest an in manigen kus. er schUf es sus, daz du maget in gebære.

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wol uns, daz er ie wart geborn! us al der werlte hat er dich ze mUter im erkorn. von der liebe so wart versune. t der alte zorn, den uns eva brahte, vil gar an alle schulde. da genusse. n wir, frowe, der gute din, des mUs din lob im himelriche vor allen megden sin. du bist ein helferinne. , nu hilf uns, frowe min, daz wir verdienen dines kindes hulde.

A C 351va. 19 min v.d.H.] mine C. B In der Hs. hat v. 15 keinen Auftakt (oder liebé?), Strauch ersetzt der liebe durch dîner liebe und tilgt das so, v.d.Hagen tilgt nur das so. Die vv. 16 und 17 sind zu lang (oder zweisilbiger Auftakt?); v.d.Hagen und Strauch tilgen v. 16 vil gar, v. 17 frowe, beide beseitigen den schweren Auftakt v. 6 durch Umstellung du trüege. Bartsch schlägt für v. 16 vor den Eve uns brâht vil gar ân alle schulde. Zur Verfasserfrage und zum zyklischen Zusammenhang der beiden Marienstrophen dieses Tons s. 5,1. 1 gert arones, Aaron, Bruder des Moses (Ex. 28). Unter den dürren unbegossenen Gerten der 12 Stämme Israels trug nur die Gerte Aarons (Num. 17,16–24) zum Zeichen der Erwählung zum ersten Hohenpriester des Volkes Israel Blüten und Früchte (Mandeln); die Gerte gilt als Sinnbild der jungfräulichen Gottesgebärerin (s. noch 7,1,1). 2 bekort, auf Grund der Empfängnis ohne Zutun eines Mannes, d. h. ohne das als sündhaft geltende geschlechtliche Verlangen, bildete sich die Vorstellung der generellen Sündelosigkeit Mariens heraus (s. auch 6,1,6; 7,21,18 und TRE 22, S. 126 f.). 3 sippe salomones, üblicherweise wird David als Stammvater des Geschlechts genannt, dem Josef (Mt. 1,1–16) angehörte und das auch für Christus geltend gemacht wurde, da er vor dem Gesetz als Josephs Sohn galt (Lk. 3,23); die Stammeszugehörigkeit Mariens ist durch die kanonischen Schriften nicht bezeugt; erst das apokryphe Jakobusevangelium überliefert auch ihre davidische Abstammung (TRE 22, S. 120 f.; s. auch Schreiner, S. 304–310), die im Mittelalter allgemein geglaubt wurde, vgl. z. B. noch Meißner XIX 2,6 uz Davites kunne her geborn. Wegen des sehr ungewöhnlichen Bezugs auf Salomon erwägt Haustein (S. 77 Anm. 57) sedel (vgl. 7,1,5) oder bette statt des sippe in der Vorlage. Beide Bezeichnungen verwendet der Marner sonst nicht; vgl. noch 6,8,7; 6,23,4. 4 wort, als eine der Vorstellungen über das Geheimnis der jungfräulichen Empfängnis bildete sich die der Konzeption durch das Ohr; im hörenden Aufnehmen des englischen Grußes (vgl. 4,3,9; 6,8,9; 6,22,3) sah man die Zeugung vollzogen; vgl. P. Kern, S. 29 ff.; Salzer, S. 90–92; Schreiner, S. 40 ff. und LCI 4,422–437, vor allem 430. 6 an alle swære, Schwangerschaft der Maria und die Geburt Christi galten nach apokrypher Überlieferung, der aber die kirchliche

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Lehrmeinung überwiegend folgte, als schmerzlos (vgl. C. Tischendorf: Evangelia Apocrypha. Leipzig 21876, cap. 13, S. 78 nullus dolor in parturiente). 8 altissimus, häufig gebrauchter Beiname Gottes in den lateinischen Fassungen beider Testamente, z. B. bei der Verkündigung der Geburt Christi durch den Engel Lk. 1,34 (s. 4,3,9–13): „hic erit magnus, et Filius Altissimi vocabitur“; der Einheit der göttlichen Personen wegen konnte auch der Sohn so bezeichnet werden, s. dazu die Anm. zu 5,1,20. 12 maget, s. die Anm. zu 4,1,1; die syntakt. Funktion § 338,7 unzureichend beschrieben, s. deshalb noch Behaghel III, S. 477 „halbprädikative Substantive“, auch Duden-Grammatik 21966 „nachgetragene Apposition“. 15–16 der alte zorn, s. die Anm. zu 1,2,9; die Verfluchung des Menschengeschlechts wegen des Sündenfalls der ersten Menschen hat Maria insofern rückgängig gemacht, als sie den Gottessohn geboren hat, der durch seinen Opfertod die Versöhnung mit dem Vater erwirkt hat (s. noch 7,1,12; 7,8,5 f.). Eva als die Initiatorin des Sündenfalls wird häufig allein als Schuldige genannt (vgl. 6,1,16. *6,22,1 f.). an alle schulde, Nowak (S. 78) übersetzt „ohne unsere Schuld“, diese kleine Aufmüpfigkeit gegen die ‚Erbschuld‘ gibt der Text aber nicht her, sie würde auch zu der sonst stets gewahrten theologischen Korrektheit der Marner-Strophen nicht passen; die Schuldlosigkeit auf Eva als die vom Teufel Verführte zu beziehen, widerspräche der Schuldzuweisung zu Beginn des Verses. Nicht ungewöhnlich ist es beim Marner, daß Verbindungen zwischen zwei Gedanken übersprungen werden, hier: die Versöhnung – weil vollzogen durch die jungfräuliche, d. h. sündenlose Empfängnis – geschah ohne alle Schuld. C Du blühende Gerte Aarons, die nie die Sünde kennenlernte, du aus dem Geschlecht Salomons, ein Wort brachte für uns dein Gebären zustande. Das Kleinod der Welt trugst du ohne Beschwerden. Das war der erhabene heilige köstliche Allerhöchste, den du allein geboren hast und dem du viele Küsse gegeben hast. Er richtete es ein, daß du ihn als Jungfrau gebarst. Heil uns, daß er je geboren wurde! Aus der ganzen Menschheit hat er dich sich zur Mutter erwählt. Durch die Liebe wurde der alte Hader geschlichtet, den uns Eva verursacht hat, und das frei von aller Schuld. Da kam uns deine Güte zustatten, deshalb muß dein Lob im Himmelreich über das aller Jungfrauen erhoben werden. Du bist eine Helferin, nun hilf uns, Gebieterin, damit wir die Liebe deines Kindes verdienen. D Bodmer 1759, S. 170; HMS II, S. 242; Strauch, S. 100 f.; Pfaff, S. 175; Pfaff/ Salowsky, Sp. 1153; de Boor I, S. 414 (ohne die vv. 19 u. 20); Haustein, S. 76 f. E Strauch, S. 161; Bartsch 77, S. 96; Schlageter, S. 111–113; Nowak, S. 209; Haustein, S. 72–77; 169–173.

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5,3 Wir haben nu einen meister, dem ist wol wunder kunt: der bindet úblú geister, er fúrvras, stahel kúwe. nder munt, er berges slunt, swenne er beginnet wuten. er hat die liste erkunnen, e er geborn wart, des manen und des sunnen, eclipsis und ir wandel art, ir umbevart. sich mugen vor im huten der donreschure strale heis, sit er der sternen zal, ir name. n, ir art, ir breite weis, der himel wite. , der erde, wages umbekreis. ane. schade. n daz mer er eines in sich trunke. er væhe. t den wint, luft, wolken, roˇch; den schatte. n er grifet. ja, er ubersinnig tumber goˇch, lasse uns ein lútzel got geben sinnes oˇch; er kúnste git im nah sinem dunke.

A C 351va. J 20 ra-b als 11. Strophe von Kelins Ton III. 1 Wir] Svir J. nu] nicht in J. 3 der] Er J. úblú] vbele J. 4 er stal vraz er vivr kiuwender mvnt J. 5 er berges] her birge J. 6 swenne] swan J. 7 er] Ir J. liste] list J. 8 geborn] geboren J. e 9 und des] vnde der J. 10 ir J ] sin C. 12 Mvgen sich vUr ym gehoˇten J. 13 donreschure strale ( J )] donreschvr (vr über der Zeile) stale C. 15 der himel] Des hymels J. der erde] vnde der (der gestrichen) erden J. 16 Daz mer er eyne ane (ane über der Zeile) scaden in sich trvnke J. 17 er] Ir J. 18 schatten] schete J. ja er] ia her J. 19 got geben sinnes] gote geben des synnes J. 20 kúnste] kvnsten J. im nah] ich meyne an J. B Strauch vermeidet die einsilbigen Takte v. 8 gebórn wárt durch geboren ( J), 19 gót gében durch gegeben (eine Form, die beim Marner zwar sonst nicht belegt ist, aber durch zahlreiche sonstige Intensivbildungen wie z.B. genemen, gestrâfen, getrinken usw. gestützt werden kann) und v. 20 gít ím durch Übernahme der J-Version. Zur Verfasserfrage s. Einl. S. 29 f. Ohne Begründung setzt RSM 4 (S. 273) nur bei dieser Strophe dieses Tons hinter die Verfasserangabe ‚Marner‘ ein Fragezeichen. Nach v.d.Hagens und Strauchs Vermutung (S. 50) ist die Strophe auch gegen Reinmar (s. 3,3) gerichtet; seit Schönbach, Roethe und Panzer wurde sie

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meist als Antwort auf die Polemik des Meißner (s. 7,15) verstanden, was Wachinger ablehnt, Haustein aber der von Schönbach beigebrachten Parallelen wegen doch recht gut begründet findet. Beweisen kann man beides nicht. Unter der Voraussetzung, daß der Spott des Marner Feststellbares lediglich maßlos übertreibt, muß der Verspottete ein Kollege gewesen sein, der mit seinen Kenntnissen prahlte und auf deren Demonstration seine Überlegenheit auch als Künstler gründete. Marner macht ihn deshalb zu einem zweiten Orpheus, der Macht über die Elemente hat (v. 4; 5; 12 f.) und dessen Erde, Meer und Himmel umfassendes Wissen (v. 9–11; 14 f.), das zu erwerben normalerweise lange und mühevolle Studien erfordert, ihm schon vor der Geburt zugefallen ist (v. 7 f.). Schließlich unterstellt er ihm noch die Fähigkeit, eine Reihe gänzlich unmöglicher Dinge vollbringen zu können (v. 16 und 17 f.). Haustein interpretiert v. 17: „Es ist nicht das Wesentliche der Dinge, das der Gegner mit seiner Dichtung greift, sondern nur deren Schatten, alles, was er sagt, ist substanzlos.“ Eine solche Interpretation, die den Schatten zum ‚Schatten der Dinge‘ und damit zum ‚Unwesentlichen‘ weiterdenkt, überzieht den Text nicht nur erheblich, sondern verfehlt m. E. die Stoßrichtung der sehr viel planeren Polemik, die einen wissensstolzen Meister durch maßlose Übertreibung seiner Fähigkeiten lächerlich macht. Die Verse 19–20 melden das Recht auf Anerkennung auch anderer Dichter neben dem verspotteten an und berufen sich auf die Instanz, gegen die auch dieser nicht ankommt, auf Gott, der letztlich kunst schafft, und zwar nach seinem Gutdünken. In diesem Kontext ist daraus weder ein Mangel an Gelehrtheit des „angeblich hochgelehrten“ Marner zu erschließen noch wird von diesem Gelehrsamkeit generell als geringwertig eingestuft, der Vers ist also auch kein „poetologisches Bekenntnis“, daß „alle gelehrte Kenntnis und alles Bemühen … sinnlos“ sei, „wenn nicht Gott das Kunstvermögen verliehen hat“ (so Haustein, S. 41), ein lútzel sinnes (v. 19) könnte sogar angesichts des eigenen Könnens und der eigenen Gelehrtheit eine besonders ironische Untertreibung sein. 3 geister, frühester Beleg für diese Pluralform, s. § 177 Anm. 4. 7 erkunnen, st. Partizipform neben sonst regelmäßigem swv erkunnen ‚forschen‘. 10 eclipsis, Sonnenbahn, die, nach Ptolemaios durch die Mitte der Tierkreiszeichen einen schräg zum Äquator liegenden Kreis um die Erde beschreibt, wobei sie den Äquator zweimal (Frühling/Herbst) schneidet (LdMa III, Sp. 1769). 14 sternen, in der Hs. meist als swm. gebraucht, doch s. die Anm. zu L1,2,8. 16 eines, gemeint wohl mhd. eine, was J auch schreibt (Hiatvermeidung durch den Schreiber? Kommt sonst nicht vor). 19 A.c.I.-Konstruktion. Wenn mit J Dat. gote gelesen wird, ist uns der Akk. (s. 6,2,11); geben müßte dann im übertragenen Sinn von ‚zubilligen‘ o. ä. verstanden werden, und es ergäbe sich eine etwas anders nuancierte ironische Pointe. C Uns ist ein Meister erstanden, der kennt sich mit Übernatürlichem aus: Er überwältigt böse Geister, dieser Feuerschlucker, Stahlfresser, dieser Bergeverschlinger, wenn er furios ans Werk geht. Schon bevor er geboren war, kannte er

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die Kraft des Mondes und der Sonne, deren Eklipsis und ihre Veränderungen, ihren Umlauf. Vor ihm müssen sich die heißen Strahlen der Donnerwetter in Acht nehmen, da er die Zahl der Sterne, ihre Namen, ihr Wesen, ihre Ausdehnung kennt, die Ausdehnung der Himmel, den Umfang der Erde und des Meeres. Ohne Schwierigkeit würde er allein das Meer austrinken. Er fängt Wind, Luft, Wolken, Rauch ein; er erhascht den Schatten. Ha, dieser überkandidelte törichte Narr möge Gott auch uns ein wenig Verstand geben lassen [oder mit J gote: der Narr muß zulassen, daß wir auch Gott ein wenig Verstand zubilligen]; der [nämlich] verleiht ihm [besser nach J: verleiht, so meine ich] Können nach seinem Gutdünken. D Bodmer 1759, S. 170; HMS II, S. 242; Strauch, S. 101; Pfaff/Salowsky, Sp. 1153; Holz, S. 37; Walter, S. 109 f.; Wangenheim, S. 140; Höver/Kiepe, S. 275 (mit Übers.); Schweikle 86, S. 82; Haustein, S. 39 f. E HMS IV, S. 527 f.; Strauch, S. 16; 50; 161 f.; Schönbach, S. 123 f.; Roethe, S. 186; Panzer, S. 17; Boesch 36, S. 113–116; Stackmann 58, S. 90–93; Wachinger 73, S. 158; Haustein, S. 39–41; 72 f.; Yao, S. 163.

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5,4 Ir reinen milten lúte, sint des gedingen vro, daz got die sele trúte, oˇch vert úwe. r lob uf erde hoh. der argen dro kan iu geschaden kleine. der milte man ie stigende an hohen sælden was, der arge zU der helle sigende; unde. r tusende. n einer nie genas, als ich es las. si sint der helle gemeine und mugen niht lang lebende sin. ‚rich, gitig man‘, der nam sol niht wan húre wesen din; so sol der nuz ze jare eins andern werden oder min. wib unde gUt erteile ich biderbe. n armen. an úwe. r deheinen trúge. t daz los: swaz ir vor got, vor eren spart, ie fromder man daz nos. nu sterbent drate! tUt gotes wort niht rehtes blos! milter man sol bi des argen horde erwarmen.

Die Sangsprüche

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A C 351va-vb. J 20 rb-va als 13. Strophe von Kelins Ton III. 1 reinen] edelen J. milten v.d.H.] mlte C. milte J. 2 sint] Sit J. gedingen] gedinges J. 4 vert úwer] wirt ir J. erde] erden J. 6 kan] mac J. 7 ie stigende] é stigen J. 9 Den argen tzUr helle sygen J. 10 tusenden] tusent J. 13 und mugen] Die ne mvgen ˚ J. 14 niht wan] nv wen J. 15 sol der nuz] ist er J. werden] nicht in J. 17 deheinen] kover J. 18 vor got vor eren] vUr gUt vUr ere J. ie … nos] Ein vremder e des noz J. 19 nu] nicht in J. niht] vnde J. 20 milter] GUt J. B V. 7 und 9 haben an Stelle der klingenden Kadenz die dreisilbige Füllung stígendè : sígendè (wie Heuslers unreine Hagene-Reime, aber mit Länge in der ersten Silbe). Für Bartsch (S. 96) ist das „bei einem Lyriker ein bedenklicher Reim; es wird stîgent : sîgent zu lesen sein“, v. 13 ist „natürlich lange lebende zu schreiben“ (ebd.). Die vv. 9 und 15 sind zu lang. Strauch reguliert v. 9 arge zU der durch arc zer (v.d.Hagen arge zer), kontaminiert v. 15 C und J zu sô ist der nuz ze jâre eins andern oder mîn und vermeidet v. 20 den zweisilbigen Auftakt durch Einsatz der unfl. Form des Adj. milt. Zur Verfasserfrage s. Einl. S. 29 f. 1 Ir reinen milten lúte, bis weit in die Neuzeit war die Linderung von Not und Elend nahezu vollständig karitativen Bemühungen überlassen, die Themen Geiz und Freigebigkeit, die an vielen Stellen der Bibel angesprochen werden, waren also von allgemeiner gesellschaftlicher Brisanz. Wenn sie von nahezu jedem Sangspruchdichter aufgegriffen werden, läßt das nicht automatisch auf ihren besonderen sozialen Status schließen, wie früher meist geschehen. Man braucht es aber auch nicht ausschließlich als bloßen Topos in einem Themenkanon anzusehen, dessen kunstmäßige Behandlung keinerlei Rückschlüsse zuläßt. 2 sint, alem. Form der 2. Pl., die auch für den Imp. gebraucht wird (§ 282 Anm. 2 und 240 Anm. 3). 5 dro, der Habgierige stellt eben seiner Habgier wegen eine Bedrohung dar; vgl. Ps. 37,12: „Der Frevler sinnt auf Ränke gegen den Gerechten und knirscht gegen ihn mit den Zähnen.“ 6 kleine, zu diesem Adv. statt einer Negation (Litotes) s. § 436. 11 als ich es las, die Floskel gebrauchte wohl nur jemand, der tatsächlich lesen konnte (s. dazu Scholz, S. 36–52). 16 erteile ich, bei Reinmar, der den gleichen Gedanken formuliert, heißt es 163,4 Solt ich … teilen, aber beim Marner setzt die verbale Kompetenz des Dichters als Faktum, was geschehen soll (nicht „wünsche ich“ wie Strauch, S. 32 übersetzt), wobei wieder einmal ein notwendiges Zwischenglied – nach deinem Tod – ausgelassen wurde; die von Strauch verzeichneten Parallelen (Fegfeuer II,2; Bruder Wernher Nr. 59) formulieren diesen Gedanken, daß Witwe und Besitz an einen andern übergehen, vollständig. 17 deheinen (v.d.Hagen deheinem), wie nehein § 230b. trúget, mhd. triegen an mit Akk. los, die Bibel ist voll von Aussagen über den Untergang der Frevler und ihrer Besitztümer, z. B. Spr. 13,22: „der Besitz des Sünders wird für den Gerechten aufgespart.“ 19 sterbent, zu dieser Form des Imperativs s. § 240 Anm. 3.

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C Ihr edlen, freigebigen Menschen, erfreut euch der Zuversicht, daß Gott eure Seele liebevoll empfangen wird. Auch auf Erden erfahrt ihr hohe Anerkennung. Die Anwürfe der Bösen können euch nicht schaden. Von jeher stieg der freigebige Mensch zu großer Glückseligkeit auf, der Geizige sank dagegen zur Hölle hinab; unter tausenden entkam nicht einer, so habe ich es gelesen. Sie gehören der Hölle und können nicht lange überleben. ‚Reicher Geizhals‘, diesen Name trägst du nicht länger als gerade mal heute; übers Jahr gehört der Reichtum schon einem andern oder mir. Frau und Besitz übergebe ich den rechtschaffenen Armen. An keinem von euch erweist sich der alte Spruch als falsch: Was ihr Gott, der Ehre vorenthaltet, kam am Ende immer einem anderen zugute. Sterbt schnell! Zeigt, daß Gottes Wort zu Recht besteht! Der Freigebige soll es sich mit dem Schatz des Geizigen wohl sein lassen. D Bodmer 1759, S. 170; HMS II, S. 242; Strauch, S. 101 f.; Pfaff/Salowsky, Sp. 1153 f.; Holz, S. 38; Wangenheim, S. 148; Haustein, S. 169; Krause, S. 251 f. E Strauch, S. 23; 162 f.; Bartsch 77, S. 96; Haustein, S. 169–171.

2.2.1.6 Ton 6 (Kurzer oder Hofton)

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6,1 Ob allen frowen frowe, reinú mUter unde maget, hoh erborne gotes tohter und sin brut, wer kan diner tugende richheit volleklich erzeln? rose in himel toˇwe, sunder súnde dorn bedagt, du bist vor den creatúren gotes trut. er gerUchte dich us al der werlte im selbe erweln. din lob ist allen zungen uberkrepfig und ze stark. wer konde selke kraft erspannen? got sich menschlich in dir barg. sunder mannes helfe din lib den gebar, dem alle kúnige mUssen mannen. oˇch dient im der engel schar. du bist aller frowen schilt vúr itewis, den in eva brahte umb einen kleinen apfels bis.

FIc / FIVe / Ml 15,III

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A C 351vb. B 1r Nr. 2, Überschrift Ma< rner >. H 64 vb = FIc. k 494 vb = FIVe. k 502 rb-va = Ml 15,III. 1 frowe] ain vrowe B. 3 erborne] geborne B. 4 diner] din B. volleklich erzeln] uolleclichen erzelne B. 5 rose] Dú rose B. 6 sunder súnde] sunden sunder B. 7 den] allen B. 8 der gerUcht vz al der welte im selben dich erwelne B. 9 uberkrepfig] zeúberkrepfic B. 10 konde] kunde B. selke] als solich B. 11 in] bi B. 12 den] vns ¯ den B. 13 dem] den B. 14 oˇch dient] doch dienent B. 15 aller frowen schilt] allen urowen ain schilt B. 16 in] uns B. B In der Hs. ist v. 5 ohne Auftakt. 2 mUter unde maget s. die Anm. zu 4,1,1. 3 hoh erborne, s. die Anm. zu 4,1,2. erborne, mhd. erborniu s. § 198 Anm 1. brut, die Bezeichnung entstammt der spekulativen Ausdeutung der Engelsbotschaft (Lk. 1,35: „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten“ (s. auch die Anm. zu 4,3,9), nach der man die Zeugung des Gottessohnes in Maria, die der Vater durch den Heiligen Geist an der auserwählten Geliebten bewirkte, als Liebesvereinigung auffaßte, weshalb Maria Tochter des Vaters wie alle Menschenkinder, Mutter des Sohnes und Braut des Heiligen Geistes genannt werden konnte. Auf Grund der dogmatisch festgeschriebenen Einheit der drei göttlichen Personen (s. die Anm. zu 5,1,20) konnte aber auch jede dieser Beziehungen als Beziehung zur Trinität oder, wie hier, einfach zu Gott als Einheit dargestellt werden (s. P. Kern, S. 89 ff.). 5 rose, die Lilie des Hohen Liedes (Hld. 2,2: „eine Lilie unter Disteln ist meine Freundin unter den Mädchen“) wurde früher allgemein als Rose übersetzt und auf Maria bezogen, wobei sich das Gleichnis mit den sonstigen Bildbezügen der Rose: Duft, Reinheit, Glanz, Erlesenheit vielfach vermischte. himel toˇ we, metonymisch für den göttlichen Samen, vgl. Mechtild v. Magdeburg I,22,4–6 Der sUsse toˇ we der unbeginlicher drivaltekeit hat sich gesprenget us dem brunnen der ewigen gotheit in den blUmen der userwelten maget, und des blUmen fruht ist ein untotlich got. Vgl. auch die Präfiguration der Jungfrauengeburt durch das betaute Schaffell des Gedeon (Ri. 6,36 ff.). 6 sunder súnde, s. die Anm. zu 5,2,2. 7 trut, wie brut s. o. v. 3. 9 uberkrepfig, v.d.Hagen und Strauch schreiben wie Hs. k überkreftic, aber das durch C, B und H (vb’krepphig) gesicherte Wort vielleicht ad hoc-Bildung zu griphec ‚gut anzugreifen‘ im Sinne von ‚über alles ergreifbare‘ oder vielleicht zu überkrupfen ‚zu sehr stopfen‘ zu stellen im Sinne etwa ‚es verschließt einem die Kehle‘. Dieses uberkruphen auch Meißner (XVII 13,7 man sol geistliche müniche nicht sere uberkrupfen), der ja auch sonst manche Besonderheit mit dem Marner teilt (s. 1,3,9; 6,9; 6,16; 7,4; 7,9). 10 erspannen, nur hier belegte Bildung zu der Maßeinheit spanne, d. h. ‚ausmessen‘. 12 sunder mannes helfe, s. die Anm. zu 5,2,2. 16 apfels bis, der Genuß der verbotenen Paradiesesfrucht, d. h. der Sündenfall und seine Folgen, die erst Christi Opfertod aufgehoben hat; s. die Anm. zu 1,2,9–13. Zu Evas Schuld s. die Anm. zu 5,2,16.

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C Frau, erhabener als alle Frauen, heilige Mutter und Jungfrau, hochgeborene Tochter Gottes und seine Braut, wer kann die Fülle deiner edlen Eigenschaften vollständig benennen? Rose im himmlischen Tau, ohne Dorn der Sünde zutage getreten, du bist Gott das liebste von allen Geschöpfen. Es hat ihm gefallen, dich aus der ganzen Menschheit sich auszuwählen. Was an dir zu preisen ist, ist allen Zungen überkrepfig und zu gewaltig. Wer könnte solch gewaltiges Geschehen ermessen? Gott barg sich in Menschenweise in dir. Ohne Zutun eines Mannes hast du den geboren, dem alle Könige huldigen müssen. Auch die Schar der Engel dient ihm. Du bist allen Frauen ein Schutzschild vor der Schande, die Eva über sie gebracht hat wegen des kleinen Bisses in jenen Apfel. D Bodmer 1759, S. 170; HMS II, S. 243; WKL II, Nr. 180 nach C und k; Bartsch 62, Nr. CII,4 und CV,III; Strauch, S. 102 f.; Pfaff/Salowsky, Sp. 1154; de Boor I, S. 414 f.; Kochendörfer, S. 130 nach h; Höver/Kiepe, S. 275 f. (mit Übers.); Steinmann, S. 300 f. nach B; Haustein, S. 64. E Strauch, S. 38; 163; Blank, S. 46 f.; Nowak, S. 208; Rettelbach, S. 91 f.; Haustein, S. 63–72.

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6,2 Súnder, besich die strassen in der werlte, war si gan, wannen du sist kome. n ald wie din leben si, war du wellest, so du mit der werlde vúr dich verst. sich, wie si hat gelassen die, die si niht wolden lan. la die werlt, ir wont ein biter ende bi. sich vúr dich die straze, wie du die zU dem tode kerst. sih hinder dich, wie not dir von dem reinen schopfer ist, des lib sich an daz krúze here vúr unsich bot, der susse crist. wilt du des gedenken, was er dur dich leit, sich uber dich, was wunne und ere dir ze himel ist bereit. under dir besich die iemer wernden not in der helle, schúhe und flúhe den eweklichen tot.

A C 351vb. B 1r Nr. 6, Überschrift Marner. 2 gan] ge B. 3 ald] vn¯ B. 5 gelassen] u’lazen B. 6 si] ir B. 8 die straze wie du die] wie du die strazen B. kerst] u’st B. 9 hinder] fúr B. 10 here (B )] her C. 11 unsich] dich B. susse] w’de B.

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12 wilt du des gedenken] ich wil dz dú gedenkest B. 13 uber] hinder B. wunne] truwe B. 15 dir] dich B. iemer wernden] iam’lichun B. 16 und flúhe] noch B. B Strauch tilgt die Überfüllung v. 8 durch zem für zU dem; der Auftakt v. 11 vermutlich zu Lasten des Schreibers, s. u. zu unsich. 1 strassen, Weg oder Straße häufig, vor allem auch biblisch gebrauchte Metapher für das menschliche Leben; am meisten besprochen und ausgedeutet wurde Mt. 7,13f.: „Denn das Tor ist weit, das ins Verderben führt, und der Weg dahin ist breit, und viele gehen auf ihm. Aber das Tor, das zum Leben führt, ist eng, und der Weg dahin ist schmal“. 3 komen, zur Form des Part. Prät. s. Einl. S. 89. 4:8 zu dem Reim e : ê s. Einl. S. 86. 4–8 werlde, hier Inbegriff des sündigen Erdendaseins, dem verhaftet zu sein zum Verlust des himmlischen führt. Als personifizierte ‚Frau Welt‘ ist sie mit dem Teufel im Bund und verlockt zu Weltfreude, Weltgenuß und Gottvergessenheit, was den ewigen Tod zur Folge hat. Zu dem Thema Weltschelte in der Spruchdichtung allgemein s. Ilgner, S. 179–200. 9 not dir von, schon Strauch fand die Konstruktion dir ist not von singulär (Bech 77, S. 36 schlägt dervon vor); die Lexika liefern entgegen Hausteins Angaben (S. 173 Anm. 40) keine Belege. Es liegt wohl ein Anakoluth vor: Die vermutlich beabsichtigte Aussage war: wie nötig du es hast (wie not dir ist), daß Christus für dich starb, wobei das von wohl so etwas wie ‚in Bezug auf‘ ausdrücken soll; statt des zu erwartenden Objektsatzes daz … wird, da dessen Subjekt ja bereits genannt ist, ein Relativsatz angeschlossen. 10–11 s. die Anm. zu 1,3,12. 10 krúze here, Kaiser Konstantin ließ anno 335 die von der Kaiserinmutter aufgefundenen Balken als Christi Kreuz feierlich ausstellen (Fest der Kreuzerhöhung), s. auch 7,8,20. 11 unsich, im Corpus nur noch 7,6,10, die Regel ist uns für Dativ und Akk. 14 bereit, Partizip; zur Form s. Einl. S. 89. 15–16 iemer wernden not, s. die Anm. zu 1,4,4. C Sünder, sieh, wohin die Wege der Welt führen, woher du gekommen bist und wie dein Leben verläuft, wohin du wallest, wenn du mit der Welt deinen Weg gehst. Sieh, wie sie die im Stich gelassen hat, die von ihr nicht lassen wollten. Laß fahren die Welt, sie hält ein bitteres Ende bereit. Sieh die Straße vor dir an, wie du sie zum Tod hin gehst. Sieh zurück, wie sehr du es nötig hast, daß der heilige Schöpfer sich für uns an das erhabene Kreuz auslieferte, der süße Christ. Wenn du an das denkst, was er um dich gelitten hat, schau nach oben, wieviel Freude und Ehre dir im Himmel bereitet ist. Schau nach unten die ewig währende Qual in der Hölle an, scheue und meide den ewigen Tod. D Bodmer 1759, S. 170 f.; HMS II, S. 243; WKL II, Nr. 175; Strauch, S. 103 f.; Pfaff/Salowsky, Sp. 1154 f.; Obermann, S. 147 (Nachdichtung); Steinmann, S. 302 f. nach B; Haustein, S. 173. E Strauch, S. 33; 163; Nowak, S. 210; Haustein, S. 171–174.

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6,3 Dú werlt hat manig wunder uf dem lande und in dem se, des wir niht beschowen mugen, daz ist uns kunt von dien bUchen und oˇch von der wisen lúte sage. mich wundert gar besunder, wie dú erde stille ste, wa der wag an rure grundelosen grunt, wie dú naht sich berge vor dem liehtebernden tage. des lassen wir den schepfer walden, der weis sin geschaft, und merken an die tumben lúte, die niht vúrhtent gotes kraft. iegelich creatúre erkennet wol ir zit niht wan dú tier in menschen húte, dú sint gotes widerstrit, ussen mensche. n und innen wolf: nu fris daz lamb! swaz niht an dem hanen si, des rotet doch der kamb.

FVIa

A C 351vb–352 ra. B 1r Nr 9, Überschrift marn’. k 501ra = FVIa. 1 Got hat michel wund’ B. 2 dem se] den se B. 3–6 des wir nit enwizen dz wirt vns wol kunt / nach d’ bUche lere vn¯ als ovch vns die phaffen sagenn / Doch nd’t mich besund’ / wa du erde uf stille ste B. 7 von hier ab in B nur noch einzelne Buchstaben erkennbar bis v. 9; Rest der Strophe verloren. 16 niht] nih C. des] dc C. B 6 erde, nach dem geltenden geozentrischen Weltbild stand die Erde inmitten des rotierenden Weltalls still (s. dazu Simek, S. 16–35); wie sich ihre Lage zum biblisch überlieferten ‚Abgrund‘ verhielt, mußte ein Rätsel bleiben. 10 tumben lúte, die über bloßen Wissendrang noch respektlos hinausgehen und Gottes Gesetze nicht achten. 12 ir zit, vgl. Jer. 8,7: „Selbst der Storch am Himmel kennt seine Zeiten; Turteltaube, Schwalbe und Drossel halten die Frist ihrer Rückkehr ein; mein Volk aber kennt nicht die Rechtsordnung des Herrn.“ 15 ussen menschen, vgl. Mt. 7,15: „sie kommen zu euch wie (harmlose) Schafe, in Wirklichkeit aber sind sie reißende Wölfe.“ 16 Strauch ändert nur das nih der Hs. zu iht, aber damit gibt der Vers keinen rechten Sinn. Wachinger (in einer im übrigen feinen Deutung der Strophe insgesamt) hält ihn denn auch für verderbt und vermutet statt iht ein eht oder ouch, seine Vermutung über den Sinn der Zeile: „was der Hahn auch anhaben mag, der Kamm verrät ihn“ steht nun gar nicht im Text, würde also mindestens einen weiteren Eingriff nötig machen; das gilt auch für Hausteins Deutung: „Auch den Hahn erkennt man an seinem roten Kamm.“. Die C-Fassung stimmt aber, wenn auch nicht ganz ohne Eingriff, zu dem Sprich-

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wort „Was nicht ist am Hahn, das ist an Federn vnd am Kamm“ (Wander Bd. 2, Hahn 132). Dieses ‚nicht‘ dürfte sich auf Fleisch und Fett beziehen, vgl. ebd. 68: „Ein guter Hahn wird selten fett.“ In diesem Sinn wurde der Vers auch vom Schreiber der k-Fassung verstanden (s.u. S. 302). Der Gedankengang der Verse 15 und 16, bei dem die Verbindung zwischen den einzelnen ausformulierten Bausteinen dem Hörer überlassen bleibt, dürfte demnach folgender gewesen sein: Die Tiere tun das Rechte zur rechten Zeit, die Tiere in Menschenhaut nicht, nämlich hier in ihrer Erdenzeit für das Jenseits sorgen. Gottes Widersacher sind außen Mensch und innen Wolf, wir erkennen sie erst, wenn sie über ihr Opfer herfallen, ein Tier hingegen, z. B. der Hahn, gibt seinen inneren Zustand deutlich zu erkennen. C Auf der Welt gibt es viele merkwürdige Dinge auf dem Land und in dem Meer, wovon wir nichts sehen können, worüber wir aber Kenntnis haben aus Büchern und auch aus den Berichten weiser Männer. Ich frage mich vor allem, wie die Erde still (sicher) steht, wo das Meer den grundlosen Abgrund berührt, wie sich die Nacht vor dem lichtbringenden Tag versteckt. All dies überlassen wir dem Schöpfer, er kennt seine Schöpfung, und richten wir unsere Aufmerksamkeit auf die Toren, die Gottes Allmacht nicht fürchten. Jede Kreatur kennt die ihr zugemessene Zeit, nur die Tiere in Menschenhaut nicht, die sind Widersacher Gottes, außen Menschen und innen Wolf: Nun friß das Lamm! Von dem, was am Hahn nicht ist, wird doch der Kamm rot. D Bodmer 1759, S. 171; HMS II, S. 243; Strauch, S. 104; Pfaff/Salowsky, Sp. 1155; Steinmann, S. 303 f. nach B; Haustein, S. 106 f. E Strauch, S. 163 f.; Wachinger 85, S. 77; Haustein, S. 106–110.

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6,4 Ze rome stUnt gemalet listeklich an einer want manig lant. ieglichem hieng ein gloglin obe. saste sich der keines wider, des schelle lute sich. da wart niht me getwalet: romer fUren us zehant und betwungen es dem riche sa mit lobe. lute man ze sturme in allen landen, duhte mich, dem riche nu kleine hilfe kæme, da von nimt es abe. pfaffen fúrsten hant niht rehte – infe. l uf hoˇbet, krumb uf stabe –

Ml 2,V

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dienstman, múnze, zolle: in Ache stat der stUl. der babest hat des stabes nu daz slehte. si male. nt oˇch, da der keiser mUl: des riches sint die klien, so wirt in der kern. da von lant die herre. n daz riche kúniges wol embern.

A C 352 ra. Dieser Sangspruch wurde in einige der unterschiedlich umfänglichen Fassungen der ‚Sibyllenweissagung‘ (Übersicht RSM 4, S. 278–282) an unterschiedlicher Stelle integriert: in N 70 va als fünfte (= Ml 2,V), in o 46 r als erste, in p 228 r als erste, in w 10 v.als zweite Strophe. Die Fassungen o und w vollständig bei Neske, S. 317–330. Version N (Abbreviaturen wurden aufgelöst): zu Rome stoint gemalet listeclich ain eyne want manig lant. eyme ekelich heing eyn Clockelin aven. willich lant sich satte weder recht, de scelle lute lude sich. 5 da wart neit intwalet: de Romer voren vs zo hant, Si twungen dat deme Coning wale zo loven. Nu ludet man zo sturme in allen landen, dUnket mich, deme riche komet helpen nicht, da van so nympt is aue. 10 de vUrsten dragent och neit slechte infelen vp houfde noch crumbe staue, Mainzer, Treirer, Colner, zo Ayge steit der stoile. der paifs, der deit ouch neit recht. hie meilt, da e de keyser moile. 15 dat riche hait de clien, So wirt eme der kerne. da van mochte noch Roimsche riche Des keysers neit enberne. Version o: Czw rom stet gemolt gar listicklichen an einer bant uil manig landt. Ob yedem hangt ein glocken, vnd seczt sich eins wider recht, wie schnel leut sich ein glocken. 5 Das ward nicht lang gespart: Die romer furen auß zw handt vnd twungen das dem kayser wol zw lob. noch leut mann zw sturm in allen landen, das reich kainen hilffen nicht hett. 10 Ir fursten, pfaffen, ir tagt [sic!] nit rechten jnfellnn auff eurem haubt, kromb steb, zoll vor dienstman, zw leczte stet ein seul. der pabst fert auch nit recht.

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er melt, do der kayser mül. so wirt dem reich die kleien, so birt im das korn. Version p: Czu rome stunt gemalt an eyner want gar lústiclichen manche lant. iczlichem henget eyn glöckel obin. sicz sich eyn weddirt daz recht, dy schelle lút sich. 5 zo wart is lenger nicht gespart: dy romer furen vs san czu hant vnnd bethwungen daz dem keyßere wol noch lobe. Nu lut czu storme in allen landen, daz d mich, daz rich habe der hülffe nicht, do von zo nymmpt iz abe. 10 jr fursten, ir phaffen, ir traget nicht slecht uwer jnffel uf dem houbete vnd bischoffe ire krommen stebe. Monczer, czollener, dinst man, czu achte stet der stul. der bebist ffert auch nicht recht. Her melt, do der keyßer mvl. 15 daz rich hat dy klygen, zo wert om der kern. do von mochte eyn Romysch rich eyns keyssers wol enperen. Version w: Ze Rome stUnd gemalet gar listigkleichen manig land. an ainer wertikleichen hieng ein geloˇgklein ob. wann sich der aines wider saczt, das gloˇgklein leittet sich. 5 so ward nit mer entwalet: Die Romer zugen aus zwhand vnd gwunnen es dem kayser ritterlich zw lob. So leutet man ze sturben Jn allen landen, dungkhet mich, Nw hilfft dem Reiche niemandt, darvmb so piert es ab. 10 beschorne fursten gar vnrechte tragent die Jnnstel, Crumpen stab. der zehend zw der kyrchen gehort vnnd zw dem stUl. der babst, der richtet auch vnslechte. Er mUl nie, da er der khaiser mUl. 15 dem khaiser wirt der palgkh, dem babst beleibt der chern. vnd also macht ain romisch reich ains khaisers noch empern. 15

B In der Hs. v. 10 ohne, die vv. 14 und 15 mit Auftakt; v. 13 ist um einen Takt zu lang, Strauch tilgt des. 1 rome, unter dem Titel Salvatio Romae bekannte römische Sage, die in den ‚Mirabilia Romae‘ (s. Volker Honemann, 2VL 6,602 ff. und Nine R. Miedema: Die ‚Mirabilia Romae‘ Untersuchungen zu ihrer Überlieferung mit Edition

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der deutschen und niederländischen Texte. Tübingen 1996 [MTU 108], S. 352 f.) erzählt und schon in der ‚Kaiserchronik‘ (s. Eberhard Nellmann, 2VL 4, Sp. 949–954) nacherzählt wurde. Dort heißt es, daß für jedes unterworfene Land eine Statue aufgestellt war, an der eine Glocke hing; hier ist eine Art Landkarte daraus geworden. 4 keines, aus dech-ein ‚irgendein‘ entwickeltes dekein/kein, das in dieser Bedeutung bis ins 16. Jh. üblich ist (§ 229b). 9 kleine, zu diesem Adv. statt einer Negation (Litotes) s. § 436. 10 pfaffen fúrsten, vgl. 4,2,11 ff. 11 infel, Inful, s. die Anm. zu 4,2,5–7. uf hoˇ bet, zum Fehlen des Artikels s. § 421. 12 Ache, Aachen, seit Karl dem Großen Kaiserpfalz und von 936–1531 Krönungsort der deutschen Könige. Was hier chiffrenartig unverbunden nebeneinander gesetzt erscheint, will besagen, nach Aachen, dem Krönungsort gehören die Regalien, die sich die Pfaffenfürsten aneignen. 13 daz slehte, der Stab ohne die Krümmung, metonymisch für Speer, vgl. 4,2,13. 14 da der keiser, kaiserlos war das Reich von 1245–1310. 16 Die Interessenkonflikte zwischen der Zentralgewalt und den Landesherren, aber auch die zwischen den Landesherren und ihren Untertanen sind ein Dauerthema der Zeit. Die Kritik an den geistlichen Landesherren speiste sich besonders aus der Diskrepanz zwischen ihrem geistlichen Auftrag der Seelsorge und ihrer oft außerordentlich rücksichtslosen Machtpolitik (vgl. z. B. Schüppert, S. 46–53). Es gab in der 2. Hälfte des 13. Jh.s zwei kurze Zeiträume ohne deutschen König: Januar 1256 bis Anfang 1257 und August 1272 bis Oktober 1273; vielleicht beide, zumindest aber den ersten hat der Marner erlebt; zudem erkannte der Papst von 1256 bis1274 keinen der deutschen Könige an. Die Strophe genauer zu datieren, ist nicht möglich (s. Müller, S. 116). C Zu Rom waren viele Länder fein säuberlich auf eine Wand gemalt. An jedem hing oben ein Glöckchen. Widersetzte sich eines, klingelte seine Schelle. Da wurde nicht gezögert: Die Römer rückten sofort aus und ruhmvoll unterwarfen sie es dem Reich. Mir scheint, wenn man in allen Ländern Sturm läuten würde, erstünde dem Reich heute keinerlei Hilfe, dadurch siecht es dahin. Nicht zu Recht betrachten die Pfaffenfürsten – die Inful auf dem Haupt, die Krümmung am Stab – Lehensleute, Münze, Zölle als Eigentum: Der Thron steht in Aachen. Der Papst handhabt jetzt das gerade Ende des Stabs. Sie mahlen, wo einst der Kaiser gemahlen hat: für das Reich die Spreu, ihnen gehört das Korn. Deshalb lassen die Fürsten das Reich ohne König. D Bodmer 1748, S. 223; Bodmer 1759, S. 171; HMS II, S. 243 f.; Goedeke, S. 945; Strauch, S. 104 f.; Pfaff/Salowsky, Sp. 1155 f.; de Boor II, S. 1029 f.; Müller, S. 303 f. und I, S. 60 f. (Fassung C und N); Haustein, S. 179 f. E Strauch, S. 19; 29; 56; 164; Gent, s. 172; Teschner, S. 107–110; Müller, S. 116; 303–305; 495–501; Haustein, S. 171–173; 179–182.

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6,5 Man balsemt edelliche vúr des argen rukes smak, daz ein totes bilde deste langer wer. waz suln wir dien tugendelosen strichen an, daz in dú erge entwiche? balsme in niht gehelfen mag; vúr den siechtUm ist niht gUt wan eren ger, der die wol bescheidenliche an sich strichen kan. ein gUt behúgde ist besser danne si des balsmen tror, si wirdet toten unde lebenden. si treit wunsch in gotes or. si hat manigen vor der helle vúr ernert. got gab und git noch gerne gebenden. riches argen lob ververt sam ein krak, der von dem donren bringet schal, dar zU senket in sin habe in iemer werenden val.

A C 352 ra. 1 Man] Wan C. 7 siechtUm] siechtvn ˚ C. B V. 4 ist zu kurz; Haustein, S. 182 f. ergänzt argen, Wachinger rîchen. V. 10:13 statt der üblichen klingenden Kadenz die dreisilbige Füllung in der ‚klassischen‘ Form mit Doppelkürze anstelle der Länge, s. 5,4,7 : 9. 1–3 Das Objekt des Hauptsatzes ist das Subjekt im daz-Satz. 7 vúr den siechtUm, kann auch als apo koinu stehend aufgefaßt werden. Das notwendige Zwischenglied, der schlechte Ruf, der von dem Geizigen ausgeht wie der Verwesungsgeruch von dem Leichnam, ist hier ausgespart. 8 der, Bezugswort dem und Relativum zugleich, s. § 453. 9 behúgde, vgl. Koh. 7,1: „Besser ein guter Name als Parfüm.“ 10–11 gemeint sind das öffentliche Lob, das dem guten Ruf zuteil wird, und die Segenswünsche, die ihm folgen; es muß nicht auf das Dichterlob bezogen werden, wie Haustein (S. 183: „so wird man schließen sollen“) meint, vgl. 7,4,12. 13 gebenden, gern Geben begründet als öffentlicher Akt den guten Ruf; für Wachinger: „Ein Heischespruch, der sein Ziel auf Umwegen ansteuert und es zuletzt gar nicht auszusprechen braucht“; s. dazu die Anm. zu 5,4,1. 14 riches argen, zum sw. flektierten substantivierten Adj. argen ein st. flektiertes Attribut riches. ververt, vgl. 5,4,14. 15 donren, hier die selten belegte sw. Form. C Man geht auf kostspielige Weise mit Balsam gegen den schlimmen Verwesungsgeruch an, damit ein toter Körper sich umso länger erhalte. Womit sollen wir die Bösewichter einreiben, damit die Bosheit sie verläßt? Balsam kann ihnen

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nicht helfen. Gegen diese Krankheit hilft nichts als das Verlangen nach Ehre dem, der sich klug damit einzureiben weiß. Ein guter Ruf ist besser als der Balsamtropfen. Er adelt den Toten wie den Lebenden. Er trägt [Segens-]Wünsche vor Gottes Ohr. Er hat viele vor dem Feuer der Hölle bewahrt. Gott schenkte und schenkt noch gern den Schenkenden. Der Ruhm des bösen Geizhalses verhallt wie das Krachen, das vom Donnerlärm herrührt, und zudem senkt ihn sein Besitz in das ewig währende Verderben. D Bodmer 1759, S. 171; HMS II, S. 244; Strauch, S. 105; Pfaff/Salowsky, Sp. 1156; Haustein, S. 182; Krause, S. 252. E Strauch, S. 33; 164; Schlageter, S. 119; 143; Wachinger 85, S. 77 f.; Haustein, S. 171–173; 182 f.

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6,6 Die frosche wilent namen ein geschre (daz roˇ si sider) zU z’ir gote, der solde in einen kúnig geben. also schriwen si tag und naht us einem witen se. do lies er einen tramen uf si von der hohe nider, den ervorhten si, bis er begunde sweben. uf in hubten si zehant und schriwen nach kúnige als e. do sant er einen storch al dar, der slant si sunder zal. wir sin die frosche, die da schrient. daz riche ist des tramen val. uf sint gesessen arge frosche nu, die sint des riches eren vient. storche, wenne kumest du? die des rihes erbe slindent, der ist vil. trib si wider in eigen hol, der du niht slinden wil!

A C 352 ra. B In der Hs. v. 11 mit Auftakt? Strauch beseitigt den einsilbigen Takt v. 12 úf sínt durch ûfe, das im C-Corpus sonst nicht vorkommt, vgl. Einl. S. 89; v. 13 vient, hier noch zweisilbig gemessen. 1–9 Quelle ist eine Fabel des Phaedrus (Dicke/Grubmüller Nr. 162), dort als Warnung konzipiert, sich keinen neuen Herrscher zu wünschen, da er schlimmer sein kann als der bisherige. 4 und 8 schriwen, zur Form s. § 245 Anm. 2.

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10–16 die von mehreren Autoren vor und nach der Marner-Zeit nacherzählte Fabel (vgl. Freytag, S. 89) wird gewöhnlich so ausgelegt, wie unter 1–9 angegeben; die Auslegung hier gänzlich ungewöhnlich: es wird nicht die Fabel als ganze, sondern es werden nur einzelne Elemente und auch die nicht ihrer Funktion in der Fabel entsprechend auf aktuelle Verhältnisse (Interregnum [s. die Anm. zu 4,2], vgl. Sparmberg, Müller, Grubmüller) bezogen. 10 sin, zur Form s. § 282 Anm. 2. die frosche, hier mit dem ganzen Volk, also auch dem Sänger und seinem Publikum gleichgesetzt. 11–15 tramen val, gegen den Sinn der Quelle nicht der König, sondern das kaiserlose Reich, in dem die Landesherren das Fehlen der Zentralgewalt in vielfacher Hinsicht zur Befestigung ihrer Hausmacht nutzten, wobei sie sich oft über Recht und Herkommen rigoros hinwegsetzten, vgl. 4,2,11 ff.; 6,4,10–16. 13 vient, hier Adj. mit Dativ, s. § 395. 16 der, Gen. Pl., abhängig von niht, s. § 418. wil, noch reguläre Form, s. § 277. C Einst erhoben die Frösche ein Geschrei (das hat sie seither gereut) zu ihrem Gott, er solle ihnen einen König geben. Tag und Nacht schrien sie so aus einem großen See. Da warf er aus der Höhe einen Balken auf sie hinab. Den fürchteten sie, bis er zu schwimmen begann. Da hüpften sie auf ihn und verlangten mit Geschrei wie zuvor nach einem König. Da schickte er den Storch dorthin, der verschlang sie in ungezählter Menge. Wir sind die Frösche, die da schreien. Das Reich ist so ein herabgefallener Balken. Böse Frösche sitzen jetzt darauf, die sind Gegner der Reichsehre. Storch, wann kommst du? Zahlreich sind die, die des Reiches Erbe an sich reißen. Treib die, die du nicht vernichten willst, in ihre Löcher zurück! D Bodmer 1748, S. 223 f.; Bodmer 1759, S. 171; HMS II, S. 244; Goedeke, S. 647; Strauch, S. 105 f.; Pfaff, S. 175 f.; Pfaff/Salowsky, Sp. 1156; Schirokauer, S. 12; de Boor II, S. 1029; Wentzlaff-Eggebert I, S. 223; Müller I, S. 61; Höver/Kiepe, S. 276 f. (mit Übers.); Freytag, S. 88; Haustein, S. 183 f. E Strauch, S. 28; 164; Rodenwaldt, S. 16 f.; Sparmberg, S. 26 f.; Gent, S. 87 f.; Schlageter, S. 119 f.; Teschner, S. 102–107; Schütze, S. 81 f.; Müller, S. 117; Schmidt-Wiegand, S. 363f.; Grubmüller 77, S. 239–252; Freytag, S. 87–102; Haustein, S. 171–173; 183–185.

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6,7 „Swer git, der ist der werde. swer niht enhat, der ist unwert“, also sprach ein kúnig, der was david genant. ich hate manigen lieben frúnt, do ich bi gUte was. die smahent mich, uf erde

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ir keiner min ze frúnde gert. dien ich dike han gebotten mine hant, die kere. nt mir den rugge. zU, si sint mir mit gabe las. ich weis vil wol, swer selbe iht hat, daz ist gUt vúr den zorn. schade scheidet liebe mage, die doch vil nahe sint geborn. daz liebe kint die mUter sin, dú es gebar, den vater grusset es vil trage und nimet sin vil kleine war. in armen mannes munde ertrinket wize vil. swer in dem sekel niht enhat, daz ist ein hertes spil.

A C 352 rb. B 1r Nr. 8, Überschrift Marner. k 497 vb = Ml 14,II. 1 Swer git der] Der gebende B. 2 swer] d’ B. 3 der] nicht in B. 7 dien] dem B. 8 rugge zU si sint] rucge vn¯ sint B. 9 vil] nicht in B. den] nicht in B. 10 schade scheidet] so schaidet schade B. 11 sie nahen sie sint geborn B. 12 daz liebe kint] ain kint lat B. 14 des nim ich uil gUte war B. 15 in armen mannes munde] in armannes lip B. 16 swer] d’ B. B In der Hs. haben die vv. 2, 4, 6, 11, 12, 14, 15 und 16 Auftakt, v. 10 keinen; die Strophe müßte im RSM also mit Form 1, Variante: z.Teil Auftakt wie z. B. 6/101a verzeichnet werden. Strauch vermeidet den Auftakt v. 2 durch Tilgung des en, v. 11 durch Tilgung des vil, v. 14 durch nimt statt nimet, v. 16 durch Kontraktion in dem zu im, v. 12 schreibt er nach k um; v. 8 ist um einen Takt zu lang, Strauch tilgt (wie schon v.d.Hagen) zU, das auch B nicht hat. 1 Das in den biblischen Schriften, in Traktat, Predigt und Gnomik (z. B. Spervogel 1,10) vielbehandelte Thema Armut und Reichtum mitsamt beider Auswirkungen wird, wenn es die Sangspruchdichter wählen, vielfach biographisch ausgedeutet und als mehr oder weniger deutlich formulierte Bittstrophe (‚Heischespruch‘; vgl. die Anm. zu 5,4,1 und 6,5,13) verstanden (extrem: Franz, passim), was oft, wie auch in diesem Fall, wo das ‚ich‘ exemplarisch eingesetzt wird, keineswegs zwingend ist. 3 david, dieser und die folgenden Gedanken mehrfach im Buch der Sprichwörter überliefert, das aber nicht David, sondern Salomon zugeschrieben wurde, z. B. Spr. 14, 20: „Selbst seinem Nächsten ist der Arme verhaßt, der Reiche aber hat viele Freunde“. Vgl. noch Spr. 19,4; 6; Sir. 12,8; 37,4 u. ö.; Haustein weist darauf hin, daß Verlassenheit und Anfeindung des Gerechten ein häufiges Motiv in den Psalmen Davids ist, dem der Marner deshalb vielleicht auch die Verlassenheit des Armen in den Sprichwörtern zugeschrieben haben könnte. Mhd. Sprichwörter dazu bei Zingerle, S. 39. 7 kann auch als apo koinu stehend aufgefaßt werden. 9 der gleiche Gedanke in annähernd gleicher Form beim Schulmeister von Eßlingen 10,IV,6 swer selbe iht hât, daz ist guot weiz

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got für den zorn. 12 Strauchs Eingriff (nach k) ist unnötig, mUter und vater sind beide Objekte zu grusset. 15 wize, vgl. Spr. 10,15: „dem Armen bringt seine Armut Verderben.“ 16 spil, schon Strauch verweist auf die häufige Verwendung von Ausdrücken, die dem Spiel entnommen sind: 6,18,4; 7,5,6; 8; 7,13,5; 7,17,19; dazu noch 6,18,15. C „Wer gibt, ist der Angesehene. Wer nichts hat, ist verachtet“, das sagte ein König, genannt David. Ich hatte manchen lieben Freund, als ich vermögend war. Die verachten mich, hierorts will mich keiner von ihnen mehr zum Freund. Die, denen ich oft meine Hand dargeboten habe, kehren mir den Rücken zu, versäumen, mir zu helfen. Ich weiß sehr wohl, selbst besitzend zu sein, ist gut gegen den Zorn. Armut trennt liebe Verwandte, die doch der Geburt nach nahestehende sind. Das geliebte Kind grüßt seine Mutter, die es geboren hat, den Vater nur noch lässig und nimmt sie kaum noch wahr. Im Mund des Armen erstirbt die Klugheit. Hat einer nichts im Beutel, ist das ein schweres Spiel. D Bodmer 1759, S. 171; HMS II, S. 244; Strauch, S. 106 f.; Pfaff/Salowsky, Sp. 1156 f.; Steinmann, S. 303 nach B; Haustein, S. 175. E Strauch, S. 33; 164 f.; Haustein, S. 175–176.

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6,8 Jesus, der wunderære, du bist einer, du bist dri, du wær ie und mUst oˇch iemer ewig sin. doh dar under woldest du der wunder niht enbern, daz dich ein magt gebære, kúsche und alles wandels vri. ein blundú gerte von jesse, der sælden schrin. din geburt, dú kan uns armen maniger froiden wern, von dem suzen worte ‚ave‘, da von din lib enpfie den werden hoh gelopten got , der an daz krúze dur uns gie und adamen loste und oˇch die helle brach. sin zeher und sin weinen wante unser ungemach. so bit ich dih, hoh gelopte trinitat, daz du mir z’en froiden helfest, dú da niht zergat.

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A C 352 rb. B 1r Nr. 4, Überschrift der von Nifen. h 64 va = FIa. k 502 ra = Ml 15,I. 1 Jesus (B )] Ich’e C. der] dú B. 3 d’ ie was vn¯ iem’ mUz an ende sin B. 4 enbern] enberne B. 5 dich B] dch C. 6 und alles wandels] an allen wandel B. 7 ein] nicht in B. sælden] tugenden B. 8 kan] kunde B. maniger froiden wern] manege vreude berne B. 10 werden] rainen B. 11 d’ sich durch uns an dz cruze hie B. 12 und adamen] do er adamen B. 13 zeher] wainen B. weinen] trehenne B. 14 wante unser] want vns manec grozez B. 15 so] nu B. dih] dich uil B. 16 z’en froiden] zer vreude B. B In der Hs. haben die vv. 7 und 11 Auftakt, v. 9 wohl keinen; v. 13 ist zu kurz. Strauch tilgt v. 7 ein und kontrahiert v. 11 an daz zu anz. Den in B, C und h zerstörten v. 10 korrigiert er (mit v.d.Hagen) nach k den hôchgelopten got den reinen, und v. 13 fügt er das heizez aus k ein, was schon Bartsch „bedenklich“ fand; er will auftaktlos dîne zeher unt dîn weinen. Die Verkürzung dieses Verses um einen Takt wird in der Tradition dieses Tons bei den Meistersängern üblich, s. RSM 2, S. 131. 1 Zum Vokativ mit dem best. Artikel § 347. 2 einer/dri, s. die Anm. zu 5,1,20. Da die drei göttlichen Personen zugleich als ein Wesen gedacht werden sollten, das jede Person als ganzes darstellte, konnte der Sohn zugleich als Gott, als Vater, als Trinität angesprochen werden (s. noch 6,18,7; 7,6,2; *6,21,15 und P. Kern, S. 185 f. und 253f.). 5 magt, s. die Anm. zu 4,1,1. 7 Zum Vokativ mit dem unbest. Artikel s. § 347. gerte von jesse, Jesse (die lat. Form für hebr. Isai ) ist der Stammvater König Davids (Mt. 1,6), zur Zugehörigkeit Mariens zu diesem Geschlecht s. die Anm. zu 5,2,3. Vielleicht wurde die ‚Gerte Aarons‘ (s. dazu die Anm. zu 5,2,1), die auch als ‚Reis‘ oder ‚Zweig‘ variiert wird (s. 7,1,1), mit dem ‚Reis aus der Wurzel Jesse‘ gleichgesetzt, vgl. noch 6,23,3f. schrin, s. die Anm. zu 5,1,19. 8 wern, ‚gewähren‘ mit Akk. der Person und Gen. der Sache. 9 ave, s. die Anm. zu 4,3,9–14. enpfie, zur Form s. § 284 Anm. 1. 10 die von Strauch (s. o.) vorgeschlagene Konstruktion: Wiederholung des Artikels mit nachgestelltem Adjektiv bei Marner nicht zu belegen; in Anlehnung an 5,2,9 den du gebære aleine halte ich got aleine für wahrscheinlicher. 11 krúze, s. die Anm. zu 6,2,10. 12 adamen, zur Form s. § 190. Gestützt vor allem auf 1 Petr. 3,19: „So ist er auch zu den Geistern gegangen, die im Gefängnis waren, und hat ihnen gepredigt“, nach heutiger theol. Sicht ohne biblische Stütze, bildete sich bereits in den ersten frühchristlichen Jahrhunderten die in den Glaubensformeln des 4. Jh.s bereits zur kirchlichen Lehre erhobene Ansicht, die Stammeltern der Menschheit hätten mit allen anderen Gerechten in einer Art Vorhölle auf die Aufhebung des Fluches warten müssen und seien nach der Erlösung durch Christi Opfertod im Triumph aus der Hölle geführt worden, s. dazu ‚Höllenfahrt‘ TRE 15, S. 455–461 und LCI 2, Sp. 322–331. 13 sin zeher, Strauch ändert mit k gegen die Hss. B, C und h in dîn, es ist aber wohl an das Weinen Christi in Gethsemane zu denken (Mt. 26,37f.; Hebr. 5,7), so auch Nowak, S. 209 mit dem Hinweis auf Stricker

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(ed. Schwab), S. 131, v. 15–17; Hausteins Interpretation wäre entsprechend zu korrigieren. 15 trinitat s. o die Anm. zu v. 2. C Jesus, du Wundertäter, du bist einer, du bist drei, du warst immer und wirst ewig sein, und doch wolltest du nicht auf besondere Wunder verzichten, daß nämlich eine Jungfrau in Keuschheit und ohne Makel dich gebären sollte. Blühende Gerte von Jesse, Schrein des Heils, dein Gebären kann uns Elenden des süßen Wortes ‚ave‘ wegen viel Freude gewähren, von dem du den hochgelobten Gott empfingst, der um unsertwillen das Kreuz auf sich nahm und Adam erlöste und auch die Hölle aufbrach. Seine Tränen und sein Weinen verkehrte unser Elend. So bitte ich dich, hochgepriesene Dreifaltigkeit, daß du mir zur Seligkeit verhilfst, die dort niemals vergeht. D Bodmer 1759, S. 171 f.; HMS II, S. 242 f.; WKL II, Nr. 177; Bartsch 62, Nr. CV,1; Strauch, S. 107; Pfaff/Salowsky, Sp. 1157; Kochendörfer, S. 130 nach h; Steinmann, S. 301 f. nach B; Haustein, S. 65 f.; Egidi 04, S. 22 f. E Strauch, S. 39; 165; Bartsch 77, S. 96; Blank, S. 46 f.; Nowak, S. 209 f.; Haustein, S. 19 Anm. 15; 65–72; 171–173; Egidi 04, S. 22–24.

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6,9 Trost al der kristenheite, christes mUter unde magt, sunder galle ein tube, ein rose sunder dorn, reinú arke wol geworht vúr alle unkúsche fl Ut, nu bis du min geleite. sit din sun dir niht versag t, an dem ende wende, frowe, sinen zorn. ich weis wol, swest an in gerst, daz er daz alles tUt. du mane in sin s gewaltes, sit daz er gewaltig ist. du mane in siner wisheite, sit daz er dú wisheit ist. du mane in sinr erbermde, dú ist so manigvalt, sit daz du tugenden waltest, frowe. ich bin in súnden worden alt, der enkunde niht so vil uf mir gesin, dinr erbermde si noch me. genade, erbarmerin.

FIb / FIVf

A C 352 rb. B 1r Nr. 3, Überschrift der von n (s. o. zu 6,8). h 64 va = FIb. k 494 vb–495 ra = FIVf. 2 unde] rainu B. 3 galle ein] gallen B. ein rose sunder]

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svnd’ rose ein C. rose sund’ B. 4 reinú arke wol geworht] raine wart geworhte din lip B. flUt B] frUt C. 5 nu bis du] nv bist dv C. du wis B. 6 sun] kint B. versagt (B )] v’seit C. 8 swest] swes dú B. 9-11 Dú man in sin’ wishait sit dz e’ so wise eht ist / du man in sines gewaltis vrowe / sit dú gar gewaltic bist B. 13 tugenden waltest] tugende waltes B. 16 erbermde] gnaden B. B. Die ungewöhnlich umfangreichen Abweichungen in den Fassungen und der zerstörte Reim 10 : 13 haben unterschiedliche Rekonstruktionen zur Folge gehabt. Den identischen Reim 9:11 ist : ist hat nur C. Strauch (S. 57) hält dies für einen unerlaubten identischen Reim, den der Marner sonst nicht habe. Obwohl er den Wechsel in der Person nur als „höchst ungeschickt bezeichnen“ kann, übernimmt er mit v.d.Hagen ab v. 9 Wortlaut (ist : bist ) und Versfolge von h (die auch B und k haben), was ihn nötigt, wie Hs. k zu verfahren und durch Umstellung des vrouwe in v. 13 einen singulären konsonantisch unreinen Reim gewaltes : waltest oder gewaltes : waltes mit, freilich ebenso singulärer, Apokope des t anzusetzen. Schlageter (S. 121) möchte wisheit, gewalt und erbermde in dieser Reihenfolge Maria zugeschrieben sehen (anders S. 132, wo er sie alle drei Gott zuordnet) und plädiert für den Reim bist : bist. Nowak fügt in v. 9 (bei ihm v. 11) das du sin aus k ein, ordnet wisheit Gott, gewalt Maria und erbermde ebenfalls Gott, aber auch Maria zu, weil tugenden (v. 13) und erbermde (v. 12) identisch seien. Haustein (S. 60–63) interpretiert ausführlich die Bh-Fassung als die authentische, plädiert also auch für die Fassung v. 9 (bei ihm v. 11) sit daz du gewaltic bist, wobei irritiert, daß er S. 94 Anm. 92 erklärt, Strauchs zur Bh-Fassung gehörende Änderung des ist : ist-Reims (C) zu ist : bist (Bh), mit der seine (Hausteins) Interpretation steht und fällt, sei unnötig. Seine Begründung, Maria gewalt zuzusprechen, beruht m. E. auf einem Mißverständnis: Wenn Maria v. 4 als reine arke bezeichnet wird, kann das wol geworht vúr doch wohl nur als ‚solide gebaut gegen die anbrandende Unkeuschheit‘ verstanden werden, also ganz bezogen auf Maria selbst, nicht als Schutzmacht allgemein gegen die Flut der Unkeuschheit. Dann kann das Bild der Arche aber auch nicht dazu dienen, die drei Größen Gewalt, Weisheit und Erbarmen so zuzuordnen, daß der Arche Maria die Gewalt zukommt, wie denn auch der Marner v. 4 keineswegs „bekennt, … daß Maria ihm auf der fluot der unkiusche ein geleite gewesen sei.“ Zutreffend ist, daß der Marner keinen weiteren identischen Reim hat (s. Einl. S. 51), aber es scheint mir so viel sinnvoller, Maria, die Mittlerin, aufzufordern, Christus an das zu mahnen, was er ist bzw. hat, als sie an das zu mahnen, was sie selbst ist, vor allem aber scheint mir die dreifache Parallele so bewußt konstruiert, daß die Reimschwäche dagegen nicht ins Gewicht fällt. Es ist aber gut denkbar, daß sie der Anlaß für die Eingriffe gewesen ist. Eine starke Stütze sehe ich zudem in einem Sangspruch des Meißner, der neben zahlreichen Anklängen an die Marner-Sprüche auch diese Verse hat VII,3,5–12

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wie diz halten gotes vinger dri, wisheit, gewalt, barmunge, dort obene unde hie under. An wisheit hat got alle dinc gemachet, im ist nicht vurborgen. Sin gewalt uberringet allen rinc, diu nacht unde ouch den morgen. Her ist der barmunge ein ursprinc, da mite er nert, swaz da lebet gar ane sorgen. B und h reimen 10:13 vrouwe : vrouwe; eine andere Ergänzung für den doch wohl unvollständigen v. 10 in C ist schwerlich denkbar, es ist also mit einem weiteren identischen Reim zu rechnen. V. 14 hat Auftakt. 2 mUter unde magt, s. die Anm. zu 4,1,1. 3 tube, diese Benennung gründet sich auf den Glauben, die Taube besitze keine Galle, vor allem aber auf die Bezeichnung der Braut des Hohen Liedes als „meine Taube im Felsennest (Hld. 2,14 u. ö.). rose, s. die Anm. zu 6,1,5. 4 arke, Lehnübersetzung von arca, so wurde die Bundeslade bezeichnet, die nach Aussage des Hebräerbriefes (Hebr. 9,4) das Gefäß enthielt, in dem das lebenspendende Manna aufbewahrt wurde (Ex. 16,32 f.), s. die Anm. zu 5,1,19; hier ist aber wohl an die Arche Noahs gedacht worden, mit der dieser auf Geheiß Gottes sich und die Seinen aus der Sintflut rettete (Gen. 6–8); Maria war die Arche, die den wahren Retter der Menschheit getragen hat. 6 könnte auch apo koinu stehend aufgefaßt werden. versagt, vgl. 7,8,8; *6,24,12. 9 gewaltes, mhd gewalt stm. 11 er dú wisheit ist, die Fassung Bh aufzunehmen lag besonders nahe wegen der Gleichsetzung der Maria mit der alttestamentl. sophia (s. dazu P. Kern, S. 81 ff.), aber im Marner-Corpus ist diese Gleichsetzung nicht zu belegen. 14 in súnden … alt, vgl. 6,10,5–7; 7,6,3–5. 16 si, v.d.Hagen will ensi. C Trost der ganzen Christenheit, Christi Mutter und Jungfrau, Taube ohne Galle, Rose ohne Dorn, keusche Arche [oder: Schrein], wohl bewahrt vor jeglicher anflutenden Unkeuschheit, sei du mein Geleitschutz. Da dein Sohn dir nichts abschlägt, besänftige du, Herrin, an meinem Ende seinen Zorn. Ich weiß wohl, daß er alles tut, was du von ihm verlangst. Erinnere ihn an seine Allmacht, da er doch allmächtig ist. Erinnere ihn an seine Weisheit, da er doch die Weisheit selbst ist. Da du solche Guttaten ausübst, Herrin, so erinnere ihn an seine Barmherzigkeit, die ist so überreich. Ich bin in Sünden alt geworden, aber davon könnten nicht so viel auf mir lasten, daß dein Erbarmen sie nicht überstiege. Gnade, du Barmherzige. D Bodmer 1759, S. 172; HMS II, S. 243; WKL II, Nr. 179 nach C und k; Bartsch 62, Nr. CII,5; Strauch, S. 108; Pfaff/Salowsky, Sp. 1157 f.; Kochendörfer, S. 130 nach h; Steinmann, S. 301 nach B; Haustein, S. 59.

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E Strauch, S. 165 f.; Schlageter, S. 120–122; Blank, S. 46 f.; Nowak, S. 203 f.; Haustein, S. 19 Anm. 15; 59–63; 94 Anm. 92.

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6,10 Got, der us einem steine vrisches wasser vliessen hies, daz ein ganzes her und als ir vihe getrank in einer wustunge, da nie brunne mer geflos, hilf mir, daz ich beweine súnde, der ich niht enlies in der jugende, des dú menscheit mich betwang. din sun an dem krúze blUt und wasser vúr uns gos, nah dem alle kristen heissen und dú kristenheit. diner wunder ist niht eines: din kraft hime. l und erde treit, menschen sin und ir gedank sint dir wol kunt, es wart nie tropfel alse kleines an des tiefen meres grunt, du durzelst es wol, und aller wasser gries din wisheit, got herre ob aller wisheit, werden lies.

FVIg

A C 352 rb-va. k 501vb–502 ra = FVIg. B In der Hs. hat v. 4 die erforderliche Silbenzahl, aber mit erheblichen Tonbeugungen, Strauch ergänzt deshalb wüstenunge, wodurch der Vers aber auftaktig wird; v. 9 und 10 in der Hs. ohne Auftakt. Da v.d.Hagen und Strauch v. 15 in aller wasser gries ein zweites Objekt zu durzelst sehen, können sie v. 16 nur als Relativsatz auffassen und fügen ein díe ein, wodurch der Vers aber auftaktig wird. Strauch tilgt deshalb got. 1–6 Nach Nowak in Form und Inhalt vielleicht angelehnt an eine Oration Alkuins (9. Jh.), der auch mit dem Hinweis auf das Wasser aus dem Felsen um die Erweichung der harten Herzen bittet. Haustein sieht die eventuelle Abhängigkeit stark relativiert, da „Nowak selbst und vor ihm bereits Strauch zahlreiche Motivparallelen zur deutschen Literatur des 12. und frühen 13. Jahrhunderts nachweisen konnten.“ Stattdessen sieht er den von ihm favorisierten Anschluß an „volkssprachliche Motive“ und aus dem „Zusammenhang der Messe bekannte“ Sprechweisen gegeben. Nowak verzeichnet aber gar keine Parallele. Strauch (S. 166) verweist auf die eine vielleicht vorgängige Stelle bei Reinmar v. Zweter (Nr. 161,3), der die Gläubigen mit dem Hinweis auf das Felsenwunder ermahnt, bei Dürre nicht gleich zu verzagen, und auf Meißner VI,7, wo nur vom

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Durchzug durch das rote Meer die Rede ist. Damit rückt die Alkuin-Parallele als bisher einzige bekannte, die Bibelstelle und paränetische Anwendung zugleich bietet, wieder in den Vordergrund, auch wenn, darin hat Haustein Recht, eine direkte Abhängigkeit nicht beweisbar ist. Die Messe ist im übrigen zur Marnerzeit rein lateinisch, und was die Predigt nicht vermittelte, gerät in keinen „volkssprachlichen“ Zusammenhang. 1–4 us einem steine, s. Ex. 17,1–6. 3 als, vor Artikel und Pronomina ist al üblich, doch s. § 231. 6 der, abhängig von niht, s. § 368. 7 jugende, s. Ps. 25,7: „Denk nicht an meine Jugendsünden …“. 8 krúze, s. die Anm. zu 6,2,10. blUt und wasser, der Bericht Ioh. 19,34: „einer der Soldaten stieß mit der Lanze in seine Seite und sogleich floß Blut und Wasser heraus“ ist die Grundlage für die reich entwickelte Bad- und Reinigungsmetaphorik, durch die die Vergebung der Sünden ausgedrückt wird, vgl. noch 7,8,16 f. 9 heissen, die Endung der 3. Pl. -en neben üblicherem -ent, was Strauch auch hier herstellt, s. noch 6,13,14; 6,16,13. 10 wunder, s. die Anm. zu 1,2,3 und 1,3,2–9. 11–16 Zu den drei Topoi des Gotteslobes: Kenntnis des unermeßlichen Weltalls sowie jedes einzelnen Sandkorns und Wassertropfens und der geheimsten Gedanken des Menschen vgl. Sir. 1,2–3: „Den Sand des Meeres, die Tropfen des Regens, … wer hat sie gezählt? Die Höhe des Himmels, die Breite der Erde und die Tiefe des Meeres, wer hat sie gemessen?“ Ps. 94,11: „Der Herr kennt die Gedanken der Menschen“; vgl. noch 1,2,7; 1,3,2; 7,21,5. 15 durzelst, hapax legomenon. C Gott, der aus einem Felsen frischem Wasser zu fließen gebot, so daß ein ganzes Heer und all sein Vieh trank in einer Wüste, wo nie eine Quelle geflossen war, hilf mir, daß ich die Sünde beweine, die ich zu begehen nicht unterlassen habe in meiner Jugend, wozu mich die Menschennatur gedrängt hat. Dein Sohn, nach dem alle Christen und die Christenheit ihre Namen haben, hat am Kreuz Blut und Wasser für uns vergossen. Deine Wunder sind zahlreich: Deine Macht trägt den Himmel und die Erde, der Menschen Verstand und ihre Gedanken sind dir bekannt, kein noch so kleines Tröpfchen ist auf dem Grund des tiefen Meeres entstanden, das du nicht gezählt hättest, und den Sand aller Gewässer hat deine Weisheit, Gott Herr, weiser als alle Weisheit, entstehen lassen. D Bodmer 1759, S. 172; HMS II, S. 244; WKL II, Nr. 176; Strauch, S. 109 f.; Pfaff/Salowsky, Sp. 1158; Haustein, S. 103 f. E Strauch, S. 166; Nowak, S. 200–202; Haustein, S. 103–105.

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6,11 Maniger saget mære von rome, dú er nie gesach. also wil oˇch ich úch ein mære sagen: ein snegge. vúr eine. n lehpart wol tusent klafter lang sprang. daz mer stat wassers lære; von einer tuben daz beschach, dú trank es us, daz hort ich zwene vische klagen, die vluge. n da her von nifen unde sungen núwen sang. ein hase zweine winde vieng, do si in solten jagen. do sach ich starker wolve viere, die hat ein altes schaf erslagen. do sach ich einen reiger eines habches gern und vieng in in den lúften schiere. do sah ich einen wissen bern, den vieng ein wilder esel an des meres grunt, des half im ein salamander, dem ware. n diu wasser kunt.

A C 352 va. B In der Hs. haben nur die vv. 1 (betonter Einsatz [Vogt, S. 85] oder Maníger?), 3 und vielleicht 16 keinen Auftakt, die Strophe müßte demnach im RSM als Variante von Form 1 angegeben werden. V. 4 ist zu lang; mit v.d.Hagen tilgt Strauch lang, glättet überdies den Vers zu ein snegge tûsent klafter wol für einen lêbart spranc, ebenso v. 16 zu des half ein salamander im. Wegen des einsilbigen Taktes in v. 3 ích úch fügen v.d.Hagen ein wol, Strauch ein nû ein. 1–3 nachgeahmt (?) bei Reinfried von Braunschweig 12816 ff. ich tuon reht als alle die / sagent wiez ze Rôme stât / der ouge ez nie gesehen hât. 3–16 Die Strophe verbindet schon bekannte Motive der ‚Verkehrten Welt‘ (Schnecke/Leopard, fliegende Fische, Schaf/Wolf, Hund/Hase, s. dazu ‚Lügendichtung‘ 2RE II, S. 496–498; auch oben 3,3) mit einigen neuen, die unserer Kenntnis nach hier dazuerfunden wurden. 3 úch, zu dieser Form des Dativs s. § 213 Anm. 5. 8 von nifen, ist immer wieder als Bezugnahme auf den Dichter Gottfried v. Neifen (s. V. Mertens, 2VL 3,147–153) verstanden worden (so auch RSM 4, S. 276; zuletzt Kerth 00, S. 284, doch vgl. ebd. Anm. 70; skeptisch auch Haustein, S. 19 und 187, doch s. Einl. Anm. 8); eine solche Bezugnahme ist nicht auszuschließen, sei es als Reverenz (von Neifen kommen neue Lieder), sei es als leichter Spott (von Neifen kann gar kein neues Lied ausgehen, so Birkhan, S. 188), aber eine zufällige Namenwahl ist ebenso wahrscheinlich. 14 wissen bern, wenn der Eisbär dem mittelalterlichen Deutschland noch nicht bekannt war (keine Belege gefunden),

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steckt in dem weißen Bären eine weitere Verkehrung. 16 salamander, Name eines sagenhaften, im Feuer lebenden Reptils, dessen Haut zu den Phantasiematerialien zählte, die als besonders kostbar galten, vgl. 6,14,4 und 7,16,8; nach anderer Tradition webte der Salamander das Tuch (s. Konrad v. Megenberg, S. 276–279). C Mancher erzählt Sachen über Rom, die er niemals [selbst] erlebt hat. Genauso will ich euch auch eine Geschichte erzählen: Eine Schnecke sprang wohl tausend Klafter weit, weiter als ein Leopard. Das Meer hat kein Wasser mehr; das hat eine Taube angerichtet, die trank es leer, das hörte ich zwei Fische klagen, die kamen von Neifen her geflogen und sangen ein neues Lied. Ein Hase fing zwei Windhunde, als sie ihn jagen sollten. Dann habe ich noch vier starke Wölfe gesehen, die ein altes Schaf erschlagen hatte. Dann sah ich noch einen Reiher, der hatte es auf einen Habicht abgesehen und fing ihn sogleich im Flug. Dann sah ich noch einen weißen Bären, den fing ein Wildesel auf dem Grund des Meeres, dabei half ihm ein Salamander, der sich mit Gewässern auskannte. D Bodmer 1748, S. 224; Bodmer 1759, S. 172; HMS II, S. 245; Goedeke, S. 946; Bartsch 64, S. 176; Strauch, S. 110; Pannier, S. 246; Pfaff/Salowsky, Sp. 1158 f.; Müller I, S. 61; Haustein, S. 186 f.; Birkhan, S. 187 (mit Übers.). E Strauch, S. 22; 31; 166 f.; Wachinger 73, S. 114; Müller, S. 117; Haustein, S. 15–17; 19; 186–188; Kerth, S. 95–98; 284; Yao, S. 78.

