Der Kampf um die Macht in der Tschechoslowakei: 1945–1948 [Reprint 2021 ed.]
 9783112532447, 9783112532430

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AKADEMIE

DER WISSENSCHAFTEN DER

DDR

SCHRIFTEN DES ZENTRALINSTITUTS FÜR GESCHICHTE B A N D 59

Sibylle S c h r ö d e r - L a s k o w s k i

Der Kampf um die Macht in der Tschechoslowakei 1945-1948

AKADEMIE-VERLAG • B E R L I N

1978

Inhalt

Einleitung Abkürzungen

Kapitel

-

5 11

I

Das Ringen der K P T s c h um die führende Rolle im nationalen Befreiungskampf des tschechischen und slowakischen Volkes

Kapitel

II

Der Kampf um die Realisierung des Kosicer Regierungsprogramms und um die Festigung des Bündnisses aller demokratischen Kräfte

Kapitel

79

IV

Die Vorbereitung der K P T s c h und der Massen auf die entscheidende Auseinandersetzung mit der Bourgeoisie im Kampf um die Macht

Kapitel

46

III

Die Entwicklung des Kräfteverhältnisses in der Tschechoslowakei 1946/47. Der Kampf der K P T s c h um ein festes Bündnis zwischen der Arbeiterklasse und den werktätigen Bauern .

Kapitel

13

107

V

Der Februar 1948

. . . .

136

1 Uber die politische Linie und die nächsten Aufgaben der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei (5. 1. 1943) 2 Gemeinsames Manifest von Repräsentanten der Arbeiterparteien zum 1. Mai 1943 . .

161 169

Dokumente

3 Klement Gottwald, Zu einigen Fragen unseres Widerstandes in der Heimat 4 Nationalausschüsse im Kampf um die Freiheit. Kommentar des illegalen tschechischen Senders „Für die nationale Befreiung" (16. August 1943) 5 Vereinbarung über gemeinsames Vorgehen der Parteien des Nationalen Blocks des werktätigen Volkes in Stadt und Land 6 Aufruf der tschechoslowakischen Regierung zur Bildung von Nationalausschüssen mit Richtlinien für ihre Organisation und Tätigkeit (16. April 1944, London) 7 Verfassungsdekret des Präsidenten der Republik über die Nationalausschüsse und die provisorische Nationalversammlung (4. Dezember 1944, London) 8 J a n Sverma, Über die Nationalausschüsse in der befreiten Heimat 9 Das Programm der neuen Regierung der Nationalen Front der Tschechen und Slowaken,

170 175 176 179 181 182

3

10

11

12 13

angenommen auf der ersten Sitzung der Regierung am 5. April 1945 (Kosicer Programm) Tagung des Zentralkomitees der KPTsch am 30. Mai 1946. Aus dem Referat zum ersten Punkt der Tagesordnung: Die Ergebnisse der Wahlen zur Verfassunggebenden Nationalversammlung und die weiteren Aufgaben Gemeinsames Kommunique von Repräsentanten der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei und der Tschechoslowakischen Sozialdemokratie (11. September 1947, Prag) Resolution des Kongresses der Betriebs- und Angestelltenräte und der Betriebsgruppen der Revolutionären Gewerkschaftsbewegung (ROH) (22. Februar 1948, Prag) . . . . Klement Gottwald, Aus dem Referat auf der Tagung des Zentralkomitees der KPTsch am 9. April 1948

Personenverzeichnis

189

205

213 215 216 229

Einleitung

Die vorliegende Arbeit „Der Kampf um die Macht in der Tschechoslowakei 1945-1948" ist ein Beitrag zur Darstellung der wichtigsten historischen Prozesse und Ereignisse in der ersten Etappe der volksdemokratischen Revolution in der Tschechoslowakei. Die revolutionären Umgestaltungen in diesem Land erfolgten nicht isoliert, sondern sie waren Bestandteil des revolutionären Weltprozesses, der von der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution eingeleitet und am Ausgang des zweiten Weltkrieges mit der volksdemokratischen Revolution in einer Reihe von Ländern Mittel- und Südosteuropas in einer neuen internationalen Situation auf einer höheren Stufe fortgesetzt wurde. Das internationale Kräfteverhältnis hatte sich, im Ergebnis des Sieges der U d S S R über den deutschen Faschismus zugunsten des Sozialismus und aller progressiven, demokratischen Kräfte verändert. Diese neue, für die revolutionären Kräfte in den Ländern Mittel- und Südosteuropas günstige Situation und das feste Bündnis mit der Sowjetunion erleichterten am Ende des Krieges den Ausbruch mehrerer Staaten aus dem Lager des Kapitalismus. Während des nationalen Befreiungskampfes der Völker Mittel- und Südosteuropas waren auch die subjektiven Bedingungen für den Übergang zur volksdemokratischen Revolution herangereift. 1 Antifaschistische Parteien und Organisationen hatten sich in nationalen Fronten zusammengeschlossen. Die kommunistischen Parteien hatten in diesen Bündnissen im Verlauf des Befreiungskampfes die Führung übernommen oder zumindest entscheidenden Einfluß errungen. Das gemeinsame erste Ziel der in den nationalen Fronten vereinten Kräfte bestand in der Errichtung einer antifaschistisch-demokratischen Staatsmacht und den entsprechenden sozialen Veränderungen. Die entscheidende Voraussetzung dafür wurde durch die Zerschlagung der faschistischen Okkupations- und Satellitenregimes geschaffen. Die Vernichtung des faschistischen Machtapparates machte den Weg frei für die Machtübernahme durch die in den nationalen Fronten zusammengeschlossenen antifaschistischen Kräfte. Damit wurde eine grundlegende Aufgabe der volksdemokratischen Revolution gelöst. Innerhalb der nationalen Fronten waren unterschiedliche Klassenkräfte mit unterschiedlichen Zielen vorhanden. Die Arbeiterklasse ging davon aus, daß die antifaschistischdemokratische Ordnung günstige Voraussetzungen für den Kampf um die Diktatur des

1

Vgl. G. Fuchs/E. Kalbe/E. Seeber, Die volksdemokratische Revolution in den Ländern Ost- und Südosteuropas, i n : Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 1965, Sonderheft; Siehe auch E. Kalbe, Antifaschistischer Widerstand und volksdemokratische Revolution in Südosteuropa, Rerlin 1 9 7 4 ; E. Seeber, Die volksdemokratische Revolution in Ost- und Südosteuropa als einheitlicher revolutionärer Prozeß und die Herausbildung des sozialistischen Weltsystems, i n : Jahrbuch für Gcschichte der sozialistischen Länder Europas, Bd. 18/1, Berlin 1 9 7 4 ; H. Heitzer, Allgemeines und Besonderes der Übergangsperiode v o m Kapitalismus zum Sozialismus in der DDR, i n : Jahrbuch für Geschichte, Bd. 11, Berlin 1 9 7 4 ; R. Badstübner, Historische Probleme der volksdemokratischen Revolution, in: Jahrbuch für Geschichte, Bd. 12, Berlin 1974.

5

Proletariats schuf. Bauern und kleinbürgerliche Schichten waren in diesem Kampf objektiv Verbündete der Arbeiterklasse. Im Verlauf der volksdemokratischen Revolution galt es, dieses Bündnis zu festigen. Die Hauptkräfte der Bourgeoisie, vor allem die Großbourgeoisie, die mit dem Faschismus kollaboriert hatten, waren entmachtet. Jene antifaschistischen bürgerlichen Kräfte, die in den nationalen Fronten mitarbeiteten, bildeten nur eine Fraktion der ehemals herrschenden Klasse. Trotz des Scheiterns der bürgerlichen Politik und des Verrats der Bourgeoisie in den Jahren 1938—1945 versuchte jener „demokratische" Teil der Bourgeoisie in den befreiten Ländern Mittel- und Südosteuropas, der antifaschistisch-demokratischen Ordnung bürgerliches Gepräge zu geben, die Machtpositionen seiner Klasse auszubauen und schrittweise zurückzuerobern, die kapitalistische Basis in der Wirtschaft zu erhalten. Die Arbeiterklasse mußte, wenn sie ihre erkämpften Positionen festigen und verteidigen wollte, die Revolution weiterführen. Die volksdemokratische Revolution in der Tschechoslowakei stützte sich ebenso wie die Revolutionen in den anderen Ländern von Beginn an auf die „direkte militärische, ökonomische und politische Hilfe der Sowjetunion". 2 Die Sowjetunion wirkte in den volksdemokratischen Staaten als Befreier, Klassenverbündeter der Arbeiterklasse und der werktätigen Bauern und als „konsequenter Vollstrecker der von den Großmächten gemeinsam gefaßten Beschlüsse". 3 Sie unterstützte die nationale Befreiungsbewegung der Völker; sie ermöglichte die Formierung polnischer, jugoslawischer und tschechoslowakischer Truppenteile auf sowjetischem Territorium und übernahm deren Ausbildung und Ausrüstung; sie gewährte den slowakischen Kommunisten Hilfe beim Aufbau der Partisanengruppen und -einheiten. 4 Mit der Zerschlagung der faschistischen Okkupations- und Satellitenregimes durch die Rote Armee war ein entscheidender Teil der „negativen oder zerstörenden" Aufgaben der Revolution bereits erfüllt 5 , waren die Machtpositionen der Bourgeoisie wesentlich geschwächt. Die revolutionären Kräfte der Länder konnten mit der „positiven oder schöpferischen Arbeit", dem Aufbau neuer, demokratischer Machtorgane, in denen teilweise auch antifaschistische, sog. demokratische Gruppen der Bourgeoisie noch vertreten waren, beginnen. Die Verwirklichung der Beschlüsse der Großmächte zur Durchsetzung einer demokratischen Nachkriegsordnung in Europa durch die Sowjetunion in den europäischen volksdemokratischen Staaten „dienten sowohl den antifaschistischen Zielen der Antihitlerkoalition als auch dem antiimperialistischen Bündnis für die Errichtung einer neuen Ordnung." 6 Die unterschiedliche Einstellung der Großmächte zu ihren eigenen Beschlüssen wurde in der Tschechoslowakei besonders deutlich. Den größten Teil des Landes hatten die Truppen der Roten Armee befreit. Lediglich Westböhmen war von amerikanischen Truppen besetzt. Die Sowjetunion hatte schon am 8. Mai 1944 mit der tschechoslowakischen Exilregierung ein Abkommen abgeschlossen, das die Übernahme der Verwaltung in den befreiten Gebieten durch tschechoslowakische Organe vorsah. 7 In Ubereinstimmung mit dem Dekret des Präsidenten der Republik über die Nationalausschüsse vom Dezember 2

Der große Oktober und der weltweite revolutionäre Prozeß, Berlin 1969, S. 132. E. Seeber, Die volksdemokratischen Staaten Mittel- und Südosteuropas in der internationalen Klassenauseinandersetzung zwischen Imperialismus und Sozialismus (1944—1947), in: Jahrbuch für Geschichte der sozialistischen Länder Europas, Bd. 16/2, Berlin 1972, S. 43. 4 Vgl. Geschichte der sowjetischen Außenpolitik 1917-1945, 1. Teil, Berlin 1969, S. 510 ff. 5 Vgl. W. I. Lenin, Die nächsten Aufgaben der Sowjetmacht, in: Werke, Bd. 27, Berlin 1960, S. 230. 6 E. Seeber, Die volksdemokratischen Staaten Mittel- und Südosteuropas in der internationalen Klassenauseinandersetzung . . . , a. a. 0 . , S. 43. "> Vgl. Cesta ke kvetnu, Teil 1/1, Prag 1965, S. 125 ff. 3

6

1944 8 übten diese aus dem Widerstands- und Befreiungskampf hervorgegangenen neuen Machtorgane die Verwaltungsfunktionen aus. Anders war die Situation in Westböhmen. Die Nationalausschüsse wurden von der amerikanischen Besatzungsmacht nicht anerkannt; bestehende Ausschüsse wurden offiziell aufgelöst. 9 Die Leitung der Verwaltung blieb in den Händen der Amerikaner, ihre Helfer wurden die Starosten, Polizeipräsidenten, d. h. Vertreter des bürgerlichen Regimes von vor 1938. Das alte, undemokratisohe System wurde unter fremder Oberherrschaft erneuert. Am 6. Mai 1945 hatte der Nationalausschuß von Plzen dazu aufgerufen, den Prager Aufstand zu unterstützen. Die amerikanische Besatzungsmacht untersagte die Entsendung Freiwilliger nach Prag. 10 Die Angehörigen der sowjetischen Armee halfen den slowakischen und den tschechischen Werktätigen, das im Verlauf der Kämpfe zerstörte oder beschädigte Verkehrsnetz wieder aufzubauen und die Betriebe so schnell wie möglich in Gang zu setzen. Die amerikanischen Einheiten hingegen erhielten den Befehl, alle Transportmittel, Einrichtungen und Anlagen in öffentlichen Objekten, alle Betriebe (mit Ausnahme derjenigen, die sich in der Hand amerikanischer Monopole befanden) zu zerstören. So wurden z. B. noch Ende April 1945 die Skoda-Werke in Plzen von der amerikanischen Luftwaffe bombardiert und zu 70 Prozent zerstört. 11 Die Anwesenheit von Einheiten der Roten Armee in den volksdemokratischen Staaten verhinderte Aktionen der noch nicht endgültig geschlagenen einheimischen reaktionären Kräfte. Die USA-Okkupanten hingegen beraubten die tschechische Bevölkerung jeglicher Rechte auf Mitbestimmung; sie schützten die Angehörigen der geschlagenen faschistischen deutschen Armee, die Verräter und Kriegsverbrecher. Als Ende Mai 1945 faschistische Abteilungen die Stadt Cesky Krumlov besetzt und deutsche militärische Formationen weitere militärische Aktionen angekündigt hatten, lehnten die amerikanischen Besatzungsorgane es ab, einzugreifen. 12 Waren die sowjetischen Einheiten auch nur sehr kurze Zeit in der Tschechoslowakei stationiert 13 , so waren doch unter ihrem Schutz so entscheidende Maßnahmen der volksdemokratischen Revolution wie der Aufbau neuer antifaschistischer Macht- und Verwaltungsorgane, die Bodenreform und die Nationalisierung der wichtigsten Industriezweige und der größten Betriebe beschlossen und zum großen Teil bereits verwirklicht worden. Die Anwesenheit von Einheiten der Roten Armee in der Tschechoslowakei bildeten nur eine Seite der Hilfe der UdSSR für dieses Land. Die allseitige Unterstützung für ihre Klassenverbündeten in den volksdemokratischen Ländern Mittel- und Südosteuropas war ein fester und dauerhafter Bestandteil der sowjetischen Außenpolitik. Die tschechische und slowakische Arbeiterklasse hatte sich unter der Führung ihrer marxistisch-leninistischen Partei im nationalen, antifaschistischen Widerstands- und Befreiungskampf die führende Rolle erkämpft und sicherte sich nach der Errichtung der Volksmacht im April 1945 einen entscheidenden Anteil an der Macht. Während des gesamten revolutionären Prozesses, in dessen Verlauf sich der Übergang vom Kapitalismus 8 Vgl. ebenda, S. 3 1 7 f . ; siehe auch Dok. 6, S. 1 7 9 f . 9 Vgl. K. Bartosek/K. Pichlik, Hanebnä role americkych okupantü v zäpadruch Cechäch v r. 1945, Prag 1951, S. 10. 10 Ebenda, S. 9. « Ebenda, S. 13. 12 Ebenda, S. 2 1 . 1 3 Die sowjetischen und die amerikanischen Einheiten verließen im November 1945 die Tschechoslowakei.

7

zum Sozialismus vollzog, blieb die historische Initiative in der Hand der Arbeiterklasse. 14 Sie bestimmte von Anfang an Richtung und Ziel der Entwicklung des Staates. Zunächst teilte sie die Macht mit anderen Klassenkräften. Mit der Errichtung der Diktatur des Proletariats änderte sich der Charakter der Macht. Die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei festigte ihre Machtpositionen und erweiterte sie, indem sie die Massen — sei es über die Nationalausschüsse und die Betriebsräte oder durch Massenaktionen — in die Machtausübung einbezog. Ihre führende Rolle beruhte unter anderem darauf, daß sich die Partei seit 1945 immer auf die Werktätigen, auf die Masse des Volkes stützen konnte, daß ein fester Kontakt zwischen der Partei der Arbeiterklasse und ihnen bestand. Die Partei verfolgte aufmerksam, wie sich die Stimmung im Volk entwickelte und nahm ständig Einfluß auf dessen Bewußtsein. Der tatsächliche Machtanteil der Werktätigen war seit der Befreiung des Landes größer als es die Angaben über die Zahl der Kommunisten auszudrücken vermochte, weil die Massen bereit waren, die Politik der KPTsch aktiv zu unterstützen. Die Machtpositionen der Arbeiterklasse auszubauen, hieß also in erster Linie, den Kampf um die Gewinnung der Massen zu führen. Diese Problematik hauptsächlich — der offensive Kampf der KPTsch und der Arbeiterklasse um die Festigung der schon errungenen und um neue Positionen in Staat und Wirtschaft des volksdemokratischen Staates, der Kampf der Partei um eine enge Verbindung zwischen der Partei, der Arbeiterklasse und der Masse — sollte in der vorliegenden Arbeit untersucht werden. Durch die Vermittlung vieler Fakten aus der jüngsten Geschichte der Tschechoslowakei versucht die Arbeit Anregung zu neuen vergleichenden Betrachtungen mit den parallel verlaufenden Prozessen in den anderen Volksdemokratien zu geben. Die gewählte Thematik ist jedoch so breit, daß einige Probleme von vornherein nicht berücksichtigt worden sind. So fehlt z. B. völlig die Darstellung der revolutionären Umgestaltungen auf dem Gebiet der Kultur und des Bildungswesens; es fehlt der Komplex zur Politik der KPTsch gegenüber den städtischen Mittelschichten. Auch die Problematik der Aussiedlung des deutschen Bevölkerungsteils aus der LSR wurde ausgeklammert. Die Stellung der bewaffneten Kräfte in der Klassenauseinandersetzung zwischen der Arbeiterklasse und der Bourgeoisie wird nur sehr kurz im Zusammenhang mit den Februarereignissen 1948 behandelt. Die Slowakei wird nur an jenen Brennpunkten in die Darstellung einbezogen, die für die revolutionäre Entwicklung des ganzen Staates von großer Bedeutung sind. Die Tschechoslowakei war bereits vor dem Beginn der volksdemokratischen Revolution ein entwickelter Industriestaat. Die Arbeiterklasse bildete im Jahre 1930 44 Prozent der 14

Vgl. E. Seeber, Die volksdemokratische Revolution in Mittel- und Südosteuropa als kontinuierlicher revolutionärer Prozeß und ihr Einfluß auf die Herausbildung des sozialistischen Weltsystems, in: Jahrbuch für Geschichte der sozialistischen Länder Europas, Bd. 18/1, Berlin 1974. In der tschechoslowakischen Historiographie wird der Begriff „volksdemokratische Revolution" nicht verwendet. Die tschechischen und slowakischen Historiker sprechen von zwei Revolutionen in der Tschechoslowakei: der nationalen und demokratischen und der sozialistischen. Trotz der unterschiedlichen Terminologie bestehen hinsichtlich des Inhalts des gesamten revolutionären Prozesses sehr ähnliche Auffassungen. Die Historiker der CS SR unterstreichen ebenfalls den Gedanken der Verflechtung der nationalen und demokratischen mit der sozialistischen Revolution. Sie betonen den fließenden Ubergang, das Hinüberwachsen der einen in die andere Revolution. Vgl. M. Boucek/M. Klimes, Ünorove dny roku 1948, in: Nova mysl, Prag 1973, H. 1; J. Ilouska/ Ii. Kdra, Nase närodni a demokratickä revoluce a jeji pferüstäni v revoluci socialistickou, in: Nova mysl, Prag 1972, H. 12; Vgl. V. Addmek, Boj KSC za pferüstäni närodne demokralicke revoluce v socialistickou v letech 1945—1948, Prag 1972.

8

gesamten berufstätigen Bevölkerung. 1 5 23,96 Prozent aller Werktätigen arbeiteten in Betrieben mit mehr als 500 Beschäftigten, 13,28 Prozent in Betrieben mit mehr als 1000 Beschäftigten. 1 6 Im J a h r e 1937 war die tschechoslowakische Industrie mit 35,53 Prozent an der Bildung des Nationaleinkommens beteiligt. 1 7 Ein relativ großer Teil der Industrie, des Bankwesens und des Handels befand sich unter der Kontrolle ausländischen Kapitals. Unmittelbar vor dem zweiten Weltkrieg und während des Krieges drang verstärkt ausländisches Kapital in die Industrie der C S R ein. Westeuropäischen und USA-Monopolen gehörten etwa 20 Prozent der gesamten Investitionen in der Industrie. In der chemischen Industrie waren sie z. B. mit 34, im Bergbau mit 30, in der Hüttenindustrie mit 16, im Maschinenbau mit 15 Prozent an den Investitionen beteiligt. 1 8 Als am Kriegsende feststand, daß die Tschechoslowakei nicht zum Einflußbereich der Westmächte gehören würde, erging der Befehl an die USA-Truppen, das Wirtschaftspotential der C S R weitgehend zu zerstören, um dem zu erneuernden S t a a t , der durch den Vortrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand zwischen der U d S S R und der C S R vom Dezember 1943 mit der U d S S R verbündet war und in dem die revolutionären Kräfte sehr aktiv waren, den S t a r t zu erschweren. Trotz dieser Tatsachen bemühte sich die tschechische und slowakische Bourgeoisie um die Wiederherstellung enger Bindungen an das westliche Kapital, um sich auf diese Weise für die Rückeroberung ihrer Macht Verbündete zu sichern. Der hohe Entwicklungsgrad der Industrie traf jedoch nur auf einige Industriezentren in Böhmen und Mähren zu. Der slowakische Landesteil gehörte zu den rückständigsten Gebieten Europas. Die Anerkennung der Gleichberechtigung der slowakischen Nation durch die erste Regierung der Nationalen Front der Tschechen und Slowaken und die damit verbundene Chance zur Überwindung der ökonomischen Rückständigkeit waren daher sowohl für das slowakische Volk als auch für die Stabilität des gemeinsamen tschechoslowakischen Staates von außerordentlicher Bedeutung. Das Vorhandensein einer leistungsstarken Industrie mit einer qualifizierten Arbeiterschaft in der Tschechoslowakei und die bürgerlich-demokratischen Traditionen aus der ersten Republik werden von bürgerlichen Historikern immer wieder hervorgehoben, um zu „beweisen", daß ein solches Land für den Sozialismus in marxistisch-leninistischem Sinne nicht,, tauge". 1 9 Die Fakten über die revolutionären Umgestaltungen in der Tschechoslowakei beweisen das Gegenteil. Der Verlauf der volksdemokratischen Revolution in diesem L a n d demonstriert die Allgemeingültigkeit der Lehren des Marxismus-Leninismus, im besonderen die der Leninschen Revolutionstheorie. In der Tschechoslowakei wiederholten sich ebenso wie in den anderen volksdemokratischen Staaten die Grundzüge der Oktoberrevolution. Die nationalen Besonderheiten des tschechischen und slowakischen Volkes, ihre Traditionen und Geschichte, das im Vergleich zu anderen Volksdemokratien höhere Niveau der ökonomischen Entwicklung, die Stärke der Arbeiterklasse, ihre Organisiertheit und viele andere Faktoren beeinflußten die Wahl der Formen und Methoden zur Durchsetzung der allgemeinen Gesetzmäßigkeiten, nicht aber diese selbst. Die Beachtung der nationalen Besonderheiten ist eine für den Erfolg des Kampfes der" Arbeiterklasse notwendige Voraussetzung für die Realisierung der allgemeinen Gesetzmäßigkeiten, die niemals in reiner, abstrakter Form auftreten. 2 0 A. Chyba, H o s p o d ä r s k y v y v o j a postaveni pracujicich v burzoazni C S R , P r a g 1973, S. 26. »6 25 let Ceskoslovenska, P r a g 1970, S. 69. » The Czechoslovak E c o n o m y 1 9 4 5 - 1 9 4 8 , P r a g 1968, S. 243. 18 A. Chyba, H o s p o d ä r s k y v y v o j . . ., a. a. O., S. 30. « Vgl. J . F. Brown, D a s neue Osteuropa, Köln 1967, S. 34. 2 0 Vgl. H. Meitzer, Allgemeines und Besonderes der Übergangsperiode v o m K a p i t a l i s m u s zum Sozialismus in der D D R , a. a. O., S. 8. 15

9

Die revolutionären Veränderungen in der Tschechoslowakei in den Jahren 1945—1948 sind Bestandteil des revolutionären Weltprozesses. Die konkreten Erfahrungen der revolutionären Kräfte dieses Landes und die der anderen volksdemokratischen Länder Ost- und Südosteuropas sind Ausdruck der Einheitlichkeit des Wesens und der Mannigfaltigkeit der Formen beim Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus. Die Arbeit wird durch den Anhang einer Reihe wichtiger Dokumente der KPTsch, des Präsidenten der C S R u n d d e r Regierung der Nationalen Front der Tschechen und Slowaken ergänzt. Ein Teil der Dokumente wird zum erstenmal in deutscher Ubersetzung vorgelegt.

Abkürzungsverzeichnis

CNS

Ceskoslovenská národné socialistická strana Tschechoslowakische Nationale Sozialistische Partei

CSD

Ceskoslovenská sociální demokracie Tschechoslowakische Sozialdemokratie

CSL

Ceskoslovenská strana lidová Tschechoslowakische Volkspartei

DS

Demokratická strana Demokratische Partei (in der Slowakei)

EKKI

Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale

GATT

General Agreement on Tariffs and Trade Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen. Multilaterales Vertragswerk vom 30. 10. 1947

Gestapo

Geheime Staatspolizei im faschistischen Deutschland

KI

Kommunistische Internationale

KPS

Komunistická strana Slovenska ( K S S ) Kommunistische Partei der Slowakei

KPTsch

Komunistická strana Ceskoslovenská (KSC) Kommunistische Partei der Tschechoslowakei

ROH

Revolucní odborové hnutí Revolutionäre Gewerkschaftsbewegung = tschechoslowakischer Gewerkschaftsverband

SHAEF

Supreme Headquarters Allied Expeditionary Hauptquartier der Alliierten Expeditionsstreitkräfte

SNB

Sbor národní bezpecnosti Nationales Sicherheitskorps = Polizei

SS

Schutzstaffel der N S D A P

UNRRA

United Nations Relief and Rehabilitation Administration Am 9. 11. 1943 geschaffene internationale Organisation zur Unterstützung der vom Krieg am schwersten betroffenen Länder beim Wiederaufbau der Wirtschaft Üstíední rada odboru Zentralrat der Gewerkschaften

ÚRO

11

Kapitel

I

Das Ringen der K P T s c h um die führende Rolle im nationalen Befreiungskampf des tschechischen und slowakischen Volkes „Heute dürfen wir nicht mehr nur renitentes Hinterland sein, heute müssen wir aktiver Bestandteil der weltweiten Kampffront gegen Hitler sein" 1

Mit dem Überfall der faschistischen deutschen Truppen auf die Sowjetunion im J u n i 1941 hatte eine neue E t a p p e des zweiten Weltkrieges begonnen. Der Kriegseintritt der Sowjetunion, die Erklärung ihrer Kriegsziele und der heldenhafte K a m p f der Sowjetmenschen gegen den faschistischen Aggressor bestimmten den Charakter des Krieges als gerechten, antifaschistischen Krieg. Die Regierungen der U S A und Großbritanniens, die vor dem Krieg alle Initiativen der U d S S R für die S c h a f f u n g eines Bündnisses zur Verhinderung der Ausdehnung des faschistischen Herrschaftsbereiches, zur Verhinderung faschistischer Aggressionen unbeantwortet ließen, mußten nach dem 22. J u n i 1941, nicht zuletzt unter dem Druck der Volksmassen ihrer eigenen Länder und unter Berücksichtigung der Widerstandsbewegungen in den okkupierten europäischen Ländern, ihre Politik gegenüber der Sowjetunion ändern. A m 24. J u n i 1941 erklärte Präsident F . Roosevelt offiziell, die U S A seien bereit, der Sowjetunion im K a m p f gegen den F a s c h i s m u s zu helfen; 2 a m 12. Juli wurde zwischen Großbritannien und der Sowjetunion ein Ubereinkommmen über gemeinsames Vorgehen im K a m p f gegen Hitlerdeutschland getroffen. 3 Diese Abmachungen waren zugleich erste Schritte auf dem Weg zur Bildung der Antihitlerkoalition. Der mutige K a m p f der Sowjetunion gegen die Armeen Hitlers g a b den nationalen Widerstandsbewegungen neuen Auftrieb. Die Schaffving eines Bündnisses aller Gegner des Faschismus, dem neben der sozialistischen Sowjetunion auch die Westmächte angehörten, trug dazu bei, auch in den nationalen Bewegungen den Bogen der beteiligten Klassen und Schichten, breiter zu spannen. Nachdem die U d S S R , Großbritannien und die U S A im J u l i 1941 die tschechoslowakische Exilregierung in London und den Präsidenten Dr. E . Benes anerkannt hatten, wurde die Tschechoslowakei Mitglied der internationalen antifaschistischen K a m p f f r o n t . Die Tatsache, die U d S S R durch den Vertrag vom 18. J u l i 1941 über die Anerkennung der Regierung und die Zusammenarbeit während des K r i e g e s 4 zum engsten Verbündeten im K a m p f gegen den Faschismus zu haben, half den tschechischen und slowakischen Kommunisten und allen anderen demokratischen und patriotischen Kräften, den Widerstand gegen d a s Hitlerregime zu verstärken und in größerem R a h m e n zu organisieren. Spolecne provoläni „Tvofte vsude narodne revolucni vybory!", zit. nach: Rüde prävo 1939— 1945, Prag 1971, S. 227. 2 Vgl. Weltgeschichte in Daten, Berlin 1965, S. 916. 3 Ebenda. 4 Ümluva sovetsko-ceskoslovcnskä, in: Za svobodu ceslceho a slovenskeho näroda. Sbomik dokumentü k dejinäm KSC v letech 1938—1945 a k IX., X. a XI. svazku spisü Klementa Gottwalda (im folgenden: Za svobodu ceskeho a slovenskeho näroda), Prag 1956, S. 160. 1

13

Bereits im H e r b s t 1938, u n m i t t e l b a r nach der Kapitulation der tschechoslowa.kischen Regierung vor dem Münchener D i k t a t , h a t t e die Kommunistische P a r t e i der Tschechoslowakei versucht, eine breite, alle Klassen und Schichten des Volkes umfassende nationale F r o n t zu bilden, um zumindest den R e s t des S t a a t e s vor weiteren Übergriffen des deutschen Imperialismus zu schützen und Voraussetzungen für den Neuaufbau des S t a a t e s zu schaffen. Angesichts der Bedrohung der nationalen E x i s t e n z des tschechoslowakischen S t a a t e s schlug das Zentralkomitee der P a r t e i vor, auch Teile der patriotisch gesinnten Bourgeoisie in das Bündnis der K ä m p f e r gegen den deutschen Faschismus, für die E r h a l tung des selbständigen tschechoslowakischen S t a a t e s einzubeziehen. Das Zentralkomitee der K P T s c h schlug in einem Brief an alle Mitglieder der P a r t e i , der am 8. O k t o b e r 1 9 3 8 veröffentlicht wurde, vor, „auch j e n e politischen K r ä f t e und politischen Parteien zusamm e n z u s c h l i e ß e n , die bis zum 30. S e p t e m b e r . . . stark differierten". 5 I m J a h r e 1 9 3 8 gelang es den Kommunisten jedoch noch nicht, eine derartige breite antifaschistische F r o n t zu schaffen. Noch bevor die P a r t e i m i t der Verwirklichung der in dem Brief des Z K erläuterten Linie beginnen konnte, wurde sie am 21. Oktober 1 9 3 8 (in der Slowakei am 9. Oktober) verboten. 6 Die K P T s c h konzentrierte ihre ganze K r a f t auf die Umstellung auf die illegale Arbeit, auf den Aufbau eines illegalen Netzes der P a r t e i . Die von der K P T s c h bereits vor 1 9 3 8 entwickelte Politik der Nationalen F r o n t basierte auf den Erkenntnissen der internationalen kommunistischen Bewegung, vor allem auf den Dokumenten des V I I . Kongresses der Kommunistischen

Internationale im

Jahre

1935. I m April 1936 beriet der V I I . P a r t e i t a g der K P T s c h über die Möglichkeit zur konkreten Anwendung der Richtlinien der Kommunistischen

Internationale ( K I ) in der

Tschechoslowakei. Die P a r t e i rief zur Verteidigung der bürgerlich-demokratischen

Re-

publik gegen den drohenden Faschismus innerhalb des Landes und gegen die von Hitlerdeutschland drohenden Gefahren auf. G. Dimitroff h a t t e auf dem Kongreß der K I den Faschismus als „ M a c h t des F i n a n z k a p i t a l s " , als „offene terroristische D i k t a t u r der reaktionärsten, am meisten chauvinistischen, a m meisten imperialistischen E l e m e n t e des F i n a n z k a p i t a l s " definiert. 7 Gegenüber der bürgerlichen Demokratie war der Faschismus ein gewaltiger R ü c k s c h r i t t . Darum k o n n t e es in der konkreten Situation der Bedrohung durch den Faschismus für den K a m p f der W e r k t ä t i g e n einer Reihe von Ländern nicht mehr die Alternative zwischen proletarischer D i k t a t u r und bürgerlicher D e m o k r a t i e geben, sondern es galt nun, zwischen der bürgerlichen Demokratie und der faschistischen D i k t a t u r zu wählen. Auf dem Kongreß h a t t e u. a. der Generalsekretär der K P T s c h , Kl. Gottwald, die Stellung der K o m m u nisten zum bürgerlichen S t a a t in der neuen Situation erläutert. Natürlich seien die K o m munisten

Vertreter

der

sozialistischen

Demokratie,

K ä m p f e r für den

sozialistischen

S t a a t . „ W e n n jedoch die bürgerliche Demokratie, wenn die demokratischen R e c h t e , die sie dem werktätigen Volk gewährt — und die sich das werktätige Volk schwer erkämpfen m u ß t e — vom Faschismus angegriffen werden, dann sind wir natürlich für die Verteidigung dieser demokratischen

Rechte"8.

Diese Politik bedeutete keinen

Kurswechsel

Dopis Üstfedniho Vyboru KSC vsem clenüm strany, in: Kl. Gottwald, Spisy, Bd. VIII, Prag 1953, S. 263. 6 Vgl. Pfirucka k dejinäm KSC, Prag 1971, S. 54. 7 G. Dimitroff, Die Offensive des Faschismus und die Aufgaben der Kommunistischen Internationale im Kampf für die Einheit der Arbeiterklasse gegen den Faschismus, in: VF. Pieckj G. Dimitroff¡P. Togliatti, Die Offensive des Faschismus und die Aufgaben der Kommunisten im Kampf für die Volksfront gegen Krieg und Faschismus, Berlin 1967, S. 87. 8 Rede Kl. Gottwalds auf dem VII. Kongreß der KI, Archiv Üstavu Dejin KSC (im folgenden: ÄÜD KSC) Prag, Fond 57, sign. 262. 6

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der kommunistischen Partei, keine Kapitulation vor dem bürgerlichen S t a a t , sie beinhaltete auch keine Idealisierung der bürgerlichen Demokratie. Die Kommunisten erkannten sehr wohl deren Grenzen. Ihnen ging es um die Verteidigung und Erweiterung der Freiheiten, die der bürgerlich-demokratische S t a a t den Werktätigen gewährte, die dem Kampf der Arbeiterklasse neue Möglichkeiten erschlossen und die nun vom Faschismus bedroht wurden. Mit der Verwirklichung der Empfehlung der K I , breite demokratische, antifaschistische Bündnisse zu schaffen, verbanden die Kommunisten die Tagesaufgabe — die Verhinderung des faschistischen Machtantritts in weiteren Ländern — mit einem Schritt in Richtung auf das Endziel — mit dem Kampf um die Erweiterung der'Demokratie, auf deren Boden die Massen an die proletarische Revolution herangeführt werden. Diese Politik stützte sich auf die Leninsche Lehre vom Zusammenhang zwischen dem Kampf u m Demokratie und dem Kampf um den Sozialismus unter Berücksichtigung der konkreten Bedingungen der 30er Jahre. Die Erfahrungen, die die Kommunisten der einzelnen Länder bei der Bildung der Volksfronten im Kampf gegen den Faschismus sammelten, bereicherten den Marxismus-Leninismus und bestätigten dessen Allgemeingültigkeit. Der bereits erwähnte VII. Parteitag der KPTsch unterstrich den revolutionären Inhalt der Aufgabe, die bürgerliche Demokratie gegen den Faschismus zu verteidigen. „ E s ging nicht um die Aufrechterhaltung der bestehenden Verhältnisse, nicht um die Konservierung jener Züge der bürgerlichen Demokratie, die vor allem der Tarnung und Beschönigung der Macht des Finanzkapitals dienten, sondern um die jakobinische revolutionäre Verteidigung der demokratischen Freiheiten des Volkes, . . . um die Vertiefung des eigentlichen Inhalts der Demokratie, um die Beseitigung ihrer reaktionären Beschränkungen, um ihre volle Entfaltung und ihren wahren Volkscharakter." 9 E s war eine Politik des aktiven K a m p f e s : der Verteidigung der bürgerlichen Demokratie gegen alle Anschläge von rechts und zugleich des Kampfes u m die Erweiterung dieser Demokratie und die Verbesserung der Lebensbedingungen der Arbeiter und aller Werktätigen. Die KPTsch wollte den bürgerlich-demokratischen S t a a t verteidigen, forderte jedoch von diesem S t a a t , ihr auch die Möglichkeit zu seiner Verteidigung zu geben. Dazu gehörte die Erfüllung sozialer und wirtschaftlicher Forderungen der Werktätigen in S t a d t und Land („Wie will man die Republik verteidigen, wenn man das Volk plündert, ihm den letzten Blutstropfen aussaugt?"), die Gewährung umfangreicherer demokratischer Rechte und die Demokratisierung des ganzen Regimes („denn wie soll man die Republik verteidigen, wenn man aus der Republik für das Volk ein Zuchthaus macht?"), die nationale Gleichberechtigung aller in der C S R lebenden Völkerschaften („Wie will man die Völker dazu bewegen, die Republik zu verteidigen, wenn man sie diskriminiert?") sowie die Demokratisierung der Armee, die Entlassung faschistischer Generale und die Gewährleistung demokratischer Rechte und Freiheiten für die Soldaten („Wie kann man die Republik gegen Hitler verteidigen, wenn an der Quelle seine Helfer sitzen?"). Diese Forderungen nannte Gottwald auf dem V I I . Parteitag 1936 die „Hauptbedingungen für die Verteidigung der Republik gegen den Faschismus". 1 0 Nur im harten Klassenkampf gegen die herrschende Bourgeoisie in diesen Punkten konnten die Voraussetzungen für eine wirksame Verteidigung der Republik geschaffen werden. In dieser E t a p p e des Kampfes der KPTsch stand der soziale Aspekt, die Verteidigung der Rechte der Arbeiterklasse 9

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V. Koucky, Der u n t r e n n b a r e Z u s a m m e n h a n g des K a m p f e s für D e m o k r a t i e m i t d e m f ü r Sozialism u s , i n : P r o b l e m e des F r i e d e n s u n d des S o z i a l i s m u s , B e r l i n 8/1965, Nr. 12, S. 1 0 0 6 ; V g l . a u c h P. Wieden, Drei J a h r e n a c h d e m V I I . Weltkongreß, i n : K o m m u n i s t i s c h e I n t e r n a t i o n a l e , X I X / 1 9 3 8 , H e f t 8 (16. A u g u s t ) , S t r a s b o u r g , S. 764 f. Kl. Gottwald, L i d o v o u f r o n t u p r o o b r a n u m i r u , p r o t i Hitlerovi, za chleb a s v o b o d u ! I n : P r o t o k o l V I I . s j e z d u K o m u n i s t i c k e S t r a n y C e s k o s l o v e n s k a , 11.—14. d u b n a 1936, P r a g 1967, S . 4 1 f.

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und aller Werktätigen im Vordergrund der Politik der Partei. Es gelang jedoch nicht, den tschechoslowakischen Staat mit Hilfe eines breiten Bündnisses aller demokratischen Kräfte des Volkes vor den Übergriffen des deutschen Faschismus zu bewahren. Nach der Besetzung der Tschechoslowakei durch die deutschen Faschisten im März 1939 begann eine neue Etappe des antifaschistischen Kampfes. In dem Moment, da der Faschismus die nationale Existenz einzelner Völker und Staaten ernsthaft gefährdete, da die Existenz der tschechischen und slowakischen Bourgeoisie ebenso wie die der Arbeiterklasse und der anderen Klassen und Schichten bedroht war, entstand die Möglichkeit und Notwendigkeit, ein alle Klassen umfassendes nationales, antifaschistisches Bündnis zu schaffen. Auf dem VII. Kongreß der KI hatte G. Dimitroff den Faschismus in der Außenpolitik als „Chauvinismus in seiner brutalsten Form, der einen tierischen Haß gegen die anderen Völker züchtet" charakterisiert. 11 Nach der Besetzung der Tschechoslowakei erlebte die Bevölkerung der CSR die Praxis dieser Politik aus nächster Nähe. Kl. Gottwald schrieb dazu im Sommer 1941 in der Zeitschrift „Die Kommunistische Internationale": „Als Hitler im Jahre 1939 die Tschechoslowakische Republik vernichtete, . . . ging es hier nicht um eine bloße Okkupation eines fremden Landes, es ging um mehr: um die Existenz der ganzen Nation an sich" 12 . Er erinnerte an die Worte Hitlers, die „tschechische Gefahr" müßte „so oder so" „ein für allemal" liquidiert werden 13 . In einer solchen Situation mußte sich die Aufgabenstellung für die Kommunisten und alle demokratischen und patriotischen Kräfte in der Tschechoslowakei erweitern. Der nationale Aspekt des Kampfes gegen den Faschismus rückte nach der Okkupation des Landes stärker in den Vordergrund. An dem Kampf um die Rettung und Befreiung der Nation nahmen nun auch patriotische antifaschistische Kräfte der Bourgeoisie teil, die vor dem März 1939 aus Furcht vor der Einengung oder dem Verlust ihrer Machtpositionen nicht bereit waren, gemeinsam mit den Werktätigen den tschechoslowakischen Staat wirksam zu verteidigen. Der Hauptschlag mußte jetzt ausschließlich gegen den Faschismus, gegen die nationale Unterdrückung durch die faschistischen Okkupanten geführt werden. Die aufzubauende breite nationale Front sollte den Widerstand des Volkes auf allen Gebieten gegen die Okkupanten organisieren und eine nationale Befreiungsbewegung entwickeln. 14 Die Kommunisten hatten die Aufgabe, „sich als führende Kraft in diese Bewegung ein(zu)reihen" 15 , ihr Richtung und Ziel zu geben. Auf der Basis der Einheit der Arbeiterklasse mußten die kommunistischen Parteien in den Widerstands- und Befreiungsbewegungen um die Hegemonie kämpfen. Die Kommunisten stützten sich in ihrem Kampf auf die Hilfe der KI. Sie half den Parteien, sich in der neuen Etappe des Widerstandskampfes schnell auf die Hauptaufgaben zu orientieren. So wandte sich z. B. am 14. Juni 1939 das Exekutivkomitee der KI mit dem Dokument „Die neue Lage in der Tschechoslowakei und die Aufgaben der Partei" an die KPTsch".16 Dimitroff wies wiederholt auf die Notwendigkeit einer elastiG. Dimitroff, Die Offensive des Faschismus und die Aufgaben der Kommunistischen Internationale . . ., a. a. O., S. 87. 12 Kommunistische Internationale, X X I I / 1 9 4 1 , Heft 6—7, zit. nach: Kl. Gottwald, Spisy Bd. IX, Prag 1954, S. 40 f. « Ebenda, S. 41. 14 Vgl. Die Kommunistische Internationale. Kurzer historischer Abriß, Berlin 1970, S. 544. 15 Zit. nach: E. Kalbe, Antifaschistischer Widerstand und volksdemokratische Revolution in Südosteuropa. Das Hinüberwachsen des Widerstandskampfes gegen den Faschismus in die Volksrevolution (1941—1944/45). Ein revolutionsgeschichtlicher Vergleich, Berlin 1974, S. 70. 16 Vgl. Die Kommunistische Internationale, a. a. 0 . , S. 543 f. 11

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sehen Bündnispolitik der Kommunisten, die Schaffung breiter antifaschistischer Fronten zum Kampf für die nationale Freiheit und auf die Stellung der Kommunisten im nationalen, antifaschistischen Befreiungskampf hin. 17 Das gemeinsame Ziel der tschechoslowakischen nationalen Kampffront war die Befreiung des Landes von den faschistischen deutschen Okkupanten und die Errichtung eines stabilen, souveränen, demokratischen Staates. Dieses sehr allgemein formulierte Ziel vereinte alle Gruppierungen des nationalen Befreiungskampfes: die Widerstandsgruppen in den besetzten tschechischen Gebieten und im sog. Slowakischen Staat und die Zentren der Befreiungsbewegung im Ausland — Moskau (hier befand sich die Auslandsleitung der KPTsch) - und London (dort war der Sitz der tschechoslowakischen Exilregierung und des Präsidenten Dr. E. Benes). Doch über die Wege zu dem Ziel und über den Charakter des wiederzuerrichtenden Staates bestanden zwischen den beiden Hauptgruppen — der von der Kommunistischen Partei geleiteten und der bürgerlichen Widerstandsbewegung — stark voneinander abweichende Auffassungen. Von der Kommunistischen Partei, ihrer Konsequenz und Elastizität, von der Stärke der Arbeiterklasse, dem Grad ihrer Organisiertheit und ihrer Verbindung mit der Masse des Volkes hing es wesentlich ab, ob man einen gemeinsamen Weg sowohl zur Befreiung des Landes als auch zum Aufbau des gesellschaftlichen Lebens im befreiten Staat fand und welche Voraussetzungen mit dem gemeinsamen Ziel für die Fortsetzung des Weges zum Maximalziel der Arbeiterklasse, der Errichtung der sozialistischen Gesellschaftsordnung geschaffen werden konnten. Die Kommunisten der Tschechoslowakei waren sich der Tatsache bewußt, daß die Befreiung des Landes nur im engen Bündnis mit der Sowjetunion, als Bestandteil der internationalen antifaschistischen Front und durch den aktiven Kampf des tschechischen und slowakischen Volkes selbst zu erlangen war. In dieser Hinsicht bewirkte der Vertrag zwischen der U d S S R und der Tschechoslowakei vom 18. Juli 1941 über die Regelung der gegenseitigen Beziehungen einen Aufschwung der tschechoslowakischen Widerstands- und Befreiungsbewegung. Er „eröffnet der Tschechoslowakischen Republik und den Völkern der Tschechoslowakei den Weg zum bewaffneten Kampf an der Seite der ruhmreichen Roten Armee, er inspiriert die Völker der Tschechoslowakei zu noch entschlossenerem und unbarmherzigerem Kampf . . . gegen den deutschen Faschismus" 1 8 . Als erstes Land hatte die Sowjetunion die Regierung in London als Repräsentantin der Tschechoslowakischen Republik anerkannt, und zwar in den Grenzen, wie sie vor dem Münchener Abkommen bestanden hatten. Ein enges, ehrliches Bündnis mit der Sowjetunion bot die besten Garantien für die Wiederherstellung des tschechoslowakischen Staates in seinen ursprünglichen Grenzen und für seine zukünftige Sicherheit. Die Sowjetunion unterstützte die tschechoslowakische Befreiungsbewegung, durch diese Hilfe gewann die Befreiungsbewegung an Kraft und Einfluß. Zugleich wurde klar, daß es keine Befreiung nur von außen, ohne eigenes Mitwirken geben konnte. Der Artikel 2 des Vertrages mit der Sowjetunion besagte ausdrücklich: „Beide Regierungen verpflichten sich, sich im gegenwärtigen Krieg gegen Hitlerdeutschland Hilfe und Unterstützung jeglicher Art zu geben" 19 . Die KPTsch bemühte sich, der tschechischen Bevölkerung den Inhalt und den Sinn gerade dieses Artikels zu erläutern. In einer tschechischen Sendung des Moskauer Rundfunks vom 29. Juli 1941 erklärte Kl. Gottwald: „Unsere Pflicht 17

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Zit. nach: E. Kalbe, Antifaschistischer Widerstand und volksdemokratische Revolution in Südosteuropa, a. a. 0 . , S. 70. Kommunistische Internationale, X X I I / 1 9 4 1 , a. a. O., S. 46. Ümluva sovetsko-ceskoslovenskä, i n : Za svobodu ceskeho a slovenskeho näroda, a. a. 0 . , S. 160.

2 Schrödcr-Laskowski, Tschechoslowakei

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als T s c h e c h e n , als Bürger der Tschechoslowakischen Republik, unsere Pflicht als Nation und S t a a t ist es, soviel wie möglich zur militärischen Niederlage Hitlerdeutschlands beizutragen. 2 0 " Er erläuterte vor allem das Wie des möglichen und notwendigen tschechischen Beitrages. „Wir haben das gleiche Schicksal wie eine Reihe anderer europäischer Völker, deren Territorium vom Feind besetzt ist. Trotz alledem setzen jedoch diese Völker den Krieg gegen Hitler fort. Nur die Formen und Methoden dieses Krieges sind der Tatsache angepaßt, daß der Feind das Land zeitweilig besetzt hat." Die Tschechoslowakei war für Hitler ein sehr wichtiges Hinterland. Man mußte daher außer den bisherigen Formen des nationalen Widerstandes neue, wirksamere, für die Okkupanten fühlbarere Methoden anwenden, um ihnen direkt zu schaden (Sabotage in der Rüstungsproduktion, Ausschußproduktion und sinkende Arbeitsproduktivität, Herabsetzung der Pflichtablieferungen der Bauern auf ein Minimum u. a.). Die Okkupanten sollten spüren, daß es sich bei den Sabotageakten nicht um Aktionen einzelner, sondern um organisierte Massenbewegungen der tschechischen Bevölkerung handelte, sie sollten spüren, daß die Tschechen tatsächlich Krieg gegen sie führten. Die KPTsch sah nicht im Kampf einer kleinen Elitetruppo, sondern im aktiven Handeln, in der Einbeziehung breitester Schichten der Bevölkerung in den nationalen antifaschistischen Kampf den Weg zum Sieg über die Okkupanten. Im Gegensatz zu der von der KPTsch geleiteten Widerstandsbewegung stützte sieh die tschechoslowakische Regierung in London und unter ihrer Führung die bürgerliche Widerstandsbewegung in der Außenpolitik auch nach dem Vertragsabschluß mit der U d S S R vom Juli 1941 in erster Linie auf die Westmächte. Präsident Benes hatte sich um die Anerkennung seiner Regierung vor allem durch Großbritannien und die U S A bemüht. Diese Staaten zögerten diesen Schritt jedoch immer wieder hinaus. Die Initiative zur Anerkennung durch die Sowjetunion ging nicht von Benes, sondern von der sowjetischen Regierung aus. Sie schlug den Vertrag vor, den Benes unterzeichnete. Auf Grund der sowjetischen Initiative sah sich die Regierung Großbritanniens noch am gleichen Tag zur Anerkennung veranlaßt, und die durch die Regierung der U S A folgte wenige Tage darauf. Trotz dieser Fakten, trotz der für die C S R umfassenderen Bedeutung des Vertrages über gegenseitige Hilfe mit der Sowjetunion würdigte Benes in erster Linie das Abkommen mit Großbritannien: „Am Freitag, dem 18. Juli, teilte uns der Minister für Auswärtige Angelegenheiten, J a n Masaryk, zwei für uns und unseren Kampf um die Befreiung des Vaterlandes höchst wichtige Ereignisse mit: die volle und definitiv völkerrechtliche Anerkennung der Tschechoslowakischen Republik, ihres Präsidenten und ihrer Regierung durch Großbritannien und gleichfalls die volle und definitiv völkerrechtliche Anerkennung durch die Sowjetunion, mit der wir zugleich einen analogen Vertrag über die gegenseitige Hilfe und das Bündnis im gegenwärtigen Krieg gegen Hitlerdeutschland unterzeichnet haben, wie ihn Großbritannien mit ihr abgeschlossen h a t . . . Die britische Anerkennung ist politisch, diplomatisch und völkerrechtlich für uns von weitreichender Bedeutung, man kann sagen, in diesem Krieg schon von entscheidender Bedeutung. Von diesem diplomatischen Dokument gibt es kein Zurück mehr. E s bedeutet, daß die frühere Tschechoslowakische Republik, ihr Präsident und ihre Regierung heute den gleichen internationalen Status haben, die gleiche diplomatische und rechtliche Stellung wie jeder beliebige der anderen Verbündeten, wie Norwegen, Holland oder Belgien, denen bestimmte Machtpositionen oder auch Territorien auch nach ihrer Besetzung blieben und die nicht das Stadium München und den 15. März 1939, die Abtrennung der Slowakei und das Protektorat erlebt hatten. Alle diese Stadien unserer nationalen Leiden sind mit der britischen Anerkennung ausgelöscht und defi20 Kl. Gottwald, Spisy, Bd. IX, Prag 1954, S. 48.

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nitiv beseitigt. . ." Über die sowjetische Anerkennung und den Vertrag sagte er, daß dies ebenfalls von diplomatischer und völkerrechtlicher Bedeutung sei. 2 1 Mit dem Abkommen mit Großbritannien war nicht die Anerkennung der juristischen Kontinuität des tschechoslowakischen Staates verbunden. Der britische Außenminister Eden wies Benes ausdrücklich darauf hin, daß seine Regierung in dieser Frage ihre Stellungnahme vom 18. Juli 1940 aufrecht erhielte 22 , in der es hieß, die britische Regierung „ h a t nicht die Absicht, sich dadurch von vornherein zu binden, daß sie die Festlegung irgendwelcher zukünftigen Grenzen in Mitteleuropa anerkennen oder unterstützen wird." 2 3 Auch in dieser Hinsicht war der Vertrag mit der Sowjetunion für die Tschechoslowakei wesentlich günstiger. Für den bürgerlichen Politiker Benes und seine Regierung jedoch war entscheidend, daß Großbritannien die Wiederherstellung eines bürgerlichen tschechoslowakischen Staates befürworten würde, der den progressiven Kräften innerhalb des Landes nur ein Minimum an Zugeständnissen machen würde und der im wesentlichen die Machtpositionen der Bourgeoisie unangefochten ließe. Die Wiedererrichtung des tschechoslowakischen Staates wollten Benes und seine Anhänger nicht in erster Linie durch den aktiven Kampf des Volkes gegen den Faschismus erlangen, sondern vielmehr durch die Vorbereitung eines umfangreichen Apparates auf die Machtübernahme in der Tschechoslowakei nach der Niederlage Hitlers. Das heißt, daß die bürgerliche Widerstandsbewegung sich vor allem auf eine „Befreiung von außen" orientierte. Benes forderte die Bevölkerung der Tschechoslowakei auf, sich ruhig zu verhalten, sich auf die Tätigkeit der Regierung in London zu verlassen und für eigene Aktionen den richtigen Zeitpunkt abzuwarten. Diese Verhaltensmaßregeln entsprachen der Linie des Lagers um den Präsidenten, die Volksmassen möglichst lange von der organisierten Befreiungsbewegung fernzuhalten und damit die Machtpositionen der Bourgeoisie für die Nachkriegszeit nicht zu gefährden. Der „richtige Zeitpunkt" für Aktionen des Volkes war offensichtlich immer von der Situation der Westmächte abhängig. Im September 1939 hatte Benes angesichts der Bedrohung Englands und Frankreichs durch Hitlerdeutschland die tschechoslowakische Bevölkerung zum Widerstand gegen die faschistischen Okkupanten aufgerufen 2 4 . Dagegen forderte er nach dem Abschluß des Vertrages über gegenseitige Hilfe zwischen der Sowjetunion und der Tschechoslowakei, in der für die Sowjetunion äußerst schwierigen Lage im Herbst 1941, nicht die Unterstützung des Kampfes der Sowjetunion, nicht die Verstärkung der Widerstandsbewegung, sondern empfahl Passivität. „Seid vorsichtig, bewahrt Ruhe, laßt euch jetzt nicht provozieren! Uns allen geht es darum, unnötige Opfer zu vermeiden. Aber dabei versprechen wir euch, daß wir hier mit allen unseren Verbündeten alles tun werden, um den Tag des Falls eurer Henker so schnell wie möglich herbeizuführen" 2 5 . In dem Verzicht der bürgerlichen Widerstandsbewegung auf den aktiven Kampf der Massen und in der Beschränkung der Widerstandstätigkeit auf die Regierung und deren Verhandlungen mit den Großmächten bestand der deutlichste und wesentlichste Unterschied zu der Befreiungskonzeption der KPTsch. Die Aufgabe der Kommunisten bestand darin, dennoch eine Spaltung der Widerstandsbewegung nicht zuzulassen, sondern geeignete Mittel und Wege zu suchen, um ein möglichst einheitliches Vorgehen der verschiedenen Gruppen der nationalen Widerstands- und Befreiungsbewegung zu sichern. E. Benes, Sest let exilu a drulie svetove v ä l k y , P r a g 1946, S. 119 f. Vgl. Dopis britskeho ministra zahranienich veci ministru J a n u Masarykovi, in: E b e n d a , S. 451. 2 3 Dopis L o r d a H a l i f a x e Dr. E . Benesovi ze dne 18. cervence 1940, in: E b e n d a , S. 433. 2 4 E b e n d a , S. 60. 25 E b e n d a , S. 125. 21

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Mit der internationalen Anerkennung der tschechoslowakischen Regierung in London, mit der Zugehörigkeit der Tschechoslowakei zur Antihitlerkoalition wuchs die Verantwortung der Regierung im antifaschistischen K a m p f . Die K P T s c h versuchte, der Regierung eine Richtung zu weisen, von der aus sie einen größeren Beitrag für die E n t wicklung des aktiven Befreiungskampfes leisten konnte. Die K o m m u n i s t e n drängten die Regierung zur Realisierung der im sowjetisch-tschechoslowakischen Vertrag v o m J u l i 1941 übernommenen Verpflichtungen. D a s geschah auch während der ersten offiziellen Gespräche zwischen Präsident Benes und Vertretern der K P T s c h unmittelbar nach der Anerkennung der tschechoslowakischen Regierung. D a s Ergebnis dieser Beratungen war u. a. die Zustimmung Benes', Kommunisten in den S t a a t s r a t und in die Rundfunkredaktion der Regierung aufzunehmen. 2 6 Der S t a a t s r a t war ein Beratungs- u n d Kontrollorgan der tschechoslowakischen Regierung in London. E r besaß einen politischen Ausschuß sowie Ausschüsse für Wirtschaftsfragen, F r a g e n der Verteidigung und Strafsachen. Die Kommunisten nutzten die Mitarbeit in diesem Organ, u m die Londoner Regierung zu veranlassen, den antifaschistischen K a m p f in der Tschechoslowakei zu fördern und wirksamer zu unterstützen. Die begonnenen Gespräche zwischen Präsident Benes und Vertretern der K P T s c h boten ein Beispiel für eine mögliche Zusammenarbeit der beiden Hauptströmungen der Widerstandsbewegung im Ausland im K a m p f gegen F a s c h i s m u s und Okkupation, die sich auch auf eine Annäherung der Widerstandsgruppen im L a n d e selbst positiv auswirkten. Die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei konkretisierte, an diese ersten Verhandlungen mit Benes anknüpfend, ihre im Oktober 1938 zum erstenmal formulierte Linie zur Bildung einer nationalen antifaschistischen F r o n t und leistete d a m i t einen wichtigen Beitrag zur Aktivierung des Befreiungskampfes, zur Einbeziehung neuer K r ä f t e , vor allem auch der stärkeren Einbeziehung des Londoner Lagers in den K a m p f . I m Oktober 1941 veröffentlichten d a s Z K der K P T s c h und der Zentrale Ausschuß des tschechoslowakischen nationalen Widerstands, der wenige Wochen zuvor auf Initiative der K P T s c h entstanden war, im L a n d einen gemeinsamen Aufruf, in dem die Notwendigkeit einer nationalen antifaschistischen K a m p f f r o n t , ihre Zusammensetzung u n d ihre konkreten Aufgaben erläutert wurden. 2 7 „Von Stalin bis zu Churchill und Roosevelt im Weltmaßstab, v o m tschechischen Arbeiter bis zum tschechischen F a b r i k a n t e n in unserem L a n d — so müssen wir gemeinsam gegen den F a s c h i s m u s vorgehen, u m unsere Freiheit zu erringen . . . E s muß eine allumfassende, mächtige nationale revolutionäre K a m p f f r o n t gegen den F a s c h i s m u s " geschaffen werden, „ d i e m i t allen K r ä f t e n und mit allen Mitteln für die Freiheit der Völker der Tschechoslowakei k ä m p f t " 2 8 . Alle Bürger der Tschechoslowakei, gleich welcher politischen Partei und welcher sozialen Schicht oder Klasse sie angehörten, die zum K a m p f gegen den deutschen Faschismus entschlossen waren, sollten sich in einer breiten nationalen F r o n t eng zusammenschließen. Schon in diesem Dokument wurde die Konzeption der K P T s c h hinsichtlich der Rolle der Nationalen F r o n t nach dem Krieg sichtbar. E s hieß in d e m Aufr u f : „ E s g e h t . . . nicht nur u m eine konjunkturelle Einheit, nur für diesen Moment. E s geht u m eine dauerhafte Einheit für die Gegenwart und für die Zukunft. Wir müssen kämpfen, u m zu siegen . . . Aber dann müssen wir auch a u f b a u e n , u m unsere Siege zu festigen und zu sichern. Wir müssen nicht nur den K a m p f für die Freiheit organisieren, sondern auch das künftige Leben der befreiten N a t i o n " 2 9 . Der Anteil eines jeden Bür26 2? M 29

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Vgl. B. Lastovicka, V Londyne za välky, Prag 1960, S. 150. Spolecne provoläni „Tvorte vsude närodne revolucni vybory!", a. a. 0 . , S. 226ff. Ebenda, S. 227. Ebenda.

gers der Tschechoslowakei a m Kampf u m die Befreiung des Landes würde über seinen Anteil an der Mitbestimmung i m neuen S t a a t entscheiden. In dem Aufruf wurde deutlich, d a ß m i t der E r k ä m p f u n g der Freiheit erst die eine Hälfte der zu bewältigenden Aufgaben gelöst sein würde u n d daß die Aufgaben der zweiten Hälfte, die des N e u a u f b a u s des S t a a t e s , keinesfalls leichter zu lösen wären. Es durfte keine einfache Fortsetzung der vormünchener Republik geben. Der neue S t a a t sollte auf einer festeren Basis a u f g e b a u t werden u n d den W e r k t ä t i g e n des L a n d e s mehr demokratische Rechte u n d Freiheiten garantieren als der alte bürgerliche S t a a t . Der Aufruf des ZK der KPTsch u n d des Zentralen Ausschusses des tschechoslowakischen nationalen W i d e r s t a n d s im L a n d enthielt die Aufforderung, einen gemeinsamen nationalen revolutionären Ausschuß der Tschechoslowakei als zentrales politisches Organ des antifaschistischen Kampfes, bestehend aus Angehörigen der verschiedenen Widerstandsgruppen, zu bilden. 3 0 Gleichzeitig sollten auf der unteren Ebene, in den S t ä d t e n u n d Gemeinden, in Betrieben, in der V e r w a l t u n g und in der Armee, revolutionäre Nationalausschüsse in den einzelnen Gebieten als führende politische Organe im Kampf um Freiheit u n d U n a b h ä n g i g k e i t a u f g e b a u t werden. Sie sollten die Kampfaktionen in ihren Abschnitten koordinieren, die Verbindung zu den einzelnen Einheiten der Widerstandsbewegung herstellen u n d halten u n d die S o l i d a r i t ä t aller Schichten des Volkes im Kampf organisieren. Es ging d a r u m , den Widerstandskampf in einen a k t i v e n Befreiungskampf zu verwandeln. Die Nationalausschüsse sollten Organe der Nationalen Front sein, d. h. des breiten, alle Klassen einbeziehenden Bündnisses, deren unmittelbares Ziel zunächst nicht in revolutionären Umgestaltungen, sondern in der Befreiung des Landes von der faschistischen Okkupation bestand. Von der A k t i v i t ä t der Arbeiterklasse im Kampf hing es ab, wie umfassend revolutionäre Veränderungen im neuen S t a a t möglich würden. In dem Aufruf wurde die F r a g e aufgeworfen, wer die Nationalausschüsse führen u n d wer ihnen angehören sollte. Das ZK der KPTsch u n d der Zentrale Ausschuß des tschechoslowakischen W i d e r s t a n d s im Lande schlugen vor, die revolutionären Nationalausschüsse so zusammenzusetzen, d a ß die gesamte K a m p f k r a f t des Volkes a m zweckmäßigsten ausgenutzt wurde. Die Besten der Besten m ü ß t e n den Befreiungskampf leiten. „Hier entscheidet weder die soziale, noch die politische oder religiöse Zugehörigkeit, es entscheidet allein die Q u a l i t ä t , allein die entschiedene Fähigkeit, den Kampf für die Freiheit der Nation zu führen. Die Besten der Besten — das und nur das m u ß der entscheidende Maßstab bei der Bildung der revolutionären Nationalausschüsse sein" 3 1 . Diese Formulierungen bedeuteten keineswegs einen Verzicht der Kommunisten auf die führende Rolle im Befreiungskampf. Doch sie w u ß t e n : sie wurde ihnen nicht in den Schoß gelegt, sie konnte nicht durch Dekret erworben werden. Es genügte nicht, wie W . I. Lenin in „ W a s t u n ? " schrieb, „sich , A v a n t g a r d e ' . . . zu nennen — m a n m u ß auch so handeln, d a ß alle übrigen Truppen erkennen und gezwungen sind anzuerkennen, d a ß wir an der Spitze marschieren" 3 2 . U m die Hegemonie der Arbeiterklasse u n d ihres Vort r u p p s m u ß t e täglich von neuem durch a k t i v e s Handeln g e k ä m p f t werden. Sollte die führende Rolle errungen werden, so m u ß t e n sich eben die Kommunisten als die „Besten der Besten" erweisen. Hegemonie bedeutete politische Einwirkung auf andere Klassen u n d Schichten, Festigung des Bündnisses u n d Gewinnung der werktätigen Massen für die a k t i v e Teilnahme M Ebenda, S. 228. 31 Ebenda, S. 226. 32 W. I. Lenin, Was tun? in: Werke, Bd. 5, Berlin 1955, S. 440. 21

a m n a t i o n a l e n W i d e r s t a n d s - u n d B e f r e i u n g s k a m p f . Die s t ä n d i g e n Vorschläge u n d konk r e t e n Hinweise der tschechoslowakischen K o m m u n i s t e n auf die jeweils e f f e k t i v s t e n F o r m e n des K a m p f e s im L a n d e , ihre B e r e i t s c h a f t , jeden positiven S c h r i t t der Regier u n g in L o n d o n zu u n t e r s t ü t z e n u n d im S t a a t s r a t m i t z u a r b e i t e n , bewiesen, d a ß die K P T s c h d u r c h b e s t ä n d i g e A k t i v i t ä t auf den verschiedenen E b e n e n u m die E r h ö h u n g ihres E i n flusses r a n g . U m die Hegemonie in der B e f r e i u n g s b e w e g u n g zu k ä m p f e n , hieß auch, R i c h t u n g u n d Ziel dieses K a m p f e s zu b e s t i m m e n . D a s b e d e u t e t e , d a ß die K o m m u n i s t e n die w e r k t ä tigen Massen v o n d e m Z u s a m m e n h a n g zwischen d e m g e g e n w ä r t i g e n K a m p f u n d der G e s t a l t u n g der Z u k u n f t des Landes sowie v o n der N o t w e n d i g k e i t r e v o l u t i o n ä r e r Verä n d e r u n g e n in einem n e u e n tschechoslowakischen S t a a t n a c h d e m Krieg überzeugen u n d auf diese V e r ä n d e r u n g e n vorbereiten m u ß t e n . Zugleich k a m es d a r a u f an, die Politik der Exilregierung in eine R i c h t u n g zu lenken, die eine bloße E r n e u e r u n g der bürgerlichen v o r m ü n c h e n e r R e p u b l i k ausschloß u n d die die Basis f ü r eine D e m o k r a t i e des Volkes schuf. Leitlinie der A n s t r e n g u n g e n der K P T s c h w a r die Leninsche E r k e n n t n i s , d a ß der G r a d der e r k ä m p f t e n D e m o k r a t i e d a v o n a b h ä n g t , „ob die H e g e m o n i e in den entscheidenden Augenblicken der Bourgeoisie oder i h r e m A n t i p o d e n gehören wird" 3 3 , welcher der beiden H a u p t k r ä f t e u n d wessen P r o g r a m m die B a u e r n u n d die s t ä d t i s c h e n Mittelschichten folgen werden. I n n e r h a l b des g e s a m t e n B e f r e i u n g s k a m p f e s waren die Bildung u n d die Diskussionen ü b e r die Z u s a m m e n s e t z u n g d e r N a t i o n a l a u s s c h ü s s e als Leitungsorgane im W i d e r s t a n d ein solcher e n t s c h e i d e n d e r Augenblick. D a m i t die Nationalausschüsse ihre gewaltigen A u f g a b e n sowohl in der gegenwärtigen E t a p p e des K a m p f e s u m die Freiheit als a u c h in der Z u k u n f t beim A u f b a u eines stabilen, d e m o k r a t i s c h e n S t a a t e s erfüllen k o n n t e n , k a m es darauf an, die progressivsten u n d k o n s e q u e n t e s t e n K r ä f t e des w e r k t ä t i g e n Volkes in die Ausschüsse zu e n t s e n d e n . E s d u r f t e n i c h t zugelassen werden, d a ß in diesen n e u e n O r g a n e n die a l t e n , k o n s e r v a t i v e n , bürgerlichen K r ä f t e e r n e u t die O b e r h a n d gewinnen. Die progressiven, r e v o l u t i o n ä r e n K r ä f t e , die sich auf die Masse des w e r k t ä t i g e n Volkes s t ü t z e n k o n n t e n , m u ß t e n d e n C h a r a k t e r der N a t i o nalausschüsse b e s t i m m e n . Mit d e m G e m e i n s a m e n Aufruf u n d d e m E c h o , d a s er in d e r Tschechoslowakei f a n d , u n d m i t der Bildung des Zentralen N a t i o n a l e n R e v o l u t i o n ä r e n Ausschusses zur L e i t u n g des B e f r e i u n g s k a m p f e s im L a n d e schon im H e r b s t 1941 w a r ein wesentlicher S c h r i t t zur A k t i v i e r u n g der W i d e r s t a n d s b e w e g u n g , besonders z u m Z u s a m m e n s c h l u ß der einzelnen G r u p p e n u n d zur F o r m i e r u n g d e r N a t i o n a l e n F r o n t g e t a n w o r d e n . Die z u n e h m e n d e n W i d e r s t a n d s a k t i o n e n in d e n b e s e t z t e n tschechischen Gebieten bea n t w o r t e t e n die faschistischen O k k u p a n t e n m i t b l u t i g e m T e r r o r , H i n r i c h t u n g e n u n d V e r h a f t u n g e n . Die O k k u p a n t e n verfolgten u n d liquidierten Angehörige des bürgerlichen W i d e r s t a n d s ebenso wie K o m m u n i s t e n . Sie „wählen ihre O p f e r aus allen gesellschaftlichen S c h i c h t e n des tschechischen Volkes, a u s allen ehemaligen politischen S t r ö m u n gen" 3 4 . N a c h d e m A t t e n t a t auf den v e r h a ß t e n R e i c h s p r o t e k t o r R. H e y d r i c h im Mai 1942 zeigte der Gegner sein b r u t a l s t e s Gesicht. Der Terror n a h m bis d a h i n u n b e k a n n t e A u s m a ß e an. Die Dörfer Lidice bei K l a d n o u n d L e z ä k y in O s t b ö h m e n w u r d e n d e m E r d boden gleich g e m a c h t , die B e w o h n e r e r m o r d e t oder v e r s c h l e p p t . I n d e n G r o ß s t ä d t e n wurden größere G r u p p e n der bürgerlichen W i d e r s t a n d s b e w e g u n g liquidiert, die Mitglieder des II. illegalen Z K der K P T s c h v e r h a f t e t , die M e h r z a h l v o n ihnen e r m o r d e t . Auch die illegalen G r u n d o r g a n i s a t i o n e n der K P T s c h erlitten s c h w e r e V e r l u s t e . 33 34

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Ders., Über alte, doch ewig neue Wahrheiten, in: Werke, Bd. 17, Berlin 1962, S. 200. Kl. Gottwald, Boj s nacisty na zivot a na smrt, in: Kl. Gottwald, Spisy, Bd. IX, S. 106.

Die zweite H ä l f t e des J a h r e s 1942 war die schwerste Zeit in der Periode das nationalen Befreiungskampfes. In großen Teilen der tschechischen Bevölkerung herrschten Pessimismus und Niedergeschlagenheit: der beispiellose Terror im sog. P r o t e k t o r a t , die schwierige Situation, in der sich die Sowjetunion nach dem Überfall der deutschen faschistischen Truppen befand, sowie die T a t s a c h e , daß die W e s t m ä c h t e die zweite F r o n t noch nicht eröffnet h a t t e n , ließen den Glauben an einen baldigen Sieg über den F a s c h i s m u s und eine naheliegende Befreiung des Landes rasch sinken. Den Resten der bürgerlichen Widerstandsgruppen

im Lande

gelang

es nicht

mehr, sich von den Schlägen

der

„ H c y d r i c h i a d e " zu erholen. Die Kommunisten gaben als einzige K r a f t im L a n d e den K a m p f nicht auf. In dieser schweren Sie vermochten

die

Zeit bauten sie ein neues illegales Netz auf.

Moral und die Kampfbereitschaft ihrer Mitglieder aufrechtzuer-

halten. Bereits im S o m m e r 1942 h a t t e sich ein neues, das I I I . illegale Zentralkomitee der K P T s c h konstituiert, das sich um die Herausgabe von illegalen Presseerzeugnissen (im August erschien z. B . nach nur zweimonatiger Unterbrechung das R ü d e prävo wieder) und den Wiederaufbau der Parteiorganisationen bemühte. Der Sieg der Roten Armee bei Stalingrad leitete die Wende im Verlauf des zweiten Weltkrieges ein. Die deutsche Armee h a t t e bei den S c h l a c h t e n zwischen Wolga und Don ihr Prestige als „unschlagbare" Armee verloren, das Ansehen der S o w j e t a r m e e , des Sowj e t s t a a t e s wuchs in der ganzen W e l t . Die Widerstandsbewegung in den besetzten L ä n dern E u r o p a s erlebte einen Aufschwung. Mit den Siegen der S o w j e t a r m e e rückten die Möglichkeiten für die Befreiung und für einen wirksamen K a m p f der Befreiungsbewegungen in den einzelnen Ländern an der Seite der U d S S R näher. Mit dem Ansehen der Sowjetunion wuchs das Ansehen der K o m m u n i s t e n , die stets für ein enges Bündnis m i t dem ersten sozialistischen S t a a t g e k ä m p f t h a t t e n . Die Kommunistische

Internationale

half den kommunistischen Parteien, sich auf die neuen Aufgaben in der veränderten internationalen Situation vorzubereiten. E n d e 1942 widmete das E x e k u t i v k o m i t e e der K I der T ä t i g k e i t der französischen und der italienischen Partei besondere Aufmerksamkeit. 3 5 U n t e r der Mitwirkung K l e m e n t Gottwalds und J a n S v e r m a s h a t t e das E x e k u t i v komitee der K I am 5. J a n u a r 1943 Vorschläge „ Ü b e r die politische Linie und die n ä c h sten Aufgaben der Kommunistischen P a r t e i der Tschechoslowakei" erarbeitet. 3 6 Schwerp u n k t dieser Vorschläge war die Erweiterung und Verstärkung des Befreiungskampfes im Lande. Die Genossen des E K K I und der Moskauer Auslandsleitung der K P T s c h gingen davon aus, daß in der Tschechoslowakei günstige Voraussetzungen für einen noch •wirksameren K a m p f gegen die faschistischen Okkupanten existierten, da sich die Mehrheit der tschechischen Bevölkerung niemals m i t der Vernichtung des tschechoslowakischen S t a a t e s abgefunden, da die tschechische Bevölkerung seit der Unterzeichnung des Münchener A b k o m m e n s W i d e r s t a n d geleistet h a t t e . Doch es waren zum großen Teil Einzelaktionen geblieben, die einzelnen Widerstandsgruppen arbeiteten — vor allem n a c h der Liquidierung des Zentralen revolutionären Nationalausschusses 1942 — isoliert voneinander.

E s k a m nun

darauf

an, „die bisher zersplitterten

K r ä f t e der

nationalen

F r o n t zusammenzufassen und aus ihnen einen festen K a m p f b l o c k gegen die deutschen O k k u p a n t e n und die tschechischen Verräter zu schaffen" 3 7 . Ausgehend von der Analyse der Situation in der Tschechoslowakei, schätzten die K o m munisten ein, daß in den tschechischen Gebieten noch große Teile der Bevölkerung an eine Befreiung des Landes von außen glaubten, d . h . , daß die bürgerliche

Konzeption

Vgl. Die Kommunistische Internationale, a. a. 0 . , S. 613. 36 Ebenda, S. 619f.; Wortlaut der Vorschläge siehe Dok. 1, S. 161 ff. 37 Dok. 1, S. 162. 35

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hinsichtlich des Abwartens noch relativ weit verbreitet war. Gerade hierin läge die wesentlichste Ursache für den Zeitverlust der tschechischen nationalen Befreiungsbewegung. Das Abwarten auf den Sieg verhinderte die Einbeziehung aller Kräfte in den aktiven Befreiungskampf. In der Slowakei waren — nach den Untersuchungen der Kommunisten — opportunistische Strömungen in einigen Schichten der Bevölkerung ein ernsthaftes Hindernis zur vollen Entfaltung des Kampfes für die Befreiung. Meinungen wie: Hitlerdeutschland würde auf jeden Fall geschlagen und die Slowakei würde dann befreit werden, auch ohne selbst den Kampf führen zu müssen, oder: nur durch ein Zurückweichen vor den Forderungen der deutschen Faschisten könnte eine weitere Versklavung der Slowakei durch Hitlerdeutschland oder seine Auslieferung an Horthy-Ungarn verhindert werden, mußten im täglichen Kampf überwunden werden, um eine breite nationale Befreiungsfront des slowakischen Volkes herstellen zu können. Für die Auseinandersetzung mit den Faschisten hatten die Genossen der KPTschFührung in Moskau gemeinsam mit Genossen der KI konkrete Losungen und Kampfaufgaben ausgearbeitet, die der jeweiligen Situation in den einzelnen Landesteilen entsprachen. In Böhmen und Mähren mußte der Kampf unter der Losung der Beendigung des Krieges an der Seite Hitlerdeutschlands geführt werden. Einerseits war diese Losung bereits mit dem Abschluß des tschechoslowakisch-sowjetischen Vertrages von 1941, mit der Aufnahme der Tschechoslowakei in die Antihitlerkoalition erfüllt worden. Andererseits war die Tschechoslowakei auch im Jahre 1943 noch ein relativ zuverlässiges Hinterland für Hitlerdeutschland, so daß trotz nicht abreißender, aber doch zu sehr vereinzelter Sabotageakte die Versorgung der Faschisten durch die tschechische Bevölkerung bisher nicht ernsthaft gefährdet war. 38 . Es galt also, aus dem Hinterland ein Gebiet des aktiven Kampfes gegen Hitlerdeutschland zu machen. Es war notwendig, „den ganzen Haß des tschechischen und slowakischen Volkes gegen die fremden Eindringlinge und ihre verräterischen Helfer in aktiven Kampf gegen sie umzuwandeln" 39 . Dazu gehörte die allseitige Sabotage, vor allem in der Rüstungsproduktion, langsames Arbeiten und Arbeitsverweigerungen in Rüstungsbetrieben. Die Eisenbahner wurden aufgerufen, deutsche Kriegstransporte zu verhindern, die Bauern konnten dadurch, daß sie ihre Ablieferungen verringerten oder nicht termingemäß brachten, zur Desorganisation der Versorgung der deutschen Truppen beitragen: ,,. . . alle Mittel sind gut, die der deutschen Kriegsproduktion und besonders der Rüstungsproduktion den Todesstoß versetzen können" 40 . Für die sudetendeutschen Gebiete galt die Losung „Sturz der Hitlerregierung". Die Massen der Sudetendeutschen waren vom Hitlerregime und vom Krieg enttäuscht. Die Enttäuschung und den Unmut dieser Menschen in Bereitschaft zum aktiven Kampf gegen das faschistische Regime umzuwandeln, wäre ein positiver Beitrag zur Stärkung sowohl der tschechoslowakischen als auch der internationalen antifasch'stischen Front. Das slowakische Volk mußte in erster Linie den Krieg gegen die Sowjetunion beenden, das heißt, Massenaktionen wie den Ubergang ganzer Abteilungen der slowakischen Armee zur Roten Armee, die Verzögerung des Transports neuer Formationen an die Front, Diversions- und Sabotageakte großen Umfangs und die Mobilisierung des Volkes zum bewaffneten Kampf im ganzen Land organisieren. Die Bildung von bewaffneten Gruppen in den Städten und von Partisaneneinheiten auf dem Lande waren für diese Phase des Befreiungskampfes sowohl für den Sieg über die Okkupanten als auch für den bewaff38 Vgl. ebenda, S. 161 ff. 39 Ebenda, S. 164. gierung in einer Zeit, da die R o t e Armee ihre Offensive fortsetzte und die Befreiungsbewegung in der Tschechoslowakei bisher unbekannte Ausmaße annahm, zu drängen, den tschechoslowakisch-sowjetischen Vertrag von 1941 in Wort und B u c h s t a b e n gewissenhaft zu erfüllen, sich in der T a t außenpolitisch stärker auf die Sowjetunion, auf das L a n d , das immer bereit war, die Interessen des tschechoslowakischen Volkes zu verteidigen, zu orientieren. Die Regierung in London mußte gezwungen werden, einige ihrer Vorstellungen über den A u f b a u des S t a a t e s nach der Befreiung über Bord zu werfen, z. B . die Vorstellung, den vormünchener S t a a t im wesentlichen erneuern zu können. 44 46 46

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Zit. nach: Närodni fronta a komuniste 1938-1945, Prag/Belgrad/Warschau 1968, S. 68. Ebenda. Sbornik dokumentü k dejinäm CSR a KSC vletech 1938—1945, II, Prag: Vysokä skola politickä UV KSC 1971, S. 18.

In dem Maße, wie es der KPTsch gelang, ihren Einfluß auf die Führung des nationalen Befreiungskampfes in der Tschechoslowakei zu verstärken und ihn in Ubereinstimmung mit dem Kampf der Sowjetunion und der Antihitlerkoalition zu bringen, mußte ihr Anteil an der Mitentscheidung über das weitere Schicksal des Staates und des Volkes zunehmen. Die tschechischen und slowakischen Kommunisten in London erhielten den Auftrag, sowohl im tschechoslowakischen Staatsrat als auch in Rundfunk und Presse aktiver zu werden, stärker hervorzutreten. Es galt u. a., kleinere in London existierende demokratische und antifaschistische Gruppen, wie etwa die den Sozialdemokraten nahestehende Gruppe „Nova svoboda" (Neue Freiheit), in die große Nationale Front einzugliedern. Eine wichtige Aufgabe bestand in der Unterstützung und Verteidigung des Präsidenten Benes gegen alle Angriffe bürgerlich-reaktionärer Kräfte innerhalb des Londoner Lagers. Andererseits forderten die Kommunisten von Benes einen konsequenten Kampf gegen profaschistische und antisowjetische Tendenzen in der Londoner Exilregierung und in den tschechoslowakischen militärischen Formationen in Großbritannien. Wollten Präsident Benes und seine Regierung in London nicht schon vor der Befreiung des Landes ihre Machtpositionen verlieren, so mußten sie stärker als bisher die Realitäten in ihre Planungen einbeziehen. Nach der Verkündung des Programms des Bundes polnischer Patrioten in der Sowjetunion im Mai 1943 und der Gründung des Nationalkomitees „Freies Deutschland" im Juli 1943 ebenfalls auf dem Territorium der U d S S R wuchsen die Befürchtungen einiger Mitglieder der tschechoslowakischen Regierung in London, namentlich E. Benes', J . Masaryks und H. Ripkas, daß etwa auch ein tschechoslowakisches Komitee entstehen könnte. 47 Der Bund polnischer Patrioten hatte, wie die tschechischen bürgerlichen Politiker voller Unruhe feststellen mußten, ein den Zielen der polnischen antisowjetischen Exilregierung diametral entgegengesetztes Programm verkündet. Die Bildung eines ähnlichen tschechoslowakischen Komitees hätte die Ausschaltung der bürgerlichen Regierung von der Mitbestimmung im Nachkriegsstaat, hätte den völligen Verlust ihrer Macht bedeuten können. In dieser Situation, da sich auf sowjetischem Territorium demokratische Kräfte verschiedener Länder formierten, da offensichtlich wurde, daß die Sowjetunion einen entscheidenden Anteil am Ausgang des zweiten Weltkrieges haben würde, da tschechoslowakische Militäreinheiten, gebildet und ausgebildet in der UdSSR, an der Seite der Roten Armee kämpften und siegten, und da die Kampfbereitschaft in der Tschechoslowakei selbst wuchs, unterbreitete Benes im August 1943 der Regierung der UdSSR einen Entwurf für einen bilateralen Vertrag über Freundschaft, gegenseitige Hilfe und Zusammenarbeit in der Nachkriegszeit zwischen der UdSSR und der Tschechoslowakei. Der Vertrag, der am 12. Dezember 1943 unterzeichnet wurde 48 , festigte und erweiterte auch die Basis für die Zusammenarbeit zwischen der bürgerlichen tschechoslowakischen Exilregierung in London und ihrer Widerstandsbewegung einerseits und der KPTsch und ihren Organisationen im In- und Ausland andererseits. Mit diesem Vertrag und weiteren Schritten konnte eine Spaltung der Kräfte der Widerstandsbewegung der Tschechoslowakei verhindert werden. Benes' Initiative zum Abschluß dieses Freundschaftsvertrages mit der Sowjetunion zeugte von seinem Realismus bei der Einschätzung der Situation. Die Festigung des Bündnisses mit der Sowjetunion durch den Vertrag stärkte seine und seiner 47 48

Vgl. B. Lastovicka, V Londyne za välky, a. a. 0., S. 280. Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand in der Nachkriegszeit zwischen der UdSSR und der Tschechoslowakischen Republik, in: Freundschaft, Zusammenarbeit, Beistand. Grundsatzverträge zwischen den sozialistischen Staaten, Berlin 1968, S. 47 ff.

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Regierung Autorität in der Tschechoslowakei, stärkte die nationale Befreiungsbewegung und schuf Garantien für den Aufbau und die Sicherheit des tschechoslowakischen Staates nach dem Krieg. Diese letztgenannte Seite des Vertrages unterstrich Kl. Gottwald, als er sagte: „Der tschechoslowakisch-sowjetische Vertrag über Freundschaft, gegenseitige Hilfe und Zusammenarbeit nach dem Krieg . . . garantiert unserer Republik Freiheit, Unabhängigkeit, Integrität und Sicherheit. Nach der Niederlage Hitlerdeutschlands und seiner Vasallen, nach der Vertreibung der deutschen und ungarischen Okkupanten aus unserem Land wird die Tschechoslowakische Republik als freier und unabhängiger S t a a t wiedererrichtet, der sich auf die Freundschaft und das Bündnis mit der mächtigen Sowjetunion stützt, die unser direkter Nachbar sein wird. Freundschaft, Bündnis und enge Zusammenarbeit mit der Sowjetunion garantiert unserer Republik die volle Sicherheit von außen gegen alle möglichen Versuche des deutschen „Drang nach Osten" und der ungarischen „Heiligen Stefans"-Expansionsbestrebungen. Die slawischen Völker unserer Republik, die Tschechen, Slowaken und Karpatoukrainer. . . können zum erstenmal in ihrer Geschichte sagen, daß ihre nationale Freiheit und staatliche Unabhängigkeit fest gesichert sind" 4 9 . Der Vertrag war aber auch in einer weiteren Hinsicht für die Kommunisten und alle anderen progressiven Kräfte des Landes äußerst bedeutsam. Das deutete Kl. Gottwald in einem Artikel in der in Moskau herausgegebenen Zeitschrift „Ceskoslovenske listy" von Ende Dezember 1943 a n : „Dieser Vertrag entledigt unsere Völker der drückendsten Last, die sie seit Jahrhunderten trugen: der Furcht um die Existenz. Der Vertrag gibt uns ein festes Fundament, aber das Gebäude, in dem wir und die, die nach uns kommen, wohnen werden, müssen wir selbst bauen. Von uns hängt es ab, wie dieses Gebäude sein wird" 5 0 . Der Anteil der einzelnen Klassen und Schichten am gegenwärtigen Kampf gegen die Okkupanten, für die Befreiung des Landes würde bestimmen, wer der Bauherr oder die Bauherren des zukünftigen Gebäudes wären. Über die Zukunft der Republik wurde während des Krieges, im konsequenten Kampf auch gegen die Feinde im eigenen Lande, gegen die Verteidiger der Macht der Großbourgeoisie, im Kampf für umfangreiche demokratische Rechte der Arbeiterklasse und aller anderen Werktätigen entschieden. Die KPTsch ließ nicht nach, den engen Zusammenhang zwischen dem gegenwärtigen Kampf und der Gestaltung des neuen Staates nach dem Kriege zu erläutern. Im Kampf u m die Befreiung des Landes führten die Arbeiter und ihre Verbündeten zugleich den Kampf um die Mitbestimmung, um demokratische Rechte und Freiheiten, die eine gute Basis für eine spätere Weiterführung des Kampfes bis zum endgültigen Sieg der Arbeiterklasse bildeten. Der Freundschafts- und Beistandsvertrag zwischen der Tschechoslowakei und der U d S S R wurde zu einem Modell für die Gestaltung der Beziehungen zwischen Staaten mit unterschiedlicher Gesellschaftsordnung in der Nachkriegszeit. Beide Seiten verpflichteten sich zu umfangreicher gegenseitiger Hilfe sowohl während des Krieges als auch nach dem Krieg zur Entwicklung enger wirtschaftlicher Beziehungen sowie zur militärischen und sonstigen Hilfe im Falle einer erneuten deutschen Aggression. Die Gültigkeit des Vertrages war nicht mehr — wie der Vertrag von 1935 — an die Zustimmung eines dritten Partners gebunden. Präsident Benes erkannte, daß die Tschechoslowakei von der Sowjetunion befreit werden würde und nicht, wie er immer gehofft und auf dieser Grundlage seine Pläne für «

Kl. Gottwald, N a s t a l a chvile o z b r o j e n e h o v y s t o u p e n i , i n : Kl. Gottwald, S p i s y , B d . X I , P r a g 1955, S. 303. 50 Zit. n a c h : Kl. Gottwald, S p i s y , B d . X I , S. 277.

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die Nachkriegszeit geschmiedet hatte, von den U S A u n d Großbritannien. E r wußte, daß diese T a t s a c h e und das durch den neuen Vertrag gefestigte Bündnis mit der Sowjetunion auch die innere Entwicklung im befreiten L a n d wesentlich beeinflussen, eine feste S t ü t z e für die ohnehin gestärkten Positionen der Kommunistischen Partei sein würden. E s war noch nicht die Zeit angebrochen, d a die Kommunisten allein die Macht übernehmen konnten. Doch die Zeit, d a die Bourgeoisie allein die Macht ausübte* war schon vorbei. Die u m Benes und seine Regierung konzentrierten demokratischen K r ä f t e der Bourgeoisie besaßen noch Einfluß auf die kleinbürgerlichen Schichten. Die K o m m u nistische Partei als Partei der Arbeiterklasse h a t t e im Verlauf des Widerstands- und Befreiungskampfes ihren Einfluß auf breite Kreise der werktätigen Bevölkerung, auch auf die Intelligenz, ausdehnen können. Die beiden gesellschaftlichen H a u p t k r ä f t e waren auf eine Zusammenarbeit angewiesen. Die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei war zu einer ehrlichen und aufrichtigen Zusammenarbeit mit den bürgerlichen demokratischen K r ä f t e n bei der Befreiung und beim Aufbaiu des neuen S t a a t e s bereit. Die B a s i s hierfür bildete die nationale antifaschistische F r o n t ; d a s Ziel waren revolutionäre demokratische Umgestaltungen, die f ü r die E x i s t e n z u n d Sicherheit des S t a a tes in der Zukunft eine feste Grundlage schaffen sollten. Die Bourgeoisie, vertreten vor allem durch die Londoner Auslandsregierung, mußte im Interesse der Wahrung ihrer Machtpositionen und der Erhaltung ihres Einflusses einer Zusammenarbeit zustimmen. Von ihrer Ehrlichkeit und ihrer Bereitschaft, den Forderungen vor allem der Arbeiterklasse Rechnung zu tragen, würde die Stellung des demokratischen Teils der Bourgeoisie im neuen S t a a t abhängen. Die Auslandsleitung der K P T s c h nutzte den Aufenthalt des Präsidenten B e n e s in Moskau anläßlich des Abschlusses des Freundschaftsvertrages, u m mit ihm Gespräche über die Fortsetzung des Widerstandskampfes bis zur Befreiung der Tschechoslowakei und über den A u f b a u des neuen Lebens in der befreiten Republik zu führen. I m Verlauf der Verhandlungen wurde die Wandlung des Kräfteverhältnisses zwischen den beiden Zentren der tschechoslowakischen Emigration, die im wesentlichen die zwei H a u p t klassen der bürgerlichen Gesellschaft repräsentierten, sehr deutlich. Benes war auf weitreichende programmatische Verhandlungen nicht vorbereitet. D a f ü r legten ihm die Vertreter der K P T s c h umfassende Vorschläge für eine Verstärkung des tschechoslowakischen Widerstands im In- u n d Ausland sowie für erste Maßnahmen im befreiten L a n d und für die Bildung neuer Organe der Macht und der öffentlichen Verwaltung vor. Benes konnte einzelne Einwände erheben, mußte aber insgesamt die P l a t t f o r m der K o m m u nisten akzeptieren. 5 1 Die K P T s c h - F ü h r u n g in Moskau kritisierte die Tätigkeit der Regierung in L o n d o n : Die tschechoslowakische Regierung sei als Regierung eines kämpfenden Landes dazu berufen, Initiator und Organisator der K a m p f b e r e i t s c h a f t des Volkes zu sein. Dieser Pflicht sei die Regierung jedoch bisher nur ungenügend nachgekommen. Die Regierung sollte sich auf ihre H a u p t a u f g a b e , den aktiven K a m p f gegen die Okkupanten mit allen Mitteln zu führen und zu organisieren, besinnen und die entsprechenden Schritte tun, u m die Notwendigkeit des bewaffneten K a m p f e s , die Bildung von bewaffneten Einheiten und Partisanenabteilungen sowie die Notwendigkeit einer einheitlichen Organisation u n d F ü h r u n g des gesamten nationalen K a m p f e s durch die Nationalausschüsse offiziell zu betonen. Während die K o m m u n i s t e n immer die Bedeutung der Nationalausschüsse auch f ü r die Zeit nach dem Krieg, für die Zeit des Wiederaufbaus betont hatten, betrachtete Benes diese Organe des Volkes bisher als eine nur vorübergehende 51

Über den Verlauf der Gespräche vgl.: Dopis ¿eskoslovenskym komunistickym pracovniküm v Anglii, in: Kl. Gottivald, Spisy, Bd. X I , S. 259ff.