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6,12 Ein wunderliches kunder, gargon es geheisen was, wilent, swer daz hoˇbet sach, der wart ein stein. bi der zit ein ritter lebte, der hies antheus, den nam des michel wunder, daz nieman vor im genas. er wart in sinem mUte des enein, daz er machte ein kristallin schilt und trUg den sus vor sinen oˇgen: er sach es dur den schilt unde streit mit im. er slUg es so manlichen, daz man es noch von im seit. ir werden fúrsten, merkent disen list: dem ritter sult ir úch gelichen. swa ein valsches hoˇbet ist, secht es durh eren klaren schilt und slahe. t es, wan es keiner arger dinge niht bevilt.

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A C 352 va. 8 machte] macht C. B In der Hs. hat v. 16 Auftakt; v. 15 ist zu kurz; Strauch schreibt sehet und fügt mit v.d.Hagen iuwer ein. Einsilbige Takte v. 7 ér wárt, v. 9 ér sách, v. 12 ír wérden; vermeidet er durch wart doˇ v. 7, er ersach v. 9, merkent wol an (de Boor ergänzt spæhen) v. 12, wodurch dieser aber auftaktig wird. 1–11 Medusa, die sterbliche der drei Gorgonen, deren Anblick den Betrachter versteinerte, wird von Perseus, dem Sohn des Zeus und der Danae, getötet, der das Spiegelbild der Schlafenden in einem ehernen (in anderer Überlieferung kristallenen) Schild sieht und sich ihr so nähern kann. Der Verfasser (oder seine Quelle) verwechselt ihn mit Antaios, dem Sohn des Poseidon und der Gaia, einem lybischen Riesen, der jeden Gegner im Ringkampf besiegte, weil er durch die Berührung der Erde (seiner Mutter Gaia) stets neue Kräfte erlangte. Ihn tötete Herakles. Die Sage, für M. Kern „offensichtlich Ausdruck eines lateinischen Bildungshorizontes“, ist im deutschsprachigen Raum vor Marner, soweit wir wissen, nicht belegt, wohl aber erzählt der Stricker (s. K.-E. Geith u. a., 2VL 9,417–449) vermutlich nach der gleichen Quelle die gleiche List von seinem Helden Daniel (wohl zwischen 1220 und 1230), ebenso der Pleier (s. P. Kern, 2VL 7,728–737) von seinem Helden Garel (um 1250). Daß schon in antiken Fassungen der kristallene Schild den ehernen ersetzte, mag dem Umstand zu verdanken gewesen sein, daß es nahezu unmöglich ist, einen Feind zu bekämpfen, den man im Spiegel sieht, den man also notwendig im Rücken hat. Der Kristallschild aber löst das Problem insofern nicht, als er von beiden Seiten durchsichtig ist, also vor dem Blick der Gorgo nicht schützt. Vielleicht hat die antike Tradition diese Schwierigkeit durch die Hilfe der Minerva gelöst gesehen, die dem Schild Wunderkraft verlieh. Der Marner und die Quellen, die Gerhardt 76 (S. 95 ff.) wahrscheinlich macht, die im gelehrten Schulbetrieb vielfach verwendeten Mythographen, gehen auf dieses Problem nicht ein. Gerhardt meint, in der Auslegung (v. 12–16) sei bei dem eren klaren schilt jedenfalls an einen Schild mit der vergrößernden Wirkung einer Brille gedacht, ein novum um die Mitte des Jahrhunderts, dessen Möglichkeit für eine neue Symbolik erkannt worden wäre. Die „Unstimmigkeit“ der Sage sei „unwesentlich und bedeutungslos gegenüber der nun gegebenen Möglichkeit“ (S. 104). Die Vergrößerung des Gegners bringt aber ein ganz unnötiges Element in die reale wie die allegorische Kampfszene. Ich bin deshalb ebensowenig wie Haustein (S. 190 Anm. 75) von Gerhardts Deutung überzeugt. Vermutlich reichen zur Erklärung des Kampfes Quellengläubigkeit und zur Erklärung der Auslegung die Bezugsmöglichkeiten: tapferer Kämpfer, gegnerisches gefährliches Monstrum, moralisch ausdeutbares Waffenarsenal. 1–3 lockere Konstruktion, zu v. 1 fehlt das Prädikat, v. 2 ist ein Hauptsatz in der Funktion eines Relativsatzes, v. 3 spricht von einem neuen Subjekt ohne verbale Verknüpfung zu v. 1; Bartsch und de Boor stellen sie her, indem sie des statt daz einsetzen. 8 ein kristallin, daß Artikel wie Adjektiv im Akk. unflektiert gebraucht werden, ist ungewöhnlich, vgl. § 391 .

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8–9 Anakoluth; das sus läßt einen Konsekutivsatz erwarten; oder wurde der Vortrag der Strophe mit einer Geste begleitet, die das sus illustrierte? 10:13 zum sog. erlaubten rührenden Reim s. Einl. S. 51. 12 fúrsten, der Rat ist so allgemein gehalten, daß er keinen aktuellen Verhältnissen zugeordnet werden kann, s. dazu Müller, S. 117. merkent, zu dieser Form des Imperativs s. § 240 Anm. 3. 16 keiner … niht, zur mehrfachen Verneinung s. § 438. C Ein seltsames Geschöpf, es hieß Gorgo, wer seinerzeit das Haupt ansah, wurde zu Stein. Damals lebte ein Ritter, der Anteus hieß, den beschäftigte das Faktum, daß niemand vor jenem mit dem Leben davonkam. Er erdachte den Plan, einen kristallenen Schild zu machen, und den trug er auf folgende Weise vor seinen Augen: Er sah es durch den Schild und kämpfte mit ihm. Er erschlug es so [oder: auf diese Weise] mannhaft, daß man noch heute von ihm berichtet. Ihr edlen Fürsten, merkt euch diesen klugen Anschlag: Diesem Ritter sollt ihr es gleichtun. Wo ein bösartiges Haupt ist, da betrachtet es durch den lichten Schild der Ehre und schlagt es herab, denn es nimt an keinen schlimmen Dingen Anstoß. D Bodmer 1748, S. 224f.; Bodmer 1759, S. 172; HMS II, S. 245; Strauch, S. 110 f.; Pfaff/Salowsky, Sp. 1159; de Boor I, S. 761; Müller I, S. 62; Höver/Kiepe, S. 277 (mit Übers.); Haustein, S. 188. E Strauch, S. 20; 29; 167; Bartsch 77, S. 96; Sparmberg, S. 29 f.; Stackmann 58, S. 112; Teschner, S. 113–117; Müller, S. 117 und 522f.; Gerhardt 76, S. 91–113; Haustein, S. 188–191; 192; 241; M. Kern, Anm. 459 und 883; Obermaier, S. 178 Anm. 81.

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6,13 Dú tier zesamne kamen und wolten einen kúnig weln. eln und urn, wisent und helfant, lewe. n und bern, hirz und einhorn –, swaz vier bein hete, des kom vil aldar. misslichen krieg si namen, des enkan ich niht erzeln. ein krotte, dú kam oˇch dar, dú wolte niht enbern, si wær an der wal; des name. n dú tier dur spotten war. si sprach: „ich han oˇch vier bein, ich wil han daz kúnigriche. .“ der lewe sprach: „bosheit, var verwassen! du bist tieren niht gelich.“ si blate sich noch grosser, hie mitte si gar zerbrast, daz dis bispel kumt den ze massen,

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die eren gern und sint ir gast da von, daz nature an in niht tugenden treit. swa vro ere wol gevert, da ist vro schanden leit.

A C 352 va-b. 15 in v.d.H.] im C. 16 da] dc C. B In der Hs. haben v. 2, 12 und 14 Auftakt. Strauch tilgt v. 9 das zweite han, wodurch der Vers auftaktlos wird, glättet v. 12 durch Umstellung noch grôzer si sich blât (v.d.Hagen tilgt noch) und tilgt v. 13 (mit v.d.Hagen und allen späteren Herausgebern) das hsl. daz, muß dafür zur Vermeidung des einsilbigen Taktes kúmt dén ein nu einfügen. Für Bartsch hat die Ergänzung „keinen rechten Sinn“; er schlägt kumet vor (vgl. 6,6,14). 1–12 Die Fabel von der Königswahl der Vögel (Dicke/Grubmüller Nr. 349) wurde hier um der moralisatio willen auf die Vierbeiner übertragen und mit der vom Ochsen und dem Frosch (ebd. Nr. 168) kombiniert. 3:7 sog. erlaubter rührender Reim s. Einl. S. 51. 4 einhorn, das Einhorn gehört zu den sagenhaften Tieren, deren Existenz das Mittelalter aber als gegeben ansah. kom, zu dieser Form neben sonstigem kam s. § 248 Anm. 1. 7 krotte, im NT wie schon im AT galt die Kröte als unreines Tier (Lev. 11,29; Offb. 16,13); im Ma. galt sie als giftig und ihres Aufblähens wegen als Bild des Stolzes. 10 lewe, Haustein sieht hier eine Inkonsequenz, da die Wahl schon vollzogen sein müsse, wenn der Löwe, der „traditionelle Sieger der Wahl“, das Wort ergreife; eine Tradition der Wahl des Löwen kennt aber weder die Fabel noch das Tierepos, wo der Löwe von vornherein als König eingeführt wird. Die Fabel kennt ihn in dieser Rolle nur in der Kombination mit dem Esel (Dicke/Grubmüller Nr. 382). Zudem paßt der Verweis des Löwen auch vor, das Verhalten der Kröte nur vor den Ablauf der Wahl. 13 daz, ich verstehe den Vers (nicht ohne Bedenken, vor allem der Wortstellung wegen) als modal-konsekutiven Satz, s. § 464. 14 gern, zur Endung der 3. Pl. (-e)n neben üblicherem (-en)t, was Strauch auch hier herstellt; s. Einl. S. 89. 15 nature, die Vorstellung, die Natur des Menschen sei ein für allemal durch die vorgegebene Mischung seiner Säfte festgelegt, findet sich immer wieder unversöhnt und unverbunden neben der für das Sündenbewußtsein nötigen Vorstellung vom gottgegebenen freien Willen, der den Menschen für sein Tun voll verantwortlich macht. 16 da, die Änderung nach L4,1,10; L4,3,4; 7,18,14. schanden, als personificatio swf. Vermutungen über einen politischen Hintergrund für die Wahl des Themas bei Sparmberg, Müller und Haustein. Grubmüller meint hingegen, es ginge um die Frage nach den Bedingungen höfischer êre. Über das Thema êre/schande allgemein in der Sangspruchdichtung s. Ilgner, S. 102–141. C Die Tiere versammelten sich und wollten einen König wählen. Elche und Auerochsen, Wisente und Elefanten, Löwen und Bären, Hirsch und Einhorn –,

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was vier Beine hatte, davon kam viel dorthin. Sie traten in verschiedenen Parteiungen an, worüber ich nichts zu berichten weiß. Eine Kröte kam auch dorthin, die wollte nicht darauf verzichten, sich zur Wahl zu stellen; darauf reagierten die Tiere mit Spott. Sie sprach: „Ich habe auch vier Beine. Ich will das Königreich haben.“ Der Löwe sprach: „Du Nichtswürdigkeit in Person, verschwinde und sei verflucht. Du gehörst nicht zu den Tieren.“ Sie blähte sich noch mehr auf, dadurch zerplatzte sie, mit der Folge, daß dieses Beispiel für jene paßt, die nach Ehre gieren, aber ihr fremd sind, weil ihre Natur keine Tugend kennt. Wo Frau Ehre sich wohl fühlt, ärgert sich Frau Schande. D Bodmer 1748, S. 225; Bodmer 1759, S. 172; Conz 1796, S. 96f.; HMS II, S. 245; Goedeke, S. 647; Strauch, S. 111; Pfaff, S, 176; Pfaff/Salowsky, Sp. 1159; Obermann, S. 148 (Nachdichtung); Schirokauer, S. 12f.; Müller I, S. 62; Haustein, S. 191. E Strauch, S. 28; 58; 167; Bartsch 77, S. 96 f.; Rodenwaldt, S. 16 f.; Sparmberg, S. 27; Schirokauer, S. 56; Teschner, S. 188–192; Schütze, S. 129; Müller, S. 117 f.; Schmidt-Wiegand, S. 364; Grubmüller 77, S. 250 f.; Haustein, S. 191 f.

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6,14 IN elementen vieren vier geschepfde hant ir leben: in dem luft ein vogel und in dem wage ein visch, in dem vúr ein wurm und in der erde ein klein tierlin. vogeln, vischen, tieren, wúrmen hat got selch nature gegeben, daz ein iegslichs ist in siner arte vrisch, vnd dú dem werden menschen mUzen undertænig sin. die meister jehe. nt, dú werlt, dú si alsus geteilt in drú: ein teil heis und gar unfrúhtig, da wahset weder korn noch sprú, daz ander kalt, daz kein mensche dar uffe niht beliben mag. daz dritte ist luftig und genuhtig, dar inne vinden wir bejag, daz wir uns vor hunger und vor durst ernern. da bi suln wir unser tage nach gotes hulden zern.

A C 352 vb. 1 elementen v.d.H.] elemte ¯ C. 4 wurm v.d.H.] wurn C. B In der Hs. haben die vv. 8, 11, 14 und wohl auch 12 Auftakt, v. 5 keinen. In v. 10 stellt ihn der einsilbige Takt téil héis her; die vv. 6 und 12 sind zu lang,

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v.d.Hagen tilgt v. 12 dar uffe, Strauch das zweite daz; würde wurmen der Aufzählung in v. 3/4 entsprechend an die dritte Stelle in v. 5 eingefügt (Auftakt voge. ln), wären beide Verse schemagerecht. 1–8 elementen, s. die Anm. zu L4,1–3, vgl. auch *6,19,1–5. Der göttliche Auftrag Gen. 1,28: „bevölkert die Erde, unterwerft sie euch, und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf dem Land regen“ (oft paraphrasiert wie 6,16,9 swaz fluzet, flúget, swimmet, krúchet, stet, get oder krist, vgl. auch *6,19,4) wird hier mit der gelehrten Reminiszenz an die vier Elemente als Lebensbereiche der vier Tiere Chamäleon, Hering, Salamander und Maulwurf (Belege: Strauch, S. 167) verknüpft, wobei das sonst hier genannte Chamäleon durch den Vogel (Unwissenheit oder bewußte Vereinfachung?) ersetzt wurde, was besser zum undertænic sin paßt. Den moralisch-didaktischen Absichten der Sangspruchdichter (s. Einleitung, S. 39) entsprechend dient die Mitteilung tatsächlicher oder geglaubter erd- und naturkundlicher Sachverhalte, wie sie seit dem Marner auch andere Sangspruchdichter im Repertoire haben (was ihnen ihre modernen Interpreten gelegentlich als Prahlerei ankreiden), nicht dem Vorzeigen von Gelehrsamkeit allein – dazu sind die Inhalte oft zu dürftig –, sondern präsentiert in kunstvoller Einkleidung, wie die Erörterung moralischer Vorstellungen auch, wissenswertes Neues ebenso wie Bekanntes, um Gottes Weisheit zu demonstrieren und die Zuhörer aufzufordern, sich um seine Gnade zu bemühen. 4 wurm, s. die Anm. zu 6,11,16. tierlin, singulärer männl. Reim, wohl als fehlerhaft einzustufen. 9 Die Einteilung der Erde in drei Zonen bezieht sich nur auf die nördliche Hälfte, die man als die eigentlich bewohnte ansah. Daneben gibt es aber auch schon die geographisch exakte Angabe der fünf Zonen: zwei bewohnbare jeweils zwischen der mittleren heißen und einer kalten Zone, vgl. Simek, S. 83–90. C In den vier Elementen haben vier Geschöpfe ihren Lebensraum: in der Luft der Vogel, in dem Wasser der Fisch, in dem Feuer das Reptil, in der Erde ein winziges Tierchen. Vögeln, Fischen, Tieren, Reptilien hat Gott solches Wesen gegeben, daß jedes nach seiner Weise zugange ist, und sie müssen dem edlen Menschen dienstbar sein. Die Gelehrten sagen, die Welt sei auf folgende Weise in drei Zonen geteilt: ein heißer und unfruchtbarer Teil, wo weder volles noch leeres Getreide wächst, der zweite kalt, so daß kein Mensch sich dort aufhalten kann. Der dritte ist angenehm temperiert und fruchtbar, in dem wir unser Auskommen finden, so daß wir uns vor Hunger und Durst bewahren können. Im Besitz dieses Wissens sollen wir unsere Zeit nach Gottes Wohlgefallen hinbringen. D Bodmer 1759, S. 172; HMS II, S. 245; Strauch, S. 111 f.; Pfaff/Salowsky, Sp. 1160; de Boor I, S. 898; Haustein, S. 192 f. E Strauch, S. 39 f.; 167 f.; Wachinger 85, S. 78; Haustein, S. 192–194.

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6,15 Ml 14,I / Ml 18,I / Ml 19,I Es sprechent zwivelære, sang und froide si vervarn. noch wil ich mit sange kúnden unde sagen: es lebt noch maniger werder man, der schoner vroiden gert. gUt zit ist froidebære. man sol sang bi wilen sparn; die vogel singent niht wan bi den liehten tagen. des ‚húre‘ ist mit zal ein jar, daz nennet man ein ‚vert‘. ein tag, ein woche, ein mano. t, ein jar gent nach ein ander hin, der abent, dú naht und der morgen. golt, silber, mosching, bli vnd zin, kupfer, stahe. l und isen, daz verswindet och. swer ellú ding wil ubersorgen, der dunket mich der sinne ein goˇch. zit hat ere, zuht hat zierde, masse ist gUt. ere wær gewin, gefuge. r schimpf suze git senften mUt.

A C 352 vb. k 497 vb = Ml 14,I. q 387 r–388 r = Ml 18,I. r 29 r–30 v = Ml 19,I. 6 sang bi wilen (v.d.H.)] sang wilet bi wile C. B In der Hs. haben die vv. 4, 7, 11, 14 und vielleicht auch 16 Auftakt, Strauch tilgt ihn in v. 4 durch manc statt maniger, in v. 14 durch Auslassen des ersten der, das Bartsch erhalten will: „die Tilgung verstößt ganz gegen den Stil der altdeutschen Poesie“. V. 16 ist zu lang, v.d.Hagen und Strauch tilgen suze. Würden beide Adjektive unflektiert gebraucht, wäre der Vers korrekt. 1–16 Wieder muß ein Gedankengang erschlossen werden, der nur in verbal unverbundenen Blöcken mitgeteilt wird. Wachinger und Haustein stellen über die Tendenz der Strophe nur Vermutungen an (Wachinger: „Sanc und fröude wird zur nicht verletzenden heiteren Unterhaltungskunst der glücklichen Stunde, die auch heute noch möglich ist.“ Haustein: „Der Schluß … scheint die Themen ‚Kunst/Gesang‘ und ‚rechter Augenblick im Wandel der Zeit‘ zusammenführen zu wollen“. Beide weisen darauf hin, daß der Schluß gestört überliefert ist, ohne präzise anzugeben, wo sie die Störung vermuten. Am meisten Verdacht erregt das inhaltlich entbehrliche, metrisch störende süeze in v. 16. Aber auch wenn man es ausklammert, wird der Text nicht leichter zugänglich. Obermaier versucht gar nicht erst, den Schluß zu erklären, den Anfang paraphrasiert sie so: „Die prinzipielle Möglichkeit von sanc und fröide besteht auch in schlechten Zeiten, … bevor aber Konzessionen an die ‚dunklen Tage‘, d. h. an den schlechten Publikumsgeschmack gemacht werden, wird der Sang lieber zeitweise unterbrochen.“ Davon

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ist nun sicher nicht die Rede. Ich vermute eine besondere Schwierigkeit darin, daß der Form zuliebe die Gedankenfolge in der Schlußzeile umgekehrt worden ist. Unter dieser Voraussetzung und mit einigen weiteren Fragezeichen könnte dem Ganzen folgender Gedankengang zugrunde gelegen haben: Den Zweiflern halte ich entgegen: Ich singe noch und es gibt auch noch genug, die diese Freude wünschen. Zugegeben: Gute Zeiten sind Festzeiten. Manchmal muß man aussetzen mit dem Gesang. Aber alles ist vergänglich. Auch die verschiedenen Zeiten, sogar so stabile Sachen wie Metalle. Sich darüber aufzuregen, ist töricht. Die Zeit jetzt (? oder jede Zeit) hat Ehre (man kann sich ehrenhaft verhalten oder Ehre erwerben), Zucht ziert, Maßhalten ist gut. Eine Unterhaltung, die dies alles zum Maßstab hat, kann vor solcher Aufregung bewahren. Ehre wäre der Gewinn, für Sänger wie Publikum (?). 1–7 Schon Strauch (S. 24) vermutet eine Anlehnung an Walther 34,I,1 (nach Schlageter und Haustein ev. auch an Walther 34,II,3 si jehent, daz niht lebendiges âne wandel sî ): Die zwîvelære sprechent, ez sî allez tôt, / ez lebe nû niemen, der iht singe. / mugen si doch erkennen die gemeinen nôt, / wie al diu welt mit sorgen ringe. / Kumt sanges tac, man gehœret singen unde sagen: / man kan noch wunder. / ich hôrte ein kleinez vogellîn daz selbe klagen, / daz tet sich under: / ‚ich singe niht, ez welle tagen‘. 4 schoner vroiden, der Kontext läßt vermuten, daß hier speziell an musikalisch-literarischen Genuß zu denken ist. 8 húre, zu derlei Substantivierungen s. die Anm. zu L5,2,6. 16 wær, Strauch konjiziert wert. C Die Pessimisten sagen, mit Gesang und Festesfreude sei es vorbei. Aber ich will noch mit Gesang Zeugnis ablegen und sagen: Es lebt noch manch edler Mensch, der sich [solche] Festesfreude wünscht. Gute Zeiten sind auch Zeiten der Freude. Zuweilen muß man mit dem Singen aussetzen. Die Vögel singen nur an hellen Tagen. Ist jemandes ‚dies Jahr‘ ein Jahr alt, nennt man es ‚voriges Jahr‘[?]. [Denn] Ein Tag, eine Woche, ein Monat, ein Jahr gehen nacheinander dahin, ebenso Abend, Nacht und Morgen. Gold, Silber, Messing, Blei und Zinn, Kupfer, Stahl und Eisen verschwinden auch. Wer sich über alles [also auch darüber] erregen will, scheint mir ein Narr zu sein. Die Zeit birgt Ehre, die Zucht ist eine Zierde, Maßhalten ist gut. Ehre wäre Gewinn, [wenn] entsprechend gut gemachte Unterhaltung ein gelassenes Gemüt gibt. D Bodmer 1748, S. 225 f.; Bodmer 1759, S. 173; HMS II, S. 245 f.; Bartsch 62, Nr. CIV,1; Strauch, S. 112; Pfaff/Salowsky, Sp. 1160; Haustein, S. 194. E Strauch, S. 24; 33; 168 f.; Bartsch 77, S. 97; Schlageter, S. 139–143; Wachinger 85, S. 78 f.; Obermaier, S. 178–180; Haustein, S. 194 f.

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6,16 Des undern und des mittern und der hohen ist so vil, daz es menschen sin niht volreken kan: swaz misse. lich ist und alles, daz sich noch gemischen mag des sussen und des bittern, (swer den smak erkennen wil, den betrúget liht ein mislich dar oder dan), waz vier elemente geschefte si die naht und oˇch den tag, swaz fluzet, flúget, swimmet, krúchet, stet, get oder krist, wie sich die sterne. n in loˇfe rurent, wie der hime. l geechset ist, siben planeten kraft, der heissen snure mes, swa si donre und wint hin furen, swa der abgrunt hat sine. n sez, regens tropfe erzeln, mers gries, gras unde loˇb, swa sich der regenboge nimt in kleiner sunnen stoˇp.

195 FVId

A C 352 vb–353 ra. k 501rb-va = FVId. B In der Hs. haben die vv. 4, 8 und 16 Auftakt, v. 13 keinen; v. 8 ist zu lang; v.d.Hagen und Strauch setzen die naht und oˇ ch den tag um in naht unde tac. Sie meiden den einsilbigen Takt vólrécken v. 3 durch Einfügen von wol (Bartsch schlägt vollerecken vor). Strauch glättet v. 16 durch Umstellen wâ sich nimt der regenboge. 1–16 Vor der Vielfalt und den Dimensionen des Kosmos (v. 1–2; 10–14), vor der Beschaffenheit des Belebten wie des Unbelebten (v. 4–8) versagen der Verstand und die Sinne des Menschen. Biblische Vorbilder zu diesem Thema lieferten die Bücher Ijob 38 und 39. Die drei Zonen der Welt (v. 1 f.), die enumeratio alles Lebendigen (v. 9), die Demonstration des Unermeßlichen durch Regen- oder Meerestropfen, Sand und Laub finden sich auch anderswo (Belege bei Strauch, S. 169 f. und Objartel, S. 241). Ihre Zusammenführung als Bausteine eines Katalogs des Geheimnisvollen und Unbegreiflichen alles Geschaffenen und alles Geschehenden (wobei die nicht ganz durchsichtigen vv. 4–7 fast schon wie Anfänge konkreten naturkundlichen Fragens erscheinen) findet sich beim Marner zum ersten Mal und gehört zu der Erweiterung des Themenspektrums, die Einl. S. 34 f. als Spezifikum seines Werks beschrieben wurde, dem jüngere Spruchdichter folgten (Belege ebenfalls bei Strauch und Objartel). Einzig der Meißner rückt in seine Nähe und das mit der Strophe I,2, die bis in die syntaktische Struktur hinein Ähnlichkeiten zeigt:

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Wie unde waz obene uber uns si, waz unden under, waz zwischen den zwen mitten si, der ist so manich wunder, daz keines menschen sin daz wizzen mac. Welch underscheit den níun kóren got hat gegeben, waz vliuget, kriuchet, swimmet, get, wie daz untfa sin leben, wie unde wa zu˚ si gu˚t ein itzlich smac. Wie die siben planeten unde álle sterne in den himel sint gestecket, Wie uz vier elementen von den vier winden dunren, blitzen sich irwecket. Gras unde griez zelet unde ouch den stoup der sunnen, die regens tropfen, wie, war abe, ein ursprinc aller brunnen, wa abe diu nacht, wa abe der liechte tac. Wenn auch die o. g. einzelnen Bausteine durchaus topisch sind (vgl. noch Freidank 11,3–14; Henneberger 7; jg. Meißner B I,66), ist es schwer vorstellbar, daß allein die Entscheidung für das gleiche Thema die gleiche Auswahl und die so weitgehend ähnliche Gestaltung bedingt haben könnte. Hellmich meinte denn auch, eine der beiden Strophen müsse ein Plagiat sein (vgl. auch Objartel, S. 241: „engste Berührungen“, Haustein, S. 106: „Beeinflussung in die eine oder andere Richtung“). Bei der Einbindung der Strophe in das ‚Programm‘ des Marner läge es nahe, diesen als den Geber anzusehen. Andererseits ist ein so deutliches Abkupfern bei einem Dichter wie dem Meißner eigentlich verwunderlich. Hier wenn überhaupt irgendwo gewinnt die Vorstellung einer „Werkstattgemeinschaft“ (s. S. 398) einige Plausibilität oder auch die reizvolle, freilich ebenso spekulative Annahme konkurrierenden Dichtens nach einer enggezogenen Themenvorgabe durch einen oder mehrere Dritte, wozu auch die in beiden Strophen ungewöhlich lockere Syntax passen würde. 2 der, v.d.Hagen und Strauch des. 3–16. Strauch (S. 169) setzt für v. 3 und 6–7 die Konstruktion apo koinu an, das scheint mir unnötig kompliziert. Versteht man die vv. 6 und 7 als Einschub, lassen sich alle weiteren als Beispiele für das verstehen, was Wissen, Vorstellungskraft und Vermögen des Menschen übersteigt. Die predigtgewohnten Zuhörer verstanden den Spruch als Text über Gottes Allmacht, die all dies geschaffen hat, seine Geheimnisse kennt und alles erhält, s. die Anm. zu 1,3,7–11, auch wenn Gott gar nicht genannt wird. Überdeutlich wird der Bezug v. 15, der die Reihe der indirekten Fragesätze nach Konstruktion (Infinitiv) und Inhalt unterbricht und zitiert, was sonst direkt als Beweis der Allmacht verwendet wird, z. B. 6,10,10–16. 8 elemente geschefte, die Materie aller Dinge und Lebewesen besteht aus einer je verschiedenen Mischung der vier Elemente (s. die Anm. zu L4,1,1 f.). Diese stehen in ständigem Widerstreit miteinander, ihre Verbindung und Lösung bewirkt Werden und Vergehen; vgl. dazu Konrad v. Megenberg 68–76. 10 sternen, in der Hs. teils st., teils sw. flektiert, das Metrum verlangt hier die st. Form. 11 geechset, das geozentrische Weltbild des Mittelalters nahm die Drehung des Alls um eine geneigte Achse an, die als die

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beidseitige Verlängerung der Erdachse gedacht wurde. 12 vorangestellte Subjekte (Nominativ pendens § 346). Zur kraft der Planeten s. die Anm. zu 1,3,8. snure, nach Bechs eindeutigen Belegen nicht ‚Sonnenstricke‘, wie Strauch, oder ‚Sonnenstrahlen‘ wie de Boor vermuten, sondern das dt. Äquivalent für lat. zonae, Bahnen, die die Planeten in ihrer Gegenbewegung gegen das Firmament und die an ihm befestigten Sterne beschreiben. 13 si, Strauch ersetzt si durch sich nach k. furen, die Endung der 3. Pl. -en neben üblicherem -ent hier Inkonsequenz des Schreibers, die Strauch aufhebt. 14 abgrunt, aus der Bibel ererbte unterweltliche Gegend unklaren Charakters (z. B. Spr. 15,11: „Totenreich und Unterwelt liegen offen vor dem Herrn“; Offb. 9,11: „Sie haben als König über sich den Engel des Abgrunds“; ebd. 11,7: „das Tier, das aus dem Abgrund heraufsteigt“; oft direkt als Bezeichnung der Hölle verwendet, oft aber auch als Ort, an oder in dem die Hölle sich befindet. 16 kleiner sunnen stoˇ p, Hypallage, kleiner gehört grammatisch zu sunnen, sinngemäß zu stoˇ p. C Es gibt so viel im unteren, im mittleren und im hohen Bereich dieser Welt, daß der Menschenverstand es nicht ermessen kann; was [nämlich] verschieden ist und was sich alles noch verbinden kann an Süßem und Bitterem (wer den Geschmack auseinanderhalten will, den betrügt ein Gemisch leicht in diese oder jene Richtung), was die vier Elemente vollbringen in der Nacht und auch am Tag, was alles fließt, fliegt, schwimmt, kriecht, steht, geht, krabbelt, wie sich der Lauf der Sterne vollzieht, wie des Himmels Achse verläuft, die Macht der siben Planeten, das Ausmaß ihrer feurigen Bahnen, wo sie Wind und Donner hinführen, wo der Abgrund angesiedelt ist, das Auszählen von Regentropfen, Meeres Sand, Gras und Laub, wo sich der Regenbogen im feinen Sonnenstaub herausbildet. D Bodmer 1759, S. 173; HMS II, S. 246; Strauch, S. 113; Pfaff/Salowsky, Sp. 1160 f.; de Boor I, S. 895; Wentzlaff-Eggebert III, S. 129; Höver/Kiepe, S. 277 f. (mit Übers.); Objartel, S. 241; Jaegle, S. 102 (Nachdichtung); Haustein, S. 105 f. E Strauch, S. 39; 169 f.; Bartsch 77, S. 97; Bech 77, S. 36 f.; Hellmich, S. 48; Haustein, S. 105 f.

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6,17 Lebt von der vogelweide noh min meister her walther, der venis, der von rugge, zwene reimar, heinrich der veldeggære, wahsmUt, rubin, nithart! die sungen von der heide,

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von dem minne werden her, von den vogeln, wie die blUmen sint gevar. sanges meister lebent noh, si sint in todes vart. die toten mit den tote. n, die lebenden mit den lebenden sin! ich vorderte ze gezúge von heinburg, den herren min, (dem sint rede, wort, rime in sprúchen kunt), daz ich mit sange nieman trúge. lihte vinde ich einen vunt, den si vunden hant, die vor mir sint gewesen. ich mUs us ir garten und ir sprúchen blUmen lesen.

A C 353 ra. B Die vv. 3 und 4 haben Auftakt; v. 10 erscheint in der im späten Meistersang üblichen Verkürzung; Strauch ergänzt ihn durch ie zuo ze. Zwei der drei einsilbigen Takte v. 3 réimár, v. 4 níthárt, v. 12 wórt ríme regulieren v.d.Hagen und Strauch durch regimar und wort und. Strauch läßt in v. 9 das zweite die aus. 1–4 Walther v.d.Vogelweide, berühmtester Sangspruchdichter und Minnesänger ~1190-~1220 (s. K. Ruh, 2VL 10, 665–697); der venis, Rudolf von FenisNeuenburg, Minnesänger aus dem letzten Drittel des 12. Jh.s (s. H. Tervooren, 2VL 8, 345–351); der von rugge, Heinrich von Rugge, Minnesänger und Sangspruchdichter, wohl noch aus dem letzten Drittel des 12. Jh.s (s. G. Schweikle, 2VL 3, 869–874); zwene reimar, von den uns bekannten Sängern dieses Namens wohl Reinmar der Alte, Minnesänger ~1200 (s. G. Schweikle, 2VL 7, 1180–1191) und entweder Reinmar von Brennenberg, Sangspruchdichter und Minnesänger um die Mitte des 13. Jh.s (s. F. Schanze, 2VL 7, 1191–1195) oder Reinmar der Fiedler, ebenfalls Minnesänger um die Mitte des 13. Jh.s (s. G. Kornrumpf, 2VL 7, 1195–1197), beide sicher noch Zeitgenossen des Marner; Wachinger 73, S. 50–52 und Brunner (2VL 7, Sp. 1200 f.) nehmen Reinmar von Zweter (s. o. 3,3) an, obwohl zu dessen oeuvre die Angaben v. 5–7 nicht sonderlich gut passen. Schiewer (S. 257 f.) plädiert deshalb mit guten Gründen für Reinmar den Fiedler; wenn an Reinmar v. Zweter zu denken wäre, müßte die Strophe nach 1260, dem vermuteten Todesdatum Reinmars, und also in des Marners letzten Lebensjahren entstanden sein. Schiewer möchte die Strophe aber als Rechtfertigung eines jungen Dichters in die Frühzeit des Marnerschen Dichtens datieren. Seine Begründungen, daß noch nicht 12 Meister wie sonst in der zweiten Jahrhunderthälfte (vgl. Henkel 87) aufgezählt werden und das Präsens der Verse 13–15 eher futurischen Charakter habe, sind zwar nicht sonderlich solide Stützen, aber die Vermutung mag zutreffen. Die Berufung auf den von Heinburg (s. Einl. S. 19 f.) spricht nicht gegen die Frühdatierung, da einerseits die „Frühzeit“ im-

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mer noch ein weites Feld ist und andrerseits nicht bekannt ist, seit wann der Marner mit diesem Herrn bekannt war. heinrich der veldeggære, Heinrich von Veldeke, Minnesänger und Verfasser von Legenden und einem Roman aus der 2. Hälfte des 12. Jh.s (s. L. Wolff/W. Schröder, 2VL 3, 899–918); wahsmUt, entweder Wachsmut von Künzingen, Minnesänger aus der 1. Hälfte des 13. Jh.s (s. F.-J. Holznagel, 2VL 10, 555–557), oder Wachsmut von Mühlhausen, Minnesänger aus dem gleichen Zeitraum (s. G. Hübner, 2VL 10, 557–559); rubin, Rubin, Minnesänger aus der 1. Hälfte des 13. Jh.s (s. G. Kornrumpf, 2VL 8, 293–296); nithart, Neidhart (von Reuental), Liederdichter aus der 1. Hälfte des 13. Jh.s (s. S. Beyschlag, 2VL 6, 871–893). 2 min meister, Ausdruck der Verehrung, muß nicht ein Lehrer-Schüler-Verhältnis anzeigen. 3:7 zu dem Reim â : a s. Einl. S. 86. 6 minne werden her, gemeint sind die Frauen. 9 vgl. Mt. 8,22 und Lk. 9,60. 11 heinburg, s. Einl. S. 19 f. 13 trúge, das Integrieren schon vorhandener Themen, Motive, Formen, Wendungen in das eigene Werk wird als unumgänglich bezeichnet und soll nicht als Betrug, als ein Schmücken mit fremden Federn bewertet werden. 14–16 Wachinger (S. 256 f.) verweist auf dieses Thema in Gottfrieds Literaturexkurs 4740 ff., das der Marner als erster in der Sangspruchdichtung behandle. Auch Haustein (S. 18) hält den „Bezug auf den Gottfriedschen Literaturexkurs“ für „unübersehbar“. Wenn Bezug heißen soll, der Marner habe diesen Gedanken aus Gottfrieds ‚Tristan‘ entnommen, so spricht für eine solche Abhängigkeit nicht eben viel. Gottfrieds Verse 4738–4750 lauten: er [Heinrich v. Veldeke] inpfete daz erste ris in tiut[i]scher zungen: da von sit este ersprungen, von den die bluomen kamen, da si die spæhe uz namen der meisterlichen vünde; und ist diu selbe künde so witen gebreitet, so manege wîs zeleitet, daz alle, die nu sprechent, daz die den wunsch da brechent von bluomen und von risen an worten unde an wisen. Gottfried sagt dies von den Erzählern; erst die wisen leiten über zu den Minnesängern, den nachtigallen, namentlich dem verstorbenen Reinmar und dem lebenden Walther, die Gottfried ausdrücklich nicht zu den Erzählern rechnet. Die Bilder ‚Reiser und Blüten von einem Baum brechen‘ (Gottfried) und ‚Blumen aus einem Garten pflücken‘ (Marner) sind unterschiedlich genug, daß sie ein rhetorisch versierter Sangspruchdichter auch selbständig gefunden haben kann. Die Motivgleichheiten, die Haustein zusätzlich zu der gedanklichen Ähnlichkeit

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nennt: Walthers besondere Rolle, Blumen, Vögel, Minne, die lebenden Dichter in der Tradition der Dichterheroen sind als Stützen nicht brauchbar. Marners Strophe beginnt mit einem Nekrolog, wie ihn gleich mehrere seiner Zeitgenossen abfassen (Reinmar v. Brennenberg [Verfasserschaft umstritten], KLD 44,IV,13; Robin [s. B. Wachinger, 2VL 8, Sp. 297 f.], HMS III, 31). Er benennt s e i n e Vorgänger, Sänger also; daß er dabei u. a. die gleichen Namen und die gleichen Themen nennt wie Gottfried, liegt in der Natur der Sache. Schließlich spricht noch gegen eine Anleihe bei Gottfried, daß in Marners Lied 2,2,8 nicht die von Gottfried gebrauchten Namensformen der Hauptfiguren verwendet werden. Zutreffend ist, daß der Marner der erste Sangspruchdichter ist, der sich auf einen lebenden Zeugen für die Aufrichtigkeit des eigenen künstlerischen Schaffens beruft und erst bei Frauenlob sich annähernd Vergleichbares findet (s. noch Einl. S. 19). 16 sprúchen, Strauch (S. 171) erwägt zu des Marners Gunsten spruzzen, woraufhin ihm Scherer die freie Nachdichtung vorschlägt ich muoz ûf ir garten wunderspruzzen bluomen lesen. 1876 folgt Strauch einer Anregung Hoffmanns, der und ir in C für die Fehldeutung eines vielleicht mit Kürzeln geschriebenen miner der Vorlage hielt, eine bestechende Besserung der in C so ungeschickten Doppelung. C Lebte mein Meister, Herr Walther von der Vogelweide, noch, der Fenis, der von Rugge, beide Reinmare, Heinrich der Veldegger, Wachsmut, Rubin, Neidhart! Sie würden von der Heide, von der Schar der Liebenswerten, von den Vögeln, wie bunt die Blumen sind, singen. Noch leben Meister des Gesangs, jene haben die Todesfahrt angetreten. Die Toten sollen sich mit den Toten, die Lebenden sich mit den Lebenden beschäftigen! Ich möchte zum Zeugen meinen Herrn von Heinburg (der versteht sich auf Dichtung, Worte und Reime in Sprüchen) anrufen, daß ich niemanden mit Gesang täusche. Vielleicht erfinde ich etwas, das jene schon erfunden haben, die vor mir waren. Ich kann nur aus ihrem Garten und ihren Sprüchen den Blumenschmuck [für meine Werke] pflücken. D Bodmer 1748, S. 226; Bodmer 1759, S. 173; HMS II, S. 246; W. Wackernagel2, Sp. 693 f.; Goedeke, S. 946; Bartsch 64, S. 176; Strauch, S. 113 f.; Pfaff, S. 176 f.; Pfaff/Salowsky, Sp. 1161; Schweikle 70, S. 33; Wentzlaff-Eggebert III, S. 104; Höver/Kiepe, S. 278 f. (mit Übers.); Bumke, S. 598 f.; Haustein, S. 195 f.; Bein 98, S. 167; Schiewer, S. 254 f.; Birkhan, S. 171 (mit Übers.). E Strauch, S. 6 f.; 20 f.; 170 f.; 188; Strauch 79, S. 93 f.; Walter, S. 110; Georgi, S. 164; Wachinger 73, S. 124; 257f.; Bumke, S. 598 f.; Haustein, S. 28; 133 f.; 195–197; Bein 98, S. 167 f.; Schiewer, S. 249–276.

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6,18 Du teilest ungeliche, lieber herre got, din gUt: du gist einem, daz wol viere mohten han ge. nUg und wol mit eren mohten setzen uf gewin. maniger, der ist riche und hat grossen ubermUt. lieber vatter, jesus, ist daz gUt getan? ald weist du, lieber herre got, daz ich so notig bin, daz du mir niht gist als einem ungemæssen man? nu bin ich doch gar gemæsse (herre, waz han ich getan?), und ich doch vil lihte din gedenke me. nein! waz, ob ich din vergæsse? herre got, du teile als e. du bist, der da teilen unde wellen sol. ich wil niemer me gestrafen dich, wan du tUst wol.

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A C 353 vb (Nachtrag unter den Sprüchen im Langen Ton; Überschrift Ein and’ don Ob alle vrowe frowe reine mvt’). ˚ k 498 rb = Ml 14,IV. B In der Hs. hat v. 8 Auftakt, Strauch tilgt lieber und schreibt enweistû; v. 5 (oder maníger?), 9, 10 und 13 haben keinen Auftakt; Strauch fügt in v. 10 ein vil ein. 3 daz, zur Funktion als Bezugswort und Relativum s. § 453. 7 vatter jesus, s. die Anm. zu 6,8,2. 8–12 Wenn die hochmütigen Reichen (v. 6) und die ungemæzen die gleiche Personengruppe bezeichnen würden, wäre die Argumentation unlogisch (was auch durch Strauchs enweist nicht behoben wäre), sind es doch gerade die hoffärtigen Reichen, die zu viel bekommen haben. Eine einigermaßen schlüssige Argumentation ergibt sich, wenn man zunächst von der Gleichsetzung absieht und bei gemæze/ungemæze von der vorherrschenden Bedeutung ‚passend/ unpassend‘ ausgeht. Dann gibt Gott in Kenntnis der Bedürftigkeit nichts, weil der Empfänger dazu nicht geeignet ist. Dieser meint aber, sehr geeignet zu sein. V. 12 muß man dann zurückbeziehen auf den hochmütigen Reichen (v. 5f.). 9:11 zu dem Reim â : a s. Einl. S. 86. 15 teilen unde wellen, term. techn. aus dem Erbrecht: „Der Ältere teilt, der Jüngere wählt“; hier also: die Teilung vornehmen und die Anteile verteilen, vgl. HRG 1, 953–55. C Du teilst deine Gaben, lieber Herrgott, nicht zu gleichen Teilen aus. Du gibst einem, woran viere genug hätten und womit sie in Ehren wirtschaften könnten. Mancher ist reich und ist sehr hochmütig. Lieber Vater, Jesus, heißt das recht ge-

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handelt? Oder weißt du, lieber Herrgott, daß ich so bedürftig bin, daß du mir nichts gibst, als wäre ich dafür ungeeignet? Nun bin ich aber doch wirklich geeignet (Herr, was habe ich getan?), und ich denke doch vielleicht mehr an dich. Nein! Was wäre, wenn ich dich dann vergäße? Herrgott, du teile wie zuvor, du bist es, der da teilen und wählen soll. Ich will dich niemals mehr tadeln, denn du tust das Rechte. D Bodmer 1759, S. 175; HMS II, S. 244; Bartsch 62, Nr. CIV,4; Strauch, S. 108 f.; Pfaff/Salowsky, Sp. 1166; Obermann, S. 147 (Nachdichtung); Ilgner, S. 276; Haustein, S. 185. E Strauch, S. 166; Nowak, S. 205 f.; Ilgner, S. 276; Haustein, S. 185 f.; 198.

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*6,19 Fiur, wazer, luft und erde, der vier elementen craft nach gotes ler scheffe , daz nu lept. swaz gat, krúchet, flúget, flúzet, swaz dú erde birt, dienet dir nach werde. von dines schopfers maisterschaft, mensche, din gewalt in ganzer wirdi swebt. Ob allen creaturen so bist dú gewaltic wirt. Got hat getailet minneclich dir sin hantgetat. sich hinder, fur, eben, uf und unden: din ist allez, daz er hat geschaffen. iedoch hat ein wip uns nach verkorn. davon hat uns ain magt enbunden. daz ist dem hellewirte zorn. w < > cristanlute nigen alle cristes hant. er erstarb, er erstUnt durch uns, den tievel er in die helle bant.

A B 1r Nr. 1, Überschrift Mar < ner >. Textverluste s. Einl. S. 12 f. 4 birt] bir B, das t nicht mehr lesbar. 10 unden Ha.] vnder B. 12 verkorn Ha.] verkoret B. B Nach RSM 4, 1Marn/6/19, S. 278 Form 1. In der Hs. haben die vv. 3 (vermutlich), 6 (oder dins?), 8, 12, 14 (oder deist?) 15 und 16 Auftakt, die Form hat also mindestens als Variante zu Form 1 zu gelten. V. 9 einsilbiger Takt -lích dír; v. 16 ist um zwei Takte zu lang, er starb, erstuont entspräche dem Schema. Die unleserlichen Stellen sind schwerlich anders zu ergänzen als nach Hausteins Vorschlag v. 5 daz, v. 15 wir, v. 3 gescheffent allez. Danach wäre kraft Subjekt zu gescheffent

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(die Inkongruenz wegen der zuvor genannten vier durchaus üblich) und darf nicht mit Komma von seinem Prädikat abgetrennt werden. RSM 4 versieht die Verfasserangabe ‚Marner‘ mit Fragezeichen. Haustein spricht diese Strophe ihrer „mangelhaften thematischen Stringenz“ wegen dem Autor der C-Strophen ab: „Die hier in einer Strophe behandelten Motive begegnen zum Teil wörtlich auch in anderen, Unterschiedliches thematisierenden Marner-Strophen: das Schöpfungswunder etwa in I,2 oder die Aufforderung sich hinder, für … in XIV,2, die dort allerdings als Bußaufforderung dient. Die Strophe erhält so einen über das Übliche hinausgehenden Montagecharakter.“ An dieser Begründung zeigt sich, wie schwer es ist, tragfähige Kriterien für solche Entscheidungen zu gewinnen. Abgesehen von der Schwierigkeit, einzugrenzen, was Montage ist und der gefährlichen Nähe zu Zirkelschlüssen, auf denen die Feststellung des ‚Üblichen‘ beruht, klingen Schöpfungswunder und Heilstat zugleich auch in 6,8 und 6,10 an (s. dazu S. 14 Anm. 16). Die Floskel sich hinder usw. kehrt zwar wörtlich in 6,2,9–15 wieder, aber verkürzt auch in 7,5,7, taugt also nicht zum Nachweis der Montage, da sie mit gleichen Recht als ‚die beim Marner beliebte Floskel‘ eingestuft werden könnte. Schließlich (hier beginnt sich das besonders abscheuliche Modewort [in shodderquotes] „schlußendlich“ einzunisten): gesetzt den Fall, das ‚Übliche‘ ließe sich benennen, wie weit darf eine weitere Strophe davon abweichen? Auffallend ist, daß in den Versen 1–3 die Aussage über das Schaffen der Elemente nach der Anweisung Gottes über das an anderen Stellen zu den Elementen Gesagte (s. die Anm. zu L4,1–3; 6,14,1–3; 6,16,8) hinausgeht und Reflexe einer Lehre vom logos als Schöpferkraft Gottes enthalten könnte. Aber auch das kann durch weit auseinanderliegende Schaffenszeiten bedingt sein, innerhalb derer sich Vorstellungen gewandelt oder neuen Erkenntnissen geöffnet haben, vielleicht ist aber auch nur die Variation des immer gleichen Gedankens darin zu sehen. Auch die starke Betonung der Herrschaft des Menschen über die Schöpfung und damit zugleich die Ausfaltung eines einzigen Gedankens über 12 Verse hat im Corpus keine Entsprechung, dort sind Sündenbewußtsein und Mahnung zur Demut vorherrschend. Aber bei theologischer Korrektheit eines Themas ist seine Einmaligkeit in einem vergleichsweise kleinen Oeuvre wie dem vorliegenden kein Kriterium für Unechtheit. Das Fragezeichen im RSM kann ich also weder bestätigen noch aufheben, nenne aber an dieser Stelle die Singularia dieses Textes: -irt-Reim, kristenliute, hantgetat, ersterben, erstan. 1 Fiur usw., voraufgestellte ‚isolierte‘ Nominative, s. § 346. 4–12 s. die Anm. zu 6,14,8. 4 und 6 könnten auch als Konstruktion apo koinu beabsichtigt gewesen sein. 10 eben, Haustein setzt hier nach 7,5,7 Ortsadverb neben ein. 12–13 ein wip / ain magt, s. die Anm. zu v. 1,2,9–13 und 5,2,15–16. 14 hellewirte, die konkretisierenden Bilder des Mittelalters stellen Gott als den Herrn des himmlischen (s. *7,25,15), den Teufel als den Herrn des höllischen Hauses vor.

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C Feuer, Wasser, Luft und Erde, die Kraft dieser vier Elemente bringt nach Gottes Unterweisung hervor, das nun lebt. Was geht, kriecht, fliegt, fließt, was die Erde hervorbringt, dient dir, wie es dir zukommt. Durch die Meisterschaft deines Schöpfers, o Mensch, steht deine Macht in vollkommenem Ansehen. Über alle Kreaturen bist du ein mächtiger Herrscher. Gott hat in seiner Liebe dir seine Schöpfung zugeteilt. Sieh hinter dich, nach vorn, geradeaus [?], auf- und abwärts: Dir gehört alles, was er geschaffen hat. Jedoch hat eine Frau uns beinahe ins Verderben gestürzt. Davon hat uns eine Jungfrau befreit. Darüber zürnt der Herr der Hölle. Wir Christen verneigen uns vor der Hand Gottes. Er starb für uns, er ist für uns auferstanden, er verbannte den Teufel in die Hölle. D Steinmann, S. 300; Haustein, S. 176 f. und Anm. 46. E Haustein, S. 171–173; 176–179.

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*6,20 Man sunet wol mit worten gotes und der welte haz. edel gestain briset und git hohen mUt, wúrtzen ze arzenie horent, des uns giht. man vint in allen orten in der welt noch etewaz ← fúr dú drú → sint tugende an den lúten gUt. tugende ist ain rainer hort, den got noch gerner siht. mænege tugende tailent sich und stent iemer ganz. vro ere swebt in tugenden, lachet. tugende ist der eren krantz. tugenthafter lúte gabe ist got liep. swer sich mit untugenden swachet, der i. st gotes und der sel ain diep. fúrsten, graven, vrien, edel dienestman, ritter, vrowen, werdu diet, legent dugenden claider an!

A B 1r, Nr. 5, Überschrift Marn’. 3 briset] .riset B, das b nicht mehr lesbar. 4 uns / giht. Steinmann liest vor giht ein nu, es könnte ebensogut ein riu oder tin sein. 7 fúr] fú B. 10 lachet, Kornrumpf brieflich an Haustein (S. 178)] lachen B. B Nach RSM 4, 1Marn/6/20, S. 278 Form 1. In der Hs. haben v. 9 (oder mænége?) und 13 keinen Auftakt (oder úntúgenden?); v. 14 ist zu lang; wenn man derst herstellen würde, wäre er lediglich auftaktig. Als Ergänzung der Lücke in

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v. 4 schlägt Haustein „diu schrift o. ä.“ vor, was man mit Sir. 38,4 stützen könnte: „Gott bringt aus der Erde Heilmittel hervor“; es ist aber nur Platz für eine Silbe. Vielleicht stand hier einmal ein Name, der nicht mehr verstanden wurde. RSM 4 versieht die Verfasserangabe ‚Marner‘ mit Fragezeichen. Haustein spricht die Strophe dem Verfasser der C-Strophen ab. Für sein Argument: „die wenig konzise Gegenüberstellung der ersten beiden Stollen mit dem Abgesang … sowie deren sich zum Teil widersprechende Bilder“ gilt erst recht das schon zu 6,19 Gesagte. Drei für den Menschen wertvollen Dingen (Stollen 1) wird die Tugend als wertvoller gegenübergestellt (Stollen 2), deren preisende Beschreibung (Stollen 2 und Abgesang) schließt die Aufforderung ab, sich der Tugend zu befleißigen – nicht nur könnte man dies auch als besonders konzise Fügung beschreiben, es ist auch kein Gedanke darin, der sich nicht auch in den C-Strophen fände. Eher scheinen mir die trivialen Verse 5 und 6 gegen die Zugehörigkeit zu sprechen, aber das sind Geschmacksurteile, wie ich sie auch hinter Hausteins Argumenten vermute, und wie sie auch innerhalb des C-Corpus’ leicht gefällt werden könnten. Gänzlich singulär ist aber die über zwei Langverse gehende Enumeratio am Schluß, diese Art der Adressierung kennt das Corpus nicht, in dem Anreden überhaupt selten sind (s. Einl. S. 35). Posaunentöne dieser Art wären ein arger Stilbruch bei einem Dichter, der seinem Publikum, auch wenn er tadelt, nahezu immer die Möglichkeit lässt, sich nicht angesprochen fühlen zu können (Ausnahme 7,14,20). Ich neige also auch dazu, die Strophe vom C-Corpus abzutrennen. 1 wol, RSM liest wot und ergänzt wo < r >t, dagegen schon Haustein S. 178. 5 vint, für mhd. vindet s. § 53d. 9 tailent sich, ist hier das Auffächern gemeint, wie es vor allem in allegorisierenden Darstellungen etwa der Tugendstiegen vorgenommen wurde? S. dazu Franz-Josef Schweitzer: Tugend und Laster in illustrierten didaktischen Dichtungen des späten Mittelalters. Studien zu Hans Vintlers Blumen der Tugend und zu Des Teufels Netz. Hildesheim usw. 1993, S. 1–22. 10 lachet, Haustein möchte des sweben wegen nicht auf das ungewöhnliche lachen (‚Lache/Pfütze‘) verzichten, aber eben das swebt (häufig für ‚schwimmt‘) dürfte für den Fehler verantwortlich sein; das stets negativ konnotierte lache ist wohl kaum ein Ort, den ein Lobredner der Tugend dieser zuordnen würde; zu der weiteren Verwendung von sweben s. *6,19,7 und *6,21,5. Daß die Tugend, vor allem die milte ein fröhliches Gesicht zeigen soll, schon 2. Kor. 9,7: „Gott liebt einen fröhlichen Geber.“ Vgl. Winsbecke 49,4 ist er ein vrœlich man, / derz wol den liuten bieten kan, / sô tuot sîn brôt dem nemenden wol / und lachent beide ein ander an. 16 legent, zu dieser Form des Imperativs s. § 240 Anm. 3. C Mit den richtigen Worten versöhnt man den Zorn Gottes und den der Welt. Edles Gestein schmückt und erfüllt mit Stolz. Wurzeln braucht man zur Arznei, wie uns lehrt. In allen Enden der Welt findet man noch etwas, das wertvoller ist als diese drei, wertvoller sind am Menschen Tugenden. Tugend ist ein edler Schatz, den Gott noch lieber sieht. Manche Tugenden teilen sich und bleiben

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[doch] als Ganze erhalten. Frau Ehre weilt unter Tugenden, lacht. Tugend ist der Kranz der Ehre. Gott schätzt die Gabe der Tugendhaften. Wer sich mit Lastern elend macht, ist ein Dieb an Gott und an der Seele. Ihr Fürsten, Grafen, Freie, adlige Dienstleute, Ritter, Frauen, edle Menschen, legt die Kleider der Tugenden an! D Steinmann, S. 302; Haustein, S. 177 f. und Anm. 47. E Haustein, S. 171–173; 176–179.

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*6,21 Ich merke, daz dú sunne drier hande gabe hat von des almehtigen gotes magencraft: fúr, hitze und schonez lieht, diu driu schaident sich niht. S swebt in hoher wunne dú vil werde trinitat: dri personen, ain got wit ist namehaft. ‚vater, sun, hailiger gaist‘ uns des gelouben giht, da mit wir lebendic unde toten suln genesen. swaz ketzer, juden, haiden an ir valschen bUchen lesen –, der touf und daz crutze uns vor den vinden nert, die uns von sælden wolten schaiden, dú von gotes gabe uns vert den gelouben. suzer vater jesu crist, unser got und starker vogt vor allem úbel bist.

FIVa

A B 1r Nr. 7, Überschrift Marner. k 494 ra-b (mit Noten; Überschrift Jn marner kUrcze od’ hofedone) = FIVa. 15 crist] in B nur c . . st lesbar. B Nach RSM 4, 1Marn/6/21a Form 1; in der Hs. v. 9 (oder mite?) und wohl auch v. 12 ohne Auftakt, v. 10 ist um einen Takt gekürzt (oder unde?), eine Form, die der Ton in der jüngeren Überlieferung annimmt und die auch in C bereits einmal vorkommt (s. 6,17). Zur Echtheitsfrage Bartsch (62, S. 162) „Von 102 [=*6,21–24+6,1 und 6,9] halte ich die ersten drei strophen für echt; die vierte von mir ausgelaßene ist entschieden jünger, die beiden letzten sind durch die überlieferung anderer hss. gesichert.“ Strauch, der wie Bartsch nur die k-Überlieferung kannte, hat sich dem angeschlossen. Für de Boor ist sie anonym „spätes 13. oder 14. Jh. Sicher nicht vom Marner“, jeweils ohne Begründung. RSM 4, S. 278 Autorangabe Marner mit Fragezeichen. Haustein verweist nur auf das ‚hohe Alter‘

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der Strophe, das durch diese Überlieferung gesichert ist (das gilt freilich auch für *6,19 und *6,20). Für das nur hier erscheinende vogt (v. 16) gilt das Einl. S. 91 Gesagte. Also bleibt auch hier das Fragezeichen. Weitere Singularia: almehtig, magenkraft, ketzer, juden, haiden, touf, suze in Verbindung mit vater. 1 sunne, die Sonne mit drei stets in unlösbarer Verbindung auftretenden Eigenschaften war eines der Bilder, mit deren Hilfe man das Wesen der Trinität zu erfassen versuchte, vgl. 5,1,20; s. dazu P. Kern, S. 155–163 und Anhang V*. 8 syntaktisch schwierige Stelle, Übers. unter folgenden Annahmen: gelouben ist Nominativ (zur Form s. § 187 Anm. 3) und meint das als Glaubensbekenntnis (Credo) bezeichnete Gebet, eine schon in frühchristlicher Zeit für die liturgische Praxis vorgenommene Zusammenstellung der wichtigsten Glaubenssätze; zum artikellosen Gebrauch des Abstraktums s. § 422, jehen mit Genitiv des s. zahlreiche Beispiele BMZ I, 512b. 13–14 unklar, worauf sich das dú bezieht, was hier von bedeutet und was vert; sowohl mhd. verren (e : ë s. Einl. S. 87) wie mhd. varn kommen in Frage, sonderlich glücklich ist man mit beiden nicht. Gegen B und k möchte man auch nicht in den Text eingreifen; ich beziehe versuchsweise dú auf sælde und verstehe von als ‚von her‘. 15 suzer vater jesu, s. die Anm. zu 6,8,2. 16 bist, zum fehlenden Pronomen der 2. Pers. s. Behaghel III,1113. C Ich erkenne, daß die Sonne durch die große Kraft des allmächtigen Gottes dreierlei Qualitäten hat: Feuer, Hitze und schönen Glanz, die drei treten nicht unabhängig voneinander auf. Ebenso existiert in hoher Glückseligkeit die heilige Dreifaltigkeit: Drei Personen, ein Gott ist der hochberühmte Name. ‚Vater, Sohn, heiliger Geist‘ benennt ihn uns der Glaube, womit wir lebend und sterbend errettet werden sollen. Was immer Ketzer, Juden, Heiden in ihren lügnerischen Schriften verbreiten –, uns rettet die Taufe und das Kreuz vor unsern Feinden, die uns von dem Heil trennen wollen, das uns durch das Geschenk Gottes jenen [ketzerischen] Glauben fernhält, oder: das uns … jenen [heilbringenden] Glauben bringt. Heiliger Vater, Jesus Christus, unser Gott und starker Beschützer vor allem Übel bist du. D Bartsch 62, Nr. CII,1; Strauch, S. 130 f. (XIV,18a); Runge, Nr. 69 (mit Melodie); de Boor I, S. 575 (mit vielen Eingriffen); Taylor 68, S. 42 (Melodie); alle nach k; Steinmann, S. 303 nach B. E Bartsch 62, S. 162; Strauch, S. 74 Anm.; Haustein, S. 69 f.; 173.

*6,22 Eva es dar zu brachte so, daz der mentsche wart verlorn; da halff uns wyder ‚Ave‘ daz vil suße wort,

FIVb / Ml 15,IV

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daz der heilige engel zu der reynen meyde sprach. Der grUß uns freud herachte, daz got ab liess den sinen zorn Und gab uns armen sinen lieben hymel hort, in den er sich verbarg, byss er zu muter ir verjach. Die mynne twang der meyde son, daz er durch uns syn leben dem tode gap durch rechte mynne, daz er uns wolt ewig leben geben. Nu bit ich dich, vatter, son und heiligen geist, so daz du richtest myne synne, syt du mich ie in sunden weist, daz ich gebusse die hie vor dem ende myn. dar zu sprich, Maria, din bett, frau, aller kunigin.

A k1 494 rb-va = FIVb. k2 502 va = Ml 15,IV. 4 der k2] nicht in k1. heilige] deilige, das d zu h geändert k1. 10:13 mynne : synne] myn¯ : syn¯ k1. B Nach RSM 4, 1Marn/6/500a zweite Strophe eines Sechserbars von unbekanntem Verfasser, Form 2, danach müßten alle Verse außer v. 16 auftaktig sein, v. 16 hat aber hier Auftakt, die vv. 4 und 12 haben keinen; ‚Form 1, Variante: fast alle Verse haben Auftakt‘ wäre die korrekte Angabe (vgl. 6/101a); v. 11 hat zweisilbigen Auftakt (oder ist der statt daz er zu lesen? Vgl. die Anm. zu 3,2,13). Zur Echtheitsfage s. unter *6,21. Haustein vermutet auch bei dieser Strophe ein „hohes Alter“, weil sie zusammen mit einer in B schon überlieferten Strophe in Hs. k für die Strophenfolge IVa-f symmetrisch zu den beiden ‚alten‘ Schlußstrophen vielleicht ein Paar alter Eingangsstrophen hat bilden sollen. Hier gerät die Argumentation in die Nähe des Zirkelschlusses: Symmetrischer Bau und hohes Alter bedingen einander. Gegen die Zugehörigkeit zum C-Corpus sprechen m. E. die zweifache Begründung in v. 9 und 10 (Die mynne twang … durch rechte mynne) und das aller kunigin (v. 16). Im Corpus ist al entweder Adjektiv (alle lande), oder verbunden mit einem Pronomen (wir alle, den allen), oder wird näher bestimmt durch einen Relativsatz (alle, die …). Gegen das hohe Alter spricht der Gedanke von Gottes Verborgenheit im Himmel (v. 8), der m. W. erst in jüngeren Texten ausgesprochen erscheint, vgl. z. B. Ml 24,II-IV. Abweichend vom Reimgebrauch im Corpus reimen vv. 1:5 brachte : erachte; im Corpus stehen alle Reime von Kurz- auf Langvokal stets nur in einsilbig männlicher Kadenz (s. Einl. S. 86). Das seit dem Hymnus Ave maris stella (~ 8. Jh.) beliebte Palindrom EvaAve ist im Corpus nicht verwendet, so oft auch das Ave erwähnt wird (s. Einl. S. 32). 1 Eva, s. die Anm. zu 5,2,16. 3–4 Ave, s. die Anm. zu 4,3,9. 5 herachte, mhd. erahten mit Dat. ‚zuteilen‘. 12 vatter, zu den Trinitätsvorstellungen s. die

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Anm. zu 5,1,20. 16 aller, wohl Restformel sonst spezifizierter Bezeichnungen wie 4,1,2 aller heiligen, aller cristen u. ä. C Eva hatte bewirkt, daß der Mensch verloren ging; da half uns ‚Ave‘, das süße Wort, wieder heim, das der heilige Engel zu der keuschen Jungfrau gesprochen hat. Der Gruß bereitete uns die Freude, daß Gott abließ von seinem Zorn und uns Verlorenen den Schatz seines Himmels schenkte, in dem er sich verborgen hatte, bis er sie zur Mutter ernannte. Die Liebe zwang den Sohn der Jungfrau, daß er unseretwegen sein Leben dem Tod übergab um der wahren Liebe willen, weil er uns das ewige Leben geben wollte. Nun bitte ich dich, Vater, Sohn und heiligen Geist, daß du mein Sinnen und Trachten richtig lenkst, daß ich, da du weißt, daß ich in Sünden lebe, diese vor meinem Ende abbüße. Dazu sprich deine Bitte, Herrin, Königin über alle. D Bartsch 62, Nr. CII,2 und CV,4; Strauch, S. 131 f. (XIV,18b). E Bartsch 62, S. 162; Strauch, S. 74 Anm.; Haustein, S. 68–72.

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*6,23 Hie vor vor alten zyten ysayas der wyse seyt von einer schonen bluwenden gerten, ist genant al von jesse, uber die erd gewahsen hoch enbor. On alles wider strytten so bistu, keyserliche meyt, zu der sich cristus, die gotliche blUme, want, der uns dort von der helle bracht hin vor dez hymmels tor. Du bist es, keyserliche meit, vil wol ein bluwend ryss. du kem uns in der zyt zu troste, do sich in einer lilgen wyss got in din mentschelich nature er sich want. er nam uns von dez tufels roste Und ließ dich magt, alz er dich vant. Und du geber den zarten got on missetat. Er schuffe, daz din kuscher lyp gar unvermeilet stat.

FIVc

A k 494 va = FIVc. 5 wider] wd’ k. 10:13 troste : roste] trost : rost k. B Nach RSM 4, 1Marn/6/500a dritte Strophe eines Sechserbars von unbekanntem Verfasser, Form 2; danach müßten alle Verse außer v. 16 Auftakt haben. Die Hs.

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stellt ihn aber auch v. 16 durch die Paragoge schuffe her. Bartsch und Strauch hielten die Strophe „für echt“ (s. *6,21), Haustein hingegen hält sie für ein jüngeres, vom Redaktor von k oder einer Vorlage „möglicherweise selbstverfaßtes Bindeglied“ zwischen je zwei älteren Strophen. Jünger ist die Strophe vor allem deswegen, weil die hier gebotene Verwendung des Bildes vom Reis Jesse einen längeren variierenden Rezeptionsweg in deutscher Sprache voraussetzt, als sie das C-Corpus mit seiner Nähe zur lateinischen Hymnik bietet, und blUme als Bezeichnung Gottes dort ebenso unbekannt ist wie die Bezeichnung Lilie (v. 11) und keiserliche meit (v. 6 und 9) für die Gottesmutter. Die Erhöhung der regina coeli zur keiserin hat kein lat. Äquivalent. Der Marner bleibt bei künigin (4,1,2). Zweifachverwendung eines so markanten Epithetons wie keiserliche meit innerhalb von vier Versen hat im Corpus keine Parallele. Zu v. 16 schuffe s.u. Zusammen mit diesen Argumenten gewinnen auch die Singularia tufels rost, unvermeilet und zart Gewicht. 1 gemeint wohl die Messiasverheißung Is. 7,14. 3–4 und 9 Zum Beinamen ‚Reis‘ oder ‚Gerte von Jesse‘ s. die Anm. zu 6,8,7. 4 gewahsen, durch die Aufnahme neuer Bezüge, hier der Bedeutung Mariens für die ganze Menschheit, ausgeweitet, verliert das Bild von der blühenden Gerte (s. die Anm. zu 5,2,1) seinen ursprünglichen Symbolgehalt. 7 blUme, als Name für Gott ungewöhnlich, nach meiner Kenntnis erst belegt bei Frauenlob I,19,20 er blume von mir blume wolde entspriezen. 8 dort, wenn es kein bloßes Flickwort ist, dürfte es den Ort seines Sterbens meinen. 9 es, in prädikativer Funktion, vgl. § 403. 11 lilgen, die Lilie ist ein altes Keuschheitssymbol. 12–13 Anakoluth: in einer lilgen wyss und in din menschelich nature sind Umstandsbestimmungen, die den gleichen Umstand meinen und beide vor oder hinter dem Subjekt des Temporalsatzes, dessen Subjekt got ist, stehen müßten, hier rahmen sie das Subjekt ein, das nun quasi als antizipiertes Nomen durch ein Personalpronomen wieder aufgenommen (s. § 403) das Subjekt eines neuen Hauptsatzes bildet. 13 roste, die Feuersglut der Hölle ist vielfach biblisch bezeugt, so z. B. Mt. 5,22; 18,8–9; 25,41 u. ö. 14–16 zu dem viel behandelten Wunder der Unversehrtheit der Jungfrau s. die Anm. zu 4,1,1. 16 schuffe, die im Meistersang als ‚Anhang‘ bezeichnete Strategie der Auftakt- und Versfüllung durch unorganisches e, wie sie im 14. und 15. Jh. zunehmend Platz greift, ist im Corpus nicht zu belegen (s. Einl. S. 89). C Einst vor alten Zeiten sprach Jesaja, der Weise, von einem schönen blühenden Reis, von Jesse genannt, hoch über die Welt hinausgewachsen. Ohne jeden Zweifel bist du, kaiserliche Jungfrau, diejenige, der sich Christus, die göttliche Blume, zugewendet hat, der uns dort von der Hölle vor das Himmelstor brachte. Du bist, kaiserliche Jungfrau, wahrlich ein blühendes Reis. Du wurdest unser Trost, als sich in einer reinen Lilie Gott, [nämlich] mit dir als einem Menschen verband er sich. Er nahm uns von der Glut der Hölle und ließ dich Jungfrau bleiben, wie er dich gefunden hatte. Ohne Sünde hast du den zarten Gott geboren. Er bewirkte, daß dein keuscher Leib gänzlich unversehrt geblieben ist.

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D Bartsch 62, Nr. CII,3; WKL II, Nr. 178; Strauch, S. 132 (XIV,18c). E Bartsch 62, S. 162; Strauch, S. 74 Anm.; Haustein, S. 68–72.

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*6,24 Mary, du bist beschonet, du lichte lilge one meil, du mynnicliche fyol, hymmel keyseryn, heilig dryackel, balsam smag vor ymmer wernden tode. . Mary, du bist gecronet. cristus, din kint, daz hochste heil, Den du geber on alle mentscheliche pin, des muter und der cristenheit, hilff, helfferynn, uß not. Des habent dich die heilgen engel hoch liep unde wert. Al umb din tugenthafte gute manig sunder din begert, wann was du bittest hin zu got, daz ist geschen. Hilff uns ins hymmels blute, da wir got one ende sehen. Er was din vatter, ist din son und din schopfer. Maria, mUter reyne meit, hilff uns von sunden swer.

FIVd

A k 494 va-b = FIVd. 4 ymmer] myne k. B Nach RSM 4, 1Marn/6/500a vierte Strophe eines Sechserbars von unbekanntem Verfasser, Form 2; wohl weil v. 11 und wohl auch v. 14 schemagerecht keinen Auftakt haben; v. 13 ist aber um einen Takt gekürzt; nach RSM 2, S. 131 müßte die Strophe eher Form 3 zugeordnet werden. Bartsch, Strauch und Haustein (s.*6,21 und 22) halten die Strophe für jünger als das Corpus. Zur Bestätigung lassen sich vier Besonderheiten anführen, die das Corpus nicht kennt: die Namensform Mary, der männliche Reim v. 15:16 -ær : -ær, und die Bezeichnung der Gottesmutter als Lilie und als Kaiserin (s. *6,23). 1 beschonet, s. die Anm. zu 4,1,3. 2 lilge, s. die Anm. zu *6,23,11. 3 fyol, hier swf.; das süß duftende, aber niedrig blühende Veilchen galt als Sinnbild der Bescheidenheit und Demut. 4 dryackel, aus griech. , ein Gegenmittel gegen den Biss giftiger Tiere, vgl. Egen v. Bamberg ‚Daz herze‘ 49 triakers trost. balsam smag, Balsam, Saft des Balsambaumes, seines Aromas und der ihm zugeschriebenen Heilkraft wegen als Symbol für Christus, vor allem aber für Maria im Mittelalter sehr beliebt (s. Salzer, S. 143 ff.); der Sinn des Beiworts wohl schon verdunkelt; der Verfasser denkt an die Stoffe zur Konservierung von Leichen vgl.

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6,5,1. 6–8 Anakoluth, zum Subjekt cristus mit Apposition und zugehörigem Relativsatz fehlt das Prädikat (oder sollte ist aus dem vorherigen bist ergänzt werden?). 9 Des, nicht recht zu beziehen, faßt wohl v. 5–7 zusammen. hoch, unfl. Adjektiv zu engel oder präd. Ergänzung zu habent? 12 was du bittest, vgl. 6,9,8; 7,8,8. 13 hymmels blute, ungewöhnliche Genitivumschreibung; woran ist zu denken? Blühende Gefilde? Das ewige Leben? Oder wurde ohne Sinn ein Reimwort gewählt? C Maria, du bist schön geschaffen, du reine Lilie ohne Makel. Du liebliches Veilchen, Kaiserin des Himmels, heiliges Theriacum, Balsamduft gegen den ewigen Tod. Maria, du bist gekrönt. Dein Sohn, Christus, das höchste Heil, den du ohne menschlichen Schmerz geboren hast, dessen und der Christenheit Mutter, hilf, Helferin, aus Not. Deshalb bringen dir die hochheiligen Engel Liebe und Ehrerbietung entgegen. Um deiner tugendreichen Güte willen verlangen viele Sünder nach dir, denn was du Gott bittest, ist (sogleich) geschehen. Hilf uns in die Blüte [?] des Himmels, wo wir Gott ohne Ende sehen werden. Er war dein Vater, er ist dein Sohn und dein Schöpfer. Maria, Mutter, reine Jungfrau, hilf uns fort von der Beschwernis der Sünden. E Bartsch, S. 162; Strauch, S. 74 Anm.; Haustein, S. 68–72.

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*6,25 Welch frunt mich welle straffen, der sol mirs heimelichen sagen also, daz es niemandes hor dann ich und er. so mag ich ym es dancken unde nemmen wol vor gut. Wil er lut schryen ‚waffen‘ und wil auch liegen durch den kragen, Von dem so wil ich seczen alle myne gier. zwar ich werden ym nymmer holt, der mir daz selbe tUt. Wil er sagen, ob mir icht gutes sy von ym beschehen, was fruntschaft sol ich dar an kiesen oder mich gutes da versehen? doch vindet man noch mangen, der daz sel be tUt. er mocht zum lesten dran verliesen: seh ich sin schuwer in einer glUt, vil licht decht ich, was er mir vormalz het getan. wasser zu tragen und myns dinstes mUst er wesen an.

A k 495 ra-va = FVa. 12 selbe] sebe k.

FVa

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B Nach RSM 4, 1Marn/6/501 erste Strophe eines Dreierbars, Form 2: bis auf v. 6 (s. u.), 8, 9 (!),11 und wohl auch 16 haben alle Verse Auftakt (es ist nicht recht zu durchschauen, ab wieviel Auftakten eine Strophe noch als Variante von Form 1 gilt oder schon als Form 2 angesetzt wird. Die eindeutigen Schemata in RSM 2, S. 131 scheinen nicht immer die Maßgabe der Zuordnung gewesen zu sein). Bartsch hielt diese Strophe für echt; Strauch hat sich dem angeschlossen. RSM weist sie einem unbekannten Verf. zu. Ich halte das für zutreffend. Das Ich der Marner-Sprüche ist ein paradigmatisches, es moralisiert auf einer Ebene, auf der abstrakter, allgemeiner argumentiert und exemplifiziert wird. Die Ebene der kleinen Rancune auf der Dorfstraße ist seine Sache nicht. Auf dieser Folie fällt dann auch ins Gewicht, daß sich im Corpus weder heimlich noch zum lesten finden, die zweimalige Verwendung einer Floskel (daz selbe v. 8 und 12) keine Parallele hat und vormals (v. 15) bei Lexer erst um 1300 in zwei Belegen nachgewiesen wird. 1 Vgl. Mt. 18,15: „Wenn dein Bruder sündigt, dann geh zu ihm und weise ihn unter vier Augen zurecht“; das gleiche Thema schon MF 24,17. 3 es niemandes, eine versehentlich Wiederholung des Pronomens? 5 waffen, s. die Anm. zu L6,2,9. 8 werden, zur hsl. Form s. § 240 Anm. 1. 10 fruntschaft, Gen., zur umlautlosen Form (statt schefte) s. § 184 Anm. 2. C Welcher Freund mich tadeln will, der soll es mir heimlich sagen, so daß niemand sonst als er und ich es hören. Dann will ich ihm dafür danken und es im Guten annehmen. Will er ‚Zeter und Mordio‘ schreien und auch noch lauthals lügen, werde ich meine ganze Zuneigung von ihm abwenden. Wahrhaftig, wer mich so behandelt, den mag ich nicht mehr leiden. Will er sagen, ob mir nicht etwas Gutes (dadurch) erwiesen worden sei, für was für eine Freundschaft soll ich das halten oder was soll ich daran gut finden? Dennoch findet man manchen, der genau das tut. Es könnte letztlich doch sein Schade sein: Wenn ich seine Scheune in Flammen stehen sähe, fiele mir vielleicht ein, was er mir zuvor angetan hat. Auf Wasser-Herbeitragen und auf meine Hilfe müßte er verzichten. D Bartsch 62, Nr. CIII,1; Strauch, S. 133 (XIV,18d). E Bartsch 62, S. 162; Strauch, S. 74 Anm.

5

*6,26 WEr mir hat ubel sprochen, Seh ich dem selben sinen wagen darnyder vallen, zwar, ich hub in nymmer uff. da by so mag man mercken, brUffen einen spehen list: Vil dinges wirt gerochen, daz han ich dick gehoret sagen,

FVb

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10

15

Texte

daz so mit cleynen dingen wirt geleget druff. manchem ein duckellin geschicht, daz doch nit vintschafft ist. Ein cleines wort mag wol herczornen einen byderman, daz ym doch nymmerme vergysset, und keret sich doch nit dar an. ist aber, daz man sin hernach icht me bedarff, zu hant er daz gemisset; vil bald ers da her furewarff. So wirt verzygen alz, daz man an in begert. ein cleines wort ischt schir geschen, daz manchen macht unwert.

A k 495 rb = FVb. 3 zwar ich] zwischen zwar und ich ein Auslassungszeichen, über der Zeile nicht sicher lesbar dih oder dicz k. 5 wirt] wir k. 12 icht] ich k. 16 manchen] mache k. B Nach RSM 4, 1Marn/6/501 zweite Strophe eines Dreierbars, Form 3; alle vv. haben Auftakt, v. 13 um einen Takt gekürzt. Bartsch hielt diese Strophe für echt. Strauch hat sich dem angeschlossen. Das RSM weist sie einem unbekannten Verfasser zu. Ich halte das für zutreffend. Zu der in *6,25 genannten Begründung kommen hier die Benutzung der Form 3, der Reim uff : druff (die zahlreichen Zusammensetzungen mit dar des Corpus werden nie kontrahiert), die lediglich versfüllende Doppelung der Infinitive merken brUffen (v. 4), die im Corpus keine Parallele hat, und die Verwendung des nach Ausweis der Wörterbücher zu modernen biderman. 1–3 lockere Konstruktion, zu erwarten wäre wer – der, statt dessen ein konditionales Gefüge mit neuem Subjekt. 10 ym vergysset, die unpers. Konstruktion mit dem Dat. der Person belegt Lexer erst aus dem 16. Jh. C Hat einer schlecht über mich gesprochen und sähe ich dessen Wagen umfallen, wahrhaftig, ich würde ihn bestimmt nicht aufheben. Daran kann man einen klugen Rat lernen und erproben: Viel wird gerächt, das habe ich oft sagen gehört, was so aus Kleinigkeiten aufgehäuft wird. Manchem wird ein kleiner Ärger zugefügt, was noch nicht eigentlich Feindseligkeit bedeutet. Ein unbedeutendes Wort kann einen guten Mann schon erzürnen, er vergißt es [zwar] nie, läßt es aber auf sich beruhen. Kommt es aber dazu, daß man ihn später zu irgendetwas nötig hat, sogleich wirft er es in die Wagschale, ganz rasch hat er es wieder hervorgeholt. Dann wird alles abgeschlagen, was man von ihm erbittet. Ein unbedeutendes Wort ist schnell rausgerutscht, hat aber manchen in Mißkredit gebracht. D Bartsch 62, Nr. CIII,2; Strauch, S. 133 f. (XIV,18e).

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E Bartsch 62, S. 162; Strauch, S. 74 Anm.

5

10

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*6,27 WEr gauckelt under eim hUte und lasset red vor oren gan, byss er besynnet, wa daz wort hin reichen mag, Des anwort dann ein wyser man vil lichte oder nicht. Min ler kumpt ym zu gute, ist, daz ers rechte kan verstan. Ez komet noch in drissig jarn villicht eyn tag, myn ler kumpt ym zu nucze, daz man ym lobes gicht: Wer aller rede entwort gyt, ist nit ein wyser man, Und eim wil vintschaft tragen, des er doch schaden nie gewan, der selb wil keuffen krieg und unbescheydenheit. den sol man wenig clagen, so man in hin zu grabe treit. Es wer doch weger vil, er were nie geborn. wer nu lept in der wys, der heist ein rint wol one horn.

FVc

A k 495 rb-va = FVc. B Nach RSM 4, 1Marn/6/501 dritte Strophe eines Dreierbars, Form 3; alle vv. haben Auftakt; v. 10 und 13 um einen Takt gekürzt, sie füllen zudem die klingende Kadenz 10 : 13 mit Wörtern, deren ursprünglich stammhafte Kürze sie für den Marner nur in männlicher Kadenz (2mv) verwendbar machte. Schon Bartsch hielt diese Strophe für unecht, Strauch hat sich dem angeschlossen: „Unecht … wegen des klingend gebrauchten Reimes tragen : klagen“, deshalb zu Recht im RSM einem unbekannten Verf. zugewiesen. 1–4 Anakoluth: der Subjektsatz (v. 1–3) bleibt ohne Prädikat, stattdessen wird ein neuer Satz mit neuem Subjekt (ein wyser man) angeschlossen. 1 gaukkelt, das Gaukeln unterm Hut ist die gängige Bezeichnung für die Ausführung von Zaubertricks, wie sie vielfach zum Unterhaltungsrepertoire des fahrenden Volks gehörten; sehr hübsch beschrieben Walther 13; vgl. dazu Hartung, S. 44 ff. 4 antwort, mhd. antwortet, s. § 53d. C Wer mit Zaubertricks operiert und drauflosredet, ehe er darüber nachdenkt, wohin sein Reden führt, darauf antwortet ein kluger Mann vielleicht oder auch nicht. Meine Lehren sind gut für ihn, sofern er sie richtig versteht. In dreißig Jahren kommt vielleicht der Tag, an dem meine Lehren ihm nützen, so daß man ihn

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Texte

lobt: Wer auf alles Gerede antwortet, ist nicht weise, und wer einem feindlich gesonnen ist, der ihm nie geschadet hat, der handelt sich Gegnerschaften und Dummheit ein. Um so einen braucht man nicht zu klagen, wenn man ihn ins Grab legt. Es wäre ja doch besser, wenn er nie geboren wäre. Wer unter solchen Umständen dahinlebt, den nennt man ein Rindvieh ohne Hörner. D Bartsch 62, Nr. CIII,3. E Bartsch 62, S. 162; Strauch, S. 74 Anm.

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*6,28 WEr kum sunder gedencket, was er gesundet hat sin tag, daz ym got rechte ruwe send uff einen tag, da mit er aller siner sunden wil gefryet sin, Owe, wie er sich drencket! er hute, daz in nit her jag dez starcken todes creffte, der ym gyt ein slag. Got alten und den jungen an dem ende sweret pin. Ja vorcht ich, daz vil mange sele da von werd verlorn: wer nu vil sund wil uff sich borgen byss uff dez starcken gottes zorn, Wer uber heubet sund, der ruw nit in wil gan. dez sol wir bicht und sorgen und uff die sunde angest han. Wer auch mit willen in der sunde lage lyt, Es wirt sin ungewin, kumpt er suss an die leste zyt.

FVIb

A k 501ra-ba = FVIb. 1 kum] kun k. B Nach RSM 4, 1Marn/6/508a zweite Strophe eines Siebenerbars von unbekanntem Verfasser, Form 3: durchgehend Auftakt, v. 13 um einen Takt zu kurz. Ein sicheres Indiz gegen den Marner als Verfasser gibt es nicht; bis auf einige Auftakte, die sich aber auch in den Corpus-Strophen finden, ist Form 1 problemlos herzustellen (v. 13 bichten unde; v. 15 auch ohnehin einschubverdächtig). Anführen läßt sich: V. 2 und 3 sind durch rührenden Reim (tag Pl. : tag Sg.) gebunden, der im Corpus nur im Schweifreim erscheint. Im Corpus wird, so oft von der Sündhaftigkeit des Menschen die Rede ist, doch auffallend wenig von Beichte und Buße, dem bevorzugten Thema der zeitgenössischen Predigt, gesprochen; weder bîhte noch buoze (einmal gebusse 7,6,5, einmal beweine 6,10,5) noch auch riuwe

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sind in den Corpus-Texten belegt (doch s. *6,31). Die wer – der-Konstruktion wird immer durchgeführt; das Corpus kennt auch das Flickwort ja (v. 9) nicht, das in der k-Version von 6,10 (FVIg) und außerhalb von C in *7,24 und 25 auftaucht. Für Haustein (S. 108; ohne Begründung) ist die Strophe „sicher jünger“; man sollte die Frage wohl besser offen halten. 1 kum, RSM verliest zu keim. 5 drencket zu mhd. drengen? Oder sollte krenket eingesetzt werden? 10–12 lockere Konstruktion: die Subjektsätze 10–11 und 12 wer … haben keine entsprechende Ergänzung der …, sondern sind ohne syntaktische Stütze auf das Subjekt mange sele des voraufgehenden, von vorcht ich abhängigen Objektsatzes bezogen. 12 uber heubet, s. L3,4,8. sund, mhd. sundet, s. § 53d. îngân mit Gen. ‚sich auf etwas einlassen‘. 13 sol wir, zum Verlust der Endung bei nachgestelltem Pronomen s. § 240 Anm. 2. bicht, endungsloser Inf. (s. § 240 Anm. 8), man könnte aber auch bicht und sorgen als mit angest gleichgeordnete Substantive auffassen. 15–16 lockere Konstruktion ähnlich 10–12. C Wer kaum einmal im Besonderen daran denkt, was er in seinen Tagen gesündigt hat, (und denkt), daß ihm Gott die wahre Reue eingeben möge an einem einzigen Tag, an dem ihm dann all seine Sünden zugleich vergeben werden, o weh, wie sehr sich der in Bedrängnis bringt [?]. Er mag sich vorsehen, daß ihn die Macht des gewaltigen Todes nicht zur Strecke bringt, die ihn mit einem Schlag fällt. Alten wie Jungen macht Gott an ihrem Ende die Not groß. Ja, ich fürchte, dass so manche Seele dadurch verloren geht: wer sich jetzt viele Sünden leisten möchte, bis ihn der gewaltige Zorn Gottes ereilt, wer jetzt drauflos sündigt, nicht an Reue denkt. Deshalb sollen wir beichten und uns Sorgen machen und uns unserer Sünde wegen fürchten. Wer freiwillig in den Fesseln der Sünde verweilt, dem schlägt es übel aus, wenn er an sein Ende kommt. E Haustein, S, 108–110.

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*6,29 Ein got on anbegynne, do er geschuff den ersten man, da mitt er freud groß im hymmelrich began, er hat in so gemachet, daz er ymmer solte leben. Wicze und dar zu synne gab er ym vil, alz er wol kan, Und daz so schones nie nit wart, seht, alz Adam. Und alle creature mUst nach sim gebotte streben. Daz kam von gottes gUte, daz sin wysheit was so vin. Visch, vogel, wurme und die tier, die kanten all den willen sin.

FVIc

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Texte

Und daz enwert nit lange; darnach daz geschach, daz unser mUter eva dez edeln furst gebot zubrach. Umb eines cleinen apfels byss sie da verkoss ← die hymmelische freude → sie uns allen gar verloss.

A k 501rb = FVIc. 1 Ein] Gin k. 3 zwischen er und freud in der Hs ein im getilgt. B Nach RSM 4, 1Marn/6/508a dritte Strophe eines Siebenerbars von unbekanntem Verfasser. Die Zuweisung zu Form 3 ist eine Verlegenheitslösung: Zwar haben in der Hs. bis auf die Verse 3 und 5 (oder wiczé?) alle vv. Auftakt, v. 10 und 13 aber reimen nicht, zudem ist v. 10 männlich endender Viertakter, v. 13 also vermutlich ebenfalls (Kadenzentausch!). seht (v. 7) als bloßes Flickwort hat im Corpus keine Parallele. Zusätzlich zur Formabwandlung fällt ins Gewicht, daß weder die Schönheit Adams noch die Freude des Himmels über die Erschaffung des Menschen im Corpus erwähnt werden 1–2 und 10 Zur Konstruktion mit vorangestelltem Subjektnominativ s. § 403. 10 vgl. 6,14. 13 eva, zu Evas Schuld s. die Anm. zu 5,2,16. C Gott ohne Anfang, als er den ersten Menschen erschuf, womit er große Freude im Himmelreich auslöste, hat er ihn so gemacht, daß er ewig leben sollte. Er gab ihm reichlich Verstand und dazu Einsicht, so wie es in seiner Macht stand, und daß es nie so etwas Schönes gab, seht, wie Adam war. Und alle Geschöpfe mussten sich nach seinem Gebot richten. Aus Güte Gottes geschah es, daß seine Weisheit so herrlich war. Fisch, Vogel, Gewürm und Getier kannten alle seinen Willen. Aber das dauerte nicht lange; danach geschah es, daß unsere Mutter Eva das Gebot des edlen Herrschers übertrat. Eines winzigen Apfelbisses wegen verscherzte sie ← die himmlische Freude → hat sie für uns alle verspielt. E Haustein, S. 108–110.

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*6,30 FVIe / Ml 18,III / Ml 19,III WEr gibt den tieren spyse? wer gibt den rabe kuchen maß, und wer tut wunder an dez lewen welffelin? Wer gyt dem edelen holcze frucht, der erden bly und zin? Wer gibt den vogeln wyse, dem einen wirs, dem andern bass? Wer gibt den bergen wasser und den stocken win? wer neret in dem wag den visch, wer gyt ameyssen sin?

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Wer gyt der sonnen hicz und schin, monen und sternen glast? Wer gyt vinsterem licht und heiter? wer hebet uff der erden last? wer gibet gryffe, lewen fuß und vogel cla? wer gyt wormen gift, eydter? daz tut der schopfer, mentsch, sprich ‚ja‘. Diese wunder wigstu geringer alz ein ey; Und wann er wil, so teilt er dir lyp unde sele enzwey.

A k 501va-b = FVIe. q 388 r = Ml 18,III. r 30 r-v = Ml 19,III. 4 edelen] delen k. 15 geringer] gerige k. 16 enzwey] ein zwey k. B Nach RSM 4, 1Marn/6/508a fünfte Strophe eines Siebenerbars von unbekanntem Verfasser; Form 2: durchgehend Auftakt bis auf vielleicht v. 10 (oder vinstérem?), 13 (oder wormén?) und 15; v. 13 einsilbiger Takt gíft ey´dter. Die Strophe hat nichts, was sich mit dem Corpus nicht vertrüge. Für Haustein (S. 108, ohne Begründung) ist die Strophe „sicher jünger“. Auch hier wäre bei der Verfasserangabe wenigstens ein Fragezeichen angebracht. 2 rabe kuchen, bibl. Quelle Ijob 38,41: „Wer bereitet dem Raben seine Nahrung, / wenn seine Jungen schreien zu Gott / und umherirren ohne Futter?“ Noch Konrad v. Megenberg (S. 176 f.) berichtet, daß die Rabeneltern ihre Jungen sieben Tage lang nicht füttern, so daß Gott selbst sie erhalten muß, bis ihnen schwärzlicher Flaum zu sprießen beginnt, und daß sie etliche Jungen aus dem Nest werfen, wenn sie des Fütterns überdrüssig sind. 3 wunder, s. die Anm. zu 7,15,1–5. 8 ameyssen, s. die Anm. zu 1,1,1–3. 12 gryfen, s. 7,16,7. 15 geringer alz ein ey, zu dieser Wendung s. § 436. C Wer gibt den Tieren Nahrung? Wer gibt den Rabenjungen Futter? Wer vollbringt Wunder an den kleinen Löwen? Wer gibt dem edlen Holz Frucht, der Erde Blei und Zinn? Wer gibt den Vögeln Gesang, dem einen übler, dem andern schöner? Wer gibt den Bergen Wasser und den Rebstöcken Wein? Wer ernährt den Fisch im Meer, wer gibt den Ameisen Klugheit? Wer gibt der Sonne Glut und Leuchtkraft, dem Mond und den Sternen Glanz? Wer gibt der Finsternis Licht und Helligkeit? Wer trägt die Last der Erde? Wer gibt dem Greifen, dem Löwen Tatzen und dem Vogel Klauen? Wer gibt dem Drachen Gift und Eiter? Das tut der Schöpfer. Mensch, sprich: „Ja“. Diese Wunder schätzt du geringer als ein Ei. Aber wenn er will, trennt er dir Seele und Leib. D Baldzuhn 02, S. 342. E Haustein, S. 108–110; Baldzuhn 02, S. 341 ff.

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*6,31 FVIf Ein cleiner tropfe †zinnsel, der durckelt einen herten stein, da sine tropflin vallent, alz die meinster sagent. eins bockes blUt, daz hat die macht, es bricht den adamant. Der maler mit dem binsel malt bild groß, clein an eine want, da vor die lut sich clagent sund und missetat, die sich herkennen gegen got, wirt yn die ru bekant, daz er dem sunder gnedig ist, ob er gancz ruwe tUt. Die kommet von dem herczen, bringt uss den augen wasser, blUt und leschet sund recht alz daz waßer glUend koln. Nymm an dich rU und smerczen, dar zu so soltu buß doln. Bicht unde buß, die sturet wol der sunden stift, Und wo die ruwe rechte ist, sie tilget sUnden schryfft.

A k 501vb = FVIf. 6 groß clein] clein groß k. 11 bringt] brig k. B Nach RSM 4, 1Marn/6/508a sechste Strophe eines Siebenerbars von unbekanntem Verfasser; Form 3, durchgehend Auftakt; die vv. 10 und 13 um einen Takt gekürzt, v. 6–8 wohl gestörte Überlieferung: v. 6 vier einsilbige Takte, vermutlich Schreiberfragment, v. 7 zu kurz, in v. 8 sund und missetat wohl Schreibereinschub. In vielen Marner-Sprüchen wird, wie hier, scheinbar Zusammenhangloses aneinandergereiht, wobei den Zusammenhang herzustellen dem Hörer überlassen bleibt (s. Einl. S. 28). Hier dürfte der zugrunde liegende Gedanke sein: Die vor dem Andachtbild der Maler vergossene Träne der wahren Reue hat die gleiche Kraft wie der beständige Wassertropfen oder das Bocksblut. Das über acht Verse ausgesponnene Bußthema selbst wie auch die Länge seiner Behandlung hat im Corpus keine Parallele. Aber es ist auffallend, daß gerade dieses Thema im Corpus allenfalls kurz gestreift wird, dagegen mehrfach und zwar jeweils ausführlich in den Sprüchen außerhalb. Das könnte das Resultat einer Auswahl sein, der sich das C-Corpus verdankt. Auf dieses Thema gegründete Argumente verlören dann an Gewicht, die formalen Unterschiede könnten sich der Bearbeitung alter Strophen verdanken. Der Reim 1 : 5 bliebe freilich im kargen Marnerschen Reimwortschatz ebenso singulär wie das mhd. nicht belegte rinsel selbst (s. u.), aber rechtfertigt ein Reim Hausteins (S. 108; ohne Begründung) „sicher jünger“? 1–2 entsprechen einem vielfach belegten Sprichwort, z. B. Thomasin 1921 f. den stein der trophe dürkel macht / dicke vallent, niht mit kraft. Vgl. Walther, Teil II

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Nr. 10508 f.; Wander, Bd. 4 Sp. 1356 f. Nr. 14–16. zinnsel, nicht nachweisbar; ist an eine dem Inf. angeglichene Form des Part. Präs. von zinzeln zu denken, das nach Lexers Vermutung ‚sich sanft und leise bewegen‘ bedeuten kann? Eine Verschreibung für rinnsel anzunehmen liegt nahe, rinnsel ist aber erst ab dem 15. Jh. zu belegen und zwar bei Lexer nach Diefenbach 128 nur als Übersetzung von coagulum ‚Gerinnungsmittel (besonders das Lab im Tiermagen), Geronnenes‘, auch im Vocabularium ex quo 1425 noch Lab, im DWb dann als Nebenform zu ‚Rinnsal‘ stm. und stn., das entsprechende mhd. Wort ist stfm. runs oder runselîn. Selbst wenn man eine frühe Übertragung des rinnsel auf etwas Rinnendes allgemein annehmen könnte, bliebe die grammatisch-syntaktische Verbindung trophe rinnsel unklar: zwei Subjekte? Gen. Pl. eines ausnahmsweise st. flektierten tropfe? Vermutlich lautete der ursprüngliche Text von v. 1–2 und 5–8 ganz anders, und wir haben es mit einer jungen Überarbeitung zu tun. 4 bockes blUt, ursprünglich keine magische Vorstellung, sondern auf der Härte eines aus getrocknetem Bocksblut bestehenden Klumpens beruhend, so HWbA 9,928 und LdMa II, Sp. 303, im Ma. aber als magische Kraft des flüssigen Blutes verstanden, vgl. z. B. Parzival 105,18–21 ein ritter hete bockes bluot / genomen in ein langez glas: / daz sluoger ûf den adamas. 14 doln, zu den im Extremfall gesundheitlich wie gesellschaftlich ruinösen Bußübungen des Mittelalters vgl. LdM II, Sp. 1136 f. 16 sunden schryfft, vgl. Offb. 20,12: „Und Bücher wurden aufgeschlagen; auch das Buch des Lebens wurde aufgeschlagen. Die Toten wurden nach ihren Werken gerichtet, nach dem, was in den Büchern aufgeschrieben war.“ C Ein winziger Tropfen, der sich bewegt, (oder ein winziger Tropfen als Rinnsal oder ein Rinnsal winziger Tropfen) höhlt einen harten Stein an der Stelle, wo seine Tropfen hinfallen, wie die Weisen sagen. Das Blut eines Bocks hat die Kraft, den Diamanten zu zerbrechen. Der Maler malt mit seinem Pinsel große und kleine Bilder an eine Wand, vor der die Menschen sich der Sünden und Missetaten schuldig bekennen, die vor Gott in sich gehen, wenn sie die Reue ankommt, damit er dem Sünder gnädig sei, wenn er wahre Reue erweckt. Die kommt aus dem Herzen, presst Wasser und Blut aus den Augen und löscht die Sünde wie das Wasser glühende Kohlen. Nimm Reue und Schmerz auf dich, dazu sollst du Bußübungen durchstehen. Beichte und Buße entschärft den Stachel der Sünde. Und wo die wahre Reue ist, tilgt sie den Schriftnachweis der Sünde. E Haustein, S. 108–110.

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Texte

2.2.1.7 Ton 7 (Langer Ton)

7,1

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FIIg / FIIIb / Ml 8,III / Ml 11,III

Maria, blundes mandel ris, der manna ein voller schrin, nu smelze uns abe der súnden is, sit daz du bist ein helferin, du wisen salomones wol gezierter kuni. ges tron. du judit, dú des siges pris gewan, als uns wart schin. du hester, kúniginne wis, nu sich din volk in noten sin, daz sol gegen Aswerum wol versunen dines mundes don. du reinú jahel hast geslagen tot oˇch sysoran. du bist, dú dem slangen sine maht benan. du schoner leitesterne. , du bist dú wise abigel, die súnder mUssen din begern, wan dich minnet david, der goliam ze tote erslUg, wislich genUg, und im sin hoˇbe. t entrUg, des mUste er werden sit vil klUc. vil reinú mUter unde meit, erwende uns súnden ungefUg, daz wir frolich schoˇwen diner richen eren lon.

A C 353 ra. R 68 ra, Überschrift Marn’ di lang weis = FIIg. t Abdruck Schönachs Nr. II, S. 286 f. = FIIIb. k1 455 ra-b = Ml 8,III. k 2 475 va-b = Ml 11,III. 1 blundes ˚ des C. 7 wart Rtk 1k 2] war C. 10 Aswerum (Rtk 2)] vns sv´ nd’n (Rtk 1k 2)] blvt C. 11 sysoran R ] sisran C. Cesram t. ezickiam k 1. ysaham k 2. 14 wise abigel] wise bigahel C. kevsch abiguel R. weyse Pigehel t. reine abel k 2. B In der Hs. haben die vv. 11, 17 und 18 Auftakt, er fehlt in v. 12 und v. 15; v. 20 ist zu kurz. Strauch fügt in v. 12 das ouch aus R ein; weicht dem einsilbigen Takt dú wísen in v. 5 durch die Übernahme des vil (Rt) aus (so schon v.d.Hagen), dem dreisilbigen Takt in v. 2 mánna ein durch die Schreibung manne, tilgt unnötigerweise v. 10 wol; v. 20 ergänzt er durch ein Mixtum aus k2 (hilf ) und R (dich und ), v.d.Hagen durch ein Mixtum aus R und C (also daz wir dich frolich schouwen und …). 1 mandel ris, s. die Anm. zu 5,2,1. 2 manna ein schrin, s. die Anm. zu 5,1,19. 5 salomones … tron, da das Salomon zugeschriebene Hohe Lied als Allegorie der Beziehung zwischen Christus und der liebenden Seele gelesen wurde, wurde auch der Name des sponsus (Salomon) auf Christus übertragen; der goldüberzo-

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gene, elfenbeinerne Thron Salomons (1. Kön. 10,18) wurde als Sinnbild Mariens gedeutet, weil auf ihr sich Gott niedergelassen hat. 6 judit, der Legende (Buch Judit) nach eine reiche und schöne Witwe, die ihr Volk rettete, indem sie den Feldherrn der Assyrer, Holofernes, betörte und tötete. 8–10 hester, Aswerum, wohl zur Begründung des purim-Festes der Juden erfundene Gestalt (Buch Ester), die als Hauptfrau des Perserkönigs Ahasverus (Xerxes I, 486–465 v. Chr.) die Pläne zur Vernichtung aller Juden seines Reiches nicht nur vereitelt, sondern ihren Volksgenossen sogar die Vollmacht erwirkt haben soll, alle Feinde der Juden zu töten. 11 jahel, sysoran, Jaël, Frau aus dem Stamm der Keniter, die nach dem Sieg der Israeliten über die Kanaaniter deren fliehenden Feldherrn Sisera bei sich aufnahm und tötete (Ri. 4,17–22). Alle diese Präfigurationen hier zum ersten Mal in Sangsprüchen verwendet. Die letztere, äußerst seltene Präfiguration Mariens, zu der Haustein für den deutschsprachigen Bereich nur zwei jüngere Parallelen beibringen kann, hat zwei Parallelen im lateinischen Bereich: im ‚Speculum humanae salvationis‘(Hinweis Kornrumpf bei Haustein S. 81 Anm. 63) und in dem Gedicht ‚De laudibus Beatae Virginis Mariae‘ von Saint-Laurent (ebd.). Hier werden sogar Sisoran und die Schlange nebeneinander erwähnt. Wieder ist direkte Entlehnung nicht nachweisbar, immerhin aber ist bemerkenswert, daß auch in diesem Fall wie 1,3,7–8 eine lateinische Quelle möglich, wenn nicht sogar wahrscheinlich ist und mit aller Vorsicht zu den Spuren zumindest des gelehrten Marner gerechnet werden kann, die Haustein den deutschen Texten abzusprechen geneigt ist (s. Einl. S. 18), Nowak aber an dieser Stelle als eindeutig gegeben ansieht. 12 slangen, die Schlange, die Verführerin im Paradies (Gen. 3,1–4) wurde als Werkzeug des Teufels, meist als der Teufel selbst gedeutet (vgl. Offb. 20,2: „die alte Schlange – das ist der Teufel oder der Satan“), den Christus durch seinen Opfertod besiegte (vgl. 1,2,9; 3,1,12). Daß Maria Christus der Welt schenkte, wird als ihr Anteil am Erlösungswerk gewertet; in den hymnischen Preisstrophen der Dichter wird dieser Anteil gelegentlich wie hier zur direkten Urheberschaft. 13 leitesterne, s. die Anm. zu 5,1,17. 14–15 abigel/david/goliam, Abigajil, die schöne und kluge Frau des Nabal, eines Widersachers Davids, besänftigte durch kluge Maßnahmen den Zorn Davids, wendete Schaden von ihrem Hause ab und wurde nach dem Tod ihres Mannes Davids Frau (1. Sam. 25). David, Sohn eines Bauern, wurde Heerführer Sauls, des ersten Königs in Israel, floh vor dessen Eifersucht, diente als Söldnerführer wechselnden Herren und wurde schließlich als Sauls Nachfolger der zweite König in Israel. Während seiner Umtriebe soll er der Legende nach den riesenhaften Philister Goliat getötet haben (1. Sam. 17,1–54). 19 mUter unde meit, s. die Anm. zu 4,1,1; den Vers sieht Haustein 7,8,17 zitiert. 20 diner richen eren lon, d. i. die himmlische Herrlichkeit. C Maria, blühender Mandelzweig, Schrein voll von Manna, schmelze von uns das Eis der Sünden, da du eine Helferin bist, du herrlich geschmückter Königsthron des weisen Salomon. Du Judit, die, wie wir wissen, die Palme des Sieges

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gewonnen hat. Du Ester, kluge Königin, sieh, dein Volk ist in Bedrängnis, das deines Mundes Stimme mit Aswerus versöhnen muß. Du reine Jahel hast auch Sisera erschlagen. Du bist die, die der Schlange Macht gebrochen hat. Du strahlender Leitstern, du bist die weise Abigajil, dich müssen die Sünder zu Hilfe rufen, denn dich liebt David, der Goliat auf so kluge Weise erschlagen und ihm das Haupt genommen hat, wodurch er in der Folgezeit sehr weise geworden ist. Du so reine Mutter und Jungfrau, nimm von uns das Laster der Sünde, damit wir froh den Lohn deiner zahllosen Ehren anschauen. D Bodmer 1759, S. 173; HMS II, S. 248; Strauch, S. 114; Schönach, S. 286 f. nach t; Pfaff/Salowsky, Sp. 1161 f.; Kochendörfer, S. 137 nach R; Cramer I, S. 32 f. nach t, S. 409 nach C, S. 410 nach k1, S. 413 nach k2, S. 417 f. nach R; Haustein, S. 80 f.; Hübner, S. 215. E Strauch, S. 171; Schlageter, S. 152 f.; 165; Nowak, S. 204 f.; Blank, S. 49; Cramer I, S. 407 f.; Rettelbach, S. 92–94; 137; Haustein, S. 80–89; 91 Anm. 83. Hübner, S. 215.

7,2

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Dú werlt hat krumbes krieges teil, daz ist vil wol min has. swer sines liebes ist ze geil, der sol vúr warheit wissen daz, daz liebe leide wirt, bi lutere. m lachen truber mUt. zwo schepfen flahten mir ein seil, da bi dú drite sas, dú zebrach e. s, daz was min unheil. es si im trochen oder nas, swer ze gUte wirt geborn, dem kumt bi troˇme in slafe gUt. swaz nature git, wer mag dem menschen daz genemen? es wahsent ane der lúte dank mugge. n und bremen, so zúhet man daz hUn. der wil, der hat, der git, der nimt, waz mag ich disen mæren tUn? die meister jehent, swenne so in einer arke ist – niht, swem daz geschiht, daz er es also siht und oˇch vúr ein warheit giht, der vindet in dem lufte golt; des wil ich habe. n deheine pfliht. ich lobe den, der mir von sinem gUte gutlich helfe tUt.

Die Sangsprüche

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A C 353 ra-b. 6 schepfen] schepfer C. B In der Hs. hat v. 8 zweisilbigen Auftakt und einsilbigen Innentakt únhéil; v. 5 hat Auftakt und ist um einen Takt zu kurz; Strauch tilgt daz und fügt und ouch ein (und schon bei v.d.Hagen), v. 17 tilgt er den Auftakt durch Zusammenziehung daz er zu dêr (Bartsch: daz ers), s. dazu die Anm. zu. 3,2,13; den einsilbigen Takt dánk múggen in v. 12 vermeidet er durch dánk wol. Gedankengang: Es geht ungleich zu in der Welt. Aus Freude wird Leid. Ich bin von vornherein zum Leiden bestimmt, so, wie, wer zum Reichtum geboren ist, im Schlaf noch Geld verdient. Wie es Natur bewirkt, muß es genommen werden. Es gibt Habende und Nichthabende, unter den Habenden solche, die ihr Geld verläugnen. Ich preise aber den … 1 krumbes krieges, gemeint wohl ein Kampf unter ungleichen Bedingungen. 5 vgl. L4,4,11 f. leide, stf. neben sonst stn. leit. luterem, wohl (Schreibereingriff?) wegen des Gegensatzes zu truber; üblich wäre lutem. 6–8 Aufnahme des antiken Mythos von den drei Parzen, deren erste den Rokken hält, die zweite den Lebensfaden spinnt, den die dritte abschneidet (vgl. Lied *12,4); flechten entspricht zwar eher der Tätigkeit der nordischen Schicksalsgöttinnen (vgl. J. Grimm, S. 335–347), aber von denen gibt es in der mhd. Dichtung keine Spur, die Übereinstimmung vermutlich zufällig. Die Tätigkeit der dritten scheffen beendet hier das Leben des Sprechers nicht, sondern wendet es nur zum Schlechten. Die griechischen Namen korrekt verwendet bei Heinrich von dem Türlin ‚Crône‘ 286ff. 11–14 Variation des Motivs der ‚Prädestination‘: die ‚Natur‘ trifft Festlegungen, gegen die der Mensch machtlos ist. Strauch (S. 23) übersetzt isoliert 12/13: „Mücken und Bremsen werden von der Natur versorgt, das Huhn dagegen will sorgfältig gepflegt sein.“ Haustein paraphrasiert: „So wie natûre gibt oder nicht gibt, so vermehren sich ja auch ohne Zutun und Zustimmung der liute die müggn unt bremen, und ebenso zieht man die Küken auf, die einem die Henne beschert.“ Beides klärt den Zusammenhang des Ganzen nicht. Die Verständnisschwierigkeiten liegen darin, daß nicht klar ist, ob hier gegensätzliche oder parallele Erscheinungen verknüpft wurden, m. a. W.: Steht das Huhn, das man aufzieht, im Gegensatz zur Natur oder gehört es wie die Insekten zu den natürlichen Gaben, ob man sich nun um deren Aufzucht kümmert oder nicht, oder soll gesagt sein: die Mücken bekommt jeder umsonst, das Huhn muß man aufziehen, und soll das eine weitere Illustration dessen sein, daß das Nützliche nur der Besitzende hat? Letzteres würde am ehesten zum Tenor des Ganzen passen, d.h. einen solchen Gesamttenor am ehesten herstellen. Ich versuche eine Übersetzung, die nichts präjudiziert. 15–19 Neues Thema ist das Verhältnis des Besitzlosen entweder zu dem Besitzenden, der zwar Gold hat (v. 19 ironisch auf tatsächlichen Erwerb bezogen), es aber leugnet (vgl. 7,12,14), oder zu einem, der keines hat (v. 19 ironisch auf eingebildeten oder erträumten Erwerb bezogen). Ich halte die erste Vermutung für die wahrscheinlichere. Eine gänzlich andere Deutung bei Hellmich, der arke als das griechische  antiker Philosophen (die meister) versteht ( ‚Anfang‘, zu-

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nächst zeitlich, dann seit Platons Definition der Materie als , das ‚Nichts‘ kausal); Hellmich paraphrasiert entsprechend: diese  sei das ‚nichts‘ gewesen, und wer das glaube und als Wahrheit ausgebe, der … Zweifellos ist es verlockender, die meister für eine philosophische Lehre zu beanspruchen als für die Trivialität ihren Besitz verleugnender Geizhälse, aber nach unserer Kenntnis dürfte dieser Bereich der griechischen Philosophie zur Marner-Zeit noch unbekannt gewesen sein. Haustein findet die Deutung denn auch „völlig abwegig“. Er wird wohl Recht haben. C In der Welt sind die Chancen ungleich verteilt, das mißfällt mir außerordentlich. Wer über seine Liebschaft zu glücklich ist, soll wahrhaftig wissen, daß aus Freude Leid wird, aus hellklarem Lachen Trübsinn. Zwei Schicksalsgöttinnen flochten mir ein Seil, die dritte saß dabei, die zerriß es, das war mein Unglück. Wer für den Reichtum geboren ist, er mag im Trocknen oder Nassen sitzen, ihm fällt [selbst] träumend und im Schlaf Reichtum zu. Was die Natur verleiht, wer kann das dem Menschen nehmen? Mücken und Bremsen wachsen auf, obwohl niemand sie haben will, das Huhn wird aufgezogen. Einer verlangt, einer hat, einer gibt, einer nimmt, was kann ich dafür? Die Meister sagen, wem es geschieht, daß er in einer Schatztruhe ‚nichts‘ hat, und er sieht hinein und gibt es als Wahrheit aus, der findet sein Gold [offenbar] in der Luft. Mit so einem will ich nichts zu tun haben. Ich preise den, der mir mit seiner Habe im Guten zu Hilfe kommt. D Bodmer 1759, S. 173; HMS II, S. 248; Strauch, S. 115; Pfaff/Salowsky, Sp. 1162; Hellmich, S. 50 f.; Haustein, S. 201. E Strauch, S. 23; 171 f.; Bartsch 77, S. 97; Hellmich, S. 50–53; Schlageter, S. 153; Haustein, S. 201–202; 204.

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7,3 Ich hore von dien alten sagen, daz ere bi dien bar froide in ir wunneklichen tagen. nu stet vil maniger eren bar, bi des vatter erberndú froide gernder geste pflag. daz mUs ich unde maniger klagen, swar ich der lande var, daz arges mUtes riche zagen mit schanden sitzent offenbar. schatz ir minne, schatz ir froide, schatz in liebet vúr den tag. sol daz heissen gUt, daz nieman hie ze gUte kumt? begraben hort, verborgen sin der werlte frumt

Die Sangsprüche

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alsam der úweln flug, des gires smak, des raben slunt, des aren grif, des wolves zug, der muggen marg, des bremen smalz und des loˇbfrosches schre. welt, we dir, we! schatzer, lebendig re, rise. dir golt alsam der sne, du woltest dur din gitekeit, stunde es an diner wal, noh me. gilt gote und gib dien armen wide. r, der hort dir dort gehelfen mag.

A C 353 rb. 14 des aren grif des wolves zug (v.d.H.)] des wolves zug des are grif C. 15 loˇbfrosches] loˇbfrosches C. B Statt des einsilbigen Innentaktes in der Hs. v. 5 érbérndú v.d.Hagen und Strauch êre berndiu. 2:4:9 bar : bar : offenbar, dreifacher ‚erlaubter‘ rührender Reim grammatisch verschiedener Formen beim Marner insgesamt siebenmal, s. Einl. S. 51. ere bar und eren bar hat schon fast den Charakter eines Wortspiels. 12 zitiert wohl Freidank 147,9 f. Begraben schatz, verborgen sin, / deist verlust âne gewin, doch vgl. Sir. 20,30: „Verborgene Weisheit und versteckter Schatz: was nützen sie beide?“ 13–14 reiht Qualitäten der Tiere, mit denen sie den Menschen überlegen sind, vgl. Reinmar v. Zweter 164,5–9 Nû habent die sinn vünf wildiu tier, / ir ieslîchez einen, unt hât den vürbaz danne wir: / … / der gîr riucht; vgl. auch Konrad v. Megenberg, S. 229 die geir smeckent daz âz über mer. 15 listet Qualitäten auf, die die genannten Tiere gar nicht haben, dazu das nervtötende Froschgequake. Vermutlich hatte die Abfolge ebenso wie die Verkehrte-WeltMotivik (s. dazu 6,11; 7,12,14) etwas Belustigendes. 17 schatzer, einer, der Geld zusammenrafft. lebendig re, die auffällige Beschimpfung von Reinmar 209,5 entlehnt? Dort gilt sie dem ungetriuwen man. 20 hort, s. 1,1–6. dort, vgl. 1,1,7. C Ich höre über die Vorfahren berichten, daß Ehre ihnen Vergnügen bereitete in ihren goldenen Zeiten. Nun steht mancher ohne Ehre da, bei dessen Vater die ehrverlangende freudige Gesinnung sich der Gastfreundschaft Suchenden annahm. Darüber müssen ich und viele andere klagen, daß, wohin ich komme, die an Habgier reichen üblen Gesellen in ihrer Schande offen vor aller Augen dasitzen. Geld ist ihr Begehren, Geld ihre Freude, Geld haben sie lieber als das Tageslicht. Soll das ein Gut heißen, das niemandem zu Gute kommt? Vergrabener Schatz, verborgene Klugheit ist der Welt so nütze wie der Flug der Eule, der Geruchssinn des Geiers, des Raben Kehle, des Adlers Kralle, das Reißen des Wolfs, der Mücken Fett, der Bremsen Schmalz und das Geschrei des Laubfroschs. Wehe dir, Welt, wehe! Raffer, lebendiger Leichnam, wenn dir Gold wie Schnee zufiele, du wolltest aus lauter Habgier, wenn es nach dir ginge, noch mehr. Gib Gott und gib den Armen zurück, dann hilft dieser Schatz dir dort oben.

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D Bodmer 1759, S. 173 f.; HMS II, S. 248; Bartsch 64, S. 177; Strauch, S. 115 f.; Pfaff/Salowsky, Sp. 1163; Höver/Kiepe, S. 279 (mit Übers.); Haustein, S. 203; Krause, S. 252 f. E Strauch, S. 172 f.; Haustein, S. 20 Anm. 18; 203 f.; 205.

7,4

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Es rúschet als ein windes brut ein lob in tútschú lant, es hillet unde schone lut. vro ere kumt mit im gerant. durh vil maniges herren hof es furent risen und getwerg. es rúchet als ein edel krut us einer megde hant. es ist ein schones vrowen trut. ein herre hat es us gesant. dem kumt es hin wider hein und bringet sinú tagewerk: ←wares lob→ ist sicherlichen hoher eren botte: es wirdet hie ze der werlte und wúnschet hin ze gotte. daz hat verdienet er, des ritterlicher mUt ie stUnt nach hoher wirde ger. drú her man mohte wol mit sinen richen tugenden wern. er kan gewern und kan der gernden gern. were. nde muze er lange wern. ze heile erschine im tages sunne, nahtes mane und iegslich stern. gerndú diet, ir sprechent mit mir: amen dem von heunenberg!

A C 353 rb. 3 schone (v.d.H.)] schonú C. B In der Hs. hat v. 17 Auftakt, v. 20 nicht. Strauch beseitigt die zweisilbige Senkung in v. 12 ze der durch zer und fügt in den zu kurzen v. 14 vor mUt ein reiner ein. Zu dieser Lobstrophe auf Graf Hermann von Henneberg (1245–1290) s. Anh. S. 395. 1–2 zum ‚fliegenden‘ Lob Parallelen bei Strauch S. 173. 3 lut, mhd. lûtet (§ 53d); de Boor ez hillet schône unde lût. 5 durh vil maniges herren hof könnte als apo koinu stehend verstanden werden. risen und getwerg, hier wohl bildlich zu verstehen: bedeutende wie unbedeutende Populatoren, vergleichbare Verwendung bei Reinmar v. Zweter 62,4 f. Der sînes guotes wære ein rise, / des muotes ein getwerc. 6 rúchet, das Lob wird mit allen sinnlichen Qualitäten ausgestattet, es

Die Sangsprüche

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klingt nicht nur schön, es duftet auch, us einer megde hant soll wohl die Assoziation von Glanz und Reinheit aufrufen, die der Jungfrau zugesprochen wurde, ausgeführt später in einer Lobstrophe Konrads v. Würzburg 32,365 Ez schînet sam ein lieht juncfrouwe in kiuschem magetuome. 15 her man, schon Strauch erkannte, daß hier der Name „des Gepriesenen rätselähnlich verschlüsselt“ wird (Wachinger). Der Preisende operiert mit dem argumentum a nomine, eine Praxis mittelalterlichen Etymologisierens, die sich mit dem „gleichsam zur etymologischen Anspielung“ geschrumpften „bloßen lautlichen Anklang“ begnügt (Huber, S. 164; Wittstruck bezieht nach der Weise moderner Anagrammisten in die „ornamental gedachte Kette“ von Anklängen alle er mit ein, also auch die er und der, die sich keinem Kunstgriff, sondern grammatischer Notwendigkeit verdanken). Man vgl. den penetranten Gebrauch, den der Meißner IV,4 von dem gleichen Stilmittel in einem Spruch auf den 1251 zum Bischof gewählten Hermann von Kammin macht. Gern würde man Vorbild und Nachahmer ausmachen, aber dazu ist die Chronologie zu wenig gesichert (Objartel nimmt den Meißner als Nachahmer an; s. dazu Haustein, S. 206 f.), so naheliegende Stilistika können die Dichter auch unabhängig voneinander gewählt haben. Aber auch zu den zu 6,16 angestellten Spekulationen: ein konkurrierendes Dichten mit vorgegebenen Elementen (herman, Frau Ehre, drei Heere) würden die beiden Strophen sich schicken. Herlich kegen gote, her al der kristenheit, herliche zucht sin lib an treit, her, kreftich, breit, kan Herman vuren schone. Man unde menlich uber sinen mUt, man von milte, er spart kein gUt, mannes werc er tUt, des zimt im wol die krone. Driu her Herman wol vuren kan: gUten rat, truwe unde vride ane widerkere. Herliche site mannes tugent zimt mite. swa er hin keret, da volget im vrouwe ere. Der ist her gesinde gar. mit sulher schar vert von Kamin der here. 12 wúnschet hin, vgl. 6,5,11. 15:16:18 wern : gewern : wern, zum sog. erlaubten rührenden Reim s. Einl. S. 51; die mehrfach verwendete figura etymologica gehört zum hohen Stil der Preisstrophe. 19 der Wunsch wirkt weniger phrasenhaft, wenn man bedenkt, daß allgemein geglaubt wurde, daß die Gestirne Einfluß auf das menschliche Leben, auch das des Einzelnen ausübten (vgl. die Anm. zu 1,3,8); auch der Meißner fügt diesen Wunsch in ähnlicher Formulierung in

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sein Lob Albrechts von Brandenburg XVII,11,6 ein: zU selden schine im izlich stern, diu mane unde ouch der sunne. 20 diet, ir, zur Inkongruenz s. § 430. amen, lat. Gebetsschluß (so sei es). dem, der Dativ nimmt den Dativ (im) aus v. 19 auf. Den Namen des Gepriesenen erst gegen Ende der Strophe zu nennen, ist gängige Praxis; ihn als exponiertes Schlußwort zu setzen, geschieht nach Wittstruck (S. 85) „in extremer Abkehr von der konventionelleren Form.“ Die Aufforderung an die Gehrenden, einzustimmen, ist eine Spielart der Verbreitungsformeln, deren die Lobredner sich häufig bedienten, s. dazu Ilgner, S. 49 f. C Wie eine Windsbraut rauscht ein Lob in die deutschen Lande, es hallt und tönt herrlich. Frau Ehre eilt mit ihm herbei. An vieler Herren Höfe geben es Große und Kleine weiter. Es duftet, wie eine edle Würzpflanze in der Hand einer Jungfrau. Es ist ein schönes Herzensanliegen der Frauen. Ein Herr hat es ausgeschickt. Zu dem kommt es zurück und bringt ihm, was es am Tag erworben hat: wahres Lob: Wahres Lob ist gewiß der Bote großer Ehren: Es verschafft Ansehen hier in der Welt und ist ein Fürsprecher bei Gott. Das hat der verdient, dessen ritterliche Gesinnung stets vom Streben nach hohem Wert erfüllt war. Drei Heere könnte man leicht mit seinen guten Eigenschaften beschenken. Er kann schenken und um Bittende bitten. Schenkend soll er lange währen. Zu seinem Glück scheine ihm am Tag die Sonne, zur Nacht der Mond und jeder Stern. Bittsteller, sprecht ihr mit mir: Amen dem von Heunenberg! D Bodmer 1748, S. 226 f.; Bodmer 1759, S. 174; HMS II, S. 248 f.; Strauch, S. 116 f.; Pfaff/Salowsky, Sp. 1163 f.; de Boor II, S. 1026; Müller I, S. 62 f.; Bumke, S. 598; Haustein, S. 204 f.; Hübner, S. 236; Krause, S. 253. E Strauch, S. 17 f.; 173 f.; Müller, S. 118; Bumke, S. 212 ff.; Wittstruck, S. 85; 113 f.; 446; Haustein, S. 24 f.; 204–208; Hübner, S. 235–237.

7,5

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Got git sin gabe, swem er wil: er hat úch lib gegeben und in der kintheit sælden vil, des sunt ir úch niht uberheben. erent ritter, minnent frowen, grussent arme gernde diet! ú ist gesetzet uf ein zil: seht fúr úch unde neben und spilt es uf der eren spil. behúget an úwer vordern leben, der vil maniger krone trUc, bis in der tot von leben schiet. der úch dient, dem sunt ir genaden sin bereit.

Die Sangsprüche

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úch si der witwen und der weisen kumber leit. hant die tútschen wert. in úwerm herzen minnent got, so tUt er dur úch, swes ir gert. verdienet akers, kúng rich, und oˇch ceciljen lant. in úwer hant swaben ist bekant (herzoge sint ir da genant), swaz egerlant der gúlte hat und núre. nberg lúte und der sant: wil es got, ú kumt noch uf daz hoˇbet romsche krone wert.

A C 353 rb-va. 9 vordern St.] vorder C. B In der Hs. haben die vv. 13 und 20 keinen Auftakt. Den einsilbigen Takten v. 11 díent dém und v. 15 kúng rích weicht Strauch durch dienet und künig aus; v. 20 reimt auf v. 13 und 14; das Tonschema sieht einen Reim auf die Endzeilen der Stollen vor. Strauch (S. 62) hielt dies für einen Irrtum, Haustein zweifelt aufgrund dieser „gravierende(n)“ Besonderheit die Zugehörigkeit der Strophe zum Marner-Bestand an, weil der Tonautor sich dieses Reimprinzips „so bewußt gewesen“ sein muß, „daß er kaum dagegen verstoßen haben wird“. Eben dieses Argument muß man ebenso gegen eventuelle Nachahmer oder Benutzer geltend machen, für die die „Geschlossenheit“ der „ausgedehnten Strophe“ durch das vorgesehene Reimschema in gleicher Weise gegeben war. Die tatsächlichen etwa zeitgenössischen wie späteren Benutzer halten es denn auch stets ein. Die Frage ist deshalb von einiger Brisanz, weil mit ihr eine Datierungsmöglichkeit für die Lebens- bzw. Schaffenszeit des Marner verbunden ist. Zu lösen ist sie nicht, deshalb läßt Wachinger sie auch offen, hält aber wie schon Strauch Nachlässigkeit des Marner selbst für durchaus erwägenswert. Die Strophe gibt sich als Anrede an den jungen Stauferkönig Konradin (1252–1268), verfaßt, so wird einhellig vermutet, unmittelbar vor dessen Aufbruch nach Italien 1267. 1 Schon Strauch (S. 174) verwies auf ähnliche Formulierungen, u. a. auch bei Walther 4 VI,1 Got gibet ze künege, swen er wil; Hofmeister hält den Marner-Vers für ein Zitat dieses Walther-Verses, doch können beide auch der gleichen Quelle folgen, denn der Dichterkollege Rumelant (s. Einl. S. 24) bezieht sich möglicherweise auf diesen Vers, von dem er weiß, daß ihn Sante pawel in der pisteln (1. Kor. 12,11) gesprochen hat. 2, 10 und 11 úch, zu dieser Form des Dativs s. § 213 Anm. 5. 2 lib, von Raumer (Geschichte der Hohenstaufen und ihrer Zeit. 6 Bde., 31858), Bd. IV, S. 350 zitiert aus einer italienischen Chronik formosus et magnus de persona valde. 4 und 11 sunt, in Teilen des Südalemann. für sult (§ 273). 5 erent, zu dieser Form des Imperativs s. § 240 Anm. 3. 6/8 zil/spil, s. die Anm. zu 6,7,16. 8 eren, in der Personifikation swf. 9 vordern, die Staufer (Hohenstaufen) waren seit 1079 Herzöge in Schwaben, seit 1138 (mit einer kur-

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zen Unterbrechung durch den Welfen Otto (Kaiser nominell 1209 bis 1218, de facto bis 1214) deutsche Könige, vier von ihnen auch Kaiser, von 1194 bis 1258 Könige von Sizilien, 1229–1244 Könige von Jerusalem. 10 von leben, zum artikellosen Gebrauch des Substantivs s. § 421. Strauch schreibt die mhd. korrekte ältere Form des Dativs lebene, aber dem Schreiber waren die apokopierten Formen offenbar schon geläufig (s. § 53). 13 hant, wie v. 5 erent. 15 Alle Besitztümer jenseits der Alpen waren stets unterschiedlichen fremden Ansprüchen ausgesetzt und mußten immer wieder neu verteidigt werden, so auch akers, die im dritten Kreuzzug 1191 eroberte palästinensische Hafenstadt Akkon (heute Akka, Akre) nördlich von Haifa; ceciljen lant, Sizilien, das der Papst als Kirchenlehen ansah und das Manfred, der illegitime Sohn Friedrichs II., 1258 an sich gerissen hatte. 18 sint, alem. Form der 2. Pers. Pl. s. § 282 Anm. 2. 19 Eger, Nürnberg und der Sant waren staufische Besitztümer in Franken. C Gott teilt seine Gabe zu, wem er will: Euch hat er Statur gegeben und viel Glück in der Kindheit, weswegen ihr nicht überheblich sein sollt. Ehrt Ritter, liebt die Frauen, heißt arme Bittsteller willkommen! Euch ist ein Ziel gesteckt: Seht vorwärts und um euch herum und spielt nach den Spielregeln der Ehre. Erinnert euch, wie eure Vorfahren gelebt haben, von denen manch einer eine Krone trug, bis ihn der Tod vom Leben schied. Ihr sollt dem willig Gnade erweisen, der euch dient. Das Leid der Witwen und Waisen soll euch bekümmern. Schätzt die Deutschen. Habt Gott in eurem Herzen lieb, dann bewirkt er um euretwillen, was ihr wollt. Erobert Akkon, mächtiger König, und Sizilien. Bekanntlich gehört euch Schwaben (dort nennt man euch Herzog), was das Egerland an Zins bringt, was Nürnberg und der Sant an Leuten hat: So Gott will, kommt noch die edle römische [Kaiser]Krone auf euer Haupt. D Bodmer 1748, S. 227 f.; Bodmer 1759, S. 174; HMS II, S. 249; Strauch, s. 117; Pfaff/Salowsky, Sp. 1164; v.d.Leyen 41, S. 102 f.; v.d.Leyen 62 und 80, S. 580; de Boor II, S. 1030; Wentzlaff-Eggebert I, S. 134; Müller I, S. 63; Bumke, S. 597; Haustein, S. 208; Hofmeister, S. 279; Wachinger 06, S. 248–251 (mit Übers.). E Strauch, S. 18 f.; 62; 174–176; 188; Gent, S. 87 f.; Müller, S. 118 f. mit weiterer Lit.; Haustein, S. 208–210; Hofmeister, S. 278–282; Wachinger 06, S. 753 f.

7,6

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Du hoh gelobter megde kint, got, herre, vatter, krist, vil gros gegen dir min schulde sint, dur dine gute gib mir vrist, unz ich gebusse wider dich die minen grossen missetat.

Ml 6,II

Die Sangsprüche

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min herze was gegen dir ie blint und noch vil leider ist. die súnde waren mir ein wint. gedenke, herre, daz du bist, der umb unsich súndig armen grosse not erlitten hat. dinen angestlichen tot la niht an uns verlorn sin. gib, herre, mir der sin rehte in das herze min, daz ich gelebe also in dinem dienste hie, daz min der tievel dort iht werde vro. so wir zesamen komen uf den jungestlichen tag, da nieman mag erwenden dinen slag, da riche niht, herre, ob ich verlag din hoh gebot, daz ich noch ie in minem herzen ringe wag. durh dinen tot hilf mir, daz der armen sele werde rat.

A C 353 va. k 451ra-b = Ml 6,II. 15 komen] kom ¯ C. B In der Hs. haben die vv. 5, 17 und 18 Auftakt, Strauch tilgt ihn v. 5 durch büeze statt gebüeze und v. 17 durch wenden statt erwenden; v. 11 hat einen Takt zu viel (oder hat zweisilbigen Auftakt, der zu din verkürzt gewesen sein kann), Strauch ersetzt angestlichen durch bittern (k werder); die einsilbigen Takte verlórn sín v. 11 vermeidet er durch verloren, v. 20 tót hílf durch Einfügen von du. 2 vatter krist, s. die Anm. zu 6,8,2. 5 minen grossen, zur sw. Flexion von Adjektiv und Possessivum s. § 391. 7 vil leider, eingeschobene Interjektion. 8 wint, verstärkte Negation s. § 436. 10 der, zur Funktion als Bezugswort und Relativum s. § 453. unsich, im 13. Jh. selten gewordene Akkusativform, s. 6,2,11. armen, zur Flexionsform des substantivierten Adjektivs s. § 394. 12 der sin, Gen. Pl., schon Strauch und alle folgenden Herausgeber schreiben den, vermutlich zu Recht, da im Corpus alle Objekte bei geben im Akk. stehen. 14 iht, als Ausdruck der Verneinung s. § 441. 15–17 könnten auch als apo koinu stehend gedacht worden sein. 15 jungestlichen tag, s. die Anm. zu 1,4. 18 riche, zur hsl. Form nach Art der sw. Verben s. § 240 Anm. 5. 19 hoch gebot, Haustein nimmt mit Lexer ein Kompositum hôchgebot an, aber weder die Schreibung in k noch die in C legen diese Annahme nahe, ich fasse hoch als unflektiertes Adjektiv auf. noch, Strauch schreibt doch, ohne die Abweichung zu vermerken; Druckfehler? 20 sele, im Corpus immer st. flektiert. C Du Sohn der hochgepriesenen Jungfrau, Gott, Herr, Vater, Christus, meine Schuld dir gegenüber ist sehr groß. Um deiner Güte willen gib mir Zeit, bis ich

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vor dir meine große Missetat wieder gutgemacht habe. Mein Herz war immer blind gegen dich und ist es, o Jammer, immer noch. Die Sünden galten mir ein Nichts. Denk daran, Herr, daß du der bist, der für uns arme Sünder die große Not gelitten hat. Deinen qualvollen Tod laß für uns nicht umsonst gewesen sein. Gib, Herr, von den rechten Vorsätzen in mein Herz, daß ich meine Zeit in deinem Dienst hier so hinbringe, daß dort der Teufel nicht über mich triumphiert. Wenn wir am jüngsten Tag zusammenkommen, wo niemand abwenden kann, was du verhängst, da räche an mir nicht, Herr, daß ich dein erhabenes Gebot übertreten habe, das ich stets in meinem Herzen gering geachtet habe. Um deines Todes willen hilf mir, daß der armen Seele geholfen werde. D Bodmer 1759, S. 174; HMS II, S. 249; Bartsch 62, Nr. XCV,2; WKL II, Nr. 186; Strauch, S. 117 f.; Pfaff/Salowsky, Sp. 1164 f.; Höver/Kiepe, S. 280 (mit Übers.); Haustein, S. 100; Wachinger 06, S. 248 f. (mit Übers.). E Strauch, S. 38 f.; 176; Nowak, S. 202 f.; Haustein, S. 100–103; Wachinger 06, S. 753.

7,7

5

10

15

20

Ml 4,III

Ein esel gab vúr eigen sich dem fuhse, daz was gUt. da lert er i. n sprechen wihteklich. si waren beide hoh gemUt. seht, do vUrt her reinhart sinen knappen in den grunen kle. er sprach: „min esel, hute dich! der wolf dir schaden tUt, erhore. t er dich. des warte uf mich!“ der esel in dem grase wUt. do schUf im sin magenfroide, daz er sang ein húgeliet als e. zU dem gedone kam gegangen isengrin. swaz reinhart seit, der wolf sprach, esel wær sin, des wolt er ietsunt swern. da vUrte in reinhart z’einer dru, er sprach: „ich mag mich’s niht erwern.“ da mUz er die kafsen ruren, des was er bereit. daz wart im leit: dú dru den wolf versneit. er wart bestúnbelt, so man seit. ach got, wær ieglich kafs ein dru, swenne es gat an den valschen eit! daz wære wol, ir i. st gar ze vil. nu swera, lieger, we dir we!

Die Sangsprüche

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A C 353 va-b. k 448 vb–449 ra = Ml 4,III. 10 magenfroide (St.)] mag vnfroide C. 11 kam] kan C. 13 er v.d.H.] nicht in C. B In der Hs. haben die vv. 11, 17 und 18 Auftakt, v. 15 hat keinen; v. 10 ist zu lang (oder steht daz er für der? S. dazu die Anm. zu 3,2,13); v.d.Hagen kürzt durch Auslassen des ein, Strauch durch Auslassen des daz; v. 11 ist zu kurz; v.d.Hagen ergänzt zuo dem gedœne balde, wobei der nicht vorgesehene Auftakt erhalten bleibt, Strauch übernimmt den Zusatz, ändert aber zuo dem zu zem; balde ist im Corpus nicht belegt, was bloßer Zufall sein kann; dennoch scheut man eine solche Konjektur; do zuo dem gedœne … z. B. wäre schreibtechnisch einfacher zu verstehen. Zu v. 12 s. u. 1–20 Für diese Fabel (Dicke/Grubmüller Nr. 322) mit ihrer spezifischen Anwendung wurden unterschiedliche Elemente ähnlicher Fassungen (‚Ysengrimus‘, s. J. Mann, 2VL 6, 1170–1178 [‚Nivardus von Gent‘]; ‚Reinhart Fuchs‘, s. K. Düwel, 2VL 3, 666–667) und vielleicht auch einzelne Züge ganz anderer Fabeln (s. die folgende Anm.) kontaminiert. 3 sprechen wihteklich, Bech schlägt schrecken wihteclich (alle Tiere erschrecken) vor; Jacob Grimm (‚Reinhart Fuchs‘, Berlin 1834), S. CCX vermutet „in allen sprachen oder in höfischer rede?“; Wackernagel schreibt witzeclich; Strauch (S. 176) wie Bartsch (64, S. 342) erläutern es als wiht ‚Ding‘ und gelich ‚jeder‘ mit Gen. Pl., also: „jedes der Dinge“; de Boor „Dinge aller Art, aller Dinge Sprache“; Wachinger (85, S. 80) fände rihteclich ‚gerichtsgemäß‘ passend; Haustein (S. 211): „Der Fuchs lehrt den Esel, jeden (d.h. jedes Tier) anzusprechen. wihteclich ist so substantivisch (Akk.) aufgefaßt; die Verwendung als Neutrum – ‚ … lehrt den Esel, alles zu sagen‘ – wird man nicht völlig ausschließen können.“ Aber sprechen heißt nicht ‚ansprechen‘. Keine der Deutungen integriert die Verse sinnvoll in das Strophenganze. Sinnvoll ist doch nur, daß der Esel etwas Gegensätzliches zu seinem hügeliet lernen muß, es vor magenfroide vergißt und als e nach alter Weise singt. Bei Thomasin von Zerklaere, der ebenfalls eine dem Inhalt nach freilich völlig andere Fabel von Wolf und Esel erzählt, heißt es v. 13263ff. der ôrohte Baldewîn was zeinen zîten an dem grüenen gras. vor vreuden lief er unde spranc, dar nâch huob er ein gesanc, daz vil gar der walt erhal. sîn scherzen unde sîn schal was sô vreislîch und sô grôz, daz sîn diu wilden tier verdrôz. Die gleiche Wirkung der Eselsstimme zeigen auch die Fabeln vom Esel in der Fremde und vom Esel als Sänger (Dicke/Grubmüller Nr. 104 und 121). Eine Version einer solchen Fabel ist als Quelle für den Marner vorauszusetzen. Das rauhe überlaute Eselsgeschrei (vgl. Meißner I,12,2 den esel meltet sin stimme) soll auf tierisches Normalmaß gedämpft werden, der Esel soll sprechen gleich allen Ge-

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schöpfen (diese Version steckt auch noch in der k-Fassung). In Anlehnung an eine solche Fassung ist auch Strauchs Konjektur magenfröide (die das hügeliet ohnehin nahelegt) dem v.d.Hagenschen mag unvröude vorzuziehen, obwohl dieses beim Wortlaut der Hs.C bleibt. 12 esel wær sin, auf Grund der sehr plausiblen Vermutung, wolf gehe auf einen jüngeren Eingriff zurück, mit dem die Sprechersituation verdeutlicht werden sollte, tilgt Strauch wolf und fügt mit v.d.Hagen vor esel ein der ein. Aber gibt nicht gerade die artikellose Verwendung des Substantivs (s. § 420) und der einsilbige Takt wær ´ sín auf – möglicherweise nur neuzeitlichem Empfinden – eindrucksvolle Weise die rüde Behauptung des Wolfs wieder, daß der Esel ihm gehört? 14 dru, die stark geraffte Erzählung läßt aus, daß der Fuchs die Falle als Reliquienbehälter ausgibt und der traditionell einfältige Wolf ihm glaubt. 14 er, = Reinhart. 15 mUz, mhd. Prät. muose. er, = der Wolf; zu den Bezugsproblemen des Pronomens der 3. Pers. bei mehreren möglichen Bezugspersonen s. § 400. 18 so man seit, wenn dies nicht eine bloße Flickformel ist, die beim Marner keine Parallele hätte, könnte es einen besonderen Sinn für das bestünbeln andeuten, was damit als Hüllwort gekennzeichnet wäre (s. Übersetzung). 19–20 Grubmüller hält S. 244 einen aktuellen Bezug über den Tadel der Meineidigen hinaus für möglich, sieht aber S. 251 (gegen Sparmbergs aktualisierende Deutung: Rivalitäten während des Interregnums) die Fabel als Beitrag zur Frage nach den Bedingungen höfischer Ehre. 20 swera, das a ist angehängte Interjektion (s. Lexer I,1). C Ein Esel ergab sich als Leibeigener dem Fuchs, das war gut so. Da lehrte der ihn, tierisch normal zu sprechen. Beiden war wohl zumute. Seht, da führte Reinhart seinen Knecht in den grünen Klee. Er sagte: „Mein Esel, gib gut acht! Der Wolf kann dir schaden, wenn er dich hört. Deshalb höre auf mich!“ Der Esel streifte durch das Gras. Da verleitete ihn der Genuß, den sein Magen davon hatte, daß er ein Freudengeschrei erhob wie zuvor. Auf dieses Geschrei hin kam Isengrin heran. Was Reinhart auch einwendete, der Wolf sprach, ein Esel gehöre ihm, das wolle er sogleich beschwören. Da führte ihn Reinhart zu einer Falle, er sprach: „Ich kann mich nicht wehren.“ Da mußte er den Reliquienschrein berühren, dazu war er willens. Das bereute er sehr: Die Falle schnitt ihm etwas ab. Er wurde kastriert, wie man sagt. Ach Gott, wäre jeder Reliquienschrein eine Falle, wenn es ans falsche Schwören geht! Das wäre gut, es gibt zu viel davon. Schwöre nur, Meineidiger, [aber] wehe über dich, wehe! D Bodmer 1748, S. 228; Bodmer 1759, S. 174; Conz 1796, S. 92 f.; J. Grimm (‚Reinhart Fuchs‘), S. CCX; W. Wackernagel1, S. 330 f.; HMS II, S. 249 f.; W. Wackernagel2, Sp. 694; Goedeke, S. 647; Bartsch 62, Nr. XCIII,3; Bartsch 64, S. 177f; Strauch, S. 118 f.; Pfaff/Salowsky, Sp. 1165; Schaeffer, S. 90 f. (Nachdichtung); de Boor I, S. 753 f. (mit willkürlichen Eingriffen); Höver/Kiepe, S. 280 f. (mit Übers.); Düwel, S. 139 f.; Haustein, S. 210 f.

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E Strauch, S. 29; 58; 176; Bech 77, S. 36; Bartsch 64, S. 342; Rodenwaldt, S. 17 f.; Sparmberg, S. 28 f.; Teschner, S. 192–195; Grubmüller 77, S. 250; Wachinger 85, S. 79 f.; Haustein, S. 210–212.

7,8

5

10

15

20

Ml 3,I

Vil reinú mUter unde maget, rose ane súnden dorn, von dir dú schrift gros wunder saget: wir waren alle nah verlorn, do half uns din kúsche und din gute von der swæren not. wir sin in arger zit betaget. senfte uns den gottes zorn. din sun dir niemer niht versaget. der helle wirt hat des gesworn, er welle uns verteilen in den eweklichen wernden tot. bitte got und gebúte dem eingebornen sune din, daz er uns hie niht lasse alsus verweiset sin dur solher froide ku nft, die dir ze schine brahte siner urstende sigenunft von tode, der den zwilhen tot an uns ze tode slUg und ab uns twUg sünden ungefUg und sin menscheit vúr uns trUg. des was der creatúre von ir schopfer me danne genUg, daz er sich ze marteren an daz frone krúze fúr uns bot.

A C 353 vb, da vorher eine Strophe im Kurzen Ton nachgetragen wurde, hier der Vermerk In dem don Der eren spiegel ist dv´ schame. k 447 ra-b (mit Melodie) = Ml 3,I. 13:14 kunft : sigenunft St.] kv´nfte : sigenv´nfte C. 15 von v.d.H.] ze C. B In der Hs. hat v. 20 keinen Auftakt. Da v.d.Hagen und Strauch marterære einsetzen, erhalten sie doppelten Auftakt, den Strauch durch Krasis daz er zu dêr beseitigt (s. die Anm. zu 3,2,13). Er vermeidet den einsilbigen Takt v. 19 mé dánne durch mêre, Bartsch schlägt aus dem gleichen Grund für síner úrsténde v. 14 sínr oder sínre ursténde vor, wodurch der Vers aber zu kurz würde. Zu den gramm. nicht korrekten Formen, die v. 13 : 14 metrisch nicht vorgesehene weibliche Kadenzen bilden, s. L1,2,14 : 16. 1 mUter unde maget, s. die Anm. zu 4,1,1. 2 rose, s. die Anm. zu 6,1,5. 3 schrift, mit ‚Schrift‘ ohne weitere Kennzeichnung sind meist die biblischen Schriften gemeint. saget : versaget, fast schon identischer Reim, wie er bei mehrfachem

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Reimklang offenbar zugelassen wird. 5 half, Mariens Anteil am Erlösungswerk besteht darin, daß sie den Gottessohn geboren hat; in den hymnischen Preisstrophen der Dichter wird dieser Anteil gelegentlich wie hier zur direkten Urheberschaft, was auch aus dieser Formulierung herausgehört werde kann. Haustein neigt dazu, die in k erhaltene dogmatisch korrekte Fassung da halff din kusch und gottes gUt für original zu halten. not, vgl. 6,2,15. 8 versaget, vgl. 6,9,6; *6,24,12. 9 helle wirt, s. die Anm. zu *6,19,14. 11 bitte … gebúte, Strauch verweist auf eine bei Konrad v. Megenberg 61,34 zitierte Sequenz Adams v. St. Victor (Ende 12. Jh.) ora patrem, jube nato, zu der Nowak zwei ältere volkssprachliche Belege gefunden hat; direkte Abhängigkeit kann in keinem Fall bewiesen werden, die Spur in den lateinischsprachigen Bereich wird dadurch freilich weniger eindeutig, ganz auszuschließen ist sie nicht (s. Einl. S. 8f.). Keinesfalls aber trifft zu, daß der Marner sich für Marias Mittlerfunktion „bekannter Wendungen“ bedient habe (so Haustein, der zwar S. 91 Anm. 83 und 84 auf Strauch wie auf Nowak verweist, auf deren Quellenangaben zu bitten und gebieten aber nicht eingeht; dafür eigene Quellenangaben nachträgt, die aber allesamt nichts über Marias Mittlerfunktion aussagen). 13:14 hier und an gleicher Stelle in der folgenden Strophe schreibt die Hs. klingende Kadenzen; war der Schreiber sich des Strophenbaus nicht sicher? Vgl. noch 7,1,13. 15–17 Haustein verweist auf Walthers Leich II b 3,7–9: der unsern tôt ze tôde sluoc! / mit sînem bluote er ab uns twuoc / den unfuoc; außerdem scheint ihm v. 17 ein Selbstzitat von 7,1,19 zu sein. zwilhen tot, den zeitlichen durch seine Auferstehung, die als Überwindung des Todes gefeiert wurde, den ewigen durch die Erlösung vom Fluch der Erbsünde und die Wiedergewinnung der ewigen Seligkeit. 16 twUg, aus Joh. 19,34: „einer der Soldaten stieß mit der Lanze in seine Seite, und sogleich floß Blut und Wasser heraus“ entwickelte sich die schon Offb. 1,5 („Er liebt uns und hat uns von unseren Sünden erlöst durch sein Blut“) vorgegebene, im Mittelalter dann breit ausgebildete Metaphorik vom ‚abwaschen der Sünden, vom Bad und von der Reinigung der Sünder‘ u.ä., vgl. 6,10,8 und *7,26,19. 20 marteren, swf., frone krúze, s. die Anm. zu 6,2,10f. C Reinste Mutter und Jungfrau, Rose ohne den Dorn der Sünde, die Schrift berichtet große Wunder von dir: Wir waren fast verloren, da half uns deine Keuschheit und deine Güte aus der schweren Not. Wir sind in schlimmen Zeiten geboren. Beschwichtige für uns Gottes Zorn. Dein Sohn schlägt dir niemals etwas ab. Der Herr der Hölle hat geschworen, er wolle uns dem ewigen Tod überantworten. Bitte Gott und weise deinen eingeborenen Sohn an, daß er uns hier unten nicht so schutzlos lasse um der kommenden Seligkeit willen, die dir der Sieg seiner Auferstehung vom Tode anschaulich machte, er, der unseren zweifachen Tod getötet und von uns die Greuel der Sünde abgewaschen und sein Menschendasein auf sich genommen hat um unseretwillen. Das war mehr als genug vom Schöpfer für sein Geschöpf, daß er sich um unseretwillen zur Marter an das hochheilige Kreuz auslieferte.

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D Bodmer 1759, S. 175; HMS II, S. 250; WKL II, Nr. 183; Strauch, S. 119 f.; Pfaff/Salowsky, Sp. 1166; Runge, Nr. 64a (mit Mel.) nach k, 64b nach Puschmann; Taylor 68, S. 39 f. (mit Mel.) nach k; Moser/Müller-Blattau, S. 155 f. (mit Mel.) nach k; Haustein, S. 89 f. E Strauch, S. 176 f.; Bartsch 77, S. 97; Nowak, S. 21 f.; 205; Haustein, S. 89–93.

7,9

5

10

15

20

Ml 4,I

Es wont ein wurm in einem hol, der stiftet manig mort. gar ark mag ich in nennen wol, er ruret bein und schepfet wort. er ist snabelræser danne ein vipernater muge sin. sin swank, der ist gelú ppes vol, gar giftig ist sin ort, da vor sich gUt man huten sol. er meinet hie und tútet dort. wilent in daz wasser ist sin gir und wilent in den win. hundert tusent hant ir niht wan einen namen. der wise adam, der kunde ir einen nie gezamen, do er viel in schulde. . dem selben wurme giht oˇch salomon grosser undulde. . david flUchte im und dar zU manig wiser man. sit nieman kan in gebinden an, so binde in doch der gottes ban! dar zU schende in, der mit im us fronen himelriche endran. ich weis wol, daz sich an im werdent mestent cleinú wúrmelin.

A C 353 vb–354 ra. k 448 rb-va = Ml 4,I. 1 wurm (k)] wurn C. 6 gelúppes (k)] gelippes C. 9 hie k] her C. 11 hundert k] vnd’ C. 17 in v.d.H.] im C. 20 im v.d.H.] in C. B In der Hs. hat v. 18 Auftakt, die vv. 13, 15 und 19 haben keinen; v. 11 ist um einen Takt zu kurz; Strauch fügt oder me ein und tilgt ir. In v. 14 weicht er den einsilbigen Takten sálomón grósser durch Einfügen eines vil, úndúld durch ungeduld aus. 1–20 Wachinger nennt die obige Darstellung des zu ratenden Wurmes „widerspruchsreich“, weil in ihr die „Ambivalenz der physischen und moralischen Bedeutung des Wortes zunge gezielt zur Verrätselung eingesetzt wird.“ Es ist aber nur abwechselnd von der Beschaffenheit des Wurmes und von seinen Fähigkei-

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ten, bzw. Tätigkeiten die Rede; inkonsequent kann man allenfalls den Wechsel von dem ‚Wurm‘ zu den realiter vorhandenen Zungen v. 11/12 bezeichnen. Schon Boesch sah hier „die Einzelzüge absichtlich verdunkelt“ und „gelehrte Anspielungen auf die Bibel zu Hilfe genommen, um die Sache noch geheimnisvoller zu machen“, und Tomasek meint, man könne die obige Darstellung als „dunklen Spruch über ein typisches Spruchdichterthema“ verstehen, wogegen Haustein sich schon zu Recht gewendet hat. Die Auflösung dieses Rätsels dürfte leicht gewesen sein, da die böse Zunge sehr häufig unverrätselt behandelt wurde und dabei vielfach die gleichen Elemente verwendet wurden: daß sie Mord stiftet, betrügerisch, meineidig, giftig und unbändig ist usw., vgl. vor allem wieder Meißner I,3, aber auch Reinmar v. Zweter 94 und Freidank 164,3 ff. und die zahlreichen Belege in den zugehörigen Kommentaren. Als Grundlage aller Aussagen zitiert schon Bezzenberger (S. 455) Jak. 3,5–8: „So ist auch die Zunge nur ein kleines Körperglied und rühmt sich doch großer Dinge. Und wie klein kann ein Feuer sein, das einen großen Wald in Brand steckt. Auch die Zunge ist ein Feuer, eine Welt voll Ungerechtigkeit. Die Zunge ist der Teil, der den ganzen Menschen verdirbt und das Rad des Lebens in Brand setzt; sie selbst aber ist von der Hölle in Brand gesetzt. Denn jede Art von Tieren, auf dem Land und in der Luft, was am Boden kriecht und was im Meer schwimmt, läßt sich zähmen und ist vom Menschen auch gezähmt worden; doch die Zunge kann kein Mensch zähmen, dieses ruhelose Übel, voll von tödlichem Gift. Mit ihr preisen wir den Herrn und Vater, und mit ihr verfluchen wir die Menschen, die als Abbild Gottes erschaffen sind. Aus ein und demselben Mund kommen Segen und Fluch.“ 2 manig, hier wie ein unfl. Adj. gebraucht. 4 bein, die Zähne, die man unter die Knochen zählte, vgl. Beinhaus und Würfelbein. 6 swank, seit v.d.Hagen wird hier swanz (nach k) eingesetzt, obwohl ort und swanz bei der Zunge eigentlich das gleiche sind. 10 hier wie in v. 4 werden dem Hörer zur Identifizierung des Wurms Ausschnitte aus den konkreten Tätigkeiten der Zunge genannt: an Knochen anstoßen, Worte formen, sich zuweilen in Wasser, zuweilen in Wein tunken; an ‚falsch reden‘ nach dem Genuß beider Getränke, wie Haustein (S. 214 Anm. 157) vermutet, ist nicht zu denken. 12 Haustein, der gern ‚heilsgeschichtliche Dimensionen‘ hergestellt sieht, möchte hier „die Schlange des Erbsündenfalls und die Zunge im Mund miteinander gleichgesetzt“ sehen, aber der Text ist m. E. ganz konkret weiterhin als Text über die Zunge zu verstehen: Evas Zunge, die Adam zur Sünde überredete oder die des Teufels, der Eva überredete. 13:14 zu den klingenden Kadenzen s. die Anm. zu 7,8,13 : 14. 14 selben, das von Roethe (S. 292) als unpoetisch inkriminierte Wort im Corpus nur an dieser Stelle. 14–15 salomon, david, das dem König Salomon zugeschriebene Buch der Sprüche ist voll von Verurteilungen der Lüge, ebenso der Psalter Davids. 19 us fronen himelriche endran, der Erzengel Luzifer, der dann zum Teufel wurde. Zu dem biblisch wenig gesicherten Engelsturz, der gleichwohl in mittelalterlicher Frömmigkeit fest verankert war, s. TRE 9, S. 591 ff.; LdMa. III, S. 1905–1914. Der Bannstrahl Gottes überantwor-

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tet die böse Zunge dem Herrn der Lüge (vgl. 7,17,5). fronen, das sw, flekt. Adj. in dieser Position weniger gebräuchlich, weshalb die Hgg. seit Strauch hier fronem einsetzen. 20 ich weis wol, eine der beim Marner seltenen Fälle, in denen das Sprecher-Ich, das sonst eher Bescheidenheitstopoi benutzt (z. B. 2,2,4) seine Kompetenz betont, s. Einl. S. 35 f. werdent mestent, Rest der alten Futurbildung durch werden mit dem Part. Präs., s. § 237. C Es wohnt ein Reptil in einer Höhle, das verursacht manchen Mord. Mit Recht nenne ich es als zutiefst böse. Es bewegt Knochen und formt Wörter. Es ist ätzender als die Viper sein könnte. Sein Schlag [?] ist voll Gift, vollends giftig ist seine Spitze. Vor dem soll sich ein rechtschaffener Mann hüten. Es meint hier und verdächtigt dort. Mal will es in Wasser tauchen und mal in Wein. Hunderttausend haben nur den einen Namen. Der weise Adam konnte nicht einmal eines bezwingen, da mußte er schuldig werden. Diesem Reptil sagt auch Salomon ganz Unerträgliches nach. David hat es verflucht und noch manch weiser Mann. Da niemand es in Fesseln legen kann, möge es der Bannstrahl Gottes treffen! Außerdem soll der es verderben, der mit ihm aus dem hochheiligen Himmelreich entwichen ist. Ich weiß wohl, daß sich kleine Würmchen an ihm mästen werden. D Bodmer 1759, S. 175; HMS II, S. 250; Bartsch 62, Nr.XCIII,1; Strauch, S. 120 f.; Pfaff/Salowsky, Sp. 1167; Loewenthal, S. 101 f.; Schupp, S. 41; Ilgner, S. 279 f.; Haustein, S. 212 f. E Strauch, S. 30; 177; Loewenthal, S. 101–103; 137–139; Ilgner, S. 277–280; Boesch 77, S. 273; Wachinger 85, S. 75 f.; Tomasek, S. 274 f.; Haustein, S. 212–215.