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Erscheinung. Bei den Verhandlungen im Dezember 1943 mußte er ihre weitere Existenz im neuen S t a a t akzeptieren, lediglich die äußerst wichtige Frage ihrer Kompetenz blieb noch offen. Schwierig waren die Verhandlungen über das künftige System der politischen Parteien und die Fragen, die mit der Zusammensetzung der Regierung zusammenhingen. In bezug auf das Parteiensystem schlug Benes die Bildung von drei politischen Parteien vor: eine Linke, ein Zentrum und eine Rechte, wobei die Linke die führende Kraft in der Regierung sein sollte. Diese Linke sollte nach Benes' Vorstellungen durch die Vereinigung von Kommunisten, Sozialdemokraten und Nationalen Sozialisten entstehen, d. h. durch den Zusammenschluß zweier Arbeiterparteien und einer bürgerlichen Partei, der Parteien, die in ihren Benennungen oder ihren Programmen den Begriff Sozialismus enthielten. 52 Die Moskauer KPTsch-Führung lehnte den organisatorischen Zusammenschluß prinzipiell ab. Eine Verschmelzung der Kommunisten mit den beiden anderen Parteien zu jenem Zeitpunkt hätte, wie Lenin lehrte, „die Kraft der demokratischen Bewegung . . ., den politischen Kampf . . . (geschwächt), würde ihn weniger entschlossen, weniger konsequent gestalten und mehr R a u m für Kompromisse geben." 5 3 Aber eben das wollte der Präsident erreichen. Benes und seine Anhänger verbanden mit dem Vorschlag zur Bildung einer vereinigten linken Partei die Hoffnung, die führende Position der Kommunisten durch die Vereinigung mit den nichtmarxistischen Parteien auf diesem Wege liquidieren zu können. Die KPTsch-Führung nutzte jedoch den Vorschlag des Präsidenten dahingehend, die zielstrebige Zusammenarbeit der drei Parteien voranzutreiben. Sie schlug die Schaffung eines Blocks der genannten Parteien vor, der den Kern der nationalen Front und der künftigen Regierung bilden sollte. Faktisch war zum 1. Mai 1943 der erste Schritt zur engeren Zusammenarbeit dieser Parteien getan worden. In einem Manifest führender Repräsentanten der sozialistischen Parteien und der KPTsch in Großbritannien und in der Sowjetunion an die Arbeiterschaft in der Heimat zum 1. Mai 1943 54 riefen die Funktionäre der drei Parteien zur Verstärkung des Kampfes in der Tschechoslowakei, zur Bildung weiterer revolutionärer Nationalausschüsse und bewaffneter Gruppen auf. „Denkt daran, daß es ohne diesen tapferen, organisierten und verstärkten Kampf . . . keine Freiheit geben wird" 5 5 . Funktionäre der Nationalen Sozialistischen Partei, die unter Benes' Einfluß stand, unterstützten in diesem gemeinsamen Aufruf nicht mehr die Abwarte-Taktik des Präsidenten, sondern die Taktik des aktiven Kampfes. Mit diesem Schritt zur Bildung des Blocks der drei Parteien wurden die Kraft und der Einfluß einer geschlossenen nationalen antifaschistischen Front vergrößert. Die Erhaltung der Selbständigkeit der Kommunistischen Partei bedeutete eine Stärkung des Blocks sowohl hinsichtlich der Fortsetzung des nationalen Befreiungskampfes als auch hinsichtlich der Vorbereitung revolutionärer Umgestaltungen im befreiten tschechoslowakischen Staat. Während der Gespräche in Moskau hatte der Präsident die Aufnahme von Mitgliedern der KPTsch in die Londoner Regierung vorgeschlagen. Das wäre in Benes' Augen ebenfalls ein Weg gewesen, die von den Kommunisten errungene Stellung im nationalen Befreiungskampf bedeutungslos zu machen. Gottwald lehnte die Beteiligung an der derzeitigen Regierung ab. „Wir hatten überhaupt keinen Einfluß auf die Zusammensetzung dieser Regierung und das bedeutet, daß wir alles das, was die heutige Regierung getan 52

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E b e n d a , S. 2 6 9 ; Vgl. auch B. Lastovicka, V Londyne za välky, a. a. 0 . , S. 326. W. I. Lenin, Die A u f g a b e n der russischen Sozialdemokraten, in: Werke, Bd. 2, Berlin 1961, S. 339. Vgl. Manifest ceskych predäkü soc. stran a strany komunisticke ve Vel. Britänii a Sovet. S v a z u k delnictvu doma k 1. m a j i 1943, i n : R ü d e prävo 1 9 3 9 - 1 9 4 5 , S. 401. Ebenda.

hat und tut, akzeptieren müßten. Und das ist schwer für uns. Wir müßten beginnen, eine Reihe von Dingen abzulehnen" 56 . Die KPTsch unterstützte alle positiven Schritte und Maßnahmen der tschechoslowakischen Regierung in London und kritisierte alle inkonsequenten Schritte bzw. Versäumnisse in der Tätigkeit der Regierung. Allein an der Tatsache jedoch, daß Benes eine Beteiligung der KPTsch an der Exilregierung in London vorschlug, war die Veränderung des Kräfteverhältnisses abzulesen. Der Einfluß der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei konnte auch von Benes und seiner Regierung nicht mehr übersehen werden. In diesem Organ, in dem Benes größtenteils Menschen zusammengeführt hatte, die seinen Plänen und Konzeptionen treu ergeben waren, hätten jedoch einige zusätzlich aufgenommene kommunistische Minister nichts ausrichten, nichts verändern können. Die KPTsch war bereit, sich an einer auf der Basis eines neuen gemeinsamen Regierungsprogramms gebildeten Regierung zu beteiligen 57 . Sie schlug vor, nicht die Londoner, sondern eine solche neue, dem wahren Kräfteverhältnis innerhalb der Nationalen Front entsprechende Regierung in die Tschechoslowakei zurückkehren zu lassen. Die Vertreter der KPTsch beschränkten sich bei den Gesprächen in Moskau nicht auf politische Forderungen. Auf sozialökonomischem Gebiet verlangten sie von der Regierung die Annullierung aller Eigentumsveränderungen seit dem Münchener Abkommen und vor allem die entschädigungslose Konfiszierung allen Eigentums der Okkupanten, Kollaborateure und Verräter 58 . Größere Betriebe, besonders Aktiengesellschaften, sollten bis zur endgültigen Entscheidung über den künftigen Besitzer in öffentliche nationale Verwaltung übergeben werden. Unter den werktätigen Bauern sollte das Land der Verräter und Feinde des Volkes aufgeteilt werden. Es handelte sich also um antifaschistische, gleichzeitig aber auch schon antiimperialistische, gegen die eigene, verräterische Großbourgeoisie gerichtete Forderungen, die für die Stellung der Arbeiterklasse und ihrer Verbündeten nach der Befreiung des Landes von großer politischer Bedeutung waren. Mit der in nächste Nähe gerückten Befreiung der Tschechoslowakei traten die angesichts der Gefahr für die Nation zeitweise etwas in den Hintergrund gedrängten Klassengegensätze zwischen der Arbeiterklasse und der Bourgeoisie wieder stärker in den Vordergrund. Die Bourgeoisie wollte sowenig Zugeständnisse wie möglich an die Arbeiterklasse und die anderen Werktätigen machen, sowenig wie möglich von ihren Machtpositionen preisgeben. Die KPTsch hingegen als konsequenteste Vertreterin der Interessen der Arbeiterklasse kämpfte von Anfang an für die Einschränkung der Macht der Bourgeoisie insgesamt und für die völlige Ausschaltung der Monopolbourgeoisie von der Macht. Das Volk „wird die Rückkehr der früheren politischen Verhältnisse, wenn auch in maskierter Form, nicht d u l d e n , . . . vor allem wird es nicht dulden, daß an die führende Position, an das Staatsruder jene sozialen Schichten und deren politische Vertreter gelangen, die in der gegenwärtigen nationalen Krise so schändlich versagt und Verrat geübt haben" 59 . Die Zeit der unmittelbaren Klassenauseinandersetzung um die Entscheidung der Frage „wer wen?" war noch nicht gekommen. Gottwald schrieb: „Der Prozeß der politischen Umgruppierung ist bisher noch keinesfalls beendet. Nichtsdestoweniger kann man jedoch mit großer Sicherheit seine Haupttendenzen abschätzen und daraus notwendige Schlußfolgerungen ziehen." 60 Eine dieser Schlußfolgerungen bestünde darin, daß das Volk eine Rückkehr des Finanz-, Industrie- und Agrarkapitals in die alten 56 37 58 59

Zit. nach: J. Malejkci, Gottwuld, Prag 1971, S. 205. Vgl. Kl. Gotlwald, Spisy, Bd. X I , S. 269. Vgl. ebenda, S. 270. KL. Gottevald, 0 nekterych otäzkdch vedeni naseho närodniho boje, in: Ebenda, S. 293.

ßo Ebenda, S. 295 f.

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Machtpositionen aus der Zeit vor d e m Münchener A b k o m m e n nicht zulassen würde. „ E s ist klar, daß, sozial gesehen, Träger der Regierungsmacht in der befreiten Republik nur der Block der Arbeiter, Bauern, Gewerbetreibenden und der Intelligenz, kurz der Block des werktätigen Volkes in S t a d t und L a n d sein k a n n " 6 1 . Die Übereinkommen, die zwischen der K P T s c h u n d Präsident Benes während der Gespräche im Dezember 1943 in Moskau erzielt worden waren, schufen äußerst günstige Voraussetzungen sowohl für die Fortsetzung und Aktivierung des Befreiungskampfes in der Tschechoslowakei als auch für die kommenden Verhandlungen über den A u f b a u des S t a a t e s nach Beendigung des Krieges, über das Regierungsprogramm und die konkrete Zusammensetzung der neuen Regierung der Nationalen Front. Den tschechoslowakischen bürgerlichen Politikern in London mußte spätestens nach den Gesprächen in Moskau klar werden, daß sich d a s Verhältnis zwischen den beiden Zentren des Widerstandes im Ausland endgültig gewandelt hat. Die Initiative war deutlich an die Auslandsleitung der K P T s c h und die mit ihr verbundenen K r ä f t e übergegangen. Als Benes nach London zurückkehrte, nahm er einen Brief Gottwalds an die tschechoslowakischen Kommunisten in E n g l a n d mit, in dem die K P T s c h - F ü h r u n g offen über den Verlauf der Verhandlungen, übereinstimmende Meinungen und offene F r a g e n bzw. unterschiedliche Auffassungen informierte 6 2 . Dieser Bericht half den Kommunisten in England, die bereits erzielten Übereinstimmungen gegen alle Anfechtungen von rechts zu verteidigen und in den noch offenen F r a g e n die Auffassungen der K P T s c h und der hinter ihr stehenden Massen zu propagieren und wiederum die Regierung vorwärtszutreiben. Seit dem Sommer 1943 hatten führende Funktionäre der illegal arbeitenden K o m m u nistischen Partei der Slowakei verstärkt Gespräche und Verhandlungen mit oppositionellen, demokratischen Strömungen, mit slowakischen Sozialdemokraten und Vertretern bürgerlicher Parteien mit dem Ziel geführt, in der Slowakei ein einheitliches Widerstandszentrum zu schaffen. Mitte Dezember 1943 gelang es, eine politische Vereinbarung über den gemeinsamen K a m p f und die Bildung eines zentralen slowakischen Führungsorgans dieses K a m p f e s , des Slowakischen Nationalrates, zu erzielen. D a s Übereinkommen enthielt sowohl die Aufgaben für die Zeit bis zur Befreiung als auch die Stellungnahme der führenden Repräsentanten der slowakischen Widerstandsbewegung zu den wichtigsten Problemen beim A u f b a u des neuen S t a a t e s . Unmittelbar vor Weihnachten 1943 veröffentlicht, ging dieses Abkommen als „Weihnachtsvereinbarung" in die Geschichte ein 6 3 . Der Slowakische Nationalrat wurde in d e m Dokument als „einziger Repräsentant des politischen Willens des slowakischen Volkes in der H e i m a t " bezeichnet. 6 4 Zu seinen Aufgaben und Zielen zählte u. a. der einheitlich und zentral geführte K a m p f „ f ü r die Beseitigung des nazideutschen Diktats, d a s auch von den einheimischen Usurpatoren der politischen Macht ausgeübt wird", und die Übernahme der gesamten politischen, gesetzgebenden, militärischen und administrativen E x e k u t i v g e w a l t in der Slowakei „zum ersten günstigen Zeitpunkt" 6 5 . Äußerst wichtig für die weitere Entwicklung des Befreiungskampfes der Tschechen und Slowaken im In- und Ausland war die Erklärung, daß der Slowakische Nationalrat in Übereinstimmung mit der Regierung in London und der Widerstandsbewegung der K P T s c h seine Tätigkeit ausüben und die Arbeit der Re61 Ebenda, S. 296. 62 Vgl. Anm. 51. 63 Deutscher Wortlaut der „Weihnachtsvereinbarung", in: G. Husäk, Der Slowakische Nationalaufstand, Berlin 1972, S. 81 ff. ' 6« Ebenda, S. 81. «5 Ebenda, S. 81 f.

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gierung anerkennen und unterstützen wollte. Als wichtigste Grundsätze des neuen S t a a tes n a n n t e der Slowakische Nationalrat die Regelung der Beziehungen zwischen Tschechen und Slowaken nach dem Prinzip „Gleiche unter Gleichen", die außenpolitische und militärische Orientierung auf die Sowjetunion sowie die Demokratisierung des g e s a m t e n gesellschaftlichen Lebens. Uber die Kompliziertheit der Vorbereitung dieser Vereinbarung m i t P a r t n e r n , deren ideologische Ausgangsposition sehr stark von der der munisten abwich, aber auch über die prinzipielle Möglichkeit gemeinsamen

Kom-

Vorgehens

schrieb G. H u s ä k : „Die Kommunisten mußten viel Festigkeit aufbringen, um in grundsätzlichen F r a g e n nicht nachzugeben, und viel taktische E l a s t i z i t ä t , um die Verhandlungen über den Zusammenschluß des antifaschistischen Lagers nicht wegen

,radikaler'

Postulate, wegen sektiererischer Unzugänglichkeit für Kompromisse scheitern zu lassen" 6 6 . Die Mühen hatten sich gelohnt. Die „ Weihnachtsvereinbarung" und die Bildung des Slowakischen Nationalrats

beschleunigten

der slowakischen Bevölkerung

die

Einbeziehung immer breiterer

in den antifaschistischen Befreiungskampf.

Schichten Durch die

einheitliche Leitung der Bewegung gelang es, die vorhandenen Gruppen zu konzentrieren, ihre K r a f t dadurch zu vervielfachen und sie auf den H ö h e p u n k t des Kampfes, den Aufstand des Volkes, vorzubereiten. Der Erfolg der Kommunistischen P a r t e i der Slowakei bei der Schaffung der geschlossenen nationalen K a m p f f r o n t h a t t e auch für die Perspektive des tschechoslowakischen S t a a t e s Bedeutung. Mit dem Slowakischen Nationalrat war ein Machtorgan entstanden, das die Unterstützung der Volksmassen besaß und m i t dem bei den Verhandlungen über den Aufbau der Nachkriegstschechoslowakei zu rechnen

sein

würde. Benes und der

Londoner Regierung wurde m i t der Gründung des Slowakischen Nationalrats als Repräs e n t a n t des slowakischen Volkes erneut deutlich, daß ihre Pläne zur Restaurierung der bürgerlichen Republik aus der vormünchener Zeit nicht zu verwirklichen waren, daß große Teile der Bevölkerung in der Tschechoslowakei unter dem Einfluß der K o m m u n i stischen Partei standen und daß die Londoner Exilregierung nur bei der Berücksichtigung aller dieser F a k t o r e n und einer nüchternen, realistischen Einschätzung der Lage im neuen S t a a t ein W o r t mitzusprechen h ä t t e . Die Moskauer Gespräche zwischen den Vertretern der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei und dem Präsidenten der C S R , Dr. E . Benes, bildeten die Basis für weitere Initiativen der Kommunisten, für Diskussionen und harte Auseinandersetzungen um den Charakter der neuen Republik. U m die Nationale F r o n t als Organ zur Verteidigung der Interessen der Volksmassen zu stärken, unterbreiteten die Vertreter der K P T s c h in England im F e b r u a r 1944 den E n t w u r f eines P r o g r a m m s für den Nationalen B l o c k des werktätigen Volkes in S t a d t und Land, der, aus Vertretern der K P T s c h , der Tschechoslowakischen Sozialdemokratischen

Partei und der P a r t e i der Tschechoslowakischen

Sozialisten bestehend, den Kern der Nationalen F r o n t bilden sollte. 6 7 Das P r o g r a m m enthielt Vorschläge für ein gemeinsames Vorgehen dieser drei Parteien in den wichtigsten F r a g e n hinsichtlich des Befreiungskampfes und notwendiger erster S c h r i t t e im befreiten L a n d . Nach dem Manifest der Vertreter dieser drei Parteien zum 1. Mai 1943 war die Vorlage des Programmentwurfs der zweite S c h r i t t zur Bildung eines festgefügten Kerns für die Nationale F r o n t .

l

G. Husäk, Der Slowakische Nationalaufstand, a. a. 0 . , S. 65. Vgl. Navrli programu Närodniho bloku pracujiciho lidu mest i venkova, vypracovany predstaviteli Komunislicke strany Ceskoslovenska v Anglii pro spolecnä jednäni zästupeü komunisticke strany, ceskoslovcnske strany sociälne demokraticke a strany ceskoslovenskycli socialistü, in: Cesta ke Kvetnu. Vznik lidove demokracie v Ceskoslovensku, 1/1, Prag 1965, S. 82 ff.

3

Schröder-Laskowski, Tschechoslowakei

66 67

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Am 16. April 1944 veröffentlichte die tschechoslowakische Regierung einen Aufruf zur Bildung von Nationalausschüssen mit den entsprechenden Richtlinien für ihre Organisierung und Tätigkeit. 6 8 Der Aufruf war auf der Grundlage der Gespräche Benes' in Moskau mit der KPTsch-Führung erarbeitet worden. Er sah in den befreiten Gebieten die Übernahme „aller Bereiche der öffentlichen Verwaltung und der Selbstverwaltung", 6 9 d. h. der früheren bürgerlichen örtlichen Machtorgane, durch die Nationalausschüsse vor. Doch sollte diese Festlegung nur für eine Übergangszeit gelten. „ S o bald wie möglich" sollte ein Dekret des Präsidenten der Republik alle noch offenen Fragen der Organisierung, Tätigkeit und der Vollmachten der Nationalausschüsse beantworten. Über die Kompetenz und die „Gültigkeitsdauer" der Nationalausschüsse hatte es bereits vor der Veröffentlichung des Aufrufs der Regierung sowohl im Staatsrat als auch im Nationalen Block der drei Parteien langwierige und erhitzte Verhandlungen gegeben, in denen die Kommunisten alle Versuche der bürgerlichen Vertreter zurückgewiesen hatten, die Kompetenz der Nationalausschüsse von vornherein zu beschränken. Da in der Frage über die Rolle dieser Organe nach der Befreiung des Landes noch keine Einigung erzielt werden konnte, kam man auch mit der Abfassung des erwarteten Dekrets über die Nationalausschüsse lange Zeit nicht voran. Die tschechoslowakischen Kommunisten in der Sowjetunion, in Großbritannien und in der Tschechoslowakei selbst kämpften mit allen Mitteln für die Anerkennung der als Kampforgane entstandenen Nationalausschüsse als Machtorgane des zukünftigen Staates. Aus dem Verlauf des Slowakischen Nationalaufstands 7 0 , der Ende August 1944 begonnen hatte, zogen die Kommunisten neue Erkenntnisse, erhielten sie neue Argumente für die Verteidigung der Nationalausschüsse und ihrer umfassenden Kompetenzen. Der Slowakische Nationalaufstand war der Höhepunkt des antifaschistischen Befreiungskampfes des slowakischen Volkes, in dessen Verlauf der Übergang zur volksdemokratischen Revolution in einem Teil der Tschechoslowakei vollzogen wurde. Ein entscheidendes Kriterium für das Umschlagen des Widerstandskampfes in die Revolution war die Errichtung der Volksmacht 7 1 , d. h. die Übernahme der gesamten Macht durch den Slowakischen Nationalrat am 1. September 1944. Mit der beginnenden Revolution wandelte sich auch der Charakter der bisher illegalen Nationalausschüsse. 7 2 Waren sie in den ersten Jahren des Krieges in den besetzten tschechischen Gebieten und im klerikalfaschistischen Slowakischen S t a a t vorwiegend als Organe des Widerstands, jedoch noch ohne Massenbasis, entstanden, so wurden sie 1944/45 zu revolutionären Organen der Leitung des aktiven Kampfes der Volksmassen gegen die deutschen Faschisten und die tschechischen und slowakischen Verräter und Kollaborateure und während des Aufstands zu Machtorganen in der beginnenden Revolution, zur Grundform der Volksmacht in den befreiten Gebieten. 7 3 Beim Aufbau der Nationalausschüsse nutzten die slowakischen Kommunisten die Erfahrungen der russischen Arbeiterklasse vor, während und nach der OktoberrevoVgl. Provoläni ceskoslovenske v l ä d y k tvoreni närodnich v y b o r ü se smernicemi pro jejieh organizaci a cinnost, i n : Cesta ke K v e t n u , S. U l f . ; Siehe auch Dok. 5, S. 176ff. 69 E b e n d a , S. 112. 7 0 Vgl. G. Husäk, Der Slowakische N a t i o n a l a u f s t a n d , a. a. 0 . 7 1 Vgl. E. Kalbe, Antifaschistischer Widerstand und volksdemokratische Revolution, a. a. 0 . , S. 196. 7 2 Vgl. K. Bertelmann, V y v o j närodnich v y b o r ü tlo ü s t a v y 9. kvetna. 1945—1948, P r a g 1964, S. 22 ff. 7 3 Vgl. auch IL Dress, Der Slowakische Nationalrat und die revolutionären Nationalausschüsse während des Slowakischen Nationalaufstandes, in: S t a a t und Recht, Ii. 12, Dez. 1974, S. 2 0 3 2 f f . 68

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lution und die eigenen Erfahrungen aus dem Jahre 1918. Im Juli jenes Jahres hatte die tschechische Bourgeoisie in Abstimmung mit der rechten Führung der Sozialdemokratie einen Nationalausschuß gebildet, dessen Hauptaufgabe es sein sollte, der Bourgeoisie den Weg zur Macht im zukünftigen tschechoslowakischen Staat zu ebnen. In den Oktobertagen des gleichen Jahres waren auf Weisung des obersten Nationalausschusses in den Bezirken, Städten und Gemeinden weitere Nationalausschüsse entstanden, die den „friedlichen Ubergang" zum neuen Staat gewährleisten sollten. In vielen Gebieten des Landes waren die Ausschüsse auf Initiative der Werktätigen entstanden und befanden sich unter ihrer Kontrolle und ihrem Druck. Die Arbeiterklasse der Tschechoslowakei versuchte, die Nationalausschüsse nach dem Vorbild der Sowjets zu Organen des werktätigen Volkes zu machen. Die Furcht der herrschenden Klasse vor einer solchen Entwicklung, die die Machtpositionen der Bourgeoisie gefährdet hätte, hatte schon im Dezember 1918 zur Liquidierung der Nationalausschüsse und zur Einführung des alten österreichischen Verwaltungssystems geführt. Mit den Nationalausschüssen war im Verlauf der nationalen Befreiungsbewegung in der Tschechoslowakei eine mit den Sowjets in Rußland vergleichbare Organisationsform entstanden. Die Ausschüsse waren eine „Organisation der Massen" geworden, die über die Mitgliedschaft einer Partei, Gewerkschaft o. ä. hinausging, eine Organisation, die fähig war, alle Kräfte zu vereinen und zu mobilisieren. 74 Sowjets und Nationalausschüsse waren Keime neuer Machtorgane der Werktätigen. Sie unterschieden sich voneinander hinsichtlich der internationalen Situation, in der Sowjets und Nationalausschüsse gebildet wurden, hinsichtlich des Kräfteverhältnisses und — im Zusammenhang mit diesen Faktoren — hinsichtlich ihrer Zusammensetzung, der Breite der Bevölkerungsschichten, die sie unter der Führung der Arbeiterklasse vereinten und repräsentierten. Ohne die Sowjets wäre es den russischen Arbeitern im Oktober 1917 schwerlich gelungen, die Macht zu ergreifen, „denn der Erfolg hing allein davon ab, ob bereits fertige Organisationsformen der Bewegung vorhanden waren, die Millionen umfaßte." 75 Ohne Nationalausschüsse wäre die Übernahme der Macht durch das slowakische Volk 1944 und die Errichtung der Volksmacht 1945 in der ganzen Tschechoslowakei kaum denkbar gewesen. Dazu schrieb Lenin — „mit dem alten Apparat würde das Proletariat die Macht zweifellos nicht behaupten können, ein neuer Apparat aber kann nicht auf einmal geschaffen werden." 76 In der Slowakei übernahmen die Nationalausschüsse, die zum großen Teil von Kommunisten geleitet wurden, zu Beginn des Nationalaufstands (am 1. September 1944) die gesamte Macht in ihrem Gebiet. Vor ihnen standen unzählige Aufgaben, die sie als Organe des Volkes lösen mußten und tatsächlich lösten. Sie stürzten die bisherige Staatsmacht in ihrem Gebiet, sie begannen, den ganzen Staatsapparat von Verrätern und Kollaborateuren zu reinigen, sie bestraften diese, sie organisierten die Versorgung der Bevölkerung und der bewaffneten Kräfte, sie warben für die Armee und die Partisanenbewegung und schufen bewaffnete Organe zum Schutz der Revolution. Die Ausschüsse handelten bereits, wie es Lenin über die Sowjets gesagt hatte, als Staatsmacht. 77 Es existierte kein anderes Organ, das die Vielfalt der Aufgaben hätte bewältigen können. Allein durch die allseitige Unterstützung und die Initiative der Bevölkerung konnten die Nationalausschüsse in den befreiten Gebieten ihre Macht behaupten und ausbauen. 74 75 76 77

3-

Vgl. W. I. Lenin, Briefe aus der Feme, in: Werke, Bd. 23, Berlin 1957, S. 338. Ders., Referat über Krieg und Frieden (7. Parteitag der KPR(B)), i n : Werke, Bd. 27, S. 76. Ders. Werden die Bolschewiki die Staatsmacht behaupten?, i n : Werke, Bd. 26, Berlin 1961, S.87. Vgl. ders., Geschichtliches zur Frage der Diktatur, in: Werke, Bd. 31, Berlin 1959, S. 342.

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Die feste Organisation der werktätigen Massen in den Nationalausschüssen, ihr aktives Handeln, das nicht nur die Folge einer spontanen Begeisterung, sondern vielmehr das Ergebnis einer langfristigen politischen Vorbereitung der Werktätigen durch die Kommunistische Partei war, bildeten notwendige Voraussetzungen sowohl für die Bewältigung der konstruktiven Aufgaben als auch für die Abwehr konterrevolutionärer Angriffe. 78 Auf der Konferenz der KPS im Februar 1945 charakterisierte G. Husäk, damals stellvertretender Vorsitzender des Slowakischen Nationalrats und Beauftragter für Inneres, diö Nationalausschüsse als „lebendige Kraft der Nation, die das Volk täglich zur Bewältigung wichtiger Aufgaben mobilisiert und auf diese Weise zum Regieren erzieht." 79 Mit der Konstituierung der Nationalausschüsse als neue Organe der Staatsmacht in einem Teil des Landes wurde ein Beispiel für den ganzen künftigen tschechoslowakischen Staat geschaffen. In der Zukunft mußte es darauf ankommen, „die embryonalen Organe der revolutionären Staatsmacht" als „Organe der siegreichen revolutionären Staatsmacht" zu festigen. 80 Historisch bedeutsam ist der Slowakische Nationalaufstand, weil in seinem Verlauf zum ersten Mal in einem Teil der Tschechoslowakei der Übergang vom nationalen Befreiungskampf zur volksdemokratischen Revolution vollzogen wurde, weil im Kampf des slowakischen Volkes die Aufgaben der nationalen Befreiung eng mit der Aufgabenstellung für grundlegende soziale Umgestaltungen verknüpft waren. Diese äußerst wichtige Seite des Aufstandes wird in der bürgerlichen Geschichtsschreibung häufig jedoch völlig totgeschwiegen. Entscheidende Fakten wie die der Machtübernahme durch den Slowakischen Nationalrat und die Nationalausschüsse werden ausgelassen. BRDHistoriker beschränken sich in Arbeiten über den Slowakischen Nationalaufstand auf die Darstellung des nationalen Kampfes um die Befreiung und schildern mehr oder weniger ausführlich den militärischen Verlauf des Aufstandes. 81 Doch das Ziel des Aufstands war niemals eine nationale Befreiung zur Wiederherstellung der Vorkriegssituation, d. h. der bürgerlichen Demokratie, sondern das Ziel bestand, wie J. Lenart anläßlich des 30. Jahrestages des Slowakischen Nationalaufstands hervorhob, in der Errichtung einer Demokratie für die werktätigen Massen, in der tiefgreifende soziale Umgestaltungen notwendig waren. 82 Das heißt, der Aufstand besaß von Anfang an nicht nur nationalen, antifaschistischen, sondern zugleich auch sozialen Charakter. Die Ergebnisse der nationalen, antifaschistischen Erhebung des Volkes konnten nur durch gleichzeitige soziale Veränderungen gesichert werden. Ein Eingeständnis dieser Fakten und Zusammenhänge müßte die bürgerlichen Historiker jedoch folgerichtig zu einer weiteren Erkenntnis führen: daß der Einfluß der Bourgeoisie zur Restauration ihrer alleinigen Macht in der befreiten Tschechoslowakei nicht mehr ausreichte, daß in der Zusammenarbeit der nichtfaschistischen Kräfte der Bourgeoisie mit den Repräsentanten des werktätigen Volkes in der konkreten Situation die einzige Chance lag, wenigstens ihre Beteiligung an der Macht im neuen Staat zusichern. Aber BRD-Historikern wie J. Hoensch oder W. Venohr geht es gerade darum, Illusionen über die Positionen der Bourgeoisie '8 Vgl. A. I. Sobolew, Was Chile lehrt, in: Horizont, Nr. 23/1974, S. 9 und Nr. 25/1974, S. 25. 79 G. Husäk, Der Slowakische Nationalaufstand, a. a. 0., S. 691 f. 80 W. I. Lenin, Konfusion aus Verärgerung, in: Werke, Bd. 12, Berlin 1959, S. 327. 81 Vgl. W. Venohr, Aufstand für die Tschechoslowakei. Der slowakische Freiheitskampf von 1944, Hamburg 1969; J. Iioensch, Geschichte der Tschechoslowakischen Republik 1918—1965, Stuttgart/(West-)Berlin/Köln/Mainz 1966. 82 J. Lendrt, Der Slowakische Nationalaufstand gehört zu den ruhmreichsten Seiten der Geschichte der kommunistischen Partei der Tschechoslowakei, in: Czechoslowak digest, Prag 1974, Nr. 35, S. 6.

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zu Beginn der volksdemokratischen Revolution in der Tschechoslowakei a m Leben zu erhalten, die Schwächung dieser Positionen lange vor der Bildung der ersten Regierung der Nationalen F r o n t zu verschweigen. D a r u m beschränken sie sich auf die nationale Seite des A u f s t a n d s . In nationalistischem Stil wird der Slowakische Nationalaufstand nicht als Bestandteil des internationalen K a m p f e s gegen F a s c h i s m u s und Reaktion, sondern als isolierte Aktion der von der Sowjetunion und den Westmächten im Stich gelassenen Slowaken beschrieben. Bei dieser Darstellung verschweigen die genannten Historiker ebenfalls, daß der A u f s t a n d im wahrsten Sinne des Wortes ein Volksaufstand war. Sie versuchen vielmehr, den tapferen K a m p f des slowakischen Volkes abzuwerten, indem sie ihn ausschließlich auf Aktionen der Armee reduzieren, ihn als A u f s t a n d der Armee oder Putsch der Armee schildern. Trotz gegenteiliger Behauptungen bürgerlicher Historiker, Emigranten und Renegaten blieb der Slowakische N a t i o n a l a u f s t a n d und die revolutionäre Entwicklung in der Slowakei nicht ohne Einfluß auf die Beratungen der Regierung und die Vorbereitung verschiedener Dekrete. Die tschechischen und slowakischen Kommunisten in der Sowjetunion verstärkten den Druck auf die Regierung, u m die Verabschiedung des Dekrets über die Nationalausschüsse zu beschleunigen. In der Zeitung „Ceskoslovenske l i s t y " , dem Organ der tschechoslowakischen S t a a t s b ü r g e r in der U d S S R , hatten Zd. Nejedly (Mitarbeiter der Moskauer K P T s c h - F ü h r u n g ) im Dezember 1943 und J . S v e r m a (Mitarbeiter der Moskauer K P T s c h - F ü h r u n g und R e d a k t e u r der „Ceskoslovenske listy") im S e p t e m b e r 1944 8 3 , also sowohl vor als auch nach der Veröffentlichung des Aufrufs der Regierung zur Bildung von Nationalausschüssen, sehr ausführlich die Vorstellungen der Kommunisten über die Rolle der Nationalausschüsse dargelegt. Sie gingen vor al-, lern auf dio immer noch offene F r a g e der Kompetenz dieser Organe im befreiten L a n d ein und leisteten d a m i t einen Beitrag zum F o r t g a n g der Verhandlungen in der Regierung. A m 4. Dezember 1944 endlich erließ Präsident Benes d a s Dekret über die Nationalausschüsse u n d die Provisorische Nationalversammlung. 8 4 Der Inhalt des Dekrets entsprach im wesentlichen der zwischen dem Präsidenten und der Moskauer K P T s c h - F ü h rung im Dezember 1943 vereinbarten Linie. D a s Dekret war also ein gewaltiger Erfolg für die Kommunisten. Sie hatten durchsetzen können, daß die Nationalausschüsse als Organe der öffentlichen und staatlichen Verwaltung anerkannt wurden. Die Regierung (wobei die Kommunisten an eine neue, dem Kräfteverhältnis entsprechende Regierung der Nationalen Front dachten) sollte zu einem späteren Zeitpunkt Wahlmodus und endgültige Kompetenzen der Ausschüsse konkret festlegen. Das Dekret hob zwar immer noch hervor, daß die Nationalausschüsse vorläufige Organe wären. Andererseits jedoch sollten sie als definitive Machtorgane anerkannt werden, wenn das Volk es wünschte. Wenn d a s Dekret auch stellenweise so abgefaßt war, daß es noch verschiedene Deutungen zuließ, war es insgesamt doch ein gewaltiger Schritt nach vorn. E s half we-, sentlich bei der Mobilisierung der revolutionären K r ä f t e in den tschechischen Gebieten. Mit der Verabschiedung und Veröffentlichung des Dekrets des Präsidenten der Republik über die Nationalausschüsse endete eine weitere E t a p p e der Auseinandersetzungen u m deren Anerkennung als Machtorgane bzw. um den Charakter des aufzubauenden S t a a tes überhaupt. A m 22. März 1945, nachdem die sowjetische Armee schon große Teile der Slowakei befreit hatte, begannen in Moskau zwischen der Auslandsleitung der K P T s c h , Vertre83

84

Zd. Nejedly, Närodni vybory, in: Ceskoslovenske listy, Moskau, Nr. 10 ( 3 1 . 1 2 . 1 9 4 3 ) , S. 7 ; J . Sverma, 0 närodnich vyborech v osvobozene vlasti, in: Ebenda, Nr. 16 (1. 9. 1944) S. l f . ; Siehe auch Dok. 7, S. 180 f. Ustavni dekret presidenta republiky o närodnich vyborech a prozatimnim Narodnim shromäzdeni, in: Dok. 6, S. 179 f.

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lern der tschechischen Parteien der Londoner Emigration und einer Delegation des Slowakischen Nationalrats (die die einzige durch die Bevölkerung eines Landesteils legitimierte Delegation war) die Verhandlungen über den Aufbau des Staates nach der vollständigen Befreiung, über das Programm und die Zusammensetzung der zu bildenden neuen Regierung. Angesichts der nahen Befreiung des ganzen Landes war nun der Zeitpunkt gekommen, konkrete Festlegungen für den aufzubauenden antifaschistisch-demokratischen S t a a t zu treffen. Die Delegation aus London hatte keinen eigenen, in sich abgeschlossenen Plan mitgebracht. In London war zwar J a h r e hindurch an verschiedenen Programmvarianten für die befreite Tschechoslowakei gearbeitet worden. Ganze Stäbe und zahlreiche britische Experten hatten sich mit der Erarbeitung von Leitungssystemen, Proklamationen, Maßnahmen, Verordnungen und Gesetzen beschäftigt. Doch ihr Ausgangspunkt war die Befreiung des Landes oder zumindest des überwiegenden Teils durch amerikanische und britische Truppen. In diesem Fall hätte die Bourgeoisie ihre Nachkriegskonzeption eher durchsetzen können. In dem Moment, da feststand, daß der größte Teil der Tschechoslowakei von sowjetischen Truppen befreit werden würde, waren die Londoner Ausarbeitungen hinfällig geworden. Die Delegation, die konstruktive Vorschläge, den ganzen S t a a t betreffend, mitgebracht hatte, war wiederum die der KPTsch. Sie unterbreitete den Entwurf eines Regierungsprogramms, der von allen Delegationen als Diskussionsgrundlage anerkannt wurde. J . Stränsky, Mitglied der Exilregierung und Nationaler Sozialist, konstatierte: „ E s ist für uns nichts Neues, daß wir auf der Basis von Konzepten der Kommunistischen Partei verhandeln, wir sind von London her daran gewöhnt, auf der Grundlage der Vorschläge der Kommunistischen Partei zu arbeiten" 8 5 . Dieses Eingeständnis eines bürgerlichen Politikers, der keinerlei Sympathien für die Kommunisten hegte, verwies noch einmal auf die veränderte Stellung der Kommunistischen Partei in der Führung der Widerstands- und Befreiungsbewegung sowohl innerhalb der Tschechoslowakei als auch im Ausland seit dem J a h r e 1943. Die Initiative war eindeutig an die KPTsch übergegangen, und das mußte auch von den Mitgliedern der bürgerlichen tschechoslowakischen Exilregierung zugegeben werden. In den Beratungen über das Regierungsprogramm und über die Zusammensetzung der neuen Regierung waren die Kommunisten bemüht, den nichtfaschistischen Teil der Bourgeoisie vom Einfluß der reaktionären Großbourgeoisie loßzureißen und dem bürgerlichen Partner in der Nationalen Front der Tschechen und Slowaken eine demokratische Konzeption aufzudrängen. Der Programmentwurf enthielt sowohl Festlegungen über den Kampf um die vollständige Befreiung der Tschechoslowakei und die Unterstützung des Kampfes der Roten Armee auf dem Territorium der C S R als auch wichtige Aufgaben für den Aufbau des demokratischen Staates. 8 5 4 Der Entwurf sah grundlegende politische, wirtschaftliche und soziale Veränderungen im Lande vor, die gegen die Herrschaft des kompromittierten Monopolkapitals gerichtet waren. Für die außenpolitische Linie des neuen tschechoslowakischen Staates wurde die Uberwindung der einseitigen Orientierung der früheren bürgerlichen Republik auf den Westen und die Schaffung eines festen und dauerhaften Bündnisses mit der U d S S R gefordert. Die Außenpolitik des tschechoslowakischen Staates sollte zur Angelegenheit der ganzen Regierung gemacht werden. Die Tätigkeit auf diesem Gebiet durfte nicht länger das Monopol des Präsidenten und des Außenministers bleiben. Die Vertreter der KPTsch kritisierten die Außenpolitik der Londoner Exilre85 Zit. n a c h : B. Lastovicka, V. L o n d y n e za välky, a. a. 0 . , S. 499. 83a Vgl. M. Boucek/M. Klimes/M. Vartikovä, P r o g r a m revoluce. K e vzniku Kosickeho vlädniho p r o g r a m u , P r a g 1975, S. 316.

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gierung, die der Tschechoslowakei die Rolle einer Brücke zwischen Ost und West zugedacht hatte. Die Lehren aus der Vergangenheit ziehend, erläuterte Kl. Gottwald die Notwendigkeit einer eindeutigen Orientierung, d. h. im Interesse der Sicherheit des tschechoslowakischen Staates die Orientierung auf Freundschaft und ehrliche Zusammenarbeit mit der Sowjetunion. Das sollte keinesfalls den Abbruch jeglicher Beziehungen zu den Westmächten bedeuten. Doch es mußte allen verständlich gemacht werden, „daß wir diesmal auf einem Stuhl sitzen werden. Zu Beginn der Existenz der Republik saßen wir auch auf einem, aber auf dem westlichen, dann nach Hitlers Machtantritt auf zwei, auf dem westlichen und auf dem östlichen, und als die Krise kam, fielen wir von beiden Stühlen" 8 6 . Gottwald verwies auf die gemeinsamen Interessen der U d S S R und der Tschechoslowakei und auf die Unterstützung, die die Sowjetunion dem Land bisher gewährt hatte und auch in Zukunft, vor allem im Hinblick auf die Sicherheit des tschechoslowakischen Staates, gewähren würde. Die langwierigen Verhandlungen über das V. Kapitel, das die Festlegung über das System der Nationalausschüsse im befreiten Land enthielt, endeten mit der Zustimmung der Repräsentanten der Bourgeoisie zu den Vorschlägen der Kommunisten. In der Diskussion ging es hauptsächlich um zwei Probleme: erstens um die Abberufbarkeit der Mitglieder der Nationalausschüsse nach dem Vorbild der Pariser Kommune und zweitens um die Zusammensetzung dieser Organe. K . Marx schrieb über die Kommune, sie sollte nicht „eine parlamentarische, sondern eine arbeitende Körperschaft sein, vollziehend und gesetzgebend zu gleicher Z e i t . . . die Abgeordneten sollten jederzeit absetzbar und an die bestimmten Instruktionen ihrel Wähler gebunden sein . . . S t a t t einmal in drei oder sechs Jahren zu entscheiden, welches Mitglied der herrschenden Klasse das Volk im Parlament ver- und zertreten soll, sollte das allgemeine Stimmrecht dem in Kommunen konstituierten Volk dienen, wie das individuelle Stimmrecht jedem andern Arbeitgeber dazu dient, Arbeiter, Aufseher und Buchhalter in seinem Geschäft auszusuchen." 8 7 Die Forderungen der Kommunisten nach Abberufbarkeit der Mitglieder der Nationalausschüsse und danach, auch parteilose Kandidaten in die Ausschüsse wählen zu können, verfolgten das Ziel, große Teile der Bevölkerung ständig an der unmittelbaren Machtausübung teilhaben zu lassen, ihre Initiative zu wecken und ihre dauerhafte Aktivität für den Neuaufbau des Staates zu nutzen. Der Wortführer der bürgerlichen Kräfte, J . Stränsky, der bereits 1944 bei der Vorbereitung des Dekrets über die Nationalausschüsse und die Provisorische Nationalversammlung vom 4. Dez. 1944 bemüht war, das Zustandekommen dieses Dokumentes hinauszuzögern, opponierte gegen die Abberufbarkeit einzelner Mitglieder der Ausschüsse durch die Wähler. Dieses Prinzip dürfte nur für die erste, Sog. revolutionäre Phase (d. h. bei ihm bis zur Befreiung des Landes) Gültigkeit besitzen; in der zweiten Phase, in der die Ausschüsse ordnungsgemäß gewählt werden würden, wären lediglich übergeordnete Leitungen befugt, Ausschußmitglieder abzuberufen. 8 8 Die Vertreter der KPTscli erläuterten die Gründe für ihren Vorschlag. V. Nosek (Kommunist und Mitglied des Staatsrats in London) wies darauf hin, daß die Nationalausschüsse selbst dafür sorgen würden, daß keine Faschisten oder Verräter in ihre Reihen aufgenommen werden würden. „Aber Unehrliche werden dort hineinkommen, und es geht darum, wie es zu machen ist, daß wir uns ihrer entledigen, deshalb sollen 86

87

88

Zit. nach: Zäpis ze schüze zästupcü tri socialistickych stran a zästupce strany lidove o nävrhu vlädniho programu prvni vlädy Närodni fronty Cechü a Sloväkü, in: Cesta ke Kvetnu, a. a. 0., S. 402. K. Marx, Der Bürgerkrieg in Frankreich, in: K. Marx/F. Engels, Werke, Bd. 17, Berlin 1962, S. 339 f. Vgl. Zäpis ze schüze zästupcü tri socialistickych stran a zästupce strany lidove, a. a. 0., S. 406.