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7,10 Der eren spiegel ist dú scham, swer sich dar inne ersiht, der wirt unzæmen bliken gram. dú schame hat mit kúsche ir pfliht. dú schame ist argen worten vige. nt, untrúwen has, unstæten flUch. scham ist ein tugent, dú mannes namen gegen frowen prises giht. dú reinen wib tUnt man alsam: ir beider lieb mit schame geschiht. schame get edele. m gesteine vor und túret bas danne sidin tUch. schame ist mit bescheidenheit der werden minne bi. dú scham in eren garten ist ein blundes zwi. dú schame ist eren schilt.

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dú scham alsam ein reines kint in schoner frowen schozen spilt. schame zieret reinú wib und wirdet edelen man. schame kan leiden uf den ban, da nie schanden trit kam an. swer schame minnet, den bekræt in schanden dienest selten han. scham ist ein dú hohste tugent, sagent uns die meister und dú bUch.

A C 354 ra. N 96 rb-va. 2 ersiht] ersiet N. 3 der] die N. bliken (N )] blikem C. 4 kúsche ir] der kUsche N. 5 dú] nicht in N. vigent untrúwen has] gram vnkuschen viant N. 6 namen] name N. 8 Ir w’de wip dUt manen sam N. 9 ir] vr N. mit] in N. 10 get … vor] is besser dan golt N. túret] ziret N. 11 werden minne] warer minen N. 12–19 Scham ist i eren gartin rechte ein blund’ zwi / Scham ist der eren schilt / Die schame rechte als ein liebis kint lachende in vraue wen schose spilt / Scha ziret w’de wip in¯ hohit nıder man / Scham kan leiden vp den plain / der nie lasters mail gewan / w’ schame minit den betriet in lastere nimer schanden hain N. 19 bekræt v.d.H.] bkret C. 20 sagent uns die meister] das sagent vns meistere N. B In der Hs. haben die vv. 5 und vielleicht 10 Auftakt, 15, 16 und 20 haben keinen. Strauch tilgt v. 5 dú (wie N); dem seltenen Fall gespaltener Hebung mit gespaltener Senkung in einem Takt túgend sagent v. 20 entgeht er durch Tilgung des die vor meister. 1–20 häufig behandeltes Thema in Predigt, Spruch- und Sangspruchdichtung, s. die Parallelen bei Strauch, S. 178. 1 eren, Gen. Sg., in der Personifikation ist ere swf. spiegel, zu der im Mittelalter häufigen Verwendung des Bildes vom Spiegel, bei dem der Spiegel, wie hier, kein Abbild, sondern ein Idealbild (FürstenSpiegel) oder eine Zusammenfassung aller zum Gespiegelten gehörenden Sachverhalte oder auch nur eine hervorstechende Eigenschaft wiedergibt, s. Hansjürgen Kiepe: Die Nürnberger Priameldichtung usw. München 1984 (MTU 74), S. 243–251. 5 argen worten, die verba obscoena zu meiden empfahl schon die antike Rhethorik, die Kirchenväter erhoben es zur Vorschrift, die höfischen Dichter befolgten sie wie ein Gesetz, was mit all seinen Weiterungen verantworlich ist für den Eindruck, daß hövesch und prüde gleichgesetzt werden können. 6 namen, die Hs. schreibt die gramm. korrekte Form; der Reim verlangt die Endungslosigkeit (s. § 53 Anm. 3b), vgl. 1,3,8; 5,3,14. 8 Strauch konjiziert sehr fein diu reiniu wîp tuot manne alsam (die reine Frauen dem Mann ebenso lobenswert macht); aber abgesehen davon, daß der Text beider Hss. auch ohne Eingriff verständlich ist, halte ich es für unwahrscheinlich, daß der Dichter anaphorisches scham hier einmal durch das Rel. Pron. vertreten läßt, zumal, wenn das Bezugswort so weit entfernt ist. 10 túret, hier intransitiv. 12 und 13 eren s. o. v.1. 17 ban, hier stm.

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18 schanden, in der Personifikation swf. 19 bekræt … han, das für uns gezwungen wirkende Bild wird auf dem Hintergrund ma. Frömmigkeit verständlich, der der mit Petri Verrat verbundene biblische Warner (Mt. 26,69–75) präsent war. selten, zu diesem Adv. statt einer Negation (Litotes § 436) vgl. L2,3,10; 7,12,13. 20 ein dú, zum doppelten Artikel vor einem Superlativ s. § 424. hohste tugent, zu der unsystematischen Erhebung der jeweils thematisierten Tugend zur ‚höchsten‘ vgl. Huber, S. 59 f. C Scham ist der Spiegel der Ehre. Wer sich darin spiegelt, wird schamlose Blicke verabscheuen. Die Scham ist mit der Keuschheit verbunden. Scham ist obszönen Worten Feind, treulosen gram, verräterischen ein Fluch. Scham ist eine Tugend, die dem Mann bei Frauen Lob einbringt. Ebenso beurteilen Männer die edlen Frauen. Ihr beider Liebesspiel vollzieht sich in Scham. Scham ist kostbarer als Edelsteine und wertvoller als Seide. Scham ist mit Takt der edlen Liebe beigesellt. Im Garten der Ehre ist Scham ein blühender Zweig. Die Scham ist der Schild der Ehre. Wie ein feines Kindchen fühlt sie sich wohl im Schoß schöner Frauen. Scham schmückt reine Frauen und erhöht den Wert edler Männer. Scham kann den Pfad führen, auf den Schande niemals getreten ist. Wer die Scham schätzt, den kündigt niemals ein Hahn an als einen, der im Dienst der Schande steht. Scham ist die höchste Tugend, so sagen es die Weisen und die Bücher. D Goldast, S. 445 f.; Opitz, S. [82 f.]; Bodmer 1759, S. 175; HMS II, S. 250; Strauch, S. 121 f.; Pfaff, S. 177; Pfaff/Salowsky, Sp. 1167 f.; Schmeisky, S. 181 f. (nach N); Haustein, S. 215; Hübner, S. 284. E Strauch, S. 33 f.; 178 f.; Huber, S. 46–79; Haustein, S. 215–216; 231; Hübner, S. 283 f.

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7,11 Der kúnig Nabuchodonosor in einem troˇme sach ein bilde hohe stan enbor. daz hoˇbt was guldin, als er jach, silberin arme unde brust, ein teil erin und isenin, die fusse waren schirbin hor, die sit daz isen brach. der troˇm gieng sinen sinnen vor. betúteklich ein wissage sprach: „kúnig, der troˇm ist nu bi dir und wirt nach dir der werlte schin. kúnig, du der wernden bildes hoˇbet golt,

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nach dir ein riche bringet silberinen solt. ein erins dar nach kumt, dar nach daz erin isen bringt und schirbin fUs ze stuken drumt.“ hie bi so mugt ir merken, wie es nu der werlde ste: daz golt was e, silber dar nach me. nu haben wir ein isenin we, daz witwen unde weisen machet mangen jæmerlichen schre. des suln sich die fúrsten schamen. sunt si schirbin fusse sin?

A C 354 ra. 3 enbor v.d.H.] nicht in C. 5 erin (St.)] er C. 8 und 10 troˇm v.d.H.] troˇn C. 9 wissage] wssage C. 13 erins (v.d.H.)] eris C. 14 erin isen v.d.H.] isen erin C. B In der Hs. v. 3 unvollständig, v. 20 ohne Auftakt (oder sulén?); in v. 11 nimmt Strauch mit v.d.Hagen eine Lücke an und füllt sie mit bist des, hält aber werlte für die bessere Ergänzung, weil mit werenden ohnehin ein werlte mitgedacht werden müsse; es könnte aber wérndèn beabsichtigt gewesen sein. 1–20 Müller rechnet den Spruch mit Recht unter die politischen Gedichte; als Entstehungszeit vermutet er die Zeit des Interregnums (s. die Anm. zu 4,2). Von diesem Spruch wie von den beiden folgenden meint Haustein, sie zeigten „mannigfache Anklänge an zwei Strophen Walthers im Wiener Hofton (10,VIII). Bei beiden Autoren folgt einer Strophe mit dem Nebukadnezar-Traum eine mit dem Motiv vom zu schlagenden Kind.“ Ersteres ist die einzige Gemeinsamkeit der genannten Strophen und kann nicht als Anklang bezeichnet werden. Was beim Marner 7,11 das Thema des ganzen Spruchs ist: der Traum des namentlich genannten Königs und seine Anwendung auf die derzeit lebenden Fürsten, ist bei Walther eine dreizeilige allgemeine Einleitung in das Thema: die Zeiten sind böse und werden durch schlechte Erziehung immer böser. Dem letzten Thema widmet sich Walthers 2. Strophe ausschließlich, wohingegen es beim Marner in 7,12,18–19 als ein Übelstand in einer ganzen Reihe aufgeführt wird und nur in 7,13,14–19 einen etwas breiteren Raum einnimmt, wiederum in einer Reihe mit anderen. Daraus die Folgerung abzuleiten, es handle sich um eine Nachahmung, und derlei Nachahmungen hätten sich „offenbar nicht nur auf Motive, sondern auch auf ganze Strophenfolgen erstrecken können“, scheint mir nicht gerechtfertigt und sollte nicht als Faktum in die weitere Diskussion um Abhängigkeiten und Kontinuitäten eingehen. 1–14 Die im Ma. mehrfach literarisch verarbeitete Erzählung von Nebukadnezars Traum von den vier Weltreichen (Dan. 2,25–45; Belege Strauch, S. 179; Haustein, S. 217 Anm. 166; Yao, S. 160–169 mit Abdruck der Texte) wird hier um der Anwendung auf aktuelle Verhältnisse, das isenin we, willen auf die bloße Abfolge der vier Reiche verkürzt (Dan. 2,31–33); die Füße, in

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der Quelle teils Eisen, teils Ton, sind tönern und werden nicht mitsamt den anderen Teilen von dem gewaltigen Stein, der nach der Zerstörung das neue Reich bildet, sondern von dem eisernen Teil selbst zertrümmert. 14 daz erin isen, die Umstellung erin isen bei v.d.Hagen und Strauch ist vielleicht nicht zwingend, da erin auch in der hsl. Abfolge als Nominativ aufgefaßt werden kann, was aber wohl nur Philologen deutlich sein dürfte. fUs, Akk. Pl.; zur Form s. § 177 Anm. 6. 20 sunt, in Teilen des Südalemannischen für sult (§ 273). Der Vers wurde einschließlich der Paraphrase im RSM so interpungiert und verstanden: des suln sich die fúrsten schamen, sunt si schirbin fusse sin. Die tönerne Zeit folgt aber erst auf die eiserne Zeit, ihre Zerstörung droht erst noch, und erst als Drohung gegenüber den Fürsten, die für die Zustände der eisernen Zeit, der Jetztzeit des Spruches, verantwortlich sind, hat der Sangspruch eine wirklich scharfe Pointe. Ähnliche Erwägungen haben Haustein veranlaßt, sunt sie schirbin füeze sin! zu interpungieren und zu übersetzen: „Mögen sie doch die tönernen Füße sein!“ Das ist dem Tenor der sonstigen paränetischen Strophen nicht angemessen, die sich im weltlichen Bereich an Repräsentanten des Lasters richten, nicht an Repräsentanten der Macht, und immer die Rolle des mahnenden Warners einhalten, der auf Besserung bedacht ist. Dieser Haltung ist die Formulierung als Frage gemäßer. C Der König Nabuchodonosor sah in einem Traum eine Statue hoch aufgerichtet stehen. Das Haupt war golden, wie er erzählte, silbern Arme und Brust, ein weiterer Teil war ehern und eisern, die Füße waren tönerner Lehm, die dann das Eisen zertrümmerte. Der Traum ging über sein Begreifen. Ausdeutend sagte ein Prophet: „König, der Traum ist auf dich gemünzt und wird nach dir der Welt offenbar. König, du unter den jetzt Lebenden das goldene Haupt dieses Bildes, nach dir bringt ein Reich silberne Erträge. Ein Ehernes kommt danach, danach bringt das Eherne das Eiserne hervor und schlägt die tönernen Füße in Stücke.“ Daran könnt ihr erkennen, wie es jetzt in der Welt bestellt ist: Das Gold ist vergangen, danach auch das Silber, nun haben wir ein eisernes Los zu tragen, das Witwen und Waisen manche jämmerliche Klage abpreßt. Dessen sollten sich die Fürsten schämen. Werden sie die tönernen Füße sein? D Bodmer 1759, S. 175; HMS II, S. 250 f.; Strauch, S. 122 f.; Pfaff/Salowsky, Sp. 1168; Gent, S. 111 f.; Müller I, S. 63; Höver/Kiepe, S. 281 f. (mit Übers.); Haustein, S. 216 f.; Yao, S. 161. E HMS 4, S. 525; Strauch, S. 29 f.; 179; Teschner, S. 110–113; Müller, S. 119; Haustein, S. 216–218; 221 Anm. 180; 222; Yao, S. 160–169.

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7,12 Ml 5,II / Ml 16,IV Swel fuchs sich sines musens schamt, der mUs verderben doch. dú mus hat ein vil swaches amt: si vert in eines fromdes loch. siecher arzat, armer wissage, leider gast, die sint unwert. swer wilden marde. r in schozen zamt und leit dem lewen ein joch, ob im sin hant da niht erlamt, so mag er doch wol sprechen: „och!“ ohsen krone zimt niht wol noch in des zagen hant ein gUt swert. múnches tanzen, nunnen húbescheit und des affen zagel, des meien rife und in dem oˇge. ste. n ein starker hagel ← mir selten wol behaget → us richen mannes munde luge, und swa den bern ein eichorn jagt. mich wundert ermú hohvart, und ist alter man unwis. der werlte pris smilzet sam ein is. liebem kinde ist gUt ein ris. swer ane vorhte wahset, der mUs sunder ere werden gris. bi disen mæren stat es húre michels boser danne vert.

A C 354 ra-b. k 449 rb-va = Ml 5,II. e 7 v = Ml 16,IV. B In der Hs. sind die vv. 10 und 12 zu lang: v.d.Hagen tilgt v. 10 gUt, Strauch ein, v. 12 tilgen beide ein, v. 11 tilgt Strauch ohne Grund des. Euling sieht in dieser Strophe die bis dahin subliterarisch existierende Form des Quodlibets verwirklicht. Wachinger (85, S. 74 f. und 85, Sp. 76 f.) sieht in Sprüchen wie diesem ein priamelartiges Aufzählen von Verschiedenartigem, das schließlich in einer, zuweilen überraschenden Gemeinsamkeit verbunden erscheint. Mit dem Priamel wie mit dem Quodlibet haben diese Sprüche nur die Auflistung gemeinsam (s. Einl. S. 28). Hier ist es eine Zeitklage, in der real vorkommende Mißstände (5; 11–13; 19) mit törichten Verhaltensweisen (1–2; 15), Exempeln für unsinniges Verhalten (6–10), gering zu Schätzendem (3–4) und mit einem Motiv aus dem Motivschatz der Verkehrten Welt (14; vgl. 6,11) aufgelistet werden, die sich alle (oder nur die letzten?) verschlechtert haben (20), was, streng genommen, nur für die Mißstände und Verhaltensweisen aussagbar ist. Für nahezu alle Motive hat Strauch (S. 179) Anklänge und Parallelen zusammengestellt. 1 Swel, südalem. für swelch (§ 141). musens schamt, der Vers wirkt wie eine Kontamination aus dem bei Wander unter ‚Fuchs‘ Nr. 72 belegten Sprichwort

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„Der Fuchs muß Hunger leiden, wenn er nicht Mäuse fangen will“ und Freidank 138,21 f. Als sich der fuhs mûsens schamt, / sô hete er gerne ein hœher amt (vgl. Wander 296, ebenso Nr. 315). 4 eines fromdes, hier schreiben alle Ausgaben ein, aber diese Fügung: stark flektierter unbest. Artikel vor ebenfalls st. flektiertem Adjektiv ist so ungewöhnlich, daß man sie schon deshalb halten möchte. Es liegt nahe, im einsilbigen vert die Form zu sehen, die metrisch notwendiges eines zur Folge hatte. Strauch, jüngst auch wieder Wachinger, übernehmen deshalb aus k das erst aus dem 14 Jh. und auch dann sehr selten belegte ehert (in ein fremdes); Hs. e setzt entrint ein, was mehr für eine Verdeutlichung eines vert der Vorlage spricht. Haustein schreibt vert in ein fremdes und nimmt die dadurch entstehende Auftaktlosigkeit in Kauf, die für diesen Vers singulär wäre. Zu erwägen wäre eines fremden, aber substantiviertes Adjektiv für ein nicht genanntes Tier wäre auch ungewöhnlich. Einen mhd. Beleg für das Verhalten der Maus, das sonst vom Fuchs ausgesagt wird (vgl. Konrad v. Megenberg, S. 163 [Fuchs wohnt in Dachshöhlen] und Wander I unter ‚Fuchs‘ Nr. 77 und 276 „Der Fuchs schlüpft gern in eine fertige Höhle“) ist mir nicht bekannt. Neuzeitliche Darstellungen bezeugen, daß die Feldmaus ihren Bau in Wühlmausbauten und sogar Vogelhäusern anlegt. 5 armer wissag, ein armer Wahrsager ist unzuverlässig, weil er um des höheren Lohns willen in jedem Fall Positives vorauszusagen geneigt ist. 6 marder, galt als besonders wild und wehrhaft, weshalb er in der Reihe der tierischen Symbolfiguren für die menschlichen Laster gelegentlich die Stelle des Bären oder des Löwen einnimmt, z. B. in Thomasins ‚Welschem Gast‘ 9797–9807. in schozen, Dat. Sg. des swf., zum artikellosen Gebrauch des Substantivs s. § 421. 10 ohsen krone, Gegenstück zu v. 7; in der Tierfabel ist der Löwe der König, ihm ein Joch aufzulegen ist ebenso unpassend wie den Ochsen zu krönen. 11 affen zagel, in dieser Reihe das Verächtliche der beiden vorgenannten Beispiele wirksam verstärkend, sie gleichsam in die Nähe eines Schimpfworts rückend, s. Lexer I,24. Der Affe galt als besonders törichtes verächtliches Tier, als Symboltier stand er für Eitelkeit (vgl. Schmidtke, S. 237 f.). 12 oˇ gesten, stm. ougst würde den Vers metrisch korrekt machen. 13 selten, zu diesem Adv. statt einer Negation (Litotes § 436) vgl. L2,3,10; 7,10,19. 14–15 Vgl Sir. 25,2: „Drei Gruppen von Menschen sind mir verhaßt, ihre Lebensweise verabscheue ich sehr: den hochmütigen Armen, den betrügerischen Reichen, den ehebrecherischen Greis ohne Vernunft.“ In einem Lied Friedrichs v. Sonnenburg (46,2ff.) werden vom allgemeinen Verbot der Lüge drei ausgenommen, eine davon ist die Lüge des armen Mannes, vgl. 7,17,3. Bei der Lüge des Reichen ist wohl an das Verhehlen des Reichtums zu denken, vgl. 7,2,19. 18 Entsprechend biblischer Anweisung (z. B. Spr. 13,24) galt die Prügelstrafe nahezu einhellig als unerläßliches Erziehungsinstrument, s. auch 7,13,14–20 und Wander 2,1287; ebd. 3,1779–83 passim. C Der Fuchs, der sich seines Mäusejagens schämt, muß zugrundegehen. Die Maus betreibt ein armseliges Geschäft: Sie kriecht in eine fremde Höhle. [?] Ein

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kranker Arzt, ein armer Wahrsager, ein lästiger Gast werden nicht geschätzt. Wer den ungebärdigen Marder im Schoß zähmt, dem Löwen ein Joch auflegt, der wird doch, wenn ihm schon die Hand dabei nicht versagt, ‚Ach und Weh!‘ schreien. Weder schickt sich für den Ochsen eine Krone noch ein gutes Schwert in der Hand eines Feiglings. Tanz der Mönche, höfisches Getue der Nonnen und der Schwanz des Affen, Frost im Mai und ein kräftiger Hagel im August haben mir nie gefallen, auch nicht die Lüge im Mund der Wohlhabenden, oder wenn das Eichhörnchen den Bären jagt. Ich staune über den Hochmut des Elenden, und wenn ein alter Mann töricht ist. Ansehen in der Welt schmilzt weg wie das Eis. Für das geliebte Kind ist die Rute gut. Wer ohne Respekt aufwächst, muß ohne Ehre grau werden. Mit alledem steht es heute schlimmer denn je. D Bodmer 1759, S. 175 f.; HMS II, S. 251; Bartsch 62, Nr. XCIV,2; Strauch, S. 123 f.; Pfaff/Salowsky, Sp. 1168 f.; Höver/Kiepe, S. 282 f. (mit Übers.); Haustein, S. 218 f.; Wachinger 06, S. 250–253 (mit Übers.). E Strauch, S. 179; Euling, S. 31; Schlageter, S. 158; Haustein, S. 218–220; 221 Anm. 180; 222; 225f.; Wachinger 06, S. 754 f.

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7,13 Ein ieglich mensche mUs verzagen an froiden, so der tot beginnet in sin herze jagen, und es gat an die starken not, und es mit dem armen libe hat vil jæmerliches spil. die richen sun die armen klagen, wan es in got gebot, und suln ir armUt helfen tragen und mit in teilen gerne ir brot. merkent wol: es krumbet vrU, swaz z’einem haggen werden wil. vil maniger wænet wise sin, der ist leider tumb. da von sint dú reht in allen landen krumb, die wile es also gat. ein man, der ber sin liebes kint, die wile unz es sich beren lat. swenne es us der hitze kumt, und es ist ungebert, so i. st sin gevert gewahsen lihte ze hert, daz es sich dem beren wert; so wirt versumet, swaz man droit oder uf sinen rugge gert. des siht man in genUgen stetten úbeler schalke vil.

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A C 354 rb. B In der Hs. haben die vv. 11 und 17 Auftakt, 12 und 15 nicht. Strauch tilgt v. 11 vil; v.d.Hagen und Strauch vermeiden den einsilbigen Takt v. 11 sín dér durch ´ Einfügen eines doch, Strauch überdies den einsilbigen Takt v. 19 droit óder durch dröuwet. In den zu kurzen v. 20 fügt Strauch ein hiute nach stetten ein, v.d.Hagen ein also vor vil. Der gedankliche Zusammenhang des Spruchs ist: Jedem Menschen sei die Todesfurcht vor Augen gestellt: dem Reichen, wenn er nicht mit den Armen teilt, den Uneinsichtigen, die das Recht beugen, denen, die ihre Kinder nicht zum Guten erziehen, den unerzogenen Übeltätern. 1–5 Die allgemeine Glaubensgewißheit von einem Leben nach dem Tod in Himmel, Fegefeuer oder Hölle und das individuelle Sündenbewußtsein mußten die Furcht vor dem Tod ungeheuer steigern. Sie war das wirksamste Mittel zur Disziplinierung der Gläubigen. 5 es, zu ez als formalem Subjekt s. § 402; die Änderung zu er (v.d.Hagen und Strauch) wies schon Bartsch zurück. spil, s. die Anm. zu 6,7,16. 6 sun, in Teilen des Südalem. für suln (§ 273). 10 vielzitiertes Sprichwort, Belege Strauch, S. 180 und Wander II, S. 274 ff. 14–20 s. die Anm. zu 7,12,18. Erziehung wird mit dem Vorgang des Eisenschmiedens illustriert, weshalb v.d.Hagen statt es (v. 15) er (Erz) vermutete, was schon Strauch mit dem Hinweis auf v. 17 gewahsen zurückwies. Er möchte der zur Marner-Zeit nicht recht zu belegenden jugendlichen hitze wegen zuo der witze lesen, damit wäre eine wohl doch beabsichtigte Ausgestaltung des Bildes vom Schmieden getilgt. Belege aus späterer Zeit bei Haustein, S. 221 Anm. 178. 17:18 hert : wert, zu dem e : ë-Reim s. Einl. S. 86. 19 rugge, ganz allgemein die Kehrseite; den Körperteil, den heutige Redensarten mit Prügeln verbinden, zu benennen, galt als grober Verstoß gegen das hövesche Sprechen. C Ein jeder Mensch muß kleinmütig werden, wenn der Tod in sein Herz eindringt, und die letzte furchtbare Not beginnt und es mit dem elenden Leib übel geht. Vermögende sollen die Armen beklagen, denn das hat Gott ihnen befohlen, sollen ihre Armut erträglich machen und mit ihnen bereitwillig ihr Brot teilen. Bedenkt es recht: Früh krümmt sich, was ein Haken werden will. So mancher glaubt, weise zu sein, und ist doch leider töricht. Deshalb ist das Gerichtswesen in allen Landen verdreht, solange das so geht. Ein Mann schlage sein geliebtes Kind, solange es sich schlagen läßt. Wenn es [wie Eisen] aus der Hitze kommt und ist ungeformt, ist sein Wesen vielleicht zu verhärtet, so daß es sich der Schläge erwehrt, dann unterbleibt, was man androht oder gern auf seinem Rücken sähe. Deshalb sieht man vierlerorts so viel der bösen Menschen. D Bodmer 1759, S. 176; HMS II, S. 251; Strauch, S. 124; Pfaff/Salowsky, Sp. 1169; Haustein, S. 220.

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E Strauch, S. 31; 180; Bartsch 77, S. 97; Haustein, S. 220–222.

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7,14 Ml 5,I / Ml 10,I / Ml 16, I Singe ich dien lúten minú liet, so wil der erste daz, wie dietrich von berne schiet, der ander, wa kúnig rUther sas, der dritte wil der rússen sturm, so wil der vierde eggehartes not, der fúnfte, wen kriemhilt verriet, dem sehsten tæte baz, war komen si der wilzzen diet, der sibende wolde eteswas heimen ald here. n witichen sturm, sigfrides ald hern eggen tot, so wil der ahtode da bi niht wan húbschen minne sang, dem núnden ist dú wile bi den allen lang, der zehende enweis, wie, nu sust, nu so, nu dan, nu dar, nu hin, nu her, nu dort, nu hie. da bi hete manger gerne der ymlunge hort. der wigt min wort ringer danne ein ort, des mUt ist in schaze verschort. sus get min sang in manges orn, als der mit blige in marmel bort. sus singe ich unde sage ú, des iu niht bi mir der kúnig embot.

A C 354 rb-va. k1 449 rb = Ml 5,I. k2 468 rb = Ml 10,I. e 6 v.= Ml 16,I. 5 und 10 sturm v.d.H.] sturn C. 10 witichen] witche, über dem c ein kräftiger Punkt C. B In der Hs. haben die vv. 5 und 11 Auftakt, v. 15 nicht; Strauch tilgt v. 11 da bi; er vermeidet den einsilbigen Innentakt v. 3 díetrích durch Díeterîch. Für die ältere Forschung sollte der Sangspruch zweierlei belegen: 1. Es gab sangbare Kurzfassungen heldischer Stoffe. 2. Sie gehörten zum Repertoire der Sangspruchdichter, die damit den leichtere Kost verlangenden Publikumsgeschmack befriedigten. Was die ‚leichtere Kost‘ angeht, scheint mir das – ohnehin vermutlich viel zu undifferenzierte – abwertende Urteil über die jüngeren schriftlichen Fassungen heldenepischer Stoffe in ungebührlichem Umfang auf die unbekannten, da nur erschlossenen älteren übertragen worden zu sein. Wichtiger für den Marner ist die Repertoire-Frage. Lange machte sich hier ein Vorurteil geltend, nämlich daß man einen Sangspruchdichter nur zu Liedern animieren könne, also die angeschlagenen Themen Inhalte von Liedern meinten, folglich sangbare Kurzfassungen heldischer Stoffe bewiesen seien. Der Text läßt aber

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durchaus offen, ob nicht das Ich wie, freilich hundert Jahre später, ein Vortragskünstler zu singen, statt zu erzählen (Teichner, 183,24 ff.) hier statt zu singen zu erzählen aufgefordert wird. Selbst daß eine Aufforderung an ein und denselben Vortragskünstler ergeht, ist dem Text nicht mit letzter Stringenz zu entnehmen. Es ist auch ein Ensemble von Vortragskünstlern denkbar, von denen der Sangspruchdichter der am wenigsten gefragte ist. Aber selbst wenn wir das Gedicht als Wiedergabe einer Szene verstehen, die das Ich als Einzelner einmal oder öfter hat erleben müssen oder als erlebt imaginiert, belegt es nur bekannte Themen (nicht Titel), und daß nach denen dem Publikum der Sinn mehr steht als nach den Liedern des Sangspruchdichters. Es sind durchaus keine „törichte(n) Publikumswünsche“, wie Lämmert (S. 154) meint, sondern es ist ihre Bevorzugung, die den Sänger kränkt, so daß er das Publikum als launische Banausen charakterisiert. Daß das Selbstbewußtsein des Sangspruchdichters und sein erstrebter Ruhm sich auf seine damals wie heute außergewöhnliche Fähigkeit Wichtiges und Richtiges zu dichten und zu komponieren gründet oder zumindest gegründet werden sollte, ist vielfach zu belegen (z. B. Bruder Wernher 38; Meißner XV,4; gesammelt bei Stackmann 58, S. 99 Anm.186). Nur durch sie konnte er sich von anderen Darbietungen und Darbietern abgrenzen, was aber Übereinstimmungen im Repertoire und Aktivitäten in beiden Medien keineswegs ausschließt (vgl. Haustein, S. 222–224; dort auch Referat früherer Positionen). 3 dietrich, historischer Kern des weit (angelsächsisch, skandinavisch, deutsch) verzweigten Dietrichsagenkreises ist Theoderich der Große (455–526); die Sage läßt ihn Bern (Verona) verlassen und am Hunnenhof Zuflucht suchen (s. H. Kuhn ‚Dietrichs Flucht‘ 2VL 2,116–127). 4 k únig rUther, sagenhafte Gestalt aus einer frühhöfischen Erzählung (s. H. Szklenar ‚König Rother‘ 2VL 5, 82–94); im Vers klingt der Beginn der Erzählung Bi deme westeren mere / saz ein kuninc der heiz Rother ˇ an. 5 rússen sturm, Zusammenstöße mit den Reussen im Dietrichsagenkreis mehrfach. eggehartes not, der getreue Eckart ist eine Figur aus dem Dietrichsagenkreis; er versuchte vergeblich, die Vettern Dietrichs vor den Nachstellungen des Onkels und Gegenspielers Ermanerich zu retten. 6 je nachdem, auf welche Sagenversion sich der Vers bezieht, ist Kriemhilds Rache für den Tod der Brüder an ihrem Mann Etzel oder ihre Rache an ihren Brüdern für den Mord an ihrem ersten Gatten Siegfried (v. 10) gemeint. 8 wilzzen, de Boor: „ein elbslavisches Volk. Von Wilzenkämpfen erzählte niederdeutsche Dichtung, die uns aus der Nacherzählung in der altnorwegischen Thidreksaga bekannt ist“; Curschmann/Glier: „d. h. v. a. Schweden“. 10 heimen ald heren witichen, Heime und Witege, Figuren aus dem Sagenbereich ‚Dietrichs Flucht‘ (s. o. unter 3) im Dienst Ermanerichs. hern eggen tot, zum Dietrichsagenkreis gehört auch das ‚Eckenlied‘ (s. J. Heinzle, 2VL 2,323–327), die Erzählung von des Riesen Ecke Kampf mit Dietrich. 15 ymlunge hort, alle modernen Herausgeber vermuten, daß hier das Nibelungenlied gemeint sei und setzen es meist auch, wie schon die Schreiber der Meisterlieder, direkt in den Text. C hat aber an beiden Stellen diese Namensform

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(s. die Anm. zu 3,2,11). Der Vers will wohl besagen, daß, kommt die Rede auf Themen aus dem Nibelungensagenkreis, mancher Zuhörer über den Schatz zu reden anfängt und überhaupt kein Vortrag mehr zustande kommt. 17 ort, s. die Anm. zu 3,3,4. 18 verschort, BMZ II,2,196a nach dieser Stelle erschlossenes swv. verschorn ‚verscharren‘. 20 gemeint ist wohl: das Zeug, das ihr wollt, nicht die Botschaften im Rang von königlichen Worten, die ich singen könnte. So auch Wehrli, Curschmann/Glier, Birkhan und Wachinger (85, S. 80), dessen Vorschlag, niht hinter sage ú zu rücken (von Haustein übernommen) auch nur diesen Sinn ergibt. Wachinger (06, S. 757 f.) registriert noch die Deutungen Lämmerts: „Was ich singe und sage, tue ich nicht einmal auf des Königs Geheiß“ und Obermaiers: „So aber trage ich euch [jetzt] vor, was euch [früher] ein König nicht durch mich [sondern durch Spielleute] dargeboten hatte [= vortragen ließ]“, die beide den Text erheblich überziehen. Das gilt wohl auch für Hausteins Deutung (S. 225): der „Appellcharakter der Strophe“ ziele „so auf die Freigebigkeit, aber vor allem auf die Bereitschaft der Hörer, sich auf das Vorgetragene zu konzentrieren. Erst auf Grund dieser Konzentration, der Bereitschaft, sich der Botschaft zu öffnen“ werde „diese sich dem Hörer mitteilen (v. 19) und ihn zu einer anderen als der auf Vermehrung des schatzes zielenden Lebenssicht führen.“ Über die Nachahmung der Strophe im ‚Renner‘ Hugos von Trimberg s. Anhang, S. 399. C Möchte ich den Leuten meine Lieder singen, so will der erste das hören, wie Dietrich von Bern Abschied nahm, der zweite, wo König Rother beheimatet war, der dritte will den Krieg der Reussen, der vierte die Tragödie von Eckehart, der fünfte, wen Kriemhild verraten hat, dem sechsten würde besser gefallen, was aus den Wilzen geworden ist, der siebte möchte etwas über Heime oder Herrn Witeges Kämpfe, Siegfrieds oder Herrn Eckes Tod, der achte will ausschließlich höfische Liebeslieder, der neunte langweilt sich bei alledem, der zehnte weiß überhaupt nicht, was er will, mal so, mal so, mal dahin, mal dorthin, mal hin, mal her, mal dort, mal hier. Und überdies hätte macher gern den Schatz der Imlunge. Der, dessen ganzes Denken sich um Geld dreht, schätzt mein Wort weniger als einen Heller. Und so geht mein Lied in viele Ohren, als ob einer mit Blei Marmor bohren würde. So singe ich denn und sage euch, was euch nicht der König durch mich sagen läßt. D Bodmer 1748, S. 228f.; Bodmer 1759, S. 176; HMS II, S. 251; W. Wackernagel2, Sp. 695 f.; Goedeke, S. 946; Bartsch 62, Nr. XCIV,1; Bartsch 64, S. 178; Strauch, S. 124 ff.; Pfaff, S. 177 f.; Pfaff/Salowsky, Sp. 1169 f.; Arens, S. 190; v.d.Leyen 41, S. 103 f.; v.d.Leyen 62 und 80, S. 581; Wehrli, S. 452 f. (mit Übers.); de Boor I, S. 670 f. (mit willkürlichen Veränderungen); Wentzlaff-Eggebert III, S. 80; Blank, S. 17 f.; Koch, S. 78 f.; Höver/Kiepe, S. 283 (mit Übers.); Curschmann/Glier II, S. 54–57 (mit Übers.); Jaegle, S. 68 (nur Nachdichtung); Müller/

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Weiss, S. 278–281 (mit Übers.); Haustein, S. 222; Tervooren 01, S. 45; Wachinger 06, S. 252 (mit Übers.); Birkhan, S. 183 f. (mit Übers.). E Holtzmann, S. 445 f.; Strauch, S. 34–36; 180 f.; Lämmert, S. 154; Blank, S. 19–22; Wachinger 76, S. 189; Heinzle, S. 72–75; Wachinger 85, S. 80 f.; Curschmann/Glier II, S. 781; Curschmann, S. 184–193; Obermaier, S. 175–177; Haustein, S. 31 f.; 222–226; 251; Wachinger 06, S. 755–758.

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7,15 Als des lewen welf geborn werdent, so sint si tot; vil grimmeklich so ist sin zorn, vil jæmerlich so ist sin not. vil lute er in ir ore schrit, des werdent wider lebendig sie. der helfant wasser hat erkorn, dis wunder got gebot, sin fruht wære anders gar verlorn. der strus mit sinen oˇgen rot drie tage an sinú eiger siht, des werdent us gebrutet die. der adlar lat sin kinder in die sunnen sehen, dú des niht tUnt – da mugt ir michel wunder spehen –, dú lat er vallen nider. der fenix, der verbrenne. t sich und wirt lebende nach dem vúre wider. von liebe erkrimmet oˇch der pellicanus, sinú kint, swenne er si vint tot – das .ist niht ein wint –, so tUt er rehte, als er si blint, er nimt sins herzen blUt und machet, daz si wider lebendig sint. mit der bezeichenunge sin wir von der helle erloset hie.

A C 354 va. F pag. 314–318 auf den unteren Rändern. 1–20 Sa des lewen geboren w’dent / sa sint tot / Vil bitt’lichen wirt sin zorn / vil grimmic ist not / luet er in oren schriet da uon w’det l die / D’ helfant wazcer hat erkorn / daz wnd’ got gebot / si vrucht wer anders gar u’lorn / d’ struz mit sine ouge rot / dri tage an div eig’ sehit da von w’dent brUtich si / d’ adelar let sine kint gege d’ sune sehen / die des nicht tv˚ nt da mect ir wd’ ¯ spehe / diu let er vallen nid’ / d’ fenix d’ u’brenet sich er wirt von d’ wr ab lebedich wid’ / ein vogel heizet pellican9 d’ grimet sine chint / so si tot sint / daz ist im ein vˇred / er tUt als ob er w’d blint / er nimt vz sine h’cen blv˚ t vnd gid in daz si lebtich si / bi dirre bichechenunge wrd wir von d’ helle erloset hie F. 17 ist v.d.H.] nicht in C.

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B In der Hs. haben die vv. 5, 10 und 18 Auftakt; v. 1 hat keinen, Strauch schreibt v. 1 Alsô und tilgt v. 5 vil; v.d.Hagen und Strauch vermeiden den einsilbigen Takt v. 11 sín kínder durch siniu. V. 14 wurde als zu lang empfunden, Strauch ersetzt wirt lebende durch lebet, v.d. Hagen tilgt nur das und; Bartsch hält dem für einen Schreiberzusatz, er schlägt und wirt nâch viure lebende wider vor. Das Wissen über die Erscheinungen dieser Welt war den Frommen des Mittelalters in erster Linie um seiner allegorischen Ausdeutbarkeit willen wichtig. Das Distichon (nach Ohly, S. 12) Littera gesta docet, quid credas allegoria, Moralis quid agas, quo tendas anagogia. bezeichnet die vierfache Erkenntnis, die allem abzugewinnen sie bemüht waren, in diesem Fall dem, was man für naturkundliches Wissen ansah. Die Quelle für die vor allem ab der Mitte des 13. Jh.s sehr verbreiteten Vorstellungen über die sechs behandelten Tiere ist letztlich der ‚Physiologus‘, „eine frühchristliche Naturlehre …, die Pflanzen, Steine und Tiere beschreibt und allegorisch auf das Heilsgeschehen hin deutet“ (W. Schröder, 2VL 7,621). 1–5 wie der Löwe seine Kinder, so erweckte der Vater den Sohn nach drei Tagen vom Tod, und so erweckte der Sohn die totverlorenen Menschenkinder, s. Schmidtke I, S. 331–347; Henkel, S. 164–167. 1 Als, als Einleitung eines temporal-konditionalen Satzes s. § 459,4 und 2DWb 2,551f. 5:10:20 sie : die : hie, von diesem Reim leitete Strauch die von ihm selbst nicht ohne Skepsis geübte Praxis ab, gegen die Hs., die fast ausnahmslos dú schreibt, alle Neutra des Demonstrativums im Pl. die zu schreiben, was schon Bartsch moniert. 5 schrit, nach der ursprünglichen Physiologus-Version haucht er ihnen das Leben ein. 6–8 die o. gen. Quelle berichtet, daß der Elefant aus Furcht vor der Nachstellung der Drachen seine Kinder im Wasser zur Welt bringt; so schützt auch Christus die Menschen vor dem Satan, s. Schmidtke I, S. 272–276; Henkel, S. 177–179. 9–10 strus, verweist auch auf die Erlösung des Menschen durch Christus; Marners Version erst ab dem End des 12. Jh.s zu belegen, nach älterer Tradition legt der Strauß seine Eier in den heißen Sand, und die Sonne brütet sie aus, sie stimmte mit den biblischen Angaben Ijob 39,13f. überein und diente dort der Illustration der unergründlichen Weisheit Gottes. So übernahm sie der Physiologus, s. Goldstaub, S. 163; Schmidtke I, 415–417; Henkel, S. 198–200. 11–13 adlar, verweist u.a. auf die Prüfung der Gerechten, s. Schmidtke I, S. 231–237. 11 kinder, diese Pluralform im 13. Jh. noch selten, s. § 180 Anm. 2. 14 fenix, verweist auf die Auferstehung Christi, s. Schmidtke I, S. 377–380; Henkel, S. 202f. 15–19 pellicanus, verweist wieder auf die Erlösung, s. Schmidtke I, S. 367–370; Henkel, S. 194–196. Pelikan, Löwe und Phönix gehören zu den beliebtesten Sujets allegorischer Christusdarstellungen des Mittelalters, s. LCI III, Sp. 112–119; 390ff; 430ff. 15 erkrimmet, Lexer gibt an ‚zerkratzen, zerhacken‘; das stimmt zu einer Physiologus-Tradition, nach der die heranwachsenden Jungen nach ihren Eltern hacken, die zurückhacken und sie töten. Voll Reue beleben sie sie wieder mit ihrem Herzblut. So verstand offenbar auch der Meißner

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(s.u.) diese Verse. Irritierend ist dabei das voraufgehende von liebe. Ich nehme deshalb eine nicht bei Lexer, aber 2DWb 8,1783f. belegte Bedeutung von erkrimmen ‚wüten, toben‘ an und siniu kint als dem Temporalsatz voraufgestelltes Objekt zu vint. Dann bekommt auch das oˇ ch seinen guten Sinn, es bezieht sich auf den aus dem gleichen Grund ergrimmten Löwen in v. 3f. 16 vint, mhd. vindet s. § 53d. 17 niht ein wint, zu dieser Verstärkung der Negation s. § 436. 20 „Dahinter steht die Überlegung: da eine solche partielle Präfiguration nachweisbar ist, darf man die im Glauben angenommene Wahrheit, daß Christus – der bezeichente dieser bezeichenunge – ein allumfassendes Erlösungswerk vollbracht hat, als prinzipiell, auch rational, bewiesen ansehen.“ (Stackmann 58, S. 110). Man nimmt allgemein an, daß sich auf diesen Spruch der Meißner mit einem Spruchlied im Ton XII bezieht, von dem 4 Strophen erhalten sind, auf die nach Schönbach der Marner mit Spruch 5,3 noch einmal reagiert haben soll (doch s. Anhang, S. 391): I Swer sanc, daz der struz se dri tage an sin eier, der sanc unrecht, her si ein Swabe oder ein Beier. her brudet sie vil anders uz, daz ist mir kunt. Swer sanc, daz der fenix vurbrinne sich in viure unde werde wider lebende, des sanc ist ungehiure. an valschem sange strafe ich lugeneres munt. Swer sanc, daz der pellicanus tode sine kint, her hat gelogen, her lese baz die bUch. Swer valsch singet, der mac wol wesen kunsten blint. spottent der ander meister, ich enrUch. Diser drien natiure wil ich uch bescheiden. mit waren sange wil ich u lugensanc leiden. ein meisterarzt mac siechen wol machen gesunt. II Wir lesen, daz der struz als ein ander tier ezze, unde daz kein tier si, daz sich so drate vurgezze. her rechet sine eier in dem ouste under den sant Unde vurgizzet ir da, die warheit ich uch lerne. Virilie die schinet dan, daz ist ein sterne, den set er an. zU phlege heiz ist ouch daz lant. Under dem sande werden gebrudet die eier sin. von der sunnen hitze daz geschiet. Von dem fenix tUn ich ouch die warheit schin. swen der wirt alt, nu merket, tumme diet, Der vurbrinnet sich unde wirt zU aschen, sagent die pfaffen, uz der aschen ein ander, daz hat got geschaffen. dieser zwier natiure sint mir wol bekant.

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III Der pellicanus unde der slange die zwe sich niden. der slange der ne mac sine ungunst nicht vermiden, her todet dem pellicane sine jungen gar. So des der pellicanus wirt innen, merket wunder, her walgert sich in dicken phUle oben unde under unde let den slim an im irdurren, daz ist war. Daz tUt er, e er zU dem slangen striten get, of daz er im geschaden müge nicht. So daz geschicht, den slim her schiere abe getwet. alsus gotes gebot an im geschicht. So vliuget her hin wider zU neste in vrohen mUte unde machet sine jungen lebende wider mit sinen blUte. des wil ich u bescheiden baz, des nement war. IV Der pellicanus der sol gotes sun bediuten, der slange den tiubel, der ist gram allen liuten. er sterbet uns, wir sint die kint, die er betrouch. Des mUste gotes sun die erde an sich klieben. sin tot lost uns von tode. her wolte uns nicht lieben dem lugenere, der die ersten luge louch. Des vacht sige an dem kruze der suze Jesu Krist unde gab uns wider vurlornez leben. Der in der toufe wirt getoufet, kristen der ist. we werde den juden, die da wider streben. Kristenen gelouben, rechte bigicht unde ware ruwe vurlie uns got unde immer werende vreude nuwe. we werde deme, der uns den boum zU schaden bouch. Nach Objartel reproduziert der Marner „landläufige Vorstellungen“, dennoch habe der Meißner „in allen Punkten die Fachliteratur auf seiner Seite“; das ist insofern eine verzerrte Darstellung, als die ‚Fachleute‘ lediglich unterschiedlichen Traditionen folgen, vgl. auch Grubmüller 78, S. 171: „spielt verschiedene Stränge der Physiologus-Tradition gegeneinander aus.“ Der Meißner setzt die bibelgestützte (Ijob 39,13–15) ältere Version des Straußenbrütens gegen die seit dem Ende des 12. Jh.s sich mächtig verbreitende modernere des Marner (s. Goldstaub, S. 165ff.). Was den Phönix angeht, so betont Reinitzer gegen Wachinger und Meier das Moderne des Meißnerschen Phönix-Bildes. Da es stets als allegorische Darstellung der Auferstehung Christi gedient hat, trägt seine Umgestaltung, wie sie der Meißner vorträgt, der im Anschluß an Thomas von Aquin sich wandelnden Auffassung Rechnung, wonach der Auferstehungsleib zwar aus der früheren Körpermaterie gebildet, diese aber der Seele (materia prima) anverwandelt wird. Die Tötung der jungen Pelikane durch den Vater selbst hat der Marner gar nicht be-

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hauptet. Die Tötung durch die Schlange dagegen wie auch die übrigen Angaben zum Schlangenkampf gehören nicht zum Pelikan, hier irrt der Meißner oder er oder seine Quelle mogelt, um die Christus-Allegorie zu vervollständigen. Marners „lugensanc“ kann, was auch der Meißner hat wissen müssen, durchaus als wohlverbürgt gelten; zum Meißner s. Gerhardt 74, S. 115–118, auch Wachinger 73, S. 153–157 und Haustein, S. 226–228. Christel Meier sieht in Meißners Einwänden eine Vorstufe rationaler Kritik, die überholte naturkundliche Informationen verbannen wollte: die ältere Version des Bebrütens der Straußeneier im heißen Sand, die Tötung der Pelikanjungen durch die Schlange, ein neuerstandener Phönix aus der Asche des alten seien plausiblere Erklärungen. Grubmüller (78, S. 172) sieht dagegen (wie Stackmann 58, S. 115 „in allem Grundsätzlichen doch in dem gleichen Lager“) „keinen Zweifel an der zugrundeliegenden Form der Naturerkenntnis.“ C Wenn die Jungen des Löwen geboren werden, sind sie tot; darüber ist er furchtbar zornig, jammervoll ist sein Elend. Fürchterlich brüllt er in ihre Ohren, davon werden sie wieder lebendig. Der Elefant hat sich das Wasser ausgewählt, diese Merkwürdigkeit hat Gott angeordnet, seine Jungen wären sonst verloren. Der Strauß sieht mit seinen roten Augen drei Tage lang seine Eier an, davon werden sie ausgebrütet. Der Adler läßt seine Jungen in die Sonne sehen, die das nicht aushalten – hier könnt ihr etwas höchst Merkwürdiges erfahren –, die läßt er fallen. Der Phönix verbrennt sich und wird nach dem Feuer wieder lebendig. Aus Liebe tobt auch der Pelikan; wenn er seine Kinder tot findet – das ist nichts Unwichtiges –, tut er, als ob er blind sei, nimmt sein Herzblut und macht sie wieder lebendig. Durch das, was dieses versinnbildlicht, sind wir von der Hölle erlöst. D Bodmer 1748, S. 229 f.; Bodmer 1759, S. 176; HMS II, S. 251 f.; Strauch, S. 126; Pfaff/Salowsky, Sp. 1170; Höver/Kiepe, S. 284 (mit Übers.); Schweikle 86, S. 79; Schmid, S. 178 (nach F); Haustein, S. 226 f.; Yao, S. 103. E Strauch, S. 3; 181 f.; Bartsch 77, S. 97; Goldstaub, vor allem S. 163–169; Stackmann 58, S. 109–115; Tervooren, S. 292–294; Teschner, S. 147–151; Wachinger 73, S. 153–157; Gerhardt 74, S. 115–118; Nowak, S. 210; Grubmüller 78, S. 160–177, besonders S. 171 f.; Meier, S. 146; Reinitzer, S. 23f; Objartel, S. 42–44; 292–294; Schmid, S. 178 f.; Haustein, S. 37–39; 226–228; Obermaier, S. 212 f.; Grubmüller 04, S. 53–74; Fasbender, S. 122; Yao, S. 103–108.

7,16 Ich sunge ein bispel oder ein spel, ein warheit oder ein luge, ich sunge oˇch wol, wie titerel die templeise bi dem grale zuge,

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wie suze ist syrenen don und ark des cocatrillen zorn, ich sunge oˇch draken fúrin kel und wie der grife fluge, wie sich des salamanders vel in heissem fúre strahte und smuge, und wie sich teilte zchimeren lib und wie dú vipper wirt geborn, ich sunge oˇch wol, wie siniu eiger bruten kan der strus, ich sunge oˇch wol, wie sich der fenix junget us, ich sunge oˇch, wie der lit, der manigen in der wunderburg verslunden hat dur sinen git –, ein wunder wont dem hove bi mit wunderlichen sitten: mit pfauen schritten und mit menschen tritten kan es lagen, losen, bitten. es hat mit siner zungen wafen manges herren mUt versnitten, dem kan ich gesingen niht, min rede ist an ime gar verlorn.

A C 354 va. B In der Hs. haben die vv. 5, 10 und 11 Auftakt, er fehlt v. 20; Strauch tilgt v. 10 das und. V. 4 ist zu lang, Strauch tilgt die, Bartsch hält dem für einen Schreiberzusatz. 1 sunge, dem Konjunktiv im Hauptsatz folgen die abhängigen Sätze teils im Indikativ, teils im Konjunktiv, s. § 474. Es folgt eine Themenliste, gemischt aus Literarischem, Gelehrtem, Sagenhaftem und Wunderbarem, alles wird aufgeboten, um den schmeichelnden Höfling monströser als dies alles erscheinen zu lassen. bispel/spel, lange synonym gebraucht, könnten hier Verschiedenes meinen, dem mehrheitlichen Gebrauch von bispel nach am ehesten etwas, das um seiner religiösen oder moralischen Lehre willen erzählt wird, und etwas ohne diese. De Boor (66, S. 10) meint, hier wäre bispel mit warheit, spel mit luge gleichgesetzt worden, das ist möglich aber nicht zwingend. 3 titerel, Titurel heißt der Gründer und erste König des phantastischen Gralsreiches, dessen Mittelpunkt der Tempel ist, in dem der vom Himmel gesandte heilige Gral (ein Stein? eine Schale?) aufbewahrt und von den Tempelrittern (templeise), einer halb höfischen, halb klösterlichen Gemeinschaft, gehütet wird. Das Gralsgeschlecht und seine Schicksale wurde von Wolfram von Eschenbach (s. J. Bumke, 2VL 10,1376–1418) in zwei Werken, ‚Parzival‘ und ‚Titurel‘ (nur Fragment) in die deutsche Literatur eingeführt und von einem Albrecht (s. D. Huschenbett, 2VL 1, 158–173) zwischen 1260 und 1272 im sog. ‚jüngeren Titurel‘ unter Verwendung der Wolframschen Fragmente und verschiedener weiterer Quellen in aller Breite nachgedichtet.

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Nach Hans Henning Rausch (Methoden und Bedeutung naturkundlicher Rezeption und Kompilation im ‚Jüngeren Titurel‘. Frankfurt a. M. usw. 1977 [Mikrokosmos 2]), S. 234–237 und Rüdiger Krüger (Studien zur Rezeption des sogenannten „Jüngeren Titurel“. Stuttgart 1986 [helfant studien 1]), S. 35–37 und 266 soll obiger Spruch Kenntnis dieses Werks belegen, da neben dem ‚Titurel‘-Hinweis auch einige der Tiere dort, davon mehrere zugleich, nämlich neben Nachtigall und galandrot auch Phönix, Pelikan, Sirene, Löwe und Strauß in der Klage der Sigune (J. Titurel 5204–5213) in ähnlicher Funktion verwendet werden, worauf schon v.d.Hagen (IV, S. 529) und Strauch (S. 38) hingewiesen haben. Ein Beweis der Abhängigkeit ist das nicht. Für den Hinweis auf die Gralsgeschichte gibt es ältere Quellen. Wer wie die trauernde Sigune im ‚Titurel‘ nach Beispielen für die Wiederbelebung Verstorbener sucht, muß zwangsläufig auf die gleichen Tiere verfallen wie der Marner, der literarisch bekannte Bizarrerien aufzählt. Die übrigen Tiere tauchen an weit entfernten Stellen auf, Krokodil (v. 5) und Drache (v. 6) nur als Schildzeichen, die Chimäre (v. 10), „in der lat.-enzyklopädischen Literatur mehrfach behandelt“ (Haustein, S. 229 Anm. 203), wird nur mit einer im ‚Titurel‘ namenlosen bestia de funde identifiziert, zumindest der Name stammt also aus einer anderen gelehrten Quelle, und auch über die viper weiß der Marner mehr, als er aus der bloßen Namensnennung im ‚Jüngeren Titurel‘ erfahren konnte. Als Parallelen zum Phönix werden in Krügers Tabelle (S. 266) Ähnliches bei einem galadrot und/oder gamalion genannten Vogel angegeben, die aber ein Brutverhalten zeigen, das mit dem Phönix nichts zu tun hat, der sich ja selbst verjüngt, die negativ konnotierten Pfauentritte beim Marner können nicht als Parallelen zu der zu Vergleichen herangezogenen Pracht der Pfauenfedern gelten, und für das Ungeheuer aus v. 13 f. gibt es überhaupt keine Parallele, es stammt also ebenfalls aus einer anderen Quelle. Haustein formuliert richtig, daß wir die Kenntnis des Romans, der nach allem, was wir wissen, allenfalls in des Marners letzten Lebensjahren verfaßt wurde, „nicht ausschließen können“. Eine auch nur einigermaßen tragfähige Stütze für die Annahme einer Abhängigkeit aber gibt es nicht, also auch für beide Werke keine Hilfe für ihre Datierung. 5 syrenen don, die Sirenen sind sagenhafte Jungfrauen, halb Vogel, halb Mensch, die durch ihren wunderbaren Gesang vorüberfahrende Seeleute so betörten, daß sie ihre Schiffe zerschellen ließen, dem Mittelalter vor allem durch den ‚Physiologus‘ (s. 7,15) bekannt; Belege bei Henkel, S. 173–175. cocatrillen, lat. crocodilus, im ‚Physiologus‘ Name eines gefährlichen echsenartigen Ungeheuers, das man sich im Meer beheimatet dachte. 6–7 feuerspeiende Drachen und der Vogel Greif, eine riesige Flugechse, die Menschen entführte, gehören zum Arsenal sagenhafter Figuren vieler heldischer wie höfischer Erzählungen. 6 kel, im Sg. stark flektiert. 8 salamanders, s. die Anm. zu 6,11,16. 10 zchimeren, die Chimaera der griechischen Sage, ein in Lykien angesiedeltes feuerspeiendes Monstrum mit Löwenkopf, Ziegenleib und Drachenschwanz, das von Bellerophon mit Hilfe des Pegasus aus der Luft besiegt wurde. dú vipper, die Viper empfängt durch den

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Mund; die Jungen töten die Mutter, weil sie sich aus deren Leib herausbeißen, s. Henkel, S. 181–185. 11 strus, s. die Anm. zu 7,15,9–10. 12 fenix, s. die Anm. zu 7,15,14. 13–14 wunderburg, die unheimliche Burg, in der ein menschenfressendes Wesen haust, kann viele Behausungen aus heldischen und abenteuerlichen Erzählungen meinen, Birkhan vermutet das Labyrinth des sagenhaften Königs Minos von Kreta, in dem der menschenfressende Minotaurus (halb Mensch, halb Stier) eingeschlossen war. 15–19 Strauch (S. 36 f.) sieht hier ein Rätsel eingeschlossen, dessen Auflösung ‚Lüge‘ sei (so schon v.d.Hagen IV, S. 530); alle Bestimmungen treffen aber auf den Schmeichler zu (vgl. 3,3,18 leker ). Kästner erklärt die Verse durchaus plausibel als Angriff auf die Mendikanten (vgl. *L11), die an vielen Höfen schon um die Mitte des 13. Jahrhunderts an Einfluß gewonnen hatten und, vor allem in Deutschland, vielfach erklärte Gegner all derer waren, die ihren Unterhalt mit Unterhaltungskünsten gleich welcher Art verdienten, vgl. dazu Hartung, S. 124–130. 16 pfauen, der schleichende Gang des Pfauen wird vielfach als Metapher für eine Gangart, die Unterwürfigkeit ausdrücken soll, benutzt, z. B. schon Walther 9,IV,4 (Lit. zu dieser Stelle bei Wilmanns 19,31; vgl. auch Meißner XX,2,16). 20 dem, Obermaier bezieht dem auf den Herren, dessen mUt versnitten ist. Das ist zwar plausibler als der übliche Bezug auf das Monstrum (so z. B. Haustein, S. 231; Birkhan, S. 185). Dennoch zögere ich zuzustimmen. Fünf Verse lang ist das Monstrum Subjekt aller Aussagen, ein einfaches Relativpronomen ohne weitere Bestimmung nimmt normalerweise dieses Subjekt auf. Den Bezug auf ein Subst. im Gen., das lediglich ein Objekt der Tätigkeiten des Subjekts näher bestimmt, mag man einem sonst so klare syntaktische Strukturen bevorzugenden Dichter nicht unterstellen. Als Parodie dieses Marner-Spruches wird RSM 4, S. 291 die Strophe Ml 5,III (= Ml 10,III und 16,V) angegeben. C Ich könnte eine Beispielerzählung oder eine Schnurre, eine wahre Begebenheit oder etwas Erfundenes singen, ebenso gut könnte ich singen, wie Titurel die Tempelritter im Gralsreich ausbildete, wie süß der Gesang der Sirenen ist und wie furchtbar der Zorn des Krokodils, ich könnte vom feurigen Drachenschlund singen und vom Greifenflug, wie sich die Haut des Salamanders im heißen Feuer streckte und zusammenzog, wie der Leib der Chimäre aufgeteilt ist und wie die Viper geboren wird, ebenso gut könnte ich singen, wie der Strauß seine Eier ausbrütet, ebenso gut könnte ich singen, wie sich der Phönix verjüngt, ich könnte auch singen, wie der daliegt, der in der Burg der Abenteuer viele aus Gier verschlungen hat –, eine Monstrosität aber hält sich am Hofe auf mit absonderlichem Gebaren: Mit dem Gang des Pfauen und dem Kratzfuß des Menschen kann sie verläumden, schmeicheln, betteln. Sie hat mit der Waffe ihrer Zunge die Gesinnung vieler Herren verdorben. Für die weiß ich nicht zu singen, an sie das Wort zu richten ist verlorne Mühe.

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D Bodmer 1748, S. 230 f.; Bodmer 1759, S. 176 f.; HMS II, S. 252; Goedeke, S. 946; Bartsch 62, Nr. XCIV,3; Bartsch 64, S. 178 f.; Strauch, S. 126 f.; Pfaff/ Salowsky, Sp. 1171; de Boor I, S. 671; Blank, S. 18; Haustein, S. 228 f.; Birkhan, S. 185 (mit Übers.). E Strauch, S. 30 f.; 34; 36–38; 182; Bartsch 77, S. 97; Loewenthal, S. 103 f.; de Boor 66, S. 10; Lämmert, S. 155 f.; Blank, S. 17–22; Tomasek, S. 275; Obermaier, S. 177 f.; Haustein, S. 225 f.; 228–231; Kästner, S. 235 f.; M. Kern, S. 145 und Anm. 883.

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7,17 Ml 9,I Wer kan den lúten lúge erwern? lug ist ein alter hort. mit luge mUs sich vil maniger nern. lug hat gestiftet mangen mort. lug hat einen argen vatter, lug hat tumber kinde vil. lug lat sich als ein weich wahs bern. lug hat vil susse wort. mit luge kan maniger eide swern. lug hat vil manig spitzig ort. lug ist ein vil snelles úbel. lug ist der bosen geiste spil. lug ist in dem wasser, lug ist komen uber mer. lug hat gegen der warheit ein vil breites her. lug kumt an babe. stes túr. lug wont oˇch schonen frowen bi. man treit oˇch lúge den fúrsten vúr. lug ist in dorfern und in búrgen, lug ist in der stat. lug hat den pfat, den der tievel trat, do er adamen essen bat den apfel. lug git mangem schach. lug spilt uf maniges toren mat. lug hat samen und ein krut, des wurze niht erdorren wil.

A C 354 va-b. k 456 vb–457 ra = Ml 9,I. 20 samen (v.d.H.)] sam ¯ C. B In der Hs. hat v. 18 Auftakt, v. 20 nicht, wohl auch 12 nicht (oder gegén?). 2–20 die anaphorische Reihung des Zentralbegriffs ist ein Stilmittel, das speziell in Tugend- und Lasterlehren vielfach gewählt wird, vgl. die Belege bei Strauch, S. 182. 3 s. die Anm. zu 7,12,14. 5 argen vatter, gemeint ist der Teufel; durch ihn kam bei der Verführung der ersten Menschen im Paradies die Lüge in die Welt. 6 weich, zum unfl. Adjektiv s. § 391 . 9 manig spitzig, zu den unfl.

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Formen § 392 Anm. 1. 10 bosen geiste, auch das Höllenpersonal bestand aus einer (hierarchisch gegliederten) Vielzahl, vgl. Mt. 8,16; Mk.1,26 f.; Lk. 6,18 u. ö.; s. die Anm. zu 4,1,9. 11 in dem wasser, ist das Trügerische des Wasserspiegels über Monstren der Tiefe gemeint, oder das verzerrte Spiegelbild? uber mer, die Irrlehren des Orients? 15 dorfern, junge Pluralform (vielleicht nur des Schreibers?), neben der die alte Form dorfe noch lange fortbestand (§ 180). 17–19 s. die Anm. zu 1,2,9–13. 19 schach/mat, s. die Anm. zu 6,7,16. Im wohl aus dem Orient an das mittelalterl. Deutschland gekommenen Schachspiel heißt schach bieten: den gegnerischen König aufs Äußerste gefährden, und mat: der König kann sich nicht mehr retten, die Partie ist verloren. C Wer kann die Leute daran hindern zu lügen? Lüge ist ein uraltes Arsenal. Mancher muß sich mit Lüge durchbringen. Lüge hat manchen Mord angestiftet. Lüge hat einen bösen Vater, Lüge hat viele arge Nachkommen. Lüge läßt sich kneten wie das weiche Wachs. Lüge verfügt über süße Worte. Mit Lüge schwört mancher Eide. Lüge hat viele stechende Spitzen. Lüge ist ein schnell präsentes Übel. Lüge ist der Tummelplatz übler Geister. Lüge ist im Wasser, Lüge ist übers Meer gekommen. Lüge führt ein starkes Heer gegen die Wahrheit ins Feld. Lüge reicht bis an die Tür des Papstes. Lüge wohnt bei schönen Frauen. Lüge trägt man auch den Fürsten vor. Lüge ist in Dörfern und in Burgen, Lüge ist in der Stadt. Lüge hält den Pfad ein, den der Teufel gebahnt hat, als er Adam den Apfel zu essen bat. Lüge bietet vielen Schach. Lüge spielt, um die Toren matt zu setzen. Lüge hat Samen und ein Kraut, dessen Wurzeln nicht verdorren werden. D Bodmer 1759, S. 177; HMS II, S. 252; Bartsch 62, Nr. XCVIII,1; Strauch, S. 127 f.; Pfaff/Salowsky, Sp. 1171 f.; de Boor I, S. 868; Höver/Kiepe, S. 284 f. (mit Übers.); Haustein, S. 231. E Strauch, S. 34; 182 f.; Haustein, S. 231–233.

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7,18 Do minne menschen mUt besas, ir wunder wolde toben an mannen und an wiben, daz vil manger wil unwislich loben. minne sol sin under zwein mit stæter liebe wol behUt. entwirfet si iht fúrebaz, ir wirde wirt zerkloben und teilet sich in eren has. ein lob kan nieman uberoben: minne ist wibes stætekeit, gegen frúndes herzen wiblich mUt.

Ml 1,I

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ein ieglich wúrze verwet nach dem saffe ir blUmen blUt, als oˇch dú werde minne ir frúndes bilde tUt. der minne varwe ist glanz, swa sich dú zeiget ane meil, da wirt dú werde minne ganz. minne liebet unde leidet under wilent leit. dú minne treit mit gedultekeit lieb in sender arebeit. si sent sich nah dem, daz si hat in frúndes herzen grunt geleit. minne ist ein er und ist ein si, zwei lieb an úbel, ein zwivalt gUt.

A C 354 vb. H 58 r = Ml 1,I. 1 menschen (H )] manigen C. 14 dú werde (H )] ir wirde C. B In der Hs. hat v. 11 Auftakt, v. 15 keinen; Strauch tilgt v. 11 ein. 1–4 Die Verse könnten sich gegen die Liebesdichtung richten, deren Verfasser häufig vorgeben, vor Liebe tödlich erkrankt oder gänzlich von Sinnen zu sein (z. B. Heinrich v. Veldeke XVI,1,5; Heinrich v. Morungen XVI,1,5; XXVII,1,5), vor allem aber die unerwiderte Liebe des Mannes thematisieren. 3 an mannen und an wiben könnte auch als apo koinu stehend aufgefaßt werden. 4 Dazu schon ein Beleg aus dem Minnesang selbst: Reinmar XII 2,6 ff. ich sihe wol, swer nû vert wüetende, als er tobe, / daz den diu wîp sô minnent ê / danne einen man, der des niht kan. 5–8 Egidi sieht hier einen Bezug auf das „Heimlichkeitsgebot“ (die tougen minne) gegeben. Der Kontext spricht eher für den Bezug auf eine dritte Person. 5 behUt, s. Einl. S. 89. 6, 10, 15 v.d.Hagen und Strauch übernehmen aus H sich statt iht, v. 10 daz ist statt minne, v. 15 übernehmen sie den sehr viel eleganteren, inhaltlich aber anders akzentuierenden Chiasmus minne leidet underwîlen liep und liebet leit; alle Eingriffe sind unnötig. 8 teilet, zu der Wendung sich teilen in geben die Wbb. keine Belege; am ehesten ist wohl an ‚zuteilen‘ zu denken. 20 ein er und ist ein si, Huber (S. 101) meint, der Marner behaupte hier „Doppelgeschlechtlichkeit“ der Minne, ebenso Hübner, S. 362 Anm. 198, der in diesem Vers einen Reflex der Diskussion um das Geschlecht der minne sieht. Das ist möglich; Überlegungen dazu waren im Schwange, Hübner beginnt seine Belegreihe mit Walther 54 XVI,1 Diu minne ist weder man noch wip. Ich meine jedoch, daß der Marner aus dieser Reihe zu streichen ist. Der Kontext macht es wahrscheinlicher, daß der Vers auf die Paarung under zwein (v. 5), also eines Er und einer Sie zu beziehen ist. lieb, mhd. liep stn. könnte hier auch als Geliebte, Liebende aufgefaßt werden. C Als die Liebe in vielen Köpfen herrschte, wollten ihre Bizarrerien bei Männern und Frauen überborden, unklugerweise möchte das mancher gutheißen. Liebe

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soll zwischen zweien mit beständiger Zuneigung behütet sein. Will sie darüber hinaus sich ausbreiten, wird ihre Würde zerstört und sie macht sich [?] zum Abscheu der Ehre. Ein Lob kann niemand überbieten: Liebe ist Treue der Frau, dem Herzen des Geliebten in Frauenweise zugeneigt sein. Jede Wurzel färbt die Blüte ihrer Blume nach ihrem Saft ein. So macht es auch die wahre Liebe mit der Vorstellung vom Geliebten. Die Farbe der Liebe ist leuchtend hell, wo die sich fleckenlos zeigt, da ist die edle Liebe verwirklicht. Die Liebe freut sich und zuweilen trauert sie auch. Die Liebe erträgt mit Geduld das Glück im Sehnsuchtsschmerz. Sie sehnt sich nach dem, was sie tief im Herzen des Geliebten verankert hat. Liebe ist ein Er und eine Sie, zweimal Glück ohne Arg, ein zweifaches Gut. D Bodmer 1759, S. 177; HMS II, S. 252f.; WKL II Nr. 181,1; Strauch, S. 128 f.; Pfaff/Salowsky, Sp. 1172; Kochendörfer, S. 117 f. (nach H); Höver/Kiepe, S. 285 f. (mit Übers.); Haustein, S. 233. E Strauch, S. 39; 76 f.; 183; Blank, S. 44 f.; Huber, S. 80–105; Wachinger 76, S. 193–197; Haustein, S. 142 Anm. 34; 233–235; Egidi 02, S. 101 f.

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7,19 fundamentum artium ponit grammatica. ad methodi principium dat viam dialetica. duplici colore decorat sermonem rethorica. numeros distinguere scit arismetica. melos et thonos canere dulcis nos docet musica. geometer circinat. astra scit astrologia. Theologia viam salutis predicat, sed naturalis causas rerum indicat. medetur medicus. phisim rerum mobilium transcendit methaphysicus. spiritus malignos arcet nigromantia. alchimia facit subtilia, metalla mutat omnia. leges inflant praecordia, jura non cassant vitia. sed hiis resuscitatis scripta scrutamur canonica.

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A C 354 vb.Nachtrag von jüngerer Hand. Au 237 r, Überschrift Alter ea< dem > melodia. Ste 16 r, Überschrift Marnari. 3 principium Au] principia CSte. 5 colore AuSte.] nicht in C. 7 arismetica] arithmetica Au. 8 canere] promere Au. 9 dulcis nos] dulces nos Au. nos dulcis Ste. 10 astra AuSte.] artem C. astrologia] ars astrologica Au. 17 facit] docet Au. 18 mutat] mutans Au. 19 non cassant] cassant C. non cessat Au. non cassat Ste. 20 simonie studia plus placent philosophia Au. simonie studia plus florent quam canonica Ste. sed hiis] sed ut hiis C. B Alternierend gelesen haben v. 17 und 18 Auftakt, v. 1 und 15 keinen; v. 20 ist um einen Takt zu lang. Strauch tilgt das sed ut. Das Reimschema der Stollen ist abweichend von den übrigen Strophen im Langen Ton in C und Ste abbbb|cbcbb, in Au ababb|cbcbb (schon Strauch schrieb deshalb ohne die Augsburger Version zu kennen gegen die beiden ihm bekannten Hss. v. 3 principium). Zur Frage der Zugehörigkeit zum Marner-Corpus s. Einl. S. 22 f. 1–10 Die Ausbildung in den sieben ‚freien‘ Künsten, den scientiae rationales, wie sie das Mittelalter aus der Antike übernahm, bildete die Grundlage jedes Studiums an den Hohen Schulen der Zeit (Artistenfakultäten); s. dazu: Artes liberales. Von der antiken Bildung zur Wissenschaft des Mittelalters, hg. v. J. Koch, Leiden/Köln 1959. 1 artium, artes meinen nicht Künste im heutigen Sinn, sondern erlernbare Wissensgebiete, s. dazu Curtius, S. 46 ff. 4 dialetica, dies die gebräuchliche Schreibung der Zeit. 5 duplici colore, lat. color ‚Farbe‘ meint den Schmuck der Rede, das duplex wohl verschiedene Arten des ornatus, etwa einen ornatus facilis und einen ornatus difficilis oder gravis, den ‚einfachen‘ und den ‚komplizierten‘, schweren Schmuck, für den je nach Redeanlaß und Gegenstand unterschiedliche rhetorische Mittel eingesetzt werden (s. dazu Josef Martin: Antike Rhetorik. München 1974, darin besonders Abschnitt 3,3: Die Stilarten, S. 329–345. 10 astrologia, vgl. die Anm. zu 1,3,8. 11 Die Theologie war allen artes übergeordnet, ihr mußten sie ‚dienen‘, d. h. ihre Lehren bildeten für alle übrigen die Grenzen des Forschens. 12 naturalis, die philosophia naturalis, auch physica genannt, erklärt – innerhalb der zu v. 11 genannten Grenzen – das Geschehen dieser Welt nach Ursache und Wirkung. 13–14 medicus und methaphysicus (Philosoph) waren Vertreter universitärer Disziplinen. 15–18 Nigromantik und Alchimie gehören zu den kirchlicherseits offiziell verbotenen Künsten, die gleichwohl hohes Ansehen genossen und in vielen Kreisen den Wissenschaften durchaus gleichgestellt waren. 19–20 leges und jura, beide Termini werden vielfach synonym gebraucht; wo man sie unterscheidet, können sie das Recht allgemein und die einzelnen Rechtsvorschriften oder Recht allgemein und die verschiedenen Landrechte, römisches Recht und die verschiedenen ‚alten‘ Landrechte oder kirchliches und weltliches Recht allgemein bezeichnen; römisches Recht gehörte zu den universitären Disziplinen. inflant, was der Apostel Paulus (1. Kor. 8,1) von der Wissenschaft allgemein sagt, wird hier der Juristerei zugeschrieben, sie macht eitel und aufgeblasen. Damit ist die bis dahin neutrale Be-

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schreibung der Gegenstandsbereiche der einzelnen Wissenschaften aufgegeben. Die Hss. Ste und Au überliefern v. 20 mit einer zeitkritischen Pointe: Das Studium der Simonie (des Ämterschachers) blüht mehr als das des Kirchenrechts (Ste.), mehr als das der Wissenschaft allgemein (Au.). C Das Fundament für alle Wissenschaften legt die Grammatik. Zu dem Beginn wissenschaftlichen Vorgehens bahnt die Dialektik den Weg. Mit zweierlei Farben schmückt die Rhetorik die Rede. Die Arithmetik weiß die Zahlwerte zu unterscheiden. Melodien und Lieder zu singen lehrt uns die süße Musik. Der Geometer hantiert mit dem Zirkel, über die Sterne weiß die Astrologie Bescheid. Die Theologie lehrt den Weg zum Heil, aber die Physik belehrt über die Ursachen der Dinge. Der Arzt macht gesund. Der Metaphysiker gelangt zu höherer Erkenntnis über das Wesen der beweglichen Dinge. Die Nigromantie bezwingt die bösen Geister. Die Alchimie schafft etwas Besonderes [?], sie verwandelt alle Metalle. Das Recht bläht die Gemüter auf. Die Gesetze vertilgen die Laster nicht. Aber um jene zu erneuern [?], durchforschen wir das Schrifttum des Kirchenrechts. D Bodmer 1759, S. 177; HMS II, S. 257 f.; Strauch, S. 129; Pfaff/Salowsky, Sp. 1172 f.; Bischoff, Anhang, S. 190 nach C und Ste; Wentzlaff-Eggebert III, S. 89; Löhr, S. 75 (nur Übers.); Wachinger 06, S. 252–255 nach Au. (mit Übers.). E Strauch, S. 40; 183 f.; Löhr, S. 75–93; Kibelka, S. 20; 31; Haustein, S. 117–123; Wachinger 06, S. 758–760.

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*7,20 Ml 6,I Wer vor der helle wolle genesen, dem rat ich, daz er sich ker an die ding, die mugen wesen in gotes namen ewiklich, und tU er, als er im gebot in núwer und in alter e: An einen got, als priester lesen, gelaub er sicherlich, So mag er wol in sælden wesen. bi ime swer er niht uppikliche. , die heiligen zit in eren habe, ere vater und mUte. r und merke auch me: Du tote auch mit worten noch mit werken wib noch man, du nim dich stelns noch falsche. s gezuges nimmer an. mit kusche halte. dinen lib. du ahte auch niht uf fremdez gUt, nim keinem man sin elich wib. die dink, die sin vor got verlorn und ewige tot an ende gar.

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nu nemet war: die helle ist eren bar, und stellet zU der engel schar. Nit, unkusche. , hochfart, gitikeit, zorn, frazheit, trakeit von dir var. der die kan halten unde lan, dem wirt dort wol und nimmer we.

A E 210 vb–211ra, Überschrift von den zehen geboten vn¯ von de sibe tot sunde d’ marner. k 449 vb und 451ra-vb = Ml 6,I. 4 ewiklich] ewiklichen E. 5 und (v.d.H.)] vns E. 7 sicherlich] sicherlichen E. B Nach RSM 4, 1Marn/7/20a, S. 296 Form 1, Variante, nur v. 11 habe keinen Auftakt; das gilt aber nur, wenn man den Hiat tote auch nicht gelten läßt, der in den Corpus-Texten nicht gemieden worden ist (vgl. 4,2,2 u. ö.). In der Handschrift haben die vv. 10 und 15 einen Takt zu viel, v.d.Hagen und Strauch tilgen v. 10 das letzte und, v. 15 ewige; Strauch glättet darüber hinaus noch v. 12 durch falsch, v. 13 durch den statt dinen. Für Bartsch (62, S. 674) war es „sehr zweifelhaft, ob diese strophe echt ist“; Strauch hielt sie für unecht. Seine Argumente (Endung der 3. Pers. PL. Präs. -en im Reim und wesen : wesen im vierfachen Reim) hat schon Haustein als nicht tragfähig nachgewiesen. Haustein selbst hält Zugehörigkeit zum Corpus für möglich. Das RSM versieht die Verfasserangabe mit einem Fragezeichen, gibt 4, 1Marn/7/503a (Überlieferung in k) jedoch den Marner als Verfasser an. Der Spruch versifiziert zwei lateinische Merksprüche, die ihm in E unter der Überschrift de praemissis (über das Voraufgehende) unmittelbar folgen. Der erste, überschrieben (Abkürzungen aufgelöst) decem praecepta enthält die zehn Gebote, wobei ebenfalls töten und stehlen an fünfter und sechster Stelle stehen: non sis occisor, fur, mechus (vgl. Ex. 20,2–17; Dtn. 5,6–21, wo an 6. Stelle das schon früh zum allgemeinen Keuschheitsgebot erweiterte Verbot des Ehebruchs steht); der zweite, überschrieben septem criminalia peccata lautet Ut tibi sit vita (darüber sempiterna) semper saligia vita (vgl. Walther V, Nr. 32602 und 32641). saligia war das am häufigsten gebrauchte Merkwort für die sieben Totsünden, gebildet aus den Anfangsbuchstaben von superbia, avaritia, luxuria, invidia, gula, ira, acedia, die in E auch in einer Randglosse und unten auf der Seite in einem weiteren Merkspruch mit anderer Reihenfolge notiert wurden. Der Sangspruch mitsamt seinen lateinischen Quellen muß dem Sammler bekannt gewesen sein, der den Eintrag zum Anlaß nahm, eine ganze Reihe solcher Sprüche zusammenzustellen (In ähnlich praktischen Abkürzungen folgen in der Hs. noch die Merkreihen sex (!) opera misericordie, septem sacramenta usw.). Vorausgesetzt, es handelt sich um einen Spruch des Marner, müßte der Sammler von E entweder eine Vorlage gehabt haben, die die deutsche Version und die lateinischen Vorlagen zusammen überlieferte, oder er hat den Zusammenhang von Sangspruch und Merksprüchen

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selbst herausgefunden; beides ist unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher ist, daß ein Zeitgenosse des Sammlers in Kontakt mit diesem die Versifizierung in Marners Ton vorgenommen hat. Zusammen mit dieser Vermutung gewinnt an Gewicht, dass weder ê noch priester im Corpus belegt sind und v. 2 eine Beraterpose einnimmt, die das Corpus nicht kennt (s. Einl. S. 36). 5 alter e, s. o.; der Dekalog galt und gilt auch für das neue Testament, s. Mt. 5,17. 15 tot, wurde vom Schreiber wohl als Substantiv verstanden, dem er das einschubverdächtige ewige als Adjektiv beigab. C Wer sich vor der Hölle bewahren will, dem rate ich, daß er sich auf die Dinge verlege, die in Gottes ewigem Namen geschehen können, und so handle, wie dieser ihm im Alten und Neuen Testament geboten hat. Er glaube fest an den einen Gott, wie die Priester verkünden, so kann er in Heilsgewißheit wandeln. Bei ihm schwöre er nicht leichtsinnig, respektiere die heiligen Zeiten, ehre Vater und Mutter und beachte auch das folgende: Töte weder mit Worten noch mit Werken weder Frau noch Mann. Untersteh dich nicht zu stehlen oder falsches Zeugnis abzulegen. Sei keusch, sieh nicht nach fremdem Gut, spann keinem Mann die Ehefrau aus. All dies ist vor Gott verdammt und bedeutet ewigen Tod ohne Ende. Merkt euch, die Hölle ist ehrlos, strebt in die Schar der Engel. Neid, Wollust, Hoffart, Habgier, Zorn, Völlerei, Trägheit sei fern von dir. Wer jene halten und diese lassen kann, dem wird dort Freude und niemals Leid zuteil. D HMS II, S. 257; Bartsch 62, Nr. XCV,1; WKL II, Nr. 185; Strauch, S. 159; de Boor I, S. 564 (nach k und E hergestellt). E Strauch, S. 77; Zöckler, S. 148–180; Haustein, S. 93–96.

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*7,21 Die sine tage sint ungezalt. der was unde ist unde. wirt, sprich ich in junc, nenne. ich in alt –, Der beider zit in nit verbirt. hohe, tief, breit, di lenge misset er in siner hant. in erbet reht, er hat gewalt, der ganze warheit birt. sin tugende, die sint manec valt. er ist uns gast, er ist uns wirt. der geloube zeiget da gedingede, warer minne bant. also vlihtet sich ein trivalt stric der kristen e, der zuhet hin, da werndiu froude ist immer me, da leide ein ende nimt,

Ml 12,II

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alse ez dem hemel kaiser unde siner muter wol gezimet, den vier undz wainzec alten herren und der engel schar. nu helfe uns dar, den diu maget gebar sunder der nature bar, do wurden wir sin kund also, ob ich in hulden sprechen tar, dar zU nenne wir in ← vater unser → da bi si gemant.

A I [121r ]. k 487 vb = Ml 12,II. 3 in] nicht in I. 6 erbet] über dem r ein kräftiger Punkt I. 8 manec valt] manec walt I. 11 also] alo I. 12 hin] hiut, hiur oder hint I. 15 undzwainzec] vns waizec nachträglich verbunden I. B Strauch meidet einsilbigen Takt tíef bréit v. 5 durch tiefe. Nach RSM 4, 1Marn/7/21a, S. 292 Einzelstrophe in Form 1, nur v. 20 ohne Auftakt, von unbekanntem Verfasser. Dem möchte man zustimmen. Daß die 24 Alten nur hier erwähnt werden, so oft auch sonst vom Himmel und seinen Engelchören die Rede ist (s. Einl. S. 33), mag nicht sonderlich ins Gewicht fallen, wohl aber die Phrase v. 19. Sie ist ein Indiz für ein anderes Verhältnis zum eigenen Sprechen und zum Publikum; weder die Phrase selbst noch das Verb türren hat im Corpus eine Parallele, huld wird überdies nur in Verbindung mit Gott gebraucht, steht also für Gnade, Barmherzigkeit (5,2,20; 6,14,16). Die Form wirt (mhd. wirdet, v. 2) erscheint 17mal im Corpus, wird auch einsilbig gemessen, steht aber nie im Reim (auch einen Reim -ir : -ir gibt es nur L5,3 und 3,2), dazu dreimal ein rührender Reim in einer Strophe bei ganzen 7 im Corpus. 5 s. die Anm. zu 1,2,7 f. 6 in erbet recht, mhd. erben in der seltenen Verbindung eines Dinges, hier einer Sache als Subjekt mit Akk. der Person, also: das Recht setzt ihn als Erben ein, kommt an ihn als den Erben. Hans Blosen machte mich auf die gleiche Fügung bei Frauenlob V,47,4 aufmerksam, die in der Handschrift C lautet: das kleit vil mangen erbet (die Herausgeber ändern zu manigem). 9 gast, insofern er nur kurze Zeit als Mensch unter Menschen weilte, wirt, insofern er Herr über alles ist. 10 Glaube, Hoffnung, Liebe werden die drei göttlichen Tugenden genannt, vgl. 1. Kor. 13,13. 14 vgl. 4,1,6. 15–18 Reime a : â auch im Corpus, s. Einl. S. 86. 15 vier undzwainzec, die namenlosen 24 Alten, die Offb. 4,4 um den Thron versammelt sind, entsprechen vielleicht den 24 Priesterklassen von 1. Chr. 24,1–19; sie werden heute allgemein als Vertreter der Menschheit verstanden. Zu den Engeln s. die Anm. zu 4,1,9–11. 17–18 s. die Anm. zu 5,2,3. 19 in hulden sprechen, Höflichkeitsfloskel ‚mit Erlaubnis sprechen‘, hier vielleicht noch nicht formelhaft gebraucht und auf Gottes Huld zu beziehen, etwa: auf seine Gnade hin wage ich zu sagen … 20 nenne wir, zum Verlust der Endung s. § 240 Anm. 2.

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C Seine Tage sind zahllos, er, der war und ist und sein wird. Nenne ich ihn jung, nenne ich ihn alt –, beide Zeitangaben treffen auf ihn nicht zu. Die Höhe, Tiefe, Breite, Länge umfaßt er in seiner Hand. Das Recht hat ihn zum Erben. Er hat die Macht, der allein die ganze Wahrheit enthält. Seine Eigenschaften sind vielfältig. Er ist für uns Gast, er ist für uns Herr [des Hauses Erde]. Der Glaube verweist auf die Hoffnung, das Band wahrer Liebe. So flicht sich ein dreifaches Seil des christlichen Glaubens, das dorthin zieht, wo immer und ewig währende Freude ist und alles Leid ein Ende hat, so wie es sich für den Kaiser des Himmels und für seine Mutter schickt, für die vierundzwanzig Alten und die Schar der Engel. Nun möge uns der dorthin helfen, den die Jungfrau geboren hat außerhalb der Schranke der Natur. Damals ist er uns bekannt geworden, überdies, wenn ich es zu sagen wagen darf, nennen wir ihn ←Vater unser→ möge hiermit erinnert sein. D Mone, Sp. 213.

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*7,22 FIIa / Ml 7,I / Ml 17,I DI moler molent an ein want ein pild, als ich iu sag, daz ist sinagoga genant. nach sinem reht in gotes pflag ist im ein tuch von seiden planc gezogen fur diu augen sein. Als ich daz pild entworffen vant, ein joch ez trug vil troge. , ein sper verkart in siner hant zerprochen gar, daz was sin klag. ein kron von im gevallen was, deu gab von golde lihten schein. Ditz fremde pild bezeichent uns vil wol diu judischhait, di da gesihticlichen falschen ge. lauben treit. irs hertzzen sin ist plint, si ge. laubent niht, daz maria, diu raine magt, geper ein kint, und wizzen wol, wie her Moyses vor gote muste stan: ein pusch enpran, dem ich gelichen kan: got unte. r ir maitlich prust entran. sich zunt des heiligen geistes fiur, daz ir genaden nie ze ran. si ist sigenunft des cristen ge. laubens, gotes hertzze palsem schrein.

A R 66 rb-va = FIIa, Überschrift Hie hebet sich an d’ marener in siner langen weis. k 545 ra = Ml 7,I. w 17 v.= Ml 17,I.

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B Nach RSM 4, 1Marn/7/102a, S. 294 erste Strophe eines Siebenerbars von unbekanntem Verfasser in Form 1, Variante: alle Verse haben Auftakt (nach RSM 2, S. 132 ist das Form 2), v. 20 hat doppelten. Zum Nachweis der Unechtheit weist Strauch auf md. pflage für mhd. pflege und die abweichende Metrisierung von Maria (máriá statt im Corpus maría) hin. Das Geburtsgeschehen bleibt in den Corpus-Strophen unkonkreter, die Gottesmutter weniger irdisch; lîp ist das Äußerste an Nähe (6,1,12; 6,8,9), von brust und schôz sprechen nur Strophen außerhalb von C. Wirklich unverträglich mit den Corpus-Texten aber ist v. 20: Maria als Balsamschrein für Gottes Herz – da greift einer merklich wahlloser in einen zur beliebigen Kombination bereitliegenden Formelschatz, in den die Sangspruchdichter des 13. Jahrhunderts sich erst bedachtsam einübten. Zu erwägen ist die Zusammengehörigkeit von *7,22 und 23. 3 Nach LCI IV, Sp. 231 f. zeigen die frühesten Darstellungen der Synagoge sie als königliche Frauengestalt mit Fahne und der Mauerkrone, die die zwölf Tore Jerusalems symbolisiert. Seit dem 12. Jh. wird der im Spruch geschilderte Typus mit Augenbinde, zerbrochenem Fahnenschaft und der am Boden liegenden Krone vorherrschend. Darstellungen mit einem Joch weist Molsdorf, S. 180 aus einem Antiphonar des 12. Jh.s nach. 8 sper, Mißdeutung des Fahnenschaftes? verkart, zu der Form mit „einer Art Rückumlaut“ s. § 262 Anm. 2. 14 raine magt, s. die Anm. zu 5,1,5. 15–19 Gott sprach zu Moses aus einem Dornbusch, der brannte, aber nicht verbrannte (Ex. 3,2–4). Die Szene wurde als Präfiguration der unverletzten Jungfräulichkeit Mariens gedeutet. 19 sich, sinnvoll wäre an dieser Stelle si. zunt, mhd. zundete, s. § 54a. genaden, Gen. Pl., s. § 362. 20 palsem schrein, s. die Anm. zu *6,24,4 und zu 5,1,19. C Die Maler malen auf eine Wand ein Bild, das ich euch beschreibe, das heißt Synagoge. Wie es ihm unter Gottes Aufsicht zukommt, ist ihm ein Tuch aus glänzender Seide vor die Augen gebunden. Als ich das Bild gemalt gesehen habe, trug es schwer an einem Joch, in seiner Hand einen Speer umgedreht und gänzlich zerbrochen, darüber klagte es. Eine Krone war ihm entfallen, die von Gold leuchtete. Dieses seltsame Bild versinnbildlicht uns aufs beste das Judentum, das da sehenden Auges dem falschen Glauben anhängt. Ihr Herz ist verblendet. Sie glauben nicht, daß Maria, die unberührte Jungfrau, ein Kind geboren hat und wissen genau, wie Moses vor Gott hat stehen müssen: Ein Busch brannte, dem ich es vergleichen kann: Gott barg sich unter ihre jungfräuliche Brust, das Feuer des Heiligen Geistes entzündete sich [s.o.], so daß die Gnade sie nie verließ. Sie ist der Triumph des christlichen Glaubens, ein Balsamschrein für das Herz Gottes. D HMS II, S. 246; Kochendörfer, S. 134 nach R; Cramer I, S. 411 nach k; S. 413 nach w; S. 415 nach R. E Strauch, S. 75 f.; Blank, S. 49; Haustein, S. 85–86; 199.

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*7,23 FIIb / Ml 7,II / Ml 17,II Ein tyer so fremdz ich nie gesach so gar in wunder ste gemalt an einer wende flach, ich het ez niht gesehen me. ez het vier haupt und het vier pain und nach dem haupte hant und fuz. Miner sinn mir do geprach. der zadel tet mir we. min sinnic hertz mir da verjach, ez wær ein tyer nach niuwer e. auf den vier tyere. n ein juncfrowe. saz, becrone. t als ich iu sagen muz. Zwisschen iren klaren prusten stund ein creutz, und auch ein van ← da furt in irre hant deu maget wol getan → ein vaz von golde rot, dar in enphinc si gotes plut, daz schied uns sunder auz der not. di becronte magt bezaichent uns vil wol diu cristenhait. daz tyer, daz trait eins kalbes stirn prait, eins leben haupt in under schait, eins aren haupt, eins mensschen pild. ewangeliste. n, ir seit berait got, sinen tot, urstend, auf vart. sein tot freie. t sunder valles puz.

A R 66 ra-b = FIIb, Überschrift D’ marn’ sin langweis. k 454 rb-va = Ml 7,II. w 17 v = Ml 17,II. B Nach RSM 4, 1Marn/7/102a, S. 294 die 2. Strophe eines Siebenerbars von unbekanntem Verfasser in Form 1, Variante: die meisten Verse haben Auftakt. In der Hs. fehlt er v. 6; v. 11 und v. 15 haben zweisilbigen Auftakt. Zum Nachweis der Unechtheit notierte Strauch den Reim ste (Inf.) : me, ein nicht sonderlich tragfähiges Argument, da Inf. stan nur ein einziges Mal reimt, finite Formen von sten dagegen nicht selten sind und der Reim -e : -en auch für das Corpus nicht auszuschließen ist (s. die Anm. zu L3,3,3). Es genügt aber m. E. die Tatsache, daß diese Strophe als Pendant zu der vorherigen sicher unechten anzusehen ist, und auch hier sich ein Vers findet, wie ihn das Corpus nicht kennt: Wenn das Ich des Corpus auf sein sagen zu sprechen kommt, geschieht dies in gewichtiger Umgebung und prononcierter Form (vgl. L7,5,2; 6,11,3; 6,15,3; 7,14,20), ein bloßes Füllsel, wie der Schluß von v. 10 gibt es nicht. 1 Nach LCI 4,292–295 ist dasTier, der Tetramorph, gebildet aus den vier apokalyptischen Wesen (Ez. 1,4–25, einiges davon aufgegriffen Offb. 4,6–8), die seit Hieronymus u. a. als Symbolgestalten der vier Evangelisten gedeutet werden, als

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Reittier der ecclesia mehrfach nachzuweisen. Die ecclesia stand in älterer Bildtradition mit der Synagoge unter dem Kreuz und fing in einem Krug oder einer Henkelschale das Blut des Gekreuzigten auf. Beide Vorgänge, das Reiten auf dem apokalyptischen Tier und das Auffangen des Blutes unter dem Kreuz zusammen dargestellt z. B im ‚hortus deliciarum‘ der Herrad von Landsberg (s. M. Curschmann: ‚Herrad von Hohenburg‘, 2VL 3 1138–1144 und Gérard Carnes: Allégories et symboles dans L’Hortus Deliciarum. Leiden 1971, vor allem S. 49 f.), vgl. LCI I, Sp. 562–569 und Molsdorf, S. 175 ff. 2 ste, Infinitiv, zum Abfall des n s. § 240 Anm. 8. 3 flach, nachgestelltes unfl. Adj. oder Dativ des st. Masculinums (v.d.Hagen erwägt vach), dann wäre wende Gen. 5 hant und fuz, entsprechend den vier Köpfen (v. 16–19) eine Pranke, einen Huf, eine Kralle und einen Fuß. Arme hat dasTier auf den erhaltenen Darstellungen nicht; aber s. Ez. 1,4–8. 10 den vier tyeren, v.d.Hagens Konjektur dem tier hebt den Widerspruch zwischen v. 1 ein tier und v. 10 vier tieren auf. 17 kalbes stirn, Kalb, die korrekte Übersetzung von lat. vitulus (Offb. 4,7; Ez. 1,7–10 neben vitulus einmal bovis), zunächst allgemein gebraucht, z. B. auch von Reinmar v. Zweter 9,6 daz machet Lucas kalp mit sîner schrift von Cristes tôde uns kunt; im ‚jüngeren Titurel‘ 559,1 Ein mensch, ein kalbes bilde. Es wird später zuweilen durch den Ochsen ersetzt (z. B. schon Muskatblut 28 VII,6; cgm 4997 fol 496rb lUcas der ochs), meist aber durch den Stier (Molsdorf, S. 158 f.; LThK 3, Sp. 1057, RGG II, Sp. 796 f., LdMA 4, Sp. 138 f. nennen nur den Stier). 19 seit, mhd. saget. 20 freiet, mhd. vrîen mit Gen. der Sache (puz); zu valles puz s. die Anm. zu 1,2,9–13. C Nie habe ich ein so seltsames Tier gesehen, so gänzlich absonderlich an einer flachen Wand gemalt dastehen. Ich hatte es nie zuvor gesehen. Es hatte vier Köpfe und hatte vier Beine und Hand und Fuß jeweils dem Kopf entsprechend. Ich konnte zunächst nichts damit anfangen. Die Darstellung machte mir Schwierigkeiten. Mein nachdenkliches Gemüt sagte mir, es sei ein Tier, das zum neuen Testament paßt. Auf den vier Tieren saß eine Jungfrau, gekrönt, wie ich euch berichten kann. Zwischen ihren schönen Brüsten erhob sich ein Kreuz, und eine Fahne hielt die herrliche Jungfrau in ihrer Hand und ein Gefäß von rotem Gold, in dem hatte sie Gottes Blut aufgefangen, das uns Sünder vor der Verdammnis rettete. Die gekrönte Jungfrau versinnbildlicht uns auf schöne Weise den christlichen Glauben. Das Tier hat die Stirn eines Kalbs, im Unterschied dazu ein Löwenhaupt, einen Adlerkopf und ein Menschenantlitz. Evangelisten, ihr verkündet bereitwillig Gott, seinen Tod, Auferstehung, Himmelfahrt. Sein Tod befreit den Sünder von der Strafe für den Sündenfall. D HMS II, S. 246 f.; Kochendörfer, S. 134 nach R; Cramer I, S. 411 nach k; S. 414 nach w; S. 415 nach R. E Strauch, S. 75; Blank, S. 49; Haustein, S. 85–86; 199.

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*7,24 FIIc / FIIId / Ml 7,III / Ml 17,III Johannes in ein latern sach ein rosen wol gevar, dar auz ir schon gar lihte prach, mit zwelf stainen geziret gar. versigelt und versarchet was di roes und gab doch lihten schein in der rosen, als er gach, ein cristall sunden par, di ist aller keussch ein umme vach und gantzzer tugent ein adelar. dreierlai cron und vier lai pild, nu sagt, waz mac daz wunder sein? Der smit von oberlanden sant di rosen hoch geporn und di cristallen in di latern het erkorn. e daz wunder ie geschach, her david von der edelen suzzen, der rainen megde alse j ach: „si sprach ‚kum zu mir, fridel min, ja pin ich dir berait, din eren klait han ich an mich gelait. swaz helle diet hie vor gestrait, an swert han ich ervohten, daz kain zunge nimmer mer vol sait. ich han verslihtet und verrihtet endelosen swaeren pein.‘“

A R 67 a-b = FIIc, Überschrift Der Marner sin lang weis. t, Abdruck Schönachs (s. die Anmerkung zu 7,1 ), S. 288 f. = FIIId. k 454 va-b = Ml 7,III. w 18 r = Ml 17,III. 14 alse] als er R. B Nach RSM 4, 1Marn/7/102a, S. 294 die 3. Strophe eines Siebenerbars von unbekanntem Verfasser in Form 1, Variante: fast alle Verse haben Aufakt. Die vv. 13 und 14 in der Hs. zu lang; v. 13 ist viertaktig ohne Auftakt (die gleiche Überlänge auch in t) oder hat zweisilbigen Auftakt, in v. 14 ist das zweite der einschubverdächtig. Der Verfasser gibt sich elitär als Verkünder tiefer Glaubensgeheimnisse, montiert Elemente aus der Offenbarung des Johannes und dem Hohen Lied mit einer Reihe weiterer marianischer Bilder und Präfigurationen zu einer wenig stimmigen Reihe und kombiniert sie mit einem als Selbstaussage formulierten Marienpreis; er hebt sich damit entschieden von der klaren Diktion und dem sicheren Bildgebrauch der Marienstrophen der Corpus-Texte ab, die zudem die Gottesmutter nie in der ersten Person auftreten lassen. Zum Flickwort ja (v. 15) s. die Anm. zu *6,28. 1 Gibt das Folgende als Vision des Apostels und Visionärs Johannes aus. An den tougen buoch, der Johannesapokalypse, haben sich die Sangspruchdichter,

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vor allem aber die späteren Meistersänger immer wieder abgearbeitet, meist allerdings bibelgerechter als hier, wo Johannes wohl nur als Stimmungselement fungiert. latern, mit der Laterne kann ich nichts anfangen. Johannes wird in die Himmel entrückt, sieht den Himmel offen, sieht in alle Weiten der Erde, nie ist er ein Lampengucker. Vielleicht ist aber bei lantern schon an Maria gedacht. ‚Laterne‘ ist ein sehr selten zu belegender, allerdings gerade vom Marner gebrauchter Beiname Mariens (s. dazu die Anm. zu 5,1,18), der (mißverstanden?) möglicherweise hier hereinspielt. Cramer (I, S. 408): „Offensichtlich eine Kontamination von Johannes im Lateran und dem Marienbild der Laterne.“ Das kann ich nicht glauben. Bis zum Jahre 1308 war auf dem Lateran die Residenz des Papstes (vgl. Walther 12,IX,3 swenne im diu volle mâze kumt ze Latrân); der Schutzheilige der zugehörigen Basilika war Johannes der Täufer. 2 rosen, s. die Anm. zu 6,1,5. 4 zwelf stainen, Anklang an die Krone des apokalyptischen Weibes Offb. 12,1 (= Maria), deren 12 Sterne (s. Version FIIId) schon früh in Anlehnung an die edelsteinbesetzte Lostasche des Hohenpriesters (Ex. 28,17–20) mit 12 Edelsteinen gleichgesetzt wurden. 5 versigelt und versarchet, Hld. 4,12 „Ein verschlossener Garten ist meine Schwester Braut, ein verschlosssener Garten, ein versiegelter Quell“ wurde auf die unversehrte Jungfräulichkeit Mariens bezogen. 7 cristall, in den Lapidarien der Antike und des Mittelalters wurden den Edelsteinen vielfach magische und heilende Kräfte zugeschrieben. Ihre Verwendung an der priesterlichen Kleidung (s. o.) und an den Mauern des Himmlischen Jersualems (Offb. 21,19 f.) ließen in christlicher Zeit die verschiedensten Bezüge zu, vor allem natürlich auf Christus und Maria. Weil der Bergkristall (mhd. kristalle swstfm) durchsichtig und kühl ist, in der Sonne aber wie ein Brennglas wirkt, konnte er als Symbol der Reinheit Mariens und damit für die jungfräuliche Empfängnis und als Gleichnis für ihre Funktion als Lichtbringerin verwendet werden; vgl. Marienlexikon II, S. 279–281. sunden par, halte ich für die Schlimmbesserung eines Schreibers, der schon hier an die Sündenlosigkeit Mariens dachte; vermutlich stand sunder par in der Vorlage. 8 di, Nebenform zu der, s. § 218 Anm. 1. 10 dreierlai cron, es könnten die drei superlativischen Ausdrücke, gleichsam drei ‚Krönungen‘ gemeint sein 1. die gekrönte Rose, der Kristall als Inbegriff aller Keuschheit und der Adler (König) aller Tugenden. vier lai pild, bezieht sich vermutlich auf die gleichen Dinge, nur wird die Laterne oder die Versiegelung noch hinzugezählt, die ja aus einem anderen Bildbereich stammt. Möglich aber auch, daß an irgendetwas ganz anderes gedacht wurde. 11 smit von oberlanden, dieser Ausdruck wohl von Frauenlob überommen, der Maria sagen läßt (GA I,11,1 f.): Der smid von oberlande / warf sinen hamer in mine schoz. Der umgekehrte Weg von diesen Strophen zu Frauenlob ist angesichts dieses Flicken montierenden Machwerks unwahrscheinlich. Zum Motiv und zu den Abhängigkeiten s. Rudolf Krayer: Frauenlob und die Natur-Allegorese. Motivgeschichtliche Untersuchungen. Heidelberg 1960 (German. Bibl. 3. Reihe), S. 124–174. 13 der Vers kann zu v. 11 f. oder zu v. 14 gehören, vielleicht war so-

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gar die Konstruktion apo koinu beabsichtigt. 14 her david, beruht wohl auf einer Verwechslung; das Zitat stammt aus dem Hohenlied, das als Werk Salomons galt. Hld. 2,17 spricht die sponsa: „komm du, mein Geliebter“. Zu der Darstellung des Verhältnisses Christus/Maria als eines Liebesverhältnisses zwischen Brautleuten vgl. P. Kern, s. 92 ff. 15–18 Zu Mariens Anteil am Erlösungswerk s. die Anm. zu 7,1,12. C Johannes sah in einer Laterne eine schönfarbige Rose, deren Schönheit hell hervorleuchtete, geschmückt mit zwölf Edelsteinen. Versiegelt und eingeschlossen war die Rose und (es) strahlte doch hell in der Rose, so sagte er, ein Kristall, frei von Sünden [doch s. o.], der ist der Inbegriff der Keuschheit und ein Adler wahrhafter Tugend. Drei verschiedene Kronen und vier verschiedene Figuren, nun sagt, was mag das Seltsames sein? Der Schmied vom Oberland sandte die hochgeborne Rose und hatte den Kristall in der Laterne auserwählt. Bevor dies Wunder geschah, hatte David von der edlen heiligen keuschen Jungfrau so gesprochen: „Sie sagte ‚Komm zu mir, Geliebter, ich erwarte dich, ein Kleid dir zu Ehren habe ich angelegt. Ohne Schwert habe ich erkämpft, was das Höllenvolk zuvor erobert hatte, was keine Zunge je angemessen rühmen kann. Endlose schwere Not habe ich aufgehoben und beendet.‘“ D HMS II, S. 247; Schönach, S. 288f. nach t; Kochendörfer, S. 135 nach R; Cramer I, S. 34 nach t; S. 411 f. nach k; S. 414 nach w; S. 416 nach R. E Strauch, S. 75 f.; Blank, S. 49; Haustein, S. 85–89; 199.

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*7,25 FIId / FIIIa / Ml 8,I Ich pinz ein morgen rotiu prehen und schein uber elliu lant, des mir all cristen muzzen jehen, di mich ie muter haben genant. ich han den smit von oberland, der elliu pild wol wurcken kan. Ja ist mir lip von im geschehen, er hat zu mir gesant. sin augen habent mich e gesehen, sein will, der ist an mich gewant. er gieng mir vor, ich gie im nach, untz ich in umme slozzen han. er ist mein lip, ich pin sin traut, deu lieb kain ende hat. er het mich liep in siner werden magestat, do er mit freuden saz. ich main des himelriches wirt, mit treuwen er mein nie vergaz.

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mein maitlich wird, min maitlich tugent den fursten des betwanc, daz er sich swanc durch neun chore ganc, er aht niht auf der engel sanc, sein hertzze. nach miner keusschen minn mit gantzzen stæten treuwen ranc. des schulle. n mir alle cristen dine. n, der himel ist mir under tan.

A R 67 ra-b = FIId, Überschrift Marn’ langweis. t, Abdruck Schönachs (s. die Anmerkung zu 7,1 ), S. 285f. = FIIIa. k 454 vb–455 ra = Ml 8,I. B Nach RSM 4, 1Marn/7/102a, S. 294 die 4. Strophe eines Siebenerbars von unbekanntem Verfasser in Form 1, Variante: Alle Verse außer v. 17 haben Auftakt; in v. 17 neun chore aber wohl Genitiv, was ein der erfordert, so daß auch dieser Vers wohl Auftakt hatte und die Strophe Form 2 zuzuordnen ist. Alle Marienstrophen des 13. Jahrhunderts ebenso wie die Leichs sprechen zur oder über die Gottesmutter. Sieht man von den thematisch eng begrenzten Marienklagen sowie dem Rheinischen Marienlob ab, dann ist sie selbst sprechen zu lassen unserer Kenntnis nach erst Frauenlobs Marienleich vorbehalten, dem in stark simplifizierter Form hier nachgeschrieben wurde (vgl. auch 7,24). Ihm ist wohl auch der smit von oberland entnommen, sowie in den folgenden Strophen das weiße Hermelin (*7,26,11f., vgl. Frauenlob GA I,9,14) und der Hinweis auf den Brief des Johannes an die sieben Kirchen (*7,27,11f., vgl. GA I,6.1). Zum Flickwort ja (v. 6) s. die Anm. zu *6,28. 1 pinz, zu diesem (e)z in prädikativer Funktion s. § 402. Morgenstern und Morgenröte, die den Tag ankündigen, waren beliebte Sinnbilder der Gottesmutter, die Christus hervorgebracht hat (s. 5,1,15–16; Salzer, S. 23 f.). prehen, Infinitiv, vgl. Egen v. Bamberg ‚das herze‘ 49 triakers trost min saphirbrehen, ebd. 124 f. fiurbrehen von Agrimontin / darin von berlin glestet. 5 smit von oberland, s. die Anm. zu *7,24,11. 6–11 Beispiel für die Darstellung von Mariae Verkündigung (vgl. die Anm. zu 4,3,9) und Empfängnis als Liebesszene, wie sie vor allem im 14. und 15. Jh., wohl unter Einfluß des Hohenliedes, immer beliebter wird. 12 het mich liep, die mariologische Deutung der alttestamentarischen Weisheitstexte, z. B. Spr. 8,22–30: „Der Herr hat mich geschaffen im Anfang seiner Wege, vor seinen Werken in der Urzeit … als er die Fundamente der Erde abmaß, da war ich als geliebtes Kind bei ihm. Ich war seine Freude Tag für Tag und spielte vor ihm allezeit“ führte zu der Annahme einer Art Präexistenz der Gottesmutter und ihrer Auserwähltheit von Ewigkeit her (s. P. Kern, S. 81–92). 15 betwanc, s. auch 5,1,14. 17 neun chore, s. die Anm. zu 4,1,11. 18 aht, mhd. ahtete, zur Form s. § 54. 20 schullen, besonders im Bairischen gebräuchliche Formen von suln, s. § 273. under tan, die Existenz Mariens vor aller Menschheit wurde auch als Ranghöhe gesehen, verstärkt durch die Existenz als Mutter des höchsten der

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Könige, so daß das verehrende Mittelalter Maria als Königin des Himmels und der Erde, der Engel wie der Menschen pries, vgl. 4,1,2. C Ich bin ein Morgenröteglänzen und leuchte über alle Lande, das müssen alle Christen mir zugestehen, die mich je Mutter genannt haben. Mein ist der Schmied vom Oberland, der alles Seiende erschaffen kann. Mir ist wahrhaftig Heil durch ihn widerfahren. Er hat mich rufen lassen. Seine Augen haben mich von jeher angesehen. Sein Wille hat sich auf mich gerichtet. Er ging vor mir her, ich ging ihm nach, bis ich ihn umfangen hatte. Er ist mein Geliebter, ich bin seine Liebste, die Liebe hört nimmer auf. Er liebte mich in seiner erhabenen Majestät, wo er in Freuden tronte. Ich liebe den Herrn des Himmelreichs, stets hat er in Treue meiner gedacht. Meine jungfräuliche Würde, meine jungfräuliche Tugend haben den Fürsten überwältigt, so daß er den Weg durch die neun Chöre herabeilte, nicht achtete er auf die Gesänge der Engel. Sein Herz verlangte mit beständiger Treue nach meiner keuschen Liebe. Deshalb sollen mir alle Christen dienen, der Himmel ist mir zu eigen gegeben. D HMS II, S. 247; Schönach, S. 285 f. nach t; Kochendörfer, S. 135 nach R; Cramer I, S. 32 nach t; S. 409 f. nach k; S. 416 nach R. E Strauch, S. 75 f.; Blank, S. 49; Haustein, S. 85–89; 199.

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*7,26 FIIe / Ml 8,II / Ml 11,I Maria, lihter himel van, frid schilt der cristenhait, got in din maitlich prust entran und zoch an sich solich arebait, daz er wolt sune. n und wider pringen endelos verlorniu diet. Der eren kunic sich wol versan, ze hant was er berait, dem gantzzer sinne nie zeran, der rainen mait er nie versait, er wolt den falsschen rat vertriben, den diu slang vern even riet. ein wizzer harm, der spilt ir vor, den vinc si in ir schoz, deu raine maget, der kain wunder ist ze groz, der sunder fride schilt, und daz der harm in tugenden weis in ir vil suzzer schozze spilt. der harm ist sant marien sun, der junge werde degen. wir ware. n verlegen in der sunden wegen,

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er kom und praht uns sinen segen, do er uns an dem crutzze erlost von siner seiten plutes regen. gots marter und sin herter tot uns all auz grozzen noten schied.

A R 67 rb-va = FIIe, Überschrift Allez der marn’ sin langev weis. k1 445 ra-b = Ml 8,II. k2 475 rb = Ml 11,I. B Nach RSM 4, 1Marn/7/102a, S. 294 die 5. Strophe eines Siebenerbars von unbekanntem Verfasser in Form 1, Variante: Alle Verse außer v. 17 haben Auftakt. Zur Frage der Echtheit s. unter *7,25 B. 1 van, aus der Vorstellung, daß Maria den Weg weisen kann, dem die Christen folgen sollen (vgl. leitesterne 5,1,17) ergab sich die Bezeichnung ‚Fahne‘, wie sie dem Heer wegweisend vorangetragen wird. 3 entran, aus dem Himmel, vgl. *7,25,16. 5 sunen … verlorniu diet, s. die Anm. zu 1,3,12. 9 versait, die Bitte um Mariens Fürbitte wird oft damit begründet, daß der göttliche Sohn seiner Mutter nichts abschlagen kann, z. B. 6,9,6–8; 7,8,8; *6,24,12. Ohne diesen Kontext wirkt der Vers wie ein deplaziertes Versatzstück. 10 falsschen rat, s. die Anm. zu 1,2,9. vern, eine der vielen Schreibungen des in Anreden zu vro, ver usw. verkürzten vrouwe. 11 harm, das Hermelin galt als Schlangentöter, deshalb konnte es als Sinnbild für Christus, den Bezwinger des Satans dienen; der im Paradies in Gestalt der Schlange erschienen ist und im Alten wie Neuen Testament als Schlange bezeichnet wird (s. die Anm. zu 1,2,9; 1,4,11). 14 und daz, modal-konsekutiver Satz (§ 464). 19 seiten plutes regen, s. die Anm. zu 6,10,8. C Maria, strahlendes himmlisches Banner, Friedensschild der Christenheit, Gott entwich in deine jungfräuliche Brust und nahm solche Mühsal auf sich, Sühne zu leisten und das für immer verlorene Volk zurückzuholen. Der König der Ehren hat es wohl bedacht, sogleich war er dazu bereit, er, dem Allwissenheit nie abhanden gekommen war. Der reinen Jungfrau hat er nie etwas abgeschlagen. Er wollte den argen Ratschlag aufheben, den die Schlange Frau Eva geraten hatte. Ein weißes Hermelin tanzte vor ihr her, das fing sie in ihrem Schoß, die reine Jungfrau, der kein Wunder zu gewaltig ist, Friedensschild der Sünder, so daß das Hermelin sich in keuscher Weise in ihren süßen Schoß schmiegte. Das Hermelin ist der Sohn der heiligen Maria, der junge edle Kämpfer. Wir lagen darnieder um unserer Sünden willen. Er kam und brachte uns sein Heil, als er uns am Kreuz durch den Blutregen aus seiner Seite erlöste. Gottes Marter und sein bitteres Sterben befreite uns von großer Not. D HMS II, S. 247; Kochendörfer, S. 136 nach R; Cramer I, S. 410 nach k1 ; 412 nach k2 ; S. 417 nach R. E Strauch, S. 75 f.; Blank, S. 49; Haustein, S. 85–89; 199.

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*7,27 FIIf / FIIIc / Ml 11,II MAria, hohster himelhort, trost aller cristenhait, mit gantzzen sinne. n also bewart, do sich got, herre, drivaltikait hat herab genaige. t, drivalt beslozzen in deins hertzzen grunt. Daz himelrich was vns verspart, der fluch was uns berait. din suzziu tugent den fursten lart, daz er uns helle fluch vergait. er ward in dich gesegent, gewihet, daz ist den wisen leuten kunt. Johannes siben kirchen hat mit siner hant geschriben siben heilikait, und di sint all pei dir beliben. gots muter, rainiu mait, engelisscheu zunge, menschlicheu diet ez nimmer en vollen sait: dein maitlich wird, dein maitlich tugent ist gar manicvalt und ungezalt, gruen als ein gruner walt, der mit plude stet gestalt. maria, gotes muter traut, du maht gepiete. n und hast gewalt. du trugd, der hime. l und erde trait, und preht uns eren richen funt.

A R 67 va-b = FIIf, Überschrift aber sa allez der marner sin lang weis. t, Abdruck Schönachs (s. Anmerkung zu 7,1), S. 287 f. = FIIIc. k 475 rb-va = Ml 11,II. B Nach RSM 4, 1Marn/7/102a, S. 294 die 6. Strophe eines Siebenerbars von unbekanntem Verfasser in Form 1, Variante: nur die vv. 5 und 18 haben in der Hs. keinen Auftakt. In v. 10 tilgt v.d.Hagen gewihet, v. 17 gruen, beide Eingriffe sind unnötig. Zur Frage der Echtheit s. unter *7,25 B. Hinzu kommt das überwiegend md. gebräuchliche Prät. lart. 4 got, herre, drivaltikait, v.d.Hagen schreibt do sich diu here, eine ähnliche Änderung auch schon in t. Die Änderung ist unnötig. Da der dreifaltige Gott als ein Wesen gedacht wurde, war es nur eine Konsequenz, mit dem Sohn auch die Trinität in Maria Mensch werden zu lassen (vgl. 5,1,20), ein Gedanke, der in vielen ma. Texten hinter der Vorstellung der Trennung von Sohn und Vater zurücktritt; s. dazu P. Kern, S. 48 ff. 6–9 s. die Anm. zu 1,2,9–13. 9 vergait, mhd. verjagete. 11 siben kirchen, die Briefe des Apostels Johannes an die sieben Gemeinden in der Provinz Asien (Offb. 1,4–3,22), in denen er ihre Tugenden (siben heilikait) rühmt und ihre Verfehlungen tadelt, bilden den ersten Teil der Geheimen Offenbarung. 20 trugd, zuweilen, wohl unter dem Einfluß der Präterito-Präsentien

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gebildete Form der 2. Sg. Prät. (§ 240 Anm. 7). der, Bezugswort und Relativum zugleich, s. § 453. preht, mhd. bræhte, zur Form s. § 267,1. C Maria, größter Schatz des Himmels, Trost der ganzen Christenheit, nach höchstem Ratschluß so erhalten [als Jungfrau?], als sich Gott, der Herr, die Dreifaltigkeit herabgelassen, dreifaltig in deines Herzens Grund eingeschlossen hat. Das Himmelreich war uns verschlossen, der Fluch lastete auf uns. Deine süße Tugend bewog den Fürsten, daß er den Höllenfluch von uns nahm. Er wurde in dir gesegnet, geweiht, das ist den gelehrten Leuten bekannt. Johannes hat mit eigner Hand den sieben Kirchengemeinden sieben Arten der Heiligkeit zugeschrieben, bei dir sind sie alle. Gottes Mutter, reine Jungfrau, der Engel Zungen, Menschenvolk kann es niemals ganz aussprechen: Deine jungfräuliche Würde, deine jungfräuliche Tugend ist unendlich vielfältig und nicht zu zählen, grün wie ein grüner Wald, der in voller Blüte steht. Maria, Gottes geliebte Mutter, du kannst gebieten und hast Macht, du hast den getragen, der Himmel und Erde trägt, und brachtest uns das Geschenk, das uns so viel Ehre eingetragen hat. D HMS II, S. 247 f.; Kochendörfer, S. 136 nach R; Cramer I, S. 33 f. nach t, S. 412 f. nach k; S. 417 nach R. E Strauch, S. 75 f.; Blank, S. 49; Haustein, S. 85–89; 199.

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*7,28 Es sprichet manger: „zwar ich bin gesanges meinster gar“ ←der nie gewan gerechten sin an sanges kunst→, dez lyp ist bar wysheit und wicze. zwar, her tor, ir triegent doch untruwe diet. Man sol den selben gauch tUn hin, der so gelygen tar. gar sundehaft ist sin gewin. Ir wysen mercker, nemmet war! Secht, was ein senger kUnen mUß, der singen wil die rechten liet: Done gut, besunder suße spruch er kunnen sol. Sin sang sol sin gar hofelich besynnet wol, Ob ein ygliches recht: Zal, silben, rymen, unbezwungen gantz rym und da by slecht. gut tutsch er sprech und daz doch gut gehofte rede sy. der spruche dry, die tut uns schanden fry

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an sanges kunst. hie warn ich by uch senger, lutert uwern sang alz man von silber tut daz bly! nu merckent, wie her walther sanges kerne von der schale schiett.

A k 480 vb, Überschrift Dyse zwey lied’ meget wol gesungen w’den nach de furwurff am dritte plat vor Appoccalips, d. h. nach einer fünfstrophigen Warnung an Sänger und Dichter, deren Strophen alle mit Ir singer tichter (tichter singer) mercker (merckent) beginnen. B Nach RSM 4, 1Marn/7/538, S. 308 Einzelstrophe von unbekanntem Verfasser in Form 2; v. 11 hat jedoch in der Hs. schemagerecht keinen Auftakt, so dass es auch hier Form 1 mit der Variante: überwiegend Auftakt heißen müßte; v.14 einsilbiger Innentakt gántz rím. Zur Frage der Echtheit Bartsch 62, S. 161: „Echt sind auch die drei (!) strophen von 100. Wenigstens ist in den als ‚echt‘ bezeichneten strophen nichts, was der zeit und mundart des dichters widerspräche.“ Strauch, S. 74 Anm.1: „dürfen als echt bezeichnet werden.“ Für die Echtheit spricht, daß das unklare liegen und triegen mit sange auch 3,3 und 6,17 eine Rolle spielt, 6,17,1 ebenfalls Walther als Vorbild genannt wird, sich hövisch zu orientieren durchaus ins 13. Jahrhundert paßt, die Sündhaftigkeit des Gewinns durch kunstloses Singen ein Gedanke ist, der auch in der Reinmar-Schelte (3,3) anklingt, und die Kunstterminologie insgesamt noch schlicht (unentwickelt) genug ist, um ebenfalls eher an das 13. als an das 14. Jh. zu erinnern. Problematisch ist nur v. 16 f. dry die tut: Wenn der Singular kein Versehen ist, kann sich Subst. drîe auf die Dreizahl der Sprüche beziehen, dann gehörte die Strophe in eine spätere Zeit, es läge dann mit dieser Strophe eine der frühesten Äußerungen zur poetischen Bartechnik überhaupt vor, oder drîe bezieht sich auf die Dreiteiligkeit der Einzelstrophe, dann spräche nichts gegen den Marner als Verfasser. 5 untruwe, als Attribut zu diet gibt es keinen rechten Sinn; man müßte ihm die Bedeutung: ‚solche, die das Richtige nicht kennen oder kennen wollen‘ unterlegen, vielleicht war Adverb untriuwe (= ungetriuwe, Lexer II, 1876, ein Beleg) beabsichtigt; die Wortstellung bleibt dabei problematisch. 9 mercker, hier wohl noch nicht das in den jüngeren Singschulen institutionalisierte Amt des Kunstrichters, sondern allgemein ‚kunstverständige Beurteiler‘. 12 und 15 hofelich … gehofte, bis ins 15 Jh. hinein waren die Mäzene der Literaten und Künstler die Höfe, deshalb wurden Ansichten und Sprechweisen auf einem Niveau verlangt, wie man es den Höfen angemessen fand. 14 unbezwungen gantz … slecht, die Anforderungen entsprechen wohl schon dem, was heute ein reiner Reim ist: nicht künstlich zurechtgebogen, gleichgeschlechtlich und rein, d. h. nicht bloß auf Assonanzen beruhend. 20 her walther, s. die Anm. zu 6,17,1 f. kerne, es ist an Nüsse zu denken und ihre ungenießbare Schale.

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C Mancher sagt: „Ich bin wirklich durch und durch ein Meister des Gesangs“, der nie richtige Kenntnis von der Sangeskunst erworben hat, der ist gänzlich ohne Weisheit und Verstand. Wahrhaftig, du Tor, du täuschst die Leute, die das Rechte nicht kennen (oder: unehrlich [wie du bist] täuschst du die Leute). Man soll diesen Narren hinauswerfen, der so zu lügen wagt. Sündhaft ist, daß er etwas verdient. Ihr klugen Kunstverständigen, gebt Acht! Seht, was ein Sänger können muß, der Lieder singen will, wie sie sein sollen: Schöne Melodien, erlesene liebliche Sprüche soll er können. Sein Sang soll hofgerecht durchdacht sein, ob alles in Ordnung ist: Zahl, Silben, Reime, von selbst sich ergebende und korrekte Reime. Gutes Deutsch soll er sprechen und sein Sprechen soll hofgemäß sein. Die Dreiteiligkeit [oder: die Dreiheit?] hält den Makel kunstlosen Singens von uns fern. Und so ermahne ich euch, Sänger, läutert euren Gesang wie man das Silber vom Blei läutert! Erinnert euch, wie Herr Walther den Kern des Gesangs von der Schale sonderte. D Bartsch 62, Nr. C,1; Strauch, S. 140 f. (XV,19g); Poynter, S. 351–353; Bein 98, S. 335. E Bartsch 62, S. 161; Strauch, S. 74 Anm; Haustein, S. 236; Bein 98, S. 335 f.

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*7,29 Ich han gemessen wynes kraft byß uff sins endes ziel. dez kunst und synnes meisterschaft, der duncket mich wol also vil, daz one got nie nicht enwart also gewaltig alz der win, So win ein man, ein wyp erglafft. furbaz ich sprechen wil: der win ist suße druckenhafft, er machet luder unde spil, er macht untru, raupmorder, diep und kan doch etwann milte sin. Win, der macht zornig, mUlich, kUne und auch da by zagen. der win, der kan den armen und die richen nagen und macht dick freudenrich den magen, der dez morgens etwann nuchtern lebet kummerlich. der win vil mangen ungewissen dicke hart bestat. der win, der hat entfremdet manche wat und manchem sine wintersat. der win beraubt vil mangen gutz, ern und alles, daz er hat. Win, der macht armer lute vil und gyt auch etwan volle schrin.

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Texte

A k 480 vb, Überschrift s. o. *7,28. 10 raupmorder] rapmord’ k. B Nach RSM 4, 1Marn/7/538, S. 308 Einzelstrophe von unbekanntem Verfasser in Form 2: alle Verse in der Hs. haben Auftakt, v. 19 einen einsilbigen Innentakt gútz érn. Auch in dieser Strophe findet sich kein Signal, das eindeutig auf eine jüngere Zeit verwiese. Der Flickvers 7 paßt zwar nicht zu den Corpus-Texten, dort ist der geringe Raum der Einzelstrophe stets dicht gefüllt, jeder Vers enthält seinen notwendigen Beitrag zum gewählten Thema, keiner wird an leere Phrasen vergeben, aber die Corpus-Zugehörigkeit ganz auszuschließen, dürfte das nicht ausreichen. 6 erglafft, hapax legomenon ‚berauscht‘. 8 suße, Subst. mit nachgestelltem unfl. Adj., oder Adj.? Dann sollte nach suße ein Komma gesetzt werden. drukkenhafft, mhd. trügehaft. C Ich habe die Macht des Weins bis auf den Grund ausgelotet. Dessen Können und Gewalt über den Verstand scheint mir so groß, daß außer Gott nichts so mächtiges vorhanden ist wie der Wein, wenn der Wein einen Mann, eine Frau betört. Ich will noch mehr sagen: Der Wein ist trügerische Süße, er verursacht Völlerei und Spiel, er verursacht Untreue, Raubmörder und Diebe und kann doch zuweilen auch ganz freigebig sein. Der Wein macht zornig, grantig, übermütig, aber zugleich auch kleinmütig, der Wein kann dem Reichen wie dem Armen zusetzen und macht oft den Magen überglücklich, dem des Morgens nüchtern noch ganz übel war. Der Wein überwältigt manchen, der ihn nicht kennt. Der Wein hat manchen um die Kleidung gebracht und manchen um die Wintersaat. Der Wein raubt manchem Besitz, Ehre und alles, was er hat. Der Wein schafft viel arme Leute und verschafft manchem auch volle Kasse. D Bartsch 62, Nr. C,2; Strauch, S. 141 (XV,19h); Poynter, S. 351–353. E Bartsch 62, S. 162; Strauch, S. 74 Anm.; Haustein, S. 236.

2.2.1.8 Die unbenannten Töne der Handschrift E.

Unbenannter Ton 1

5

Dri und dri sint durch dri sus understricket: dri und dri. dri uf dri sich erben. dri sint underscheiden: dri unde dri gedriet. die ersten dri, die waren ie dri und doch ein, gewaldig, fri,

Die Sangsprüche

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der liez sich einer sterben mensche und bleib mit beiden eben her als vor gefriet. die andern dri drien sich mit underscheit: reht gelaube daz erste cleit, daz ander hoffen zU gote, des freude ist breit daz dritte, swer ware minne an treit. dise dri geben jenen drin, die menschen und engel anschriet.

A E 225 vb, Überschrift Der marner. B Das Repertorium 2, S. 134 gibt für diese Strophe ein Schema an, wie es Meistersänger, wenn sie den Ton benutzt hätten, wohl zugrundegelegt hätten: gleichgebaute Strophenteile und generelle Auftaktigkeit. Ich verzeichne hier, was die einmal überlieferte Einzelstrophe tatsächlich realisiert: 1 8m a 5 A 8m a 2 4k b 6 A 4k b 3 4k c 7 4k c 4 A 4k d 8 A 4k d 9 A 6m e 10 A 4m e 11 A 6m e 12 A 4m e 13 A 8k d In v. 1 ein einsilbiger Takt dúrch drí. Für Strauch war die ‚Unechtheit‘ der Strophe erwiesen durch den Reim erben (3. Pl.) : sterben (Inf.), sowie durch „Inhalt und Stil“. Zudem zeige hoffen (v. 11) „dass der Verfasser kein Oberdeutscher war.“ Daß das Reimargument nicht tragfähig ist, hat schon Haustein nachgewiesen, s. auch Einl. S. 89. Was den Inhalt angeht, so handelt die Strophe vom Glaubensgeheimnis der Dreifaltigkeit, wortreicher, aber in der Sache nicht umfänglicher und nicht anders als es die entsprechenden Strophen des Corpus tun (s. die Anm. zu 5,1,20). Die Verquickung mit den drei Göttlichen Tugenden ist zwar einmalig, aber Einmaligkeit ist das Kennzeichen vielerThemen des Corpus, und hoffen ist auch in obd. Quellen belegt (Lexer). Der Stil sticht allerdings erheblich ab von den sonstigen geistlichen Strophen, die eine fast schlichte, klare Sprache sprechen. Marners Rätsel sind Rätsel ohne mitgelieferte Auflösung, und lediglich wortspielerisch Verklausuliertes findet sich nicht; aber Ton wie Stil könnten ein Experiment gewesen sein (ähnliches Spielen mit der drî belegt bei P. Kern, S. 197 Anm. 62). Zu Recht lassen RSM (4, 1Marn/14/1, S. 324) und Haustein (S. 99) daher die Verfasserfrage offen.

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Texte

1–3 Den Sinn der Verse kann man eigentlich nur raten; die ‚Übersetzung‘ ist eine bloße Vermutung. dri, zum Geheimnis der göttlichen Dreiheit s. die Anm. zu 5,1,20, zu den Göttlichen Tugenden s. die Anm. zu *7,21,10. 5 ersten, dem Rang nach oder die zuerst in v. 1 genannten. 13 an mindestens einer Stelle verderbt, ich übersetze mensch und engel. C Drei und Drei sind durch Dreiheit so verbunden: als je drei und drei. Jene drei machen diese drei zu ihren Erben. Diese Dreiheiten sind je verschiedene drei: drei einzelne also und Drei gedreifacht. Die ersten Drei waren von jeher drei und doch einer, allmächtig und frei ließ sich einer von ihnen als Mensch töten und blieb doch mit den beiden andern wie vorher in Freiheit verbunden. Die andern Drei bilden eine Dreiheit, die sich unterscheiden läßt: Wahrer Glaube ist das erste Kleid, das zweite auf Gott hoffen, dessen Wonne [uns] bereitet ist, das dritte, wer wahre Liebe angelegt hat. Diese drei richten sich auf jene drei, die Mensch und Engel anruft. D HMS III, S. 333; Strauch, S. 158. E Strauch, S. 77; 158; Haustein, S. 93 f.; 98–100.

Unbenannter Ton 2

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Ave maria, gnaden vol, barmunge ein bach, der nie verfloz, du bist ein kefs der heilikeit genennet. Doch mer bist du geheizzen wol: ein suzzer tau, des nie verdroz, ein meigenregen, der alle fruht erkennet, aller sel ein luhte vaz und aller kristenheite hort irs heiles, Ja nu kanstu niht sin gehaz. nu frauwet uch des hohen richen teiles, daz sie in umme vienc, ← den alle ding an ende niht begriffen mugen,→ den umme greif die reine tugent, die ist gefriet alles falsches meiles.

A E 226 ra, Überschrift marn’.

Die Sangsprüche

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B Das exakt gefüllte metr. Schema ist: 1 A 4m a 4 A 4ma 2 A 4m b 5 A 4m b 3 A 6k c 6 A 6k c 7 A 4m d 8 A 6k e 9 A 4m d 10 A 6k e 11 A 9m f 12 A 4m f 13 A 6k e In v. 11 nimmt das Repertorium einen Reim vienc : dinc an und teilt den Vers in 3m / 2m / 4m mit entsprechend geändertem Reimschema ffgg. Nach Strauch (S. 158 ohne Begründung) ist die Strophe dem Marner „abzusprechen“. RSM (4, 1Marn/15/1, S. 324) und Haustein (S. 99) halten die Verfasserfrage offen, aber der konsonantisch unreine Reim 11 : 12, die Flickwörter ja und wol (beide ohne Parallele im Corpus) und die neuen Bilder für die Gottesmutter (s. Anm. 5) sprechen für Strauchs Urteil. 1 Ave, s. die Anm. zu 4,3,9. 3 kefs, s. die Anm. zu 5,1,19. 5 tau, Maria kann den Tau ihrer Gnade herabfließen lassen (frühester Beleg bei Salzer Konrad v. Megenberg 550,20f.), sonst sind Tau und Regen die Bilder für den göttlichen Samen (Christus), der Maria betaut (s. Salzer, S. 3–5 und 40–42: Ackerfeld, Anger, Erde, Gedeon); wenn diese Hüllformel nicht mehr durchschaut wird, kann sich ein neuer Bildbereich entwickeln, der Maria als Tau begreift; alle Parallelen dazu nicht vor Frauenlob und Regenbogen. 6 erkennet, man ist versucht, das der in den umzusetzen, das ergäbe den kontextgemäßen Sinn ‚den alle Frucht dankbar anerkennt‘. 7 luhte vaz, s. die Anm. zu 5,1,18–20; die Bilder lösen sich allmählich von ihrer ursprünglichen Bedeutung und bekommen einen neuen Sinn, der dem individuellen Bedürfnis des Einzelnen angepaßt ist. C Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnaden, Strom der Barmherzigkeit, der nie versiegte, du heißt Schrein des Allerheiligsten. Mit noch mehr Namen benennt man dich: ein süßer Tau, der nie schadete, ein Maienregen, der um alle Frucht weiß, eine Leuchte aller Seelen und Hort des Heils der ganzen Christenheit. Du kannst wahrlich nicht zürnen. Also freut euch des erhabnen gewaltigen Erbes, da sie ihn umfing, ← den die ganze Welt nicht fassen kann, → den umfing sie, die die Tugend selbst ist, die frei ist von allem argen Makel. D HMS III, S. 332 f.; Strauch, S. 158. E Strauch, S. 77; 158; Haustein, S. 93 f.; 98–100.

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Texte

2.2.2 Marner-Sangsprüche in Strophenfolgen, die nicht als Bare gekennzeichnet sind (Folge I–VI)

Folge I im Kurzen Ton Ia

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Ib

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6,8 / Ml 15,I

Jhesus, dU wunderrere, dU bist einer, dU bist dri, dU wer ie und mUst auch ummer ewig sin. doch woltz dU der wunder an dir selber nit enbern, daz dich ein magt gebere, kusch und allez wandels fri. BlUende gerte von jesse, der selden ris, dine gebUrt kUnde uns armen manige freude beren, Von dem suzen wort ‚Ave‘, von dem din lib enphieng den reinen hochgelopten got, der durch uns syt an daz cruce gieng, der Adam loste und auch die helle brach. sin trehen und sin weinen hat erwendet uns groz ungemach. NU bite ich dich, hochgelopte trinitat, daz dU mir der freuden helfes, die da nit zUrgat

Trost al der cristenheit, cristes mUter, reine maget, sunder galle tube, rose sunder dorn, reine arke wol geworcht fUr alle unkUsch flUt, nU wis dU min geleide. sint din kint dir nit versaget, an dem ende wende, frowe, sinen zorn. ich weiz wol, wes dU an in gerst, daz er daz allez tUd. dU manen siner wisheit, sit daz er die wisheit ist. dU manen sins gewaltz, frowe, sit daz dU gewaltig bist. dU manen siner berme, die ist so manigvalt, sit daz dU tugende waltez, frowe, ich bin in sunden worden alt,

6,9 / FIVf

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Die Sangsprüche 15

der enkUnt doch nummer also vil gesin, diner erberme si noch me, gnade, erbermerin. Ic

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6,1 / FIVe / Ml 15,III

Ob allen frowen frowe, crist mUter, reine maget, hohgelopte gotes dochter und sin brUt, got gerUchet dich uz al der werlt im selber erwelen. dU rose in hiemel tauwe, sunder sunde dorn betaget, dU biz vor aller creature gotez trUt. wer kunde, frowe, dine wisheit ummer vollezeln? Din lob ist allen zungen uberkrepphig und zU starg. wer mochte sulche kraft verspannen? got sich menschlich in dich barg. sunder mans helfe din lip in gebar, dem alle kunge mUzent mannen. auch dienet im der engel schar. dU bist aller frowen schilt fUr itwicze, den in eve bracht umb ein cleinen aphil biz.

A h 64 va-b. B Blank/Kochendörfer und RSM 4, 1Mar/6/100a verzeichnen die Folge als dreistrophiges Lied. Form 1. D Kochendörfer, S. 130. E Blank, S. 46 f. Kochendörfer, S. XXVIII; Haustein, S. 66–68.

Folge II im Langen Ton

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*7,22 / Ml 7,I / Ml 17,I IIa DI moler molent an ein want ein pild, als ich iu sag, daz ist sinagoga genant. nach sinem reht in gotes pflag ist im ein tuch von seiden planc gezogen fur diu augen sein. Als ich daz pild entworffen vant,

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ein joch ez trug vil troge, ein sper verkart in siner hant, zerprochen gar, daz was sin klag. ein kron von im gevallen was, deu gab von golde lihten schein. Ditz fremde pild bezeichent uns vil wol diu judischhait, di da gesihticlichen falschen gelauben treit. irs hertzzen sin ist plint, si gelaubent niht, daz maria, diu raine magt, geper ein kint, und wizzen wol, wie her Moyses vor gote muste stan: ein pusch enpran, dem ich gelichen kan: got unte. r ir maitlich prust entran, sich zunt des heiligen geistes fiur, daz ir genaden nie ze ran. si ist sigenunft des cristen gelaubens, gotes hertzze palsem schrein. *7,23 / Ml 7,II / Ml 17,II IIb Ein tyer so fremdz ich nie gesach so gar in wunder ste gemalt an einer wende flach, ich het ez niht gesehen me. ez het vier haupt und het vier pain und nach dem haupte hant und fuz. Miner sinn mir do geprach. der zadel tet mir we. min sinnic hertz mir da verjach, ez wer ein tyer nach niuwer e. auf den vier tyeren ein juncfrowe saz, becronet als ich iu sagen muz. Zwisschen iren klaren prusten stund ein creutz, und auch ein van ← da furt in irre hant deu maget wol getan → ein vaz von golde rot, dar in enphinc si gotes plut, daz schied uns sUnder auz der not. di becronte magt bezaichent uns vil wol diu cristenhait. daz tyer, daz trait eins kalbes stirn prait, eins leben haupt in under schait, eins aren haupt, eins mensschen pild. ewangelisten, ir seit berait got, sinen tot, urstend, auf vart. sein tot freiet sUnder valles pUz.

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IIc *7,24 / FIIId / Ml 7,III / Ml 17,III JOhannes in ein latern sach ein rosen wol gevar, dar auz ir schon gar lihte prach, mit zwelf stainen geziret gar. versigelt und versarchet was di roes und gab doch lihten schein in der rosen, als er gach, ein cristall sunden par, di ist aller keussch ein umme vach und gantzzer tugent ein adelar. dreier lai cron und vier lai pild, nu sagt, waz mac daz wunder sein? Der smit von oberlanden sant di rosen hoch geporn und di cristallen in di latern het erkorn. e daz wunder ie geschach, her david von der edelen suzzen, der rainen megde als er jach: „si sprach ‚kum zu mir, fridel min, ja pin ich dir berait, din eren klait han ich an mich gelait, swaz helle diet hie vor gestrait, an swert han ich ervohten, daz kain zunge nimmer mer vol sait, ich han verslihtet und verrihtet endelosen sweren pein.‘“ *7,25 / FIIIa / Ml 8,I IId Ich pinz ein morgen rotiu prehen und schein uber elliu lant, des mir all cristen muzzen jehen, di mich ie muter haben genant. ich han den smit von oberland, der elliu pild wol wurcken kan. Ja ist mir lip von im geschehen, er hat zu mir gesant. sin augen habent mich e gesehen, sein will, der ist an mich gewant. er gieng mir vor, ich gie im nach, untz ich in umme slozzen han. er ist mein lip, ich pin sin traut, deu lieb kain ende hat. er het mich liep in siner werden magestat, do er mit freuden saz, ich main des himelriches wirt, mit treuwen er mein nie vergaz. mein maitlich wird, min maitlich tugent den fursten des betwanc, daz er sich swanc

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durch neun chore ganc, er aht niht auf der engel sanc. sein hertzze nach miner keusschen minn mit gantzzen steten treuwen ranc. des schullen mir alle cristen dinen, der himel ist mir under tan. IIe *7,26 / Ml 8,II / Ml 11,I MARia lihter himel van, frid schilt der cristenhait, got in din maitlich prust entran und zoch an sich solich arebait, daz er wolt sunen und wider pringen endelos verlorniu diet. Der eren kunic sich wol versan, ze hant was er berait, dem gantzzer sinne nie zeran, der rainen mait er nie versait, er wolt den falsschen rat vertriben, den diu slang vern even riet. ein wizzer harm, der spilt ir vor, den vinc si in ir schoz, deu raine maget, der kain wunder ist ze groz, der sunder fride schilt, und daz der harm in tugenden weis in ir vil suzzer schozze spilt. der harm ist sant marien sun, der junge werde degen. wir ware. n verlegen in der sunden wegen, er kom und praht uns sinen segen, do er uns an dem crutzze erlost von siner seiten plutes regen. gots marter und sin herter tot uns all auz grozzen noten schied. IIf

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*7,27 / FIIIc / Ml 11,II

MAria, hohster himelhort, trost aller cristenhait, mit gantzzen sinnen also bewart, do sich got, herre, drivaltikait hat herab genaiget, drivalt beslozzen in deins hertzzen grunt. Daz himelrich was vns verspart, der fluch was uns betait. din suzziu tugent den fursten lart, daz er uns helle fluch vergait. er ward in dich gesegent, gewihet, daz ist den wisen leuten kunt.

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Johannes siben kirchen hat mit siner hant geschriben siben heilikait, und di sint all pei dir beliben. gots muter, rainiu mait, engelisscheu zunge, menschlicheu diet ez nimmer en vollen sait: dein maitlich wird, dein maitlich tugent ist gar manicvalt und ungezalt, gruen als ein gruner walt, der mit plude stet gestalt. maria, gotes muter traut, du maht gepieten und hast gewalt. du trugd, der himel und erde trait, und preht uns eren richen funt. 7,1 / FIIIb / Ml 8,III / Ml 11,III IIg MAria, pluendez mandel reis, des hohsten mannes schrein, du smeltz ab uns der sunden eys mit pete gen dem kinde dein, du vil weiser salomones wol gezirter kunges tron. du Judit, di des siges preis gewan, als uns ward schein. Ester, du kuneginne weis, du sich din volc in noten sein, daz wir gen assverus versunen von deines suzzen mundes don. du rain Johel, du hast erslagen ze tod den sysoran. du pist auch, di der slangen all ir maht benam. du keusscher laite stern, du pist deu keusch abiguel, wir sunder muzzen dein begern, seit daz dich gruzt der kunc david, der goliasen sluc und im entruc sein haupt weislich genunc mit starcken spehen listen kluc. wend ab uns, kaiserinne, frauwe, grozzer sunden ungefuc, also daz wir dich aneschauwen und dinen eren richen lon.

A R 66 rb–68 ra, Überschriften a Hie hebet sich an d’ marener in siner langen weis. b D’ marn’ sin langweis. c aber sa Der Marner sin langweis. d Marn’ langweis. e allez der Marn’ sin langev weis. f aber sa allez der marner sin lang weis. g allez d’ Marn’ di langweis.

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Texte

B Blank/Kochendörfer und RSM 4, 1Marn/7/102a, S. 294 verzeichnen die Strophenfolge als siebenstrophiges Lied; Form 1, Variante: fast in allen Versen Auftakt. D HMS II, S. 246–248 nach R und C; Kochendörfer, S. 134–137 nach R. Cramer I, S. 415–418 nach R. E Strauch, S. 75; Blank, S. 49; Haustein, S. 85 f.

Folge III im Langen Ton

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*7,25 / FIId / Ml 8,I IIIa Ich pins ein morgenrot im prehen und schein uber elliu lant, des mUzzen mir die christen jehen, die mich e mUter hant genant. Ich han den smit von Oberlanden, der alliu pild wurchen chan. Ja ist im lieb von mir geschen, er hat zU mir gesant. sein augen habent mich e gesehen, sin wille ist an mich gewant. Er giench mir vor, ich gieng im nach, untz ich in umbeslozzen han. Er ist mein wirt und ich sein praut, die lieb dhein ende hat. Er sach mich an in siner mayestat, da er in fræuden saz. Ich mein des himelreiches wirt, der mein mit triwen nie vergaz. Mein chæusch, mein gUte, mein wirde den fursten des betwanch, daz er sich swanch her durch næun chor ganch, Er acht niht nach auf der engel sanch. sein hertze nach meiner mægdleich minne mit gantzen triwen ie stæte ranch. Des sullen mir die christen dienen, mir ist der himel undertan.

IIIb Maria, plUndes mandelreys, der gUt ein voller schrein, du smeltz ab uns der sunden eys mit pett gen dem chinde dein,

7,1 / FIIg / Ml 8,III / Ml 11,III

Die Sangsprüche 5

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Du viel reicher Salomones wol gezierter chuniges tron. Du Judith, diu des siges preis gewan, als uns wart schein. du Hester, chuniginne weis, du sihst ze dem volche in noten sein. sUn uns gen dem Asswerum mit deinem sUzzen mundes don. Du rain Johel, du hast ze tod erslagen den Cesram. du wære auch, diu der slangen all irr maht benam. du lichter laitstern, Du pist diu weyse Pigehel, Wir sunder mUzzen dein begern, seit daz dich lobt der chunich Davit, der Colliam slUch. weisleich genUch sein haubt er im entrUch, als uns die schrift von im gewUch. Hilf, rainer mUter und mayt, von unsern sunden ungefUch. hilf, daz uns werde dort dein immer erenreicher lon. IIIc *7,27 / FIIf / Ml 11,II Maria, hoster himel zart, trost all der christenhait mit gantzem sinn, als ez bewart, daz sich diu hoch drivaltichait her ab zu dir genaiget hat drivalt in deines herzen grunt. Uns was daz himelreich verspart, der flUch was uns berayet. dein tugend den fursten des gelart, daz er des valles flUch verjaet. Er wart gewidemt und geweiht in dich, dast weisen læuten chunt. Johannes siben chirchen mit seiner hant hat beschriben ← die siben helicheit → sint pei dir beliben, du mUter und mayt, daz engel sin noch menschen zunge daz wunder nimmer volsait. „mein zucht, mein schone, mein gUt, mein wirde, diu ist so manichvalt, gar ungezalt, grUn alsam der walt, der ze fræuden ist gestalt.“ Hilf, raineu mUter und mayd, daz wir in sunden iht werden alt. hilf dahin, da uns ewige fræude mUzze werden enzunt.

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IIId *7,24 / FIIc / Ml 7,III / Ml 17,III Johannes in Latern sach ein ros so wol gevar, darauz ir schone gar lieht geprach Mit zwelf sterne beschonet gar. versiegelt und versarchet waz diu rose und gab dar gar lichten schein Al in der rosen, als er jach, ein christall sunderpar, mit rainer chæusch ein umbe vach und gantzer tugend ein adalar. vierlaye pilde und dreylay chron, waz wunders mach daz nu gesein? Der chunich von Oberlande, der sant die rosen hoch geporn. die christall und die latern het er auz erchorn. So grozz wunder nie geschach, her Davit zU der rainen sUzzen magt vor viel wunder sprach: „nu chum zU deinem Vriedel!“ si sprach: „des pin ich berait. sein erenchlait han ich an mich geleit. swaz ie helde ie vor mir strait, an swert han ich ervuchten, daz dhein zunge nimmer vol seit. ich han verslihtet und versUnet endelose swære pein.“

A t (verschollen; Abdruck Schönach, s. Einl. S. 15 f. ). d8 vach R] nach t. d9 tugend R] tungend t. d19 ervuchten R] eruchten t. B RSM 4, 1Marn/7/102c verzeichnet die Folge als vierstrophiges Lied; Form 1, Variante: fast in allen Versen Auftakt. Cramer faßt Strophe 1–3 als Lied, Strophe 4 als Einzelstrophe auf. b18 gewUch, mhd. gewahen ‚berichten‘. D Schönach, S. 285–289; Cramer I, S. 32–34. E Cramer I, S. 407 f.; Kornrumpf 78, Sp. 142 f.; Wachinger 85, Sp. 77; Haustein, S. 82–84.

Folge IV im Kurzen Ton IVa Ich mercke, daz die sonne wol dryer hande gabe hat al von des almechtigen gottes magen crafft:

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Die Sangsprüche

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hicz unde fur liecht unde schin, die dru ich scheyden nicht. Suß lebt in hoher wunne die werde hohe trinitat, ein got in dryn personn mit dryen namen haft: vater, son und heiligeist, also der glaube gicht, Damit wir cristen lebendig und tote soln genesen. daz keczer, juden und die heiden in yren falschen buchen lesen –, der tauff und auch daz crucz uns vor den vynden nert, die uns von selden scheyden. wir, die von gottes gaben fert, Wiß uns genedig, herre vatter jhesu crist, sit daz du unser starcker vogt vor allem ubel bist. IVb *6,22 / Ml 15,IV Eva es dar zu brachte so, daz der mentsche wart verlorn, da halff uns wyder ‚Ave‘ daz vil suße wort, daz heilige engel zu der reynen meyde sprach. Der grUß uns freud herachte, daz got ab liess den sinen zorn Und gab uns armen sinen lieben hymel hort, in den er sich verbarg, byss er zu muter ir verjach. Die mynne twang der meyde son, daz er durch uns syn leben dem tode gap durch rechte mynn, daz er uns wolt ewig leben geben. Nu bit ich dich, vatter, son und heiligen geist, so daz du richtest myne synn, syt du mich ie in sunden weist, daz ich gebusse die hie vor dem ende myn. dar zu sprich, Maria, din bett, frau, aller kunigin. IVc Hie vor vor alten zyten ysayas, der wyse seyt von einer schonn bluwenden gerten, ist genant al von jesse, uber die erd gewahsen hoch enbor. On alles wider strytten so bistu, keyserliche meyt,

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Texte

zu der sich cristus, die gotliche blUme, want, der uns dort von der helle bracht hin vor dez hymmels tor. Du bist es, keyserliche meit, vil wol ein bluwend ryss. du kem uns in der zyt zu trost, do sich in einer lilgen wyss got in din mentschelich nature er sich want. er nam uns von dez tufels rost und ließ dich magt, alz er dich vant. Und du geber den zarten got on missetat. Er schuffe, daz din kuscher lyp gar unvermeilet stat. IVd Mary, du bist beschonet, du lichte lilge one meil, du mynnicliche fyol, hymmel keyseryn, heilig dryackel, balsam smag vor immer wernden tode. Mary, du bist gecronet, cristus, din kint, daz hochste heil, Den du geber on alle mentscheliche pin, des muter und der cristenheit, hilff, helfferynn, uß not. Des habent dich die heilgen engel hoch liep unde wert, Al umb din tugenthafte gute manig sunder din begert, wann was du bittest hin zu got, daz ist geschen. Hilff uns ins hymmels blUte, da wir got one ende sehen. Er was din vatter, ist din son und din schopfer. Maria, mUter, reyne meit, hilff uns von sunden swer. IVe Ob allen frauwen frauwe, gotz und ein reine magt, du hochgelopte kunigynne, gottes brut, der hohe got geruchte dich vor aller welt erweln. Du ros in hymmeltauwe, du bist vor got, alz man uns sagt, ← ob aller creaturen, → frau, bistu sin trut. Wer kunde dine tugend rich nu volliclich gezeln? din lop ist allen zungen uber creftig unde starck.

*6,24

6,1 / FIc / Ml 15,III

Die Sangsprüche 10

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299

wer mocht soliche kraft erspannen? got sich mentschlich in dich verbarg. sunder all mannes hilff din lip in kusch gebar, dem all kung mussent mannen. auch dienent ym der engel schar. du bist auch aller frauwen schilt fur daz ytwyss, den in eva beschuff mit einem cleynen apfels byss. IVf TRost aller cristenheyte, Alz uns die ware schrifte sagt, du dube sunder galle, roß on allen dorn, du reyne wol gewUrkte arck fur all unkusche flUt, Nu byss, frau, myn geleite, sit daz din kint dir nit versagt, an unserm ende wende, frau, den sinen zorn. Ich weyß wol, was du an in gerst, daz er daz gerne tUt. Du man in syner wyssheit, syt daz er die wysheit ist. du man in sins gewaltes, syt dem mal du sin gewaltig bist. du man in sinr erbermd, die ist so manigfalt, Sit du, frau, tugend waltest. in sunden bin ich worden alt. der sunden kan uff mir doch nit so vil gesin, siner erbermd ist dan noch me. gnad, frau, ein trosteryn.