39

sie abberufbar sein" 8 9 . Gottwald b e t o n t e : „Die Abberufbarkeit brauchen wir j e t z t wie das Salz . . . Das öffentliche Leben kann man nur m i t solchen wahrhaft demokratischen Maßnahmen reinigen". 9 0 Gerade weil die Kommunisten die zukünftige Situation real b e t r a c h t e t e n , weil sie m i t dem Eindringen feindlicher K r ä f t e in die neuen Machtorgane rechnen m u ß t e n , wollten sie allen ehrlichen demokratischen K r ä f t e n m i t dieser Maßnahme ein Mittel in die H a n d geben, um ihre Errungenschaften gegen alle Feinde zu verteidigen. Die Vertreter der K P T s c h hielten den Passus über die Abberufbarkeit der Ausschußmitglieder aufrecht, den Einwänden

der Londoner Politiker kamen sie nur insofern entgegen, als sie hin-

zufügten, die Mitglieder der Nationalausschüsse seien bis auf weiteres

abberufbar. Diese

Fdrmulierung war möglich, da das gesamte P r o g r a m m ohnedies nur für eine Übergangszeit, d. h. bis zur W a h l der Nationalversammlung, gültig sein sollte. Auf den Widerstand der bürgerlichen Vertreter stieß auch der Passus, in dem es hieß, daß das Volk seine besten Vertreter, unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu einer politischen Partei, in die Nationalausschüsse delegiert. D a m i t war die Möglichkeit gegeben, daß z. B . aktive, anerkannte parteilose K ä m p f e r der Widerstandsbewegung in die tionalausschüsse

gewählt

werden

und — das

befürchteten die bürgerlichen

Na-

Politiker

vor allem — ein fester Verbündeter der Kommunisten bei der Organisierung des neuen Lebens sein konnten. Daher sprach sich J . S t r ä n s k y gegen das passive W a h l r e c h t für Parteilose aus. Viele bewährte, aktive K ä m p f e r für die Befreiung, vor allem viele Partisanen würden auf diese Art und Weise von der Mitbestimmung im befreiten L a n d ausgeschlossen und so um die F r ü c h t e ihres Kampfes gebracht werden. S t r ä n s k y jedoch verunglimpfte den heldenhaften K a m p f der tschechischen und slowakischen Partisanen in der Begründung seines P r o t e s t e s : Die A k t i v i t ä t im nationalen K a m p f wäre gering gewesen. Man würde staunen, wie schmal eine solche Basis für die politische

Struktur

sei. Die Teilnahme am P a r t i s a n e n k a m p f sei kennzeichnend für den Charakter eines Menschen, müsse aber nicht einen guten Verwaltungsmitarbeiter a u s m a c h e n . 9 1 Er

verlangte, daß sich alle Parteilosen bei Wahlen für eine der politischen Parteien

entscheiden gewissen

sollten. Dabei hoffte er unter Berücksichtigung von Traditionen und einem

Konservatismus im Volk auf eine S t ä r k u n g der Position seiner Partei, der P a r t e i

der Nationalen

Sozialisten. Die Beteiligung an der W a h l sollte also für den parteilosen

Teil der Bevölkerung die einzige F o r m der Mitbestimmung im S t a a t bleiben. Die Kommunisten

hielten an ihrer Erklärung aus der Zeit der Entstehung der Nationalen F r o n t

fest, m i t allen Menschen guten Willens, mit allen, die aktiv für die Befreiung des Landes gekämpft

hatten, zusammenzuarbeiten. Sie wiesen zugleich auch auf die

der Mitarbeit

Notwendigkeit

großer Teile der Bevölkerung hm. So erklärte B . Lastovicka

(Mitglied

der Leitung der K P T s c h in London und Schriftführer während der Moskauer Beratungen) in der

Diskussion zu diesem P r o b l e m : „Wir wollen durch die Beteiligung an den Natio-

nalausschüssen m i t den

die maximale A k t i v i t ä t der Massen erwecken, denn anders würden wir

Verhältnissen, die uns der Faschismus hinterlassen hat, nicht zu Rande kom-

men"92.

Die

Bürger

wurde

scheinbar

nebensächliche F r a g e des passiven Wahlrechts für parteilose

Gegenstand

einer heftigen

Auseinandersetzung

zwischen

bürgerlichen

und kommunistischen Politikern, ging es doch letztendhch darum, auf wessen Seite j e n e parteilosen Massen in den bevorstehenden Klassenkämpfen zwischen der Arbeiterklasse

89 90 91 »2

40

Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda,

S. S. S. S.

405. 409. 404 f. 408.

und der Bourgeoisie stehen würden. Die unterschiedlichen Konzeptionen der beiden H a u p t kräfte hinsichtlich der Einbeziehung der Massen in d a s gesellschaftliche Leben wurden erneut deutlich. Die K P T s c h k ä m p f t e u m die Massen. Sie brauchte ihre A k t i v i t ä t und Mitarbeit, u m die gewaltigen Aufgaben beim A u f b a u eines demokratischen S t a a t e s auf neuer Basis bewältigen zu können. Würde m a n sich bei der Bildung der Nationalausschüsse rein mechanisch nur auf die politischen Parteien stützen, so würden die parteilosen Massen gleichgültig werden. In der Gleichgültigkeit eines großen Bevölkerungskreises, besonders unter den Arbeitern und Bauern, bestand jedoch eine große Gefahr für die Sicherung der im Befreiungskampf errungenen Positionen der Werktätigen und für die nationale und demokratische Revolution, die die erste E t a p p e beim Übergang der Tschechoslowakei v o m Kapitalismus zum Sozialismus bildete. Gleichgültigkeit und Passivität der Massen lag im Interesse der Bourgeoisie und hätte dazu beigetragen, die Machtverhältnisse der bürgerlichen vormünchener Republik wiederherzustellen. Dem gleichen Ziel — der Erhaltung der Macht der Bourgeoisie — diente die Forderung nach qualifizierten Mitarbeitern für die Verwaltungen. Qualifizierte bedeutete — in den Augen bürgerlicher Politiker — routinierte B e a m t e des bürgerlichen Machtapparates, also eine Rückkehr in die Vergangenheit. Die Einbeziehung von Partisanen und anderen aktiven K ä m p f e r n für die Freiheit des Landes, die zum größten Teil aus der Arbeiterklasse und der werktätigen B a u e r n s c h a f t kamen, bedeutete die Heranführung dieser Klassen an die Machtausübung, bedeutete einen Schritt in die Zukunft. Die Londoner Politiker konnten ihre Konzeption auch in diesem P u n k t nicht durchsetzen. Sie mußten den Formulierungen der Kommunisten im P r o g r a m m zustimmen. „ I m Unterschied zu dem früheren bürokratischen . . . Verwaltungsapparat werden in den Gemeinden, Bezirken und Ländern als neue Organe der staatlichen u n d öffentlichen Verwaltung v o m Volk gewählte Nationalausschüsse gebildet. Diese v o m Volk gewählten, unter der ständigen Kontrolle des Volkes stehenden und bis auf weiteres v o m Volke abberufbaren Nationalausschüsse werden in ihrem Wirkungsbereich alle öffentlichen Angelegenheiten verwalten und neben den zentralen Organen für die öffentliche Sicherheit sorgen und sich den ihnen unterstellten demokratischen B e a m t e n a p p a r a t aufbauen. Die Regierung wird ihre Politik über die Nationalausschüsse verwirklichen und sich voll auf sie stützen . . . Das befreite Volk wird in die Nationalausschüsse seine besten Vertreter schicken — unabhängig davon, ob sie Angehörige irgendeiner politischen Partei sind oder nicht — . . . " Kriterium war die Bewährung des einzelnen im nationalen Befreiungskampf. „Die Regierung wird die schöpferische Initiative und die öffentliche Tätigkeit der breitesten Volksschichten voll unterstützen". 9 3 Große Aufmerksamkeit wurde im Programmentwurf der nationalen F r a g e gewidmet, vor allem der Entwicklung der Beziehungen zwischen Tschechen und Slowaken. Die Londoner Vertreter versuchten, ihre Auffassungen v o m „tschechoslowakischen" Volk und der einheitlichen „tschechoslowakischen N a t i o n " aufrechtzuerhalten. Die K o m m u nisten unterstützten die Forderung des slowakischen Volkes und seines offiziellen Repräsentanten, des Slowakischen Nationalrates, in diesem ersten P r o g r a m m der neuen Regierung im befreiten S t a a t die volle Gleichberechtigung des slowakischen Volkes und die Anerkennung seiner Machtorgane zu gewährleisten. D a s V I . Kapitel des Regierungsprogramms, bekannt als „ M a g n a Charta des slowakischen Volkes" , beinhaltete die Anerkennung der Gleichberechtigung und der Eigenständigkeit der slowakischen Nation. So weit hatten die K o m m u n i s t e n ihren Entwurf verteidigen u n d durchsetzen können, so weit waren auch die Londoner Politiker zu Zugeständnissen bereit. Keine Einigung 93

Program nové ceskoslovenské vlády národní fronty Cechü a Slovákü, in: Dok. 9, S. 194. 41

konnte über die Kompetenz der slowakischen Machtorgane, die sich auf dem befreiten Territorium nach dem Willen der Bevölkerung gebildet hatten, und über das Verhältnis zwischen den zentralen staatlichen und den slowakischen Organen erzielt werden. Diese Frage wurde vertagt, sie sollte erst nach der Befreiung des gesamten Territoriums endgültig geklärt werden. Über andere Kapitel, wie z. B. über die in der Tschechoslowakei lebenden nationalen Minderheiten, über die Enteignung und Bestrafung der deutschen Faschisten und ihrer tschechischen und slowakischen Helfershelfer sowie über die Einsetzung nationaler Verwaltungen in den enteigneten Betrieben stimmten die Meinungen im wesentlichen bald überein. Diese Maßnahmen griffen die Positionen der Bourgeoisie nicht direkt an. Über das weitere Schicksal der unter nationale Verwaltung gestellten Betriebe und über die Durchführung einer Bodenreform enthielt das Programm keine konkreten Bestimmungen. Diese Fragen sollten ebenfalls später, nachdem die Regierung in die Heimat zurückgekehrt war und nachdem sie einen genauen Uberblick über die Situation in der Tschechoslowakei gewonnen hatte, geklärt werden. Ein weiterer Teil der Verhandlungen war der zukünftigen Struktur der Regierung gewidmet. Den Kommunisten ging es darum, auch bei diesen Besprechungen deutlich zu machen, daß es keine Rückkehr zu den alten traditionellen bürgerlich-parlamentarischen Herrschaftsformen und -methoden geben konnte, daß auch hier dem neuen Kräfteverhältnis Rechnung getragen werden mußte. Die KPTscli hatte daher als eine wesentliche Neuerung ein Präsidium der Regierung vorgeschlagen.9'1 Dieses Präsidium sollte die Regierung politisch führen und operativ ihre gesamte Tätigkeit leiten. Das hieß, daß nicht mehr von außen, etwa wie früher durch die Zivnobank oder den Industriellenverband, sondern tatsächlich durch die Regierung regiert werden sollte. Das Präsidium als politisches Führungsorgan innerhalb der Regierung hatte Direktiven zu geben, die Tätigkeit der einzelnen Ministerien zu koordinieren, für die Arbeitsfähigkeit der Regierung zu sorgen und die Sitzungen des Ministerrates zu leiten. Es sollte Richtlinien für die Arbeit der einzelnen Ministerien und der Minister erarbeiten. Damit würden die Möglichkeiten, das Amt des Ministers für die Durchsetzung einer der Nationalen Front zuwiderlaufenden Politik einer Partei zu mißbrauchen, weitgehend eingeschränkt. Das Präsidium der Regierung wurde zu einem die Nationale Front stabilisierenden Element. Bestehend aus sechs Mitgliedern, d. h. aus je einem Vertreter jeder Partei, bot dieses Organ Möglichkeiten der gleichberechtigten Zusammenarbeit und der wachsenden kollektiven Verantwortung aller in der Regierung vertretenen Parteien. Den Sinn •der Bildung des Präsidiums der Regierung und der Umgestaltung und Umbildung einiger Ministerien erläuterte Kl. Gottwald mit Hilfe eines Bildes: „Wir sind an diese Vorschläge als Besitzer eines alten Hauses herangegangen, das zerstört worden ist und in dem es gleichzeitig viele Miteigentümer gab. Dieses Haus war für alle Zeiten gebaut worden, es wurden verschiedene Anbauten hinzugefügt, es wurde instand gesetzt und brannte eines Tages ab, und wir werden ein neues Haus bauen, werden es so bauen, daß es den neuen Bedürfnissen entspricht. Wir errichten es nach einem neuen Plan". 9 5 Diese Worte unterstrichen nur, daß es sich bei den Verhandlungen über das Regierungsprogramm und die Struktur der Regierung im erneuerten tschechoslowakischen Staat nicht um die verbesserte Wiedererrichtung der alten Macht, sondern um eine prinzipielle, revolutionäre Umgestaltung des gesamten gesellschaftlichen Lebens in der Tschechoslowakei handelte. Deutlichster Ausdruck dessen war die Tatsache, daß nicht Vgl. Zäpis ze schüze zästupcü tri socialistickych stran a zästupce strany lidove, a. a. 0 . , S. 423. 95 Ebenda, S. 424. 94

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mehr die Bourgeoisie allein die Macht innehatte, sondern sie mit den besten Vertretern der Arbeiterklasse und der anderen Werktätigen teilen mußte. Die Teilung der Macht erfolgte nicht nach den Vorstellungen der bürgerlichen Politiker, sondern in entscheidendem Maße bestimmten die neuen, progressiven Kräfte den Verlauf und das Ergebnis der Beratungen und damit auch den Entwicklungsweg des befreiten tschechoslowakischen Staates zur wahren Demokratie und zum Sozialismus. In der neuen Regierung waren die politischen Parteien paritätisch vertreten: je drei Vertreter der tschechischen Parteien (KPTsch, Tschechoslowakische Sozialdemokratische Partei, Nationale Sozialistische Partei, Volkspartei) und je vier Vertreter der beiden slowakischen Parteien (KPS, Demokratische Partei). Hinzu kamen drei nicht an Parteizugehörigkeit gebundene staatliche Persönlichkeiten: L. Svoboda, Befehlshaber des Tschechoslowakischen Armeekorps in der Sowjetunion, J. Masaryk, Sohn des ersten Präsidenten der CSR und Außenminister der Londoner Exilregierung, Zd. Nejedly, Wissenschaftler, Mitglied der KPTsch, sowie die Armeeangehörigen Hasal und Ferjencik, die als politisch Neutrale betrachtet wurden. Als Ministerpräsident der ersten Regierung in der freien Tschechoslowakei vorgeschlagen und einstimmig gewählt wurde der linke Sozialdemokrat und bisherige Botschafter der Tschechoslowakei in der UdSSR, Zd. Fierlinger. Die KPTsch, die vorläufig auf die Position des Ministerpräsidenten verzichtet hatte, erhielt entsprechend ihren Vorschlägen das Innenministerium, das Ministerium für Schulwesen und Bildung, das Informations- und das Landwirtschaftsministerium sowie das Ministerium für Arbeitsschutz und Sozialfürsorge. Ein Kommunist wurde Staatssekretär im Außenministerium. Im einzelnen setzte sich die erste Regierung der Nationalen Front der Tschechen und Slowaken und ihr Präsidium wie folgt zusammen: Präsidium der Regierung: Ministerpräsident Stellvertreter

Zd. Fierlinger (CSD) J . Ursiny (DS) V. Siroky (KPS) J . Srämek (CSL) J . David (CNS) Kl. Gottwald (KPTsch)

Ministerien: — Ministerium für Nationale Verteidigung Staatssekretär (Mitglied der Regierung — Außenministrium Staatssekretär (Mitglied der Regierung) — Ministerium für Außenhandel Staatssekretär (Mitglied der Regierung) — Innenministerium — Ministerium für Justiz — Informationsministerium — Finanzministerium — Industrieministerium — Ministerium für Binnenhandel

— L. Svoboda (parteilos) - M. Ferjencik (parteilos) - J . Masaryk (parteilos) - V. Clementis (KPS) - H. Ripka (CNS) -

J . Lichner (DS) V. Nosek (KPTsch) J . Stränsky (CNS) V. Kopecky (KPTsch) V. Srobar (DS) . B. Lausman (CSD) I. Pietor (DS) 43

— — — — —

Landwirtschaftsministerium Ernährungsministerium Ministerium für Verkehrswesen Ministerium für Postwesen Ministerium für Arbeitsschutz und Sozialfürsorge — Ministerium für Schulwesen und Bildung — Ministerium für Gesundheitswesen

- J . D'uris ( K P S ) - V. Majer (CSD) — A. Hasal (parteilos) - F . Hála (CSL) - J . Soltész ( K P S ) - Z. Ncjedly ( K P T s c h ) — A. Procházka (CSL)

Außerdem waren ein Wirtschaftsrat, ein Militärrat sowie ein staatliches Revisionsamt gebildet worden. 96 Am 4. April 1945, an dem Tag, an dem die sowjetische Armee Bratislava befreite, wurde im ostslowakischen Kosice offiziell die erste Regierung der Nationalen F r o n t der Tschechen und Slowaken auf befreitem heimatlichen Boden gebildet. Sie war ihrem Wesen nach eine revolutionär-demokratische Diktatur der Arbeiter und Bauern unter Beteiligung der nichtfaschistischen, sog. demokratischen Fraktion der Bourgeoisie. Das bereits in Moskau erarbeitete Programm dieser Regierung wurde am 5. April 1945 angenommen. 9 7 Nach dem Ort seiner Verkündung ging es als Kosicer Regierungsprogramm in die Geschichte ein. Das Programm der Regierung der Nationalen F r o n t war das Programm der ersten Etappe der volksdemokratischen Revolution in der Tschechoslowakei. E s sah entscheidende Veränderungen im politischen und ökonomischen Leben des Landes, in der Innen- und Außenpolitik vor. Seine Festlegungen und Forderungen trugen antifaschistischen, nationalen und antiimperialistischen Charakter. Die reaktionäre Großbourgeoisie, das Monopolkapital sollte politisch und ökonomisch entmachtet werden. Diese Maßnahmen waren für die Revolution, für die Sicherung und den Ausbau der demokratischen Rechte der Werktätigen lebensnotwendig. Die antifaschistische, demokratische Revolution hätte sich nicht ohne Eingriffe in die Herrschaft des Kapitalismus behaupten können. Denn — so betonte G. Dimitroff — „Man kann den Faschismus nicht radikal und restlos liquidieren, wenn man nicht die Herrschaft des Großkapitals antastet, man kann die demokratischen Rechte der Werktätigen nicht gewährleisten, wenn das Großkapital seine politische und wirtschaftliche Allmacht beibehält." 9 8 Gestützt auf das veränderte internationale Kräfteverhältnis, auf die Hilfe, die die Sowjetunion den revolutionären Kräften gewährte, und die Schwächung der geschlagenen inneren und äußeren Kräfte der Reaktion ausnutzend, gelang es der Volksmacht, bereits in dieser Phase der Revolution das kapitalistische System zu erschüttern. Die Maßnahmen zur politischen und ökonomischen Entmachtung der tschechoslowakischen Großbourgeoisie, die an der Zerschlagung und Besetzung des Landes einen entscheidenden Anteil hatte, überschritten deutlich den Rahmen einer bürgerlich-demokratischen Umwälzung, die, wie Lenin schrieb, „nicht imstande sein (wird) . . ., die Grundlagen des Kapitalismus anzutasten". 9 9 Der Kampf um die neue Demokratie wurde von der Arbeiterklasse der Tschechoslowakei und ihren Verbündeten zugleich als antifaschistischer und antiimperialistischer 96 Vgl. Cesta kc Kvctnu, a. a. O., S. 449 f. Program nové ceskoslovenské vlády národní fronty Cechu a Slovákú, in: Dok. 9, S. 189 ff. 98 G. Dimitroff, Politischer Rechenschaftsbericht des Zentralkomitees der Bulgarischen Arbeiterpartei (Kommunisten) an den V. Parteitag, 19. Dezember 1948, in: G. Dimitroff, Ausgewählte Schriften, Bd. 3, Berlin 4958, S. 577. 99 W. I. Lenin, Zwei Taktiken der Sozialdemokratie in der demokratischen Revolution, in: Werke, Bd. 9, S. 44.

97

44

K a m p f g e f ü h r t . S o e n t s t a n d e n g ü n s t i g e B e d i n g u n g e n f ü r die W e i t e r f ü h r u n g d e s K a m p f e s u m d i e D e m o k r a t i e (auf d e r B a s i s d e s R e g i e r u n g s p r o g r a m m s ) u n d d e s s e n

Verschmel-

zung mit d e m K a m p f u m den Sozialismus.100 100 Vgl. E. Kalbe, Der Platz der volksdemokratischen Revolution beim Ubergang vom Kapitalism u s zum Sozialismus, i n : Studien zur marxistisch-leninistischen Revolutionstheorie, Leipzig 1967, S. 65ff. ; M. Anders/W. Küttler, D a s Verhältnis von Demokratie und Sozialismus und die Weiterentwicklung der Leninschen Revolutionstheorie 1914-1917, i n : E b e n d a , S. 3 2 7 f f .

Kapitel

II

Der Kampf um die Realisierung des Kosicer Regierungsprogramms und um die Festigung des Bündnisses aller demokratischen Kräfte „ D a s Wichtigste . . . an unserer Regierung i s t . . . ihr Programm. Die tatsächliche Erfüllung und die konsequente Durchführung dieses Programms entspricht voll den Interessen und Forderungen des werktätigen Volkes in Stadt und Land, . . . und . . . auch dem politischen Bewußtsein unseres Volkes. Wichtig ist gerade die Durchführung. . . dieses Programms, weil seine Formulierung, Abstimmung und Veröffentlichung zwar ein schönes Stück Arbeit, aber erst der Anfang ist." 1

Die Regierung der Nationalen Front hatte sich bereits konstituiert, das Regierungsprogramm war endgültig bestätigt und verkündet, die Rote Armee hatte die Slowakei befreit, als die nationale Befreiungsbewegung in den noch besetzten tschechischen Landesteilen in den ersten Maitagen 1945 mit dem Prager Aufstand ihren Höhepunkt erreichte. Der Volksaufstand vom 5. Mai 1945 in Prag hatte sowohl den Sturz der Macht der Okkupanten als auch die Errichtung der Volksmacht zum Ziel.2 Der Sieg des Aufstands und die Verwirklichung seiner revolutionären Zielstellung waren weitgehend davon abhängig, welche Armee Prag befreien würde. Die Rote Armee würde die revolutionären Kräfte fördern, die amerikanische Armee würde die bürgerlichen Kräfte und die Wiederherstellung der Vorkriegsordnung unterstützen. Die Armee der U d S S R hatte bereits Vorbereitungen für die Befreiung der westlichen Teile der Tschechoslowakei getroffen, doch zu dem Zeitpunkt, da der Aufstand in Prag ausbrach, waren ihre Truppen einige Tagesmärsche von der Hauptstadt entfernt. Die amerikanischen Truppen hingegen befanden sich in Südböhmen an der von den Großmächten festgelegten Linie, über die hinaus sie jedoch nicht weiter nach Osten vorstoßen sollten. Während die Werktätigen Prags, allen voran die Arbeiter aus den Großbetrieben, sich bewaffneten, Barrikaden errichteten und heldenhaft gegen die Übermacht der Armee der Okkupanten kämpften, unternahmen bürgerliche Politiker alles, um die amerikanischen Truppen zum Vormarsch auf Prag zu bewegen. H. Ripka, Außenhandelsminister der neuen Regierung der Nationalen Front, wandte sich an das amerikanische Oberkommando — an das Supreme Headquarters Allied Expeditionary Force. (SHAEF), — damit von dort der Befehl zum Marsch nach Prag erteilt würde. Churchill bedrängte Truman und Eisenhower; J . Masaryk, Außenminister der tschechoslowakischen Regierung, richtete Appelle an Eden, und in London „beteten" L. Feierabend, führender Vertreter des Agrarkapitals, und weitere reaktionäre Politiker dafür, „daß die amerikanischen Panzer rechtzeitig in Prag eintreffen". 3 Sie alle waren sehr aktiv, um die Befreiung Prags durch die Truppen der Kl. Gottwald, Projev na prvnim prazskem aktivu KSC. 12. 5. 1945, in: Prispevky k dejinäm KSC, 1961, H. 3, S. 403. 2 Vgl. V. Kral, Osvobozeni Ceskoslovenska. Studie o mezinärodne politickych aspektech, Prag 1975, S. 312; Ders., K otdzce mezinärodnich souvislosti prazskeho povstäni v kvetnu 1945, in: Ceskoslovensky casopis historicky (im folgenden: CsCH), Prag 1975, H. 2, S. 161 ff. 3 Zit. nach: Ebenda, S. 179. 1

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Roten Armee zu verhindern. Diese Absicht vereinte die unterschiedlichsten und gegensätzlichsten Kräfte: Truman, Eden, Churchill und Dönitz, K. H. Frank und Schörner; Benes, Masaryk, Ripka und Feierabend, Ursiny u. a. Eisenhower befahl jedoch das Verbleiben der Truppen auf der festgelegten Linie. Die amerikanische Führung konnte es nicht riskieren, die Vereinbarungen mit der sowjetischen Armee nicht einzuhalten. Sie mußte berücksichtigen, daß auf dem europäischen Kontinent nicht die USA-Armee, sondern die sowjetische Armee die entscheidende Kraft im Kampf gegen den Faschismus war. Außerdem benötigten die USA die militärische Hilfe der Sowjetunion zur Niederschlagung Japans. Als am 9. Mai 1945 in den frühen Morgenstunden die ersten Einheiten der Roten Armee den Stadtrand von Prag erreichten und die sowjetischen Soldaten im Laufe des Tages die Hauptstadt befreiten, war für die tschechoslowakische Arbeiterklasse und alle anderen Werktätigen zugleich eine entscheidende Klassenschlacht gewonnen. Ein erster Angriff der Bourgeoisie (der kompromittierten Großbourgeoisie und des sog. demokratischen Teils der Bourgeoisie) auf die Revolution wurde zurückgeschlagen. Die Hoffnungen mancher bürgerlicher Politiker, die Regierungsbildung von Kosice rückgängig machen und das revolutionäre Regierungsprogramm durch ein bürgerlich-demokratisches ersetzen zu können, wenn amerikanische Truppen Prag befreit hätten, gingen nicht in Erfüllung. Die Anstrengungen der bürgerlichen Kräfte standen im Widerspruch zum internationalen und zum inneren Kräfteverhältnis in der CSR. Mit dem Regierungsprogramm von Kosice und seiner Aufgabenstellung hatten sich die führenden Vertreter aller Parteien der Nationalen Front, d. h. der KPTsch, der Tschechoslowakischen Sozialdemokratischen Partei, der Tschechoslowakischen Nationalen Sozialistischen Partei, der Volkspartei, der K P S und der slowakischen Demokratischen Partei, einverstanden erklärt. Die Führung der KPTsch machte sich keine Illusionen über die Schwierigkeiten, die bis zur Realisierung des Programms zu bewältigen sein würden. Die Unterzeichnung des Dokumentes bedeutete keinesfalls eine automatisch erfolgende, konfliktlose Erfüllung der Aufgaben. Um die Realisierung jeder der im Regierungsprogramm vorgesehenen revolutionären Maßnahmen mußte ebenso gekämpft werden wie um das Programm selbst. Die Haltung einiger bürgerlicher Regierungsmitglieder zum Prager Aufstand unterstrich diese Feststellung der KPTsch-Führung. Kl. Gottwald hatte auf der Funktionärskonferenz der K P S im April 1945 in Kosice gesagt: „Sie alle (gemeint sind die Mitglieder der Regierung der Nationalen Front — S. S.) haben es (das Kosicer Regierungsprogramm — S. S.) unterschrieben. Sie glaubten, daß nichts so heiß gegessen wird. Wir werden ihnen jedoch beweisen, daß wir, wenn wir sie gezwungen haben, das Programm zu unterschreiben, sie auch zwingen werden, das Programm durchzuführen . . . " 4 Die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei war zum erstenmal in einer Regierung vertreten. Mit acht von 25 Regierungsmitgliedern hatte sie einen bedeutenden Teil der Macht errungen. Die kommunistischen Minister stellten das neue, vorwärtsdrängende Element in der Regierung dar, das dieser ihren volksdemokratischen Charakter verlieh. Doch der Anteil der Arbeiterklasse an der Macht war schon im Jahre 1945 wesentlich größer als es die Zahl der Kommunisten in der Regierung auszudrücken vermochte. Der führende Anteil der Arbeiterklasse an der volksdemokratischen Macht ergab sich aus der engen Verbindung der Kommunisten in der Regierung mit den Massen: mit den Machtorganen der unteren Ebene — den Nationalausschüssen —, mit der Revolutionären Gewerkschaftsbewegung (ROH) und den Betriebsräten in den konfiszierten Betrieben. Von den Vertre4

Kl. Goihvald, Projev na konfercnci funkeionäru Komunisticke straxiy Slovenska v Kosicich 8. dubna 1945, in: Kl. Cottwald, Spisy, B d . X I I , P r a g 1955, S. 20.

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tern der Arbeiterklasse in den Machtorganen und der Unterstützung durch die Massen des werktätigen Volkes hing es in erster Linie ab, mit welcher Konsequenz und in welchem Tempo die beschlossenen Aufgaben erfüllt wurden. Bei dem K a m p f der Kommunisten um die Realisierung des Programms lag die Betonung vor allem auf der buchstabengetreuen Erfüllung der A u f g a b e n ; denn schon bei der Verwirklichung der ersten P r o g r a m m p u n k t e stellte sich heraus, daß die Führungen der Nationalen Sozialistischen Partei, der Volkspartei und der Demokratischen Partei die gemeinsam gefaßten Beschlüsse unterschiedlich interpretierten. Vor der Kommunistischen Partei als der führenden K r a f t s t a n d die schwierige Aufgabe, d a s breite, im Befreiungskampf entstandene Bündnis beim N e u a u f b a u des S t a a t e s zu erhalten und zu festigen, gleichzeitig jedoch den Klassenkampf gegen die Bourgeoisie u m die alleinige Führung der Gesellschaft fortzusetzen. Diese beiden Seiten umfaßte die von der K P T s c h auch nach der Befreiung, beim A u f b a u des volksdemokratischen S t a a t e s verfochtene Politik der Nationalen Front. Die K P T s c h befürwortete die enge Zusammenarbeit mit allen demokratischen K r ä f t e n des Landes, sie brauchte ihre Mitarbeit bei der Lösung der vielfältigen Aufgaben. In ihrer Politik der Nationalen Front berücksichtigte die Partei die Hinweise G. Dimitroffs, die dieser führenden Vertretern der K P T s c h und der K P S im November 1944 gegeben h a t t e : „Die Aufgaben der Nachkriegsentwicklung . . . werden so groß sein, daß d a f ü r nicht nur eine K l a s s e des Volkes oder nur eine Partei ausreicht. Auch die Kommunisten schaffen es allein nicht, die Aufgaben des Nachkriegsaufbaus zu erfüllen. Auch die Kommunisten brauchen Bündnispartner . . . " 5 Bei der Gewinnung der Bündnispartner mußte die Kommunistische Partei davon ausgehen, daß ihre Ziele noch nicht die Ziele der überwiegenden Mehrheit aller Werktätigen waren. Eine sozialistische Zielstellung für die erste Phase war daher irreal und hätte der Sache der Revolution nur geschadet. 6 Diejenigen revisionistischen tschechoslowakischen Historiker, die 1968/69 behaupteten, die Tschechoslowakei sei bereits 1945 mit der sozialistischen Revolution schwanger gegangen und d a s Regierungsprogramm hätte in der damaligen überaus günstigen Situation von Anfang an den Rahmen der nationalen und demokratischen Revolution überschreiten können 7 , ließen wesentliche F a k t e n unberücksichtigt. Sie übersahen, daß die Bourgeoisie noch starke Positionen sowohl im S t a a t s a p p a r a t als auch in der Wirtschaft besaß, daß ihr Einfluß auf bestimmte Bevölkerungskreise relativ groß war, daß die Bauern und die städtischen Mittelschichten — d. h. ein großer Teil der Bevölkerung — nicht auf die sozialistische Revolution vorbereitet waren und sich von ihr abgewandt hätten. Sozialistische Losungen 1945 hätten den K a m p f zwischen der Arbeiterklasse und der Bourgeoisie verschärft, hätten potentielle Verbündete der Arbeiterklasse in d a s Lager des Klassengegners, in d a s Lager der Konterrevolution getrieben, hätten die friedliche Entwicklung der Revolution (d. h. Verzicht auf den Einsatz militärischer Mittel) gefährdet bzw. unmöglich gemacht. E s durfte 1945 kein Schritt übereilt getan werden. Dimitroff hatte den tschechischen und slowakischen Kommunisten empfohlen, nicht durch verfrühte sozialistische Losungen und Forderungen die Massen abzuschrecken, sondern sie zu gewinnen, indem die K o m m u nisten sie überzeugten. „Wir müssen die schwankenden Schichten des Volkes auf dem Weg praktischer Maßnahmen und Schritte gewinnen. Wir dürfen niemals d a s Gefühl für die Realität verlieren." 8 Grundlage für die revolutionären Umgestaltungen in der Tschecho5

6 7 8

Zit nach: J. Skurlo, Närodnä a demokratickä revolücia na Slovensku a jej vysledky, in Za nove Ceskoslovensko, Bratislava 1972, S. 68. Vgl. Kl. Gottwald, Projev na konferenci funkcionäfü, in: Kl. Cottwald, Spisy, Bd. X I I , S. 15. Vgl. Stfedni a jihovychodni europa ve välee a v revoluci 1939—1945, Prag 1969, S. 118. Zit. nach: J. Skurlo, Närodnä a demokratickä revolücia na Slovensku a jej vysledky, a. a. 0., S. 67.

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Slowakei wurde darum nicht das Programm der Kommunistischen Partei, dessen Ziel der Sozialismus ist, sondern das Programm der Regierung der Nationalen Front. Gelang es, dieses Programm in der Praxis durchzusetzen und im Prozeß seiner Realisierung große Teile der Bevölkerung für die Unterstützung der Politik der KPTsch zu gewinnen, so wurden damit wesentliche Voraussetzungen für die Weiterführung der Revolution geschaffen. 9 In den tschechischen Ländern hatte sich noch während des Befreiungskampfes der Nationale Block des werktätigen Volkes in Stadt und Land herausgebildet, 10 dem die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei, die Sozialdemokratische Partei und die Nationale Sozialistische Partei angehörten. Die Führungen dieser drei Parteien unterzeichneten am 8. Juni 1945 ein Übereinkommen über die Fortsetzung der Zusammenarbeit nach dem Kriege, speziell über ein gemeinsames Vorgehen bei der Realisierung des Regierungsprogramms. 11 Der Nationale Block wurde zum Kern der Nationalen Front. Er stellte sich die Aufgabe, die Tätigkeit der progressivsten Kräfte der Gesellschaft zu koordinieren und die Durchführung des Regierungsprogramms politisch einheitlich zu leiten. „Der Nationale Block betrachtet es als seine Mission, die führende und treibende Kraft bei der Sammlung aller gesunden Elemente der Nation . . . zu sein". 12 Obigeich der Nationale Block nur kurze Zeit wirksam war — er zerfiel schon Ende 1945 — spielte er bei den revolutionären Umgestaltungen in den ersten Monaten nach der Befreiung der Tschechoslowakei eine große Rolle. Solange das Bündnis der drei Parteien existierte, gab es für reaktionäre Elemente wenig Möglichkeiten, zu Wort zu kommen. Rechte Kräfte innerhalb der Sozialdemokratie und der Nationalen Sozialistischen Partei waren durch die Zugehörigkeit ihrer Parteien zur Nationalen Front und zum Nationalen Block doppelt zur Mitarbeit an der Erfüllung des Regierungsprogramms verpflichtet. Die Existenz dieses Bündnisses der Parteien bildete eine zusätzliche Barriere gegen ein eventuelles von den Interessen der Mitgliedermassen abweichendes Auftreten jener Kreise. Die revolutionäre Stimmung in der Tschechoslowakei und die Kampfbereitschaft der Arbeiterklasse und ihrer Verbündeten zwang die Führungen aller Parteien zur Zusammenarbeit im Rahmen der Nationalen Front. Sie zwang die führenden Kräfte der Sozialdemokratie und der sich als linke Partei bezeichnenden Nationalen Sozialisten zu einem gesonderten Abkommen mit der Kommunistischen Partei. Für die Gewinnung der Massen des werktätigen Volkes und für ihre Einbeziehung in den Kampf um die Realisierung des Kosicer Programms besaß die Tatsache, daß die Parteiführungen bereit waren, ihre Kräfte zu vereinen, großes Gewicht. Die Mitgliedschaft der Parteien erhielt die Möglichkeit, die Führungen zur Einhaltung des Abkommens zu zwingen. Die Kommunistische Partei machte sich hinsichtlich ihrer Bündnispartner, vor allem hinsichtlich der Nationalen Sozialisten, keine übertriebenen Hoffnungen. Dennoch förderte sie nicht nur die Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten, sondern auch mit den Nationalen Sozialisten. Die Zusammenarbeit im Block war Bestandteil des Kampfes der KPTsch um die Gewinnung der Massen. Sie nutzte jede Chance, um einen möglichst großen Teil der Bevölkerung mit dem Programm des Neuaufbaus vertraut zu machen und für die aktive Unterstützung dieses Programms zu

9

Vgl. M. Anders/W. entwicklung

der

Iiüttler,

D a s V e r h ä l t n i s v o n D e m o k r a t i e u n d S o z i a l i s m u s u n d die Weiter-

Leninschen Revolutionstheorie

1914—1917,

in:

Studien

zur

marxistisch-

l e n i n i s t i s c h e n R e v o l u t i o n s t h e o r i e , L e i p z i g 1967, S . 3 2 8 ff. »o V g l . K a p . I., A n m . 54. 11

D o h o d a o spolecnem p o s t u p u stran Närodniho bloku pracujiciho lidu mest i venkova, in: R ü d e p r ä v o , P r a g , 17. 6. 1945.

12 E b e n d a . 4 Schröder-Laskowski, Tschechoslowakei

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gewinnen. Die Führungen der nichtmarxistischen Parteien im Block h a t t e n zu beweisen, wie ehrlich sie es mit ihrer „linken" Orientierung meinten. Hielten sich die B ü n d n i s p a r t n e r nicht an das Übereinkommen, so m u ß t e n sie d a m i t rechnen, als Feinde des Nationalen Blocks u n d letzten Endes als Feinde der Nationalen F r o n t e n t l a r v t zu werden. Der Differenzierungsprozeß innerhalb der einzelnen Parteien k o n n t e schneller voranschreiten. 1 3 F ü r die Politik der KPTsch im Nationalen Block der Werktätigen galt in vers t ä r k t e m Maße das, was Gottwald über die Politik der Nationalen F r o n t gefordert h a t t e : „. . . die Öffentlichkeit an allen Fragen (zu) interessieren . . . u n d so unsere P a r t n e r u n t e r den Druck ihrer Mitgliedschaft (zu) stellen, d a m i t sie nicht aus der Reihe tanzen können." 1 4 Das Bündnis der KPTsch, der Sozialdemokratie u n d der Nationalen Sozialistischen P a r t e i war jedoch weit mehr als nur eine taktische Überlegung der Kommunisten. Es war Ausdruck der grundlegenden Veränderungen in der politischen Leitung des befreiten Staates. 1 5 F ü r die Entwicklung des politischen Lebens im neuen tschechoslowakischen S t a a t h a t t e die Festlegung in der Vereinbarung der drei Parteien, alle demokratischen Massenorganisationen als einheitliche, gesamtstaatliche Organisationen zu gründen, außerordentlich große Bedeutung. Mit diesem Beschluß des Nationalen Blocks, der auch in der Nationalen F r o n t durchgesetzt wurde, verlor die Reaktion von Anfang an die Möglichkeit, die revolutionären K r ä f t e durch ein Auseinandermanövrieren der Werktätigen in F o r m der Spaltung der Massenorganisationen zu schwächen. Dem „teile u n d herrsche" der ausbeutenden Klassen wurde an einem entscheidenden Abschnitt des politischen Kampfes ein Ende bereitet. Eine einheitliche gesamtstaatliche Massenorganisation f ü r eng begrenzte bürgerliche Klasseninteressen zu mißbrauchen, war wesentlich schwieriger als die Manipulierung einer an eine einzelne Partei gebundenen Organisation. Durch die Bildung einer einheitlichen Gewerkschaftsorganisation, der Revolutionären Gewerkschaftsbewegung (tschechische Abkürzung — ROH), entstand ein machtvolles I n s t r u m e n t der Arbeiterklasse f ü r den Kampf zur Durchsetzung ihrer Interessen u n d revolutionären Forderungen. Der Beschluß sah weiter die Gründung einer einheitlichen Interessenorganisation der Bauern sowie die E n t s t e h u n g einer Jugend- u n d einer Sportorganisation vor. Die Genossenschaftsbewegung, die auf eine langjährige Tradition zurückblickte, sollte in eine demokratische Organisation umgewandelt, ihre Leitung von profaschistischen Kräften, die während der Okkupation eingesetzt worden waren, befreit u n d durch progressive K r ä f t e ersetzt werden. 4 6 U m die Beschlüsse der drei Parteien mit Leben zu erfüllen, wurden in S t ä d t e n , Kreisen, Bezirken u n d auf höchster Ebene Koordinierungsausschüsse des Nationalen Blocks gebildet. In diesen Gremien waren die teilnehmenden Parteien paritätisch vertreten. Zu den wichtigsten Aufgaben der Ausschüsse gehörte die Vorbereitung auf ein geschlossenes Auftreten der Abgeordneten der drei Parteien in den Nationalausschüssen der verschiedenen Ebenen u n d in der Regierung sowie die Erarbeitung von Vorlagen f ü r die staatlichen Machtorgane. Die Vertreter der dem Nationalen Block angehörenden Parteien setzten auf den unteren Ebenen die Zusammenarbeit auch fort, nachdem die führenden F u n k t i o n ä r e der Nationalen Sozialisten den Block der Werktätigen gesprengt hatten. « Vgl. V. Adämek, 14

a. a. 0 . , S. 23.

Kl. Gottwald, Zäverecne slovo na zasedäni rozsireneho TJstredniho vyboru KSC 18. 12. 1945, in: Spisy, Bd. XII, S. 223. 15 Vgl. R. Slänsky, Vedouci silou ve stätc mu'si byt pracujici lid, in: Rüde pravo, 17. 6. 1945. 1® Vgl. ebenda.

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Ein Überblick über die allgemeine Situation und das Kräfteverhältnis innerhalb der Parteien der Nationalen Front im J a h r e 1945 soll dazu dienen, auf die günstigen Bedingungen für die Verwirklichung des Kosicer Programms und auf die Probleme hinzuweisen, die Kl. Gottwald zu der Feststellung veranlaßten, daß die Annahme des Regierungsprogramms erst der Beginn eines schweren und langwierigen Kampfes um den neuen volksdemokratischen S t a a t gewesen sei. 17 Die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei war nach der Befreiung des Landes die stärkste und einflußreichste Partei. Sie war trotz des Verbots im Herbst 1938 und trotz der großen Verluste in der Zeit der Okkupation die einzige Partei, die niemals zu existieren und zu arbeiten aufgehört und sich nicht durch Zusammenarbeit mit den Feinden des Volkes und der Nation kompromittiert hatte. Große Teile der Bevölkerung würdigten ihre Leistungen im Widerstands- und Befreiungskampf des tschechischen und slowakischen Volkes. Die Befreiung der Tschechoslowakei durch die Rote Armee stärkte die Stellung und den Einfluß der Kommunistischen Partei, besonders im Vergleich zu den bürgerlichen Parteien, die lange Zeit auf die Befreiung des Landes durch die Armeen der Westmächte gebaut hatten. Während die anderen Parteien im Sommer 1945 erst mit dem Wiederaufbau ihrer Grundorganisationen begannen, existierten Anfang Juli 1945 schon 2825 Orts- und 635 Betriebsorganisationen der KPTsch mit insgesamt knapp 500000 Mitgliedern. 18 Nach der Befreiung stärkten Tausende neuer Mitglieder die Reihen der KPTsch, die in der Paitei den Initiator des Rcgicrungsprogramms, den engen Verbündeten der U d S S R und den konsequenten Vertreter der Interessen der Arbeiter und der werktätigen Bauern sahen. Anfang August 1945 besaß die Partei schon mehr als 650000 Mitglieder. Bis zum 1. November stieg die Mitgliederzahl auf 793140. Die KPTsch Verfügte zu diesem Zeitpunkt über 10059 Orts- und 2804 Betriebsorganisationen. 1 9 Im Bezirk Prag, in dem es vor dem Krieg 5391 Mitglieder der Kommunistischen Partei gab, wuchs die Zahl der Parteimitglieder bis Ende 1945 auf 146593 (davon waren 61 Prozent Arbeiter) 2 0 . Auch in Gebieten, in denen die Partei vor dem Krieg kaum Einfluß besaß, stiegen die Mitgliederzahlen in den ersten Monaten nach der Befreiung sprunghaft an. Für die Gewinnung der Massen schuf die zahlenmäßige Stärke der KPTsch günstige Bedingungen. Für die Partei selbst, die seit ihrer Gründung den Charakter einer Massenpartei hatte, war der anhaltende Zustrom neuer Mitglieder einerseits ein Vertrauensbeweis, andererseits schuf er zahlreiche Probleme sowohl ideologischer als auch organisatorischer Art. Die ideologische Erziehung der Mitglieder war dringend notwendig. In Abendschulungen der Grundorganisationen wurden vor allem der Charakter der nationalen und demokratischen Revolution und die Politik der Partei erläutert. Studienmaterial war in erster Linie das Kosicer Regierungsprogramm. Die vordringlichste Aufgabe aller Kommunisten in der nationalen und demokratischen Revolution, die die erste E t a p p e des Ubergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus in der Tschechoslowakei darstellte, bestand darin, die von den Werktätigen errungenen Machtpositionen zu sichern und für die vollständige und schnelle Durchführung des Kosicer Programms zu sorgen. Die Bourgeoisie mußte daran gehindert werden, die Unerfahrenheit der Arbeiterklasse und ihrer Partei in Leitungs- und Verwaltungsangelegenheiten zur Stärkung ihrer eigenen Positionen zu nutzen oder die Realisierung einzelner " 18

Vgl. A n m . 1. E. DvofakovájP.

19 Ebenda.

Le.ijuk, Cs. spolecnost a komunisté v letech 1945—1948, P r a g 1967, S. 71.

20

L. Lehdr, Ülolia m a s o v é elenské základny K S C v podminkách pokojného rozvoje revoluce do února 1948, Dissertation, P r a g 1962, S. 77.