6,9 / FIb

A k 494 ra–495 ra (Melodie), Überschrift In marner kUrcze od’ hofedone. c5 wider] wd’ k. d4 immer] myne ¯ k. B Nach RSM 4, 1Marn/6/500a ein sechsstrophiges Lied in Form 2; die vv. 10 und 13 zuweilen um einen Takt gekürzt (d. h. eigentlich: Form 2 und 3 wechselnd). Zur Frage der Echtheit: Bartsch (62, S. 162): „Von CII halte ich die ersten drei strophen für echt, die vierte … ist entschieden jünger.“ Strauch hat sich dem angeschlossen. RSM notiert zu Str. 1 „vielleicht Marner“ und weist 2–4 einem unbekannten Verf. zu. a4 Strauch interpungierte den Vers so: hitze und viur, lieht unde schîn, die tuon ich …, was P. Kern (S. 249) wie Haustein (S. 69) veranlaßte, in diesem „unklaren Vergleichsbild“ Sonne als „Glied der Dreiheit und zugleich als Einheitsbegriff“ aufzufassen. Ich verstehe lieht als nachgestelltes Adj. zu fur. a14 noch unklarer

300

Texte

als die Basler Fassung. Der Schreiber verstand fert wohl als 3. Sg. von varn, also die … fert als nachgetragenen Relativsatz zu selde (v. 13) und wir als voraufgestelltes Subjekt zu v. 15? D Bartsch 62, Nr. CII Str. I-III und V-VI; Strauch, S. 130–132, XIV,18a-c. E Bartsch 62, S. 162; 678 f.; Strauch, S. 74 f.; Haustein, S. 68–72; Baldzuhn 02, S. 338 f.

Folge V im Kurzen Ton Va

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*6,25

Welch frunt mich welle straffen, der sol mirs heimelichen sagen also, daz es niemandes hor dann ich und er. so mag ich ym es dancken unde nemmen wol vor gut. Wil er lut schryen ‚waffen‘ und wil auch liegen durch den kragen, von dem so wil ich seczen alle myne gier. zwar ich werden ym nymmer holt, der mir daz selbe tUt. Wil er sagen, ob mir icht gutes sy von ym beschehen, was fruntschaft sol ich dar an kiesen oder mich gutes da versehen? doch vindet man noch mangen, der daz selbe tUt. er mocht zum lesten dran verliesen: seh ich sin schuwer in einer glUt, vil licht decht ich, was er mir vormalz het getan. wasser zu tragen und myns dinstes mUst er wesen an. Vb WEr mir hat ubel sprochen, Seh ich dem selben sinen wagen darnyder vallen, zwar, ich hub in nymmer uff. da by so mag man mercken, brUffen einen spehen list: Vil dinges wirt gerochen, daz han ich dick gehoret sagen, daz so mit cleynen dingen wirt geleget druff. manchem ein duckellin geschicht, daz doch nit vintschafft ist. Ein cleines wort mag wol herczornen einen byderman,

*6,26

Die Sangsprüche 10

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daz ym doch nymmerme vergysset, und keret sich doch nit dar an. ist aber, daz man sin hernach icht me bedarff, zu hant er daz gemisset; vil bald ers da her fure warff. So wirt verzygen alz, daz man an in begert. ein cleines wort ischt schir geschen, daz manchen macht unwert. Vc WEr gauckelt under ein hUte und lasset red vor oren gan, byss er besynnet, wa daz wort hin reichen mag, Des anwort dann ein wyser man villichte oder nicht. Min ler kumpt ym zu gute, ist, daz ers rechte kan verstan. Ez komet noch in drissig jarn villicht eyn tag, myn ler kumpt ym zu nucze, daz man ym lobes gicht: Wer aller rede entwort gyt, ist nit ein wyser man, und eim wil vintschaft tragen, des er doch schaden nie gewan, der selb wil keuffen krieg und unbescheydenheit. den sol man wenig clagen, so man in hin zu grabe treit. Es wer doch weger vil, er were nie geborn. wer nu lept in der wys, der heist ein rint wol one horn.

*6,27

A k 495 ra-va. Die drei Strophen ohne eigene Überschrift, nur mit etwas größerer Initiale an die vorigen Strophen angeschlossen. a12 selbe] sebe k. b3 zwar ich] zwischen zwar und ich ein Auslassungszeichen, über der Zeile nicht sicher lesbar dih oder dicz k. b5 wirt] wir k. b12 icht] ich k. b16 manchen] mache k. B Nach RSM 4, 1Marn/6/501, S. 283 ein dreistrophiges Lied von einem unbekannten Verfasser, Form 2 und 3 wechselnd. Bartsch (62, S. 162) hielt die beiden ersten Strophen, die in k durch keine Überschrift als verbunden ausgewiesen sind, für echte Einzelstrophen, die dritte für unecht; Strauch (S. 74 Anm.) hat sich dem angeschlossen. D Bartsch 62, Nr. CIII; Strauch XIV,18d und e. E Bartsch 62, S. 162; 679 f.; Strauch, S. 74 Anm.

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Folge VI im Kurzen Ton

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VIa GOt, der hat michel wunder uff der erden und in dem see, daz doch den ungelerten ist vil gar unkunt von yrer buche ler und von der wysen sag. So wundert mich besunder, war uff die erde stille ste, und wo der wag rure uff diffen sees grunt, Wo sich die nacht verberge vor dem wunniclichen tag. Daz lassen wir den schopfer pflegen, der weiß all ir schafft, und singen von den tummen luten, die nit kennen gottes krafft. Ein yglich creature kennet wol sin zyt, on ← daz dier in mentschen hute → lept gegen got in wyder stryt, ist innen wolff und ussen schaff, frisset daz lamp. waz an dem hanen nit ensy, daz zeuget uns der kamp. VIb WEr kum sunder gedencket, was er gesundet hat sin tag, daz ym got rechte ruwe send uff einen tag, da mit er aller siner sunden wil gefryet sin, Owe, wie er sich drencket! er hute, daz in nit her jag dez starcken todes creffte, der ym gyt ein slag. Got alten und den jungen an dem ende sweret pin. Ja vorcht ich, daz vil mange sele da von werd verlorn: wer nu vil sund wil uff sich borgen byss uff dez starcken gottes zorn, Wer uber heubet sund, der ruw nit in wil gan. dez sol wir bicht und sorgen und uff die sunde angest han. Wer auch mit willen in der sunde lage lyt, Es wirt sin ungewin, kumpt er suss an die leste zyt.

6,3

*6,28

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Die Sangsprüche

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VIc Ein got on anbegynne, do er geschuff den ersten man, da mitt er freud groß im hymmelrich began, er hat in so gemachet, daz er ymmer solte leben. Witze und dar zu synne gab er ym vil, alz er wol kan, Und daz so schones nie nit wart, seht, alz Adam. Und alle creature mUst nach sim gebotte streben. Daz kam von gottes gUte, daz sin wysheit was so vin. Visch, vogel, wurme und die tier, die kanten all den willen sin. Und daz enwert nit lange; darnach daz geschach, daz unser mUter eva dez edeln furst gebot zubrach. Umb eines cleinen apfels byss sie da verkoss ← die hymmelische freude → sie uns allen gar verloss. VId DEz undern und dez mittern unde dez hohen ist so vil, so daz es mentschen synne nit dorch und waz dar inn gemUschet ist oder noch myschen mag Dez sußen und dez bittern (Und wer der kraft herkennen wil, den truget licht ein ygliches ding dar und dan.), waz die vier elementen hant gemachet nacht und dag, Was fluhhet, flußet, get, stet, wehset, wahset, was da krist, wie stern sich in lUfften rUren, und wie der hymmel geesset ist, planeten lauff (daz heissen wir snUre mess), wie sich dunr, wind umb furen, und wo daz apgrund nem sin sess, Ein regens tropfen zal, mer griess und laup und wo die regenbogen nemn der cleynen sonnen staup. VIe WEr gibt den tieren spyse? wer gibt den rabe kuchen maß,

*6,29

6,16

*6,30 / Ml 18,III / Ml 19,III

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und wer tut wunder an dez lewen welffelin? Wer gyt dem edelen holcze frucht, der erden bly und zin? Wer gibt den vogeln wyse, dem einen wirs, dem andern bass? Wer gibt den bergen wasser und den stocken win? wer neret in dem wag den visch, wer gyt Ameyssen sin? Wer gyt der sonnen hicz und schin, monen und sternen glast? Wer gyt vinsterem licht und heiter? wer hebet uff der erden last? wer gibet gryffe, lewen fuß und vogel cla? wer gyt wormen gift, eydter? daz tUt der schopfer, mentsch, sprich ‚ja‘. Diese wunder wigstu geringe alz ein ey; Und wann er wil, so teilt er dir lyp unde sele entzwey. VIf Ein cleiner tropfe zinnsel, der durckelt einen herten stein, da sine tropflin vallent, alz die meinster sagent. eins bockes blUt, daz hat die macht, es bricht den adamant. Der maler mit dem binsel malt bild groß, clein an eine want, da vor die lut sich clagent sund und missetat, die sich herkennen gegen got, wirt yn die ru bekant, daz er dem sunder gnedig ist, ob er gancz ruwe tUt, Die kommet von dem herczen, bringt uss den augen wasser, blUt und leschet sund recht alz daz waßer glUend koln. Nymm an dich rU und smerczen, dar zu so soltu buß doln. Bicht unde buß, die sturet wol der sunden stift, Und wo die ruwe rechte ist, sie tilget sUnden schryfft. VIg GOt herr uss einem steyne Ein cleynes waßer fliessen hiess, da von ein großes volk und auch sin fyh getrang In einer wUstenunge, da nie kein waßer floss.

*6,31

6,10

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Hilff mir, daz ich beweyne die sunde, der ich nit enließ in minr jugent; myn kintheit mich darzu bezwang. got an dem crucze blUt und waßer vor uns sunder goß. Schopfer, du hast nach dir gebilt gar alle cristenheit. dinr wunder ist nit eins alleyn: din hant die hymmel, erde treit. der mentschen synne und gedenck sint dir wol kunt. ja wart nie tropff so cleine, so tieff al in dez meres gront, du zeltest in, wolstu es tun, und meres griess. din son hie uff der erden vil wunder werden liess.

A k 501ra–502 ra, Überschrift Ab’ and’ im kurcze marn’. a13 in C] nicht in k. b1 kum] kun k. c1 Ein] Gin k. d10 in C] nicht in k. d16 nemn] mem. e4 edelen] delen k. e16 entzwey] ein zwey k. f6 groß clein] clein groß k. f11 bringt] brig k. g5 beweyne] bewyene k. g11 hant] hat k. B RSM 4, 1Marn/6/508a bezeichnet diese Strophenfolge als ein „Konglomerat von geistlichen Strophen“, bei dem Form 2 und 3 wechseln. Die Formulierung läßt (bewußt?) offen, ob damit mangelhafte Komposition alter und neuer (eigener?) Strophen durch einen Verfasser oder die Aufzeichnung des Schreibers gemeint ist, der ihm bekannte Einzelstrophen wahllos hintereinander stellte. Haustein hingegen sieht „die Kombinationskunst der Liedredaktoren des 14. und 15. Jahrhunderts hier auf einem Höhepunkt“ und kann sich „kaum eine geschicktere Auswahl und Verbindung alter mit jüngeren Strophen vorstellen“. Er kommt zu dieser Einschätzung, weil ihm Motivparallelen, und seien sie noch so vage, und Wortwiederholungen oder auch nur Anklänge in gleicher Weise hinreichen, um ein Beziehungsgeflecht auszumachen, das er absichtlich hergestellt sehen will (s. dazu S. 14 Anm 16). E Haustein, S. 108–110.

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Texte

2.2.3 Marner-Sangsprüche in anonymen Baren (Ml 1–19) Aus der Heidelberger Hs. 350

Meisterlied 1 (im Langen Ton)

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7,18 1,I Da minne menshin mUt besaz, ir wunder wolte dobin an mannin unde an wibin, daz vil manigir kan unwislich lobin. minne sol sin undir zwein mit stedir liebe wol behUt. Entwirfit sie sich fUr baz, ir wierde wirt zUr clobin und deilit sich in erin haz. ein lob kan nieman Ubir obin, daz ist: wibis stedekeid, gein stetin frundin wiblich mUt. ein ieglich wUrz ferwet nach ir saffe ir blUmin blUt, alsam die werde minne ir frundis bilde dUt. der minnin varwe ist glanz, wa man die findit ane meil, da ist die werde minne ganz. Minne leidit undir wilin lieb unde liebit leit. die minne dreit mit gedUldekeid liebe in sendir arbeit unde senit sich nach deme, daz sie hat in frundis herzin grunt geleit. minne ist ein er unde ein sie, zwei lieb ane Ubel, ein zwivaltig gUt.

1,II Da minne menshin mUt besaz, sich hUb unstedekeit an dem vil altin, also ich las, adame; seht, sin mensheit von der minne genidirt wart, daz shUf eins cleinin obzis biz. ir rotir munt shUf ieme den haz, da bi der lib gemeit. auwe dir, jemirlichiz maz unde falshir minne undirsheit, adam, daz din menslich art gegebin was in dodis gliz!

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Da begunde hebin an der minne unstetir mUt. hei, minne unde wiblich shin noch manegim shadin dUt, deme also adame geshiht, daz man ien durch des jamirs guft in shandin phUl hien fallin siht. werde minner, nU lat falshe minne, deist min rat. groz missedat lit an ir unde unflat. sie hat ir leide frUht gesat in der vil diefin helle grunt, da sie mit heile niht uf gat. hUt dich for sullichim shadin, unde wilt dU plegin rehtir wicz.

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1,III Da minne menshin mUt besaz, uf grozin ungewin des mannis herze sie do maz; sie maz iz her, sie maz iz hien. wundirlichiz wunder wUs an ir mit manegir hande kraft. Behende ist minne unde niht zU laz uffe maniger hande sin. ein wisir meistir riet mir, daz ich argiz rodel wUrfe hien. sorgin wehter wachin mUz, daz ien die minne iht dU behaft in der shandin freise, da bi in des lastirs clobin. wer dar in komit, der ist in leidis hol geshobin. Jung man, nU hUte dich! betwingit dich der wibe glancz, daz ist an dir fil jemirlich. Kaym mit unminne abel, sinin brUdir, slUg uf ungefUg, shande er dannin drUg, die ieme nieman abe getwUg. god starkir rache, sa man seit, durch die unminne do gewUg. minner, la dich findin frUt, wande dU bist godis lib geshaft.

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1,IV Da minne menshin mUt besaz, ir wundir warin vil. Sa we dir, argiz lUge vaz! dU reizil clobe unde eitgespil ← eitirlichir gifte, → sich, der hast ie beslozzin fil.

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waz sal ich dir nU sagin, waz? dU wilt uf dodis zil. durch god, war umme dUst dU daz? mit zUhtin ich dich warnin wil. halt niht wan in maze dich deme vil edelin sinne din. verstil unrehte minne, ← wa man sie gesprenzit vor dir dreit, → da fluch dU von ir, daz dUrit dine werdekeid. dU dU deme vil gelich, deme edelin wisin Habraham, der sinin sUn sa seldin rich durch die ware minne gab in den vil grimmin dot, also ieme gebot druwe sundir not. er wag rehtir wage lot. iz was jhesus, der megede sUn, der durch uns goz sin blUt sa rot. minne, die da wandil drage, vil liebir frunt, dU gar verhiel. 1,V „Da minne menshin mUt besaz, wen hette sie da vor besezzin? sagint, meistir, daz, unde varit uf der straze spor ← endelich unde ane wang → sa dUt mir die warheit kunt.“ des dU nU fragist ane haz nach fries herzin kor, sa wil ich dich besheidin baz: sich in din selbis herzin dor! „meistir, sUche den gedang: wen ie die erste minne enzunt Tede in sinem mUte, den salt dU mir sagin an. was iz Adam der erste? daz la mich verstan!“ Nein, dU salt ratin baz. „sa was iz lihte der zarte god, der rehtir minner nie vergaz?“ nU hast dU in fundin, deme die minne e was bekant. gar unzUdrant ware minne in bant zU einis kUshin herzin want, daz was die keisirliche magit, die er gar unferserit vant. seht, der minne folgit nach, sa werd ir niht in shandin wunt.

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1,VI Da minne menshin mUt besaz, e was sie wordin kunt den reinin geistin ane haz, die da zU hiemilriche enzunt vor des godis augin clar in minne warin, sa man seit. wa ward ie sal besezzin baz mit froude an cleinir stunt? da wUrdin augin nummir naz, sie fundin keinin falshin funt. ewekeid gar uffinbar hant sie in selde ane undirsheit. Jedoch, also die shrift uns sagit, den hohfart bant, auwe, dem ward der flUch bedagit. Unminne det ieme pin und da bi grozir UbirmUt, daz er deme ediln sheppher sin wolte an wierde gar gelichiz modil shone dragin, den argin zagin da begunde jagin, also wir die shrift noch horin sagin, und die ieme woltin folgin mite in der vil diefin helle kragin. shUhit hohfart, minnet minne, sa wierd uwir selde breit. 1,VII Da minne menshin mUt besaz uf wandillichiu ker, god der gerehtin nie vergaz. vil gar ane alle ser wolde der vil milte Crist der sunde minne widir wegin. Der milte in sin gemUte las, daz er ein bilde her volbrengin wolte, wizzint daz, mit reinekeid und dannoch mer mit der kUshe uf werndin list, iz was die magit uzerwegin, Die in spiegellichir forme ob allin formin ist. god sie sus goz ieme selbin gar uf minne list in sinir ewekeid. zU mUtir er sie do erkos unde auch zU drute ane undirsheid. des sie wunninberndiz lob den gnadin sin gesagit. sie was ein magt

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kUshe, die ieme behagt, wan ir die minne was bedagt der godelichin driefaldekeid; dem sheppher hat die zarte gewagt mUtirliche jungin lib, sie kunde sin mit minne plegin.

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1,VIII Da minne menshin mUt besaz, David, daz wart dir kunt. din lib wart manigir froudin laz, die minne det dich, helt, verwunt. an der shonin Bersabe din herze hette gar gedobit. din herze an sich undruwe maz. waz solte dir der funt, daz dU durch nit deme drUge haz, der dir geneigit uf den grunt was uf allis stritis

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bide Maria, kUnegin, din kint, daz uns sin werndir segin werde zU deile minninclich, behUde uns for der helle grunt.

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1,XIII Da minne menshin mUt besaz, sie wart Paulo bekant, da er hien reit von kaukasaz. sin sheppher leite im minne bant an den unferzagetin lib. ‚Saulus‘, sa was der helt genant. Crist ieme ‚paulum‘ den namin maz. er slUg ien mit der hant. sin ungelaube, also ich iz las, von rehtir minne wart zUrdrant. dUt dem wandil widirdrib, man unde frauwin wid erkant. folgit paulus lere, der Saulus geheizin was. die godis minne mahte ien mit ir dauwe naz, sie det ieme wundir kunt. nie bezzir lere rich gefloz, daz shUf die minne uz menshin munt. paule, dU geblUmtiz edil zedirbaumis ris, durch fliz

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ward dir daz paradys gar sundir falshin idewiz. wol ieme, wer shone erwerbin kan als dU von minne werndin pris. der nach paulo minnin kan, den rUre nummir hellebrant. 1,XIV Da minne menshin mUt besaz, Petre, waz det sie dir? daz salt dU kUndin ane haz. sage ane, iz ist mins herzin gir. dU mir von der minne kunt, wie daz sie habe betwungin dich. „Marner, ich wil dir sagin daz, dU salt gelaubin mir, unminne mahte mich gar laz, daz ich mins herre me danne zwir loukin det in kUrzir stunt, daz was doch an mir wundirlich.“ Petrus ist sa vil gesprochin also ein edil stein, war man den dUt, er ist doch in ieme selbir rein. sam was daz edil vaz. wie er des lere meistirs sin mit sinin wortin do vergaz, doch hielt er in festeclich in sinis herzin grunt. er wart verwunt in sinne dusint stunt ←umme des krankin eides funt→ was er da siech, die minne mahte ien abir fris unde wol gesunt. reiniz wib, erweltir man, an sus getane minne sich. 1,XV „Da minne menshin mUt besaz, ir sin was wandels fri. besheidint mich von ir nU baz, weme wolte sie do wonin bi?“ iz was die, die hohfart vor betwungin hette, also man noch seit. die dar nach in ir herzin was in ruwin. wer noch sie, als sich die kUshe gUte maz, dem si die sunde alsame ein bli swere unde widirzeme gar von sUzis geistes undirsheit. O Maria magdalena, sUzir mandil zwi,

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dU zedir baum, dich det die ware minne fri unminninclichir dat. die reine minne lerte dich, drut, sliefin uz der shandin wat. reizil clobe, sundin stift, hie salt dU sehin an die frauwe, man, wie die sunde kan sich zierin uf hohferte ban. seht an den godis zartin geist, deme rehtir minne nie zU ran. folgit, same die gUte det, sa wirt uch minne gnade bereit. 1,XVI „Da minne menshin mUt besaz, wer hette sie uz gesant? des sol man mich besheidin baz, iz ist mir leidir unbekant, waz die stede minne si, wer mir daz sagit, daz heize ich kunst.“ sie wenkit her, hien fUrbaz durch engis herzin want. sie sluffe durch ein ganziz glas, dar umme iz doch niet wUrde zU drant. alsus kan sie wonin bi deme herzin, daz von ir in brunst. „Seht, die minne ist andirs niht, min meistir, wan gedang. unde ist der gUt, sa wirt sin froude ane allin wang. hei! menshe, daz sich an! gedenke, waz der bose gedang dir argir freise brengin kan. wer der warin minne plegin wil, der gedenke wol: der minnin zol pris ieme brengin sol, er ist sa widir gnadin fol. unminne entwenkit ← werdin kint → unsanfte ich jamir an dol. folgit wisir lere gar, daz wird der sele rich vernunst.“ 1,XVII Da minne menshin mUt besaz, wie sie do deilte sich? god, unsir kemphe, ir niht vergaz da er in notin jemirlich durch uns an deme crUce stunt, dar zU twang ien die minne do. Der eime diebe, wizzint daz,

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bi ieme da hieng gelich, den twang doch minne, also ich iz las, er sprach: ‚min herre, erbarme dich!‘ daz geshach in kUrzir stunt. dar nach sa rief er: ‚Sitio.‘ Daz was rehtir minne shrei, vil manigim ward daz kunt. die in der helle warin gar vor manigir stunt ie forteclich gelegin, den quam minne minninclich zU helfe, Crist jesus, der degin. sinir bittirlichin not manig sele do genoz, die er entsloz da uz jamir groz, des ien durch minne niht verdroz. Adamin nam er bi der hant, daz was sin erstir erdin cloz. er half ieme. same dU uns, god, mit ieme ane alliz ende fro.

A H 58 rb–61ra. III,14 jemirlich] iermirlich H. VII,12 minne] mine H. XIII,4 im] in H. XIII,11 was] wart H. XIV,13 daz] nicht in H. XV,9 si] nicht in H. XVII,4 er] nicht in H. B Nach RSM 4, 1Marn/7/101a: Form 1, Variante: ab Strophe 2 Zäsurreime v. 5 : 10; deutliche Zäsuren in den Versen 11, 14, 19 und 20. II,5 vgl. 6,1,6. II,10 gliz, i.d.Hs. g über b korr.; vielleicht in der Vorlage litz ‚Schranke‘? III,9 argiz rodel, Bech (dem Strauch zustimmt) glaubt, in diesem Vers sei eine Anspielung auf den Beruf des Marner (s. Anm. 126) versteckt und schlägt vor zu lesen ein wîser meister riet mir, daz ich arge ’z ruodel wurfe hin. III,20 lip geshaft? zu mhd. gescheffede ‚Geschöpf Schöpfung‘, das Kompositum vielleicht zur Betonung der besonderen, aus allen übrigen herausgehobenen Schöpfung. IV,4 eitgespil, wie eitgeselle ‚durch Eid verbundener Gefährte‘? VI,11 Der Vers ist zu kurz, zu ergänzen etwa der engel lucifer. VI,19 kragin ‚Hals, Rachen‘. VII,15 sie, mhd. sî. XVII,6 der Dat. gehört zu gelich (v. 7). XVII,13 forteclich, = mhd. vorhteclich. XVII,20 dU, kann auch 3. Pers. Konj. Präs sein, dann ist god keine Anrede. D HMS II, S. 252–256; WKL II, Str. 1; 5; 7; 13–17; Kochendörfer, S. 117–123. E HMS IV, S. 530; Strauch, S. 76 f.; Bech, 74, S. 52; Stackmann 58, S. 31; Blank, S. 44 f.; Wachinger 76, S. 194; 196; ders. 81, Sp. 605; Rettelbach, S. 93; 141; Haustein, S. 234 f.

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Texte

Aus der Leipziger Handschrift Rep. II fol. 70 a

Meisterlied 2 (im Kurzen oder Hofton)

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2,I Sibilla hait gesprochen Lange hie vur mange zijt, Dat riche werde hoer vUrsten bair. So nahet is deme ende sere, Dat is eyne groisse noit. Si blivent ungerochen, Da van so hieft sich mange strijt. Alle ir wort ich mit wairhet dUrch vair. Mit deser mere werdent noch de lant gar vUris roit. Si sprach, hie wurde noch geborn, De wUlfes zende hiet und hitze van der slangen munde; Der alle unrechte zo rechte deit. Wanne dat gescheen ist, Man sijt an der zijt Eynen sterren bi der stUnde Sam eynen pawe zagel wijt. So moissen seven sachen in der werilt ergaen. Dese mere saget Sibill Coning salomon. 2,II Der Coning vragede in pryse: „Sibilla, halt, de wicze din, De sint mir gar vremede. Dar umb do mir kunt, War umbe leses du dat holtz und wUdis durch de bach?“ Si sprach: „du bist unwyse, da van so la din fragen sin, Van deme holtze werdent siegen vil gesunt, De ummer ewenclich moisten liden ungemach.“ her sprach, das were eyne brUcke, dat was sibillen zorn. Si sprach: „es sal der herre tragen, de van der magede wirt geborn.“

2,III „Sibilla, sage ware: Wie lange sal de werilt steyn?“

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„du reydes usser dummen houft.“ „sage mir!“ Si sprach: „ich weis de mase wol und der merUnge neit: up drUzein hundert jair Noit und angist mois ergen, vur ware dat sage ich dir. Dar na xxj jair grois herzeleit gescheit. So is bruder weder bruder und vader weder kint. Alle recht sint unbehende; Vloide in allen landen sint. So hait der schymp eyn ende, Dat sage ich dir vur ware. bi deme roche is kome eyn vende, So koment hUngeriche jaire, und kompt der herren creig in allen landen breit. SchUlle und ungeweder doit der werilt manig herzeleit.“ 2,IV „NU wil ich vreude twingen, Sibilla, sage mir durch crist: koment eit hoer vUrsten, de der riche plegen? Dat sage durch den waren got, verswig is mir neit!“ „Vrauwe hildegart van bingen, In der boiche gescreven ist, Alle ir wort han ich mit wairheit gans durch wegen. Der Coning namen da inne sint, Dat boich dir der vergicht. Coning, mirke, das kompt eyn A, dat selve sleit eyn ander A. So grinent dan de wUlfe zende in allen landen hie und da. So kompt eyn h, deme wirt vergeven mit godis bloit. Sich, dumme werilt, wat danne got wUndirs mit dir doit: So kompt eyn f, eyn l, de cregent vij jare, Doch mois eyn f versonen alle der werilt kummer zware.“ 2,V zu Rome stoint gemalet listeclich ain eyne want manig lant, eyme ekelich heing eyn Clockelin aven. willich lant sich satte weder recht, de stelle lute lude sich. Da wart neit intwalet:

6,4

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De Romer voren us zo hant, Si twungen dat deme Coning wale zo loven. Nu ludet man zo sturme in allen landen, dUnket mich: Deme riche komet helpen nicht, Da van so nympt is ave. De vUrsten dragent och neit slechte infelen up houfde noch crumbe stave. Mainzer, Treirer, Colner, zo Ayge steit der stoile. Der paifs, der deit ouch neit recht, hie meilt, da e de keyser moile: Dat riche hait de clien, So wirt eme der kerne. Da van mochte noch Roimsche riche Des keysers neit enberne.

A N 102 ra-va. B Nach RSM 4, 1Marn/6/101a, S. 278 Form 1 Variante: Fast alle Verse haben Auftakt. Das Lied eines unbekannten Verfassers entstand 1321 oder 1322. I,1 Sibilla, Name antiker Prophetinnen. In den deutschsprachigen Sibyllendichtungen wurde deren Namen und Funktion auf die legendäre Königin von Saba (2. Chr. 9,1–9) übertragen. Ereignisse der Gegenwart (s. u.) oder der nahen Vergangenheit wurden als Prophetien mit solchen des Antichristes und des Weltendes verknüpft. hait, die Hs. schreibt häufig i/y als Zeichen der Vokallänge. II,1–12 In der Kreuzesholzlegende (s. W. W. Krapp, 2VL 5, Sp: 371 f.), einem Kernstück der Sibyllendichtungen, erkennt die Königin von Saba in einem Brückensteg das Holz des späteren Kreuzes Christi und will den Steg nicht betreten. II,7 siegen, mhd. siechen. III,3 houft, mhd. houbet. III,11 Vloide, mhd. stf. vluot (die Hs. schreibt o(i ) für mhd. uo) Überschwemmung; vgl. Neske, S. 282 v. 649f. der Reimpaarfassung und ebd. S. 320 und 328 die erweiterten stroph. Fassungen. III,13 roch und vende, die Figuren Turm (Fürst) und Bauer (Fußvolk) im Schachspiel. 16 SchUlle, Scholle; Lexer vermutet ‚Hagel‘. IV,3 eit, mhd. iht. IV,5 Hildegard von Bingen (1098–1178) zu ihrer Zeit weitberühmte Äbtissin und Verf. mehrerer, z. T. visionärer Schriften (s. C. Meier, 2VL 3, Sp. 1257–1280). IV,9–16 erweiterte Fassungen des Liedes enthalten die Auflösung: A = König Albrecht I, ander A = Adolf von Nassau, H = Kaiser Heinrich VII, F = Friedrich der Schöne, L = Ludwig der Bayer, F = Kaiser Friedrich II. Nach der sehr kurzen Regentschaft Heinrichs VII., der Albrecht I. auf dem Thron gefolgt war, stritten Friedrich von Österreich und Ludwig der Bayer acht Jahre um die Nachfolge, die Ludwig 1322 für sich entschied. Das Lied sagt noch den Sieg des F voraus, muß also früher entstanden sein. V,12 die drei geistlichen Kurfürstentümer Mainz, Trier und Köln. Ayge, Aachen.

Die Sangsprüche

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D HMS III, S. 468h-i; Müller I, S. 60 f.; Schmeisky, S. 204–207. E F. Vogt: Über Sibyllenweissagung. In: PBB 4 (1872), S. 48–100; Neske, S. 5–14; Müller, S. 495–501; RSM 4, S. 278–282; B. Schnell/N.F. Palmer: Sibyllenweissagungen (deutsch), 2VL 8, Sp. 1140–1152; Rettelbach, S. 22; Hohmann, S. 205–232.

Aus der Kolmarer Liederhandschrift

Meisterlied 3 (im Langen Ton) 7,8 3,I Maria, muter, reine meit, ros one sunden dorn, die heilig schrift uns von dir seit: wir waren alle gar verlorn, 5 da halff din kusch und gottes gUt uns usser ymmerwernder not. Wir sint in arger zyt beteit. milt uns den goittz zorn. din son dir nymmer nit verseit. der helle wirt hat es gesworn, 10 er woll uns werffen ewiclich all in den ymmer wernden tot. Nu bitt got und gebUt dem eingebornen sone din, daz er uns hie nit lass also verwyset sin dorch solcher freuden kunft, Sit er zu trost gesendet hat sins todes urstend in vernunft, 15 Und er den grymmen tot mit sinem tod vor uns herslug und ab uns zwUg der sunden ungefug, die sich die mentscheit uff ir trug. daz waz der cristenheit zu trost von yrem schopfer me dann gnUg, 20 daz er sich zu der martern sin hie fur uns an daz crucze bot.

3,II MAria, hymmel keiserin, muter der kristenheit, din diener wolt ich gerne sin, So irret mich unstetekeit,

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daz ich vor mynen sonden ganczen rUwen nit gehaben mag. Daz ich so gar unselig bin, dast mynre sele leit, wann sie sich von mir scheidet hin, noch wercken ir der lon bereit, so forcht ich, daz sie flUchende werde dem libe, do sie ynne lag. Ist es dort nU als engestlich, als uns die schrift hie saget, so bit fUr uns, dU hoch gelobte reine maget. din trost uns wol erneret. des hymmelrichs konigin, laß uns din helffe sin beschert. wir sint in unsern sonden leyder dicke worden wont. mach uns gesunt al dUrch den hohsten fUnt, den dir her gabryel det kUnt, do dU den geworen got entphinge in dines hertzen grUnt. daz was da din hohste freUde und aller welte ein seliger dag. 3,III EIn engel zU einre meyde kam umb unser werdes heyl. er sprach: „juncfraUwe lobesam, des hymmels fogt ane allen meyl hat mich zU botten her gesant al von des hohen hymmels dron. Vil reine fruchte wonnesam, biz frolich unde geil, sit daz dir lobez nie zU ran. sin gotheit diner eren ein teyl gemUschet in dyns hertzen want, din ee uff yemer wernden lan.“ ,Ave’, von dysem wort so ist dir aller haß gelegen. din lip entphing zU kinde den aller dUrsten degen, den ye keine fraUw getrUg, der uns den leyden helle hUnt mit sinre kraft zU dode erslUg. sin martel und sin bitter dot erwarp uns freUden vil Uff lange zil, als ich uch sagen wil. dU dohter, mUter und gespyl, den wir zU kempen hant erkorn, der lost uns ab der sorgen vil. maria, mUter, reyne magt, hilff uns zUr ewekeyt gar schon.

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3,IV GOt sich menschlichen schon verbarg viertzig wochen ane nit in eynre reynen meyde sarg. daz warp der engel an der zit, wie daz die dohter mUter werde und der vatter ein kindelin. Cristus, syn nam ist also starg, faht fUr uns eynen strit gegen dem leyden dUfel arg, der nU die dUmbe welt so wit wolte nU han verleitet gar in yemer werender hellen pin. Daz erbarmete got so ser – alsamt worn wir verlorn –, er bot fUr uns den sinen zarten eingebornen son, al in der pin er starp. „Ely!“ so rieff er, untz daz er deme vatter sine kinde erwarp. zU hant er rieff: „mich dürstet ser!“ gal, essig man yme bot. all in der not stUnt er von blute rot. longinus stach yn, er was dot, der sich gewiß all fUr den sonder birget in eyn cleines brot. daz sollent wir yme dancken al die wile, daz wir lebendig sint. Ml 12,I 3,V DRystunt ein got, drye namen her, alle drye geboren sint. der ein gewan ein susse lere, wie er worde eynre meyde kint. des folgten ym die zwen mit rot, sie gobent uber yn den segen. Gewaltig got, gemuschet mer dryfalt und ein ding, dry personen mit ganczer were, die sich in eyne gotheit fing. dez folgeten sa gabriel, er wart zU botten dar gewegen, Und er sich von dem hochsten thron durch hymmel lüfte swang; noch wiser lere er sich in vier gesellen drang, dar in er sich verbarg noch gotz lere und durch sin wort in eynen selden richen sarg. do grUsset er mit hohem fliß die gottin ane meyl. umb unser heyl

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wart ir der grUß zU teyl. da wart die menscheit durch uns feil. Ich bit dich, mUter und magt, behUt uns fUr der helle seyl. wir geren din zU kempp, daz dU der armen selen wollest plegen.

A k 447 ra–448 rb, Überschrift dyß ist dez marners lang’ ton (Melodie). IV,2 wochen] nicht in k. B Nach RSM 4, 1Marn/7/500a, S. 295 Form 2, durchgehend Auftakt, Variante in Str. 3 Zäsurreim v. 5 : 10. Zur Frage der Echtheit der Str. 2–5 s. Haustein, S. 91–93. II,9 ergänze ist. III,9 diner eren, ich vermute siner eren. III,10 gemUschet, Präs. oder apokopiertes Prät. von mhd. gemischen. lan, die Hs. schreibt öfters a für mhd. o/ô. III,13 keine, mhd. deheine. IV,18 longinus, In den Pilatus-Akten (s. TRE 3, S. 337) Name des röm. Soldaten, der die Seite des Gekreuzigten mit dem Speer öffnete. V,11–14 vier gesellen, unverstandener (?) Bezug auf das im Anschluß an Ps. 85,11 ausgebildete Szenario vom Streit der vier Töchter Gottes misericordia, veritas, iustitia und pax über die Erlösung des Menschengeschlechts (s. P. Kern, S. 69–73) V,15 gottin, im 13. Jh. wurde verstärkt die Mitwirkung der Gottesmutter bei der Erlösung der Menschheit und ihre Funktion als mediatrix (übersetzt süenærinne), als Mittlerin, betont; das führte zuweilen, vor allem in mystischen Texten, zu einer Übersteigerung ihres Ranges bis hin zur vierten göttlichen Person (vgl. LdMa VI, Sp. 251 f.). V,18 feil, hier ‚losgekauft‘? D Runge, Nr. 64a (nur Strophe I); Moser/Müller-Blattau, S. 155–158 (mit Melodie); Taylor 68 I, S. 39 f. (nur Strophe I), Mel. nach k, Text nach Strauch (C). E Haustein, S. 91–93; Baldzuhn 02, S. 316.

Meisterlied 4 (im Langen Ton)

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4,I Es wont ein worm in eyme hol, der stiftet grossen mort. den kan ich Uch genennen wol: er rUret bein und schopphet wort. er ist noch snabelreißer dann eyn fipper noter mag gesyn. Sin swancz, der ist geluppez vol, fergiftig ist syn ort. da vor gut man sich hUten sol. er dudet hie und meynet dort.

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al in daz wasser stat syn gir und doch vil dicker in den win. Ir hUndert tusent oder me hant nit wenn einen namen. der frye adan konde ir einen nit gezamen, uncz daz er viel in schUld. uns seit der konig salomon al von des wormez ungedold. des hasset yn her david unde auch vil manig man. sit ich nit kan den worm gebinden an, so binde yn aber gotz ban, und schende yn, der do von dem fronen hymmelrich mit ym entran! ich weiß doch wol, daz sich mUs neren vil manig kleynes wormelin. 4,II DEr worm, der wont uns allen bij, als ich bescheiden kan. er dUt vil manichen lebens fry, daz merckent, fraUwen und man. er hat nit bein und brichet beyn, und er ist sich lingua genant. In hymmel kore dryfaltig dry, – ir sollentz rehte verstan –, waz susser done dar inne sy und Uff der erden sonder wan, der hat die zUnge die gewalt, als uns die schrifft nU dUt bekant. Ich zUhe ez an den werden crist und an den nammen sin, daz zUngen fleisch daz best und aUch daz bost mUs sin, als ich bescheyden sol. der mUnt sie kleine oder groß, dar inn verbirget sie sich wol. ez wart kein notter so giftig nie, daz sie ir selber det. als gar unstet sint nU des menschen ret. wer sine rechten synne hett, der solt der zUngen meyster sin dag und nacht, frU und spott. die zUnge uns grossen schaden birt, dar an, ir lieger, sint gemant. 4,III EIn esel gab fUr eigen sich eym fuhsse, daz was gUt. sie rettent wie lands wihtelich und hetten do bij hohen mUt.

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do nam reinhart sinen knaben mit ym in einen grUnen kle. Er sprach: „her esel, hUt dU dich! der wolff dir schaden dUt, hergriffet er dich, sicherlich.“ der esel in den cle do wUt. do twang yn des sin magen freUde, er sang ein dageliet als ee. ZU dem schalle so kam geslichen reynhart und ysengrin. der wolff, der sprach: „ach esel, dU mUst wesen myn. dez wil ich eyde swern.“ der esel sprach: „so mag ich mich villicht din hie nit erweren, dU mUst mir ee die kaspe rUrn.“ eyn drUh, die was gelett. dar inne versneit der wolff, daz was ym leit. daz bispel si Uch vor geseit: ich wolt, die kasp ein drU wer, wenn man solt sweren bosen eit, so blibe noch mani. ger ungesworn, des we dir, lieger, yemer we!

A k 448 rb–449 ra, Überschrift Aber iii. III,10 er C] ein k. III,19 wer] wr k. B Nach RSM 4, 1Marn/7/ 501a Form 2, durchgehend Auftakt, in Str. 3 Zäsurreim v. 5 : 10. Zur Frage der Echtheit der 2. Strophe Bartsch: „die zweite, die die auflösung des in der ersten enthaltenen räthsels enthält, … unecht, und nicht älter als das 14. jahrhundert.“ So auch Strauch, S. 74 Anm. RSM weist sie einem unbekannten Verf. zu. D Bartsch 62, Nr. XCIII; Schupp, S. 41 Strophe I, S. 282 f. Strophe II. E Bartsch 62, S. 161; 673; Strauch, S. 74 Anm.; Haustein, S. 214 f.; Baldzuhn 02, S. 316 f.

Meisterlied 5 (im Langen Ton)

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7,14 / Ml 10,I / Ml 16,I 5,I SU˚ nge ich den lUten myne liet, so wolt der erste das, wie diederich von berne schiet, der ander, wo kUnig ruter saß, der drytte wolt den rUssen stUrm, der vierde von eckhartz not, Der fUnfft, wie kryemhilt irn man verriet,

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der sesht, der wolte baz, war komen sie die wilsam diet, der siebende wolt auch etewaz von wichtich, heymen horen singen, von Syfrides und ecken dot, Der achte horte auch vil gerne hUbscher mynnen sang, dem nUnden ist die wile bij yn allen lang. dem zehenden rUchet, wie. so hie, nU da, nU sUß, nU so, nU wie, nU wo, nU dort, nU hie. dar uber hette der eilffte gern der nybelUnge hort. den wigt myn wort noch ringer denn ein ort, syn mUt, der lit in schatz verschort. so gat myn gesang yns zwelfften or, als der mit bly den marmel bort. den ich singe, und waz ich sag, waz yme der konig bij mir enbott. 7,12 / Ml 16,IV 5,II WEllich fUhs sich sines mUsens schamt, der mUs verderben doch. die mUs hat ein vil snodes ampt: sie ehert in eyn fremdes loch. ein siecher arzt und leyder gast, arm mannes wissag ist nU wert. Wer wilden marder in schoß zamt, dem lewen leit ein joch, obe dem sin hant do nit erlemt, von schulden mag er sprechen: „och!“ eins ohssen kron ye enzymmt nit wol, in zager hend ein vil gUt swert. NUnnen hochffart und moniche dantze und des affen zagel, in dem meyen ein riffe und in dem aUgst ein hagl ← mir selten wol behaget → uz wises mannes mUnde ein lUg, und wo eichorn die beren jagt. mich mUget armes menschen hochfart, wann sie enist nit wiß. der welte priß zersmeltzet als ein yß. zU lieben kinden hort eyn riß. wer one forht wehsset hie, der wort gern sonder eren grijß. bij disen meren stat es vil anders hUre danne fert.

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5,III Ml 10,III / Ml 16,V ICh sUng ein bistel an ein tor, an stuben oder an gaden, ich sUnge ein vil gUt sloß dar vor, kond ichz erzUgen one schaden. des enkan ich nU nit gethUn, darumb ist es an mir beliben. Ich singe ein swellen in daz hor (in zobern sol man baden), ich sünge dar ob eyn hUß embUr, dar inn ← ein asen wol geladen mit buchen schittern → gat dar uff, so hat armUt mich auch vertryben. Ich sünge auch, wie man einen gUten win erkennen sol uß eynem wissen becher, ob er zengert wol und obe er sUsse sij und ob auch sin edel gesmag so gar an allen wandel fry. so esß ich gerne feiste broden, und wer ein senff dar an. ich bin ein man, der vische erkennen kan. eyn reßen peffer, saffran dran, so iß ich gerne feiste hUnre, ez weren hennen oder han. dar zU wer gUt daz wisse brot, daz ist gered uß engen siben. Ml 10,II / Ml 16,II 5,IV SOlt ich nu ungesungen sin, byß mich der keyser bet, war tet ich dann die freude myn, die ich teglich het frU und spet? ee daz die freude myn zerging, Ich sung ee vor verlangen mir. Gen ich vom bade zu dem win, wie gerne ich daz tet, und liessen mich die winkeufflyn, die einer gern vom andern het. Ach, lieber wirt, nu trag her win in kannen gross, daz ist myn gir. „Schenck in und trinck, gevatter, sag, ist dir din huß icht veyl?“ heincz unde kuncz, burckart, eblin, wunschent mir heil, daz der winkauff fur gee. er slecht mir dar acker und wyse, huss, hoff und daz felt gar unverzelt. „kum morn und bring din gelt!

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Es blipt von mir wol unvermelt, So wil ich feste burgen han.“ Nu schauwent an, was ist die welt? Nu strich, du liebe kryde myn, biss ich die zungen myn gesmyrt. 5,V GEsang ist fur kurczwyle gut der hoch gelopten diet. Ez stozet ab den argen mUt, alz uns ← der wyse katho riet → dem sinen son, dez sich myn munt mit sanges kunst bescheiden kan. Jung man sich zu der lere tut, dem schadet singen nit. Sin frode, die ist wol behUt. got richen lon dar umbe gyt, Wer die zwo tugend an ym hat, ez syen frauwen oder man. Ach neyna, helt, verzage nit, ob mir entslipff der munt. du werst ein woch daheym gewesen, ob dir ymmer worde kunt solicher kunsten hort, dess dich myn munt bescheyden kan gesanges kunst, wys unde wort. Vil manger heyßt ym singen hoch und kan sin nit verstan. Also getan Ist ym sins herczen wan, wyle er den win mag by im han, So tUt er swancken aber me dann ander vier, die by ym stan. Ez ist noch ringer dann ein lot, wan in der win besygelnn kan.

A k 449 ra–449 vb Strophe I-III, Überschrift Aber iii; auf eingeschobenem Blatt 450 ra-b ohne Überschrift zwei als IIII und V gekennzeichnete Strophen. I,4 ruter] nach ru unleserliche Korrektur im Umfang eines Buchstabens, danach er-Kürzel k. V,5 bescheiden] besched) k. B Nach RSM 4, 1Marn/7/502a Form 2. Durchgehend Auftakt. Das Bar zunächst dreistrophig (s. die Überschrift); von den hier als IV und V angehängten, aber offenbar frei verfügbaren vagierenden Strophen (vgl. Ml 10 und 16) verzeichnet Bartsch, S. 45 nur die erste mit dem Vermerk „nicht liedesanfang“. Ihre Echtheit wird gar nicht erwogen. Zur III. Strophe Bartsch (S. 161): „auch die dritte gibt keinen anstoß in der form, eher im inhalt.“ Strauch: „ihr Inhalt … spricht sie dem Marner ab.“ RSM 4, S. 296 wird diese Strophe als Parodie von 7,16 bezeichnet, aber außer dem Anfang von 7,16, der eher wortspielerisch als parodistisch (bispel/

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bistel ) aufgenommen wird und dem strukturierenden ich sunge gibt es keine Bezüge zwischen den beiden Strophen. Der Verf. von Ml 5,III möchte Besitztümer ersingen (III,1–10), was er nicht kann, und präsentiert sich dann als Experte für gutes Essen und Trinken, verfaßt also eine originelle und witzige Bettelstrophe. Der Anklang an die Marnersche Anklage, wenn er denn beabsichtigt und vom Publikum erkennbar war (was für die Existenz auch dieser Strophe als ehemals einzelne Strophe sprechen würde), mag ein zusätzliches komisches Element gewesen sein. Zum Motiv ‚Gutes Essen‘ in Parodien vgl. Lehmann, S. 123–150. III,20 gered, mhd. geredet ‚gesiebt‘. IV,11–20 Zeichensetzung ganz unsicher. Es wird nicht recht deutlich, wer Käufer und Verkäufer ist. IV,20 kride, mit Kreide notierten die Wirte die Bestellungen an der Wand. V,4 katho, Cato (234–149), röm. Staatsmann, dem Mittelalter vor allem bekannt durch die spätantike Dichtung ‚Disticha Catonis‘ und deren dt. Übersetzungen und Bearbeitungen, s. Peter Kesting, 2VL 1, Sp. 1192–1196. V,11–20 Sprecher und Redeanteile unsicher. D Bartsch 62, Nr. XCIV Strophe I und III nach Ml 10, die II. Strophe nach diesem Lied; Poynter, S. 320–322 Strophe IV-V. E Bartsch 62, S. 161; 673 f.; Strauch, S. 74 Anm.; Haustein, S. 225 f.; 236; Baldzuhn 02, S. 317–319.

Meisterlied 6 (im Langen Ton)

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*7,20 6,I WEr vor der helle wolle genesen, dem rot ich, daz er sich ker an die ding, die mogent wesen in gottes namen eweclich. so halt er, daz ym got gebot in nUwer und in alter ee: An einen got, alz priester lesen, geleUbe er sicherliche, und wiltU nU in selden wesen, so swere by ym nit uppeclich. heylige zit in eren hab, er vatter, mUter, merckent me: Dode mit dem lib und worten weder wip noch man. dU nym dich keynre falschen zUgniße an. in eren halt den lip und stelle auch nit nach fremden gUt. nym keinem mann sin elichs wip.

Die Sangsprüche 15

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die dinge sint vor gotte dot ewec an ende gar. ir nement war: die helle ist freuden bar. ir stellent noch der engel schar. nyd, hoffart, gitkeit, ubermUt, spot, dragkeyt, fraßheit von uch far. wer daz kan halten und lan, dem wUrt dort wol und nymmer we. 6,II VIl hochgelobter meyde kint, got, here, vatter, krist, wie groß die mynen schulde sint, durch dine gUte gib mir frist, biz daz ich mich verson gein dir die myne große missetad. Min hertze was ye gein dir blint, als es noch leyder gein dir ist. die sonde worent mir ein wint. gedencke, here, daz dU bist, der hie durch uns vil arme sonder manig große not erlitten hat. Din werder dot las an uns, herre, nit verloren sin. gib, herre, mir den syn recht in daz hertze myn, daz ich hie leb also und ich mich halt in dinem dienst, daz myn der dufel it werd fro, ← so wir zU samen komen uff den jUngestlichen tag, do nye man mag herwenden uns den slag, → gedencke, her, ob ich ye verlag din hoch gebot, daz ich in mynem hertzen auch gar ringe wag. durch dinen bittern dot so hilff mir, daz mynr selen werd rat. 6,III ACh here got, gefriste mich, ich gen uff eyme steg, der wang der sel ist falles rich, dU wise mich die rehten weg, die da zU dime riche gant, oder ich bin ewiclich verlorn. Maria, mUter, dar zU sprich, daz ich die sele gefeg von sonden, und erbarme dich, daz ich so swacher fUre yt pleg

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zU dienste dirre welt. wir sin zU kranckem leben her geborn. Eyn ieglich creatUre helt den iren orden baz danne die arme menscheyt, der got nie vergaß, ich meyne, die cristen syn. maria, mUter, reine magt, ob wir in heUbet sonden sin, so bit fUr uns din kint, ald wir sint eweclichen dot. hilff uns uz not al durch daz cruczze rot, do sich got fUr uns ane bot und noch durch menschen liebe git sich in wyn, wasser unde brot. maria, mUter, reine magt, nU sUn uns dines kindes zorn. 6,IV NU sUnge ich gerne etwaz auch von der krancken welt. die ist an manicher togend laß, sie ahtet nit dann uff daz gelt. dar uff sie drachtet dag und naht, wie sie daz bring in iren sag. Ich mUs gedencken fUrebaz: ich ging uff eyn felt, do stUnden blUmen unde graß, do sach ich gar eyn schon gezelt. dar under warent manicher hand lUte, als ich wol sprechen mag. Sie worben anders nit, wan wie yn worde geltes vil. sie dachten wenig an den dag, do got selber wil zU gerichte siczen gan, so mUssen alle die selen uff, die wider got ye hant getan. so bitt wir got von hymmelrich, daz er uns helff uz not durch sinen dot und dUrch daz heylig brot, do man yn inne handelet, und dUrch daz bidden, daz marie det, do er hing am crUze rot, daz er beschirm uns und auch behUd al vor dem eweclichen schlag. 6,V WAz wiltU, welt, daz ich dir sag? ez ist dir vil geseit. dir swindent alle dyne tage. dir ist hUt liep und morne leyt.

Die Sangsprüche 5

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den richen arm, den armen rich machestU her, daz ist din spyl. Wer lobet nU hie sonder clag ← ein koning → die krone dreit, ez sie der helt, ez sye der zag, die straß ist usse maßen breit, die hie die kUrcze dage reyse wiset uff des dodes zil. waz ist nU lang, und waz ist breit, ich meyn wit oder kUrtz? in volget nit ir cleidez falten noch ir schUrtz, ir zymmer noch ir helm. ir ritter, fraUwen, lant sag, uch nymmt der erden staUbig melm. wo sint sie nU hin, die do woren in der alten zit? der froge strit gar an dez handen lit, der do nymmet und wider git. sint sie mit got in freUden dort, daz laß ich ye mer ane nit. ich uff der fart bin, ich dar sol und auch mUs und auch gerne wil.

A k 449 vb und 451ra-vb, Überschrift Ein anders die x gebot v lied’. I,11 weder] wider k. IV,12 do got] got do k. V,12 cleidez] cleinez k. B Nach RSM 4, 1Marn/7/503a, S. 296 f. Form 2. Durchgehend Auftakt (Ausnahme v. I,11). Zur Frage der Echtheit: Bartsch (S. 161) glaubte, Str. I sei wie Str. II auch in C überliefert und hielt sie deshalb für echt, ebenso Str. III und V; die vierte dagegen „für das erzeugniss eines schwäbischen dichters aus dem anfange des 14. jahrhunderts.“ Strauch (S. 74 Anm. 1) hielt Strophe I für unecht, III und V „wohl“ für echt und verwies sie als XV,19a und b in den Anhang. RSM weist an dieser Stelle auch Str. I dem Marner, III-V einem unbekannten Verf. zu. I,2 rot, die Hs. schreibt öfters o für mhd. a/â. V,13 zymmer, mhd. zimier ‚Helmschmuck‘. V,14 lant sag, mhd. lant sæze? D Bartsch 62, Nr. XCV; Strauch, S. 134 ff. Strophe III und V (XV,19a und b); WKL II, Nr. 185 Strophe I; 186 Strophe II; 184 Strophe III; Krause, S. 253 f. nur Strophe IV. E Bartsch 62, S. 161; 674 f.; Strauch, S. 74 Anm.; Haustein, S. 102 f.; Baldzuhn 02, S. 319–321.

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Meisterlied 7 (im Langen Ton) 7,I

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*7,22 / FIIa / Ml 17,I

DIe maler malent an die want ein bilde, als ich uch sage, daz ist synagoga genant. vor gott stunt ez in rechter plage. von siden blanck waz yme gezogn ein dUch al vor die aUgen sin. Do ich daz bilde entworffen fant, ein joch sach ich ez dragn, eyn sper verkert in synre hant, zUrbrochen gar, daz was sine clage. ein kron von ym gefallen was, die gab von golde liechten schyn. Daz selbe wonderliche bild betUt die judescheyt, ir angesiht: der unglaub in hertzen dreyt. sie sint an witzen blint, sie gleUbent nit, daz ein kristell, eyn reine magt geber ein kint, und wostent wol, daz moyses vor gotte mUste stan. eyn bosch entbran, do sach man wonder an: got under ir megetlich hertz entran, entzunt des heilgen geistes fUr, do von ir gnade nie zerran. sie ist ein drost der kristenheit, gotz mUter und ein balsam schrin. 7,II *7,23 / FIIb / Ml 17,II SO fromde ein tier ich nie gesach als gar in jomer ste gemolet an einre wende flach. ich hette sin nie gesehen me. ez hat vier heUbt und hat vier bein, noch yedem heUbt hant unde fuß. Aller mynr synne mir gebrach. gedencken det mir we. myns hertzen wißheit mir verjach, ez were ein bild noch nUwer ee. uff deme tier gekronet sas eine magt, als ich Uch sagen mUs. Zwischen irn megtlich brUsten lag ein krUtz, auch ein fan ← in ire hant sach man die reine kusche dran → ein vaß von golde rot, dar yn entphing sie gotz blUt, daz halff dem sonder usser not.

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daz selbe wonderliche bild betUt die cristenheit. daz tier, daz dreyt ein kalbes stirne breyt, eins lewen welff sin underscheyt, eins aren heUbt, eins menschen bild, vier ewanglisten sint bereit, gotz marter und syn herter dot, daz maht den sonder falles bUß. *7,24 / FIIc / FIIId 7,III IOhans in eynre laternen sach eyne rose wol gefar, dar uz eyn schone mit follen brach durchlUhtig mit zwelff sternen klor. versigelt und versarcket was die rose und gap doch liehten schin. Von der rosen, als man do jach, eine kristelle sonderbar und aller sUnden ein obedach und reiner kUsche eyn adelar. vierleye bilde, dryerhande kron, waz moht me gesin? Der smit uz oberlande sant uns die rose wol geborn, lattern und sterne hat er ußerkorn. daz wonder ee geschach, her david von der kUschen meyde vil des wonders gesprach: „komet herwider, lieber frydel, ich wil sin bereit, fraUwe eren kleit han ich an geleit. waz ye helt fUr mich gestreyt, ich han erfochten ane swert, daz zornigem wol an steit. ich han versonet und verslihtet gein dem lieben fridel myn.“

A k 454 ra-vb, Überschrift Aber iii. B Nach RSM 4, 1Marn/7/102d, S. 295 Form 1, Variante, fast überall durchgeführter Auftakt. II,12 dran, mhd. tragen. D Cramer I, S. 411 f. E Haustein, S. 86–89; Baldzuhn 02, S. 321–322.

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Meisterlied 8 (im Langen Ton)

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8,I *7,25 / FIId / FIIIa Ich bins dez morgen rote Uff brehn und schin uber alle lant, des mUssen mir die kristen jehn, den ich zU mUter bin genant. ich bar den smit uz oberlant, der alle bild wol wircken kan. Mir ist gar liebe von yme geschehen. er hat zU mir gesant. myn aUgen hant yn me gesehen. sin wil, der ist an mich gewant. er ging mir vor, ich schleich ym noch, untz ich yn umbefangen han. Er ist mir liep, ich bin sin drUt, die liebe nit zUrgat. er hat mich liep in siner werden majestad, do er in wirden saß, ich meyn des hymmelriches wirt, der myn in drUwen nye vergaß. myn megtlich dUgent, gotlich mynn den fUrsten dez betwang, daz er sich swang dUrch der nUn kore gang. er aht nit uff der engel sang, do er nach mynr megtlichen lieb in gantzer drU in freUden rang. des mUssent mir die kristen dien, der hymmel ist mir undertan. 8,II *7,26 / FIIe / Ml 11,I MAria, liehter hymmelfan, frydeschilt der kristenheit, got under dyn megetlich hercz entran und nam an sich sollich arbeit: er wolt losen und widerbringen endelose ferlorne diet. Der eren konig sich des versan, zu hant waz er bereit, dem gantzer wisheit nie zU ran. der kUschen meyde er nyt verseit. er wolt den falschen rat vertryben, den der slange fraUwe even riet. Ein wißer harm, der spilte ir vor, den ving sie in ir schoß, die kUsche maget, der kein wonder sint zU groß, der sonder frideschilt, wie daz der harm in dogende wis al in der kUschen schoß do spilt.

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der harm, daz was marien son, der edel kUsche degen. wir woren verlegen all in der sonden wegen. er kam und bracht uns sinen segen, do er uns an deme crUcze erloste uz sinre siten blUtez regen. gotz martel und sin bitter dot uns alle von grossen noden schiet. 7,1 / FIIg / FIIIb / Ml 11,III 8,III Maria, blUgendez mandelriß, des hohsten fUrsten schrin, nU smeltz uns abe der sonden ys mit bete geyn dem kinde dyn, dU wiser salomons tempel, du koniges wol gezirter thron. DU jUdinne, uns ye din priß herwarp, als uns wart schin. ein sterne, konigynne wiß, nU sich din volck in sonden sin, ee wir genesen vor helle pin dUrch dines edelen mundes thon. DU reyne johel, du hast erslagen den feygen ezickiam. dU bist auch, die dem slangen syne maht benam. dU abel von gallile, wir kristen sollent din begern, du hast vertryben unser we, sit daz dich grUste konig david, der juliam herslUg und ym entrUg sin haubt wislich genUg. mit alz sphehen listen klUg wend, hoch gelobte keyserin, den unsern sonden ungefUg, also daz wir dich schaUwent an in dyme erentrichen lon.

A k 454 vb–455 va, Überschrift Aber iii. I,15 gotlich mynn] korr. über getilgtem megtlich ere k. III,15 juliam] vor juliam ein her gestrichen, auf dem Rand golia k. B Nach RSM 4, 1Marn/7/102f, S. 295 Form 1, Variante: fast überall durchgeführter Auftakt. D Cramer I, S. 409f. E Haustein, S. 236; Baldzuhn 02, S. 322.

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Meisterlied 9 (im Langen Ton)

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9,I 7,17 WEr kan den luten lUge erweren? lUg ist ein alter hort. mit lUge mUs sich manicher neren. lUg hat gestiftet manichen mort. lug hat einen alten fatter, luge hat boser kinde vil. LUge lat als daz wahß sich beren. lUg hat vil sUsse wort. mit lUge maniche eyde sweren. lUg hat vil manig spitzen ort. lUge ist ein vil snelles ubel, die lUg ist boser geiste spil. lUge ist in deme wasser, lUg ist komen uber mer. luge hat gein der worheit ein vil michel her. lUg komt ans babstes tor. lUg wont den schonen fraUwen bij, man dreyt sie auch den fUrsten vor. luge ist in den dorff, uff bUrgen und auch in der stat. lUg hat ein phat, den der tUfel drat, da er den appfel essen bat adam und effen. liegen machet manigen man an eren mat. lieg hat somen und krUt, dez wortzel noch nit dorren wil. 9,II EIn strit zU hymmelrich geschach, ee got her abe sich lie. got da an lUczifer sich rach, sin gewalt yn selber ummb fie. er drang yn uz der majestad von syner freUden eweclich. Sinen gewalt er ym zU brach, auch yme und alle, die mit yme warn, so we yn, ach! der gottez zorn sie nit verlie. in hymmel hUp sich grosse not an lUczifer und sime gelich. ZU irem liden fielent sie gar einen bittern fal in finsternisse und in jomer ane zal, daz macht ir uber mUt, daz sie sUncken alle her abe. got wolt ir haben nit fUr gUt.

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ir mUl ist krUmp und spannen wit. E warenz engel klar, nU sint sie gar an der verdampten schar, da sint sie aller freUden bar. zU godes trost komen sie nit me, daz ist endeliche war. sie sint verdampt, und wer yn wirt, der kompt nit mere zU gotes riche. 9,III SOnder, nU fal in zwifel nit. hastU icht sond getan, rUff an mary, daz milte lieht, wann sie dir wol gehelffen kan. sie enbint dich von dem bosen geist und fUrt dich zu irem lieben drUt, Wo man sie hulffelichen siht dem sUnder bij gestan. zU josaphat, wanne daz geschicht, daz scharff gericht sol der gan, so hilft sie dir wol aller meist, mary, die hymmelsche brUt. hetstU verdilget gottz blUt, als judas hat getan, hetstU noch mer gesondet, rUff marien an; barmunge ist dir bereit. dancken wir nU der wol gedurten hochgelobten meyt, daz sy so barmhertzig ist deme sonder bij bestan. wer hat den wan, daz sy yme helffen kan, sie hilfft ym gnedeclich von dann. dryfeltig ist ir edel dogent, sie wil den sonder nit verlan. sie ist ob allen wortzen wol der welt eyn heylwortigez krUt.

A k 456 vb–457 va, Überschrift Aber iii. B Nach RSM 4, 1Marn/7/512a, S. 300 Form 2; durchgehend Auftakt, Variante Strophe III Zäsurreim v. 5 : 10. Zur Frage der Echtheit: Bartsch (S. 161): „scheint mir echt … die zweite und vielleicht auch die dritte.“ Die II. Strophe nimmt auch Strauch als XV,19f in den Anhang auf, „sehr zweifelhaft“ erscheint ihm dagegen die Echtheit der dritten Strophe, schon wegen des Reims niht : lieht (S. 74 Anm. 1); de Boor I, S. 11 zu Strophe II: „Sicher unecht und erst dem 14. Jh. zugehörig.“ RSM 4, S. 300 weist II und III einem unbekannten Verfasser zu. Auch Haustein hält beide „wegen ihrer gesteigerten Dramatik, ihren Redundanzen … und ihrem [sic] deutlich adhortativen Ton für jünger.“ Als Kriterium kann ich le-

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diglich die Redundanzen anerkennen, sie heben sich von der geradlinigen Gedankenführung der Marienstrophen des Corpus unvorteilhaft ab, aber das reicht für einen definitiven Ausschluß der Strophe nicht aus. Die Verfasserfrage muß vorerst offen bleibenD Bartsch 62, Nr. XCVIII; Strauch XV,19 f., S. 139 (Strophe II); de Boor I, S. 11 (Strophe II). E Bartsch 62, S. 161; 676; Strauch, S. 74 Anm.; Haustein, S. 232 f.; Baldzuhn 02, S. 326 f.

Meisterlied 10 (im Langen Ton)

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10,I 7,14 / Ml 5,I / Ml 16,I Sung ich den lUten myne liet, So wil der erste daz, wie dietherich von bern uß schiet, Der ander, wo kUng rudger sass, der dritte wil der homsche dUrn, der vierde von eckardes not, Der fUnffte, wie frau krimhilt riet, der sehst hort geren bas, wo hin kemen die wilden diet, der sibende wil ettewaz von wittich und von heymen strit, von des jUngen albrandes tot, Der achtest, der wil anders nit dann hubscher mynn gesang. dem nUnden ist die wile by uns allen lang. So wil der zehend, wie nUn hin und her und sUst und so und dirr und der und dort und hie, der eilfft, der wil nit anders dann der nybelungen hort. er wigt myn wort noch ringer dann ein ort. myn mUt, myn schatz ist gar zestort. myn sang ym in die oren gat, als der mit bly daz marmel bort. so sing ich doch den lUten me, dann mir der kUng by ym enbot. 10,II SOlt ich dann ungesUngen sin, biss mich der kUnig bet, wo tet ich dann die freUde myn,

Ml 5,IV / Ml 16,II

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die ich solt haben frU und spat? So wil ich singen, waz ich kan als dick, als es gelanget mir Al in dem bad und bij dem win; wie gerne ich daz tet, und liessen mich die winkeUfflin, die einr gern von dem andern het. Ach, lieber wirt, nU trag her win in krUgen gross, ist myn begir. NU trinck ich trang. „gevatter myn, ist din hUß icht feil?“ heintz unde CUntz, her wernlin, burckart, wUnschent heil, daz winkaUff fUr sich gee, und drincket alle dester baß, der wirt, der hat sin noch wol me. slag ym dar hUß und hoff, ecker, die wiesen unde felt gar ungedelt. „kUm morn und hol din gelt, dU blibest von mir unvermelt.“ noch bUrg und stet wollent sie han, dar nach so richtet sich die welt. nU hafft, dU liebe kride, wol, byss ich die zUngen myn gesmir. Ml 5,III / Ml 16,V 10,III ICh sing ein bispel an ein tUr, ein stUben an ein gaden, so sUng ich wol ein sloss dar fUr, mocht ichs herzUgen one schaden. des mag ich leyder nit getUn, wann armUt hat mich uß getrieben. Ich sing ein swellen in ein hor (in zUbern sol man baden). ich sing ein hohes tag enbor, dar undr ein esel wol geladen mit gUten schittern dUrr und clein, dar umb ist mirs wol halb becliben. Ich weiß wol, wie man einen gUten win versuchen sol, In einem wissen becher zengert er vil wol. Auch ist er sUss da bij, so mein ich, daz sin guter smack ein gUt teil deste beßer sy. wan gute broten ess ich gern, wer senff und sass dar an. Ich bin ein man, der visch erkennen kan on pfeffer und on safferan. Auch ess ich gUte hUnre gern, es weren henen oder han, und dar zU ein gUt weissen brot, Es wer von buteln oder syben.

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A k 468 ra-va, Überschrift AbentUr ein anders. II,19 richtet] über dem i ein e k. B Nach RSM 4, 1Marn/7/502e Form 2; durchgehend Auftakt. I,5 hornsche dUrn? I,10 albrandes, Hadubrand, der Sohn von Dietrichs Waffenmeister Hildebrand, heißt erst im ‚Jüngeren Hildebrandslied‘ Alebrant. Da er dort den Kampf mit dem Vater überlebt, muß die Namensänderung schon in uns nicht bekannten Vorstufen erfolgt sein. II,11–20, s. die Anm. zu Ml 5,IV. II,16 ungedelt, mhd. ungeteilt oder Verschreibung für ungezelt? III,1–20, RSM 4, S. 296 wird diese Strophe als Parodie von 7,16 bezeichnet, s. dazu die Anm. zu Ml 5,III. III,8 tag, mhd. dach. D Bartsch 62, Nr. XCIV, Str. I und III nach diesem Lied, Str. II nach Ml 5. E Holtzmann, S. 446; Bartsch 62, S. 161; 673 f.; Haustein, S. 225 f.; Baldzuhn 02, S. 332.

Meisterlied 11 (im Langen Ton)

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11,I *7,26 / FIIe / Ml 8,II AVe, dU liechter hymmel van, frydschilt der cristenheit, und got, der alle wunder kan, der nam an sich groß arebeit: er wolt erlosen, widerbringen endeloss verlorne diet. Der ern ein kUng sich des besan, dar zU was er bereyt, dem aller wisheit nie zUrran. der reinen meyd er nie verseyt. er wolt zerstorn den valschen rat und den fraU eve n schUlden riet. Ein wisses hermel spilt ir, daz ving sie in ir schoß, Ich mein die meyt, der nie kein wUnder wart zU groß, des sUnders fryde schilt. der her mit gantzen dUgenden als in der reinen schoss er spilt, ich mein der kUschen meyde son, den jUngen fryen tegen. wir warn herlegen von heUbet sUnden wegen. got kam und bracht uns sinen segen. uss siner siten er uns erlost am crUtz mit sines blUtes regen. sin marter und sin bitter tot auch uns von großer sorgen schiet.

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11,II *7,27 / FIIf / FIIIc AVe, dU hoher hymmel hart, in gottz ewikeit mit gantzen sinnen wol bewort, daz sich got, die drivaltikeit her nyder neiget unde sloss vil tieff in dines hertzen grUnt. Daz hymmel rich was uns verspart. den fluch eva bereit. din gantze gUt den fUrsten lart, daz er uns hellen flUch verseit. Er wart gewicht, in dich geseint, daz ist den wisen lUden kUnt. Johannes sieben kirchen hat mit siner hant geschrieben die vii heilikeit, die sint in dir becliben. gotz mUter, reyne meyt, In angeli, menschliee diet din lop wirt nymmer vollen seit. Din hohes lop, din meytlich er, die ist so manigfalt, gar ungezalt, grUn als ein schoner walt, und der mit blUmen ist bestalt. nU hilff uns, hochgelopte meit, daz wir in freUden werden alt, und hilff uns in din ewig rich, des bitt wir dich zU aller stunt. 7,1 / FIIg / FIIIb / Ml 8,III 11,III AVe, blUwendes mandel ryss, des hochsten gottes schrin, nU smelcz uns ab der sUnden yß mit bette gein dem kinde din, daz wir mit asswerUs verson gein sines senften mUtes don Gedeon, der des siges bryss gewan, als uns wart schin. Ein sterr, ein kUniginne wiss, sich, wo din volck in noten sin, daz dU yn helffst genedeclich, dU gist uns erentrichen lon. DU rein abel, du hast geslagen tot den ysaham. wann dU bist, die dem slangen all sin crafft benan. du liechter leyde stern, du hochgelopte rein junckfraUwe, die sunder mochten nit enbern, Sint dich nU grUßt der kUng david, der goliam herslUg und ym da trUg

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sin heUp wislich genUg mit spehen fromden listen clUg. NU went, du keiserliche meit, gein uns solichen ungefug und hilff uns in din ewig rich, daz bit wir dich zU aller stUnt.

A k 475 rb-vb, Überschrift auf dem Rand Ein and’ par. I,10 fraU even (R )] fraUwen k. I,18 segen R] nicht in k. III,10 erentrichen] eretrilchen k. III,12 die (C )] in k. III,14 die sunder C] nicht in k. B Nach RSM 4, 1Marn/7/102g, S. 295 Form 1; fast überall Auftakt. III,5–15 außer David und Goliath waren die biblischen Namen dem Schreiber oder seinem Vorgänger nicht vertraut; v. 6 weicht er auf den in der Mariendichtung wohlbekannten Gedeon aus, der, zum Heerführer berufen, Gottes Siegesverheißung auf die Probe stellt, indem er verlangt, der nächtliche Tau möge nur ein Schaffell benetzen, die umgebende Wiese aber trocken lassen, was Gott ausführt. Dieser Vorgang (Ri. 6,36–40) wurde als Präfiguration der jungfräulichen Empfängnis verstanden. D Cramer I, S. 412 f. E Haustein, S. 88; 236f.; Baldzuhn 02, S. 321 f.

Meisterlied 12 (im Langen Ton)

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Ml 3,V 12,I DRy stunt ein got, dry namen her dry stunt gewaltig sint. dez einen syn, der wundert ser, wie er word einer meyde kint. dez volgten ym die zwene nach, sie gabn ym rat und yren segen. Gewaltig got almechtig mer drystunt in ein verbint, personen dry gent rechte ler, daz mans in einer gotheit vint. den ein verkunt sant gabriel und wart zu botten dar gewegen, da er sich uß dem hohen tron dez hymmel riches swang mit voller ger mit iiii gesellen one wang. er sich in sie verbarg nach gottes wort; nach siner ler worcht er ein selden richen sarck.

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da grUßte er mit hohem flyss die gottynn one meil. durch unser heil wart ir der grUß zu teil. Sint wart die mentscheit vor uns feil. Ich bitt dich, hohe trynitat, du los uns von der hellen seil. ja bitt wir dich zu kempfe, daz du solt der armen sele pflegen. 12,II *7,21 Die sine tag sint ungezalt. er was und ist und wirt. nenn ich in jung, sprich ich in alt, der beyder zyt er nit verbirt. die hohe, tieff, wyt unde leng, die mysset er in siner hant. in erbet recht, er hat gewalt. er was gast und ist wirt. sin wunder, die sint manigvalt. Wer hie in sunden nit verirt, der glaube treit gedingen hin al in der waren mynne bant. Dez flichtet sich ein dryfalt ryß nu in der cristen ee und zUht da hyn, da freud und wunn ist ymmer mee; da truren ende nympt, alz es dez hymmelriches wirt und siner muter wol gezympt. die vierundzwentzig althern wys und aller engel schar helffen uns dar zu ym, den sy meit gebar gesundert der naturen gar, daz wir sin kund gewynnen, als ich vor ware sprechen tar. dez nennen wir in ←vatter, son, heiliger geist,→ du syst gemant. 12,III Der ersten sach ein anefang nach gottes vorbedacht, waz im sin reines hercze trang, der geist und in sin vater bracht. zu ym er sprach: „nempt wysen rat zu wurcken uch ein spehes vaß.“ Ez was ein seldenricher gang. die dry mit voller macht in eine person er bezwang, zu hant gotlichen tag und nacht

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bereytet und auch dar zu daz firmamente, dar ob er sass. Er wurckt nach sines vatter ler nun kor der engel schar. der tieffe grunt dar zuschen stunt gar sunderbar ein wyd, alz mir verjach in einem buch propheten zung, zu hant bruft ich sins endez fach. die schrift saget, es wurd bereit luft, fur, erd unde wag. mentsch, nit verzag. in dinem herczen tag den got, der dich mit warer lag gewirdet hat vor alle creature, ders begriffen mag. sich, dyse er ist dir bereit, nu danck ym siner wirde baß.

A k 487 va–488 ra, Überschrift Ein and’s vo drifalt. II,2 wirt I ] girt k. III,19 begriffen] begrisse k. B Nach RSM 4, 1Marn/7/547a Form 2; durchgängig Auftakt. D Poynter, S. 359–362. E Schanze I, S. 78 Anm.138; Haustein, S. 237; Baldzuhn 02, S. 334 f.

Meisterlied 13 (im Goldenen Ton)

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13,I IR schauwent an die cleyn ameyß: So sie den winter uff ir weyß, sie sammnet in der sommer ern gar kundiclich ir spyse. Also tU, mentsch, und buwe in zyt. ein harter winter uff dir lyt, er macht dich in den jaren alt und in den sorgen gryse. Du macht wol buwen unde sewen mit guten wercken gegen gott und gein dim eben cristen, du macht wol schnyden unde mewen, daz du die sel gar wirdeclich mach ewiclichen fristen, Wan man den zins zu hofe gyt: die sel fert hin, der lyp in erd begraben lyt. du wirb alhie, daz sich din sel freu in dem paradyse.

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13,II Es hat des starcken gottz kraft mit also richer meynsterschaft herschaffen hie der sterren lauff, den sonnen und die monen. du bist gebildet, mentsch, nach ym. du sicz, du gang, du wat, du swymm –, du macht dich siner hilffe nicht so frevelichen onen. Sin hohe, die ist dir zu hoch, sin grunt zu tieff, sin wyt zu breyt, sin lenge sich dir lenget. Der erste mentsch den ern entpfloch, der uß dem paradyse wart von freuden uß gesprenget. Er in dys wilde welte kam. der uns den flUch betutet, daz waz her adam. dez mUß wir unser spyse hie mit sweiß al uberjanen.

1,2

13,III DEr sunder fluh und wust er, war. die gottes augen sint so clar, da vor sich nit verbergen mag so clein alz umb ein milwen. Die blecz und auch die dUnre sleg, die hat er all in siner pfleg, des windez sus, den regenbog, die heyter, daz gehilwen. Der sterren lauf kan er wol zeln, ir hoh, irn gang, ir wyt, ir breit, dez hymmels zirckelzeichen. Nu siczt er uff dez hymmels stelnn. wie machtu, mentsche, mit allen dinen synnen dar gereichen? Nu laß a, mentsch, erbarmen dich, der dich geschuff und von dem hymmel neygte sich, er gab vor uns sin lichte farw in bitters todes gilwen.

1,3

13,IV Die nacht ist vinster, liecht der tag die zwey niemant gescheyden mach Wann got, der uns die sele scheidet von dem bloden lybe. Wan dir din licht herloschen ist der vinstern nacht, So wirdist mischt. Nu hor, wie ich die rede mit gesange dir hie trib: Du solt dich lebend wol bewarn, daz du icht last den tot alhie an gute werck dich vinden.

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5

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Texte

Und wann du must von hinnen farn, von er, von gut, von frunt, von mag, von wyb und auch von kinden, Got richtet, alz er vindet dich; er fraget nieman, also wol verweyß er sich. du wirb alhie, daz diner sel ym himmelrich beclybe. 13,V Es nahet gein dem sUnen tag, daz got wil sunen alle clag; wir haben luczel zuversicht nach todes ordenungen. Wiltu die sel bewaren dort, so nymm an dich die gottes wort, die man dir singet unde sagt mit manger wysen zungen. Es weret kum ein augenblick, ← zu josaphat daz streng gericht, → daz hat gar schir ein ende. Die rechten habent da den sick, Und die verdampten windent auch so clegelich ir hende. Sie mUßen in des tyfels cloben, da sin sie tot, doch leben sie. unden und oben erst bringet uns der gottes zu einer sammenungen.