4*

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Programmpunkte aus engen Klasseninteressen zu verzögern. Eine zentrale Rolle spielte in diesem Zusammenhang die Mitarbeit der Kommunisten in den neuen örtlichen Machtorganen, den Nationalausschüssen. Sie stellten die Hauptarena des politischen Kampfes dar. 2 1 „Die Nationalausschüsse — das ist die Achse, um die sich in der nächsten Zeit alles drehen wird", erklärte Kl. Gottwald vor Prager Parteifunktionären. 2 2 Ihre besondere Bedeutung erwuchs aus der Tatsache, daß im nationalen Befreiungskampf und mit der Befreiung des Landes durch die Rote Armee die alten bürgerlichen Machtorgane zerschlagen worden waren und die Nationalausschüsse als revolutionäre Organe der Werktätigen die Macht im Orts-, Kreis- und Landesmaßstab (Böhmen, Mähren, Slowakei) übernahmen. Die Existenz der Nationalauschüsse als alleinige Machtorgane in den Territorien war die weitestgehende revolutionäre Errungenschaft der tschechoslowakischen Werktätigen. Nachdem die Ausschüsse nach harten Auseinandersetzungen im Regierungsprogramm als staatliche Macht- und Verwaltungsorgane von allen Parteien anerkannt worden waren, kam es nun darauf an, diese Organe so zu besetzen, daß sie tatsächlich zu Machtorganen des Volkes wurden. Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschafter und ehemalige Partisanen, d. h. die progressivsten Kräfte der Gesellschaft, sollten ihren Charakter bestimmen. Die Nationalausschüsse durften keine Neuauflage bürgerlicher Machtorgane unter neuem, populärem Namen werden, sondern mußten im Interesse der Werktätigen und im Interesse der weiteren Entwicklung des Staates ihren revolutionären Charakter bewahren. In vielen örtlichen Nationalausschüssen bildeten die Mitglieder der K P T s c h von Anfang an die absolute Mehrheit der Abgeordneten. Auch dort, wo die Parteien in den Ausschüssen paritätisch vertreten waren, gelang es den Kommunisten, die führende Stellung ihrer Partei durchzusetzen. Ende 1945 waren in den tschechischen Ländern 30 bis 40 Prozent aller Mitglieder örtlicher Nationalausschüsse Kommunisten. 2 3 In Böhmen stellte die Kommunistische Partei 46 Prozent der Vorsitzenden der örtlichen Staatsorgane. Ein Problem, das die Führung der KPTsch mit besonderer Sorgfalt behandelte, betraf die enge Zusammenarbeit der KPTsch mit der Sozialdemokratischen Partei und der Nationalen Sozialistischen Partei im Rahmen des Nationalen Blocks der Werktätigen in S t a d t und Land. Unter den Arbeitern, sowohl Kommunisten als auch Sozialdemokraten, war der Wunsch nach einem sofortigen Zusammenschluß der Arbeiterparteien, nach der Überwindung der Spaltung, die immer nur den Interessen der Bourgeoisie gedient hatte, sehr stark. Eine Vereinigung der Arbeiterparteien sah auch das Programm der Kommunisten vor, doch — wie Gottwald im Mai 1945 in Prag erklärte — „nicht für heute, sondern für morgen." 2 4 E r sagte: „Wir müssen wissen, was jetzt real und erreichbar ist, und darauf unsere Kräfte konzentrieren." 2 5 Real und notwendig für die Leitung der revolutionären Umgestaltungen im L a n d war der Zusammenschluß der drei Parteien zu einem festen politischen Block, der mittels Koordinierungsausschüssen in Betrieben, Städten, Kreisen, bis hinein in die Regierung als Kern der Nationalen Front wirkte. Eine weitere Maßnahme, die sofort in Angriff genommen werden konnte, war die Schaffung einheitlicher Massenorganisationen, vor allem einer einheitlichen Gowerkschaftsorganisation. Die Bildung einer vereinigten Arbeiterpartei wenige Wochen oder Monate nach der Befreiung war jedoch in mehrfacher Hinsicht nicht möglich: dem organisatorischen Zusammenschluß mußte die Herstellung der politischen und ideologischen Einheit vorausgehen. Ohne sie würde die neu

21 Vgl. Kl. Gottwald, P r o j e v na konferenci f u n k e i o n ä r ü ICSS, i n : Kl. Gottwald, S p i s y , B d . X I I , S. 17.

Kl. Gottwald, P r o j e v n a p r v n i m p r a z s k e m a k t i v u K S C , i n : e b e n d a , S. 405. K. Bertelmann, V y v o j n ä r o d n i c h v y b o r u do ü s t a v y 9. k v e t n a , P r a g 1964, S. 172. 24 Kl. Gottwald, P r o j e v n a p r v n i m p r a z s k e m a k t i v u K S C , a. a. 0 . , S. 408. 25 E b e n d a , S . 410.

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zu bildende Partei sehr schnell wieder zerfallen. Die politische und ideologische Einheit war in gemeinsamen Aktionen bei der Lösung der Tagesaufgaben zu erlangen. Die Tätigkeit des Blocks der drei Parteien und seiner Koordinierungsausschüsse konnte also ein erster Schritt dazu sein. Ein weiteres Argument, das gegen eine schnelle Vereinigung sprach: Zum damaligen Zeitpunkt hätten sich lediglich die besten, bewußtesten Sozialdemokraten und eine verschwindend kleine Zahl Nationaler Sozialisten mit den Kommu-, nisten vereinigt. Eine Reihe von Mitgliedern beider Parteien war bereits nach der Befreiung in die K P T s c h eingetreten. Die Masse der Mitglieder beider Parteien wäre außerhalb der neuen, auf der Basis des Marxismus-Leninismus zu vereinigenden Partei geblieben. Rechte Kräfte in der Sozialdemokratie und besonders in der Nationalen Sozialistischen Partei hätten ohne großen Widerstand die Führung dieser Massen aus den alten Parteien übernommen und sie dorthin geführt, „wo sie niemand von uns haben möchte", 2 6 d. h. in das Lager der Opposition. Unter diesem Gesichtspunkt hätte eine Vereinigung nicht der Stärkung der revolutionären Kräfte gedient, sondern hätte sie empfindlich geschwächt. Die Massen der Mitglieder wären nicht für die Mitarbeit an der Lösung der neuen Aufgaben gewonnen worden, sondern hätten zu Instrumenten der Gegner der Revolution werden können. Schließlich ein dritter Aspekt zum Problem der Vereinigung: Bevor sich die Parteien vereinigten, mußte Klarheit über den Charakter der einzelnen Parteien bestehen. Die Sozialdemokraten und die Nationalen Sozialisten begannen im Sommer und Herbst 1945 erst, ihre Parteien zu erneuern. Im Verlauf des Wiederaufbaus der Parteien wurde um deren Führung und zukünftige politische Orientierung gerungen. Die KPTsch unterstützte die linken Kräfte in der Sozialdemokratischen und der Nationalen Sozialistischen Partei (ebenso wie in den anderen Parteien und Massenorganisationen). Im Interesse der Sicherung der Revolution lag ihr sehr daran, daß die progressivsten Kräfte die Führung übernahmen und die Politik der Parteien bestimmten, daß diese Parteien zu ehrlichen und tatkräftigen Bündnispartnern im Nationalen Block und in der Nationalen Front zu Interessenvertretern der Werktätigen wurden. In die Führungen gelangten jedoch auch solche bürgerlichen Kräfte, die sich nur progressiv und revolutionär gebärdeten, die auf ein Abflauen der revolutionären Welle warteten, ihre Positionen aber schon jetzt sichern wollten. E s bedurfte also einiger Zeit, bis sich der wahre Charakter der Führung der zu erneuernden Parteien und ihre politische Linie offenbaren würden. Erst dann konnten genauere Vereinbarungen über einen eventuellen Parteienzusammenschluß getroffen werden. 27 Engster Verbündeter der Kommunistischen Partei war die Tschechoslowakische Sozialdemokratie. Sie besaß im Sommer 1945 knapp 353000 Mitglieder. 28 Beim Wiederaufbau der Partei stand die Führung hinsichtlich der Erarbeitung der politischen Linie und der Bestimmung des Charakters der Partei vor einigen Schwierigkeiten. Ein Teil der Mitgliedschaft, vorwiegend Arbeiter, wollte keine Erneuerung der Sozialdemokratie Partei, sondern die sofortige Vereinigung der beiden Arbeiterparteien und damit die endgültige Uberwindung der Spaltung der Arbeiterklasse. Viele langjährige Mitglieder der Partei, darunter ebenfalls zahlreiche Arbeiter, hatten 1945, enttäuscht von der Politik der Sozialdemokratie in der Vergangenheit, die Partei verlassen und waren in die K P T s c h eingetreten. Der Anteil der Arbeiter an der Mitgliedschaft der Partei sank 1945 im Vergleich zum Vorkriegsstand von 58,5 auf 35 Prozent. 2 9 Die Parteiführung bemühte sich um eine Politik im Interesse der Arbeiterklasse und um Ebenda. 2' Vgl. ebenda, S. 408 ff. 28 E. DvoraJtov&jP. Lesjuk, 29 Ebenda. 26

a. a. 0 . , S. 64.

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die S t ä r k u n g des Anteils von Arbeitern an der Mitgliedschaft der Partei. 3 0 Doch der Zustrom aus den kleinbürgerlichen Schichten blieb weitaus stärker als der aus der Arbeiterklasse. Nach der Befreiung der Tschechoslowakei bestimmten die linken K r ä f t e innerhalb der Sozialdemokratischen Partei die politische Linie. Zdenek Fierlinger, Vorsitzender der Sozialdemokratie und Kopf der Linken, langjähriger tschechoslowakischer B o t s c h a f t e r in der Sowjetunion und Vorsitzender der Regierung der Nationalen F r o n t , setzte sich für eine enge und fruchtbare Zusammenarbeit seiner Partei mit den K o m m u n i s t e n in der Regierung, in der Nationalen F r o n t und im Nationalen Block der drei Parteien ein. Die Rechten in der Partei, vertreten vor allem durch V. Majer (Minister für Ernährung), sahen unmittelbar nach der Befreiung keine Möglichkeit, offen und selbständig aufzutreten, ohne von vornherein ihren Einfluß und ihre Positionen innerhalb der Partei aufs Spiel zu setzen. Unter Fierlingers Leitung hatte sich im April 1945 in Kosice ein provisorischer Aktionsausschuß der Tschechoslowakischen Sozialdemokratie konstituiert, der bis zufti Oktober 1945, d. h. bis zum X X . , dem sog. Manifestationsparteitag als führendes Organ der Partei wirkte. Dieser Ausschuß veröffentlichte a m 13. J u n i 1945 im Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei „ P r ä v o l i d u " einen Aufruf „An das tschechische V o l k " , der die nächsten Aufgaben und Ziele der Partei enthielt. Darin hieß es u. a . : „. . . wir werden die neue Basis unseres revolutionären demokratischen S t a a t s g e d a n k e n s festigen und die für die Zukunft unerläßlichen Bedingungen durchsetzen, daß nie mehr die Zeit der inneren Reaktion, die Zeit des Verrats an der S a c h e des Volkes z u r ü c k k e h r t . " 3 1 Der Zentrale Ausschuß bekannte sich zur engen und ehrlichen Zusammenarbeit mit allen Parteien der Nationalen Front, besonders mit denen des Nationalen Blocks des werktätigen Volkes. Durch die zielstrebige Zusammenarbeit wollte die Sozialdemokratie d a z u beitragen, „die Voraussetzungen für die ideologische und organisatorische Einheit des werktätigen Volkes in S t a d t und L a n d " zu schaffen. 3 ' 2 Bereits a m 12. Mai hatten Zd. Fierlinger, B . L a u s m a n und V. Majer im Namen des Aktionsausschusses dessen Stellung zur Regierung der Nationalen Front erläutert: Die Beteiligung von Sozialdemokraten an der Regierung bedeute, daß sie „für die Durchführung des Regierungsprogramms die volle Verantwortung übernehmen und . . . die Regierung mit ganzer K r a f t bei ihrer großen A u f g a b e unterstützen werden". 3 3 In dieser ersten Phase der Revolution setzten die linken Sozialdemokraten, gestützt auf die Werktätigen, ihre Konzeption zur engen Zusammenarbeit bei gleichzeitiger B e t o n u n g der Selbständigkeit der Partei durch. Auch in den programmatischen Grundsätzen der Partei v o m Oktober 1945 fanden in entscheidenden F r a g e n die Vorstellungen der Linken ihren Niederschlag: Die Sozialdemokratie wollte feste S t ü t z e der N a t i o n a l a u s s c h ü s s e sein; sie t r a t für die Festigung des Nationalen Blocks der Werktätigen ein; sie verteidigte die Einheit der Gewerkschaftsbewegung und sprach sich für einheitliche Sport- u n d J u gendorganisationen a u s ; in der Außenpolitik war sie entschlossen, die Konzeption d e s engen Bündnisses mit der U d S S R aktiv zu unterstützen. 3 4 E n d e 1945 besaßen die Linken günstige Positionen in den Auseinandersetzungen u m den Vgl. E. Erban, £s. sociälni demokracie a delnictvo (Rede auf dem X X . Parteitag der Tschechoslowakischen Sozialdemokratie); Archiv irstavu dejin KSC (AÜD KSC), F. 71/111/3. 31 Ceskemu lidu, in: Pravo lidu, Prag, 13. 6. 1945, S. 1. 3 2 Ebenda. 33 Pro jednotne hnuti pracujiciho lidu: Cs. sociälne demokratickii strana do noveho zivota. Vyzva akeniho vyboru strauy, in: Prävo lidu, 12. 5. 1945. 34 Vgl. Sociälni demokracie v obnovenem State. Programove zasady strany, in: Prävo lidu, 20. 10. 1945. 30

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Charakter der Sozialdemokratischen Partei. Doch die Rechten gaben sich noch nicht geschlagen. Die Tschechoslowakische Nationale Sozialistische Partei, Bestandteil des Nationalen Blocks des werktätigen Volkes, wollte in erster Linie die Interessenvertreterin der städtischen Mittelschichten sein. Ihr gehörten aber auch Unternehmer und dem Präsidenten der Republik nahestehende Kreise der Bourgeoisie an. Der Anteil der Arbeiter an der Gesamtzahl der Mitglieder betrug nur knapp 17 Prozent. 3 5 Insgesamt besaß die Partei Ende 1945 etwa 4 5 0 0 0 0 Mitglieder und war damit nach der K P T s c h die zweitstärkste Partei in den tschechischen Ländern. Die Bemühungen um die Erneuerung der Nationalen Sozialistischen Partei standen in unmittelbarem Zusammenhang mit bürgerlichen Vorstellungen über die Neubildung politischer Parteien nach dem Krieg. Benes' Vorschlag, eine einzige linke Partei zu bilden, bestehend aus der bisherigen K P T s c h , der Sozialdemokratie und „linken bürgerlichen Elementen", verfolgte das Ziel, die Kommunistische Partei als selbständige, revolutionäre Partei zu liquidieren. Durch die Vereinigung mit nichtmarxistischen Kräften in einer sog. linken Partei sollten Kraft und Einfluß der Kommunisten absorbiert werden. 36 Diesem Plan stimmten aber selbst einige Vertraute des Präsidenten nicht zu, da angesichts des Einflusses der K P T s c h auch das Gegenteil eintreten konnte — daß nämlich die bürgerlichen Kräfte in einer solchen Vereinigung ihre Positionen verloren. H. Ripka, Mitglied der Exilregierung in London, schrieb im Mai 1 9 4 2 : „. . . ich selbst habe ständig F u r c h t vor der Verwirklichung seiner (d. h. des Präsidenten — S . S.) Pläne, und zwar deshalb, weil für mich kein Zweifel daran besteht, daß die Kommunisten, besonders in der ersten Zeit unmittelbar nach dem Krieg, eine einheitliche sozialistische Partei beherrschen würden und dann durch ein Vordringen in die wichtigsten politischen und administrativen Positionen den ganzen S t a a t beherrschen k ö n n t e n . " 3 7 Im Mai 1944 unterstützte Ripka eine einheitliche sozialistische Partei, wenn sie „eine demokratische Partei mit Masarykscher Sozialismuskonzeption" wäre. 38 E r fügte hinzu: „Natürlich müssen wir aufpassen, und dürfen uns nicht zu den Rechten werfen lassen." Wenn Benes auf Grund des Widerstandes der K P T s c h seinen Plan zur Schaffung einer „sozialistischen" Partei nicht durchsetzen konnte, so spielten doch seine Überlegungen und die der führenden Funktionäre der Nationalen Sozialistischen Partei eine wesentliche Rolle bei der Erneuerung der Nationalen Sozialistischen Partei, die, der Mehrzahl der Mitglieder nach kleinbürgerlichen, der Führung nach eindeutig bürgerlichen Charakter besaß. Die Führung wollte mit der Existenz dieser sog. linken Partei die Positionen der Bourgeoisie erhalten, die Kräfte für eine Periode, in der die revolutionäre Welle abgeflaut sein würde, sammeln. Die Nationalen Sozialisten erkannten, daß nur die progressiven, linken Kräfte bei der Umgestaltung des gesellschaftlichen Lebens im S t a a t ein W o r t mitzusprechen hätten. U m die Periode der Revolution „überdauern" zu können, mußten sie die revolutionäre Stimmung großer Teile der Bevölkerung in der Tschechoslowakei berücksichtigen, mußten sich also revolutionär und linksgerichtet geben und sich von weiter rechts stehenden Kräften wenigstens in der Phraseologie absetzen. Sie bezeichneten sich daher als linksgerichtete, „nationale, sozialistische und demokratische P a r t e i " . 3 9 35 E. Dvof&kov&jP. Lesjuk, a. a. 0 . , S. 62. Vgl. H. Ripka, Zaznam o rozhovoru presidenta Benesa s Anthony Edenem a Philippem Nicholsem v Londyne dne 21. ledna 1942, in: V. Kral, Cestou lc tinoru, dokumenty, Prag 1963, S. 99. 37 Ze zäpisu o rozhovoru Huberta Ripky s presidentem Benesem v Londyne dne 8. kvetna 1942, in: Ebenda, S. 100. 3 8 Ze zäpisu o porade narodnich socialistü v Londyne dne 17. kvetna 1944, in: Ebenda, S. 104. 39 P. Zenkl, Nase bratrstvi pilifem näroda, socialismu a demokracie. Programovy projev, in: Svobodne slovo, Prag, 11. 12. 1945. 36

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In einer programmatischen Rede im Dezember 1945 gab der Vorsitzende der Partei» Dr. P. Zenkl, eine Begründung für die Existenz einer dritten „sozialistischen" Partei in der Tschechoslowakei. Er umriß zugleich das Wesen des von seiner Partei propagierten „tschechoslowakischen Sozialismus" und charakterisierte den ideologischen Standpunkt seiner Partei: „Von der Kommunistischen Partei unterscheidet uns die grundlegende philosophische Auffassung der Geschichte und der Aufgaben unseres Volkes im S t a a t . . . Wir bekennen uns zur Lehre Masaryks . . . Die Revolution halten wir nur für ein Mittel, zu dem wir nur im äußersten Fall das Recht haben zu greifen, und zwar nur dann, wenn es um d a s Interesse des ganzen Volkes und nicht nur einer gesellschaftlichen Klasse geht . . . Wir lehnen Gewalt in der Innen- und internationalen Politik ab und sind deshalb auch gegen jede außenpolitische Konzeption, die unseren S t a a t irgendeinem einseitigen Staatenblock unterordnen wollte . . . Ebenso wie unser ablehnendes Verhältnis gegenüber der marxistischen Lehre und ihrem Materialismus uns von der Kommunistischen Partei trennt, trennt es uns auch von der Sozialdemokratischen Partei. Die Abneigung gegenüber (der Anerkennung — S. S.) von Klassenunterschieden und die stärkere Hervorhebung der wirtschaftlichen und kulturellen Eigenständigkeit unseres Volkes unterscheidet uns ideologisch wesentlich von ihnen." 4 0 Sie grenzten sich als „sozialistische" Partei scharf nach links a b , hielten aber von Anfang an nach rechts alle Türen offen. Sic betonten die Unterschiede gegenüber den beiden Arbeiterparteien, verschwiegen aber im wesentlichen ihre eigenen Ziele. Sie warben für sich mit Hilfe der Demagogie und rechneten mit politisch ungebildeten Anhängern, die die Partei nach dem Klang ihrer Worte einschätzten. Die Führung der Nationalen Sozialisten nannte den Sozialismus ihr Ziel, doch nicht in der marxistischleninistischen Bedeutung. E s war ein Pseudosozialismus. Die Parteiführung lehnte den Klassenkampf ab und wollte ihren Beitrag zum „sozialen Frieden" leisten. Sie erklärte, in der Tschechoslowakei gäbe es keine parasitären Klassen, die nur von der Arbeit anderer lebten. „Wir sind ein Volk kleiner werktätiger Menschen, die alle in gleicher Weise ihren Beitrag leisten müssen, wenn wir jenes höhere Lebensniveau erreichen wollen, nach dem sich alle sehnen." 4 1 Ihr Sozialismus sei kein Feind des Privateigentums, sondern vielmehr sein Beschützer. Der Sozialismus wolle und solle „gleichermaßen dem Arbeiter wie dem Privatunternehmer, dem Bauern, dem Gewerbetreibenden wie dem Kaufmann helfen." 4 2 Die Partei erstrebte eine dem Marxismus fremde, eigene „tschechoslowakische" Gesellschaftsform, die sich in erster Linie auf die Mittelschichten stützte. Ihre DemokratieVorstellungen verband sie mit Masaryks Lehren von der Demokratie. Die Partei unterstützte das Kosicer Regierungsprogramm, sie beteiligte sich an der Durchführung der antifaschistischen Maßnahmen, die gegen die deutschen Okkupanten und die tschechischen und slowakischen Verräter gerichtet waren, weil die Situation sie dazu zwang. Sie verteidigten zugleich die Interessen der eigenen Bourgeoisie und forderten Ende 1945, als sie die Positionen dieser Klasse angegriffen sahen, die Beendigung der Revolution. Die Haltung der Parteiführung, die nicht — wie sie vorgab — die Interessen der Mittelschichten, sondern vor allem die Interessen der Bourgeoisie vertrat, zog ehemalige einflußreiche Mitglieder und Funktionäre verbotener Parteien an. Angehörige der Großbourgeoisie, die sich durch die Zusammenarbeit mit den faschistischen Okkupanten kompromittiert hatten, maßgebliche Mitglieder faschistischer großbürgerlicher Parteien wie der Agrarpartei, der Tschechoslowakischen Nationalen Demokratie oder der Tschechoslowakischen Gewerbe- und Handelspartei, d. h. jene Teile der Bourgeoisie, die bereits in der ersten E t a p p e der Revolution

Dokumente* Dokument 1 Über die politische Linie und die nächsten Aufgaben der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei (5.1.1943) Der Übergang der militärischen Initiative in die Hände der Roten Armee und der Verbündeten überhaupt, die näher rückende Perspektive einer zweiten Front in Europa, der zunehmende Zerfall im Lager der Verbündeten Hitlerdeutschlands, der wachsende Widerstand der unterdrückten Völker in den okkupierten Ländern und schließlich die wachsende Kriegsmüdigkeit in Deutschland selbst — alles das treibt Hitlerdeutschland einer tiefen Krise entgegen und schafft Voraussetzungen für seine endgültige Niederlage. Die Tschechoslowakei, die für Deutschland einen besonders wichtigen Rückhalt als Arsenal, als Verkehrsknotenpunkt und als Versorgungsbasis darstellt, ist dazu berufen, im Kampf für die endgültige Niederlage Hitlerdeutschlands eine herausragende Rolle zu spielen. Darum muß sich die nationale Befreiungsbewegung des tschechischen und slowakischen Volkes auf eine allseitige Steigerung des Kampfes gegen die deutschen Okkupanten mit der Perspektive eines Nationalaufstandes in absehbarer Zeit im Zusammenhang mit der Entwicklung der Ereignisse an den Fronten orientieren. I. Das tschechische Volk führt den Kampf gegen die deutschen Faschisten bereits seit den ersten Tagen der Okkupation. Die großen Demonstrationen am 28. Oktober 1939 und im November 1939 — also nachdem ersten großen deutschen Sieg im Krieg — zeigten, daß das tschechische Volk die deutsche Oberherrschaft als vorübergehende Erscheinung betrachtet und daß es entschlossen ist, sich um jeden Preis von dieser Oberherrschaft zu befreien. Die Ereignisse, die folgten, stärkten und unterstrichen nur diese Grundlinie des tschechischen Volkes. Die blutigen Wellen des Terrors, die die Okkupanten gegen die Tschechen entfesselten, bewirkten zwar vorübergehende Rückschläge in der nationalen Befreiungsbewegung, konnten sie jedoch niemals vollständig ersticken. Immer von neuem erhob sich das tschechische Volk zu neuem Widerstand gegen die Macht der Okkupanten, immer hartnäckiger und standhafter bot es der Willkür der deutschen Eindringlinge die Stirn. So war es nach dem Blutbad im Oktober und November 1939, als das tschechische Volk erneut seine Kräfte sammelte und mit einer umfangreichen Sabotage gegen die Okkupanten begann, hauptsächlich im Zusammenhang mit dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion. So war es nach den Massenhinrichtungen unter Heydrich im September und Oktober 1941, als das Attentat auf Heydrich der ganzen Welt zeigte, daß die Tschechen trotz alledem entschlossen sind, den Kampf fortzusetzen. So war es nach dem grauenhaften Blutvergießen auf Befehl Dalueges im Mai, Juni und Juli 1942, als Dalueges Helfer Frank schon im Oktober 1942 zugeben mußte, daß die Tschechen trotz aller Repressalien eine umfangreiche Sabotage durchführen. Das tschechische Volk verlor auch in der Zeit nicht den Mut, als * Die D o k u m e n t e wurden auf der Grundlage der angegebenen Quellen von der Verfasserin übersetzt. 11

Schröder-Laskowski, Tschechoslowakei

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Hitlerdeutschland auf dem Gipfel seiner Stärke stand. Und das tschechische Volk ist sich des Sieges seiner gerechten Sache um so sicherer, als Deutschland den Höhepunkt seiner Macht überschritten hat und seiner Niederlage entgegen geht. Vier Jahre Leid und Kampf unter hitlerscher Oberherrschaft einigten und stählten das tschechische Volk. Nach der Desorientierung hinsichtlich der Kapitulation im September 1938 und im März 1939 und nach der teilweisen politischen Demoralisierung in jener Zeit erhob sich das tschechische Volk wieder und nahm gegenüber den Okkupanten eine klare Kampfposition ein. Die Kapitulation der Hächa-Regierung im März 1939, die viele im ersten Moment rechtfertigten und tolerierten, verurteilte bald der überwiegende Teil des tschechischen Volkes scharf und bekämpfte sie. Auch die Hächa-Regierung selbst änderte im Laufe der Zeit ihren Charakter. Nach der Kapitulation, die von Feigheit und Opportunismus diktiert war, sank sie auf die Position groben Verrats und gemeinster Liebedienerei gegenüber den Okkupanten ab. Auch wenn ein Teil der tschechischen Bourgeoisie und deklassierte Elemente diese Politik unterstützen, steht die überwiegende Mehrheit des tschechischen Volkes ohne Unterschied der früheren politischen Einstellung und der sozialen Herkunft in schroffer Opposition zur Hächa-Regierung. Im Kampf gegen die Okkupanten und Verräter beginnt sich eine nationale Front des tschechischen Volkes zu bilden. Ein Beweis dafür ist, daß sich unter der großen Zahl der von den Okkupanten hingerichteten Tschechen Persönlichkeiten aller politischen Lager und aller sozialen Schichten befinden. Dennoch sind die Kräfte der nationalen Front bisher zersplittert: Es geht darum, die bisher zersplitterten Kräfte der nationalen Front zusammenzufassen und aus ihnen einen festen Kampfblock gegen die deutschen Okkupanten und die tschechischen Verräter zu schaffen. Die nationale Befreiungsbewegung des tschechischen Volkes stellt eine höchst wichtige antifaschistische Kampfkraft innerhalb des deutschen Hinterlandes dar. Auch wenn es den deutschen Okkupanten niemals gelungen ist, im tschechischen Volk den Willen zum Widerstand zu brechen, auch wenn das tschechische Volk für seinen Widerstand gegen die Okkupationsmacht schwere Opfer brachte, muß man dennoch feststellen, daß die Entfaltung des tschechischen nationalen Befreiungskampfes durch den Terror der Okkupationsmacht aufgehalten ist. Und das wurde noch durch die politischen Folgen der kampflosen Kapitulation in den Jahren 1938 und 1939 durch den Verrat eines Teils der tschechischen Bourgeoisie, die in die Dienste der deutschen Okkupanten übertrat, und auch durch die Desorganisation der illegalen Organisationen des tschechischen Volkes erleichtert. Die Hauptursache für die Verzögerung in der tschechischen nationalen Befreiungsbewegung besteht jedoch darin, daß die breiten Massen des tschechischen Volkes vorwiegend darauf hoffen, daß ihre Befreiung von außen kommen wird, daß sie eine passive und abwartende Stimmung nähren und den vollen Einsatz aller Kräfte des Volkes im Kampf gegen die Okkupanten in der Heimat aufhalten. II. Das slowakische Volk hat in seiner überwiegenden Mehrheit die Zerschlagung und Versklavung der Tschechoslowakei durch Hitlerdcutschland niemals gebilligt. Die sogenannte Verselbständigung der Slowakei im März 1939 vollzog sich nur unter dem Druck Hitlers und unter aktiver Mithilfe der Verräterclique Tiso-Tuka-Mach, jedoch gegen den Willen der Mehrheit des slowakischen Volkes. Die Slowakei erwies sich unter der Regierung Tiso-Tuka-Mach als willenloses Instrument in den Händen Hitlers, der sie in den Bruderkrieg gegen die Sowjetunion trieb. In Wirklichkeit aber ist das slowakische Volk heute ebenso von Hitlerdeutschland unterjocht wie das tschechische Volk, mit dem Unterschied jedoch, daß seine Söhne für den Hitlerkrieg bluten müssen. 162

Ein Teil der slowakischen Bourgeoisie und Intelligenz hoffte, aus der sog. slowakischen Selbständigkeit unter Hitlers Patronat klassenmäßige und persönliche Vorteile zu erlangen. Jedoch in dem Maße, wie Hitlerdeutschland mehr und mehr in das wirtschaftliche und politische Leben der Slowakei eindringt und sich aller Quellen des Landes bemächtigt, in dem Maße, wie sich der Krieg hierher konzentriert, der vom slowakisehen Volk ständig neue Opfer fordert und für Hitlerdeutschland immer hoffnungsloser wird, wächst die Enttäuschung jener slowakischen Kreise, die auf die deutsche Karte gesetzt hatten. Die ausgesprochen verräterische Gruppe Tuka-Mach isoliert sich immer mehr. Die breiten Massen des slowakischen Volkes verstärkten hauptsächlich nach dem heimtückischen Überfall auf die Sowjetunion ihren Kampf gegen die deutschen Unterdrücker und gegen die Verräterbande in Bratislava. Die Fälle von Streiks, Sabotage, Befehlsverweigerung von Soldaten, Widerstand der Bauern gegen Zwangsablieferungen und passivem Widerstand des unteren Staatsapparates gegen Anordnungen der Regierung, ja sogar bewaffnete Zusammenstöße nahmen zu. Die ersten Todesurteile, die bald gegen slowakische nationale Kämpfer verkündet wurden, sind ein gewisses Anzeichen für den verstärkten Kampf des slowakischen Volkes gegen die weitere Teilnahme am Krieg. Die weitere und unbedingt notwendige Entfaltung des Kampfes verhindert jedoch die opportunistische Einstellung einiger Schichten des slowakischen Volkes, wonach Hitlerdeutschland in diesem Krieg ohnehin geschlagen und die Slowakei vom deutschen Joch befreit werden wird, ohne daß das slowakische Volk selbst einen opferreichen Kampf, den Kampf für seine Befreiung führen muß. Außerdem verbreitet sich überall die Illusion, daß man eine weitere Versklavung der Slowakei durch Hitlerdeutschland oder ihre Auslieferung an Ungarn nur durch ein Zurückweichen vor den deutschen Forderungen verhindern kann. Die Überwindung dieser Stimmungen im Prozeß des tagtäglichen Kampfes ist eine der grundlegenden Voraussetzungen für die Verstärkung des umfassenden nationalen Befreiungskampfes des slowakischen Volkes.

III. Im Hinblick darauf, daß die entscheidenden Kämpfe mit Hitlerde.utschland näherrücken, ist es notwendig, das Hauptaugenmerk auf die Entfaltung und Steigerung des Befreiungskampfes im Land zu konzentrieren. Die Massen des tschechischen und des slowakischen Volkes müssen sich im Prozeß des Kampfes darüber klar werden, daß die Befreiung der Nation nur durch eigene Anstrengungen verwirklicht werden kann, daß das Auftreten der Nation gegenüber den fremden Unterdrückern darüber entscheidet, welche Rolle das betreffende Volk in nächster Zukunft spielen wird, und daß von der Aktivität der Volksmassen nicht nur die Beschleunigung der nationalen Befreiung, sondern auch der Einfluß des Volkes auf die Gestaltung der Verhältnisse im befreiten Land selbst abhängen werden. Es geht darum, den breiten Massen des Volkes Stimmung und Entschlossenheit zum Schlag und die Überzeugung einzuimpfen, daß die Tage der deutschen Oberherrschaft in der f S R gezählt sind, daß die entscheidenden Kämpfe gegen die Okkupanten schnell heranreifen und daß die Stunde der Befreiung wirklich nahe ist. Sofern es um die einzelnen Teile der Tschechoslowakei geht, so muß man in den tschechischen Ländern den Kampf unter der Hauptlosung der Beendigung des Krieges an der Seite Hitlerdeutschlands und in den sog. sudetendeutschen Gebieten unter der Losung „Sturz der Hitlerregierung" führen. Ii*

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IV.

Die unmittelbare Aufgabe für die tschechische und die slowakische nationale Befreiungsbewegung ist die Verhinderung der Ausbeutung menschlicher und materieller Potenzen des Landes, die in Hitlerdeutschland eingesetzt sind. Zur Durchführung dieser Aufgabe können alle Schichten des Volkes dadurch beitragen, daß jeder einzelne an seinem Platz mit allen Mitteln den Deutschen Schaden zufügt. Es ist notwendig, den ganzen Haß des tschechischen und slowakischen Volkes gegen die fremden Eindringlinge und ihre verräterischen Helfer in aktiven Kampf gegen sie umzuwandeln. Es ist notwendig, besonderen Nachdruck auf die allseitige Sabotage und Behinderung der Kriegsproduktion zu legen. Langsamere Arbeit, Arbeitsverweigerung in Rüstungsbetrieben unter den unterschiedlichsten Vorwänden, Streiks, Ausschußproduktion und die Vergeudung von Material und Energie, die Beschädigung und Zerstörung von Werkzeugen, Maschinen, Halbfabrikaten und Fertigerzeugnissen bis zu Anschlägen auf ganze Rüstungsbetriebe, Kraftwerke, Bergwerke und Hochöfen — alle Mittel sind gut, die der deutschen Kriegsproduktion und besonders der Rüstungsproduktion den Todesstoß versetzen können. Nicht minder wichtig ist die Tätigkeit, die auf die Lahmlegung des deutschen Kriegstransports durch die tschechischen Länder gerichtet ist. Hier muß die Sabotage der tschechischen Eisenbahner sein — die Beschädigung von Lokomotiven und Waggons, von Bahnhofsanlagen, von Signal- und Kommunikationseinrichtungen, fehlerhafte Abfertigung und falsches Fahren der Züge usw. — verbunden mit Anschlägen auf das Verkehrsnetz von außen, wie das Außerbetriebsetzen von Schienen, Bahnanlagen, Brücken, Telegrafenleitungen, das Entgleisen von Zügen usw. Es ist notwendig, die tschechische Bauernschaft aufzurufen, auch weiterhin die Lieferungen von landwirtschaftlichen Erzeugnissen zu sabotieren und so die zum Nachteil des tschechischen Volkes erfolgende deutsche Kriegsversorgung zu desorganisieren. Die Weigerung, Steuern zu zahlen und die Nichtbefolgung verschiedener Vorschriften der Okkupanten und der Hacha-Regierung sind weitere Kampfmittel der Bauernschaft, und es ist erforderlich, sie zu Kampfmitteln der Massen zu erweitern. Es ist erforderlich, energisch den Kampf gegen die Verschleppung tschechischer Arbeitskräfte nach Deutschland, besonders im Zusammenhang mit der Zwangsmobilisierung einiger Jahrgänge der deutschen Jugend zu führen. Man muß die tschechischen staatlichen Beamten und Angestellten zur Mitarbeit bei der Desorganisierung der Verwaltung und Wirtschaft aufrufen mit der ausdrücklichen Warnung, daß diejenigen tschechischen Beamten und Angestellten, die auch weiterhin den Okkupanten und Verrätern dienen werden, die strafende Hand des Volkes erreichen wird. Es ist notwendig sich darauf einzustellen, daß die Empörung der Nation über den blutigen Terror, die schlechte Versorgung, über die sklavischen Arbeitsbedingungen, über die Zwangsmobilisierung der Jugend, über Requisitionen bei den Bauern und überhaupt über alle Provokationen der Okkupanten sich auch weiterhin sichtbar in Demonstrationen auf den Straßen und Streiks in den Betrieben äußern. Derartige Massenaktionen haben eine ungeheure Bedeutung für die Durchbrechung des Terrors und für die weitere Entwicklung des nationalen Befreiungskampfes bis hin zum Nationalaufstand. Während gegen die Repräsentanten der Okkupationsmacht — gegen die SS, die Polizei und die Gestapobanditen — ein unbarmherziger Kampf auch mit der Waffe in der Hand geführt werden muß, ist es erforderlich, in den Reihen der gemeinen deutschen Soldaten mit geeigneten Mitteln Aufklärungs- und destruktive Arbeit zu leisten. Man muß sie über die Ereignisse an der Front und in der Welt informieren, man muß ihnen die Feigheit, die 164

Drückebergerei und das verschwenderische Leben der Hitlerbonzen erläutern sowie auch das, daß die deutschen Soldaten zugunsten fremder Interessen mißbraucht werden. Man muß die Herausgabe und Verbreitung besonderen Agitationsmaterials für deutsche Soldaten organisieren, in dem das Hitlerregime vom Standpunkt oppositioneller Soldaten kritisiert wird. Die aufklärende und destruktive Tätigkeit unter den deutschen Soldaten ist als wichtige Bedingung für die Beschleunigung des Sieges der nationalen Befreiungsbewegung zu betrachten. V. Außer all diesen Kampfaufgaben muß die Aufmerksamkeit des ganzen Volkes auf die bedingungslose Notwendigkeit der Entfaltung des bewaffneten Kampfes gegen die Okkupanten mit der Orientierung auf einen bewaffneten Volksaufstand gerichtet werden. Die Schaffung von bewaffneten Kampfabteilungen in den Städten und von Partisanengruppen auf dem Lande, die Ausweitung des Partisanenkampfes auf das ganze Land, das ist heute die Hauptaufgabe der tschechoslowakischen nationalen Befreiungsbewegung und zwar sowohl vom Gesichtspunkt des aktiven Kampfes gegen die deutsche Kriegsmaschinerie heute als auch vom Gesichtspunkt der Vorbereitungen auf den Nationalaufstand. Die bewaffneten Kampfgruppen und Partisanenabteilungen können gegen die Kriegswirtschaft, die Kriegsvorbereitung und die Kriegsversorgung die empfindlichsten Schläge führen. Zugleich muß man sich vergegenwärtigen, daß ohne ihren aktiven Kampf heute der Nationalaufstand morgen nicht möglich sein wird. Wer heute unter irgendeinem Vorwand die Schaffung der Partisanenbewegung in der Tschechoslowakei ablehnt, der sabotiert die Erneuerung der tschechoslowakischen bewaffneten Macht, den heranreifenden Nationalaufstand und damit die nationale Befreiung des tschechischen und slowakischen Volkes überhaupt. Zur Bildung von Kampfformationen und Partisanenabteilungen ist besonders jene tschechische Jugend aufzurufen, die zum Arbeitseinsatz in Deutschland mobilisiert wird und der die Gefahr droht, in die deutsche Armee eingezogen zu werden. An die Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten der tschechoslowakischen Armee, die seinerzeit bei der gewaltsamen Demobilisierung der Armee den Schwur abgelegt hatten, im geeigneten Augenblick wieder zu den Waffen zu greifen, wird ein Aufruf herausgegeben, ihren Schwur in die T a t umzusetzen, sobald der* Augenblick des Handelns naht. Jene nationalen Kämpfer, denen Verhaftung droht und die nicht legal leben können, werden aufgerufen, der Verhaftung dadurch zu entgehen, daß sie in die Kampfgruppen oder Partisanenabteilungen eintreten. Die Bildung und Unterstützung der Kampfgruppen und Partisanenabteilungen ist als eine Pflicht der ganzen nationalen Befreiungsbewegung, nicht nur einzelner Parteien oder Gruppen zu betrachten. Die Nationalausschüsse als Organe der gesamten nationalen Befreiungsbewegung haben Weisungen, die Partisanenbewegung in ihre Hand zu nehmen und das ganze Volk ohne Unterschied der politischen und sozialen Zugehörigkeit zur Verwirklichung dieser Aufgabe zu mobilisieren. VI. Die öffentliche Verurteilung der Hächa-Regierung u n d ihrer Politik durch London sowie die Mitarbeit der Kommunisten im Londoner S t a a t s r a t trugen zur Stärkung und Erweiterung der nationalen Front auch im Lande selbst bei. Auf der Basis des Kampfes gegen die deutschen Okkupanten vereinigen sich heute alle alten tschechischen Parteien und Massenorganisationen wie Sokol, Orel, die Legionäre, Gewerkschaftsaktivisten, Intellektuelle und 165

Kulturschaffende sowie auch religiöse Organisationen aller Konfessionen. Die Politik der zwei Eisen im Feuer, auf die sich Hächa stützte, hat heute keine Basis mehr. Sie hat sich zu offenem Verrat an den Lebensinteressen des tschechischen Volkes entwickelt, wie dieser Verrat heute von dem Verräter Moravec repräsentiert wird! Gegenüber dieser Politik befindet sich das tschechische Volk in offener Opposition. Vor der nationalen Bewegung im Lande steht die anspruchsvolle Aufgabe, die nationale Einheit, die nationale Front auch organisatorisch zu festigen und der ganzen nationalen Befreiungsbewegung eine feste organisatorische Basis in Form der Nationalausschüsse — zunächst im Orts- und Bezirksmaßstab — zu geben. Mögen die aktivsten und kühnsten Menschen ohne Unterschied der Parteizugehörigkeit die Initiative zur Bildung der Nationalausschüsse ergreifen. Kommunisten und Sozialdemokraten, tschechische Sozialisten und nationale Demokraten, Angehörige der republikanischen und der Volkspartei. Mitglieder des Sokol, Orel, der Legionärsorganisation usw. — sie alle tragen die Verantwortung dafür, daß sich die immer noch zersplitterten Kräfte der nationalen Front auch organisatorisch zusammenschließen. Die Nationalausschüsse, die in der Tschechoslowakei Tradition haben, sollten alle Elemente und Gruppen ohne Unterschied der politischen Zugehörigkeit und der sozialen Herkunft sammeln, alle, die bereit sind, aktiv gegen die deutschen Okkupanten zu kämpfen. Das ist nicht nur im Hinblick auf die gegenwärtigen Aufgaben der Befreiungsbewegung notwendig, sondern auch im Zusammenhang mit den heranreifenden entscheidenden Kämpfen. Die Nationalausschüsse sind heute als Verkörperung der nationalen Einheit des tschechischen Volkes die führenden Organe des nationalen Befreiungskampfes, um in der Stunde der Befreiung eine hervorragende Rolle als Organe der nationalen Souveränität und der öffentlichen Macht spielen zu können. Um die Einheit der Arbeiterklasse zu unterstützen und um der Arbeiterklasse im nationalen Befreiungskampf generell eine entsprechende Rolle zu sichern, sind in den Betrieben und in den legalen Gewerkschaften einheitliche Vertrauensgremien bzw. Leitungen ohne Berücksichtigung der früheren Partei- oder Gewerkschaftszugehörigkeit zu bilden, deren Gruppen den Kampf der Arbeiter in den Betrieben leiten und eng mit den Nationalausschüssen zusammenarbeiten werden. VII. Das slowakische Volk wird dringend aufgerufen, endlich die Schande des Krieges gegen die Sowjetunion dadurch zu beenden, daß es Massenaktionen durchführt: den Übertritt slowakischer Abteilungen auf die Seite der Roten Armee, die Verweigerung der Entsendung neuer Formationen an die Front durch Aufruhr und massenweise Desertionen von Soldaten, durch den bewaffneten Kampf im ganzen Land, die Lähmung der Kriegsproduktion und des Kriegstransports durch Streiks, Diversion, Desorganisierung der Kriegsversorgung, Sabotage der Nahrungsmittel- und Rohstofflieferungen, Desorganisation des Staatsapparates, Verweigerung der Steuerzahlungen, Nichtdurchführung amtlicher Anordnungen durch Sabotage der staatlichen Angestellten — das alles mit der Perspektive des Nationalaufstands gegen die deutschen Unterdrücker und ihre Regierung in Bratislava. Im Zusammenhang mit der Aufteilung der Slowakei zwischen Deutschland und Ungarn, die als Drohung auftaucht, respektive der drohenden Angliederung der Slowakei an Ungarn, die mit Wissen Tukas und Machs vorbereitet wird, ist es erforderlich, auch jene Teile der slowakischen Bevölkerung aufzurütteln und zum aktiven Kampf zu mobilisieren, die bisher die Regierung in Bratislava tolerierten, und zwar mit der falschen Begründung, daß sie angeblich doch ein gewisses Maß an slowakischer Selbständigkeit garantiert. 166

Es ist notwendig, auf das enge Kampf- und Schicksalsbündnis der Tschechen und Slowaken hinzuweisen, und dabei ist hervorzuheben, daß der gemeinsame Kampf dieser beiden Völker im höchsten Interesse der nationalen Befreiung auch des slowakischen Volkes liegt und daß es ohne die Freiheit der Tschechen keine Freiheit der Slowaken geben kann und umgekehrt. VIII. Die Massen der Sudetendeutschen sind vom Hitlerregime und seinem Krieg enttäuscht und verbittert. Das schafft eine Basis für den gemeinsamen Kampf der Sudetendeutschen und der Tschechen gegen Hitler. Die Schaffung einer Kampffront gegen den gemeinsamen Feind wird durch die Furcht der Sudetendeutschen vor einer sog. tschechischen Rache verhindert. Diesen Befürchtungen muß man mit der Hervorhebung der Tatsache entgegenwirken, daß es in der Hand der Sudetendeutschen selbst liegt, wie sich das Verhältnis der Tschechen zu den Sudetendeutschen gestalten wird. Damit, daß sich die Sudetendeutschen von den Verbrechen der Hitlerbande, die am tschechischen Volk verübt worden sind, deutlich distanzieren, damit, daß sie selbst aktiv gegen die preußischen Eroberer kämpfen werden, damit, daß sie gemeinsam mit den übrigen Völkern zur Niederlage und zum Sturz des Hitlerregimes beitragen und so praktisch ihre Solidarität mit den kämpfenden Tschechen beweisen werden, — damit werden sie Voraussetzungen für eine freundschaftliche Zusammenarbeit mit dem tschechischen Volk auf der Basis der Gleichberechtigung schaffen. Bei der Schaffung der sudetendeutschen Friedens- und Befreiungsfront stützen wir uns in erster Linie auf die alten antifaschistischen Kräfte in den Sudeten — auf die Kommunisten, Sozialdemokraten, auf die christlich-Sozialen, auf den Bauernbund und auf die Demokraten — darüber hinaus bemühen wir uns aber mit ganzer Kraft, auch die enttäuschten und verbitterten Henlein-Anhänger für den gemeinsamen Kampf gegen den hitlerschen Krieg, gegen die Verwüstung des Sudetenlandes und gegen die Vernichtung der Sudetendeutschen zu gewinnen. Unterschiedliche Ansichten über den zukünftigen Staatsaufbau des Sudetengebietes sollen kein Hindernis in diesem gemeinsamen Kampf sein. IX. Im Hinblick auf die bevorstehenden entscheidenden Kämpfe ist es notwendig, daß die Ziele des Kampfes und sein Charakter völlig klar sind. Der gegenwärtige Kampf des tschechischen und des slowakischen Volkes hat den Charakter eines nationalen Befreiungskampfes, sein Ziel ist die nationale Befreiung dieser Völker vom Hitlerjoch. Die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei führt diesen Kampf in der nationalen Front aller antifaschistischen Kräfte, ohne Unterschied der politischen Zugehörigkeit und der sozialen Herkunft, wobei es von der Aktivität und der Umsicht der Parteiführung abhängen wird, ob die Arbeiterklasse in diesem Befreiungskampf die führende Rolle spielen wird. Dem Charakter des gegenwärtigen Kampfes entsprechen auch seine unmittelbaren Ziele. Ziel des nationalen Befreiungskampfes des tschechischen und des slowakischen Volkes ist die Befreiung der Tschechoslowakei, in der es keinen Platz für Faschismus oder nationale Unterdrückung geben wird und in der das Volk alle politischen Rechte und Freiheiten genießen wird, um frei seine Regierung und deren Politik bestimmen zu können. 167

Die internationalen und zwischenstaatlichen Beziehungen der befreiten Republik werden nach der Befreiung in Übereinstimmung mit der entstandenen Situation im Hinblick auf die endgültige Sicherung der nationalen Freiheit des tschechischen und des slowakischen Volkes durch das Volk selbst geregelt. Eine möglichst feste Freundschaft und Zusammenarbeit mit der Sowjetunion halten wir für einen der Eckpfeiler der Politik der befreiten Tschechoslowakei. Wir sind für den gemeinsamen Kampf aller Völker der Tschechoslowakei gegen den deutschen Faschismus und seine Helfershelfer. Der gemeinsame Kampf der Völker der Tschechoslowakei gegen Hitlerdeutschland in diesem Augenblick wird die zukünftige Regelung der Nationalitätenfragen auf der Basis der Gleichberechtigung erleichtern und beschleunigen. X. Die Teilnahme der Kommunisten im tschechoslowakischen Staatsrat in London und ihre Zusammenarbeit mit der tschechoslowakischen Regierung oder mit Benes sind als positiver Beitrag zur Erweiterung und Festigung der nationalen Front zu werten. Die Hauptaufgabe der Kommunisten in London besteht darin, alles zu tun, was der Entfaltung des nationalen Befreiungskampfes und der Stärkung der nationalen Einheit im Land dienlich sein kann, ferner alle Maßnahmen zu unterstützen, die in die gleiche Richtung zielen. In dieser Hinsicht haben die Kommunisten mehr Initiative zu entfalten und zwar sowohl im Staatsrat, im Rundfunk, in der Presse, als auch auf allen Kundgebungen. Mit Hilfe dieses Kriteriums sollen sie auch ihre Haltung zu konkreten Maßnahmen und Vorschlägen Benes', ferner der Regierung und der übrigen Partner in der nationalen Front festlegen. Im Rahmen der nationalen Front bemühen wir uns um eine enge Zusammenarbeit mit den uns nahestehenden linken Sozialdemokraten der Gruppe „Nova svoboda" (Neue Freiheit) — ohne jedoch innerhalb der nationalen Front einen besonderen linken Block zu bilden oder uns von den übrigen Gruppierungen zu isolieren. Die Kommunisten dürfen sich nicht zu kleinlichen zeitweiligen Streitigkeiten der Emigration hinreißen lassen, sie müssen überall die Interessen des gemeinsamen Befreiungskampfes gegen die Gruppen und die Interessen von Cliquen vertreten. Benes unterstützen wir gegen die Angriffe der reaktionären Cliquen, aber wir fordern von ihm den aktiven Kampf gegen profaschistische und antisowjetische Tendenzen in der Emigration und der Armee. Hinsichtlich der tschechoslowakischen militärischen Formation setzen wir uns für deren Einheit ein und kämpfen gegen die Umtriebe der Reaktion. Die Armee muß einzig und allein dem Kampf für die Befreiung von den deutschen Okkupanten dienen. Auch innerhalb der Armee treten wir als Interessenvertreter unseres Volkes und seines Kampfes für die Befreiung auf und nehmen unter diesem Gesichtspunkt zu allen Fragen Stellung. Diese unsere Politik muß in der Presse voll und ganz zum Ausdruck gebracht werden. Deshalb ist es erforderlich, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um den Einfluß der Partei auf die Zeitschrift „Mlade Ceskoslovensko" (Junge Tschechoslowakei) zu gewährleisten und die Leitung dieser Zeitschrift wesentlich zu verbessern. Die nahenden entscheidenden Kämpfe stellen die nationale Befreiungsbewegung des tschechischen und des slowakischen Volkes vor verantwortungsvolle Aufgaben. Das Hineintragen kühnen Geistes in die Bewegung, die Mobilisierung breitester Schichten der Bevölkerung für den aktiven und allseitigen Kampf gegen die Okkupanten und Verräter in allen Formen, besonders der bewaffneten Kampfgruppen, die Entfaltung der Partisanenbewegung im ganzen Land, die Sammlung und Organisierung der zersplit-

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tertcn K r ä f t e der nationalen F r o n t in F o r m einheitlicher Nationalausschüsse unter der Führung der aktivsten und kämpferischsten E l e m e n t e der nationalen F r o n t — alles das ist m i t der Orientierung auf den Aufstand gegen die deutschen Okkupanten die Voraussetzung dafür, daß das tschechische und das slowakische Volk für seine nationale B e freiung kämpfen können. Übersetzung S. 5 - 1 9 .

nach:

Sbomik dokumentü k dfijinäm CSR a KSC v letech 1938—1945, Prag 1971,

Dokument 2 Gemeinsames Manifest von Repräsentanten der Arbeiterparteien zum 1. Mai 1 9 4 3 Tschechoslowakisches V o l k ! F u n k t i o n ä r e der tschechoslowakischen Arbeiterbewegung, die sich auf dem Boden Großbritanniens und

der Sowjetunion

aufhalten,

wenden sich m i t diesem Aufruf an das

ganze werktätige Volk in S t a d t und Land, an das ganze Volk in der H e i m a t : Zum fünften Mal schon erlebt ihr den Feiertag der Arbeiter, den 1. Mai, unter d e m J o c h der deutschen Okkupanten und der Quislingregierungen. Das sind vier J a h r e unerhörter Qualen und Leiden. Die F a s c h i s t e n brachten euch allen die schrecklichste K n e c h t schaft. Sie knechten, vernichten und massakrieren euch, um m i t eurem Schweiß und B l u t die verfluchte faschistische Ordnung aufrechtzuerhalten. Die deutschen Okkupanten und Verräter häufen Verbrechen auf Verbrechen. Ihre Angriffe zielen unverhohlen auf die Vernichtung des ganzen tschechischen und slowakischen Volkes. Tschechoslowakische Bürger, d e n k t daran, wie die K r a f t der Arbeitermassen im vergangenen Krieg mit Streiks und Demonstrationen den österreichischen und ungarischen Terror brach, wie sie dem Volk den Weg zur Freiheit b a h n t e . Der Einheitsstreik des Prager Volkes am 1. Mai 1918 und die Manifestation der Slowaken in L i p t o v s k y S v . Mikulas erschütterten

Österreich-Ungarn

in den Grundfesten.

Die Arbeitermassen

und

die ganze Nation ließen sich von den Polizei- und Militärkordons nicht zurückschrecken, sie wichen nicht vor den Drohungen der altösterreichischen Kreaturen zurück. Sie fegten sie m i t ihrer eigenen K r a f t hinweg. U n d so, wie die Massen des werktätigen Volkes das österreichisch-ungarische Völkergefängnis

sprengten,

so haben sie auch durch ihre

Arbeit das Aufblühen und die S t ä r k e der Tschechoslowakischen

Republik

gesichert.

Verteidigt auch j e t z t euer Land und euer Leben. Die M a c h t der faschistischen Okkupanten ist schon angeschlagen. Die R o t e Armee, an deren Seite auch die Armee der Tschechoslowakischen Republik k ä m p f t u n d siegt, vernichtete schon Millionen

Hitlerfaschisten

und ihre Vasallen. Die britischen und amerikanischen Truppen schlagen sie in Afrika, und unter Beteiligung unserer Flieger bombardieren sie ihre Fabriken und S t ä d t e und bereiten sich auf den entscheidenden Schlag vor. V e r s t ä r k t auch ihr zu Hause euern K a m p f . An eurer Seite

sind die freiheitliebenden Völker der ganzen Welt. D e n k t j e -

doch daran, daß der Erfolg des Kampfes vom Zusammenschluß der K r ä f t e des werktätigen Volkes und aller Schichten der Nation abhängen wird. D e n k t daran, daß es ohne diesen tapferen, organisierten und verstärkten K a m p f , der in der H e i m a t mit allen Mitteln geführt wird, keine Freiheit geben wird.

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tertcn K r ä f t e der nationalen F r o n t in F o r m einheitlicher Nationalausschüsse unter der Führung der aktivsten und kämpferischsten E l e m e n t e der nationalen F r o n t — alles das ist m i t der Orientierung auf den Aufstand gegen die deutschen Okkupanten die Voraussetzung dafür, daß das tschechische und das slowakische Volk für seine nationale B e freiung kämpfen können. Übersetzung S. 5 - 1 9 .

nach:

Sbomik dokumentü k dfijinäm CSR a KSC v letech 1938—1945, Prag 1971,

Dokument 2 Gemeinsames Manifest von Repräsentanten der Arbeiterparteien zum 1. Mai 1 9 4 3 Tschechoslowakisches V o l k ! F u n k t i o n ä r e der tschechoslowakischen Arbeiterbewegung, die sich auf dem Boden Großbritanniens und

der Sowjetunion

aufhalten,

wenden sich m i t diesem Aufruf an das

ganze werktätige Volk in S t a d t und Land, an das ganze Volk in der H e i m a t : Zum fünften Mal schon erlebt ihr den Feiertag der Arbeiter, den 1. Mai, unter d e m J o c h der deutschen Okkupanten und der Quislingregierungen. Das sind vier J a h r e unerhörter Qualen und Leiden. Die F a s c h i s t e n brachten euch allen die schrecklichste K n e c h t schaft. Sie knechten, vernichten und massakrieren euch, um m i t eurem Schweiß und B l u t die verfluchte faschistische Ordnung aufrechtzuerhalten. Die deutschen Okkupanten und Verräter häufen Verbrechen auf Verbrechen. Ihre Angriffe zielen unverhohlen auf die Vernichtung des ganzen tschechischen und slowakischen Volkes. Tschechoslowakische Bürger, d e n k t daran, wie die K r a f t der Arbeitermassen im vergangenen Krieg mit Streiks und Demonstrationen den österreichischen und ungarischen Terror brach, wie sie dem Volk den Weg zur Freiheit b a h n t e . Der Einheitsstreik des Prager Volkes am 1. Mai 1918 und die Manifestation der Slowaken in L i p t o v s k y S v . Mikulas erschütterten

Österreich-Ungarn

in den Grundfesten.

Die Arbeitermassen

und

die ganze Nation ließen sich von den Polizei- und Militärkordons nicht zurückschrecken, sie wichen nicht vor den Drohungen der altösterreichischen Kreaturen zurück. Sie fegten sie m i t ihrer eigenen K r a f t hinweg. U n d so, wie die Massen des werktätigen Volkes das österreichisch-ungarische Völkergefängnis

sprengten,

so haben sie auch durch ihre

Arbeit das Aufblühen und die S t ä r k e der Tschechoslowakischen

Republik

gesichert.

Verteidigt auch j e t z t euer Land und euer Leben. Die M a c h t der faschistischen Okkupanten ist schon angeschlagen. Die R o t e Armee, an deren Seite auch die Armee der Tschechoslowakischen Republik k ä m p f t u n d siegt, vernichtete schon Millionen

Hitlerfaschisten

und ihre Vasallen. Die britischen und amerikanischen Truppen schlagen sie in Afrika, und unter Beteiligung unserer Flieger bombardieren sie ihre Fabriken und S t ä d t e und bereiten sich auf den entscheidenden Schlag vor. V e r s t ä r k t auch ihr zu Hause euern K a m p f . An eurer Seite

sind die freiheitliebenden Völker der ganzen Welt. D e n k t j e -

doch daran, daß der Erfolg des Kampfes vom Zusammenschluß der K r ä f t e des werktätigen Volkes und aller Schichten der Nation abhängen wird. D e n k t daran, daß es ohne diesen tapferen, organisierten und verstärkten K a m p f , der in der H e i m a t mit allen Mitteln geführt wird, keine Freiheit geben wird.

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Darum: 1. Bildet in den Fabriken, Schächten und übrigen Industrie- und Landwirtschaftsbetrieben einheitliche illegale Arbeiterausschüsse. 2. Stellt diese Ausschüsse überall in den Städten und den Dörfern in den Dienst der Nationalausschüsse, die alle Schichten der Nation vereinen. 3. So wie in der Ukraine und in Belorußland, in Jugoslawien und Polen, Norwegen und Frankreich und in anderen Ländern bereitet überall die Organisation von nationalen bewaffneten Abteilungen des Volkes vor. 4. Desorganisiert mit allen Mitteln die deutsche Produktion, den Transport und die Versorgung. Macht die Mobilisierung zur Arbeit unmöglich. 5. Steigert den Kampf bis zu Massenstreiks. Möge der diesjährige 1. Mai der erste Schritt zu diesem organisierten Kampf an der Heimatfront sein! Fort mit den deutschen Okkupanten! Tod den deutschen Eindringlingen — Sieg unseren Verbündeten — Freiheit für die Tschechoslowakei! Es lebe die Tschechoslowakische Republik! Es lebe das tschechoslowakische Volk! Es lebe die Freiheit! London-Moskau, vor dem 1. Mai 1943 Unterschriften von 16 Repräsentanten der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei, der Sozialdemokraten und der Nationalen Sozialisten. Übersetzung nach: Za svobodu ceskeho a slovenskeho näroda. Sbornik dokumentü k dijinäm KSC v letecli 1938—1945 a k IX., X. a XI. svazku spisü Klementa Gottwalda, Prag 1956, S. 247-248; Gekürzte Fassung im illegalen „Rüde pravo" vom 1. 5. 1943.

Dokument 3 Klement Gottwald, Zu einigen Fragen unseres Widerstands in der Heimat (1. 9.1943, Moskau) Unsere Front in der Heimat, unser Widerstand in der Heimat war immer die Hauptquelle unseres nationalen Widerstandes gegen Hitlerdeutschland. Der Umstand, daß die militärische Auseinandersetzung mit Hitlerdeutschland an den Fronten in das entscheidende Stadium getreten ist und dem Höhepunkt entgegengeht, erhöht weiter die Bedeutung des Widerstands unseres Volkes in der Heimat als eines aktiven Faktors in den gemeinsamen Kriegsanstrengungen der ganzen Antihitlerkoalition der Völker und Staaten. Es ist daher angebracht, sich mit einigen Fragen des Widerstands in der Heimat zu beschäftigen, die vom Gesichtspunkt des definitiven Kampfes gegen Hitlerdeutschland besonders aktuell sind. Die erste Frage, die sich direkt aufdrängt, ist die Frage des Ausscheidens oder wenigstens der größtmöglichen Senkung des Kriegspotentials der tschechischen Länder in Deutschlands Kriegsbudgets. Wir sehen: Die Deutschen verlieren täglich Unmengen von Kriegsmaterial an den Fronten, besonders an der sowjetisch-deutschen Front. Die Kriegsindustrie in Deutschland selbst ist durch starke Bombardierung und den Mangel an geeigneten Arbeitskräf170

Darum: 1. Bildet in den Fabriken, Schächten und übrigen Industrie- und Landwirtschaftsbetrieben einheitliche illegale Arbeiterausschüsse. 2. Stellt diese Ausschüsse überall in den Städten und den Dörfern in den Dienst der Nationalausschüsse, die alle Schichten der Nation vereinen. 3. So wie in der Ukraine und in Belorußland, in Jugoslawien und Polen, Norwegen und Frankreich und in anderen Ländern bereitet überall die Organisation von nationalen bewaffneten Abteilungen des Volkes vor. 4. Desorganisiert mit allen Mitteln die deutsche Produktion, den Transport und die Versorgung. Macht die Mobilisierung zur Arbeit unmöglich. 5. Steigert den Kampf bis zu Massenstreiks. Möge der diesjährige 1. Mai der erste Schritt zu diesem organisierten Kampf an der Heimatfront sein! Fort mit den deutschen Okkupanten! Tod den deutschen Eindringlingen — Sieg unseren Verbündeten — Freiheit für die Tschechoslowakei! Es lebe die Tschechoslowakische Republik! Es lebe das tschechoslowakische Volk! Es lebe die Freiheit! London-Moskau, vor dem 1. Mai 1943 Unterschriften von 16 Repräsentanten der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei, der Sozialdemokraten und der Nationalen Sozialisten. Übersetzung nach: Za svobodu ceskeho a slovenskeho näroda. Sbornik dokumentü k dijinäm KSC v letecli 1938—1945 a k IX., X. a XI. svazku spisü Klementa Gottwalda, Prag 1956, S. 247-248; Gekürzte Fassung im illegalen „Rüde pravo" vom 1. 5. 1943.

Dokument 3 Klement Gottwald, Zu einigen Fragen unseres Widerstands in der Heimat (1. 9.1943, Moskau) Unsere Front in der Heimat, unser Widerstand in der Heimat war immer die Hauptquelle unseres nationalen Widerstandes gegen Hitlerdeutschland. Der Umstand, daß die militärische Auseinandersetzung mit Hitlerdeutschland an den Fronten in das entscheidende Stadium getreten ist und dem Höhepunkt entgegengeht, erhöht weiter die Bedeutung des Widerstands unseres Volkes in der Heimat als eines aktiven Faktors in den gemeinsamen Kriegsanstrengungen der ganzen Antihitlerkoalition der Völker und Staaten. Es ist daher angebracht, sich mit einigen Fragen des Widerstands in der Heimat zu beschäftigen, die vom Gesichtspunkt des definitiven Kampfes gegen Hitlerdeutschland besonders aktuell sind. Die erste Frage, die sich direkt aufdrängt, ist die Frage des Ausscheidens oder wenigstens der größtmöglichen Senkung des Kriegspotentials der tschechischen Länder in Deutschlands Kriegsbudgets. Wir sehen: Die Deutschen verlieren täglich Unmengen von Kriegsmaterial an den Fronten, besonders an der sowjetisch-deutschen Front. Die Kriegsindustrie in Deutschland selbst ist durch starke Bombardierung und den Mangel an geeigneten Arbeitskräf170

ten gehemmt. Das Problem des ständigen, ununterbrochenen Ersatzes des verlorenen und abgenutzten Kriegsmaterials wird deshalb für Deutschland immer dringlicher, und die Deutschen sind immer mehr auf die Kriegsproduktion in den okkupierten Ländern angewiesen, unter denen die tschechischen Länder heute die bedeutendste Rolle spielen. Eine der unseligen Folgen der Kapitulationen aus den Jahren 1938 und 1939 war die, daß den Deutschen die gesamte unversehrte tschechoslowakische Kriegsindustrie in die Hände fiel. Seit jener Zeit haben die Deutschen diese Industrie erweitert und haben das besonders in der letzten Zeit getan, als sie mit der Kriegsproduktion vor den Bombardierungen zu uns flüchteten. Es besteht daher kein Zweifel, daß das Gewicht der Kriegsindustrie in den tschechischen Ländern in der gesamten deutschen Waffenbilanz größer ist als zu Beginn des Krieges. Daraus ergibt sich, daß ein starker Schlag gerade aus dieser Richtung für die Deutschen sehr fühlbar sein muß, daß er das gesamte Kriegspotential Deutschlands bedeutend schwächen und damit zu seiner Niederlage beitragen muß. *

*

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Damit kommen wir jedoch zu einer weiteren, man kann sagen zur Hauptfrage unseres nationalen Widerstands. Es ist dies die Frage der Politik der Zusammenarbeit mit den deutschen Okkupanten, in den tschechischen Ländern repräsentiert von Hacha, seiner Regierung und jenen Kreisen, die hinter ihm stehen. Bei großer Nachsichtigkeit war es vielleicht früher möglich, diese Politik als opportunistisch, als Politik der Anpassung an die Verhältnisse und des Abwartens einzuschätzen, bis sich diese Verhältnisse zugunsten der nationalen Sache ändern würden. Seit dem Zeitpunkt jedoch, da die Hächa-Regierung es zu ihrer Pflicht erklärte, Kräfte und Mittel des tschechischen Volkes für den deutschen Sieg zu mobilisieren, und danach auch handelte, haben wir es unzweideutig mit ausgemachtem Verrat zu tun, wodurch auch die Einstellung eines jeden tschechischen Menschen zur Hächa-Regierung bestimmt werden muß. Greifen wir unterdessen nur einen Aspekt der verräterischen Politik Hächas auf, damit das deutlich wird: Es besteht kein Zweifel darüber, daß breite Schichten unseres Volkes vieles im Kampf gegen die deutschen Okkupanten vollbracht und große Opfer gebracht haben. Nach letzten Angaben des Ministers Ripka haben die Deutschen 50000 tschechische Menschen hingerichtet und ermordet und 200000 in Gefängnisse und Konzentrationslager geworfen. Das sind Opfer, die im Kampf gegen die Deutschen gebracht wurden, im Kampf dafür, das Deutschland geschlagen und unser Volk wieder frei sein wird. Und nun konfrontiert mit diesen Opfern des Volkes die verräterische Tätigkeit der Hächa-Regierung, die sich nach eigenem Eingeständnis allein von dem Bestreben leiten läßt, daß die Deutschen siegen und das tschechische Volk auf ewig unterjocht bleibt! Mit anderen Worten: das Volk kämpft und blutet, um das deutsche Joch abzuschütteln, während die Hächa-Anhänger im deutschen Sold alles tun, um dieses Joch noch fester zu machen. Wer kann unter solchen Umständen noch etwas auf verschiedene Einflüsterungen geben, daß die Hächa-Anhänger für das Volk etwas „gerettet haben" oder „retten"? Nein, Hächas Politik der Zusammenarbeit mit den Deutschen, die sich zu einer Politik ausgemachten Hochverrats entwickelt hat, ist der größte Schaden an der nationalen Sache, und man muß sie auch mit den Wurzeln herausreißen, wenn sie nicht noch mehr Unheil stiften soll. Das ist besonders jetzt erforderlich, da wir in die letzte Runde des Kampfes treten, für den alle nationalen Kräfte sowohl in der Heimat als auch im Ausland freigelegt und mobilisiert werden müssen.

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Unser Widerstand im Ausland und seine Repräsentationsorgane, konkret die Regierung und der Staatsrat, können in dieser Sache einen sehr wertvollen Dienst leisten. Es geht darum, daß sie in der Frage der Zusammenarbeit mit den Deutschen klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, was das Volk in der Heimat empfindet und fordert, was es jedoch vorläufig selbst nicht zum Ausdruck bringen kann. Seinerzeit nahm der Staatsrat einen Beschluß an, in dem die freiwillige Zusammenarbeit mit den Deutschen verurteilt und als Verrat deklariert wird. Das war gut und trug sicher wesentlich zur Klärung dieses wichtigen Problems unseres nationalen Widerstands bei. Von verantwortlicher Stelle wurde auch verkündet, daß die Regierung die Herausgabe eines entsprechenden Gesetzes vorbereitet. Hoffen wir, daß ein solches Gesetz tatsächlich herausgegeben wird, und zwar so bald wie möglich. Es geht nämlich nicht nur um Hächa, Krejci, Moravec, Hruby, Bienert und andere öffentlich exponierte Mitglieder der sog. Protektoratsregierung. Es geht gleichfalls um jene, die deren verräterische Politik durchführen — nämlich um bestimmte Kreise der Bürokratie im Verwaltungs- und Wirtschaftsapparat, die meinen, man könne jedem Regime mit menschlicher Würde und nationaler Ehre dienen. Und schließlich geht es um jene, die hinter der verräterischen Politik der Protektoratsregierung stehen und sie dekken — nämlich um bestimmte Kreise der tschechischen Großkapitalisten, die meinen, daß Geld nicht stinkt, auch wenn es aus deutschen Kriegslieferungen stammt. Allen diesen Leuten soll in Form des Gesetzes klar und eindeutig gesagt sein, daß ihre gesamte antinationale, hochverräterische Tätigkeit nicht ohne Vergeltung bleiben wird, und zwar sowohl im politischen und gesellschaftlichen als auch im strafrechtlichen Sinn. Unser Volk hat nicht die bitteren Erfahrungen aus dem ersten nationalen Widerstand vergessen, als die Republik in Gnade jeden eingefleischten Altösterreicher aufnahm, der bis zum letzten Moment den Habsburgern gegen das Interesse der Nation gedient hat. Gerade Hächa, Bienert und Co. sind typische Vertreter jener Elemente, die es der Republik damit lohnten, daß sie ihr das Messer in den Rücken stießen und nun helfen, in unseren Ländern die Herrschaft der deutschen Okkupanten aufrechtzuerhalten. Daher ist es im Interesse der nationalen Moral, im Interesse der weiteren Festigung der nationalen Einheit im Kampf gegen die Deutschen und im Interesse des endgültigen Sieges über die fremden Eindringlinge, daß in der Frage der Zusammenarbeit mit den Okkupanten reiner Tisch gemacht wird. *

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Jedes Volk, das für seine Befreiung kämpft — also auch unser Volk — hat viele verschiedenartige Waffen in seinem Arsenal. Flüsterpropaganda, passive Resistance, aktive Sabotage, Streiks und Demonstrationen, Sabotageaktionen an wichtigen Kriegsobjekten des Feindes und so weiter und so fort — alle Kampfmittel sind gut, die dem Gegner schaden und seine Kriegsanstrengungen schwächen. Bei der massenhaften Anwendung aller dieser Kampfmittel rückt jedoch in der gegenwärtigen Etappe der bewaffnete Kampf in den Vordergrund und gewinnt immer größere Bedeutung. Unser nationaler Widerstand hat von Anfang an mit dieser Form des Kampfes gegen die deutschen Okkupanten gerechnet. Erinnern wir uns nur daran, wie unsere Soldaten und Offiziere nach der erzwungenen Demobilisierung in den Jahren 1938 und 1939 Waffen versteckt hatten und Keime bewaffneter Gruppen mit dem festen Vorsatz schufen, „aufzutreten, wenn der günstige Augenblick kommt". Dieser günstige Augenblick ist jetzt eingetreten. Die Londoner und Moskauer Repräsentan ten der drei tschechischen Arbeiterparteien — d. h. praktisch der gesamten tschechischen Arbeiterschaft — haben in ihrem gemeinsamen 172

Maiaufruf an die Heimat ebenfalls die Notwendigkeit der Schaffung gesamtnationaler bewaffneter Gruppen signalisiert, mit dem Ziel, den bewaffneten Kampf gegen die Okkupanten zu entfalten. Seit der Zeit ist die Situation so weit herangereift, daß der Aufbau und die größtmögliche Erweiterung der Bewegung der Kampfgruppen und Partisanenabteilungen unaufschiebbare Notwendigkeit unseres nationalen Widerstands geworden ist. Bedenkt nur: Tausende und Zehntausende Menschen können sich heute vor der totalen Mobilisierung oder vor den Fängen der Gestapo nicht anders retten, als daß sie in der Illegalität oder in den Wäldern verschwinden und bewaffnete Abteilungen bilden. Große Diversionsakte gegen die deutsche Kriegsproduktion und den -transport in unseren Ländern können am besten und wirkungsvollsten von bewaffneten Gruppen durchgeführt werden, wie die möglichst breite Entfaltung des bewaffneten Kampfes gegen die deutschen Okkupanten überhaupt das beste Mittel dazu ist, den Deutschen den Mißbrauch unserer Länder für Zwecke des deutschen Krieges unmöglich zu machen. Und reden wir gar nicht davon, welch erstrangige Rolle die bewaffnete Organisation des nationalen Widerstands spielen wird, wenn die Zeit der Vertreibung der Deutschen aus unserer Heimat anbricht. Der Aufbau der Bewegung der Kampfgruppen und Partisanenabteilungen ist eine Aufgabe des gesamten nationalen Widerstands, aller seiner Bestandteile. Eine besonders aktive und ehrenhafte Rolle ist dabei jedoch unseren Soldaten vorbehalten, die in den Jahren 1938 und 1939 nicht kämpfen konnten, die sich aber geschworen hatten, bei der ersten günstigen Gelegenheit zu den Waffen zu greifen. Viele unserer Soldaten und Offiziere starben auf dem Richtplatz. Es besteht kein Zweifel darüber, daß ihre Kameraden in den Kampfgruppen und in den Partisanenabteilungen in der Heimat nicht nur den Tod ihrer Gefährten und Kommandeure rächen werden, sondern auch die Ehre der tschechoslowakischen Waffen so verteidigen werden, wie das diejenigen unserer Soldaten taten, die die Möglichkeit hatten, in der Auslandsarmee an den Fronten gegen die Deutschen zu kämpfen. Eine starke Seite unseres nationalen Widerstands ist seine Einheit. Außer einer zahlenmäßig geringen Schicht der Verräter um Hacha steht tatsächlich die ganze Nation, alle ihre sozialen Schichten sowie auch alle politischen und religiösen Richtungen im Kampf gegen die Deutschen. Es ist wahr, daß nicht alle Gruppen des nationalen Widerstands im Kampf gegen die Okkupanten gleich aktiv und entschlossen sind, was u. a. der schwachen Organisiertheit des nationalen Widerstands anzurechnen ist. Der deutsche Terror hat alle tatsächlich nationalen Organisationen tief in die Illegalität getrieben. Der Verrat Hächas machte die restlichen legalen Organisationen entweder zu machtlosen Phantomen oder zu Instrumenten der Okkupanten. Die Führung des nationalen Widerstands mußte sich deshalb notwendigerweise in die Illegalität zurückziehen, wo sie unter der organisatorischen Zersplitterung der einzelnen Gruppen litt und bis jetzt leidet. Die Tradition des Widerstandes unserer Nation gegen Österreich zeigt uns aber auch Methoden und Formen des organisatorischen Zusammenschlusses und der Vereinigung der Nation, die um ihre Freiheit kämpft. Es sind dies die Nationalausschüsse, die sich aus allen politischen Gruppierungen des Widerstands zusammensetzen und seine einheitliche Leitung bilden. Uber die Bildung der Nationalausschüsse im örtlichen und territorialen Maßstab herrscht bei allen Gruppen des Widerstands Übereinstimmung der Ansichten. In dem bereits zitierten Maiaufruf der Londoner und Moskauer Repräsentanten der drei tschechischen Arbeiterparteien wird neben der Notwendigkeit einheitlicher Arbeiterausschüsse

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von den einheitlichen Nationalauschüssen als Repräsentanten aller Schichten der Nation und als führenden Organen der nationalen Einheit und des Widerstands gesprochen. In ähnlichem Sinn äußerte sich auch der Vorsitzende des Staatsrates, Prof. Maxa, sowie andere tschechoslowakische Repräsentanten im Londoner Rundfunk. Jetzt geht es darum, daß alle diesen als richtig erkannten Weg auch in der Praxis befolgen. Denn die Bedeutung der Nationalausschüsse als einheitliche Organisation unseres nationalen Widerstands wächst in dem Maße, wie wir uns dem Höhepunkt unseres Kampfes gegen die Okkupanten nähern. Schon jetzt sind die Aufgaben unseres Widerstands in der Heimat so groß, daß keine seiner Gruppen sie allein und isoliert von anderen bewältigen kann. Nehmen wir nur die Aufgaben, die mit der Organisierung des Kampfes gegen die deutsche Kriegsproduktion und den -transport verbunden sind sowie die Aufgaben, die mit dem Aufbau der Bewegung der Kampfgruppen und Partisanenabteilungen und mit der Entfaltung des bewaffneten Kampfes gegen die Okkupanten zusammenhängen. Zu all dem ist eine wirklich gesamtnationale Organisation unerläßlich, die alle Schichten der Nation in Bewegung setzt und deren Aktivität leiten und bis zum entscheidenden Kampf steigern wird. Aber auch damit ist die Bedeutung der Nationalausschüsse nicht erschöpft. Möge auch die Vertreibung der Okkupanten und die endgültige Befreiung unserer Heimat in dieser oder jener Form verlaufen, die Nationalausschüsse werden in jedem Fall dazu berufen sein, bei diesem Übergang ihre bedeutsame Rolle als Organe der nationalen Einheit und als Repräsentanten der nationalen Souveränität zu spielen. *

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Das sind einige Gedanken zu unserem Widerstand in der Heimat, die im Zusammenhang mit der entstandenen gesamten Kriegssituation stehen. Wie ihr seht, drehen sich diese Gedanken hauptsächlich darum, wie und was notwendig zu tun ist, daß auch unser Volk so wirksam wie möglich zur deutschen Niederlage und damit auch zu seiner eigenen Befreiung beiträgt. Manchmal tritt die Meinung auf, wir sollten öfter und detaillierter darüber sprechen, was werden wird, wenn Deutschland geschlagen und die Republik befreit sein wird. Das schadet an sich sicher nicht und kann auch nützlich sein. Dessen ungeachtet bleibt jedoch die Haupt- und entscheidende Aufgabe unseres nationalen Widerstands in der Heimat und im Ausland — den Feind zu schlagen und die verlorene Freiheit wieder zu erkämpfen. Dem muß alles andere untergeordnet werden, wobei man allgemein sagen kann: Je mehr sich diese oder jene Nation um die Wiedererringung der Freiheit verdient machen wird, desto besser wird sie sie in der Zukunft zu ihren Gunsten nutzen können. Übersetzung nach: Kl. Gottwald, Spisy XI, 1943-1945, Prag 1955, S. 218-24.

Dokument 4 Nationalausschüsse im Kampf um die Freiheit. Kommentar des illegalen tschechischen Senders „Für die nationale Befreiung" (16. August 1943) Liebe Hörer! In dem neuen, entscheidenden Stadium der nationalen Bewegung, das wir gegenwärtig erleben, erlangen zusammen mit den Aktionsaufgaben auch organisatorische Fragen große Bedeutung. Jetzt ist es geboten, auch organisatorisch alle aktiven Widerstandskräfte der Nation zusammenzuschließen. Das sind nicht nur die mächtigen Arbeiterformationen, die der politischen Parteien, die Organisationen des Sokol, der Legionäre, der Studenten, der Jugend usw. Sondern heute sind es auch schon die tschechischen Organisationen der bewaffneten nationalen Kämpfer, konspirative militärische Organisationen u. ä. Und schließlich: in der Illegalität des nationalen Widerstands haben sich auch die unterschiedlichsten selbständigen Gruppen tapferer Menschen verschiedener Berufe und unterschiedlicher Stellung gebildet, die auf eigene Faust arbeiteten. Jetzt ist es notwendig, daß auch diese vereinzelten Widerstandsgruppen den Weg zu den Arbeitern und den übrigen Schichten des Volkes in der nationalen Bewegung finden. Jetzt ist es bereits notwendig, mit den -vereinten Kräften aller nationalen Gruppierungen zu kämpfen, bei gegenseitigem Vertrauen und Achtung, bei der Respektierung des nationalen Interesses als des höchsten und einigenden Gesichtspunktes. Die Nationalausschüsse erweisen sich hierbei als ein Faktor, der dazu berufen ist, die Verbindung aller Kräfte und Gruppierungen des nationalen Widerstands auf breiter Basis zu vermitteln und zu verwirklichen. In dem Aufruf der drei tschechoslowakischen Arbeiterparteien vom 1. Mai wird betont, daß in den Nationalausschüssen alle Schichten der Nation vertreten sein sollen. J a ! Im Nationalausschuß soll der Arbeiter ebenso wie der Bauer und der Intellektuelle, das Mitglied des Sokol ebenso wie der Soldat und der Vertreter einer bewaffneten Gruppe, der Schriftsteller, der Geistliche, der Beamte, der Arme neben dem Reichen, der Angestellte zusammen mit dem Arbeitgeber usw. seinen Sitz haben. In einer solchen Zusammensetzung, die das kämpfende Volk in allen seinen Schichten und Gruppierungen repräsentiert, müssen sich die Nationalausschüsse generell auf örtlicher, Bezirks- und höherer Ebene entwickeln. Im nationalen Kampf haben schon politische und gesellschaftliche Gruppierungen den Weg zueinander gefunden, die in der Vergangenheit weit voneinander entfernt waren. Ein Hemmnis bei der Verbindung und Zusammenarbeit der illegalen Widerstandsgruppen war allerdings häufig die konspirative Wachsamkeit, deren höchster Grad durch den Kampf gegen einen so tückischen und brutalen Gegner wie es der deutsche Hitlerfaschismus ist, mit seinen Gestapo- und SS-Schergen und seinen Henkern vom Typ Daluege, begründet ist. Diese konspirative Wachsamkeit ist auch in der gegenwärtigen Etappe in vollem Umfang notwendig, dabei ist jedoch alles zu tun, damit sie nicht das gemeinsame Vorgehen der Widerstandsformationen und den organisatorischen Aufbau einer breiten nationalen Front behindert. Damit auch stark exponierte Kräfte und Angehörige aller gesellschaftlichen Schichten an der Organisation der breiten nationalen Bewegung teilnehmen können, ist es erforderlich, mit äußerster Strenge zu sichern, daß allein irgendeiner Weise verdächtigen Elemente aus der nationalen Bewegung ausgeschlossen werden, verdächtig der Schnüffelei, der Zuträgerei, der Provokation. Diese Überprüfung der Reihen der Widerstandsbewegung 175

und die Überprüfung der Zuverlässigkeit aller ihrer Mitarbeiter und Funktionäre ist auch unter dem Gesichtspunkt notwendig, daß die nationale Bewegung in die Etappe offener Aktionen eintritt. Und hier ist es von höchstem Interesse, daß vor den Feinden der Nation und den Verrätern der Nation alle Schritte, Richtlinien, alle Beschlüsse ebenso wie die Personen des nationalen Widerstands, die mit bestimmten Aufgaben betraut worden sind, geheim bleiben. Dabei muß erwogen werden, eine wie große Rolle im Verlauf des bevorstehenden entscheidenden Kampfes die Zusammenarbeit der Widerstandsorganisationen mit der Nation ergebenen Kräften im Staatsapparat und in den Organen der öffentlichen Macht spielen wird. Es sind die unterschiedlichsten organisatorischen Fragen, die im Zusammenhang mit der Entwicklung der nationalen Widerstandsbewegung auftauchen. Von ihrer Lösung und von der Erfüllung aller wichtigen Arbeitsaufgaben wird j e t z t die Organisation einer kampfentschlossenen breiten nationalen Front abhängen, die sich fest auf das Organisationsnetz der illegalen Nationalausschüsse, der Arbeiterkomitees in den Betrieben stützt. Heute vollzieht sich die Organisierung der nationalen Front noch in der Illegalit ä t , um jedoch schon morgen in offener Form die Massenbewegung der Nation zu ihren großen Taten und zu ihrem großen Ziel zu führen, zur Erkämpfung unserer tschechoslowakischen Freiheit. Übersetzung nach: S. 256-258.

Za svobodu ceskeho a slovenskelio ndroda. Sbomik dokumentü, a. a. 0.,

Dokument 5 Vereinbarung über gemeinsames Vorgehen der Parteien des Nationalen Blocks des werktätigen Volkes in Stadt und Land Auf den Beratungen der Vertreter der Kommunistischen, der Sozialdemokratischen und der Nationalen Sozialistischen Partei, die in den letzten Tagen stattfanden, haben sich die genannten Parteien in folgenden Grundsätzen und Richtlinien über gemeinsames Vorgehen geeinigt: 1. Bei Wahrung der politischen und organisatorischen Selbständigkeit der Parteien des Nationalen Blocks des werktätigen Volkes in S t a d t und Land (Kommunistische Partei der Tschechoslowakei, Tschechoslowakische Sozialdemokratie, Partei der Tschechoslowakischen Nationalen Sozialisten) werden diese Parteien eng zusammenarbeiten und in allen Fragen des öffentlichen Lebens in der befreiten Republik gemeinsam vorgehen. Die politische Basis des Nationalen Blocks bildet das Regierungsprogramm, auf das man sich einmütig auf den Beratungen in Moskau geeinigt hatte und das von der Regierung am 5. April 1945 in Kosice einmütig angenommen worden war. Die konsequente Durchführung des Regierungsprogramms ist die gemeinsame Aufgabe der Parteien des Nationalen Blocks. 2. In den tschechischen Ländern werden in allen Orten, in denen Organisationen der Parteien des Nationalen Blocks existieren, örtliche Koordinierungsausschüsse des Nationalen Blocks gebildet. Analog werden Bezirks-, Kreis- und Landeskoordinierungsausschüsse des Nationalen Blocks gebildet. Das höchste Organ des Nationalen Blocks ist dann der zentrale Koordinierungsausschuß des Nationalen Blocks. In die Koordinierungsausschüsse aller Ebenen entsendet jede der beteiligten Parteien die gleiche Anzahl von Delegierten.

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und die Überprüfung der Zuverlässigkeit aller ihrer Mitarbeiter und Funktionäre ist auch unter dem Gesichtspunkt notwendig, daß die nationale Bewegung in die Etappe offener Aktionen eintritt. Und hier ist es von höchstem Interesse, daß vor den Feinden der Nation und den Verrätern der Nation alle Schritte, Richtlinien, alle Beschlüsse ebenso wie die Personen des nationalen Widerstands, die mit bestimmten Aufgaben betraut worden sind, geheim bleiben. Dabei muß erwogen werden, eine wie große Rolle im Verlauf des bevorstehenden entscheidenden Kampfes die Zusammenarbeit der Widerstandsorganisationen mit der Nation ergebenen Kräften im Staatsapparat und in den Organen der öffentlichen Macht spielen wird. Es sind die unterschiedlichsten organisatorischen Fragen, die im Zusammenhang mit der Entwicklung der nationalen Widerstandsbewegung auftauchen. Von ihrer Lösung und von der Erfüllung aller wichtigen Arbeitsaufgaben wird j e t z t die Organisation einer kampfentschlossenen breiten nationalen Front abhängen, die sich fest auf das Organisationsnetz der illegalen Nationalausschüsse, der Arbeiterkomitees in den Betrieben stützt. Heute vollzieht sich die Organisierung der nationalen Front noch in der Illegalit ä t , um jedoch schon morgen in offener Form die Massenbewegung der Nation zu ihren großen Taten und zu ihrem großen Ziel zu führen, zur Erkämpfung unserer tschechoslowakischen Freiheit. Übersetzung nach: S. 256-258.

Za svobodu ceskeho a slovenskelio ndroda. Sbomik dokumentü, a. a. 0.,

Dokument 5 Vereinbarung über gemeinsames Vorgehen der Parteien des Nationalen Blocks des werktätigen Volkes in Stadt und Land Auf den Beratungen der Vertreter der Kommunistischen, der Sozialdemokratischen und der Nationalen Sozialistischen Partei, die in den letzten Tagen stattfanden, haben sich die genannten Parteien in folgenden Grundsätzen und Richtlinien über gemeinsames Vorgehen geeinigt: 1. Bei Wahrung der politischen und organisatorischen Selbständigkeit der Parteien des Nationalen Blocks des werktätigen Volkes in S t a d t und Land (Kommunistische Partei der Tschechoslowakei, Tschechoslowakische Sozialdemokratie, Partei der Tschechoslowakischen Nationalen Sozialisten) werden diese Parteien eng zusammenarbeiten und in allen Fragen des öffentlichen Lebens in der befreiten Republik gemeinsam vorgehen. Die politische Basis des Nationalen Blocks bildet das Regierungsprogramm, auf das man sich einmütig auf den Beratungen in Moskau geeinigt hatte und das von der Regierung am 5. April 1945 in Kosice einmütig angenommen worden war. Die konsequente Durchführung des Regierungsprogramms ist die gemeinsame Aufgabe der Parteien des Nationalen Blocks. 2. In den tschechischen Ländern werden in allen Orten, in denen Organisationen der Parteien des Nationalen Blocks existieren, örtliche Koordinierungsausschüsse des Nationalen Blocks gebildet. Analog werden Bezirks-, Kreis- und Landeskoordinierungsausschüsse des Nationalen Blocks gebildet. Das höchste Organ des Nationalen Blocks ist dann der zentrale Koordinierungsausschuß des Nationalen Blocks. In die Koordinierungsausschüsse aller Ebenen entsendet jede der beteiligten Parteien die gleiche Anzahl von Delegierten.