1,4

A k 490 ra-vb, Überschrift Dyß par stet i marn’s guldin tone Vnd saget die meinst’ d’ der meyst’ .s. marner nUst me habe gemacht dan¯ dyss par doch vint ma me heryne in etlich’ nach sen < ger > geticht. Melodie. I,4 in (C )] nicht in k. II,12 den] de k. IV,9 hinnen] hinden k. B Nach RSM 4, 1Marn/1/500a Form 1 mit einer Variante: Vers 12 ist um einen Takt gekürzt. Zur Frage der Echtheit der Strophe IV Bartsch (S. 161 f.): „auch die fünfte (gemeint ist Strophe IV) halte ich nach der überschrift in K [hier k] für echt, nach welcher die echtheit dieses gedichts gegenüber dem folgenden desselben tones ausdrücklich bezeugt wird.“ Strauch hat sich dem angeschlossen; de Boor I, S. 553 (wie zuvor schon Schlageter): „sicher unechte Strophe“. RSM 4, S. 265: „Echtheit der Strophe ist unbewiesen und eher unwahrscheinlich; die Strophe dient der Vervollständigung zum Fünferbar.“ Haustein (S. 56) ist der Ansicht, „daß wir kein überzeugendes Argument für die Unechtheit haben“, weist aber in Anm. 23 selbst schon auf den „demonstrativen Sängerbezug“ hin, der aber, und hier wird die Argumentation nicht ganz nachvollziehbar, „auch für echte Marner-Strophen denkbar“ wäre. Denkbar, vielleicht, vorhanden ist er nicht und es scheint sich damit doch eine andere Einstellung zum eigenen Tun zu zeigen, als sie das Marnersche Dichten geleitet hat.

Die Sangsprüche

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D Bartsch 62, Nr. CI; Strauch, S. 130 Strophe IV (I,4a); Taylor 64, S. 25, Strophe 1 (mit Mel.); de Boor I, S. 552 f. Strophe IV; Taylor 68, S. 41, Strophe I (mit Mel.), Text nach Strauch (C); Haustein, S. 55, Strophe IV. E Bartsch 62, S. 161 f.; 677f.; Strauch, S. 74 Anm.; 130 Anm.; Schlageter, S. 96; Rettelbach, S. 90; Haustein, S. 48–58; 157–159; Baldzuhn 02, S. 235–238.

Meisterlied 14 (im Hofton)

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6,15 / Ml 18,I / Ml 19,I 14,I MIr sagt ein czwyfelere, freud und gesang, der sy verfarn. ydoch wil ich der welte singen unde sagen: do lebt noch manig werder man, der gutter freud begert. Gut freUd ist wUnnenbere. gesang sol man zU wilen sparn, und waz die vogel singen in den lichten dagen. als dU mir hast gezelt ein jar, daz nennet man als fert. Ein dag, ein woch, ein mond, ein jar get mit einander hin, der abent und der morgen. golt, silber, messing, bly und zin, kUpfer, stahel und ysen smeltzet aUch. der all ding wil besorgen, der dUncket mich der ler ein gauch. die zit hat er, die zUcht ist schon, die mass ist gUt, und hUbscher schimpff bescheidenheit, der git uns hohen mUt.

14,II „DEr gebend ist der werde. der nicht enhat, der ist unwert“, so rett ein richer kUnig, der was David genant. nU hat ich holder mage vil, wil ich bi gutte was. NU han ich uff der erde nyman, der myn zU mage gert. und den ich dick gebotten han die mynen hant, die kerent mir den rucken und sint mir an gabe lass. Man spricht, wer selber etwaz hat, daz sij gut vUr den zorn. armUt scheydet dick die mage,

6,7

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Texte

wie nahe daz sie sint geborn. daz kint, daz leUckent siner mUter, die es bar, und trost den vatter trage. daz nement wise meister war. in aremannes hertz vertirbet wisheit vil. wer in dem seckel nit en hat, daz ist ein hertes spil. 14,III WAz hilfft mich, han ich witze, waz hilfft mich, han ich wisen sin, waz hilfft mich, kan ich beyde singen unde sagen? hab ich dar zU der pfenning nicht, so ist es alles tott. ArmUt, ich dich entsicze, sint ich so unberaten bin. armUt, dU machest mangen frechen zU eym zagen. armUt, dU machest mangen milten dick vil schame rott. ArmUt, dU bringest mangen umb die sel und auch den lip. armUt, dU machest manich unstete, die wer gern ein byder wip. armUt, dU stifftest beyde raUp, mort und auch den brant, dar zU do gistU rette. ach armUt, daz dU syst geschant, wann ich enber din wol, dU wilt myn nicht enbern. armUt, von dynen schulden so sicht man mich dick ungern. 14,IV DU teilst gar ungeliche uss, lieber herre got, din gUt: dU gist vil mangem, drissig hetten wol genUg und daz sie sich betrUgen wol und hetten gUt gewin. DU machest manchen riche, der dines willen nit entUt und in dem lande dribet großen ungefUg. O herre got, nU clag ich dir, daz ich so notig bin. O sUßer vatter, Jesu crist, daz tUt mir also wee, daz ich din mUss vergessen, wan ich gedecht an dich wol mee, daz ich nit gUttes hab als noch vil manig man, mit den gemalt ich essen.

6,18

Die Sangsprüche

15

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ach got, waz han ich dir getan, daz ich uff diser erde armUt liden sol? vil lieber got, ich straff dich nit, wann dU tUst allczijt wol. Ml 18,II / Ml 19,II 14,V WEr gUt hat, der gilt balder; nu han ich weder hie noch dort in al der welte recht so breit als umb ein fUß, doch leßt mir got die sUnne schinen, regen unde den wint. Nu czwinget mich daz alter, wann alle ding gent uff ein ort. den mynen kummer ich den lutten clagen mUss. mich straffet manger, der do selber ist der sinne ein kint. Vil manchem, dem ist lieber gUtt wanns himmelriche wit. dar uff han ich verlassen in myner jUngen freUden czit und sprang also mit glichen fussen in den cle. wer mich dar umb wil hassen, hab ym sin wol, lass mir myn wee, wann got, der alle creatUre hat hernert, mir wirt doch anders nicht, wann mir der zarte got beschert.

A k 497 vb–498 va, Überschrift Aber fUnff. II,4 bi gutte (C )] begutte k. B Nach RSM 4, 1Marn/6/506a, S. 285 f. Form 3; durchgehend Auftakt, v. 10 in den Strophen I, IV und V, v. 13 in allen Strophen jeweils um einen Takt gekürzt. Zur Echtheitsfrage: Bartsch: Strophe III und V „erzeugnisse einer späteren Zeit“. So auch Strauch: III unecht „wegen enbern : ungern, V wegen verlâzzen : hazzen“. RSM weist beide einem unbekannten Verf. zu. Für Haustein (S. 198) nimmt dieses Lied „mit der C-Strophe XIV,16 [hier 6,15] ganz unmittelbar die Kunstthematik … auf und verbindet außerdem noch die beiden alten Strophen XIV,7 und XIV,10 [hier 6,7 und 6,18] mit zwei neuen Strophen auf grandiose Weise zu einer kleinen ‚Künstlerbiographie‘, in der die Themen ‚Kunst und Gesellschaft‘, ‚Armut des Sängers‘ und ‚Sterblichkeit‘ auf vielfache Weise untereinander verbunden sind und sich gegenseitig erläutern.“ Bis auf die ‚Biographie‘ mag man dem zustimmen. IV,13 gemalt? V,15–16 Anakoluth: das Subjekt des Vergleichssatzes (v.16), als Subjekt eines unvollendeten Kausalsatzes an den Anfang gestellt. D Bartsch 62, Nr. CIV.

348

Texte

E Bartsch 62, S. 162; 680f.; Strauch, S. 74 Anm.; Petzsch, S. 66 zu Strophe IV; Haustein, S. 175; 198; Baldzuhn 02, S. 340 f.

Meisterlied 15 (im Hofton)

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15,I JHesus, du wunderere, din ist einer, din ist auch dry, du werest ie und mUst auch ymmer ewig sin. dar zu so woltest du der großen wunder nit enbern, Daz dich eyn meit gebere, kusch und auch alles wandelz fry. bluende gerte von jesse, der selden schryn, die din geburt, die mag uns allen freude wol gewern. Von einem sußen grUß ‚ave‘ din reiner lyp enpfing Den hohen got vil reinen, der vor uns an daz crucze gieng, da er adamen loste und die hell zu brach. din trehen, din heysses weynen herwendet hat groß ungemach. Dez bitten wir dich, hochgelopte trynitat, daz du uns helfest zu der freid, die niemer me zergat. 15,II Du berndes saff der blUte, du ursprung aller selikeit, in dem hymmel und uff der erd und in dem see, in den luften, do ist, fraue, dines gewaltes vil. Du tron uff ← aller gUte → wart nie vol sungen noch vol seit. noch auch mit freuden wil ich von dir sprechen me: du bist wol gottes meyenryss und sines hertzen spil. Din heilig lip, der trug ein kint, ist furst uber all lant. din gut ob aller gute ist ein gymm, ein heilwag genant. du bist zu aller zyt vile barmhertzig gar. zu trost ist ir gemUte uns; die den werden got gebar,

6,8 / FIa

Die Sangsprüche 15

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daz bistu, hymmelische muter unde meyt. din gute hat vil manger seln ewigen fluch verjeit. 15,III Ob allen frauwen frauwe, du gottes muter unde meit, du hymmelische gottz tochter und sin trut, wer mag dinr tugenden richeit volloben noch gezeln? Du ros in hymmeltauwe, wann dich nie sunde hat beteit, du bist ob allen creaturen gottes brut. da von so wolt er selber dich zu muter ym erweln. Din lob ist allen zungen ubercreftig, uberstarck. mentschlich vernunft muß swygen dez, wie sich got mentsch in dich barg also, daz in din lyp on alles we gebar. Im mUßt all kunge nygen, dar zu dint ym der engel schar. du bist vor allen, frauw, ein schilt vor ytewyss, den schaden bracht eva mit einem cleynen apfelbyss.

6,1 / FIc / FIVe

*6,22 / FIVb 15,IV DA eva daz erdachte, daz mentschlich kunne was verlorn, da halff uns wyder ‚Ave‘, daz vil suße wort, daz da der heilig engel zu der reynen meyde sprach. daz wort uns freuden brachte, daz got ab liess den sinen zorn und gab zu sture uns sins hohen himles hort, der sich in sie verbarg und daz er ir zu muter jach. Die mynne zwang den gottes son, daz er durch uns sin leben gab in den tot von milt und truw, der uns hat lyp und sel gegeben. da von bitt ich dich, vatter, son, heiliger geist, daz du mir gebest rechte ruw, wann du all myne schuld wol weyst, so daz ich sie gebuße vor dem ende myn. daz hilff, maria muter, mir, gecronte keyserin.

350

Texte

A k 502 ra–502 va, Überschrift Von vns) frauwe j par. I,16 Zusatz nach der letzten Zeile: od’ die da nitt endes hat k. II,8 sines] sinenes k. II,12 vile barmhertzig] nach vile ein wagerechter Strich, ist vil ebarmhertzig zu lesen? III,8 ym erweln] ymmer weln k. IV,1 DA] A k. B Nach RSM 4, 1Marn/6/509a, S. 287 Form 2; durchgehend Auftakt, in den Strophen I-III die vv. 10 und 13 um einen Takt gekürzt. Zur Frage der Echtheit: Bartsch (S. 162) hielt auch die II. und die IV. Strophe für echt. Strauch hat sich dem angeschlossen. Haustein äußert sich nicht zu II, spricht (S. 71) nur der Strophe IV auf Grund der Verbindung mit einer alten Strophe und der Doppelüberlieferung in k ein hohes Alter zu. RSM nimmt einen unbekannten Verf. an. Kornrumpf verweist für Strophe II auf das Minnelied IV Wachsmuts von Mühlhausen, dessen Verse 1,1–3 und 2,3 (Ein bernde saf der minne blüete, / ein ursprinc aller sælikeit, / din zuht, din güete ob aller güete / … / unde trœste mîn gemüete in Strophe II zitiert werden, womit sie die Echtheitsvermutung gestärkt sieht. Wieso eigentlich? Man könnte damit ebenso für die Unechtheit plädieren, da ein so eindeutiges Zitat beim Marner singulär wäre. Aber man kann dies Argument ohnehin beiseite lassen. Die völlig funktionslose, unorthodoxe Ausweitung der marianischen gewalt in alle Bereiche dieser Erde einschließlich Luft und Meer (v. 3–4) ist gänzlich unverträglich mit der durch alle Corpus-Strophen streng und rechtgläubig auf Fürbitte, Beistand und Vermittlung zwischen dem Sohn und der sündigen Menschheit beschränkten Funktion der Gottesmutter, daß einunddenselben Verfasser nur für möglich hält, wer grundsätzlich keine Möglichkeit auszuschließen bereit ist. Diese Diskrepanz unterstreichen der Selbstbezug (v. 7) und die Singularia saff, meyenriss, gymm, heilwac. D Bartsch 62, Nr. CV; Strauch, XIV,18b (Str. IV), S. 131 und XIV,18 f. (Str. II), S. 134; Haufe, S. 74–77 Strophe II (mit Übers.). E Bartsch 62, S. 162; 681; Strauch, S. 74 f.; Kornrumpf 78, S. 224 Anm. 15; Haustein, S. 70–72; Baldzuhn 02, S. 343. Aus der Münchner Handschrift 1019

Meisterlied 16 (im Langen Ton) 16,I sUng ich den leuten meine lyd, so wil der erste das, wie ditrich von pern schyd,

7,14 / Ml 5,I / Ml 10,I

Die Sangsprüche

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der ander, wo kunck rUprech saß, der dryte von der heunen streit, der vierd von Eckehardes not, der fUnfte, wie kremhilt verrit, so wil der sechste das, wo kam seufrit, der wilde diet, der sibent, der wil auch etwas von wittich und von heimen streit und von des jUngen alprechcz tod. der acht, und der will anders nit dann huber myn gesanck. dem neunten ist die weil auch pey im allen lanck. so wil der zehend, wie ja sust und so, ja hin und her, doch und dar und dort und hie. der eylfft, und der will anders nit dann nybelUnge hort. er wigt mein wort geringer dann ein ort, sein mUnt ist zu schwaczen kort. mein gesanck im durch sein oren gat, als mit bley das merbel port. so sing ich doch den leuten mer, dann in der kunck pey mir enpot. Ml 5,IV / Ml 10,II 16,II und solt ich ungesungen sein, pis mich der kunig pet, wo tet ich dann die freude mein, die ich sol haben fru und spet? so will ich singen, was ich kan, und aUch als vil gelanget mir in dem pad und zu dem wein, als dick ichs gern tet. ja lyßen mich die weinkeUflein, die einer gernn von dem andern het. ach lieber wirt, nun trag her wein und kraußen groß, ist mein begir. „trincke tranck, gefater mein, ist dir dein haUß yt feyl?“ heinczlein, eberlein, wernlein, purckart wunschen heill, das wein kauff fur sich gee, so trinck wir alsamt dester pas, der wirt, der hat sein noch wol me. slah im dar dein hauß, dein hoff, dein wißen, acker, felt in guter delt. kum morgen und hol das gelt, es pleibt von mir wol unfermelt, sie wollen feste purgen han, dar nach so sentet sich die welt. nun hafte, liebe kreyde, wol, pis ich die zUngen mein gesmir.

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16,III got geb uns allen gluck und heill so gar an als gefer! ich rUcht mich, was hie werde feyl; secht, das uns neur der weinkauf werd, so mog wir unßer hercz gelaben und da pey guten mut gehann, und das wir alsamt werden geyl nach reiner herczen ger. behut uns got vor schanden meyl. mit ern far ich hin und her. durch kurczweil sing ich meine lyd, ir sulet alle mercken schonn. ach lieber wirt, nun trag uns her den lautern wein so klar. nun trincket fast, uns kUmen aber gute jar, so gewin wir ander gut, und lat uns alsamt frolich sein, uns kUmet schir des meyen plut. so singen uns die fogellein schon auf dem grUnen ast. nUn trincket fast, noch freuden wol wir dast. bescher uns got in unßern kast das korn und in dem keller wein, so mog wir dester pas gerast. nUn merckt, ob es gelogen sey, das ich dar nach wil heben an. 7,12 / Ml 5,II 16,IV welch fusch sich seines maußens schampt, der muß verderben doch. ein mauß, und die hat guten rant, entrint sie in ein fremdes loch. gut meister arczt ist leyder gast, armn manes weißheit ist entwicht. welch morner seinen schoß gezamt, der muß auch nun sterben joch. ist, das im nit sein hant erlamt, der mag von schulden sprechen noch. eins oschen kreen zimt nit wol und auch zaghaffter hant verpflicht. nUchtern danczen, nUnen hoffart und eines affen zagel, im meyen ein reiff und auch dar nach im aUgst ein hagel, ←ir keines mir behagt→, das einr auß warm mUnde leUgt, ein eichorn einen pern jagt. armen manes hoffart ist nit gut, sie dUncket mich nit weiß. der welde preiß

Die Sangsprüche

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versmilcz recht als das eyß. zu lieben kinden gehort ein reis. und wer hie wescht auch ane forcht, der wirt an ern selten greiß. was ich nUn fur pas singen will, das mog ir glaub oder nicht. Ml 5,III / Ml 10,III 16,V jCh sing ein peystUl an ein tUr, an ein stuben oder an ein gaden. ich sing auch wol ein sloß da fur, moch ichs erzeUgen ane schaden. und des enkan ich leyder nicht, da von ist es also belieben. ich sing ein swelle in ein tor. in zubern sol man paden. ich sing ein hohes dach enpor, dar unter ein aßel wol geladen mit guten scheitern also vol. wie hat mich armmUt her getriben! ich weiß wol, wie man einen guten wein versuchen sol: in einem weißen pecher, dar in er zenger wol, und ist er suß da pey, so prUf ich, das sein edelle kraff ein michel teyl des peßer sey. ein guten praten eß ich gern, und wer halt senff dar an. ich pin ein man, der fisch wol kennen kann mit pfeffer und mit saffrian. auch gut hUnner eß ich gern, es weren henen oder hann, und auch gesemmels prot dapey, es wer gepeutelt oder gesybt.

A e 6 v–8 r, Überschrift Im langen morner. II,4 ich k] nicht in e. III,16 nUn] nUm e. IV,18 reis (C )] rein e. V,19 weren k] nicht in e. B Nach RSM 4, 1Marn/7/502d Form 2, durchgehend Auftakt. Das Lied ist das einzige, das statt der sonst vorherrschenden Addition von Strophen eine Verbindung zwischen den Strophen herstellt (III und IV,20). I,18 kort, Nebenform von (ge)kêrt? Vgl. Lexer I,1552. II,11–20 Zur Redeverteilung s. Ml 5,IV. II,16 delt? II,19 sentet, zu senen wie Lexer II, 876 stn. senden und sendenære? III,3 mich, wurde mhd. ich enruoch nicht mehr richtig verstanden? III,17/19 dast/gerast, mhd. tasten/gerasten. IV,3 rant? IV,6–9 wurde hier eine Anspielung auf einen (den?) Marner konstruiert? Seit RSM 4, S. 296 gilt Strophe V als Parodie von 7,16, s. dazu die Anm. zu Ml 5,III. E Haustein, S. 225 f.

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Texte

Aus der Wiltener Handschrift.

Meisterlied 17 (im Langen Ton)

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*7,22 / FIIa / Ml 7,I 17,I AIn maler maldt an ainer wandt ain bild, als ich euch sag, sinagoga ist es genandt, in rechter acht nach gottes pflach. von seyden plangkh ain tuech umb ward gezogen im fUr die aUgen sein. Da ich das bild entworffen fand, da sach ich es da trag ain sper verkert in seiner hand, zuprochen gar, das was sein clag, davon ain cran gevallen leidt, die gab vonn gold ainn liechten schein. Das spache bild pezaiget unns die falsche jUdischait, dy so gesichtigklichen ungelauben traydt. ir hercz, ir sinn ist plindt, sy gelaubend nicht, das jhesus ain raine maid gepert zu kindt, wann sy wol wissten, daz moyses so lang vor got mUs stan, vor im enpran ain guldener pUsch so schon, dem nyemand nicht geleichen kan. sy EnczUndt des heyligen geystes feUr, genade nye an ir zerran. sy bezaiget uns die cristenhait vor got, des herczen b alsam schrein. *7,23 / FIIb / Ml 7,II 17,II Semlicher thier ich nye gesach also in wunder sten gemalt an ainer wende fach, ich het es nye gesehen mer. es tregt vier haubt und vier pain, nach yedlem haupt hant unde fuess. Der meine synne mir gebrach, der czandl tet mir we. mein weyses hercz in mir vergach, es wer ain thier nach neuer ee. ob dem thier ain jungkhfrau saß gekrondt, als ich euch sagen mUes. Zwischen irer prUst da lag ain kreUcz, und auch ain guldeiner fan,

Die Sangsprüche

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den sy da fUrt, ain mayd so wolgethan, und ain vas von gold so rott, darein da fieng sy gottes bludt und half dem sUnder aus der not. das schone bild bezaiget unns die ware cristenhait. das thier, das trayt kalbes stiernn prait leben , aran haubet, menschen bild, ewangelisten sein perait, nach gottes marter sy auf stUnd auf wart dem sunder falles los. 17,III *7,24 / FIIc / FIIId / Ml 7,III Johannes in lantern sach ein rose in sonderbar, aus irem schein ain liecht emprach. von zwolf stern gekronet wart versiglt unnd versarget schon, die rosen gaben liechten schein. In der rosen, die er sach, ain Cristall sunderbar, was rainer keuscher ummefach und ganczer tugend ain adalar. vierlay mensch und dreyerlay kron, Nun hort, was wUnders mag das sein? Der kunig aus oberlande sand zu der rosn hochgeborn, der die cristall in die lUczern hat auserkornn. was wunders da geschach, herr david von der Edln rainn keUschnn also vil verjach. sy sprach: „Nun kUm her, Engl mein, NUn bin ich dir berait, dein ereclayd hast dU an mich gelait. was die hell hiet vor betriebt, an schwert han ich erfochten das in aller diser welt so weit und han also verrichtet schon, die entloset von schwerer bein.

A w 17 v–18 r, Überschrift (von anderer Hand ) jm l Morer. I,20 balsam (R )] walse w. B Nach RSM 4, 1Marn/7/102e, S. 295 Form 1; fast überall Auftakt durchgeführt. II,20 Der Text der Vorlage muß etwa so gelautet haben wie *7,23,20. Die Fehldeutung beginnt bei v.19, wo seit nicht als Form von sagen erkannt wurde.

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Texte

D Cramer I, S. 413 f. E Haustein, S. 86–89. Aus der Handschrift des Hans Sachs, Berlin Mgq 414.

Meisterlied 18 (im Kurzen oder Hofton)

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6,15 / Ml 14,I / Ml 19,I 18,I Es sprechen zweiffelere: freudt und gesang wert gar verlorn. da von so wil ich paide singen unde sagn: das man nUn zalt heuer ein jar, das nennet mon aUch fert. FreUd pringet freUden pere. gesanck sol mon pey weil nit sporn. die fogel singen nit gemainlich pei tagen. mang werder man, der lept noch zwar, der hocher freuden gert. Ein tag, ein woch, ein ganczes jar get alles nach ein ander hin, der abent und der morgen. golt, silber, messing und das zin, pley, kUpffer, sthachel, eisen, das zu schmilczet aUch. wer al ding wil pesorgen, der dinckt mich wol der sin ein gaUch. die zeit hat er, die zUcht hat zir, dy mass ist gUt. ein gutte zeit nem ich fUr war, die mir precht senften mUt.

18,II Parhafftig gUlt, ein malter, die ich hab weder hie noch dort aUf disser erden nit als preit als nUr ein fUs. got lest mir doch die sUnen schein, den regen und den wint. ja irent mich dass alter, und als mein dinck gett aUf ein ort.

Ml 14,V / Ml 19,II

Die Sangsprüche

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den frUmen leUtten ich mein kUmer clagen mUss, die in der welte gar gemein und hie gesessen sint. Wer eines nit gehaben mag, gar selten so gewint er zwey. das volgt mir nach von jUgent, das ich verlast, o heya hey! da ich sprang mit geleichen fussen in den cle. wer nit mein schimpff in tUgent aUf nymt, leb woll, las mir mein we. und der die fisch al in dem wilden wag ernert, der hat mir dUrch die milte sein mein narung noch beschert. *6,30 / FVIe / Ml 19,III 18,III Wer gibt den tieren speisse? wer gibt den raben kuchen mas, und wer thUt wonder an das leben wolffen schein? wer helt die ganczen welt in hafft, des gnad ich wartten pin? wer gibt dem vogel weise, ye einem sUst, dem andern pas? wer geyt den pergen wasser und den stocken wein? wer gibt den edlen wUrczen krafft, der erden golt und zin? wer gibt der sUn und man den schein? wer gibt den steren iren glast? wer gibt vinster und haitter? wer dregt des firmamentes last? wer gibt dem leben und dem vagel greiffen cla? wer gibt dir der sin laytter? das dUt got selber. nUn sprich ‚ja‘. got hat alle dinck verfirmet schon als ein ay; der selb deilt dir mit meisterschafft Sel und aUch leib entzway.

A q 387 r–388 r, Überschrift In des marners hoff don 3 lieder. I,9 mang] mangl q. I,16 wil C] nicht in q. III,2 kuche] keusche q.

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Texte

B Nach RSM 4, 1Marn/6/506e Form 4; die vv. 4, 8, 9 und 16 werden geteilt und angereimt, so daß die Strophe jetzt zwanzig Verse hat mit der Reimfolge abcde| abcde|fghgihijdj, vgl. Brunner, S. 265 f. und 284. II,1 Ich vermute: Echte Gulden, einen Malter (Getreides). II,14 verlast, Götze (Frühnhd. Glossar, Berlin 61960) verzeichnet ein swv. verlassen ‚vernachlässigen‘, das hier passen würde. III,18 ay, im Mittelalter populäre Vorstellung von der Schöpfung als Kosmos-Ei, in dessen Mitte die Erde als Dotter (Eiweiß/ Wasser, Häutchen/Luft, Schale/Feuer) ruhte, s. Simek, S. 32–36. E Rettelbach, S. 139 f.; Haustein, S. 171–173.

Aus der Berliner Hs. 410/3

Meisterlied 19 (im Kurzen oder Hofton)

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19,I Es sprechen zweiffelere, freUd und gesang verloren sei. darfon ich peide sing und der geleichen sag: daz man nUn zelet heUr ein jar, daz nennet man aUch fert. freUd pringet freUden pere. nymant spar gsanges melodey. di fogel singen all gar frolich gen dem tag. manch werder mon, der lebt noch zwar, der hoher freUden gert. Ein tag, ein jar, woch und monat get alles nach ein ander hin, der abent und der morgen. golt, silber, messing und daz zin, plei, kUpffer, stahel, eisen, daz zerschmilczet aUch. wer all ding wil pesorgen, der dUnckt mich wol der sin ein gaUch. di zeit hat er, di zUcht hat zir, di mas ist gUt. ein gUte zeit nem ich fUrwar, di mir precht sennfften mUt.

6,15 / Ml 14,I / Ml 18,I

Die Sangsprüche

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19,II Drey gUlden gUlt ein malter, di hab ich weder hi noch dort aUff diser erden nicht als preit als umb ein fUs, doch lest mir got di sUnnen schein, den regen und den wynt. AUch irret mich daz alter, und al mein ding get aUff ein ort; den frUmen leUten ich mein kUmer klagen mUs, di in der welte gar gemein und hie gesessen sint. Wer eines nicht gehaben mag, gar selten so gewint er zwey, daz volgt mir nach von jUgent, daz ich verlast, o heia hey! da ich sprang mit geleichen fUssen in den cle. wer nicht mein schimpff in dUgent aUff nimpt, leb wol, las mir mein we. und der di fisch al in dem wilden wag ernert, der hat mir dUrch di milte sein mein narUng noch peschert. 19,III wer gibt den thieren speise? wer gibt den jUngen raben mas, und wer dUt wUnder an des lewen welffen? wer helt di ganczen welt in hafft, des gnad ich warten pin? wer gibt dem vogel weise, ir einem sUnst, dem andren daz? wer geit den pergen wasser und den stocken wein? wer geit den edlen wUrczen krafft, der erden golt und zin? wer geit der sUnn und mon den schein? wer gibt den steren iren glast? wer gibt finster und heitter? wer dregt des firmamentes last? wer geit dem lewen und dem vogel greiffen cla? wer geit dir der sin leitter?

359 Ml 14,V / Ml 18,II

*6,30 / FVIe / Ml18,III

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Texte

daz dUt got selber. nUn sprich ‚ja‘. got hat all ding formiret rUnd recht wi ein ay. der selb deilt dir mit meisterschafft sel unde leyb entzwey.

A r 29 r–30 v, Überschrift In dem hoffthon des Edlen vnd vesten K. Marners. Schreiber Valentin Wildenauer. Nachschrift: Anno 44 geschribe) am sUntag nach aller heilg) 4 fg oct z. B Nach RSM 4, 1Marn/6/506f Form 4 (s. Ml 18 B). E Rettelbach, S. 139 f.; Haustein, S. 171–173.

2.3 Anonyme Bare in Marner-Tönen mit Strophen, für die Marner als Verfasser erwogen worden ist (Ml 20–22) Aus der Kolmarer Handschrift

Meisterlied 20 (im Langen Ton)

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Ml 22,III 20,I FErwahssen sij der arge rUm! RUm ist ein uppikeit. ez ist an frid und an sUn. zwischen rUm und stet ist underscheit. RUme ist der woren mynn ein hagel, wo rUmer sint, ir lop ist dot. Man siht yn selten vil getUn, wer sin lop machet breyt. daz kan uns bezeichen eyn hUn: wanne daz ein kleines ey geleit, so bringtz mit sinr getzen klaffen dick eyn wijtes hUß in not. Die arg ungeneme lUgen ist rUmez eygen kint. rUmz unbescheydenheyt vil manichen man dUt blint. rUm ist ein Uppig krUt. so enwart nie kein rUmer keiner reynen fraUwen sonder drUt. den ersten rUm got verstieß uz hoher kore sal. der engel schal

Anonyme Bare in Marner-Tönen

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waren gar an zal, die stieß er in der helle dal. die rUmer, die sint schande wert, wo man sie vindet uber al, die da mit irem argen rUm die fraUwen machen t schamme rot. 20,II Ml 22,I FErwahssen sij der arge spot! spot schendet manichen man also, daz er verlUset got und wUrffet sich selber in den ban. spot manichen hat versencket dieff al in der argen helle grUnt. Mit spot so brichet man gotz gebot, alz ich mich nU verstan. er sye ein heiden oder eyn schot, nit argers er gesonden kan danne mit hoffart und auch mit spot, wer sich des flisset zu aller stunt. Mit spot man got und alle der welte missehaget hie. ir spotter, wisset ir nit, wies lucifern ergie, do in got fallen hieß, und er yn uz des hymmels dron her nyder zu der helle stieß? do wart vergolten ym der spot und siner hoffart bUß, als maniger mUs durch synen smehen gruß ym knUwen nider fur den fUß. wer sich gespottes nit erlat, der dufel spricht alz zU ym: „dUs!“ jUng man, ich wil nU roten dir: vor spotte schluß zU dinen munt. 20,III Ml 22,II Ez ist gut, daz man vor gut wil han. nU merckent, arm und rich, ich meyne Uch fraUwen und ir man, uff alle fUnde so meyn ich: nyeman sol sin selbes kUnst zu sere prysen, hore ich jehen. Manicher nymmet sich rUmens an und wil sin dem gelich, der me danne sinre nUne kan. mich dUncket, daz er schende sich, wann kUnst, die zeigt sich selber wol, wer sie die wysen liesse spehen.

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Texte

UnkUnst fellt an der helle grUnt, kUnst dreit senfften mUt. unkUnst sich selber wirffet dicke uz rechter hUt. mit spehen worten glantz manicher singet und seit, ist weder wort noch wise gantz, do mit er doren und narren vil wol driegen kan. dem selben man ich auch vil schande gan, wann er wil keine ere nit han, wer sprichet, daz er habe daz, des er nit hat und nie gewan. des mUs man in dem lande wit noch vil der dUmben doren spehen.

A k 456 ra-vb, Überschrift Aber iii i marners lag wiße vo de rUm. I,11 ungeneme] ungenemes k. I,20 die fraUwen machent] die argen fraUwen macht k. III,15 driegen, das d Korrektur über einem b oder einem k. B Nach RSM 4, 1Marn/7/511a, S. 299 Form 2; Auftakt überall durchgeführt. Zur Frage der Echtheit: Bartsch (62, S. 161): „97 scheint mir echt“, S. 675 ausdrücklich, der Reim m : n (I,1 : 3) reiche nicht aus, um die Echtheit zu „leugnen“. Strauch (S. 74 Anm.): „echt und ganz in Marners Sinne“. RSM weist sie einem unbekannten Verfasser zu. Haustein zählt sie zum älteren Bestand und stellt sie „stilistisch“ zu 7,10 und 7,17. Die drei Strophen machen durchaus den Eindruck, vom gleichen Verfasser zu stammen; aber man wird zögern, in ihm den Marner zu sehen. Bei einem konsonantisch exakt gereimten Corpus fällt eine Strophe mit einem n : m-Reim doch ins Gewicht und die durchaus ansprechende, aber im Vergleich doch recht plane Schlichtheit der Gedanken zusammen mit einer gewissen weitschweifigen Betonung des eigenen Tuns und der eignen Person (II,7; 20; vor allem III,3/4; 9; 17), die im Corpus keine Parallele hat, machen einen anderen Verfasser wahrscheinlicher, dies ist freilich wenig mehr als ein bloßes Geschmacksurteil. II,19 dus, mhd. tûs, die Zwei im Würfelspiel, wer sie wirft, hat verloren. II,8 schot, hier wohl Angehöriger eines Schottenklosters. D Bartsch 62, Nr. XCVII; Strauch, S. 136–138 (XV,19c-e); Poynter, S. 328–331; Krause, S. 254 nur Strophe III. E Bartsch 62, S. 161; 675 f.; Strauch, S. 74 Anm.; Haustein, S. 236; Baldzuhn 02, S. 324–326.

Anonyme Bare in Marner-Tönen

Meisterlied 21 (im Langen Ton)

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21,I NU ratent alle, waz daz sij: es lebt so klores niht, dem hoher kUnste wone bij, wan es an dem gestirne siht gar dicke kUnfteklicher ding und ist nit einre elen lang. Ob sin der babest were fry, Sin kUnst, die wer ein wiht, dar zU der besten phaffen dry, die man uff erdn lebendig siht. wanne der welte leit geschicht, So siht in ym sine freUde krang. Ich sach, daz es den dauff enphing und lebt in jUdischer art. den hohen fUrsten ist es liep und da bij zart. Es spiset schone sich mit vyol, blUmen unde cle und mit den lUfften, merckent mich. es ist listig, so man es vahe, wencket her und dar. ir nement war: got gap ym soliche nar. es ist wiz, brUn und fyolvar. selbander so wirt es geborn, von uber mer bringet mans har. es ist so vernUftig, geyn dem heyligen grab es nyget sonder wang. 21,II Ob ich es Rat, ich sag uch me, waz es durch niht enlat: es wonet menslich bij der E, ir eins dem andern nahe stat. sie kennent beid einander und werdent sich nymmer sichtig an. Man siht es in dem grUnen kle, in gottz hantgetat. sin wonent me in wildem se, denne allez ertrich menschen hat. es hilffet usser noden wol vil dicke manichem werden man. Man siht in allen landen sine klUge meysterschaft. her ekke und des kUnen dietriches krafft, hett die beyd ein man, wer er der zweygen dinge fry, waz gebe ich umb ir ellen dan?

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nU ratt: es wehset in dem walde und uff der heyde breit. uch sij geseit, daz es die krone dreyt, die eyme keiser ist bereyt. man spUret an ym lieb und trU und aUch zorn, haß und hertzeleit. Es bringt die hohste freUde zwor, die ieman uff erden moht gehan. 21,III ES sint die aUgen, die geben sin dem hertzen, wanne es siht vil hoher kUnste, do von ich bin den aUgen holt umb anders niht. Sie helffent mit irre meysterschafft wol eynen biderman uz not. Wo spiegel lieht aUgen sin wises hertzen hant gewalt, da meret sich der kUnste schrin in allen dingen manigfalt. keyn gantz kUnst mag nit gewesen ane der liehten aUgen rat. der welt freUde wer gar ferlorn ane lieht aUgen glantz. alle gereht kUnst, die machent die aUgen gantz. dar umb bin ich yn holt. sie bringent der welt freUden vil und kunnen verdienen richen solt. dar umb hant sie den hosten pryß. Sie sint so recht fin. der aUgen schin siht man drUrig sin, ←wanne E daz hertz lidet pin und es mit jomer ist behafft→, So sehe man es zU den aUgen yn: sus klagent sie der welt leit, als yn die drUwe da gebot.

A k 457 va–458 rb, Überschrift Aber iii. I,5 kUnfteklicher, das r ein nicht sicher zu identifizierender Zusatz über dem e. I,9 und 15 man Ba] nUn k. II,14 ellen Ba.] ellend k. III,14 kunnen] komt k. B Nach RSM 4, 1Marn/7/513, S. 300 Form 2; Auftakt überall durchgeführt. Zur Echtheitsfrage: Bartsch (S. 161): Von XCIX „sind die beiden ersten für echt zu halten, die dritte dagegen ist die jüngere hinzugedichtete auflösung.“ S. 677 zu I,19; „der reim har (: nar ) ist der einzige mundartliche in diesem gedicht, aber Marners mundart nicht widerstrebend.“ Dagegen Strauch (S. 74 Anm.) zu den beiden ersten Strophen: „möchte ich nicht für ein Eigenthum Marners halten.

Anonyme Bare in Marner-Tönen

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Z. 19 reimt nar : violvar : har, womit Marner XII,30 [= 4,2,13 : 14] sper : her widerstreitet.“ RSM weist alle einem unbekannten Verf. zu. I,11 verrätselt wohl nur, daß getaufte Christen wie ungetaufte Juden Augen haben. Loewenthal zitiert (S. 117 Anm.) Baesekes Lösung: ich sah es getauft, nämlich in Tränen, wie ungetauft, nämlich tränenlos. L. selbst bezog die jUdische art auf die Wimpern, die nie beschnitten werden. I,19 verätselt das Faktum, daß auch der Orientale Augen hat. D Bartsch 62, Nr. XCIX; Poynter, S. 331–334; Loewenthal, S. 115–116 Strophe I und II. E Bartsch 62, S. 161; 676 f.; Strauch, S. 74 Anm.; Loewenthal, S. 116–117; Tomasek, S. 317, vor allem Anm. 199.

Meisterlied 22 (im Langen Ton)

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Ml 20,II 22,I VErwahsen sy der arge spot! spot schendet mangen man, da mit er aUch verlUset got und wirfft sich selber in den ban, wann spot vil mangen hat versenckt vil tieff al in der helle grUnt. Mit spot bricht man gottz gebot, wer sich daz kan verstan. er sij ein jUd, ein heyd, ein schot, nit wirsers er gefinden kan ja dann mit hoffart und mit spot, wer sich des flißt zU aller stUnt. Die wUnder got und aUch der welte missehagent hie. ir spotter, merckent, wie es lucifer her gie, ja da yn got verstieß. umb hoffart in der helle glUt der werde got yn sitzen hiess. dar nach so wart ym auch des selben spottes schiere bUß. vil manger mUß umb sinen smehen grUß da by yn sitzen zU sym fUß, und wer sich spottes nit herlat, der tUfel sprichet: „alles dUß.“ ach jUnger man, ich raden dir, beslUß vor spotte dinen mUnt.

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22,II Ml 20,III Est gUt, daz man vUr gUt wil han, daz merckent, arm und rich, ir werder fraUwen und ir man: in allen dingen, so mein ich, nieman sin kUnst ser prijsen sol, daz hor ich die wysen jehen. Sich nymmet manger rUmes an und dUncket sich dem glich, der me dann siner nUne kan. mich dUncket, daz er schende sich. sich, kUnst, die rUmpt sich selber wol, wo mans die wisen lasset spehen, wann kUnst dreyt bose hoffart wol, zwar kUnst treit senfften mUt. UnkUnst sich selber dicke wirft uß rechter hUt mit spheher worte glantz. eins snypp und snappet aber eins, und ist kein wort und wiss nit gantz, da mit man doren und narren vil betriegen kan. dem selben man, dem ich wol schanden gan, wann er enwil nit eren han. er sprichet dick, er hab ir eins und der er keins nie gewan. waz man der toren und der narren in den landen mag gesehen! Ml 20,I 22,III NU lassent ir den argen rUm. RUm ist ein uppikeit. Ist one freyd und one sUn. wol von dem rUm sy Uch geseit: RUm ist der waren myn ein hagel und ist des milten leben tot. Man sicht yn selten vil getUn, der sin lop machet breit. daz kan betUten uns ein hUn: wann daz ein cleines ey geleit, mit kegzen, claffen bringt es wol ein grosses wydes hUß in nott. Die arge lUge ungenem ist rUmes eygen kint. des rUmes unbescheidenheit machet gesehenn man an blint. rUm ist ein ubel krUt. kein rUmer, der enwart noch nie vor schonen fraUwen sunder trUt, dar umb den ersten rUm do storet von der kore sal,

Ein anonymes Meisterlied im Goldenen Ton

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der engel schal so gar on alle zal, den stiess er in der helle tal. ir gernden diet, ir sint gemant, daz ir Uch hUtent uber all, daz Uch des rUmes Uppikeit vor schonen fraUwen icht mach rot.

A k 466 rb-vb, Überschrift Ein anders von spot und RUme. I,14 yn sitzen] yn in sitzen k. III,5 myn] ny k. III,6 sicht] über dem i ein e k. III,15 sal Ml 20] val k. B Nach RSM 4, 1Marn/7/511b, S. 300 Form 2; Auftakt überall durchgeführt. Zur Frage der Echtheit s. Ml 20. II,11 wann kunst, muß wohl wann unkunst heißen, oder vor wol fehlt ein nit. III,12 an, Einschub um des Metrums willen?

2.4 Ein anonymes Meisterlied im Goldenen Ton (Ml 23) Aus der Wiener Handschrift 2981

Meisterlied 23

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23,I Maidost ain kUng hoch genandt, hort an, was thU ich euch bekandt: umb ainen wunsch so bat er gott, das morckent hie besunder. gott sant im ainen engell wert, er sprach: „und was du hast begert, das wil dich gott geweren thon.“ vir bass so horendt wunder: Der edl kUng gott bitten thet, das als sein gUtt wurd rottes gold, das selbig ward im ware Nach dem, als die geschriffte set. er ward erfreut, der edel kUng. Nun morckendt offenbare: sein sall, der ward im rott guldein, und was dar inne mocht gesein. das goldt als wunneklichen schein. der kUng an freud ward munder. 23,II doch ward im sein freud schier ertrendt, vir bass ob ir es horen wendt: Der edel kUng ze tische sass, sein speyss wolt er da niessen.

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was er gen seinem munde bott, das ward im alles zu goldt rott. da das der edel kUng an sach, sein augen wurden fliessen. er dacht: was hab ich hie gethan, das ich also gewinschet hab auss meinem synne thumme? wie soll es mir darumb ergan? ich will nit lan, biss ich erwUrb gottes hUldt wider umbe. der kUnig sprach: „awe der nott! soll ich des hungers sterben todt?“ der edel kUng sich da erbott, sein sUndt, die wolt er biesse. 23,III des im gott hulff auss grossem wee. das gold verwandlet sich als ee. da das der kUnig ane sach, sein laid was im ergangen. vir bass so thet er loben gott, set die geschrifft on alle spott. das morck ain yetlich weyser man, lass sich nach wunsch nit blangen. hort, wies dem kUng ergangen ist: er wunscht sich selb in ungemach, das kam er auch in reue. vernemendt mich on argen list: zU diser frist hiet euch dar vor, ich ratt euch das mit treue, das ir euchs wunschen lassend sein, mit dem das ir nit kompt in pein, als ich euch von dem kUng thU schein; doch thet er gnad erlangen.

A Wien 2981, 24 v–25 r, Überschrift in des marnerss guldin thon. Schreiber Simprecht Kröll. B Nach RSM 4, 1Marn/1/507 Form 3; v. 12 ist an v. 11 angeglichen, hat also auch nur vier Takte; Variante: Zäsur in v. 13 reimt auf v. 11 und 12. Nach RSM 4, S. 269 könnte der Ton von diesem Lied seinen Namen bekommen haben. Zur weiteren Entwicklung des Tons s. Brunner, S. 265 und 283; Rettelbach, S. 89–91. 1,1 Maidost, Midas, vor allem aus Ovids ‚Metamorphosen‘ bekannter sagenhafter König von Phrygien, dem Dionysos den verhängnisvollen Wunsch erfüllt und ihn dann rettet durch ein Bad im Fluß Patroklos, der seither Goldsand führt. I,9 und III,5 set, mhd. seit. II,2 wendt, mhd. wellent. E Rettelbach, S. 89–91; 137; 275 f.

Bare in Tönen Marner zugeschrieben

2.5 Bare in Tönen, die in der jüngeren Überlieferung Marner 2.5 zugeschrieben werden (Ml 24–27) Aus der Handschrift Dresden M 13

Meisterlied 24 (im Geblümten Ton).

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24,I Drey fUrsten in aim drechty saussen in ainem sall, fein mit ainre kron pekrennet, got vater, sun und gaist, sed uns so frey das pUch der daugenney. wau wonnet gotes kreffty? in ainem word allain. E got peschuff nein kory, wau zund des gaistes fur? der vater grau, wau het gott wonung daw? Ver nempt den sin so rechty: die gothait aune zall, sein kUnst ist uber schonett, die drey in ainr vollaist in wordes krafft verheffty: die gothait also rain, der gaist nach gotes lery, der sun mit got gehUr, gar wunder per altisimus der her, 24,II Wan nichs nit ward pegriffen, da got im word da was mit kunsten hoch gesessen in seiner drinnitat gar lobisan. wer mir das sagen kan, Sein sinn, die wil ich preissen

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in maisterlicher kunst, wer mich der ding beschaidet, wa got behusset het, der schoffer mein, hoch in des wordes schein. Der sin ist mir ensliffen, wie got in got da sas. nit mag es niemat messen, wan gotes majenstat, der jung, der alt, der greissen durch lUcht in fUres prunst. got in der gothait waidet, durch lUcht der fursten ret. nun mercken mer (der kUng sabot hab er!): 24,III Ain liecht in der drivalty pran durch des gaistes krafft aun anfang und aun endy in gotes daugenhait. das liecht da schain in der gothait allain. Das liecht pran in drey flamen und ward ach nie enzind. E es ward dag noch nachty durch lUcht des liechtes schein in gotes vass. got in dem liecht da was, Got vater, gaist der alty, die zwen in ain behafft schaun in des liechtes lendy genczlich aun underschait, gaist, vater, sun, drey namen. das liecht in got da prind. got selb das liecht da flachty zu ainer megedein, die was aun spot gmechlet dem kind sabott.

Bare in Tönen Marner zugeschrieben

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24,IV Die gothait was verborgen so hoch in ainem word. das word was nit allainy, got schain in liechtes funck aun anfang ye im word aun allu mie. Nun macht got niemat loben, e er beschuff kain ding. da was got mit sein reden woll in der kunsten waug, da nam er vun groß weißhaitt mit dem sun. Schon lebt got aune sorgen, in seiner gothait pord las got mit sinen rainy, der ald und ach der junck. der edel furst swebt oben in seiner gothait ring. got hoch behusset hetty gar haimelich und daug in gottes dron mit kUnsten also ron. 24,V Fron mit der gothait werdy ain raine maid het gmain, pliet mit dem vater greyssy, durch lucht personne drey. die ain person pird zwo aus ir so ron. Mich nimet imer wunder, das got ach was so lang in seiner gothait zarty, E er beschUft die welt so wuneklich, der edel furst so rich. „Es was der gothait gerdy, das got was lang allain

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giet und gewalt, der weissy hoch in der daugenney. personne drey besunder in ares flUgen zwang des hochsten plomen ardy, mit kunsten ich das melt“, schreibt johannes so hoch auß gotes wes.

A d 12 r–13 r marners plömder don. III,1 drivalty] drualty d. IV,13 Schon über und in woll hineinkorrigiert. IV,21 in über gestrichenem nach. dron über gestrichenem qual. IV,22 vor ron ein woll getilgt, dann eine unleserliche weitere Korrektur, vielleicht ein sch. V,3 pliet über ach korrigiert. B RSM 4, 1Marn/9/1, S. 322. Nach Brunner S. 153 Anm. 297 eine „Imitation von Frauenlobs Goldenem Ton, die ihrem Vorbild sehr nahe steht“; so auch Rettelbach, S. 276 (vgl. Frauenlob GA Ton XII). Die Lesungen wegen des schlechten Zustandes der Hs. nicht immer sicher, die Wortformen nicht immer eindeutig und die syntaktische Struktur des Ganzen der vielen nicht sicher zuzuordnenden appositionsartigen Reihen wegen oft nicht zu durchschauen, die Interpunktion folglich nur ein Vorschlag. I,1 drechty, die Hs. schreibt auslautendes e als y. I,2 saussen, die Hs. kennzeichnet mhd. â durch nachgesetztes u. II,19 waidet, hier wohl ‚verblieb, hielt sich auf‘. III,15 lendy, mhd. gelende? IV,4 funck, Glanz. IV,9 reden, mhd. ræten? wohl Anspielung auf das im Anschluß an Ps. 85,11 ausgebildete Szenario vom Streit der vier Töchter Gottes misericordia, veritas, iustitia und pax über die Erlösung des Menschengeschlechts (s. P. Kern, S. 69–73). IV,10 waug, Sinn ergäbe mhd. wâge, allgemein gebraucht für etwas, das erwogen und bedacht wird. Der Reim zu v. 20 daug (mhd. tougen) wäre dann aber ein bloßer Augenreim. IV,14 pord, wohl mhd. port ‚Hafen, sicherer Bereich‘. IV,22 und V,6 ron? V,5 und 15 pliet : giet, mhd. blüete : güete? V,19 ardy, wohl mhd arte, Genitivumschreibung für das eigentliche Subjekt bluome, das für Maria steht. V,22 wes, Subst. wesen. D HMS IV, S. 535 Anm. 3, nur Strophe 1; Frauchiger, S. 33–35. E Brunner, S. 153; Rettelbach, S. 171 f.; 276.

Bare in Tönen Marner zugeschrieben

Aus der Kolmarer Liederhandschrift

Meisterlied 25 ‚Prophetentanz‘ 25,I JCh lob ein meit uber all lant, die ist uns allen wol herkant, Maria, so ist sie genant, die engel dient ir alle sant, dar zu daz hymmelriche. 1b Sie treit ein wolgeziert gewant. die welt, dye stet in yrer hant. von orient biss occidant man doch kein werder maget fant. niemant ist ir geliche. 2a Sie ist von art ein edel stam: her david und her abraham. 2b Was ie verwurckt ef und adam, daz wyderbracht ir reiner sam. 3 Sie ist ←der busch→ vor moyses bran, Und er sich darnach nie versan; 4a Der busche, der bran uber al, daz ym wart nie keyn bletlin val. 4b Sie ist dez hochsten gottes sal. Ir gUt herhillet berg und tal. 5a Sie ist die meit, die got beheit, da von man singet unde seit. 5b Ir lop ist breit. sie ist bedeit zu trost der armen cristenheit. 6a Wir soln ir wol getruwen, der hochgelopten frauwen, daz wir sie aneschauwen. in welden und in auwen 6b Ir lop ist unverbuwen. den sußen himltoˇwen wolt sie zu uns hernuwen 1a

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umb unser sunde ruwen her ab uff dyss ellende. gib uns, maria, reine meit, ein selgz ende.

25,II Maria, sUn, brehender tag, du sUßes mandelryses hag, an dir gar all myn freude lag. vernymm mich, frau, daz ich dir sag durch dines kindes ere: 1b din lop nieman durchgrunden mag. Du bist, die gottes mentscheit pflag. Wend uns daz leyd und auch den slag, so hat ein end all unser clag Und truren nymmer mere. 2a Was ie gereth ysayas, und auch gesprach jeromias 2b (Wo ist myn herr, her helyas, der uff dem fUryn wagen sass? 3 Er furt in in daz paradyss), keins mentschen munt wart nie so wys, 4a Der da vol sprechen mocht daz lop Der meyd ob allen meyden ob. 4b Sie ist der sterre von jacob Und ist gedultig als her jop. 5a joran, johel, emanuel, her Salomon, ezechiel, 5b her daniel, in israhel keins mentschen zung wart nie so snell, 6a daz sie mochte vol eren die hochge

Sist aller tugend keren. 6b daz laup, griess, alle stere nu wyse meinster weren, die mochten nit volleren, 1a

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was hoher ern und wirdikeit got an die reyne meit marien hat geleyt.

25,III MAria, maget hochgeborn, Maria, ros on alle dorn, Maria, nieman wirt verlorn, den du, maria, wilt bewarn, Maria kunigynne. 1b Maria, muter ußerkorn, Mary ob allen engel scharn, Mary, versuneryn dez zorn, Den kanst, Maria, underfarn, Maria, ware mynne. 2° Maria, hymmel gloria, gebenedUte maria, 2b Dulcis misericordia der hymmel, voller gracia, 3 du bist der ymmerwernde baum. der susse jhesus nam din gaum. 4a Der sich da selb zu dir versloss und dich uß aller welt herkoss. 4b Er leit an dich sin wunder groß, da dich der eren kunig besass. 5a Maria zart, gar unverschart, Mary, ezechieln port, 5b Uß hoher art entsproß din hort, Mary ezechielis port. 6a Maria, sunn und mone, die luchten durch dich schone. du lichter hymel fane, kein liecht ie lichter bran. 6b du hymelriches krone dez wysen salomone, frau, alles wandels one, 1a

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Nu hilff uns in den tron, Da got wont ye und ymmer. Maria sUß, verlaß uns mit Jhesu cristo nymmer.

A k 489 ra-vb, Überschrift Der -pphete dancz ein eyge geticht dez marn’s (Melodie). Das Bar ist außerdem überliefert im Berlin Mgq 414, 409 r–410 r (Ellis, S. 964 f.) und fragmentarisch im Cgm 351, 198 r-v. I,20 herhillet] hehillet k. II,30 tugend] tuged k. III,30 ie] in k. B RSM 4, 1Marn/11/1a, S. 323. II,11–23 Gestalten des Alten Testaments: die Propheten Isaias, Jeremias, Elias, Joël, Ezechiel, Daniel; die Erzväter Israels Abraham und Jakob, die Könige Joram, David und Salomon sowie Ijob, der durch seine Geduld im Leiden vorbildlich war. II,13–14 Der Legende nach wurde Elias im feurigen Wagen in den Himmel entrückt, s. Ml 29,6,2. II,22 emanuel, ‚Herrscher‘, einer der Namen Gottes, in diese Reihe wohl irrtümlich geraten. III,26 das verschlossene Osttor in der Tempelvision des Propheten Ezechiel (Ez. 44,1–3), durch das Gott eingetreten war, wurde als Präfiguration der unversehrten Jungfräulichkeit Mariens gedeutet. D Bartsch 62, S. 47–49; Runge, Nr. 66 (mit Melodie); Taylor 68, I, S. 118 f. (mit Melodie), alle nur Strophe I. E Bartsch 62, S. 161; Strauch, S. 63; Ellis, S. 964 f.; Petzsch: Frühlingsreien als Vortragsform und seine Bedeutung im Bîspel. DVjs 45 (1971), S. 35–79, hier S. 55; Brunner, S. 135 f.; 159; 166–169; Petzsch: Liedautoren adaptieren Usuelles: Kehrreim, Vor- und Nachtanz. Hist. Volksmusikforschung, Kongreßbericht Medulin 1979. Graz 1981 (Musikethnolog. Sammelbd.e 5), S. 87–104, hier S. 94–96; ders.: Dem Usuellen nahe Zweiteiligkeit auch beim Marner u. Oswald von Wolkenstein. ZfdPh 101 (1982), S. 370–389, hier S. 371–375; Rettelbach, S. 52; 276; Haustein, S. 235 Anm. 218; Baldzuhn 02, S. 334 f. Aus der Berliner Handschrift des Hans Sachs

Meisterlied 26 (im Süßen Ton) 26,I Got danck eUch hie, ir meister al, IR habt mich schon enpfangen. seit ir der siben kUnst hie pflegn?

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das hor ich wol an eurem spehen done. Noch weis ich, wie, in reichem schal, dar nach dUt mich verlangen. gesangs han ich mich auch verwegn. entpfacht mich schon, das eUch got ymer lone. Der siben kUnst pin ich ein kint, das kumpt mir nit zu frUmen. das mein gesanck ist nit zu plint, dar umb ich her pin kUmen, zal unde mos gar meisterlichen lencken. eqUiffoca, der ste ich plos. den mein genos, den wil ich hie ein parlid schencken. 26,II Geamatrey, die mUs er han; er kan ir nit enperen. leis und senfft in rechter mas sy pleibet stet in irer melodeye. Pfilossofey, die fUrt den fan, ist aller kUnst ein keren. sie kan wol zelen laUb und gras, gespalten reimen kan sy machen freye. Iich nen kUnst loica mit recht, die halt ein singer veste. sie kan wol machen worter schlecht, gesanges pluent este. weis und aUch wort, der let sie nit vergessen. schleUst er sie in seins herczen grUnt, zu aller stUnt hilfft sie im für pas maisterlichen mezzen. 26,III Ich preis die zUng, kUnst MUsica, die kan mir geben steUre.

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was sie gesinget, das ist schlecht, kan ein meister sein zUngen hofflich zwingen Inn kUnst geschwUng. gramatica, ir list print als ein feure und ist alzeit gesanges knecht, und hat er sie, im mag gar wol gelingen. Astronomey mich lerne, gesanck wil ich hy sUchen, wie wol du rUrst die sterne, mon fint es in den puchen. Rethorica, die werde kUnst alleine, in gsang helt man sy lib und wertt, wer ir begert. das schenck ich euch, ir meister all gemeine.

A q 353 v–354 r, Überschrift In des Marners sussen don 3 lieder. I,16 eqUiffoca] eqUiffica q. II,18 maisterlichen mezzen] lichen gestrichen, mezzen nicht in q, statt dessen aus III,5 sein zUngen hofflich zwingen hinzugesetzt. III,1 die] über die ein Strich, war din beabsichtigt? III,16 helt] hel q. B RSM 4, 1Marn 12,1, S. 324. Für Rettelbach, S. 276 macht die Bauart des Tons „einen ausgesprochen altertümlichen Eindruck; geradezu verdächtig ähnlich ist das Schema dem der Wizlav-Töne“. Zum Spruchdichter Wizlav (Anfang des 14. Jh.s) s. B. Wachinger, 2VL 10, Sp. 1292–1298. I,4 seit … plegn, s. § 329,1. I,16 eqUiffoca, aus lat. aequivoca, gleichklingende sinnverschiedene Wörter; so wurden aber auch ganze Gedichte genannt, die nur identische Reime haben, vgl. Otto Plate (Die Kunstausdrücke der Meistersinger. Straßburger Studien 3,2, S. 147–242), S. 212. E Rettelbach, S. 276; Haustein, S. 200; 235 Anm. 218.

Meisterlied 27 (im Kreuzton) 27,I ZwU jUnckfrauen von hoher art, von den ich singen wil: der ersten do enpfolen wart ein licht on endes zil.

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daz leschet sie, gar langen ez ir den schaden det. des musten al die iren kint entgelten da hernach: Sie lagen in der finster plint in grossem ungemach gar hertiklich gefangen, den kUmer sie do let ← Wol zwey und virczig hUndert jar → so lagn sy in der finster, und das in nie erschein vir war noch keines tages glinster. also het sie dy vinster nacht verslossen alle san. do rUfften sie mit laUter macht zu got aUf in dem dran, das er zu hilff kom gangen, als er versprochen het. 27,II Eva die erste jUnckfrau was, wider gehorsam thet: mit freffel sy den apffel as, den ir verpotten het dort in dem paradeisse got selber, ir schopffer. Und do was ir der gnaden licht derleschet mange jar, als uns die ware schrifft vergicht. Marey, dy rein, dy clar, die ander jUnckfrau weisse pracht uns das licht wider. do ir der engel pracht den grUs, do ward daz licht entzUndet, – die warheit ich do reden mUs –, der engel irs verkUndet: „du solt Geperen one we gottes sUn aus dem tran.“ do war daz rein, daz keusch ave

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Schwanger der gotheit fran; do plUt ein selden reisse und daget schon da her. 27,III NeUn monat gancz der hymel fUrst pey ir verschlossen lag, dar nach al profeczeye dUrst. fru an dem weynacht dag Do freit er dy Gefangen

Mit namen als menschlich geschlecht, dy in der finster worn. got do erzeiget sein almecht, do er wart hy geporn. die sUn was aUf gegangen und gab frolichen schein. Ir freUd was gros und manigvalt, got wolt in hilffe reichen. an einem cristag mit gewalt do gschacz, das wUnder zeichen, das vor ny mer geschehen was und geschicht nymer me, das mon den waren messias sach lign aUf dUrem cle. die engel mit gesangen lopten das kindelein. 27,IV Des gab urkUnt des himels hart: cle, veiel, laUb und gras, al aUf die nacht mit plUmen zart die heid geziret was, do got geporen ware von einer reinen meit. Vir elament freUten sich ab und alle createUr. das firmament verkUnden gab

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von der gotlich figeUr: vir elamente clare legt on sich die gotheit. Gros wUnder zeichen do geschach, do sein die meit genasse: vil mancher aptgot do zu prach, der sein nit wirdig wasse, und stUrben vil der stUm sUnder jechlichen aUf dy nacht, do jesu crist geporen wer, der uns den frid hat pracht. freUt eUch, ir cristen gare der zukUnft weit und preit. 27,V Mesias, der hat sich erzeigt menschlich, das ewig wart, und hat sich schon zu uns geneigt In vetterlicher art. zu einem neUen jare pracht er uns ewig heil. Er ward geporen in armUt auf disse er so clar. am achten dag vergos sein plUt, do er pesniten war on seiner menscheit clare, die was on alles meil. Noch dein gesecz, her abraham, wolt got sein plUt vergissen, do er die schneidung on sich nam. er lis sich nit verdrissen. maria hat in her ab pracht aUf disse erd so reich, der sie in freuden hat erdacht in seines herczen deich. ob aller engel schare hat sie den hochsten deil.

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A q 419 r–420 v, Überschrift In des Marrners Creu˝ cz Don 5 lieder. I,5 langen] lau˝ ge q. I,15 in] ich q. I,18 verslossen] v’flossen q. II,2 gehorsam] gehorsan q. B RSM 4, 1Marn/10/1. Nach Brunner, S. 156 imitiert dieser Ton „den Schwarzen Ton des Ungelehrten“, zu diesem Dichter s. ebd. S. 188 und B. Wachinger, 2VL 10, Sp. 75 ff. IV,7–11 elament, s. die Anm. zu L4,1,1–3. V,8 er, mhd. stn. er ‚Erde‘. E Brunner, S. 156; 189; Rettelbach, S. 276; Haustein, S. 200.

2.6 Ein gekrönter Hort. Meisterlied 28 (Ml 28)

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28,I Lob sey den meister singern all aUf disser ert, da mit sie han genczlichen GUter kUnst begert; in mUsica so wart ir hercz entzUndet. Her walter von der vogelweid don fand gar schan. dar nach der dichter auch so vil gesUngen han. cristliche ler wird uns von in verkUndet. Genad in got, welcher ist tot; ir sUse ton haben sie hie gelassen. wer dar in singet ane spot, der acht, das er beleib aUf rechter strassen. ir meledey, die sin so sUs, das sie nimant so hoch hat uberclUget. ach mUsica, dein kUnst ich grUs! sich hat mein hercz aUch in dein dinst gefuget, in aller meister ticht gezirt. kent ich es pas besinen, wie das gesang zu preissen stat und kUnst inn hat, der don wil ich eUch nennen vir, dar durch man kUnst wirt inen:

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28,II Des starcken popen langer don der erst genant, in dem mann fant schlecht gute meledeye. her frauen lob, der freye, sein langen don ich preissen wil, der nUn der ander seye. dar nach her marners langer don, der stet aUch wol gemessenn. und regenpogens langer don, der fUrt denn preiss; gotlicher fleiss ist vil darein geleget. der marner im begeget. die zwen haben des lobes vil. kUnst mon dar in beweget. o susser got im hochsten tran, des solt ir nit vergessen. Her frauenlob in wol geleicht, der starcke pop ist nit zu seicht, kUnst er nit scheicht. ir keiner fleycht, dy hohen don han sy erreicht. gen in sein ander don erpleicht. vur meisterschafft mag man sie han. kUnst han die vir pesessen. 28,III Ir tichter aUf gesanges schUl, vernemet dissenn sin: legt die vir don nit in den pfUl, er meledey sol weren hin pis aUf den aller leczten tag, ob sUnst gesang vergessen wUrt. Vil manig meister darin mUl der hohen kUnst gewin. gesang wil nimer fursten pul, des leget sich nymant aUf in. doch wer gesanges y gepflag, der helt die don in rechtem fUrt. sie sein gemein, das ist ir recht, sy sollen nit vergan. wer singen pfligt, der sol die don in eren han der allten kunst zu preis. wie vil ir kUnnen disse don, noch ist ir wenck, der eben weis. wer weis und wort gemessen kan, der halt die fir don zart. der kUnsten art wirt mon darin gelart.

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ir kUnst noch ny vollernet wart. es stirbet manig par dar in, sie werden nymer vil gehart. denn meister mon wol preisen mag, der darein ticht als sich gepUrd. 28,IV Gesanges pin ich nit zu linde, seit ich mit meisterschaft pin kUmen recht dar ein. doch gedenck ich noch wol der zeit, frolich gesanck wer mir gewessen teure. Ich kan es aUch nit pesser finde. singet dy zal, dy sil ben, reimen, als ich mein. ich sprich fUr war an allen neit, reimen und zal dar in mich nymant steure. Ich han die don so wol erkant, das wil ich wol mit meim gesang beweissen, und das gedicht darein gesant. die don al fier, die sin gar wol zu preissen. und wer ir dennoch nit verstet, der merck aUf disse ler, swy ich sy sing, und also tu aUch er, und mach der nachcleng nit zu vil, auch nirgent nicht, dan als der don sol han. dar umb ich in denn preissen wil, pringt er die sil ben in der reimen pan, nicht mer aUch keynn entreisen lat. die fier don ich in meinem par bewer. wer ander sy gedichtet hat, mit meisterschafft ich im das wider ker. 28,V Got vatter, sUn, heillige geist, ein war gotheit, in dissen donen wirt dein lob gar weit geseit, gesungen wol und maria, der zartten. O milte mUter maria und kUnigein, las dir es sein genem, das mein getichte, das ich nit werd zu nichte. und wer die done hat gemacht, den gib des dages lichte.

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ich hoff, sie sein mit freUt erdacht dort, do sie unser wartten. Gesanck, das ist ein solcher hort, das er uns lobet ser. o werde mUter, reine meit, hilff uns zwer: aUf erd, im himelreich, das wir nit werden schant genos und an dem ent den zagen gleich. des pit ich dich, du reine meit, du wollest uns bewar Und alle die vil schan, die dich loben und deinen sUn so fran. gesanges pin ich gar gemeit, das soltu, maget, wol an mir erkenn. und der das par hat zu bereit, den soltu dort gnedig ansechen denn. und die uns geren horen gar und lassen spillen, schweren abegan, den hilff, frau, an der engel schar. die singen wol vil manchen sUssen don.

A q 267 r–268 r, Überschrift In des popen langen don vnd in des frawenlobs langen don vnd in des marners langen Don vnd in des regenpogen langen don ein par 5 lied’. I,5 auch] au˝ s, danach eine unleserliche Korrektur von der Länge eines oder zweier Buchstaben q. III,14 kUnnen] ku˝ men q. IV,6 und 19 silben] siben q. B RSM 3, 1Bop/1/563a soweit bekannt erster sog. Gekrönter Hort, anonym. In der Parallelüberlieferung im Dresdner Cod. M 9 ist statt Boppe als Tonautor Heinrich von Mügeln angegeben. Marners Langer Ton (Strophe III) ist durch Teilung der Verse 5, 10 und 20 bereits auf dem Weg zu der 26versigen Form 3, in der ihn der Meistersang des 16. Jh.s weiterführt. Strophe V,1–3 entspricht metrisch Strophe I,1–3, V,4–9 entspricht II,1–6, V,10–14 entspricht III,11–15 und V,15–24 entspricht IV,14–23. II,15 scheicht, zu mhd. schiuhen? III,4 er, mhd. ir. IV,16 nachcleng, die zweite Silbe im zweisilbigen Reim. V,9 erdacht, gibt keinen rechten Sinn; vor erdacht wurde bewart getilgt, das guten Sinn, aber keinen Reim ergab. E. Ellis, S. 967 f. (mit Zitat); Schanze I, S. 73; Rettelbach, S. 167; 313–315.

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3 Anhang 3.1 ille egregius dictator marnarius Das vorliegende Sangspruch-Corpus ist, soweit wir wissen, etwa zwischen 1220 und 1270 entstanden. Sein Verfasser galt den Zeitgenossen zumindest zeitweilig als der beste deutsche Dichter (s. S. 392), als egregius dictator (s. Einl. S. 19 f. und S. 32), ein Ruhm, der bei den Meistersängern noch tradiert wurde und sie zu Fiktionen und Legenden inspirierte, als keiner der Marnerschen Texte mehr bekannt war und auch seine Töne nur mehr in der stark veränderten Form im Gebrauch waren, wie sie dem gewandelten Geschmack der Meistersingergesellschaften entsprachen. Um auch dem Interesse an dem Autor Marner zu genügen und seine Position in einer Geschichte der Dichter-Biographie so genau wie möglich zu fixieren, wird hier noch einmal längst Bekanntes und einiges Unbekannte zusammengetragen.

3.2 Zeugnisse 3.2.1 Fremdbezeugungen Da der Marner in Hs. C Aufnahme gefunden hat, ist seinem Gedichtcorpus auch eine Miniatur aus der Werkstatt des Hauptmalers119 vorangestellt (s. S. 3). Sie zeigt einen auf erhöhter Kastenbank bei einem Feuer sitzenden Mann mit Kurzbart, der aus einem goldenen Gefäß trinkt.120 Vor ihm steht ein in Knappentracht gekleideter junger Mann121, der eine Kanne in der Hand hält. Während das Gros 119 120

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Vetter, S. 53 ordnet sie dem dritten Gehilfen zu. Frühmorgen-Voss (S. 68 f.) sieht darin eine Übernahme des Motivs, das in bebilderten Kalendern dem Januar/Februar zugeordnet ist. So auch Vetter 88, S. 288: „Der Anklang seines Namens marnaere = Seemann konnte die Vorstellung des Wassermannes evozieren, der als Tierkreiszeichen des Januar zusammen mit dem betreffenden Monatsbild in Kalenderzyklen erscheint („Pocula Janus amat.“) Vgl. auch I. F. Walther, S. 236. Die Darstellung als Trinkender, dazu in der jüngeren Überlieferung eine Strophe über die Macht des Weins (*7,29) und gleich zwei Stilisierungen eines Sänger-Ichs als Zecher und Weinkenner (Ml 5,III und 5,IV), davon eine mit parodistischen Anklängen an die Marner-Strophe 7,14 – zufällige Häufung eines Motivs oder Hinweise auf ein biographisches Detail? Vgl. die Bilder 15; 36; 120; 124. Jammers (S. 43) hält diese kleine Dienerfigur für den Marner, der einen Besucher „mit einem gastfreundlichen Trunk“ erquickt.

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der Miniaturen des Hauptmalers die männlichen Figuren mit der knapp die Ohren bedeckenden Lockenfrisur zeigt, hat der Mann der Marner-Miniatur in den Rücken fallendes Haar, wie es – mit zwei Ausnahmen122 – die späten Meister kennzeichnet.123 Er trägt einen unverbrämten, aber auffallend üppig wallenden blauen Mantel mit grüner Innenseite und einen Hut mit hoher Krempe, verziert mit einer Zackenlinie, wie er sonst in der Hs. nicht mehr vorkommt. Die Szene selbst sowie Mantel und Hut, den sonst nur Figuren tragen, die sich außerhalb von Gebäuden befinden124, deuten wohl darauf hin, daß der Maler den Marner als einen Fahrenden hat darstellen wollen. Das beigegebene Wappen auf Schild und Helm zeigt über blauen und silbernem Querstreifen (vgl. Bild 66 ‚Der von Wildonie‘) in goldenem Feld die gleiche rote Rose, wie sie auch Bild 56 (nur Helmschmuck), 107 und 110 (mit anderen Motiven kombiniert), vor allem aber im Rankenwerk (Bild 25; 55; 60; 80; 103; 113 und 114) erscheint. Es läßt sich nirgends zuordnen, einen Hinweis auf den Stand des Abgebildeten ist ihm nicht zu entnehmen.125 Während Sangspruchdichter wie Kelin, Gervelin, Urenheimer und noch eine ganze Reihe anderer uns nur als gänzlich unkonturierte Gestalten begegnen, eigentlich nur als Namen, denen autor- oder corpusorientierte Sammler bestimmte Texte zugeordnet haben, liegen die Verhältnisse für den Marner insofern günstiger, als sich andere Dichter auf ihn bezogen haben, für uns also so etwas wie eine literarische Szene greifbar wird. Ob es sich dabei um die harte Wirklichkeit von ‚Dichterfehden‘ um Rang oder Brot handelte, wie die ältere Forschung annahm, oder ob es eher ein literarisches Spiel vor versiertem Publikum war, wie die neuere Forschung anzunehmen geneigt ist, oder von beidem etwas oder das eine im Gewand des anderen, das zu entscheiden fehlen uns tragfähige Kriterien. Die Texte der drei Kontrahenten des Marner enthalten immerhin eine Reihe von Details, deren biographische Verwertbarkeit nur der leugnen wird, der keinerlei Verbindung von Lebenswirklichkeit und Dichtung wahrhaben möchte. Sie reichen zwar auch nicht aus, um feste Grenzen um des Marners Leben oder um sein Werk ziehen zu können – nicht einmal von seinem Namen wissen wir, ob er sich nur so nennen ließ oder ob er wirklich so hieß126 –, aber der Sangspruchdichter,

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Bilder 14 (Otto v. Botenlauben) und 15 (Markgraf v. Hohenburg). Bild 45 Walther; 95 Hardegger; 101 der tugendhafte Schreiber; 115 Bruder Wernher; 117 Süßkind v. Trimberg; 122 Hadlaub; 124 Konrad v. Würzburg; 135 Boppe. I. F. Walther, S. 236 gibt an, das lange Haar kennzeichne den älteren Mann. Das entspricht nicht dem Usus der Hs., in der der ältere Mann entweder kahlköpfig oder mit gleicher Lockenfrisur, aber grauem Haar dargestellt wird (s. Bild 70). Vgl. die Bilder 27; 32; 109; 122. So Drös, S. 133–138. Zur Wahl stehen die als Eigennamen ererbte Berufsbezeichnung ‚Seemann, Steuermann‘, wofür Strauch (S. 1) und Grimme (S. 419 f.) plädieren (sicher nicht das erst aus jüngerer Zeit

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der unter dem Namen Rumelant bekannt war, eröffnet mit einem Nachruf eine Reihe rühmender Erwähnungen, die von Hugo von Trimberg127, Hermann Damen128, Lupold Hornburg129 bis in die späten Dichterkataloge130 reicht. Den Meistern des 15. und 16. Jahrhunderts galt Marners Langer Ton als einer der vier gekrönten Töne131, er selbst als einer der zwölf legendären Begründer des Meistersangs132, und generationenlang haben sie seinen Namen als den eines Ton-Erfinders immer wieder benutzter Töne133 weitergetragen. Rumelants Nachruf ist eine der wenigen erhaltenen Klagen um einen verstorbenen Dichter (HMS III, S. 53, I,9,6–21)134: Jesus Krist, der Kristen e wart jihtik, der mak uns vil wol gevristen; daz ist ougensihtik, todes kunft uns allen willich ist bereit.

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zu belegende ‚Weber‘ [s. dazu Götze, S. 184 f. und Brackert, S. 187]), oder der selbstgewählte Künstlername, der auf eine Führerrolle hindeuten könnte, „weil er – lateinkundig und gebildet – die topische Gleichsetzung von Dichtkunst und Schiffahrt gekannt haben wird“, so Brackert, S. 188, was Wittstruck (S. 147 Anm. 66 und S. 155) unterstützt. Zu Hausteins Namensdeutung s. Anm. 135. Ganz unsicher sind die Vornamen Hans, Ludwig und Konrad, die dem Marner zuweilen im 15. und 16. Jh. zugelegt werden, s. dazu Wachinger 73, S. 161. Eine Reihe jüngerer Belege für den Familiennamen ‚Marner‘ bei Strauch 78, S. 254 f. und Götze, S. 185 f. Renner 1190–1198 Doch was er [Walther] rîch sinniges muotes. / Her Reimâr und her Peterlîn / Mügen dirre genôz an sinne wol sîn; / Des selben wil ich dem Marner jehen. / … / Doch rennet in allen der Marner vor (s. auch Schweikle 70, S. 28–33). Onnes, III,4,6–10: Der Marner der ist ouch von hin / und der von Oftertingen: / dise alle heten wîsen sin / of daz singen; / des ist in prîs gegebn. (s. auch Schweikle 70, S. 39). Bell/Gudde, S. 257: Der Marner was ein man, / daz er florirte sinen sang, / als der wol ubergulden kan. Vgl. dazu Schanze I, S. 4. Vgl. RSM, Registerband 15 und 16, jeweils Stichwort: Marner. Die Verfasser nennen meist nur den Namen (zu den Vornamen s. Anm. 126), zuweilen machen sie aus ihm einen Edelmann, wo sie darüberhinausgehen, sagen sie stets annähernd das Gleiche wie jener Anonymus (Holtzmann, S. 444 nach k) den edlen marner wil ich iemer prîsen. / In kunsten ist im wol gelungen. Unserer Kenntnis über den Autor fügen sie nichts hinzu, wohl, weil sie selbst auch nicht mehr wußten. Neben den langen Tönen Frauenlobs, Regenbogens und Boppes, (in jüngerer Zeit Heinrichs von Mügeln), s. Ml 28. S. dazu den Abschnitt ‚Zur ›Literaturgeschichte‹ der Meistersinger‘, Brunner, S. 12–31; Henkel 87, S. 375–389; Brunner/Rettelbach 85, S. 221–240. Verzeichnis der Nutzer sämtlicher unter Marners Namen laufenden Töne jetzt RSM 2, S. 130–134. RSM 5, 1Rum/1/9. Strauch, S. 3 (Teilabdruck); Schweikle 70, S. 2; Haustein, S. 58; Obermaier, S. 199; Wittstruck, S. 154 f.