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3. In den Koordinierungsausschüssen vereinbaren die Parteien des Nationalen Blocks das einheitliche Vorgehen in den örtlichen, Bezirks- und Landesnationalausschüssen sowie auch in der Begierung. Die Koordinierungsausschüsse haben ferner das einheitliche Vorgehen der Parteien des Blocks in allen anderen Fragen des öffentlichen Lebens auf politischem, wirtschaftlichem, sozialem und kulturellem Gebiet zu gewährleisten. 4. Die Parteien des Nationalen Blocks kommen überein, daß in der befreiten Bepublik alle Gewerkschafts-, Interessen-, Kultur-, Sport- und andere außerparteiliche Organisationen sowie die Jugendorganisation gleich von Anfang an als einheitliche und nationale, von den politischen Parteien unabhängige Organisationen mit freiwilliger Mitgliedschaft und demokratisch gewählter Leitung aufgebaut werden. Die Parteien des Nationalen Blocks verpflichten sich, die Bildung solcher Organisationen voll zu unterstützen und höchst konsequent gegen jegliche Versuche ihrer Zersplitterung aufzutreten. Den genannten einheitlichen Organisationen wird (das Becht auf) Kritik an der Begierung und' der öffentlichen Verwaltung garantiert. 5. Es werden einheitliche Gewerkschaftsorganisationen aufgebaut, die auf dem Prinzip der Freiwilligkeit alle Kategorien von Lohnarbeitern (Arbeiter, Angestellte, Beamte, Techniker, Ingenieure und andere Intellektuelle) vereint, gleich, ob sie in einer privaten oder öffentlichen Anstellung sind. Wir empfehlen, die einheitlichen Gewerkschaftsorganisationen in Gewerkschaftsverbänden nach den einzelnen Industrie- resp. Arbeitszweigen zusammenzuschließen, wobei das höchste Organ die einheitliche Allgewerkschaftszentrale (Zentralrat der Gewerkschaften) sein wird. Die definitive Organisationsstruktur wird der Allgewerkschaftskongreß beschließen. Bei der Bildung einheitlicher Gewerkschaftsorganisationen sowie des Zentralrats der Gewerkschaften wird soweit wie möglich eine entsprechende Vertretung ehemaliger Teile der Gewerkschaftsbewegung, die bis zum 29. September 1938 existierten, berücksichtigt werden. 6. Es wird eine einheitliche Interessenorganisation der Bauernschaft gebildet, die auf dem Prinzip der Freiwilligkeit alle Bauern vereint, vor allem die Klein- und die Mittelbauern. Die einheitliche Interessenorganisation der Bauernschaft (Einheitsverband der tschechischen Landwirte) wird eine außerparteiliche, von politischen Parteien unabhängige Organisation sein, in der Mitglieder aller zugelassenen politischen Parteien sowie Bauern ohne Parteizugehörigkeit organisiert sein können. Die führenden Organe der Einheitsorganisation der Bauernschaft werden auf allen Ebenen auf demokratischem Weg von der Mitgliedschaft gewählt. Die Parteien des Nationalen Blocks werden gegenüber dem Einheitsverband der Bauern eine einheitliche Politik verfolgen. 7. Die Genossenschaftsbewegung aller Art (Konsum-, Produktions-, Landwirtschafts-, Finanz- usw.) wird von jenen Elementen gesäubert, die dort von den Okkupanten und Verrätern eingesetzt worden waren, und der Mitgliedschaft wird ermöglicht, sich demokratisch eine neue Leitung zu wählen. Im weiteren wird die Genossenschaftsbewegung aller Art als gemeinsame Bewegung aufgebaut und als außerparteiliche, einheitliche und selbständige Bewegung entwickelt, und ihr parteipolitischer und Machtmißbrauch durch eine Partei wird verhindert. In den Genossenschaften können sich alle Bürger ungeachtet der Parteizugehörigkeit organisieren, und die Genossenschaften werden von oben bis unten von Organen verwaltet, die sich die Mitgliedschaft der Genossenschaft wählt. Die Parteien des Nationalen Blocks werden die Entwicklung der einheitlichen Genossenschaftsbewegung voll unterstützen und ihre Politik gegenüber dieser Bewegung koordinieren. 8. Die Parteien des Nationalen Blocks verpflichten sich, keine eigenen Jugendorganisationen der Parteien zu bilden, sondern sie werden beim Aufbau eines Einheitsverbandes der tschechischen Jugend zusammenarbeiten, der die Jugend auf einer außerparteili12

Schrüder-Laskowski, Tschechoslowakei

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chen, gesamtnationalen Basis vereint, in dem vor allem die werktätige Jugend aus S t a d t und Land organisiert sein wird, die Arbeiter-, Bauern-, studentische Jugend usw. Die Parteien kümmern sich um ihre jungen Mitglieder hinsichtlich der ideologischen Erziehung im Sinne ihrer Programme. Der Einheitsverband der tschechischen Jugend wird eine unabhängige Jugendorganisation mit demokratischer innerer Selbstverwaltung sein und wird sich der Unterstützung aller Parteien des Nationalen Blocks erfreuen. 9. Die Parteien des Nationalen Blocks sind sich darin einig, daß die Sportbewegung ebenfalls als nationale, außerparteiliche und einheitliche Bewegung neu aufgebaut werden muß. Die Basis für die neue vereinigte nationale Sportorganisation wird der Sokol sein, wo alle treuen Patrioten ungeachtet der parteipolitischen Zugehörigkeit ihren Platz haben werden. 10. Der Nationale Block wird seine Politik auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens in herzlichem Übereinkommen und in Zusammenarbeit mit der Volkspartei und m i t allen anderen Bestandteilen der Nationalen Front, wie es vor allem die einheitlichen Interessen-, Gewerkschafts- und Kulturorganisationen sind, durchführen. Der Nationale Block betrachtet es als seine Mission, führende und treibende Kraft bei der Sammlung aller gesunden Elemente des Volkes zu sein, mit dem Ziel des Wiederaufbaus der befreiten Republik als wirklich demokratische und Volksrepublik. 11. Die Parteien des Nationalen Blocks des werktätigen Volkes in S t a d t und Land erklären, daß sie sich konsequent nach den Prinzipien dieser Vereinbarung in ihrem gesamten Vorgehen richten werden und empfehlen: a) daß in die Nationalausschüsse von den politischen Parteien nur national und moralisch zuverlässige Bürger und Bürgerinnen entsandt werden, die sich in der Zeit der deutschen Okkupation bewährt haben. b) Ferner empfehlen sie, überall Orts-, Bezirks- und Landesnationalausschüsse durch Ubereinkommen aller vier Regierungsparteien zu bilden, und zwar so, daß die Nationalausschüsse sich soweit wie möglich in gleichem Maße aus Vertretern aller vier Parteien unter Heranziehung einer angemessenen Zahl von Vertretern der Interessenorganisationen und national und staatlich zuverlässiger außerparteilicher Spezialisten zusammensetzen, über die sich die Parteien einigen. In Orten, in denen früher die jetzigen Regierungsparteien nicht stark vertreten waren, einigen sich die Vertrauensleute der Regierungsparteien darüber, wie der örtliche Nationalausschuß zusammenzusetzen ist. Bis zur Durchführung ordentlicher Wahlen mit geheimer Abstimmung sollen die örtlichen Nationalausschüsse auf öffentlichen Wählcrversammlungen, die Bezirksnationalausschüsse dann auf öffentlichen Delegiertenkonferenzen bestätigt werden. c) Daß die Koordinierungsausschüsse der Parteien des Nationalen Blocks über die Einhaltung dieser Grundsätze wachen. d) Daß dort".wo es zu keiner Vereinbarung käme, an den Kreis-, Landes- oder den zentralen Koordinierungsausschuß appelliert wird. 12. Die Parteien des Nationalen Blocks erklären weiterhin, daß sie im Auge behalten werden, daß sich in kürzestmöglicher Frist die Provisorische Nationalversammlung konstituiert, um so im Sinne des Regierungsprogramms vom 5. April 1945 die Rekonstruktion der Regierung durchführen zu können, wobei bewährte Mitarbeiter des Widerstands in der Heimat und im Ausland eine gebührende Vertretung erhalten werden. Sobald sich die politischen, administrativen und sozialen Verhältnisse im erforderlichen Maße bessern und ordnen, wird man überall, wo es möglich sein wird, zu baldigen ordentlichen allgemeinen Wahlen schreiten. Die Parteien des Nationalen Blocks sind fest entschlossen, diese Grundsätze und Richtlinien mit konsequenter Loyalität durchzuführen und rufen alle Anhänger auf, sich ebenfalls nach ihnen zu richten, sich von ihnen

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leiten zu lassen, denn nur durch die enge Zusammenarbeit der Parteien des Nationalen Blocks und ihr Zusammenwirken mit der Volkspartei ist es möglich, die schnelle Erneuerung und den Aufbau einer demokratischen Volksrepublik zu gewährleisten. In Prag, 8. Juni 1945 Für den Zentralen Koordinierungsausschuß des Nationalen Blocks des werktätigen Volkes in Stadt und Land: Zd. Fierlinger (e. h.) Kl. Gottwald (e. h.) P. Zenkl (e. h.) Übersetzung nach: V. Kräl, Cestou k tinoru, Prag 1963, S. 111—114.

Dokument 6 Aufruf der tschechoslowakischen Regierung zur Bildung von Nationalausschüssen mit Richtlinien für ihre Organisation und Tätigkeit (16. April 1944, London) In dem Augenblick, da die Rote Armee und mit ihr unsere Truppen die Grenzen der Tschechoslowakischen Republik erreicht haben, erinnert die Regierung das tschechoslowakische Volk erneut an die früheren Aufrufe des Präsidenten der Republik und an ihre eigenen zur Bildung von Nationalausschüssen. Solange das Land vom Feind besetzt ist, bleiben ihre Kampfaufgaben im Vordergrund. Aber dort, wo der Feind vertrieben wird, ruht auf den Nationalausschüssen die Pflicht, die zerrüttete öffentliche Ordnung zu ersetzen, bis die tschechoslowakische Regierung mit Hilfe der Bürgerschaft gemäß den tschechoslowakischen Gesetzen die öffentliche Verwaltung neu aufbaut. Richten Sie sich also nach folgenden Grundsätzen: 1. Schaffen Sie überall Nationalausschüsse, damit sie sich auf dem besetzten Territorium um alles kümmern, was zum aktiven Kampf gegen den Feind notwendig ist, und damit sie auf befreitem Territorium alles organisieren, was zur Verwaltung dieses Gebietes notwendig ist. 2. Bilden Sie überall örtliche Nationalausschüsse und an den Orten der politischen Verwaltungen der Bezirke Bezirksnationalausschüsse. Für die Länder Böhmen, MährenSchlesien und die Slowakei sowie für die Karpatoukraine bilden Sie Landesnationalausschüsse. 3. In Orten, wo vielleicht mehrere illegale Nationalausschüsse entstanden waren, vereinen Sie sie schnell zu einem einzigen. 4. Setzen Sie die Nationalausschüsse aus staatlich und national zuverlässigen und unbescholtenen Tschechen, Slowaken und Karpatoukrainern zusammen und lassen Sie in ihnen alle sozialen Schichten des Volkes und alle tschechoslowakischen patriotischen politischen Richtungen vertreten sein. 5. Die Anzahl der Mitglieder soll in der Regel nicht die Zahl der Gemeinde-, Bezirksund Landesvertretungen übersteigen. 6. Die Aufgaben der Nationalausschüsse richten sich nach der gegebenen Situation und betreffen alle Bereiche der öffentlichen Verwaltung und der Selbstverwaltung, solange sie nicht von einer regulären Organisation gesichert wird. Vor allem wird es die Aufgabe der Gemeinde- und Bezirksnationalauschüsse in der ersten Zeit sein: 12"

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leiten zu lassen, denn nur durch die enge Zusammenarbeit der Parteien des Nationalen Blocks und ihr Zusammenwirken mit der Volkspartei ist es möglich, die schnelle Erneuerung und den Aufbau einer demokratischen Volksrepublik zu gewährleisten. In Prag, 8. Juni 1945 Für den Zentralen Koordinierungsausschuß des Nationalen Blocks des werktätigen Volkes in Stadt und Land: Zd. Fierlinger (e. h.) Kl. Gottwald (e. h.) P. Zenkl (e. h.) Übersetzung nach: V. Kräl, Cestou k tinoru, Prag 1963, S. 111—114.

Dokument 6 Aufruf der tschechoslowakischen Regierung zur Bildung von Nationalausschüssen mit Richtlinien für ihre Organisation und Tätigkeit (16. April 1944, London) In dem Augenblick, da die Rote Armee und mit ihr unsere Truppen die Grenzen der Tschechoslowakischen Republik erreicht haben, erinnert die Regierung das tschechoslowakische Volk erneut an die früheren Aufrufe des Präsidenten der Republik und an ihre eigenen zur Bildung von Nationalausschüssen. Solange das Land vom Feind besetzt ist, bleiben ihre Kampfaufgaben im Vordergrund. Aber dort, wo der Feind vertrieben wird, ruht auf den Nationalausschüssen die Pflicht, die zerrüttete öffentliche Ordnung zu ersetzen, bis die tschechoslowakische Regierung mit Hilfe der Bürgerschaft gemäß den tschechoslowakischen Gesetzen die öffentliche Verwaltung neu aufbaut. Richten Sie sich also nach folgenden Grundsätzen: 1. Schaffen Sie überall Nationalausschüsse, damit sie sich auf dem besetzten Territorium um alles kümmern, was zum aktiven Kampf gegen den Feind notwendig ist, und damit sie auf befreitem Territorium alles organisieren, was zur Verwaltung dieses Gebietes notwendig ist. 2. Bilden Sie überall örtliche Nationalausschüsse und an den Orten der politischen Verwaltungen der Bezirke Bezirksnationalausschüsse. Für die Länder Böhmen, MährenSchlesien und die Slowakei sowie für die Karpatoukraine bilden Sie Landesnationalausschüsse. 3. In Orten, wo vielleicht mehrere illegale Nationalausschüsse entstanden waren, vereinen Sie sie schnell zu einem einzigen. 4. Setzen Sie die Nationalausschüsse aus staatlich und national zuverlässigen und unbescholtenen Tschechen, Slowaken und Karpatoukrainern zusammen und lassen Sie in ihnen alle sozialen Schichten des Volkes und alle tschechoslowakischen patriotischen politischen Richtungen vertreten sein. 5. Die Anzahl der Mitglieder soll in der Regel nicht die Zahl der Gemeinde-, Bezirksund Landesvertretungen übersteigen. 6. Die Aufgaben der Nationalausschüsse richten sich nach der gegebenen Situation und betreffen alle Bereiche der öffentlichen Verwaltung und der Selbstverwaltung, solange sie nicht von einer regulären Organisation gesichert wird. Vor allem wird es die Aufgabe der Gemeinde- und Bezirksnationalauschüsse in der ersten Zeit sein: 12"

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a) Ordnung und Sicherheit zu gewährleisten. b) öffentliches Eigentum sowie verlassenes Privateigentum zu sichern. c) Die Arbeit in Industrie und Landwirtschaft und die Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. d) Die Verschacherung von tschechoslowakischem Eigentum und Waren ins Ausland zu verhindern und zu sichern, daß auch kein Eigentum der Feinde und Schuldigen ins Ausland gebracht wird. e) Sofort die Angehörigen feindlicher Staaten und Personen aus öffentlichen Funktionen zu entfernen, die der C S R untreu geworden waren oder mit dem Feind zusammengearbeitet hatten sowie alle diese Personen festzuhalten, damit sie nicht entkommen. f) An ihrer Stelle zuverlässige Personen einzusetzen. g) Die sofortige Abgabe aller Waffen aus den Händen unzuverlässiger Personen an die nächsten Kommandanten anzuordnen, die mit der Aufstellung und Ausrüstung der tschechoslowakischen Militäreinheiten betraut wurden. h) Den Kommandanten bei der Organisierung der Militäreinheiten und bei der Sicherung eines Ortes oder Gebietes vor dem äußeren und inneren Feind, seinen bewaffneten Organisationen, Banden und Saboteuren zu helfen. 7. In ihrer Tätigkeit richten sich die Nationalausschüsse nach den geltenden tschechoslowakischen Gesetzen und den Richtlinien, die vom Präsidenten und von der Regierung herausgegeben werden. 8. Über die Organisation und Wirkung der Nationalausschüsse in den befreiten Gebieten der Republik wird bis zur Konstituierung der ordentlich gewählten Nationalversammlung so bald wie möglich ein gesondertes Dekret des Präsidenten der Republik herausgegeben. Bürger der Republik! Indem die Regierung die Organisationsprinzipien der Nationalausschüsse in diesem Augenblick verkündet, tut sie das in der Überzeugung, daß die Führung des Staates auf dem Weg aus der Knechtschaft zur Freiheit nur durch die Opferbereitschaft und die Treue der Söhne und Töchter des Volkes gewährleistet werden kann, und in der Überzeugung, daß die tschechoslowakischen Patrioten geschlossen und einmütig alles tun werden, was ihnen die große Prüfung kämpferischer und bürgerlicher Disziplin auferlegt. Den Kampf zu beenden und den Frieden aufzubauen, die Tyrannen zu vertreiben und die Volksordnung der Republik zu erneuern und zu vervollkommnen, das ist j e t z t unsere gemeinsame Pflicht! Übersetzung nach: Cesta ke kvetnu, Prag 1965, Bd. 1/1, S. 111—112.

Dokument 7 Verfassungsdekret des Präsidenten der Republik über die Nationalausschüsse und die Provisorische Nationalversammlung (4. Dezember 1944, London) Ausgehend vom Grundprinzip der gültigen Verfassung der Tschechoslowakischen R e publik, daß das Volk die einzige Quelle jeglicher Staatsmacht in der Tschechoslowakische n Republik ist, und anknüpfend an die Regierungserklärung vom 16. April 1944, ordn e ich auf Vorschlag der Regierung nach Anhörung des Staatsrats an, daß das souveräne

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a) Ordnung und Sicherheit zu gewährleisten. b) öffentliches Eigentum sowie verlassenes Privateigentum zu sichern. c) Die Arbeit in Industrie und Landwirtschaft und die Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. d) Die Verschacherung von tschechoslowakischem Eigentum und Waren ins Ausland zu verhindern und zu sichern, daß auch kein Eigentum der Feinde und Schuldigen ins Ausland gebracht wird. e) Sofort die Angehörigen feindlicher Staaten und Personen aus öffentlichen Funktionen zu entfernen, die der C S R untreu geworden waren oder mit dem Feind zusammengearbeitet hatten sowie alle diese Personen festzuhalten, damit sie nicht entkommen. f) An ihrer Stelle zuverlässige Personen einzusetzen. g) Die sofortige Abgabe aller Waffen aus den Händen unzuverlässiger Personen an die nächsten Kommandanten anzuordnen, die mit der Aufstellung und Ausrüstung der tschechoslowakischen Militäreinheiten betraut wurden. h) Den Kommandanten bei der Organisierung der Militäreinheiten und bei der Sicherung eines Ortes oder Gebietes vor dem äußeren und inneren Feind, seinen bewaffneten Organisationen, Banden und Saboteuren zu helfen. 7. In ihrer Tätigkeit richten sich die Nationalausschüsse nach den geltenden tschechoslowakischen Gesetzen und den Richtlinien, die vom Präsidenten und von der Regierung herausgegeben werden. 8. Über die Organisation und Wirkung der Nationalausschüsse in den befreiten Gebieten der Republik wird bis zur Konstituierung der ordentlich gewählten Nationalversammlung so bald wie möglich ein gesondertes Dekret des Präsidenten der Republik herausgegeben. Bürger der Republik! Indem die Regierung die Organisationsprinzipien der Nationalausschüsse in diesem Augenblick verkündet, tut sie das in der Überzeugung, daß die Führung des Staates auf dem Weg aus der Knechtschaft zur Freiheit nur durch die Opferbereitschaft und die Treue der Söhne und Töchter des Volkes gewährleistet werden kann, und in der Überzeugung, daß die tschechoslowakischen Patrioten geschlossen und einmütig alles tun werden, was ihnen die große Prüfung kämpferischer und bürgerlicher Disziplin auferlegt. Den Kampf zu beenden und den Frieden aufzubauen, die Tyrannen zu vertreiben und die Volksordnung der Republik zu erneuern und zu vervollkommnen, das ist j e t z t unsere gemeinsame Pflicht! Übersetzung nach: Cesta ke kvetnu, Prag 1965, Bd. 1/1, S. 111—112.

Dokument 7 Verfassungsdekret des Präsidenten der Republik über die Nationalausschüsse und die Provisorische Nationalversammlung (4. Dezember 1944, London) Ausgehend vom Grundprinzip der gültigen Verfassung der Tschechoslowakischen R e publik, daß das Volk die einzige Quelle jeglicher Staatsmacht in der Tschechoslowakische n Republik ist, und anknüpfend an die Regierungserklärung vom 16. April 1944, ordn e ich auf Vorschlag der Regierung nach Anhörung des Staatsrats an, daß das souveräne

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Volk auf dem befreiten Gebiet der Republik diese Macht in der Übergangsperiode folgendermaßen ausüben wird: Artikel

1

Auf dem Gebiet der Tschechoslowakischen Republik, das vom Feind befreit wird, werden auf der Basis von Wahlen Nationalausschüsse, und zwar auf Orts-, Bezirks- und Landesebene als provisorische Organe der öffentlichen Verwaltung in allen ihren Bereichen errichtet. Als Organe der staatlichen Verwaltung werden die Nationalausschüsse der Regierung unterstellt. Artikel

2

Aus den Nationalausschüssen wird auf der Basis von Wahlen die Provisorische Nationalversammlung als provisorisches gesetzgebendes Organ hervorgehen, dem die Regierung rechenschaftspflichtig sein wird. Ihre Zusammensetzung, die Art und Weise ihrer Entstehung und ihre Wirkung wird ein gesondertes Verfassungsdekret festlegen. Artikel

3

Die Regierung ist ermächtigt, durch Regierungsverordnungen mit der Wirksamkeit eines Gesetzes festzulegen, wie die Nationalausschüsse gewählt werden und wie sie ihre Kompetenz wahrnehmen werden. Eine solche Regierungsverordnung muß jedoch vom Präsidenten der Republik unterzeichnet werden. Artikel

4

Zur Verwaltung von Gemeinden und Bezirken mit überwiegend staatlich unzuverlässiger Bevölkerung werden nach geltendem Recht Kommissare bzw. Verwaltungskommissionen ernannt, zu denen entsprechend den örtlichen Gegebenheiten Vertreter der staatlich zuverlässigen Bevölkerung zur Mitarbeit herangezogen werden können. Artikel

5

Die Ubergangsperiode beginnt mit dem Tag, an dem ein Teil der Tschechoslowakischen Republik von der feindlichen Macht befreit wird, und endet an dem Tag, den die ordentlich gewählte Nationalversammlung bestimmt. Artikel

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Dieses Verfassungsdekret tritt mit dem Tag seiner Verkündung in Kraft, und alle Mitglieder der Regierung werden es durchführen. Dr. Edvard Benes e. h. (eigenhändig) Dr. Srämek e. h. Becko e- h., Dr. Feierabend e. h., Masaryk e. h., Majer e. h. auch für Minister Nemec, Lichner e. h., Dr. Ripka e. h., Dr. Slävik e. h., Dr. Stränsky e. h. Übersetzung nach: Cesta ke kvetnu, Prag 1965, Bd. 1/1, S. 3 1 7 - 3 1 8 .

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Dokument 8 Jan Sverma, Über die Nationalausschüsse in der befreiten Heimat Der Präsident der Republik rief in seiner Botschaft vom 3. Februar d. J . das Volk zu Hause in der Heimat auf, überall in den Gemeinden, in den Kreisen und Ländern Nationalausschüsse zu bilden, die — nach den Worten des Präsidenten — in der gegenwärtigen E t a p p e Organe des einheitlichen nationalen Kampfes gegen die Okkupanten sein sollen und nach der Befreiung, in der Ubergangsperiode, demokratische Organe der öffentlichen Verwaltung werden sollen. Der Grundgedanke ist hier klar, einfach und selbstverständlich: wir wollen, daß nach der Vertreibung der Okkupanten und nach der Zerschlagung der Macht der Verräter die Volksorgane, demokratisch gewählt von unserm ganzen Volk, die öffentliche Verwaltung fest in ihre Hände nehmen und daß sie sie — gemäß den Richtlinien der Regierung und nach den Gesetzen des provisorischen Parlaments — bis zur Einberufung und bis zur weiteren Entscheidung der gesetzgebenden Versammlung führen. Jeder, der ein wirklicher Demokrat ist und dem das Schicksal unseres Volkes u n d unserer Republik in den schweren Zeiten des Ubergangs am Herzen liegt, versteht diesen Gedanken — und jeder begrüßt ihn. Und jeder weiß auch, daß es nicht vieler Worte bedarf, u m diesen klaren und einfachen Gedanken durch ein gesetzliches Dekret zum Ausdruck zu bringen, daß keine komplizierten bürokratischen Anordnungen notwendig sind, damit dieser Gedanke von unserem Volk in die Tat umgesetzt wird. Aber dennoch h a t sich in unserem ausländischen Widerstand über diesen Gedanken eine große Diskussion entwickelt. Es fanden sich offensichtlich Leute, denen dieser Gedanke nicht schmeckt; und da sie nicht den Mut haben, direkt gegen ihn aufzutreten, wollen sie ihn wenigstens richtig verwirren und schließlich in allen möglichen „juristischen" Schlingen völlig ersticken. Wir bekamen einige April-Nummern der Zeitschrift „Unsere Zeitung" (der Tageszeitung der tschechoslowakischen Armee in Großbritannien) in die Hände, die deutlich beweisen, wieviel Verwirrung schon durch alle möglichen „Diskussionen" über diese einfache Sache gestiftet wurde. Der Autor eines Artikels über die Nationalausschüsse glossiert diese Diskussionen und fragt schließlich: Was sollen eigentlich diese Nationalausschüsse sein? Sind das Organe des Volkes, denen die gesamte staatliche Macht gehört, und für die tschechoslowakische Regierung und den Präsidenten der Republik bleibt nichts — oder sind sie irgendwelche Beratungs- und Paradekommissionen, die vor den Toren unserer Städte u n d Dörfer Triumphbögen errichten u n d unter ihnen einen Regierungsdelegierten u n d die von ihm ernannten Beamten begrüßen sollen? — „Das Gewirr dieser Probleme ist schrecklich und groß" — stöhnt der ratlose Autor nach diesen Betrachtungen. Versuchen wir also, dieses „schreckliche Gewirr" irgendwie zu entwirren. Betrachten wir es nüchtern und einfach, menschlich und demokratisch — und alles wird uns sogleich klar sein. Stellen wir vor allem die Frage: Welche Aufgaben erwarten uns in der befreiten Heimat — und wer kann sie bewältigen? Nicht durch Triumphbögen werden wir in die befreiten Gebiete unserer Heimat zurückkehren, sondern wir werden dorthin an der Seite der Roten Armee nach schweren und blutigen Kämpfen kommen; u n d nicht Festlichkeiten, sondern schwere, sehr schwere Aufgaben werden uns hier erwarten. Es wird notwendig sein, daß unser Volk auf dem befreiten Territorium größtmögliche Anstrengungen unternimmt, d a m i t der Krieg so schnell 182

wie möglich beendet wird und damit das gesamte Gebiet unserer Republik von deutschen und ungarischen Okkupanten gesäubert wird. Es wird erforderlich sein, so schnell wie möglich eine tschechoslowakische bewaffnete Macht zu mobilisieren und erneut zu organisieren; es wird erforderlich sein, schnell und energisch alle Verräter und Hitleragenten unschädlich zu machen, die im Rücken der nahenden Roten Armee ständig eine große Gefahr darstellen; es wird erforderlich sein, schnell die Wirtschaft in die Hand zu nehmen und sie vollständig in den Dienst des Befreiungskampfes zu stellen — den Transport und alle heute von Deutschen und Verrätern beherrschten Betriebe einer öffentlichen Verwaltung zu unterstellen; es wird erforderlich sein, eine schnelle Versorgung der Bevölkerung zu organisieren, und zwar unter den schwersten Bedingungen — in einem Land, das von den deutschen und ungarischen Okkupanten an den Rand einer Hungerkatastrophe gebracht worden ist; es wird erforderlich sein, sofort damit zu beginnen, jene geistige Verwüstung, die die Okkupanten bei uns angerichtet haben, zu beseitigen — sofort mit der Organisierung von Schulen, Vorträgen, demokratischer Propaganda zu beginnen. Was für Organe werden in den befreiten Gebieten unserer Heimat sein, damit mit ihrer Hilfe diese Aufgaben gemeistert werden können? Auf den Staatsapparat in seiner Gesamtheit können wir uns nicht stützen. Es besteht kein Zweifel darüber, daß wir überall genügend Beamte finden werden, die ihrem Volk treu geblieben sind und die diese Treue auch durch Taten bewiesen haben; das Volk kennt an jedem Ort gut solche rechtschaffenen Menschen, schätzt ihre Treue und nutzt gewiß ihre Dienste beim Aufbau des neuen Staates. Aber ebenso wenig gibt es Zweifel darüber, daß der Staatsapparat als Ganzes — und besonders jener „Protektorats"- Staatsapparat — unmittelbar von den deutschen Okkupanten und ihren Helfershelfern aufgebaut worden ist, daß er direkt darauf ausgerichtet ist, den Deutschen zu dienen und gegen das Volk zu kämpfen, daß er durchweg — besonders in den führenden Positionen — von jenen schlimmsten Kreaturen Hitlers durchdrungen ist. Kann uns dieser Staatsapparat als Ganzes in irgendeiner Weise bei der Bewältigung jener Aufgaben nützlich sein, die uns in der befreiten Heimat erwarten? Kann man den Bezirkshauptleuten, die tschechische Menschen in den Tod und in die deutsche Knechtschaft getrieben haben, irgendwie ein Pardon geben und vielleicht sogar in die Dienste der Republik übernehmen, damit sie bei der Vollendung unseres Befreiungskampfes „helfen"? Können Gendarmen und Polizisten, die fünf Jahre hindurch Lockspitzel der Gestapo waren, vielleicht auf ihren Posten bleiben und „im Handumdrehen" aus Helfern der Gestapo zu Organen der Sicherheit unseres Volkes vor den Gestapoleuten, vor den Deutschen und Verrätern werden? Nur ein Verräter der Republik, der heute auf eine großzügige „Amnestie" des Volkes spekuliert, könnte diese Fragen positiv beantworten. Jedem jedoch, der ein wahrhafter Patriot ist, der ein Demokrat und Republikaner ist, ist völlig klar, daß wir den gesamten Staatsapparat in der befreiten Heimat durch und durch von faschistischen, verräterischen und antidemokratischen Elementen werden säubern müssen, daß wir jeden, der unter Hitler gedient hat, zwei- und dreimal werden prüfen müssen und daß aus dieser gründlichen Säuberung ein neuer, wirklich demokratischer Staatsapparat hervorgehen muß. Zu alledem ist natürlich Zeit erforderlich und die Aufgaben, vor die wir gestellt werden, sind unaufschiebbar. Wo ist also ein Ausweg? In unserer alten tschechoslowakischen Verfassung ist geschrieben, daß „alle Macht vom Volke ausgeht". Was ist also natürlicher, als nach diesem Prinzip die Arbeit zu beginnen? Was ist natürlicher, als die Lösung dieser Aufgaben, die die Vollendung unserer Befreiung bedeuten, den Organen unseres Volkes anzuvertrauen, das für die Befreiung die schwersten Opfer brachte? 183

Und daraus ergibt sich direkt die entscheidende, wirklich staatsbildende Rolle der aus unserem nationalen Befreiungskampf hervorgegangenen und in den befreiten Gebieten vom ganzen Volk gewählten Nationalausschüsse. Die Nationalausschüsse werden, indem sie in ihren Gemeinden, in den Bezirken und in den Ländern die allgemeinen Richtlinien der Regierung erfüllen, die dringlichsten Aufgaben der Übergangszeit lösen: sie werden bei der Durchführung der Mobilisierung unserer tschechoslowakischen bewaffneten Macht mitwirken; sie werden über die Ordnung wachen sowie alle Verräter und alle Helfer der Okkupanten sicherstellen, die das Volk an jedem Ort gut erkennen wird — ohne irgendwelche besonderen Direktiven; sie werden die Wirtschaftsunternehmen, die bisher in den Händen der Okkupanten und Verräter waren, in nationale Verwaltung nehmen; sie werden sich um die Versorgung, um die Festlegung der Preise usw. kümmern. Die Nationalausschüsse werden die Säuberung des Staatsapparates durchführen und — jeder in seinem Arbeitsbereich — sofort den neuen Apparat der öffentlichen Verwaltung aufbauen, der direkt den Nationalausschüssen untersteht. Wir sind der Ansicht, daß in der ersten Zeit den Nationalausschüssen auch die Säuberung des Justizapparates anvertraut wird, durchgeführt selbstverständlich gemäß den Richtlinien des Justizministeriums, und daß den Nationalausschüssen im Bezirks- und im Ländermaßstab das Recht eingeräumt wird, besondere Volksgerichte zu konstituieren, vor denen sich die Okkupanten und Verräter für ihre Verbrechen verantworten werden. Wenn wir in der befreiten Heimat wirklich demokratisch wirtschaften wollen — und eine andere Weise würde unser Volk einfach nicht dulden — müssen wir diesen Weg gehen. Das ist ein einfacher und klarer Weg; dazu sind allerdings eine demokratische Überzeugung und Glauben an die Fähigkeiten unseres Volkes erforderlich. Welche Kompetenz werden die Nationalausschüsse haben und welche Rolle wird die Regierung unter diesen Umständen spielen? — auch diese Frage, völlig klar und einfach; war in der Diskussion mehrfach gestellt worden — und sagen wir es offen, ziemlich verdreht. Doch wir können die Kompetenz der Nationalausschüsse genau festlegen, indem wir dabei sogar von der Struktur der öffentlichen Verwaltung ausgehen, wie sie in der alten Tschechoslowakischen Republik existierte — wenn wir selbstverständlich ihren Inhalt in wirklich demokratischem Geist verändern. Wie bekannt ist, war im Jahre 1926 in der Tschechoslowakei eine sog. „Reform der öffentlichen Verwaltung" durchgeführt worden. Die Selbstverwaltung der Bezirke und Länder war mit der politischen Verwaltung vereinigt worden, wobei die entscheidende Macht der Bürokratie in die Hand gegeben worden war. Es wurden zwar die Bezirks- und Ländervertretungen eingeführt, zu zwei Dritteln demokratisch gewählt, aber diese Vertretungen waren lediglich beratendes Organ der Bezirkshauptleute und der Landespräsidenten. Sie konnten allein nichts entscheiden — sie konnten nicht einmal die Tagesordnung ihrer Versammlungen festlegen. Diese Reform der „öffentlichen Verwaltung", im Jahre 1926 von der berüchtigten „Herrenkoalition" beschlossen, in der selbstverständlich die reaktionären Agrarier die erste Geige spielten, ist äußerst undemokratisch. Sie trägt alle Merkmale eines Polizeistaates — es schaut aus ihr der bürokratische Zopf des alten Österreich und Ungarn hervor, die die „Bewachung" der Bürger mit Hilfe von Polizisten, Bezirkshauptleuten und Notaren für den Gipfel der Staatsweisheit hielten. Es ist nicht erforderlich nachzuweisen, daß ein solches „System der öffentlichen Verwaltung" in unserer befreiten Heimat ins Museum gehört. Wer versuchen wollte, bei uns so zu regieren, den würde das befreite Volk bestenfalls in eine Irrenanstalt einsperren — und wahrscheinlich würde es ihn als antidemokratisch, faschistisch riechenden Menschen sicherstellen. Es ist klar, daß wir eine tatsächliche Reform dieser „Reform" der öffentlichen

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Verwaltung durchführen müssen. Und eine solche echte Reform können wir sehr leicht durchführen — ohne lange Diskussionen, ohne komplizierte juristische Formulierungen, ohne Stöhnen über eine „schreckliche Verwirrung der Probleme": die Kompetenz der Nationalausschüsse entspricht der Kompetenz der früheren Selbstverwaltung plus der Kompetenz der öffentlichen politischen Verwaltung — und die grundlegende Kompetenz der Nationalausschüsse wird klar, exakt, gesetzlich bestimmt sein. Die Gemeindenationalausschüsse werden die Funktion der Gemeindevertretungen übernehmen; die Bezirksnationalausschüsse werden die Funktion der früheren Bezirksvertretungen und der politischen Verwaltungen der Bezirke übernehmen; die Landesnationalausschüsse werden die Funktion der früheren Landesvertretungen und der politischen Verwaltungen der Länder ausüben. An die Stelle der allmächtigen Bürokraten, die in ihrer großen Mehrheit den Dienst für die -Republik gegen den Dienst für Hächa, Tiso und Hitler vertauscht hatten, werden in unserer ganzen befreiten Heimat vom Volk direkt gewählte Organe die öffentliche Verwaltung treten. Der Gemeindenationalausschuß handelt nach den Richtlinien des Bezirksnationalausschusses und wird die gesamte Verwaltung seiner Gemeinde leiten; der Bezirksnationalausschuß richtet sich nach den Direktiven des Landesnationalausschusses und wird den Bezirk verwalten; der Landesnationalausschuß wird die Verwaltung des Landes führen. Die Vorsitzenden der Nationalausschüsse werden die Plätze der alten Bürokraten einnehmen — natürlich werden sie nicht deren diktatorische Macht haben, sie werden im Geist der Beschlüsse der Nationalausschüsse handeln. Wir können verstehen, daß viele Leute, die die Demokratie im Munde führen, aber nicht im Herzen haben, den Kopf darüber schütteln, denn eine öffentliche Verwaltung ohne Bezirkshauptleute und Polizisten können sie sich nicht einmal vorstellen. Aber für die Leute, denen der Geist unserer Zeit und der Geist unseres Volkes fremd und unbekannt sind, haben wir einen Ratschlag: mögen sie in unserer befreiten Heimat vor unser Volk treten, das das schreckliche Joch der Gestapo abgeschüttelt hat, und ihm dort zu erklären beginnen, daß irgendein Bezirkshauptmann mit einem Regierungsdekret in der Tasche eher dazu berufen ist, die Verwaltung unserer Angelegenheit zu führen, als ein gewählter Ausschuß im Kampf bewährter Patrioten. Die gebührende Lektion werden sie auf der Stelle erhalten. Die oben umrissene Kompetenz der Nationalausschüsse bestimmt auch klar deren Verhältnis zu den Behörden. Die Behörden — mit Hilfe der Nationalausschüsse selbstverständlich gründlich gesäubert von Verrätern und Kollaborateuren — unterstehen den Nationalausschüssen ebenso, wie sie früher den politischen Verwaltungen der Bezirke und Länder unterstanden. Sie sind dazu berufen, die Beschlüsse der Nationalausschüsse zu erfüllen und durchzuführen. Und wir meinen, daß die wirklich demokratischen Beamten die Weisungen der gewählten Volksorgane mindestens ebenso gewissenhaft erfüllen werden, wie sie die Weisungen der benannten Bürokraten erfüllt haben. Die Regierung wird im wesentlichen die gleiche Stellung haben, die sie früher hatte. Der Unterschied besteht nur darin, daß sie in Angelegenheiten der öffentlichen Verwaltung ihre Richtlinien nicht den Bezirkshauptleuten, Notaren und Vorstehern der politischen Verwaltung des Landes übergeben wird — sie wird sie den Nationalausschüssen geben, wobei sie selbstverständlich die Möglichkeit haben wird einzugreifen und eventuell die Durchführung von Neuwahlen in den Fällen anzuordnen, wenn die Nationalausschüsse die Richtlinien der Regierung nicht durchführen. Einer wirklich demokratischen Regierung — und eine andere kann es in der befreiten Heimat nicht geben — wird es sicher keine Schwierigkeit bereiten, die öffentliche Verwaltung nicht mit Hilfe benannter Bürokraten, sondern mit Hilfe gewählter Volksorgane zu leiten. Die Autorität der Regierung wird 185

darunter keinesfalls leiden. Gerade umgekehrt, eine bei allen ihren Schritten mit dem Volk und mit seinen gewählten Organen verbundene Regierung wird fähig sein, jene großen Aufgaben der Übergangsperiode energisch und schnell zu lösen, die ohne die Beteiligung des Volkes überhaupt nicht zu lösen sind. Wie wir sehen, ist die Frage der Kompetenz der Nationalausschüsse in unserer öffentlichen Verwaltung eine Frage, die vielen Menschen im Kopf herum geht — überhaupt nicht so kompliziert, wie darüber gesprochen wird. Wir können sie klar und einfach stellen, ohne lange Diskussionen und komplizierte Paragraphen. Auch über die Frage der Wahlen zu den Nationalausscliüssen ist eine Diskussion entstanden, auch diese Frage ist in das „Gewirr der schrecklichen Probleme" einbezogen worden. Wer sich allerdings vorstellt, daß wir bei den ersten Wahlen zu den Nationalausschüssen alle Vorschriften der Wahlgesetze wahren und genau einhalten werden können, daß genaue Wählerlisten angefertigt werden, daß diese Listen für die vom Gesetz festgelegte Zeit zur Einsichtnahme ausgelegt werden, daß die Kandidatenlisten in der gesetzlich bestimmten Zeit geliefert, gedruckt und verteilt werden usw. — der kann sich die Wahl der Nationalausschüsse schwer vorstellen. Die Ubergangszeit, in der die Wahlen zu den Nationalausschüssen stattfinden werden, erfordert, daß wir schnell handeln, und sie gibt uns das Recht, auch ohne alle diese formalen Bestimmungen der alten Wahlgesetze zu handeln. Das wird um so mehr erforderlich sein, da unsere Republik wahrscheinlich etappenweise befreit werden wird und wir die Wahlen zu den Nationalausschüssen noch im Verlauf des Krieges durchführen werden müssen — an Orten, bis zu denen noch oft die Kanonaden von der Front dringen werden. Wer vor allem wird iii den befreiten Gemeinden und Städten die Wahlen zu den Nationalausschüsscn durchführen und organisieren? Vergessen wir nicht, daß'wir die Nationalausschüsse nicht aus dem Leeren bilden werden: schon heute werden in allen größeren Orten unserer Republik Nationalausschüsse aufgebaut, die sich aus den besten Patrioten und jenen zusammensetzen, die unseren Widerstandskampf in der Heimat leiten, und es besteht kein Zweifel darüber, daß sich im gegenwärtigen höchsten Stadium unseres Befreiungskampfes das Netz der illegalen Nationalausschüsse schnell über alle Gemeinden und Dörfer ausbreitet. Diese Nationalausschüsse, die im Befreiungskampf eine große Rolle spielten, haben sich in tiefer Illegalität konstituiert, ohne Wahlen, und können selbstverständlich nicht die Aufgaben der demokratischen öffentlichen Verwaltung in ihre Hände nehmen. Die erste Aufgabe dieser Patrioten nach der Befreiung wird es sein, daß sie dem Volk Rechenschaft über ihre Tätigkeit ablegen und eine ordnungsgemäße und demokratische Wahl des Nationalausschusses durchführen, der sofort die Verwaltung der Angelegenheiten seines Gebietes in die Hand nimmt. Wie wird die Wahl des Nationalausschusses in einer Gemeinde und in einer Stadt durchgeführt? In kleineren Orten ist das ganz einfach durchzuführen: es wird eine Versammlung der gesamten Einwohnerschaft einberufen, und hier wird in öffentlicher Abstimmung entschieden, wie die Zusammensetzung des Nationalausschusses sein soll. Nach der gleichen Methode kann man auch in größeren Städten verfahren, die in eine Reihe von Wahlbezirken unterteilt sein können, oder man kann eine Wahl mittels Abgabe der Kandidatenlisten durchführen. Wir sind der Meinung, daß man für die Technik der Wahlen zu den örtlichen Nationalausschüssen der Initiative des Volkes einen breiten Rahmen geben muß, denn wir wissen nicht genau, unter welchen konkreten Verhältnissen die Wahlen zu den örtlichen Nationalausschüssen durchgeführt werden, aber alles muß so angelegt sein, daß die Wahlen so schnell wie möglich durchgeführt werden. Wer wird das aktive und das passive Wahlrecht bei den Wahlen zu den Nationalausschüssen haben? Die Regierungserklärung beantwortet diese Frage richtig, daß „jeder 186

staatlich und national zuverlässige und unbescholtene Tscheche, Slowake und KarpatoUkrainer" das Wahlrecht haben wird. Ausgeschlossen vom Wahlrecht sind also Verräter, Kollaborateure, Knechte der deutschen Okkupanten. Und ich denke, daß es keiner komplizierten gesetzlichen Maßnahmen bedarf, um festzulegen, wer diese Leute sind — und diese Angelegenheit, und gerade diese Angelegenheit, muß man dem Volk überlassen. Die Öffentlichkeit weiß in jedem Ort am besten, wer sich durch seine Handlungsweise aus der nationalen Gemeinschaft ausgeschlossen hat, und in Zweifelsfällen kann darüber vom Volk direkt auf öffentlichen Wählerversammlungen entschieden werden. Wenn wir von den ersten Schritten an in der befreiten Heimat nach den Grundsätzen der Demokratie handeln werden, wenn wir das Volk nicht fürchten und seine Initiative nicht bremsen werden, dann ist es möglich, innerhalb einer Woche in allen befreiten Orten die Wahlen zu den Nationalausschüssen durchzuführen, die nach dem Willen des Volkes zusammengesetzt und die seinen Willen ausdrücken werden. Auch die Wahlen der Bezirksnationalausschüsse kann man schnell und ohne jegliche Komplikationen durchführen. Der örtliche Nationalausschuß in einer Bezirksstadt beruft eine Konferenz der Vertreter aller örtlichen Nationalausschüsse des entsprechenden Bezirkes ein, auf der die Wahl des Bezirksnationalausschusses durchgeführt wird. Die Wahlendes Landesnationalausschusses werden im Einvernehmen mit der Regierung die Landesnationalausschüsse durchführen, die schon heute in den einzelnen Teilen unserer Republik im Zage des Befreiungskampfes entstehen und im weiteren Verlauf des Kampfes noch eine bedeutende Rolle spielen werden. Die Landesnationalausschüsse berufen Versammlungen aller Bezirksnationalausschüsse ein, die die Wahl durchführen werden. Für die slawischen Völker unserer Republik wird die Einberufung und Verhandlung dieser Landesversammlungen ein bedeutendes und geradezu historisches Ereignis sein: jedem dieser Völker geben diese Landesversammlungen Gelegenheit, nach den Jahren der Unfreiheit ihren nationalen Willen deutlich kundzutun. Die Aufgabe der Regierung wird es dann sein, beschleunigt eine gemeinsame Tagung aller Landesnationalausschüsse einzuberufen, auf der die Wahl der Mitglieder der Provisorischen Nationalversammlung durchgeführt wird. Wir meinen, daß es zweckmäßig ist, daß die Provisorische Nationalversammlung eine Kammer hat, damit sie schnell und ohne Verzögerung arbeiten kann, wie es in dieser Zeit äußerst notwendig sein wird. Und so kann sich in kurzer Zeit — im Verlauf einiger Wochen — der Wille unseres Volkes vollständig kundtun, und die Republik kann ein neues Leben beginnen, errichtet auf der festesten Basis — auf unserem Volk. Wie wir schon gezeigt haben, werden vor den Nationalausschüssen in der befreiten Heimat gewaltige und überaus schwere Aufgaben stehen. Man wird sich nicht ruhig hinter den Schreibtisch setzen und in alten Geleisen zu „amtieren" beginnen können — weil es keine alten, ausgefahrenen Geleise hier geben wird. Die Nationalausschüsse werden viele Dinge von Grund auf aufbauen müssen, werden dabei mit Hindernissen und mit hinterhältigen Anschlägen des zwar geschlagenen, aber nicht völlig vernichteten Gegners rechnen müssen. Sie werden auf den Widerstand antidemokratischer Elemente stoßen — sie werden vor allzu „eifrigen" Karrieristen auf der H u t sein müssen. Erst die ersten Tage der Praxis werden zeigen, wie man die Arbeit der Nationalausschüsse an jedem Ort konkret organisieren kann und muß. Aber schon heute ist klar, daß die Bezirksnationalausschüsse und die örtlichen Nationalausschüsse in den größeren Städten von den ersten Tagen an eine gewisse Arbeitsteilung werden organisieren müssen. Es wird notwendig sein, eine besondere Abteilung zur Gewährleistung der Sicherheit einzurichten, was im ersten Augenblick die wichtigste Aufgabe sein wird; man wird eine Wirtschaftsabteilung organisieren müssen, die sich um die Betriebe und Fabriken kümmern 187

muß, die sich in den Händen der Deutschen, der Ungarn und der Verräter befunden hatten; eine große Rolle wird der Versorgungsabteilung zufallen — eine verantwortungsvolle und undankbare Aufgabe; eine Abteilung Schule und Bildung wird die Arbeit aufnehmen müssen, da die Nachfrage nach geistiger Nahrung nicht geringer als die Nachfrage nach Brot sein wird. Und schnell und gründlich wird überall eine militärische Abteilung arbeiten müssen, um bei der Durchführung der Mobilisierung unserer tschechoslowakischen bewaffneten Macht zu helfen. Wenn den Nationalausschüssen die Aufgabe übertragen werden wird, bei der Säuberung unseres Justizwesens von reaktionären Elementen und bei der Konstituierung von Volksgerichten mitzuwirken, die befugt sind, über Okkupanten und Verräter Gericht zu halten — und unserer Meinung nach wird die Beteiligung der Nationalausschüsse auch in dieser wichtigen Angelegenheit notwendig sein — wird es unerläßlich sein, eine besondere Abteilung für die Bewältigung dieser Aufgabe einzurichten. Die Praxis wird sicher auch zeigen, daß es für die schnelle Erledigung der laufenden Angelegenheiten in den Nationalausschüssen erforderlich sein wird, ein besonderes engeres Arbeitskollektiv zu schaffen — vielleicht ein Präsidium der Nationalausschüsse —, das im Rahmen der Beschlüsse der Nationalausschüsse die tägliche Arbeit durchführen wird. Bei der Bewältigung der gewaltigen Aufgaben jedoch, die uns erwarten, wird den Nationalausschüssen keine Konstituierung von Abteilungen und Ausschüssen an sich helfen, wenn nicht ihre ganze Arbeit mit dem Volk und mit den Organisationen des Volkes verbunden sein wird. Die nationalen Kämpfer, die Partisanen, die Angehörigen des Sokol und anderer nationaler Organisationen werden eine große Rolle bei der Gewährleistung der Sicherheit in der befreiten Heimat spielen müssen. Die Betriebsausschüsse und die Gewerkschaftsorganisationen werden den Nationalausschüssen helfen, die Betriebe in Gang zu halten, die den Deutschen, den Ungarn und den Verrätern genommen worden sind. Die Konsumgenossenschaftsorganisationen und die genossenschaftlichen Organisationen der Bauern, auf demokratischer Grundlage errichtet, werden an der Überwindung der Versorgungsschwierigkeiten mitwirken. Das umfangreiche Netz unserer kulturellen Organisationen, die von den Okkupanten unterdrückt wurden, von denen aber sicher viele von neuem und schnell ihre Tätigkeit aufnehmen werden, wird bei der Auferstehung unseres geistigen Lebens mitwirken. Und das ganze Volk, die ganze Nation wird dazu mobilisiert werden müssen, im Feuer der Kämpfe diese dringendste Aufgabe zu erfüllen: schnell eine starke tschechoslowakische Armee aufzubauen. Wie wir sehen, werden die Nationalausschüsse zwar Behörden sein, und sogar vollberechtigte Machtorgane der Republik — aber sie dürfen nicht Behörden im alten, schlechten, bürokratischen Sinne des Wortes sein. Sie entstehen aus dem Volk heraus und nur in Verbindung mit dem Volk können sie ihre große staatsbildende Mission erfüllen. Und damit das immer so ist, laßt uns dem Volk das Recht geben, die Mitglieder der Nationalausschüsse immer unter seiner Kontrolle haben zu können — durch Beschluß der Wählerversammlung jene Mitglieder der Nationalausschüsse, die ihren Aufgaben noch nicht gewachsen sind, abberufen und durch andere ersetzen zu können. Das wird demokratisch sein, und das wird für unser öffentliches Leben eine gesunde Einrichtung sein. Wir haben versucht, einige Gedanken darüber zu entwickeln, was eigentlich die Nationalausschüsse sein sollen, wie sie gewählt und konstituiert werden sollen, wie sie arbeiten sollen. Unserer innersten Überzeugung nach sind es keine „schrecklichen Probleme" — es ist ein klarer, einfacher und demokratischer Weg ins neue Leben. Und wir setzen noch hinzu: es ist der einzig gangbare, der einzig mögliche Weg! Diesen Weg allerdings zu gehen setzt voraus, eine ehrliche, demokratische Überzeugung zu haben, den guten Willen, seinem Volk zu dienen, sein Volk zu lieben und zu achten. 188

W e r das nicht h a t , der wird allerdings bei der Geburt des neuen Lebens ein H e m m n i s sein. Aber möge er sich dann die Folgen selbst zuschreiben, die sich aus seiner Handlungsweise ergeben werden und möge er nicht die biblischen W o r t e vergessen: „ W e h e dem, durch welchen Ärgernis k o m m t ! " Ubersetzung nach: Za svobodu ceskelio a slovenskeho näroda. Sbornik dokumentü k dejinäm KSC, Prag 1956, S. 3 3 3 - 3 4 3 .