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Got hete einen marner lange gefristet, der was maniges warner. nu hat in verlistet mortlich todes vallen. Got, daz ist mir leit. Schentlicher mort, der wart noch nie begangen an eime kranken, blinden, alten manne, deme selber nach dem tode mohte erlangen. die morder sin, die stent ze Gotes banne. Kristes muoter, sueze maget, gedenke, waz er dines lobes grueze schone mit gelenke manigem kunde schallen diner wirdikeit! Dieser Nachruf, dem wir, freilich ohne genaue Daten, entnehmen können, daß der Marner als gebrechlicher erblindeter Greis ermordet wurde, daß er über Gut und Böse handelte und mit schönen Marienliedern viele Zuhörer erreichte135, hebt sich auf anrührende Weise ab von dem Ton, den man zu Lebzeiten des Marner angeschlagen hat. Denn man hat sich an ihm gerieben. Er hat andere, ob als Mensch, ob als Künstler, ob als Rivale oder als Mitspieler, zu Stellungnahmen gereizt, die etwas aussagen über ästhetische wie ethische Normen der Zeit und der Künstler im besonderen und über den Wert, den sie der Literatur in ihrer Zeit zuschrieben. Vom Meißner ist ein merkwürdiges Lied in Rätselform überliefert (II,18)136:

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Haustein macht aus v. 7 „Gottes Marner“ und vermutet, gestützt auf diesen Nachruf und auf v. 6,9,4, den er m. E. erheblich überzieht, als Motiv für die Wahl des Künstlernamens, daß sich der Marner als „seefahrender Führer für die auf den Fluten der Sünde segelnden Zuhörer“ sah. „Akzeptiert man diese … Deutung“, so Haustein, S. 60, „bekäme sein Œuvre einen deutlich anderen Akzent: Es stünde dann nicht mehr in erster Linie für den Versuch, lateinisches Bildungsgut in der Volkssprache zu verbreiten – diese Vorstellung begegnet ja noch im Brackertschen Ansatz, den Namen ‚Marner‘ zu erklären –, sondern als ein Beispiel dafür, wie die volkssprachliche Dichtung dieser Zeit um die Aneignung geistlicher Thematik bemüht ist.“ Letzteres darf als communis opinio gelten. Die Absicht hingegen, lateinisches Bildungsgut zu verbreiten, ist aus Brackerts Vermutung (s. Anm. 126) nun wirklich nicht herauszulesen, und auch sonst habe ich diese Ansicht über des Marners Absichten, den man allenfalls gebildet oder auch gelehrt nennt, nirgendwo gefunden. Haustein belegt sie auch nicht weiter, ihre Widerlegung durchzieht aber wie ein ceterum censeo seine gesamte Untersuchung. S. dazu Objartel, S. 44 f. und 258f., auch Wachinger 73, S. 151 ff.; Tomasek, S. 296 f.; Wittstruck, S. 155–158; Haustein, S. 36 f.; Obermaier, S. 214; Schweikle 86, S. 80.

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Aleke bat Cunzen, dem ein friunt gab hechte ←in Kreken lant→ man nam of pant, quam rechte schalkes tat vur ←Xristofer→137 ym zU selbe sprach: „Diz liet aller bUche bUchstabe besliuzet. sliez of den sin, din kunst des wol geniuzet. Paris, Padouwe, Salerne e des selben jach.“138 In disem liede sUchet lere.139 ein wiser man, der hat vurloren sinen namen, Marn140 was sin vleisch, groz was sin ere. swer mir den nennet, der ne darb sich des nicht schamen. Ein itzlich kunster rate in disem liede: wie hiez der man? der snepfe in deme riede wil wilde sin, des mac man selten in gezamen. Da noch niemand in den Eingangsversen einen Sinn hat finden können, nimmt man allgemein an, daß der Unsinn beabsichtigt war, was, wie auch Objartel (S. 44) meint, die Schlußverse sogar ausdrücklich verraten. Die Pointe des Ganzen könnte sein: Mit pompöser Berufung auf die drei berühmtesten Universitäten der Zeit behauptet ein Christopher die augenfällige Weisheit, daß in der das Alphabet abarbeitenden Wortreihe aller Bücher Buchstaben enthalten seien. Ein zu erratender ‚Weiser‘ (marn-ere) habe seinen Namen verloren, den solle man wieder zusammensetzen, der snepfe (die Lösung) sei jedoch wilde und könne

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Die Konstruktion apo koinu nach Wachinger 73, S. 153 Anm. 10. In Strophe 199, die sich an einen ungenannten zornigen jungen Mann richtet, sagt Reinmar v. Zweter, dass Pârîs, Pâdowe, Sâlerne einen jungen êregernden Mann nicht zähmen können. Ist es abwegig, in diesem jungen Mann den Marner zu sehen und in dem MeißnerSpruch eine bewusste Aufnahme des Reinmar-Verses? Schon Objartel, S. 44 f. verwies auf diese Parallele, meint aber, daß in beiden Fällen Kritik an der Schulgelehrsamkeit geübt werde, Tomasek, S. 296 stimmt dem zu, aber m. E. werden die Verse damit erheblich überzogen. Wachinger 73, S. 151 interpungiert v. 7/8 In disem liede suochet lere / ein wiser man, der … und paraphrasiert: „in diesem ABC ohne Sinn und Verstand … sucht der Marner Sinn und Belehrung.“ Er will damit eine Verbindung herstellen zwischen dem ersten und zweiten Teil der Strophe, die er (gegen v. d. Hagen und Strauch, denen sich später auch Objartel und Tomasek angeschlossen haben) auf den lebenden Marner gemünzt sehen will, weil die Strophe mit ihrem leichten Ton als Nachruf „selbst im Munde eines Gegners höchst ungewöhnlich“ wäre. Die eindeutigen Präterita v. 9, 10 und 12 bleiben dabei ungeklärt. Dieser ‚ungewöhnlichen‘ Leichtigkeit wegen mag auch Objartel nicht von einem Nachruf sprechen, weist jedoch eigens auf des Meißners „sprechen in der Vergangenheitsform“ hin; s. auch die folgende Anm. marn ist ein hapax legomenon; v.d.Hagens Deutung als ad-hoc-Bildung zu mar ‚mürbe‘ ist allgemein angenommen worden. Wittstruck, S. 156 nimmt ‚zart‘ an und bezieht den Vers auf den jungen Marner.

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nicht gezähmt (erraten) werden.141 Ob überhaupt und wenn doch, wie viel Polemik in dieser Strophe steckt, ist nicht recht auszumachen. Eindeutig reagiert dagegen der Meißner in einem vierstrophigen Lied über den Strauß, den Phönix und den Pelikan auf Marners Strophe 7,15. Diese Strophe, angefüllt mit naturkundlichem Wissen der Zeit, dürfte die erste in ihrer Art gewesen sein142 und bei den Konkurrenten den Ehrgeiz, es besser zu wissen, geweckt haben. Mit dem besseren oder richtigeren Wissen konnte zugleich Marners künstlerischer Rang geschmälert und der sich ob seiner Kunst Überhebende oder auch nur für überheblich Gehaltene gedämpft werden. Daß tatsächlich Überheblichkeit oder Spott auf Seiten des Marner im Spiel war, darauf deuten drei Strophen eben jenes Rumelant, der den schönen Nachruf auf den toten Kollegen verfaßt hat143: IV,4 Des wazzers müchte lichte, daz ein rat wol brechte kerren. daz vant ein alter mülnere uns in honewise.144 Hat er vil starker vluot gewalt, waz mac uns daz gewerren? ein breiter wac, der stet ouch nicht in ganzem prise: Sin übervlüete ist also groz, daz sie den tich gebrichet mit ungevuoc. swer daz mit vuoge erwirbet, daz man im daz beste sprichet, des ist genuoc. sprich, mülner, nu din wac dri starke rat wol tribet, wes schult ist, daz din müle so dicke lere blibet? IV,5 Welich ist din wac? das ist der sin, der dir uz herzen vliuzet. dri rat er umme tribet. weistus nicht, so vrages. Daz eine rat melet dir latin, des vil din kunst geniuzet, dar umme endanke ich dir nicht sere grozes wages; Daz ander rat dir swebesch melet, din diutisch ist uns ze drete; daz dritte rat,

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Anders Objartel, S. 259, er setzt snepfe für Marner, wild (unter Hinweis auf das Brandanrätsel des Wartburgkriegs 60 die wilde mache ich dir wol zam) für ‚unverständlich‘ und gezamen für ‚erklären‘, was eine Abwertung des Marnerschen Werks bedeuten würde. S. Einleitung, S. 34 f. HMS III, S. 56 Strophe IV,4–6 und II, S. 369 Strophe IV,7; s. dazu Wachinger 73, S. 164–170; RSM 5, 1Rum/4/4–5 und 4/6; Wittstruck, S. 158 f.; Haustein, S. 43–46; Obermaier, S. 214; Löser, S. 507–533. Der mülnere könnte sich eines Ausdrucks bedient haben, wie er vielfach sprichwörtlich gewesen ist, vgl. Wander, Mühle 15, 17, 25, 35, 81; Wasser 284, 353, 455 u. ö.

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daz ist din alter. nu ist din kunst verkunstet. ob ich hete den selben phat gegen ze latin und ze diutischen also lange so du, min wazzer were ouch starker mit gesange. IV,6 Vil lieber Marner, vriunt, bistu der beste diutische singer, den man nu lebendic weiz, des hat din nam groze ere. Du has die museken an der hant, die sillaben an dem vinger gemezzen145, des versma die leien nicht zuo sere! Du weist nicht al, daz got vermac, wie er al sine gabe geteilet hat. ja git er eime Saxen also vil also eime Swabe helfe und rat. daz sunte Pawel in der pisteln hat gesprochen: „got git nach sinem willen“. la daz ungerochen! Das Lied gibt sich als Antwort auf eine Provokation (in honewise) des alten Müllers. Rumelant bedient sich eines denkbar schiefen Bildes. Bei der realen Wassermühle treibt das Wasser ein großes Rad, das in mehrfacher Übersetzung die Steine dreht, und erst diese produzieren je nach Riffelung unterschiedliches Mahlgut. Bei Rumelant treibt die Flut (der sin) drei Räder an der Dichtermühle und diese werden als die produktbestimmenden (mahlenden) Kräfte verstanden: ein draetes Schwäbisch, Latein und das Alter; der Marner, der beste diutische singer, verfügt also über die angesehene Literatursprache Schwäbisch, die dem Mann aus Meißen dennoch mißliebig ist146, er kann Latein und hat ein hohes Alter erreicht, weswegen auch der aus dem Herzen kommende wac nicht übermäßig hochzuschätzen ist, da erworbene Kenntnisse und ohne Zutun erreichtes Alter – wohl Chiffre für Weisheit und Erfahrung – seiner Kunst zugute kommen und ihm einen Vorsprung vor den Jungen verschaffen (ob ich hete den selben phat gegen … also lange). Die übervlüete, die den tich gebrichet, dürfte weniger eine 145

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Hinweis auf das höchst komplizierte Verfahren der Solmisation, das der Musiktheoretiker Guido von Arezzo (†~1050) erfand. Zu seiner Anwendung wurde die Guidonische Hand als Hilfsmittel benutzt: Die Scala der 21 Töne wurde von jedem g, c und f aus in Hexakorde eingeteilt und spiralförmig auf die Glieder der Hand eingetragen, so daß man nun gleichsam nach der Tabelle komponieren und Melodien fixieren konnte. Die Töne der Hexacorde wurden benannt nach den Anfangssilben der sechs ersten Verse eines lat. Johannes-Hymnus aus dem 8. Jh. Ut queant laxis / Resonare fibris / Mira gestorum / Famuli tuorum / Solve polluti / Labii reatum (s. M. Ruhnke, MGG 12, Sp. 843–852). Zur Funktion vgl. noch März, S. 76 f. Mag das vieldeutige dræte (v. IV,5,5) nun ‚hochfahrend‘ (Haustein nach Wachinger), ‚überhastet‘ (Tervooren), ‚exaltiert‘ (Höver/Kiepe) oder sonst etwas Negatives bedeuten.

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Entsprechung im Bereich des Dichtens haben als Ausdruck des Unmuts über den selbstgewissen Spötter sein, der den Damm des mitmenschlichen oder auch nur des kollegialen Respekts zerbricht. IV,6,10 zitiert mit dem Pauluswort (1. Kor. 12,4–11) vielleicht sogar Marners Spruch 7,5,1, der nun gegen ihn gerichtet wird.147 Vers IV,6,3 bestätigt eine gediegene (wohl universitäre) Ausbildung in zeitgenössischer Musik. Die insgesamt doch von Respekt und Anerkennung geprägte Haltung dieser Strophen gibt Rumelants vierte Strophe im gleichen Ton auf.148 Sie ist nur grob gestrickte billige Polemik, die eben deshalb von den drei obigen abzutrennen ist.149 Es hätte zudem wenig Sinn, den in Strophe drei bereits genannten Namen in einer vierten noch einmal zu verrätseln. IV,7 ‚Ren-ram-rint‘ 150 rechte raten ruoch nach meisterlicher orden! wie mac daz wunderliche wunder sin genennet? Ez was ein kint und wart ein man und ist ein kint geworden. daz wunder ist vür wunder wunderliche erkennet. Ez ist ein ren der wildicheit, ein ram der unbehende, der zucht ein rint. von alter get ez hinder sich, sin lob hat widerwende. daz wunderkint treit graer varwen stopfelhar uf kindes kinne. ez ist genant? nu rat, bistu des namen inne.

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So vermutet schon Wachinger 73, S. 168. RSM 5, 1Rum/4/7; Tomasek, S. 300 f.; Birkhan (S. 172 f.), der diese 4. Strophe ignoriert, kann bei Betrachtung der ersten drei den Vorwurf der Senilität „nicht bestätigen“. Wachinger 73, S. 167 f. und RSM 5, 1Rum/4/6 behandelt schon die dritte wie eine Einzelstrophe, was aber nicht nötig ist. Das Palindrom ren ram erklärt man einhellig als zwei Tiervergleiche, v.d.Hagen IV, S. 528; „ren (Rennthier?); ohne Fragezeichen dann Strauch, S. 2, Panzer, S. 18, Tervooren 67, S. 231, Wachinger 73, S. 169, RSM 5, S. 315, Wittstruck S. 153: „Die den beiden Tieren nachgesagten Eigenschaften und die mit ihnen verknüpften negativen Vorstellungen sollen zweifellos auf den Träger des Namens transponiert und ihm als notwendig immanent nachgewiesen werden.“ Nun ist aber ren für das 13. Jh. gar nicht zu belegen, und ein Rentier gäbe wohl auch kaum die hier doch zum Vergleich erforderliche negative Eigenschaft her (Tervoorens „Wildheit“ paßt schon deshalb nicht, weil sie falsch übersetzt). Auch der ram ‚Widder‘ schickt sich nicht sonderlich gut zur unbehende, die doch allenfalls ‚Ungeschicklichkeit‘, ‚Unbeweglichkeit‘, vielleicht ‚Trotteligkeit‘ meint. Sollte vielleicht ramme ‚Fallklotz‘ assoziiert werden und ren irgendwie mit rennen in Verbindung gebracht werden, um den absonderlichen (wildekeit) Rückwärtsgang vom Mann zum Kind zu untermalen: ein Trampel-Klotz-Vieh also?

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Gegen den Meißner hat sich ein weiterer Dichter, vermutlich Fegfeuer (II,4)151, geäußert. Dies ist eine Besonderheit in den Bezugnahmen der Sangspruchdichter aufeinander in der 2. Hälfte dieses 13. Jahrhunderts und unterstreicht die Bedeutung, deren sich der Marner seinerzeit wohl erfreuen durfte: Danc habe der Mîzener, daz er sîner wort ist unverdrozzen! ich hœre sagen, daz er habe alle kunst beslozzen in sîner hant, des ist genuoch, er mac es wol gote danken. Ez wâren singer, alsô noch sîn, die tichten vil wol künnen. nû wil er dem Marner sînes sanges nicht gegünnen. ich weiz noch singer, die dort oben sîn in Ôstervranken! Er gebe den phaffen ir dœne wider und singe, swaz er welle. und ist er dâ unschuldich an, sô bin ich sîn guot geselle. Diese zeitgenössischen Bezeugungen152, geben außer den oben genannten keine konkreten Anhaltspunkte für eine zeitliche Einordnung und für die räumliche nur den Hinweis, daß der Marner für einen Schwaben angesehen wurde, was seine Sprache ohnehin erkennen läßt (s.o. S. 86ff.). Da aber Rumelant ebenso wie der Meißner das Alter des Marner betonen, Rumelant ihm die eigene Jugend ausdrücklich entgegensetzt, dürften ihre Lieder in die letzten Lebensjahre des Marner gehören, gegen den sich die aufstrebenden jungen Dichter zu behaupten suchen. Deren Hauptschaffenszeit, den datierbaren Texten zufolge, waren die siebziger und achtziger Jahre des Jahrhunderts, d. h.: In ihrer Jugend, den sechziger Jahren, war der Marner schon ein alter Mann, dessen dichterische Anfänge

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Wangenheim, S. 228; s. auch U. Gerdes, 2VL 2 (1979), Sp. 714 f.; Wachinger 73, S. 159 f.; Objartel, S. 46 ff.; Haustein, S. 41–43; Abdruck auch Schweikle 86, S. 82. Wegen des vermeintlichen Vornamens (s. Anm. 126) bezog v.d.Hagen (IV, S. 528) auch Meißners Strophe XIII,3 auf den Marner, was auch Schweikle (86, S. 83) und Objartel (S. 49 f.), der Parallelen zu Rumelants Marner-Strophen wegen, erwägen; Strauch hielt Konrad v. Würzburg für den Gemeinten, der seinerseits eine Spottstrophe auf den Meißner verfaßt hat, so auch Wachinger 73, S. 161 ff. Kohnle, S. 146 f. vermutet in den Strophen KLD 38, Namenlos h, 22a-c Reinmars Entgegnung auf den Angriff des Marner, hat aber keine Zustimmung gefunden. Nur Schweikle (86, S. 175) möchte auch die Strophe KLD h 22b (junger Spervogel?) als eine Reaktion auf Marners Strophe 3,3 deuten, s. dazu die Anmerkungen zu 3,3,17. Für Roethe (S. 186), Schönbach (S. 123 f.) und Panzer (S. 17) reagierte der Marner mit 5,3 noch einmal auf Meißners Angriff, was Wachinger (73, S. 158) ablehnt, Haustein (S. 40 f.) jedoch für recht plausibel hält ebenso wie die ebenfalls von Wachinger (73, S. 169) abgelehnte Beziehung von Rumelant IV,18 (HMS II, S. 369b) auf den Marner, die Strauch (S. 2), Panzer (S. 19) und Tervooren (S. 231 f.) erwägen. Nur v.d.Hagen hat Meißners Str. XIII,1 auf den Marner bezogen. Bech (S. 385 f.) wollte auch Boppe III,2 (v. 5 sigels und stiure, der habt ir nicht, ir vliezet âne ruote) auf den ‚Schiffmann‘ Marner beziehen, was Wachinger (73, S. 157 f.) zurückweist.

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also in die zwanziger Jahre zurückreichen könnten, eine Spanne, die dem Bezug auf Walther von der Vogelweide (6,17) das Flair von Erlebniswirklichkeit zu geben geeignet ist.

3.2.2 Selbstzeugnisse Zwei Sangsprüche des Marner liefern Anhaltspunkte für eine ungefähre Datierung. 1. die Lobstrophe 7,4 auf den Grafen Hermann von Henneberg (1245–1290), der zweimal, 1247 und 1256, bei der Wahl zum deutschen König übergangen wurde, worauf sich auch der Tannhäuser VI,110–117 bezieht. Wie weit Hermann seine Wahl 1247 schon selbst betrieb, lassen die Quellen nicht mit Sicherheit erkennen. Nach Siebert (32, S. 215 ff. und 34, S. 168 f.), dem Müller (S. 118153) sich anschließt, ist die Marner-Strophe zur Unterstützung Hermanns 1256 bestimmt. Die Wahl 1247 halten Strauch (S. 17), wenn auch unter Bedenken, und Wachinger 87, Sp. 71 ohne Bedenken für den möglichen Anlaß. Schmidt-Wiegand (S. 364) nimmt Entstehung des Spruches zwischen 1247 und 1252 an. 1247 ist damit lediglich der terminus ante quem non. 2. Spruch 7,5 wird allgemein auf den jungen König Konradin bezogen und unmittelbar vor dessen Aufbruch nach Italien 1267 datiert. Der Marner muß sich dabei nicht in der Umgebung des Königs befunden haben. Setzt man aber voraus, die Dichter suchten die Nähe zum tatsächlichen oder auch nur erwünschten Gönner154, dann ist zumindest ein Aufenthalt in der fränkischen Grafschaft Henneberg wahrscheinlich. Gilt die gleiche Voraussetzung für jene, die sie schelten, dann hat man Grund anzunehmen, dass der Marner die detailliert geschilderten Erfahrungen mit den Leuten ‚am Rhein‘, die Strophe 3,2 zusammenfaßt, auch wirklich selbst gemacht hat.155 Alle anderen deutschsprachigen Sprüche, die sich auf Zeitverhältnisse oder Orte beziehen, bleiben so allgemein, daß eine Datierung, gar eine Lokalisierung nicht möglich ist.156

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Hausteins Angabe (S. 206), Müller plädiere für den frühen Termin, ist nicht zutreffend. Selbst wenn man Hausteins Erwägungen (S. 207), derlei Strophen könnten weniger als Lobstrophen denn als Qualifikationsnachweis fungiert haben, in Betracht zieht, wird man doch wohl nicht annehmen müssen, daß die Fürstennamen völlig willkürlich gewählt wurden und von jeder Beziehung des Lobenden zum Gelobten abgesehen werden kann. Weil Bruder Wernher 67 ebenfalls als des rînes site die besondere Haarpflege, extremen Geiz und das kurz gewant erwähnt, wozu Schönbach als zeitgenössische Parallele das positive Urteil Ulrichs von Liechtenstein (‚Frauendienst‘ 208 v. 29–31 gezimirt was der lantman mîn / daz nie kein ritter umb den Rîn / gezimirt wart für wâr nie baz) und das sehr viel jüngere des Teichner stellt, schließt Haustein (S. 166) auf eine Topik des Spottens über die Rheinländer, die „jeden Versuch, die Sprüche biographisch zu interpretieren, in Frage stellt.“ Vgl. Müller, S. 116–119 passim.

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Zwei der vier lateinischen Lieder erweitern die Biographie nach Bildung und Lebensräumen erheblich und bringen weitere Gönner ins Spiel, einen zumindest anvisierten in Gestalt des Probstes von Maria Saal und einen sicher bezeugten: Bischof Bruno von Olmütz, bei dem sich der Dichter für rettende Aufnahme bedankt. Nicht einen Herren aus dem Hochadel157, sondern einen Angehörigen lateinkundiger, gelehrter Kreise, aus denen zumindest ein literarisch Tätiger, Heinrich von Heimburg, hervorging, ruft er als Zeugen für die Redlichkeit seines Dichtens an, wodurch auch die verschiedenen Rezipientenkreise bezeugt sind, die für lateinische und volkssprache Dichtungen allgemein angenommen werden. Mit den Adressaten bleibt auch die Datierung der Lieder *10 und *12 auf 1231 und 1257 bestehen, zudem haben wir auch ein Zeugnis dafür, daß sich der Marner selbst als vagus, als Fahrenden also bezeichnete, als er am bischöflichen Hof um 1256 Aufnahme fand. Er reiht sich damit ein in die breit gefächerte Schar158 jener, die – zumindest zeitweilig – ihr Publikum aufsuchten und es zu unterhalten anboten, also ihre Kunst um Lohn ausübten. Konkreteres über die Existenzweise und die Erwerbsquellen des einzelnen Vaganten ist damit nicht gesagt und kann in aller Regel auch nicht gesagt werden. Ob er zum Heer der Scholaren gehörte, die zu den Universitäten zogen159, zu den Gehrenden, die zu festlichen Anlässen zusammenströmten, oder einem Hofgesinde zuzuordnen ist wie zumindest zeitweilig Walther v. d. Vogelweide, ob er ein sozusagen offiziell bestallter Vagant war wie zu Anfang des 15 Jh.s Muskatblut, des von meentz varender man160 oder

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Vgl. Einleitung, Anm. 28. Wie breit der Fächer und wie schwierig die Binnendifferenzierung und die Abgrenzung der unterschiedlichen Gruppen ist, dazu Scheele, dessen Aufsatz vor allem deshalb empfehlenswert ist, weil er zahlreiche, teils sehr kritische Verweise auf die inzwischen umfangreiche Sekundärliteratur zum fahrenden Volk des Mittelalters enthält, über dessen miserable rechtliche und soziale Verhältnisse wir gut informiert sind. Solange man Armutsklagen und Bettelstrophen der Sangspruchdichter als autobiographische Bekenntnisse nahm, gehörten ihre Verfasser problemlos zu dieser Randgruppe. Seit man sich von „platten ökonomischen Thesen“ absetzt und derlei Strophen unter die Gattungstopik zählt, die Polemik gegen andere Dichter nicht mehr als „Rivalität um materielle Gunst“, sondern als „Kompensation der sozialen Unsicherheit durch ausgeprägtes Berufs- und Standesbewußtsein“ sehen will, wie es Volker Mertens in seiner Rezension zu Wachingers ‚Sängerkrieg‘ (AfdA 87 [1976], S. 17 f.) eigens hervorhebt, man die Dichter also um künstlerischen Rang statt um Brot streiten läßt, finden sich unsere Dichter in ein soziales Vakuum plaziert, für das es vorerst nur negative Kriterien gibt, nämlich der mehrfach (z. B. bei Boesch 36, S. 226 f. und Scheele, S. 316–318, Anm. 4–6 und 10) auftauchende knappe Hinweis, daß die Ausführungen über die Spielleute für die hochgeschätzten Minnesänger und die gelehrten Sangspruchdichter wohl nicht zuträfen. Wohin aber dann mit ihnen? Roethe (S. 91 Anm. 136a), nach ihm Panzer (S. 19) und vor ihm Wilmanns und Schneider lassen ihn aus dieser Gruppe hervorgehen; für sie ist er ein „verlaufener Kleriker“. Die ‚Kleinen Register‘ aus dem Bürgermeisteramt des P. Vörchtel und H. Tetzel, 19. April bis 17. Mai 1441, Eintrag 14.

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irgend etwas dazwischen oder zu verschiedenen Zeiten dieses oder jenes –, wir wissen es nicht. Die dem Corpus vorangestellte Miniatur aus der Werkstatt des Hauptmalers (s. o.) stimmt zu dieser ständischen Zuordnung. Die Corpus-Texte selbst berühren den Status des Sprecher-Ichs kaum. Einmal, eher beiläufig, erwähnt es, viel unterwegs zu sein (7,3,7 war ich der lande var; vgl. dagegen die Aufwertung des Fahrendenstatus bei Bruder Wernher 38,3–6 hân ich der lande vil durchvarn, / sô kenne ich ouch der dorfe deste mêre. / Ich kan ouch deste baz gesagen, / wâ mite der man verliuset wirde und êre), und einmal verweist es auf den eigenen, doch wohl materiellen Schaden, der dem Sänger durch den Geiz der Leute am Rhein (3,2,2) entstanden ist. Das Thema wirt-gast wird nicht angeschlagen. Sogenannte Heischestrophen, beim Marner ohnehin kaum vorhanden161, Fürstenlob und -schelte sind nicht sicher zu deutende Signale.162 Alles in allem läßt sich so viel oder so wenig sagen: Es gibt nichts, was dagegen spricht, Autorprofil (s. o. S. 40) und „lebenswirkliches Subjekt“ in eins zu setzen, aber auch nicht das Gegenteil.

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Nur Lämmert (S. 156) findet: „Bemerkenswert zurückhaltend ist der Marner in der Frage des gërens.“ Sonst schützte auch gute Textkenntnis nicht vor Vorurteilen: Für Wilmanns (S. 396) trat der Marner „zu wiederholten Malen … mildeheischend hervor, zudringlicher als Reinmar, geschweige Walther.“ Hundert Jahre später spricht Wachinger (85, Sp. 70) immer noch von zahlreichen Hinweisen auf seine Bedürftigkeit. Solche Quantitätsangaben ohne Relation zum Gesamtwerk und ohne Vergleichszahlen aus anderen Werken haben etwas Mißliches. Deshalb hier die genauen Angaben: In neun Strophen werden die Themen Armut, Geiz, milte berührt: 3,2 klagt über die Leute am Rhein, die den gernden nichts geben. Das Sänger-Ich will nichts mit ihnen zu tun haben. 5,4 sollen die biderben armen Nutznießer des Besitzes der Reichen werden. 6,5 Schelte der erge, Lob der gebenden. 6,7 Klage über das Leben dessen, der in Not geraten ist (6,7,4 do ich bi guote was). 6,18 an Gott gerichtete Klage über die ungleiche Verteilung irdischer Güter (6,18,8 daz ich so notig bin). 7,2 Beschreibung des schlimmen Zustandes der Welt (7,2,8 min unheil ) und Lob des freundlichen Gebers, der mir güetlich helfe tuot. 7,3 Klage über die ehemals herrschende Ehre, die gernde geste begabte, und den jetzt herrschenden Geiz, 7,3,7 swar ich der lande var; Aufforderung, dien armen zu geben. 7,5,5 wird der junge König aufgefordert: grüezet arme gernde diet. 7,13 Angesichts des sicheren Todes sollen die Reichen mit den armen teilen (7,13,6–9). Vier der Strophen sind ganz ohne Bezug auf das Sprecher-Ich und es ist wohl ein Rest der biographischen Ausdeutung, wenn jedes Lob der milte und jede Schelte des Geizes den Heischestrophen zugeschlagen wird. Die gernden werden über obige Belege hinaus noch zweimal erwähnt: 7,4 wird einem Herren nachgerühmt, dass er der gernden gern kann und 7,4,20 fordert das Sprecher-Ich mit deutlicher Betonung der Distanz die gernden auf, mit ihm ‚amen‘ zu sagen. Die lateinischen Lobstrophen Lied *10 und *12 rühmen, wie durchaus üblich, unter anderem die Freigebigkeit der Gepriesenen, einmal mit, einmal ohne Bezug zum Sprecher-Ich. Wenn sie der realen Situation des Preissingens, wie sie lange für selbstverständlich galt, entzogen werden (vgl. Anm. 154), scheiden sie auch als Heischestrophen aus.

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3.2 Wirkungen und Nachwirkungen Die Bezugnahmen der Sangsspruchdichter aufeinander, vielfach verbunden mit der Betonung ihres Künstlerstatus, setzen, wenn sie nicht reine Interna unter Künstlern, sondern für Zuhörer bestimmt waren, zumindest zeitweilig, ein festes Publikum von Kennern voraus, bei dem der Beziehende ebenso wie der, auf den er Bezug nimmt, bekannt waren, etwas wie einen Zuhörerstamm also, über dessen Zusammensetzung, Status und Umfang, räumlichen und zeitlichen Bestand wir aber nichts wissen. Eine gewisse, zumindest zeitweilige stabilitas loci bildet auch die Voraussetzung für eine Werkstattgemeinschaft, eine Annahme, die sowohl zu der des Fahrenden wie zu der der Künstlerkonkurrenz, die vielfach als Ursache für die ‚Dichterfehden‘ angenommen wird, quer steht. Eine Art ‚Werkstattgemeinschaft‘ konnte März mit guten Gründen als Produktionsstätte für die Lieder plausibel machen, die unter der Autorsigle ‚Mönch von Salzburg‘ überliefert sind.163 Auch die Entstehung des Codex Buranus ist auf diese Weise denkbar.164 Nun hat Haustein (S. 73) sie vermutungsweise – zu Unrecht, wie mir scheint – für Marner und Kelin ins Gespräch gebracht und zwar „weil es zwischen dem Spruchwerk des Marner und dem Kelins zahlreiche wörtliche Übereinstimmungen, gedankliche Parallelen und formale Anleihen gibt, die nach Zahl und Umfang über das Übliche weit hinausgehen.“ Zu der „formalen Anleihe“, der Benutzung des gleichen Tons s. Einleitung, S. 29. „Gedankliche Parallelen“ bestehen in der sich ausbildenden Gattung mit ihrer Fixierung auf die Mahnung zum Guten und die Ächtung des Schlechten notwendigerweise zwischen allen Sangspruchdichtern. Von den ‚wörtlichen Übereinstimmungen‘ führt Haustein „drei auffällige“ (S. 73 Anm. 50) an: Kelin III,2,1 f.: Ein wunderlîchez kunder / wont nû den hêrren bî zu Marner 6,12,1 f. Ein wunderliches kunder / gargon es geheisen was;165 Kelin III,3 Gespräch zwischen Frau Ehre und Frau Schande zu Marner 6,13,16 swa vro ere wol gevert, da ist vro schanden leit;166 Kelin I,1,1 Ein künic in sîme troume sach zu Marner 7,11,1 f. Der kúnig Nabuchodonosor / in einem troˇ me sach. Man könnte noch aus Kelins Zungenrätsel I,9,13 f. nieman ez bindet âne seil / besunder got al

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Christoph März: Die weltlichen Lieder des Mönchs von Salzburg. Texte und Melodien. Tübingen 1999 (MTU 114), hier vor allem S. 6 ff. S. dazu Steer (Anm. 36), S. 35 f. und Christoph März: Walthers Leich und das Carmen Buranum 60/60a. Überlegungen zu einer Kontrafaktur. In: C. Edwards u. a.: Lied im deutschen Mittelalter. Überlieferung, Typen, Gebrauch. Chiemsee-Colloquium 1991, Tübingen 1996, S. 43–56, hier S. 55 f. Vgl. auch Meißner XVIII,2,5 Ez ist ein wunderlichez kunder. Hier ist der Stricker als gemeinsame Quelle bei weitem wahrscheinlicher, vgl. Ingrid Kasten: Studien zu Thematik und Form des mittelhochdeutschen Streitgedichts. Diss. Hamburg 1973, S. 58–67.

Wirkungen und Nachwirkungen

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eine zu Marners Zungenrätsel 7,9,16 ff. sit nieman kan / in gebinden an / so binde in doch der gottes ban hinzufügen, das von beiden gebrauchte schatzer (Kelin III,9,17; Marner 7,3,17) und die gängige Phrase Kelin II,2,7 Swie tump ich bin und Marner 2,2,4 swie tumbe ich si.167 Dies sind die einzigen Parallelen, die sich überhaupt finden lassen. Wenn sie sich einer Werkstatt verdanken sollen, dann wäre das eine Werkstatt, die in kümmerlichen sechs Fällen zwei Dichtern einander ähnelnde Verse liefert oder in der sie diese Verse erarbeiten. Wie soll man sich eine solche Werkstatt vorstellen? Von welchem Vorrat zehren die Beteiligten, wie sollte der zustande gekommen sein und wer verwaltet ihn? Und was ist mit der Masse der Verse, die keinerlei Gemeinsamkeit aufweisen? Ist es nicht viel plausibler, daß einer etwas formuliert, das ein anderer ihm nachspricht? Das aber läuft auf die alten Vorstellungen von Anleihe, Übernahme oder Nachahmung hinaus, die die ominöse Werkstattgemeinschaft nicht brauchen. Mir scheint, sie wird nur deshalb angesetzt, um das Dilemma zu verschleiern, daß wir hier an eine Grenze unserer Möglichkeiten gelangt sind: Wir können hier wie in vielen anderen Fällen nicht klären, ob einer und wenn, welcher Geber oder Nehmer war. Die ‚Werkstattgemeinschaft‘ enthebt uns dieses Problems, freilich nur, solange wir nicht nach ihrem ‚Sitz im Leben‘ fragen. Nach Objartel (S. 60 f.) hat der Meißner im Marner ein großes Vorbild gesehen und viel von ihm übernommen. Die beachtliche Zahl der Parallelen zwischen beiden Werken, die Objartel (ebd. Anm. 79) auflistet, legt diese Deutung nahe, nur läßt die gänzlich ungesicherte Chronologie nahezu aller Strophen beider Autoren letzte Sicherheit über Geber und Nehmer nicht zu. Aber zumindest zwei Fälle direkter Übernahme Marnerscher Texte können wir sicher nachweisen: Ein Anonymus fügte den Spruch 6,4 in die Sibyllenweissagung ein (s. S. 314 ff.), und Hugo von Trimberg, der von seiner Dichtung sagt Ich hân gestupfelt als ein man, / Der eigen bûvelt nie gewan / Und in rîcher liute korn / Hinden eherte, swenne si vorn / Sichelinge hin truogen168, übernimmt für seinen Katalog der Publikumswünsche Teile des Marnerschen Katalogs 7,14.169 Lediglich um Motiventlehnungen kann es sich bei einem Tagelied handeln, das unter dem Namen des Peter von Arberg170 überliefert und wohl noch in der ersten Hälfte des 14. Jh.s entstanden ist. Auch bei Frauenlob und im Frauenlob-Umkreis171 glaubt man Marners Einwirkung zu spüren, ohne daß die Ähnlichkeiten Zitatcharakter angenommen hätten; soweit mir bekannt, verwendet eine Strophe in Frauenlobs zartem Ton VIII, 208,4 „sehr ungewöhnliches Bildgut“172, nämlich die gleiche Reihe von Prä-

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Reiches Belegmaterial bei Roethe, S. 203 Anm. 258. Vgl. auch Schwietering, S. 37–39. Renner 15919–15923. Renner 16183–16196, dazu auch Haustein, S. 31 ff. Hausner, Nr. 48; s. dazu V. Mertens, 2VL 7 (1988), Sp. 428; Haustein, S. 135 f. S. dazu Haustein, S. 134 f. Supplement zur Göttinger Frauenlob-Ausgabe, S. 201.

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figurationen wie 7,1 mit einer Umstellung: Hester vor Judit.173 Eine deutliche Anspielung auf 6,13 enthält ein Lied in Marners Kurzem Ton (hier Ml 29,III), in dem davor gewarnt wird, in der Kunst statt des Löwen die Kröte zu wählen. Ein Bestand von alten Strophen blieb lange bekannt, auf den zum Verbund mit neuen Strophen noch bis zu Beginn des 16. Jh.s zugegriffen worden ist (Ml 1–19). Marners Töne benutzten neben den o. a. cantiones-Dichtern schon die Zeitgenossen Boppe174 und der Schulmeister von Esslingen (KLD 10, Ton V), vielleicht auch jener Verfasser der Strophe in Hs. I (*7,21), im 14. Jh. dann Lupold Hornburg (s. Anm. 129) und die Verfasser der geistlichen Bare in Hs. H, im 15. Jh. die vielen Verfasser der anonym überlieferten Lieder der Meisterliederhss., vom 15. Jh. bis zum Ende des Meistersangs dann eine lange Reihe namentlich bekannter Meistersänger.175 Auch außerhalb der Dichterkataloge (s. Anm. 130) beziehen sich Sänger auf ihn (Ml 29; 32). Im 15. Jh. werden dem Marner wie anderen berühmten Meistern auch weitere Töne zugewiesen (Ml 24–27) und auch einige Texte als Marner-Texte fingiert wie Ml 1,XI das Gespräch zwischen dem Marner und dem Hl. Petrus, das schon Hs. D überliefert, dazu Ml 30; 31 und 33, ja, seine Gestalt gewinnt nahezu legendarische Züge durch die Verknüpfung mit wohl ebenfalls fingierten historischen Ereignissen (Ml 34; 35). Sie bilden insgesamt einen kleinen aber aufschlußreichen Bestand, der Traditionsbewußtsein und Traditionspflege der Meistersänger illustriert. In den Anfängen der Beschäftigung mit den lange vergessenen Texten des Mittelalters im 17. Jh. gehörte auch der Marner zu den Gestalten, die die Aufmerksamkeit der Gelehrten auf sich zogen. Melchior Goldast nahm 1604 in seine ‚Paraeneticorum veterum Pars I‘ einige Verse, aber auch zwei vollständige Strophen176 des Marner auf, und ebenso verfuhr rund 150 Jahre später Bodmer in seinen Proben. Seither fehlt er in kaum einer Anthologie, die auch in größerem Umfang Sangspruchdichtung berücksichtigt, wobei die Texte über politische Verhältnisse und über die Kunst und Kunstausübung das meiste Interesse fanden. Jede umfangreichere Literaturgeschichte widmet ihm in meist dürren Worten und vielfach stereotypen Wendungen einen Abschnitt, wobei die Adverbien ‚noch‘ bei positiven und ‚nicht mehr‘ bei negativen Wertungen häufig den Maßstab ver173

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Die 9 Strophen verkürzt und umformuliert cgm 4997 fol. 734ra-vb in der Hof- oder Wendelweise Walthers; die Bilderfolge wie im zarten Ton Frauenlobs. Ton II, s. Alex, S. 90 f. und S. 145 „eine Variante von Marners langem Ton“. Rettelbach, S. 93. s. o. Anm. 133. Hier ist auch das Hübscheste überhaupt über ihn gesagt gesagt worden: 7,10 kommentiert Goldast (S. 445f.) Nihil potuit dici elegantius, nihil denique verius (auch zitiert bei Gerhardt 76, S. 109 Anm. 51 nach Gisela Brinker-Gabler: Tiecks Bearbeitung altdeutscher Literatur. Produktion. Konzeption. Wirkung. Ein Beitrag zur Rezeptionsgeschichte älterer deutscher Literatur. Diss. phil. Köln 1973, S. 11), weshalb der Spruch seiner amoenitas wegen von Martin Opitz in seinen ‚Aristarch‘ übernommen wurde

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raten, mit dem er gemessen wird. Selbst wenn man ihm als Künstler gerecht zu werden versucht, was das große Verdienst etwa der Studien Hausteins ist, wird das eigentlich Innovative, die Gattung fortan Prägende seines Dichtens nirgends deutlich herausgestellt. Das wurde hier versucht.

3.3 Marneriana (Ml 29–35) Meisterlied 29 (im Kurzen Ton)

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29,I Ich lob den maister marner und brise’n hie in sinem don. der mag mir wol mit siner stUr ze hil fe kumen, der ich hie hin verdriben wil, ich main, es vel der man. er ist ain rechter warner; er hat mich vor her nie gelon, wen mich ain schnede ote gans het fUr genumen. er half mir ringen, werfen nider, selber grifen an. du ote gans, was dUst du hie, du finst nit dine wait. du solt ain sy dreckt schUchen zU diner spis ins sunder hait. schem neben dich und nim der suren winde war, wirt dich der wolf entzUchen, zerzeren din gefider gar. du schnede ote gans, was hast du dich zigen? wilt du den wolf herbisen hie, du mUst dar nider geligen. 29,II gans dret ir leben faile, wen sU den wolf wil ume jagen. sU dUt as aim, der durnen schUchet ale dack uf sinen rucken, an den kobf git man im dick ain +barßt. wirt gans dem wolf ze taile, er wirt sie umm by irem kragen, er stost sie in den buch als ainen piffen sack, das ir die vedere stebend hin recht als ain †kis vUrn narst†. wer gere gat uf helem ys, dem schliffend sine fieß, daz er begine valen.

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daz struchen kumpt im nit gar sUs. wer falset schweren kof und hat des geltes nicht, daz er es mUg bezalen, dem gacz, as doren dick beschicht, der bUt ain geb, er moch nit ainen pfengig geben. schlamp bispel, singer, ine dich! du sot das mercken eben. 29,III solt man ain kroten welen zU ainen king vUr ale tir, daz mocht den loen mieen und verdriesen wol, wen er ist edellich gedon. †als umb den gUrtel sint† ainr krote singen zelen vUr gUter zungen jubellier. ainr schlangen zung ist unrain und vergiftes vol, ain falscher singer des gelich in dem erse pellint. ain krot, ain schla ng, die singend och, pfuch uß, mit irem don! man sol den loen brißen, der sol den kingig namen hon. pfuch uß, ain krot, ain schlang, ain falscher singer och, der kan sang nit bewisen. pfuch uß, du schamelloser goch, du first den grind nach goches art an diner kel glich as ain siech im siechenhus, der singet nit gar hel.

A b fol. 63 v–64 r, Überschrift DrU lied im kurcz) marner. I,3 hilfe] hife b. I,7 und 9 gans] gnas b. I,16 wilt] wit b. II,3 aim] airm b. dack] dackt b. II,4 kobf] kofb b. III,5 und 7 ainr] air b. III,7 schlangen] schlanen b. III,9 schlang] schalng b. B Nach RSM 4, 1Marn/6/510 Form 3 von unbekanntem Verfasser. I,4 vel, mhd. væle, das Lied richtet sich gegen eine Kunstgenossen, dem nach Ansicht des Sängers Kunstfehler angelastet werden können. I,10 sy dreckt, mhd. sûdrec (Schweinekot)? II,8 kis vurn arst? kis könnte für kisch ‚Zisch‘ (Lexer I,1588) stehen, gemeint also: ‚wie ein Zischen, das vom Arsch geht‘? Vgl. III,8. II,11 sUs, mhd. suoze. III,1 Anspielung auf 6,13. D Bartsch 86, S. 300f. Strophe I,1–10.

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30,IV JUdicium genant gottes gericht. wer hie vor pricht und wider gotte ficht, des erdenfreid wirt gar vernicht. und wen der engel plest das horn, den mancher stat in ungeschicht. we dem und dem wirt dort bekannt das streng gericht in helle glUt. 30,V Das h ich eUch bescheiden wil, wer das vernimet recht, vUrwar es ist nit kindes spil, und wer das selb bedechte schlecht: das h bedeut in im den sin ‚habitatio‘, mercket mich. wol dem und er bedecht das zil und das zu ende precht. nie ward so mancher federkil, da mit man das beschreiben mecht, und was das h helt selber in und wer das mocht durch grUnd an sich. O mensch, pis ane zweiffelung, halt habitacio in deinem herczen fest und recht, so wirstu fro. got wil dich nit verlon. johannes das beschreiben ist in daUgeney, ich wol verstan, das got das gUt belonen wel al an dem leczten ent. also behent so geit uns got die spent, und wan du nymst das sacrament und scheidest ane sUnt von hin, got wil dir aynen engel sent,

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der dich gelei ten wil da hin, ein war geleit und sicherlich.

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30,VI Der drit puchstab, ein e genant, Elias ich geleich (der fUr ins paradeis zu hant, Enoch, der wolt von im nit weich), wie got sein sUn gesendet hat herab in disses jamer dal. Got gab den seinen sUn zu spant, der halff uns in das reich. der jungste dag wirt uns bekant. Enoch, elias, mercket mich, den menschen kUmen sie zu stat und helffen in aUs schwerem fal. Den vierd pUstab ich gleichen wil dem kUnigk Salomon, dem got der her hat weisheit also vil gespon so gar in reicher acht. also hat got mit weisheit wol gancz alle ding gar wol bedacht, das uns gar wol gefrUmen mag nach minigklicher art. die gotheit zart hat weisheit nit gespart: er uns beschUf in einem gart und schUf uns alles des genUck, und was von im betrachtet wart. lob hab ←der dreyer hochster rat→ gekronet ward in einem sal. 30,VII Der fUnft pUchstab ein v ich sag, voluntatem ich meldt. wer willig hie leit ungemach, spot und schmach in disser welt, vurwar, der ist an sinnen weis; das red ich wol an argen list.

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wer gottes willen dut an clag, der schlecht aUf sein geczelt (der deUfel mag in nit verjag), es sey aUf heid oder aUf felt. an alle sorg mag er wol greis, und wen im got sein leben frist. Der sechst pUchstab ist noch ein S, Salvator hilff du mir, und das ich mUg das hefftlein hie gesingen dir al hie gar offennbar. und da mon zelt nach crist gepUrt zwelff hUndert und aUch siben jar, da han ich marner das gedicht dem kUng in teuschczen lant al da zu hant, der was an alle schant. sein namen tu ich eUch bekant: von praUneschweick so was der fUrst, und keisser ott was er genant. o herre got, hab dir den preis, dein süsser nam her jesUs crist.

A q 414 fol. 255 r und 256 r; vor 255 Blattverlust, der vorhandene Text durch einen schräg über fol 255 r laufenden breiten Tintenstreifen stellenweise unleserlich. Im Register der Hs. fol. 3 r lautet die erste Zeile Salüator mündy hilff du mir. III,26 geleiten] zwischen ge und ten ein nicht deutbares Zeichen, das kürzer ist als lei. IV,20 JUdicium] Judicum ˝ q. IV,25 den] dem q. VII,12 wen] wein q. B Nach RSM 4, 1Marn/7/570 Form 3: Die vv. 5, 10, 11, 14, 15, 19 und 20 werden geteilt und zum Teil neu angereimt, die Reimfolge jetzt ababcd|ababcd| xeefxfxggggxgcd. IV,19 Judicium, lat. ‚Gericht‘. V,6 habitatio, lat., Wohnung, vgl. Joh. 14,2. V,12 grUnd, wie V,25 sent, VI,4 weich, VII,9 verjag, VII,11 greis endungslose Infinitive. V,17 beschreiben, Part. Präs. VI,2 Elias, Prophet des Alten Testaments (1 Kön. 1,17–19) kann insofern mit der Herabkunft des Gottessohnes verglichen werden, als er, der Legende nach, im feurigen Wagen zum Himmel fuhr und vor dem Ende der Welt wiederkehren wird. VI,4 Henoch (Gen. 5,21) wurde wohl deshalb Elias beigesellt, weil er seiner Frömmigkeit wegen ebenfalls zu Lebzeiten in den Himmel entrückt wurde. VI,7 spant, reimbedingte Form von spende? VII,2 voluntatem, Akk. zu lat. voluntas ‚Wille‘. VII,17–25, früheste Erwähnung

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der Legende vom Ursprung des Meistersangs, derzufolge die 12 alten Meister vor dem Welfenkaiser Otto (1198–1210) sich als Künstler bestätigen und privilegieren ließen (s. dazu Brunner, S. 24–38). VII, 19 geticht, mhd. getichtet. E Ellis, S. 952 f. (Angaben falsch.); Schanze I, S. 295 Anm. 35; Brunner/Rettelbach 85, S. 231 f.

Meisterlied 31 (im Langen Ton)

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31,I Die zeit, die mich ergangen hat, seit ich von hinen mUs, vergib mir, her, mein missedat. verleich mir peicht, reu und aUch pUs. behUet mich vor der helle pein an meinem ent, so wUrt es gUt, Und das es mir nit werd zu spat. Maria, maget sUs, ee das mein leben hy vergat, send ich dir, jUnckfrau, meinen grUs, das du mir welst beholffen sein und mich fristen vor helle glUt. Sie dregt des reiches adelar, die aller hochste kron, wan sie got selbs begabet hat lieplichen schon. in seinem zessen reich sie wont im aller hochsten tron.

der sey bevolchen heUt mein sel in meiner hine fart. Maria tzart, deines geleich nie wart. Got selbs erarnet mich so hart. nUn pit fUr mich dein libes kint,

hilff mir, du gnadenreicher schrein, so ist mein sel gar wol behUt.

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31,II Ich rUeff dich on in meiner not, du himelische meit. mir hat der grimigkliche dot mit ganczen krefften wider seit. ich man dich on den schmerczen gros, do du umbfingst des creUczes stam. Da du an sachst sein wUnden rot, dein hercz was nach verzeit. got an das heillig creUcz sich pot, do stUnd marey in grossem leit. das was ein leit, dem keins genoss. Johannes ir zu droste kam. Sein Marter und sein pitter dot und sein vil schwere pein, die wol uns armen sUndern hie genedig sein. auch ruff ich, her, zu dir, o du genadenreicher got, an meinem endt pis gnedig mir. hilff mir, maria, mUter zart, mit deiner gnad und kUnst. du hast sein gUnst. gar tiff in meines rUnst hebt sich ein gnadenreicher tUnst, des heilgen geistes gUetigkeit, das ist der sele mein ein wUnst. dein keusch den himel aUf entschlos, du hoch gelopter rayner nam. 31,III Gesegn mich heUt die gottes er, sein pitter marter gros. got fur den sUnder leit gar ser. nUn helff mir heUt, das von im flos sein plUt, und aUch die dUrnen kron, die got sein heilligs haUbt dUrch stach. Gesegen mich das kreUcz Und sper, der dreyer nagel thos. gesegen mich die junckfrau her,

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die got lieplich trUg aUf der schos. gesegn mich heUt sein seitten fran, dar aus so ron van plUt ein pach. Da ward betrUebt feUr, wasser, lUfft, erd, firmamentes lauff, und do des menschen kint wart in den dot verkaufft, umb unschuld clegelich. sunder, das soltu mercken recht, das laid er alles sant vUr dich, und las dir das zu herczen gan. lob got dUrch deinen mUndt, so wirst gesUndt hy und auch dort zu aller stUndt. Jesus, deins hochsten heiles fUndt, der kaufft uns umb sein teures plUt und lost uns aUs der helle grUndt. danck hab der edel fUrst so schan, der mit gewalt die hel zu prach. 31,IV Ir keisser, kUnck, fUrst, graffen frey, ir werden dinest man, ir wart der zeit, wie im hie sey: gewalt und er wirt eUch verlan. nUn dinet gott mit ganczem fleis, so geit eUch got das ewig lebn. Ich lob die himel kUnig drey, den ich als guten gan. ir gwalt schlecht fur recht als das pley, sollen mir alzeit begestan. maria, sUesses mandelreis, in dein genad hab ich mich geb n. An dir sein jUden, heiden plint, keczer und wUcherer. ir thUmer mUt mag in noch werden vil zu schwer, wan sie sein gar verleit. sie sein gancz in des deuffels pant, wan alle gnad wirt in verseit. ich han der welt gesUngen lang

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mit manchem sUssen don. welt, deinen lan ich armer sunder klein verstan, den ich umb dich verdinet han. het ich gedint dem schopffer mein und seiner heilgen muter fran, der ich alczeit gib lob und preis, so tet sie meines endes pflegn. 31,V Ich lob die himelischen ding. das irdist ist entwicht. mein hercz in grosser not dut ring. wolt got, het ich mich ee verpflicht und hie verdynt das erbedeil, das got, der sUn, erstriten hat. Welch mensch sein eygen willen zwing und fert nach solcher schicht, dem menschen mag nit misseling. des heilgen geistes zuversicht gibt sUesikeit an alles meil, die freUd, die nymer mer zugat. Wer ich ein recht pfilossofUs, het siben kUnste krefft, mich mocht gehelffen nicht ir kunst und meisterschafft, mich zwingt dennoch der dot. paremhercziger schopffer mein, kUm mir zu hilff in meiner not. und Maria, geste mir pey an meinem leczten end, peUt mir dein hend. du reine meit, in dem ellend mit deiner parmUng zu mir wend. nUn pittet fUr den marner hy, das sein sel aUf zu himel lend, zu Maria, der welte heil, an der al unsser hoffnUng stat.

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A. q 354 r–355 v, Überschrift In des marners langer don 5 lieder sein ent lied. III,14 lauff] lufft q. IV,12 gebn] gegn q. B Nach RSM 4, 1Marn/7/573 von unbekanntem Verfasser, Strophe 1 Form 3 (wie Ml 29), Strophen 2–5 Form 4, d. h. wie Form 3, nur daß v. 22 an die folgenden angeglichen wurde und ebenfalls vier Hebungen hat. I,16 zessen, Subst. zesem ‚Herrlichkeit des Himmels‘, zu diesem seit Frauenlob viel gebrauchten Wort unklarer Herkunft s. Wörterbuch zur Göttinger Frauenlob-Ausgabe, Göttingen 1990. II,22 rUnst, ‚Wasserlauf, Bach‘, in der Lücke vermutlich herzen o. ä. II,25 wUnst, Nebenform zu wunsch. III,8 thos (mhd. dôz?) oder shoz? IV,9 Sinn des Verses unklar. Das Wallen siedenden Bleis dient zuweilen zum Vergleich gewaltsamer Bewegung im eigentlichen und im übertragenen Sinn. D WKL II, Nr. 187. E Ellis, S. 951–953; Fasbender, S. 103–123.

Meisterlied 32/33 (in der Spiegelweise Frauenlobs)

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32,I Ich weis ein wUnderliches dir, ein weisser mon, der riet es schir: aUf seinem haUpt treit es zwey scharpffe horen. es hat ein wUnderleichen ganck. sein fUsse, die sein nit zu lanck. es clempt ein fUrsten wol in seinem zoren. Ich sach ein frauen, die es drUg nahent pey irem leibe. es hat kein sUnden ny gethan. mon sich es in dem feUren gan und wirt auch geporen von keinem weibe. 33,I „Vil mancher lobt der vogel klanck und so lob ich meister gesanck, do silb und reimen sten gar wol gemessen. AUch mancher zirt die meister schan, die des dons nit kUnen verstan,

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an welchem silben er sich het vergessen. Das erste thier, das ist ein krebs, also kan ichs erkenne. die seinen horen, die es dreit, deUten uns sein oren gemeit, und hinter sich, das ist sein genlichs genne.“ 32,II Ein ander dir gar sUnder graus, das ist wol groser dan ein maus, auch selber mag es gen nach seiner waide. WU mon es in eim haUsse sicht, ungeschant kUmpt es dar aUs nicht. das let es nicht dUrch lib oder dUrch laide. Ich sach, das mon mit spissen scharpff pegUnt ser aUf es dringen. pey im hort mon ein gros geschrey, als riss himel und erdt entzwey; in seinen noten hort mons frolich singen. 33,II „Merck, Kethener, dU ubst mich schir mit deinen pUnten, das sint thir, ich draU zU got, sie sein mir wol pekendte. Und ob ich dir dein pUnt aUf det und dir die thier gar eben set, mit meiner kUnst so wolt ich es volendte. Das ander thier, das ist ein pferdt, vor dem uns ser dUt graUen, wan mans mit scharpffen sporen reit. das selb im wol sein speis pedeut: mit im dUt man manch acker frolich paUen.“ 32,III Ein fogel in den lUfften schwept. aUf erden sein geleich nit lept. das sein gefider wirt im i n der hiczen. Wan in des hUngers not angat, er isset vill und wirt nit sat.

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die kleinen vogel let er pey im siczen. Sein singen horet mon gar wol mit dreyerleyen stimen: die ein ist laUt, die ander schnel, die drit ist eben sinewel. was er pegreifft, das ist er als mit grime. 33,III „Ich wolt, das keiner sUng meister gesanck, er kUnt dan silb und reimen lanck und kent sie meisterlich halten und lossen. Her kethener, des nym dich an, dein pUnt, der wirt dir aUf gethan. wart eben zU, wie dU in habst verschlossen: Das dritte dir, das ist ein han hoch aUf eins dUrens spiczen. das sein gefider also zart, in hicz im das geschmidet wardt, sein farb entging in des feUres gliczen.“ 32,IV Ein kUntir, das wirt zwir geporn, es hat wol mer wan siben horn, dar an gelauben jUden, cristen, heUten. das kUntir ist also gethan: mon sicht es haben mengen mon, dar mit hoffiret mon den stolczen preUten. mon gert sein zu der ritterschafft, es dUncket sich gemeite, es gibet manchem freUd und wUndt und macht manchen sichen gesUndt, got gepeUt im, das es den deUfel reUte. 33,IV „Gesanck stet pas gmessen dan golt. gesanck, den sol man haben holt. gesanck versUnet manchen grossen zoren. Das vierte dier sey eUch geseit: ein ay, von einem hun geleit,

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das kUmt von leib und wirt zU leib geporen. Und aus dem ay do wirt ein dier, ein han ist es genennet. denn seinen schnabel, den es dreit (daran glaUbt jUd und cristenheit), zU miternacht man in gar wol erkennet.“ 32,V Ein dir von hoher art geporn, das dreit vil mer dan dreissig horn, in seinem leib so dreget es zwey herczen. Es dregt zwey haUbet und vir pein. rat, weisser mon, wy ich es mein. rat, wiczig mon so gar onn alles scherczen. Es dregt vier spilde aUgen klar, dar under zwen rot mUnde. wan es nUn kUmet an das licht, so weis got wol, wie im geschicht. rat, weisser mon, sin eUch die dir nit kUnde? 33,V „Mit singen sey dir wider seit, er sey dyr recht lieb oder leit vor mayner kUnst so mag dir gar wol ayse. Das fUnfte dir, das ist ein weib, die dregt ein kint in irem leib, das wirt geporn als noch vil mancher wayse. Und wen es dan geporen wirt, sie freUt sich zU der stUnde. als pin ich marner hie erfreit, do dU mich thest der dier pescheit, merck, kethener, also sein sie mir kUnde.“

A q 403 r–404 r, Überschrift Inn dem spigel don 5 lieder und 454 r–455 r, Überschrift In dem spigel Don frauelobs 5 lieder. 32,I,6 clempt] clmpt q. 32,II,3 mag] mg q. 33,II,10 spis] speis q. 32,III,3 in] ein q. B RSM 3, 1Frau/26/2b und 26/11, Form 2, von unbekannten Verfassern; beide Lieder auch überliefert Nürnberg Will. 782; eine ältere, weitaus plausiblere Fas-

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sung nur der Rätselstrophen 32,I, IV und V in k 163va-b. Die Strophen II und III in q sind eine jüngere Erweiterung, von der Schanze vermutet, daß sie zusammen mit den 5 Antwortstrophen als hommage an den ältesten uns bekannten Nürnberger Meistersänger Fritz Kettner (s. D. Merzbacher, 2VL 4, Sp. 1138–1141) entstanden ist, den man ehrt, indem man ihn dem berühmten Meister Marner Rätselfragen stellen läßt. 33,I,11 genlich, mhd. genendelich? oder gælîch? Beides wäre wohl witzig gemeint. genne, wohl flektierter Infinitiv. 33,II,5 set, mhd. seite. 32,III,4 hungers not, was ist mit Nahrung und Stimme des Turmhahns gemeint? 32,IV,2 horn, Zacken am Hahnenkamm oder die hornigen Bestandteile wie Schnabel und Füße (vgl. 32,V,2)? 32,IV,3 heUten, k 163vb hat cristen lüte, dem Schreiber lag wohl die häufig gebrauchte Folge juden, christen, heiden im Sinn. 32,IV,6 wohl Anspielung auf das briutelhuon, das am Morgen nach der Hochzeit gegessen wird. 32,IV,11 mit dem ersten Hahnenschrei müssen umgehende böse Geister verschwinden, vgl. HWbA 3, Sp. 340–343. D Bartsch 62, Nr. XXXVII; Loewenthal, S. 110–115; Tomasek, S. 318–320, jeweils Strophe 32,I, IV und V nach k; Cramer II, S. 118 f. nur Ml 33, fälschlich Kettner zugewiesen und als Frage- und Antwortspiel aufgefaßt. E Ellis, S. 953 f.; Loewenthal, S. 110–115; Schanze I, S. 293–295; Klesatschke, S. 545 f.; Tomasek, S. 314 f.

Meisterlied 34

5

10

34,I Gesanges kUnst hat hohen breis, und wer im recht nach gatt. gesang macht hübsche wort und weis, klUg sinn bhegriffen hat. gesang beschleUst manch hohe kUnst, Durch Gesang mancher lernen mag so klUge maister schaftt, nach der mancher lay het kein frag; daß lohnt gesanges kraftt einfeltigen leyen mit gUnst. darUmb gesang zU wUnssen ist. mit gesang lobt man stet unseren heyland jesu christ; er hortt unser gebett.

Marneriana 15

5

10

15

5

10

dUrch wort und daz gesanng so gUtt kUmpt gott her aUß dem thron, das er uns taglich speisen thUt mit seinem laichnam fron. die lieb bringtt der genaden prUnst. 34,II Gesang die alten maister frey haben darUmb Gedicht, daß man gott loben sol darbey in wahrer lieb verpflichtt. die singer gar an allen Neid, die haben recht gefangen an in wahrer lieb die kUnst. in lieb sie hie gesUngen han on Neid dUrch gottes gUnst. das ist in dort ein seligkeitt. Ein mUtiklich in wahrer lieb sUngen sie gott zU lob. wer das noch in sein herze schrib, daß man noch hielt darob und in lieb diese kUnst verbrecht und gott zU lob daz thet, mancher gesang nicht so verschmecht und die kUnst lieben thet. so wer gott mit uns alle zeitt. 34,III Ir werden singer, ich euch raht: neidt an ein ander nicht. hat einer von gott die genad, daß man im daz lob sprichtt, so solt ir eUch freUen alsand. und fordert an ein ander hie mit werck, wortten und weis, darUmb eUch gott wil geben ie hie und dort hohen breiß ewig in seinem vatter land. hie unser singen alle zeitt

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416

15

5

10

15

5

Anhang

zU lob man gott thUn sol in brUderlicher einigkeitt, solches gefelt gott wol. wer aber sinngtt dUrch Neid und haß, umb rUhm der welt hoffiertt, verschwendt umb sUnst sein zeitt, furbas sein gwin wird im ver ziert, bekUmbt ein schlechten lohn zU hand. 34,IV Ein bey spil ich eUch hie erkler, ir werden singer GUtt, das dUrch haß und neid lUziver, aUch stoltz und ubermUtt mUs ewiklichen leiden pein. darUmb aUß eUrem herzen send den hoffertigen haß und eUch zU gottes ordnUng wend, durch solchs mag deste baß euer lob gott ein gfallen sein. an die lieb so ists als verlorn, waß ir wolt gUtes thUn. die liebe hat gott selb er korn dUrch seinen lieben sUn. AUß lieb uns gott sein reich aUch gibt, das er uns hat bereitt. wer gott und seinen nechsten liebt wie uns die schriftt bescheid, solchs ist gott gefelig allein. 34,V DarUmb so seitt in eUrem ampt all an einander treU, daß ir dUrch neidt nicht werd ver dampt in ewikliche reU. und habt lieb an ein ander all, Recht wie die alten haben thon, daß ir lob noch schwebt ob. CUnrat Marner bracht aUs dem pann

Marneriana

10

15

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zU Rom herr FraUen lob, sein lieb bracht in aUs dem unfal. Also sollen die singer noch treU und lieb tragen sam, so wird in lob und ehr gar hoch gelobt aUs liebes flam. liebten wir ein nander all sand in dem gesang hin fortt, wan gott solch rechte lieb erkand, selig wUrden wir dortt. diß hot gedichtt ein Nachtigall.

A Nürnberg, Stadtbibliothek Will III 782, S. 300–303, Überschrift Im senfften ton Cunrat Nachtigal Sein schulkunst. Geschrieben zwischen1620 und 1630, Schreiber Wolf Bauttner. B Nach RSM 5, 1ZZNachtK/6/6 von unbekanntem Verfasser, die Autornennung „offensichtlich“ fiktiv. Eine Quelle für die nur an dieser Stelle erwähnte Lösung Marners durch Frauenlob (oder Frauenlobs durch Marner) habe ich nicht gefunden. In dem von Brunner/Rettelbach (S. 223–227) veröffentlichten Meisterlied des frühen 16. Jh.s über den Ursprung des Meistersangs heißt es Str. II,31 ff.: her Frauenlob / von meintz ein doctor weise. / derselbig man fand zum ersten meistergesang / on argen wang, / sein kunst war mancherleye. Str. III, 49–51 Der edel Marner war von adel hoch genant / vnnd wol erkant, / die sach thet jm nit leyde und Str. V über das Verhör der Zwölf in Paris es wart verhort mit ganczem vleis, / wo einer thette felen, / das dem gelauben missefelt, / dasselbig thett man weren. / das ander ward verschrieben schan, / gen Rom gesendet auff der pan / dem bapst so fran. Mit einiger Phantasie könnte man sich diesen Text als eine Quelle denken, aus der die Frauenlob-Marner-Geschichte gesponnen wurde. Sollte doch Konrad Nachtigall († ~1484) der Verfasser der Schulkunst sein, was Brunner/Rettelbach an dieser Stelle (S. 232 Anm. 25) zumindest nicht ausschließen, wüßte man, daß schon Nachtigall Marner und Frauenlob für Zeitgenossen gehalten hätte, eine Annahme, die noch ein weiteres Mal außerhalb der Ursprungssage bezeugt ist, s. das folgende Fragment. D Cramer II, S. 393–395.

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Meisterlied 35

5

10

35,I Ich wandert aUs in frembde lant Nach mayster kUnsten schir, Unnd die mir vor war unpekant, Und die wart unther wegen mir Von ainem mayster lobeson, herr fraUenlob der name sein. Nach kUnsten wart ich aUs gesant, Was meines hertzen gir. ghen Maintz da kham ich da zU hant. da hort ich frolich jUbilir ein schmid jn ayner schmidten schon mit seinem hamer schmidt gemein …

A Dresden M 8, 489 rv, Überschrift In dem langen thon CUnrad Marners wie CUnrad Marner zUm frawenlob ghen Maintz kam. B RSM 6, 2A/526 wird Cunrad Marner auch als Verf. angegeben.

Bibliographisches

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Bibliographisches Vorbemerkung Die Abkürzungen der grammatischen und editionstechnischen Termini sowie die der engeren Fachzeitschriften werden nicht eigens aufgeführt. Sie entsprechen dem Usus der mhd. Grammatik (hg. von Paul/Schröbler/Wiehl/Grosse. Tübingen 241998), auf die sich auch die in den Abschnitten B angeführten §§ beziehen. Die Siglen der zitierten biblischen Bücher (Neue Jerusalemer Bibel, Stuttgart 1985) bedeuten AT Dan Dtn Est Ex Ez Gen Hebr Hld Ijob Jak Jer Jes Joël Joh Kön Koh Kor Lev Lk Mk Mt Num NT Offb Petr Ps Ri Röm Sam Sir Spr

Altes Testament Daniel Deuteronomium Ester Exodus Ezechiel Genesis Hebräerbrief Hoheslied Ijob Jakobus Jeremia Jesaja Joël Johannes (Ev./Briefe) Könige Kohelet Korintherbrief Levitikus Lukasevangelium Markusevangelium Matthäusevangelium Numeri Neues Testament Offenbarung des Joh. Petrusbrief Psalmen Richter Römerbrief Samuel Jesus Sirach Sprichwörter

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Bibliographisches

I Abkürzungsverzeichnis der Nachschlagewerke, Handbücher, Lexika ADB

Allgemeine deutsche Biographie, 56 Bde., 1875–1912.

Behaghel Otto Behaghel: Deutsche Syntax. Eine geschichtliche Darstellung in 4 Bänden, Heidelberg 1923–1932 (Germanische Bibl., 1. Reihe, Bd. 10,1–4). BMZ Mittelhochdeutsches Wörterbuch. Mit Benutzung des Nachlasses von Georg Friedrich Benecke ausgearbeitet von Wilhelm Müller und Friedrich Zarncke, 3 Bde. in 4, Leipzig 1854– 1866. Neudruck 1963. Dicke/Grubmüller Gerd Dicke und Klaus Grubmüller: Die Fabeln des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Ein Katalog der deutschen Versionen und ihrer lateinischen Entsprechungen. München 1987 (MMS 60). Diefenbach Lorenz Diefenbach: Glossarium latinogermanicum mediae et infimae aetatis, Frankfurt a. M. 1857. DWb 1960. 2DWb

Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. 16 Bde. in 32, Leipzig 1854– Neubearbeitung, Bd. 1–3 A-Aussetzen, Bd. 6 D-F, Leipzig 1965–2007.

Frl.-Wb Wörterbuch zur Göttinger Frauenlob-Ausgabe. Unter Mitarbeit von Jens Haustein redigiert von Karl Stackmann, Göttingen 1990 (Abh.d. Akad. d. Wiss. in Göttingen, Phil.-Hist. Klasse, 3. Folge Nr. 186). HWbA Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, hg. von Hanns Bächthold-Stäubli, 10 Bde., Berlin 1927–1942. Heusler Andreas Heusler: Deutsche Versgeschichte, 3 Bde., Berlin 1925–1929 (Grundriß d. german. Philologie 8, 1–3). HRG Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, hg. von Adalbert Erler u. a., 5 Bde., Berlin 1971–1998. LCI Lexikon der christlichen Ikonographie, hg. von Engelbert Kirschbaum, 8 Bde., Freiburg i. Br. 1968–1976. LdMA

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Lexer

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Lexikon für Theologie und Kirche, 14 Bde., 3. völlig neu bearb. Aufl. 1997–2001.

Marienlexikon Marienlexikon, hg. von Remigius Bäumer und Leo Scheffczyk, 6 Bde., St. Ottilien 1988–1994. MGG Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik, hg. von Friedrich Blume, 17 Bde., Kassel usw. 1949–1986. RGG Religion in Geschichte und Gegenwart. 4. völlig neu bearb. Aufl., hg. von Hans Dieter Betz u. a. 8 Bde., Tübingen 1998–2005. 2RL

Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte, 2. Aufl. hg. von Werner Kohlschmidt und Wolfgang Mohr, 5 Bde., Berlin 1958–1980. RSM Repertorium der Sangsprüche und Meisterlieder des 12. bis 18. Jahrhunderts, hg. von Horst Brunner und Burghart Wachinger. Bde.1, 3–16, Tübingen 1986–2002. RWb

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Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, hg. von Kurt Ruh u. a. 2. völlig neu bearb. Aufl., 12 Bde., Berlin/New York 1978–2006. Vocabularius ex quo Überlieferungsgeschichtliche Ausgabe, gemeinsam mit Klaus Grubmüller hg. von Bernhard Schnell u. a., 5 Bde., Tübingen 1988/89 (TTG 22–26). Walther Proverbia sententiaeque Latinitatis medii aevi. Gesammelt und hg. von Hans Walther, 5 Bde. + Registerbd. + 3 Bde. N. F., Göttingen 1964. Wander Deutsches Sprichwörter-Lexikon, hg. von Karl Friedrich Wilhelm Wander. 5 Bde., Leipzig 1867–1880. Zingerle, Ignaz: Die deutschen Sprichwörter im Mittelalter, Wien 1864.

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III Primärtexte Albrecht, Dichter des Jüngeren Titurel – Albrechts von Scharfenberg ‚Jüngerer Titurel‘, Bd. 1 und 2 hg. von Werner Wolf, Berlin 1955 und 1968, Bd. 3 und 4 hg. von Kurt Nyholm, Berlin 1985 und 1995 (DTM 45, 55/61, 73, 77). Berthold v. Regensburg – Franz Pfeiffer/Joseph Strobl: Berthold von Regensburg. Vollständige Ausgabe seiner Predigten mit Einleitungen und Anmerkungen. 2 Bde., Wien 1862 und 1880. Deutsche Neudrucke: Texte des Mittelalters, Berlin 1965. Boppe – Heidrun Alex: Der Spruchdichter Boppe. Edition – Übersetzung – Kommentar, Tübingen 1998 (Hermaea N.F. 82). Burkhard v. Hohenfels – s. KLD Verz. II. Carmina Burana s. Verz. II. Damen, Hermann – Helena Onnes: De gedichten van Herman der Damen, Groningen 1913. Das Gänslein – Märendichtung, hg., übersetzt und kommentiert durch Klaus Grubmüller. Novellistik des Mittelalters. Mären, Frankfurt a. M. 1996 (Bibliothek des Mittelalters Bd. 23), S. 648–665. Das Häslein – wie ‚Das Gänslein‘, S. 590–617. Die halbe Birne – wie ‚Das Gänslein‘, S. 178–207. Egen v. Bamberg – Otto Mordhorst: Egen von Bamberg und die ‚geblümte Rede‘, Berlin 1911. Eilhart v. Oberg – H. Bussmann: Eilhart von Oberg ‚Tristrant‘, Tübingen 1969 (ATB 70). Fegfeuer – Wolfgang von Wangenheim: Das Basler Fragment einer mitteldeutsch-niederdeutschen Liederhandschrift und sein Spruchdichter-Repertoire (Kelin, Fegfeuer), Frankfurt a. M. 1972. Frauenlob – Karl Stackmann/Karl Bertau: Frauenlob (Heinrich von Meißen) Leichs, Sangsprüche, Lieder, 2 Teile, Göttingen 1981 (Abh. d. Akad. d. Wiss. in Göttingen. Phil.-hist. Kl., 3. Folge 119/120). – Sangsprüche in Tönen Frauenlobs. Supplement zur Göttinger Frauenlob-Ausgabe, hg. v. Jens Haustein und Karl Stackmann. 2 Teile, Göttingen 2000 (Abh. d. Akad. d. Wiss. in Göttingen. Phil.-Hist. Kl. 3. Folge. 232). Freidank – H. E. Bezzenberger: Fridankes Bescheidenheit, Halle 1872. Friedrich v. Sonnenburg – Achim Masser: Die Sprüche Friedrichs von Sonnenburg, Tübingen 1979 (ATB 86). Gottfried v. Neifen s. KLD Verz. II. Gottfried v. Straßburg – Friedrich Ranke: Gottfried von Straßburg: Tristan und Isold. Berlin 1962. Hardegger s. HMS II Verz. II. Hartmann v. Aue: Iwein. Eine Erzählung von Hartmann von Aue, hg. von G. F. Benecke und K. Lachmann, Berlin 61964. Heinrich v. Morungen s. MF Verz. II. Heinrich v. Veldeke s. MF Verz. II. Henneberger s. HMS III Verz. II. Herger s. MF Verz. II.

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– Vom Sangspruch zum Meisterlied. Untersuchungen zu einem literarischen Traditionszusammenhang auf der Grundlage der Kolmarer Liederhandschrift. Tübingen 2002 (MTU 120). Bartsch, Karl 1862 s. Verz. II. – 1864 s. Verz. II. – (Rez.) Strauch, Der Marner. In: Germania 22 (1877), S. 95–97. – 1886 s. Verz. II. Bech, Fedor: Zerstreute Beiträge. In: Germania 19 (1874), S. 52–58. – Allerhand Vermuthungen und Nachweise. 2. Zum Marner. In: Germania 22 (1877), S. 36–38. – Zum Marner. In: Germania 22 (1877), S. 385–390. Bein, Thomas: Zu Sang und Minne im Minne-Sang. In: ‚Aufführung‘ und ‚Schrift‘ in Mittelalter und Früher Neuzeit, hg. v. Jan-Dirk Müller, Stuttgart/Weimar 1996, S. 67–92. – „Mit fremden Pegasusen pflügen“ Untersuchungen zu Authentizitätsproblemen in mittelhochdeutscher Lyrik und Lyrikphilologie, Berlin 1998 (Phil. Studien u. Quellen 150). – Zum Umgang mit handschriftlichen Autorzuweisungen: Bilanz und Vorschläge für eine literarhistoriographische Handhabe. In: Entstehung und Typen mittelalterlicher Lyrikhandschriften. Akten des Grazer Symposiums 1999, hg. v. Anton Schwob u. a., Bern usw. 2001, S. 15–36. ( Jb. f. Intern. Germ. A 52). Bernt, Günter: ‚Carmina Burana‘ 2VL 1 (1978), Sp. 1179–1186. Bernt 83 s. CB Verz. II. Bezzenberger s. Freidank Verz. III. Birkhan, Helmut: Geschichte der altdeutschen Literatur im Licht ausgewählter Texte. Teil VII: Minnesang, Sangspruchdichtung und Verserzählung der letzten Staufer- und ersten Habsburger Zeit, Wien 2005. Blank, Walther s. Verz. II. Boesch, Bruno: Die Kunstanschauung in der mittelhochdeutschen Dichtung von der Blütezeit bis zum Meistergesang, Bern/Leipzig 1936. – Lehrhafte Dichtung. Lehre in der Dichtung und Lehrdichtung im deutschen Mittelalter, Berlin 1977 (Grundlagen der Germanistik 21). De Boor, Helmut: Über die Fabel, München 1966. Brück, Heinz: Strophenverbindungen in der mittelhochdeutschen Spruchdichtung, Diss. phil. Bonn 1949. Brunner, Horst: Die alten Meister. Studien zu Überlieferung und Rezeption der mittelhochdeutschen Sangspruchdichter im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit, München 1975 (MTU 54). Brunner, Horst/Rettelbach, Johannes: Die Töne der Meistersinger. Die Handschriften der Stadtbibliothek Nürnberg Will III 792, 793, 794, 795, 796. In Abbildung und mit Materialien. Mit einem Anhang von Klaus Kramer, Göppingen 1980. (GAG 97). – „der vrsprung des maystergesangs“. Eine Schulkunst aus dem frühen 16. Jahrhundert und die Kolmarer Liederhandschrift. In: ZfdA 114 (1985), S. 221–240. Bulang, Tobias: wie ich die gotes tougen der werlte gar betiute Geltungspotentiale änigmatischen Sprechens in der Sangspruchdichtung. In: Geltung der Literatur. Formen ihrer Autorisierung und Legitimierung im Mittelalter, hg. von Beate Kellner u. a., Berlin 2005, S. 43–62 (Phil. Studien und Quellen Heft 190).

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