Dokument 9 Das P r o g r a m m der neuen Regierung der Nationalen Front der Tschechen und Slowaken, angenommen auf der ersten Sitzung der Regierung a m 5. April 1 9 4 5 (KoSicer P r o g r a m m ) I Nach m e h r als sechs J a h r e n fremder K n e c h t s c h a f t ist die Zeit gekommen, da über unserer schwer geprüften H e i m a t die Sonne der Freiheit aufgeht. Auf ihrem ruhmvollen Siegesweg gen W e s t e n h a t die R o t e

Armee erste Teile der Tschechoslowakischen Republik befreit.

S o wurde es d a n k unserem großen Verbündeten, der Sowjetunion, möglich, daß der P r ä sident der Republik auf befreites Gebiet zurückkehrte und hier, wieder auf heimatlichem Boden, die neue tschechoslowakische Regierung gebildet wurde. Die neue Regierung soll eine Regierung der breiten Nationalen F r o n t der T s c h e c h e n und Slowaken sein, und Vertreter

aller sozialen Schichten und politischen Richtungen, die in

der H e i m a t und im Ausland den nationalen Befreiungskampf zum S t u r z der deutschen und ungarischen T y r a n n e i führten, bilden sie. Die neue Regierung e r a c h t e t es als ihre Aufgabe, an der Seite der Sowjetunion und der übrigen Verbündeten diesen K a m p f bis zu E n d e , bis zur vollständigen Befreiung

der Republik zu führen, m i t allen Kräften des tschechischen

und slowakischen Volkes zur völligen Niederlage Hitlerdeutschlands beizutragen und die ersten S c h r i t t e zum Aufbau eines neuen, glücklicheren Lebens unserer Völker in der befreiten H e i m a t zu tun. In ihrer jetzigen Zusammensetzung b e t r a c h t e t die Regierung ihre Mission als zeitlich begrenzt.

Nach der Befreiung der übrigen Teile der Republik und besonders dann der

tschechischen L ä n d e r wird im Sinne des Verfassungsdekrets des Präsidenten der Republik auf der Grundlage der Nationalausschüsse die Provisorische Nationalversammlung gewählt und einberufen. Die

Provisorische Nationalversammlung bestätigt den Präsidenten der

Republik in seiner F u n k t i o n

bis zur ordentlichen Wahl, und der Präsident ernennt die

neue Regierung unter Berücksichtigung der entsprechenden Vertretung aller Teile unseres Nationalen Widerstandes in der H e i m a t

und im Ausland. Diese Regierung und die Pro-

visorische Nationalversammlung bereiten

dann innerhalb einer möglichst kurzen F r i s t

allgemeine, geheime und direkte Wahlen

zur Konstituierenden Versammlung vor und

führen sie durch, die die neue Verfassung der Republik ausarbeitet und deren Zukunft auf eine feste Verfassungsgrundlage stellt.

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W e r das nicht h a t , der wird allerdings bei der Geburt des neuen Lebens ein H e m m n i s sein. Aber möge er sich dann die Folgen selbst zuschreiben, die sich aus seiner Handlungsweise ergeben werden und möge er nicht die biblischen W o r t e vergessen: „ W e h e dem, durch welchen Ärgernis k o m m t ! " Ubersetzung nach: Za svobodu ceskelio a slovenskeho näroda. Sbornik dokumentü k dejinäm KSC, Prag 1956, S. 3 3 3 - 3 4 3 .

Dokument 9 Das P r o g r a m m der neuen Regierung der Nationalen Front der Tschechen und Slowaken, angenommen auf der ersten Sitzung der Regierung a m 5. April 1 9 4 5 (KoSicer P r o g r a m m ) I Nach m e h r als sechs J a h r e n fremder K n e c h t s c h a f t ist die Zeit gekommen, da über unserer schwer geprüften H e i m a t die Sonne der Freiheit aufgeht. Auf ihrem ruhmvollen Siegesweg gen W e s t e n h a t die R o t e

Armee erste Teile der Tschechoslowakischen Republik befreit.

S o wurde es d a n k unserem großen Verbündeten, der Sowjetunion, möglich, daß der P r ä sident der Republik auf befreites Gebiet zurückkehrte und hier, wieder auf heimatlichem Boden, die neue tschechoslowakische Regierung gebildet wurde. Die neue Regierung soll eine Regierung der breiten Nationalen F r o n t der T s c h e c h e n und Slowaken sein, und Vertreter

aller sozialen Schichten und politischen Richtungen, die in

der H e i m a t und im Ausland den nationalen Befreiungskampf zum S t u r z der deutschen und ungarischen T y r a n n e i führten, bilden sie. Die neue Regierung e r a c h t e t es als ihre Aufgabe, an der Seite der Sowjetunion und der übrigen Verbündeten diesen K a m p f bis zu E n d e , bis zur vollständigen Befreiung

der Republik zu führen, m i t allen Kräften des tschechischen

und slowakischen Volkes zur völligen Niederlage Hitlerdeutschlands beizutragen und die ersten S c h r i t t e zum Aufbau eines neuen, glücklicheren Lebens unserer Völker in der befreiten H e i m a t zu tun. In ihrer jetzigen Zusammensetzung b e t r a c h t e t die Regierung ihre Mission als zeitlich begrenzt.

Nach der Befreiung der übrigen Teile der Republik und besonders dann der

tschechischen L ä n d e r wird im Sinne des Verfassungsdekrets des Präsidenten der Republik auf der Grundlage der Nationalausschüsse die Provisorische Nationalversammlung gewählt und einberufen. Die

Provisorische Nationalversammlung bestätigt den Präsidenten der

Republik in seiner F u n k t i o n

bis zur ordentlichen Wahl, und der Präsident ernennt die

neue Regierung unter Berücksichtigung der entsprechenden Vertretung aller Teile unseres Nationalen Widerstandes in der H e i m a t

und im Ausland. Diese Regierung und die Pro-

visorische Nationalversammlung bereiten

dann innerhalb einer möglichst kurzen F r i s t

allgemeine, geheime und direkte Wahlen

zur Konstituierenden Versammlung vor und

führen sie durch, die die neue Verfassung der Republik ausarbeitet und deren Zukunft auf eine feste Verfassungsgrundlage stellt.

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II Noch verläuft aber die Kriegsfront auf dem Gebiet unserer Republik, noch wütet der tödlich getroffene, aber nichtsdestoweniger sich verzweifelt wehrende Feind in der westlichen Slowakei und in den tschechischen Ländern, noch warten Millionen unserer Brüder und Schwestern auf die Befreiung aus dem unerträglichen J o c h . Unter diesen Umständen wird die Hauptaufgabe der Regierung, der alles übrige untergeordnet sein muß, die größtmögliche Steigerung der Kriegsanstrengungen der Tschechoslowakei bis zur Befreiung des ganzen Landes und zur völligen Niederlage Hitlerdeutschlands sein. Deshalb wird die Regierung die vorrückende Rote Armee mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln unterstützen. Sie wird eine schnelle Instandsetzung der zerstörten Eisenbahnen, Straßen, Brücken sowie der Telegraphen- und Telefonverbindungen durchführen und den Kriegstransport unterstützen, sich um geeignete Unterbringung der sowjetischen Truppen und ihrer Etappeninstilutionen kümmern, die Pflege der verwundeten Rotarmisten übernehmen und zur Versorgung von Teilen der Roten Armee mit Nahrungsmitteln, Futter und anderen Gebrauchsgütern beitragen. Die Erfüllung dieser Aufgaben wird die Regierung auch von den Nationalausschüssen und den übrigen Organen nachdrücklich fordern. Den Erfordernissen der weiteren Kriegführung werden auch alle politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Maßnahmen, die im befreiten Gebiet durchgeführt werden, untergeordnet. Im befreiten Gebiet wird die Regierung mit der Mobilisierung der wehrfähigen Bürger der Tschechoslowakei fortfahren, wird um das 1. tschechoslowakische Korps eine neue tschechoslowakische Armee formieren, wird für eine beschleunigte Ausbildung, Ausrüstung und Bewaffnung der neuen tschechoslowakischen Einheiten und deren baldigen Einsatz an der F r o n t sorgen. Die Regierung bemüht sich auch um die Verlagerung tschechoslowakischer Einheiten der Land- und Luftstreitkräfte aus dem Westen in das befreite Gebiet. I m Hinterland des Feindes wird die Regierung den gesamtnationalen Kampf der breitesten Schichten des Volkes gegen die Okkupanten organisieren, sie wird dahin wirken, daß das tschechische Volk seinen bisherigen heldenhaften Kampf aufopfernd verstärkt, daß nach dem Beispiel der Slowaken und der Partisanengruppen in den tschechischen Ländern das Banner des nationalen Partisanenkrieges im Rücken des Feindes hoch erhoben wird, daß mit allen Mitteln die deutsche Kriegsproduktion, der Transport und die Versorgung lahmgelegt werden und so zur Verkürzung der Leiden durch die fremde Okkupation und zur vollständigen und baldigen Vertreibung der Okkupanten beigetragen wird. III Die außerordentlichen Verdienste der Roten Armee um unsere Befreiung und ihre entscheidende Rolle bei der Sicherung unserer Zukunft würdigend und der unerreichten Kriegskunst, der beispiellosen Selbstaufopferung und dem grenzenlosen Heldentum ihrer Angehörigen huldigend, will die Regierung die Kampfgemeinschaft der tschechoslowakischen Armee mit der Roten Armee noch mehr festigen und sieht in ihr das Vorbild für den Aufbau einer neuen, wirklich demokratischen, antifaschistischen tschechoslowakischen Armee. Um eine möglichst enge Kampfgemeinschaft mit der Roten Armee zu ermöglichen, die im Interesse des Sieges und unserer Zukunft erforderlich ist, werden die Organisation, die Ausrüstung und die Ausbildung der neuen tschechoslowakischen bewaffneten Macht gleich ¿ e r Organisation, Ausrüstung und Ausbildung der Roten Armee sein. Damit wird zugleich 190

eine wirkungsvolle Hilfe der Roten Armee ermöglicht und eine vollkommene Ausnutzung ihrer unschätzbaren Kampferfahrungen erreicht. In ihrem Bemühen, alle Kräfte des Volkes im befreiten Gebiet für den organisierten bewaffneten Kampf gegen unsere Feinde zu mobilisieren, ist sich die Regierung bewußt, daß die große Mission im gegenwärtigen Ringen um die Freiheit und bei der zukünftigen Sicherung der Republik allein eine konsequent antifaschistische, nationale Befreiungsarmee, eine wirklich demokratische Armee, die den Willen des Volkes verwirklicht, die mit dem Volk verbunden ist, die das Vertrauen des Volkes genießt und darum auch seine ganze Liebe und Fürsorge empfängt, zu erfüllen imstande ist. Die Regierung wird deshalb alles tun, damit beim Aufbau der neuen tschechoslowakischen bewaffneten Macht der demokratische, der Volkscharakter der Armee begründet, gefestigt und weiter vertieft wird. Die neue tschechoslowakische Armee wurde im Kampf gegen den Hitlerismus geboren, und ihre Basis werden jene Teile unserer Völker sein, die aktiv mit der Waffe in der Hand in der Heimat und im Ausland kämpfen (das 1. tschechoslowakische Korps in der U d S S R , unsere Flieger, die tschechoslowakische Panzerbrigade in Frankreich, die slowakischen und tschechischen Partisanen, die aufständischen Truppen in der Slowakei). Um diesen Stamm, besonders um das 1. tschechoslowakische Korps in der U d S S R , wird die neue tschechoslowakische bewaffnete Macht gebildet werden. Die neue tschechoslowakische Armee wird im Kampf und für den noch andauernden Kampf an der Front aufgebaut, und ihre neu ausgebildeten und ausgerüsteten Einheiten werden so schnell wie möglich an der Seite der Roten Armee im Kampf eingesetzt. Damit die neue tschechoslowakische Armee ein machtvolles und scharfes Instrument des antifaschistischen Kampfes wird, muß sie auf einer eisernen, aber demokratischen militärischen Disziplin gegründet sein, auf einer Disziplin höherer Stufe, einer bewußten Disziplin, die aus dem klaren Bewußtsein der nationalen Pflichten und dem vollen Begreifen der gegebenen Aufgaben hervorgeht. Damit unsere Armee im Geiste des Staates, in demokratischem und antifaschistischem Geiste erzogen wird, will die Regierung ein für allemal mit dem sog. „unpolitischen Charakter" der Armee in dem Bewußtsein Schluß machen, daß sich hinter diesem „unpolitischen Charakter" eine Unterschätzung des moralischen Faktors im Kampfe verbirgt und daß unter seinem Deckmantel reaktionäre, antidemokratische und kapitulantenhafte Tendenzen wuchern. Es ist im Gegenteil notwendig, daß jeder tschechoslowakische Soldat ein bewußter Kämpfer für die Freiheit der Nation und ein bewußter Verteidiger ihrer Freiheit in der Zukunft ist. Damit unter allen Angehörigen der bewaffneten Macht auch unter schwersten Kampfbedingungen und bei Prüfungen eine hohe Kampfmoral und ein hoher antifaschistischer, demokratischer Geist anerzogen und erhalten wird, wird in allen militärischen Einheiten, Teilen und Institutionen die Institution der „Bildungsoffiziere" errichtet, die die Stellvertreter der entsprechenden Kommandeure im Bereich der Erziehung und Bildung sein werden, und bei den höheren Kommandostellen werden sie die Abteilungen für Erziehung und Bildung leiten. Leitendes Erziehungsorgan wird im Rahmen des Ministeriums für nationale Verteidigung die „Hauptverwaltung für Erziehung und Bildung" sein, deren Leiter dem Minister für nationale Verteidigung und seinem Stellvertreter direkt unterstellt und auf Vorschlag des Ministers für nationale Verteidigung und seines Stellvertreters von der Regierung ernannt wird. Den Bildungsoffizieren werden entsprechende Bedingungen für die erfolgreiche Erfüllung ihrer Aufgaben während und außerhalb des Kampfes zugesichert. Besondere Aufmerksamkeit ist der Erziehung und der Bewußtseinsbildung der Kommandeurskader, vor allem auch der Bildungsoffiziere, zu widmen.

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Die Regierung betont, daß die Kommandeurstellen in der neuen tschechoslowakischen Armee nur Offiziere aufrichtig demokratischer, wahrhaft antifaschistischer Gesinnung bekleiden können. Die tschechoslowakische Armee kann auf Hunderte und Tausende ihrer Offiziere stolz sein, die, getreu ihrem Eid auf die Republik, standhaft und furchtlos den Kampf gegen die deutschen Tyrannen in der Heimat und im Ausland führten und führen, für die Heimat auf den Richtplätzen und auf den Schlachtfeldern starben und ihre patriotische und demokratische Gesinnung glänzend bewiesen. Gleichzeitig ist es jedoch notwendig, schnellstens Maßnahmen zur raschesten Säuberung der Armee von allen verräterischen, kollaborierenden, antidemokratischen und volksfeindlichen Elementen durchzuführen, und es wird darauf geachtet, daß solche Elemente nicht auf Kommandeurstellen vordringen können. Die Uberprüfung der politischen und nationalen Verläßlichkeit des Offizierskorps wird in der Übergangszeit von den zuständigen Militärinstanzen unter Mitwirkung der Volksorgane, d. h. der Nätionalausschüsse und des Slowakischen Nationalrates, sowie auch direkt von den von der Regierung zu diesem Zweck eigens benannten Organen durchgeführt. Eine verantwortungsvolle Aufgabe fällt hier dem Apparat des „Abwehrdiehstes" zu, der aus den zuverlässigsten Menschen zu einem selbständigen Organ aufgebaut werden muß, das den höheren Kommandeuren verantwortlich ist. Die Regierung widmet der Schulung des demokratischen, antifaschistischen Offizierskorps außerordentliche Aufmerksamkeit. Sie wird darauf achten, daß sich die Offiziere möglichst umfassend die Kampferfahrungen der Roten Armee und unserer kämpfenden Einheiten aneignen, sie wird für die Ubergangszeit Professoren und Instrukteure von der Roten Armee für das eigene Militärschulwesen erbitten. Sie wird um die Entsendung einer möglichst großen Zahl der fähigsten Offiziere an sowjetische Militärschulen bis hin zu den höchsten Militärlehranstalten und -akademien bemüht sind. Die Skala der Offiziersränge wird vereinfacht, die materiellen Verhältnisse der Offiziere verbessert. Bei der Festsetzung der Gehälter wird nicht nur der erreichte Rang, sondern auch die tatsächlich ausgeübte Funktion berücksichtigt. Angehörigen der bewaffneten Macht mit Spezialausbildung (Ärzten, Apothekern, Ingenieuren usw.) werden die entsprechenden Offiziersränge zuerkannt. Die Ernennung und Beförderung von Offizieren wird nicht nur durch formale Regeln bedingt sein, sondern die außerordentliche rasche Avancierung (resp. Ernennung) der fähigsten, vor allem jener, die sich an der Front im Kampf bewährt haben, wird gefördert. Die Regierung wird dafür sorgen, daß in der neuen tschechoslowakischen Armee die staatsrechtliche Stellung der Tschechen und Slowaken entsprechend dem Grundsatz „Gleicher unter Gleichen" vollständig respektiert wird und daß den Slowaken in allen zentralen Institutionen eine entsprechende Vertretung zuteil wird. In der einheitlichen tschechoslowakischen Armee wird die volle Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit der slowakischen und der tschechischen Sprache als Kommando- und Dienstsprachen eingeführt. Im Rahmen der einheitlichen tschechoslowakischen bewaffneten Macht und bei Erhaltung der völligen Einheitlichkeit der Führung und der Organisation der Armee werden slowakische nationale Militäreinheiten gebildet, wie dies in einem besonderen Kapitel über den Standpunkt der Regierung zur slowakischen Frage ausführlicher dargelegt wird. In der Armee werden die Kampftraditionen unserer Völker, besonders die Kampftraditionen unserer kämpfenden militärischen Einheiten und der Partisanen, bewahrt und gepflegt. Die Tätigkeit in den Partisanenabteilungen wird nach der Uberprüfung in vollem Umfang als Dienst in der neuen tschechoslowakischen Armee anerkannt. Die Offiziersränge in den Partisanenabteilungen werden nach einer Überprüfung, evtl. nach Beendigung eines kurzen Kurses, in der neuen tschechoslowakischen Armee anerkannt.

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Die Regierung wird neue tschechoslowakische Kampfauszeichnungen, Orden und Medaillen schaffen, die dem Geist und den Kampftraditionen unserer Völker entsprechen. Bei der Lösung der militärischen Frage ist die Regierung entschlossen, alles zu tun, was der schnellsten und wirksamsten Mobilisierung der bewaffneten Kräfte des Volkes, ihrer Einsetzung im Kampf an der Front und der erfolgreichen Führung des Kampfes bis zum endgültigen Sieg dienlich sein wird. IV Die unendliche Dankbarkeit des tschechischen und slowakischen Volkes gegenüber der Sowjetunion zum Ausdruck bringend, wird die Regierung das engste Bündnis mit der siegreichen slawischen Großmacht im Osten als die unerschütterliche Leitlinie der tschechoslowakischen Außenpolitik betrachten. Der tschechoslowakisch-sowjetische Vertrag vom 12. Dezember 1943 über gegenseitige Hilfe, Freundschaft und Zusammenarbeit nach dem Kriege wird für alle Zukunft die außenpolitische Position unseres Staates bestimmen. Mit Hilfe der Sowjetunion wird die Befreiung der Tschechoslowakischen Republik vollendet werden, um so mit ihrer Unterstützung deren Freiheit und Sicherheit für immer zu gewährleisten und um durch das allseitige Zusammenwirken mit der Sowjetunion den Völkern der Tschechoslowakei eine friedliche Entwicklung und glückliche Zukunft zu sichern. Die Regierung wird von Anfang an ein praktisches Zusammenwirken mit der Sowjetunion und zwar in allen Richtungen — militärisch, politisch, wirtschaftlich, kulturell — durchsetzen, wobei sie einen gegenseitigen Austausch von Repräsentanten und einen wechselseitigen Kontakt mit der benachbarten Ukrainischen Sowjetischen Unionsrepublik zustande bringen möchte. Die Regierung wird bemüht sein, daß bei der endgültigen Zerschmetterung Hitlerdeutschlands, beim Strafvollzug an Deutschland, bei der Auferlegung von Reparationen an Deutschland, bei der Festlegung der neuen Grenzen und der Organisierung des künftigen Friedens die Tschechoslowakei fest an der Seite der Sowjetunion und in einer Reihe mit den übrigen slawischen und demokratischen Staaten steht. Die Regierung wird eine wichtige Aufgabe darin erblicken, mit dem neuen demokratischen Polen ein festes Bündnis herzustellen, damit auch die vorgesehene Erweiterung des tschechoslowakisch-sowjetischen Vertrages vom 12. Dezember 1943 zu einem dreiseitigen Pakt so bald als möglich durchgeführt werden kann, der das Bündnis der Tschechoslowakei, Polens und der Sowjetunion gegen die deutsche Aggressivität bekräftigen würde. Soweit es um Polen geht, wird die Regierung bemüht sein, die unselige Vergangenheit zu vergessen und das Verhältnis der Tschechoslowakei zum neuen Polen von Anfang an auf eine neue Grundlage zu stellen, auf die der slawischen Brüderlichkeit. Der slawischen Linie ihrer Außenpolitik wird die Regierung auch darin folgen, daß sie mit dem neuen Jugoslawien freundschaftliche Verbindungen anknüpfen und eine Form neuer Beziehungen auch mit dem slawischen Bulgarien finden wird. Im Verhältnis zu Ungarn wird die Regierung den Waffenstillstand voll nutzen, der besonders dank der Hilfe der Sowjetunion so bedeutend zugunsten der Tschechoslowakei ausfiel, um später, nach der Wiedergutmachung allen Unrechts und aller Verbrechen, die von den ungarischen Okkupanten begangen worden waren, die Bemühungen um eine Annäherung des neuen und wahrhaft demokratischen Ungarn ebenso wie des unabhängigen und demokratischen Österreich an die slawischen Nachbarvölker und -Staaten zu unterstützen. Diese Hauptorientierung der vom Geiste der slawischen Freundschaft getragenen 13

Schröder-Laskowski, Tschechoslowakei

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tschechoslowakischen Außenpolitik stellt die Regierung auf die breite Grundlage der allgemeinen freundschaftlichen Beziehungen zu den demokratischen Westmächten und zu allen demokratischen Staaten, die in der antifaschistischen Front der vereinten Nationen stehen. Die freundschaftlichen Beziehungen zu England, dessen Hilfe während des Krieges wir hoch schätzen, wie auch zu den USA, wird die Regierung festigen, analog auch die besonders enge Freundschaft zu Frankreich, wobei sie darum bemüht sein wird, daß die Tschechoslowakei ein aktiver Bestandteil beim Aufbau einer neuen Ordnung im befreiten, demokratischen Europa wird. V In ihrer Innenpolitik wird die Regierung von dem Grundsatzartikel der tschechoslowakischen Verfassung ausgehen, daß das Volk die einzige Quelle der Staatsmacht ist. Deshalb wird die Regierung das gesamte öffentliche Leben auf einer breiten demokratischen Basis aufbauen, dem Volk alle politischen Rechte sichern und einen unerbittlichen Kampf zur Ausmerzung aller faschistischen Elemente führen. Im Unterschied zu dem früheren bürokratischen, vom Volk entfernten Verwaltungsapparat werden in den Gemeinden, Kreisen und Ländern als neue Organe der staatlichen und öffentlichen Verwaltung vom Volk gewählte Nationalausschüsse gebildet. Diese vom Volk gewählten, unter der ständigen Kontrolle des Volkes stehenden und bis auf weiteres vom Volke abberufbaren Nationalausschüsse werden in ihrem Wirkungsbereich alle öffentlichen Angelegenheiten verwalten und neben den zentralen Organen für die öffentliche Sicherheit sorgen und sich den ihnen unterstellten demokratischen Beamtenapparat aufbauen. Die Regierung wird ihre Politik über die Nationalausschüsse verwirklichen und sich voll auf sie stützen. Alle Verwaltungs- und Gewaltorgane und Institutionen, die von den ehemaligen Regimes der Okkupanten und Verräter geschaffen wurden, werden liquidiert. Für die provisorische Verwaltung der Gemeinden und Bezirke mit einer Mehrheit von staatlich unzuverlässiger, nichtslawischer Bevölkerung werden Verwaltungsfunktionen festgelegt. Das befreite Volk wird in die Nationalausschüsse seine besten Vertreter schicken — unabhängig davon, ob sie Angehörige irgendeiner politischen Partei sind oder nicht —, die sich aber im Kampf gegen die fremden Eindringlinge und Verräter bewährt haben und durch ihre Taten ein wahrhaftes patriotisches Empfinden und eine demokratische Überzeugung bewiesen haben und beweisen. Gleichzeitig werden jedoch das Volk und die Regierung sorgsam darüber wachen, daß in die Nationalausschüsse nicht Elemente eindringen, die mit den Okkupanten zusammengearbeitet, die Verräter unterstützt und sich in den Diensten des Feindes schnöde persönliche Vorteile verschafft haben. Die Regierung wird die schöpferische Initiative und die öffentliche Tätigkeit der breitesten Volksschichten voll unterstützen. Neben der direkten Teilnahme an der Verwaltung und Leitung der staatlichen und öffentlichen Angelegenheiten mittels der Nationalausschüsse wird das Volk das Recht auf die Schaffung freiwilliger Organisationen verschiedener Art — politischer, gewerkschaftlicher, genossenschaftlicher, kultureller, sportlicher und anderer Organisationen — haben und mittels dieser seine demokratischen Rechte verwirklichen. Dabei wird jedoch nicht zugelassen werden, daß in diese Organisationen Verräter der Nation, Faschisten und andere offenkundige oder maskierte Feinde des Volkes eindringen. Es wird eine konsequente Gleichberechtigung der Frauen auf allen Gebieten des politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens durchgeführt werden. Es wird das allgemeine Wahlrecht der Männer und Frauen, beginnend mit dem 18. Lebensjahr, ein-

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geführt und auch auf die Angehörigen der bewaffneten Macht ausgedehnt. Des aktiven und passiven Wahlrechts im Sinne des Dekrets des Präsidenten der Republik über die Bestrafung der Kriegsschuldigen, Verräter und Kollaboranten und der Konstituierung von Volksgerichten werden jedoch alle Verräter der Nation und Helfershelfer des Feindes verlustig. Die verfassungsmäßigen Freiheiten, besonders die Freiheit der Person, der Versammlung, der Vereinigung, der Meinungsäußerung in Wort, Druck und Schrift, das Haus- und Briefgeheimnis, die Freiheit der Lehre, des Gewissens und der religiösen Bekenntnis werden voll garantiert. Eine Diskriminierung von Bürgern der Republik aus rassischen Gründen wird nicht zugelassen. VI Die Regierung wird sich als die erste Regierung in der Heimat als Verkörperung der tschechoslowakischen staatlichen Gemeinschaft betrachten, die auf neuen Prinzipien begründet ist. Indem die Regierung mit allen alten Zwistigkeiten Schluß macht und von der Anerkennung der Slowaken als national eigenständigem Volk ausgeht, wird sie von ihren ersten Schritten an bemüht sein, im tschecho-slowakischen Verhältnis das Prinzip „Gleicher unter Gleichen" zu verwirklichen und so eine echte Brüderlichkeit zwischen beiden Völkern durchzusetzen. Indem die Regierung anerkennt, daß die Slowaken in ihrem slowakischen Land die Herren sein sollen, ebenso wie die Tschechen in ihrer tschechischen nationalen Heimat, und daß die Republik als gemeinsamer Staat gleichberechtigter Nationen, der tschechischen und der slowakischen, erneuert wird, drückt sie diese Anerkennung durch wichtige staatspolitische Akte aus. Sie wird im Slowakischen NatLonalrat, der sich auf die Nationalausschüsse in den Gemeinden und Bezirken stützt, nicht nur den berechtigten Vertreter der eigenständigen slowakischen Nation erblicken, sondern auch den Träger der staatlichen Macht auf dem Gebiet der Slowakei (der gesetzgebenden, regierenden und ausübenden Macht), wie das dem besonderen Übereinkommen des Slowakischen Nationalrates mit dem Präsidenten der Republik und mit der tschechoslowakischen Regierung in London entspricht. Die gemeinsamen staatlichen Aufgaben wird die Regierung als zentrale Regierung der Republik im engsten Zusammenwirken mit dem Slowakischen Nationalrat und mit dem Kollegium der slowakischen nationalen Beauftragten als dem ausführenden Regierungsorgan des Slowakischen Nationalrates durchführen. Im Rahmen der neu aufgebauten einheitlichen tschechoslowakischen bewaffneten Macht und auf der Grundlage der einheitlichen Dienststellen werden nationale slowakische militärische Formationen (Regimenter, Divisionen usw.) gebildet, die überwiegend aus Mannschaften, Unteroffizieren und Offizieren slowakischer Nationalität zusammengesetzt sind und in denen als Kommando- und Dienstsprache Slowakisch benutzt wird. Die Offiziere und Gagisten der ehemaligen slowakischen Armee werden, soweit sie nicht gegen die nationale Ehre eines Slowaken verstoßen haben und nicht strafrechtlich verfolgt werden wegen ihrer Tätigkeit unter dem ehemaligen verräterischen Regime, in die tschechoslowakische Armee in ihrem bisherigen Rang übernommen, wobei ein Gutachten und eine Empfehlung des Slowakischen Nationalrates maßgebend sein werden. Die neue Regierung der Republik wird dafür sorgen, daß bei der verfassungsmäßigen Klärung des Verhältnisses zwischen dem slowakischen und dem tschechischen Volk die slowakischen Organe der gesetzgebenden, regierenden und ausübenden Macht so konstituiert werden, wie das slowakische Volk sie heute im Slowakischen Nationalrat hat. Uber die künftige Aufteilung der Kompetenz zwischen den zentralen und den slowakischen Organen werden die legitimen Vertreter des tschechischen und slowakischen 13*

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Volkes übereinkommen. In den zentralen staatlichen Behörden, Institutionen und in den Wirtschaftsorganen von gesamtstaatlicher Bedeutung wird den Slowaken eine Vertretung entsprechend der Zahl und Bedeutung zugesichert. VII Die Regierung wird dafür sorgen, daß die Frage der Karpaten-Ukraine, die von der Bevölkerung dieses Landes selbst gestellt wird, so bald als möglich gelöst wird. Die Regierung möchte, daß diese Frage entsprechend dem demokratisch geäußerten Willen des karpato-ukrainischen Volkes und in voller Freundschaft zwischen der Tschechoslowakei und der Sowjetunion gelöst wird, und sie ist überzeugt, daß das so tatsächlich sein wird. Die Regierung trifft in diesem Sinne alle notwendigen Vorbereitungen. VIII Die furchtbaren Erfahrungen, die die Tschechen und Slowaken mit der deutschen und der ungarischen Minderheit gemacht haben, die zum großen Teil ein willfähriges Instrument der Eroberungspolitik gegen die Republik von außen geworden waren und von denen sich vor allem die tschechoslowakischen Deutschen direkt zum Ausrottungsfeldzug gegen das tschechische und slowakische Volk hergaben, zwingt die erneuerte Tschechoslowakei zu einem tiefen und dauerhaften Eingriff. Die Republik will und wird ihre loyalen deutschen und ungarischen Bürger und vor allem jene nicht treffen, die ihr auch in den schwersten Zeiten die Treue hielten; mit den Schuldigen jedoch wird sie streng und unerbittlich verfahren, wie es das Gewissen unserer Völker, das heilige Andenken an unsere unzähligen Märtyrer, Ruhe und Sicherheit der künftigen Generationen erfordern. Die Regierung wird sich deshalb an folgende Regeln halten: Von den Bürgern der Tschechoslowakischen Republik deutscher und ungarischer Nationalität, die vor München 1938 die tschechoslowakische Staatsangehörigkeit besaßen, wird die Staatsbürgerschaft bestätigt und eine eventuelle Rückkehr für Antifaschisten gesichert, für jene, die schon vor München einen aktiven Kampf gegen Henlein und gegen die ungarischen irredentistischen Parteien und für die Tschechoslowakische Republik geführt haben, die nach München und nach dem 15. März von der deutschen und ungarischen Staatsmacht wegen ihres Widerstands und des Kampfes gegen das dortige Regime und wegen der Treue zur Tschechoslowakischen Republik verfolgt und in Gefängnisse und Konzentrationslager geworfen wurden oder die vor dem deutschen und ungarischen Terror ins Ausland fliehen mußten und sich dort am aktiven Kampf für die Erneuerung der Tschechoslowakei beteiligt haben. Bei den übrigen tschechoslowakischen Bürgern deutscher und ungarischer Nationalität wird die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft liquidiert. Diese Bürger können erneut für die Tschechoslowakei optieren, wobei sich die Behörden der Republik das Recht der individuellen Entscheidung über jedes Gesuch vorbehalten. Jenen Deutschen und Ungarn, die für Verbrechen an der Republik und am tschechischen und slowakischen Volk verurteilt werden, wird die tschechoslowakische Bürgerschaft aberkannt, und sie werden für immer aus der Republik ausgewiesen, sofern sie nicht strafrechtlich verfolgt werden. Die Deutschen und Ungarn, die sich nach München 1938 auf dem Gebiet der Tschechoslowakischen Republik ansiedelten, werden sofort aus der Republik ausgewiesen, sofern sie keiner Strafverfolgung unterliegen. Eine Ausnahme bilden die Personen, die für die Tschechoslowakei gearbeitet haben. 196

IX Die Regierung wird es für ihre höchst verantwortungsvolle Aufgabe und für ihre moralische Pflicht vor dem tschechischen und dem slowakischen Volk halten, alle Kriegsverbrecher, alle Verräter, alle bewußten und aktiven Helfershelfer der deutschen oder ungarischen Unterdrücker zu verfolgen, dem Gericht zu übergeben und zu bestrafen. Diese Aufgabe wird die Regierung ohne jede Verzögerung, ohne Schwanken und ohne Nachsicht gegen irgendwen durchführen. Soweit es sich um deutsche und ungarische Kriegsverbrecher handelt, sorgt die Regierung für ihre sofortige Unschädlichmachung, Verhaftung und Ubergabe an die außerordentlichen Volksgerichte. Dabei werden bei diesen deutschen und ungarischen Kriegsverbrechern nicht nur die Verbrechen ermittelt und bestraft, die an den Völkern der Tschechoslowakei und auf tschechoslowakischem Gebiet verübt wurden, sondern auch ihre Verbrechen an anderen Völkern, vor allem an der verbündeten Sowjetunion. Die festgenommenen deutschen und ungarischen Verbrecher dieser Art werden den sowjetischen Organen übergeben. Es werden Lager zur Konfinierung jener deutschen und ungarischen Angehörigen errichtet, die irgendwelche Verbindung zu nazistischen und faschistischen Organisationen, zu deren Apparat und zu deren bewaffneten und terroristischen Formationen hatten. Besondere Maßnahmen wird die Regierung zur Gewährleistung der gerichtlichen Verfolgung und Bestrafung von Verrätern, Kollaborateuren und faschistischen Elementen aus den Reihen des tschechischen und slowakischen Volkes durchführen. In Verbindung mit den Nationalausschüssen werden überall außerordentliche Volksgerichte ihre Tätigkeit aufnehmen, wobei ihre Zuständigkeit durch den örtlichen Bereich und die Art der Schuld bestimmt wird. Für besondere Fälle, die bekannte und besonders verantwortliche Schuldige betreffen, wird ein Nationales Gericht in den tschechischen Ländern und in der Slowakei gebildet. Für die Strafverfolgung von Verrätern und Kollaborateuren werden allgemein die Bestimmungen des Dekrets des Präsidenten der Republik über die Bestrafung von Kriegsverbrechern als Grundlage dienen. Als Hochverräter wird die Regierung den Protektoratspräsidenten Hächa und alle Mitglieder der Beran-Regierung vor das Nationale Gericht stellen, die die Zustimmung zu Hächas Unterzeichnung des sog. Berliner Vertrages vom 15. März 1939 gegeben und die Hitler bei der Ankunft in Prag am 16. März 1939 begrüßt haben. Die Regierung wird dafür sorgen, daß alle Mitglieder der Protektoratsregierungen vom 16. März 1939 an sowie auch des sog. slowakischen Parlaments vor Gericht gestellt werden. Weiter die politischen und behördlichen Helfer von Hächa wie auch die verantwortlichen führenden Beamten der Protektoratsverwaltung. Abgerechnet wird mit den verräterischen Journalisten, die sich verkauften und den Deutschen dienten. Verfolgt werden die Funktionäre des „Kuratoriums für die Erziehung der tschechischen Jugend", die Mitglieder der „Vlajka", die Ausschußmitglieder und Funktionäre der „Tschechischen Liga gegen den Bolschewismus", führende Funktionäre der „Nationalen Gewerkschaftszentrale der Angestellten", des „Verbandes der Land- und Forstwirtschaft" und ähnlicher Organisationen, die den Deutschen dienten, und ferner die Funktionäre, die Tschechen und Slowaken in die Hand der Gestapo auslieferten, die sich aktiv an der Verschleppung von Slowaken und Tschechen zur Zwangsarbeit nach Deutschland beteiligten, die aktiv die Evakuierung der tschechoslowakischen Bevölkerung unterstützten u. ä. In der Slowakei werden die aktiven Helfer des verräterischen Tiso-Regimes, die Häscher der Hlinka-Garde, der slowakischen Gestapo, die Werkzeuge der faschistischen Propaganda unter Gaspar und besonders dann jene vor ein Gericht gebracht, die aktiv und aus dem

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Hinterhalt gegen den Slowakischen Nationalaufstand auftraten und sich in irgend einer Weise an den Gewalt- und Greueltaten der Deutschen am slowakischen Volk beteiligten. Die Regierung wird mit aller Entschiedenheit die Verräter aus den Reihen der Bank-, Industrie- und Landwirtschaftsmagnatcn vor das Gericht fordern, die während der deutschen Oberherrschaft in den Bank-, Industrie-, Handels-, Landwirtschaftsbetrieben und Wirtschaftsorganisationen aller Art der deutschen Plünderung und der deutschen Kriegführung behilflich waren. Auch wenn eine bloße Beschäftigung im Staats- und öffentlichen Apparat der ehemaligen Okkupations- und Verräterregimes an und für sich nicht als straffällig betrachtet wird, wird unter demokratischer Kontrolle eine individuelle Untersuchung der Tätigkeit jedes einzelnen durchgeführt, und die Regierung wird alle Maßnahmen treffen, daß der neue Staatsapparat vollständig von allen Elementen gesäubert wird, die sich an der Republik und dem Volk schuldig gemacht haben, von allen faschistischen und profaschistischen Elementen, von allen Elementen, die während der kritischen Ereignisse der Jahre 1938 und 1939 und in der Zeit der deutschen und ungarischen Okkupation Treuelosigkeit gegenüber dem Volk und dem Staat zeigten, Unzuverlässigkeit und Feigheit bewiesen. Ebenso werden alle tschechoslowakischen Bürger verfolgt und untersucht, die im Ausland der Republik untreu wurden und durch ihre zersetzende Tätigkeit dem Feind halfen und die die Erfüllung ihrer Bürgerpflichten ablehnten, obwohl sie nicht unter dem Druck des faschistischen Terrors standen. Entschlossen, den Faschismus politisch und moralisch in aller Konsequenz auszurotten, wird die Regierung das Verbot aller faschistischen Parteien und Organisationen verkünden und die Erneuerung jener politischen Parteien in irgendeiner Form nicht zulassen, die sich so schwer an den Interessen des Volkes und der Republik schuldig gemacht haben (der Agrarpartei, ihres Ablegers der sog. Gewerbepartei, der Nationalen Vereinigung, sowie auch jener Parteien, die im Jahre 1938 mit der Volkspartei verschmolzen). Diese Maßnahmen werden der moralischen und politischen Ehre der ehemaligen Mitglieder der genannten Parteien, die der Republik treugeblieben sind, keinen Abbruch tun. Den politisch verantwortlichen Funktionären der genannten Parteien, die sich kompromittiert und an den Interessen der Nation und der Republik schwer vergangen haben, wird die politische Tätigkeit und die Betätigung in den Organisationen der demokratischen Parteien verboten. X Zur Wiedergutmachung der von den Okkupanten und ihren verräterischen Helfershelfern verübten Verbrechen an tschechischem und slowakischem nationalem und privatem Eigentum, zur Ausrottung des fremdländischen und faschistischen Einflusses aus der tschechischen und slowakischen Wirtschaft und zur Sicherung der Früchte der nationalen Arbeit für die Bedürfnisse des tschechischen und slowakischen Volkes wird eine Reihe von Maßnahmen durchgeführt werden. Im Sinne des Dekrets des Präsidenten der Republik über die Sicherung eines ungestörten Ablaufs des wirtschaftlichen Lebens in der Ubergangszeit wird das Eigentum aller Art, soweit es sich im Besitz oder in Verwaltung befindet: von Bürgern feindlicher Staaten, besonders Deutschlands und Ungarns; von deutschen und ungarischen Bürgern der Tschechoslowakischen Republik, die aktiv die Zerschlagung und Besetzung der Tschechoslowakei vorantrieben; von anderen Bürgern der Tschechoslowakischen Republik, die die Nation verraten und die deutschen und ungarischen Okkupanten aktiv unterstützt haben; von Aktien- und anderen Gesellschaften, in deren Verwaltung sich Per198

sonen befanden, die zu den oben angeführten drei Kategorien gehören, sichergestellt und in nationale Verwaltung gegeben. Die Siclierstellung des Eigentums und die Einsetzung einer nationalen Verwaltung wird der zuständige Nationalausschuß im Einvernehmen mit dem Betriebsauschuß des betreffenden Betriebes vornehmen. Sichergestelltes Eigentum, das früher Arbeitern, Beamten, Gewerbetreibenden, Bauern und Angehörigen freier Berufe gehört hatte und ihnen infolge nationaler, politischer und rassischer Verfolgung abgenommen worden war, wird sofort den früheren Besitzern, resp. ihren rechtmäßigen Erben zurückgegeben. Darüber werden auf individuelle Gesuche die zuständigen Nationalausschüsse entscheiden. Der übrige sichergestellte Besitz wird bis zur Entscheidung durch die zuständigen gesetzgebenden Organe unter nationaler Verwaltung bleiben. In genossenschaftlichen Betrieben und Organisationen aller Art (landwirtschaftlichen, Konsum-, Geldgenossenschaften usw.) wird unverzüglich eine provisorische nationale Verwaltung eingesetzt, solange die Mitgliedschaft der betreffenden Genossenschaft keine Möglichkeit hat, sich auf demokratischem Wege eine neue Verwaltung zu wählen. Die provisorische nationale Verwaltung bestimmt der zuständige Nationalausschuß (in der Slowakei in wichtigen Fällen der Slowakische Nationalrat) unter aktiver Beteiligung der Genossenschaftsmitglieder. XI Dem Ruf der tschechischen und slowakischen Bauern und Landlosen nach der konsequenten Durchführung einer neuen Bodenreform entgegenkommend und geführt von dem Bestreben, vor allem ein für allemal den tschechischen und slowakischen Boden den Händen des fremdländischen deutschen und ungarischen Adels sowie auch den Händen der Verräter der Nation zu entreißen und ihn in die Hände der tschechischen und slowakischen Bauern und Landlosen zu geben, begrüßt die Regierung die Konfiszierung des Bodens der Feinde und Verräter, die der Slowakische Nationalrat durchführt, und die Aufteilung unter die Kleinbauern; die Regierung wird analoge Maßnahmen auf das gesamte Gebiet der Republik ausdehnen, wobei sie sich von folgenden Prinzipien leiten lassen wird: Es wird ein Nationaler Bodenfonds eingerichtet. In den Nationalen Bodenfonds gehen der ganze Boden, die Gebäude, das tote und lebende Inventar ein, soweit sie den deutschen und ungarischen Adligen und Großgrundbesitzern ohne Unterschied der Staatszugehörigkeit, sowie auch anderen Bürgern feindlicher Staaten, namentlich Deutschlands und Ungarns, deutschen und ungarischen Bürgern der Tschechoslowakischen Republik, die aktiv an der Zerschlagung und Okkupation der Tschechoslowakei mitwirkten; den übrigen Bürgern der Tschechoslowakischen Republik, die die Nation verrieten und die deutschen und ungarischen Okkupanten aktiv unterstützt haben; den Aktienund anderen Gesellschaften, die von Personen der oben angeführten Kategorien verwaltet wurden, gehörten. Der oben angeführte Boden- und mit ihm zusammenhängende Besitz wird entschädigungslos konfisziert. Die zuständigen Nationalausschüsse werden mit Hilfe der Bauernkommissionen die Konfiszierung durchführen und die zeitweilige Verwaltung der konfiszierten Objekte bis zur Durchführung der Bodenreform sichern. Der dem Nationalen Bodenfonds zur Verfügung stehende landwirtschaftliche Boden wird in den tschechischen Ländern der tschechischen und in der Slowakei den slowakischen und ukrainischen Häuslern, Klein- und Mittelbauern, sowie auch Landarbeitern zuge-

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teilt, wobei jenen der Vorrang gegeben wird, die sich im nationalen Befreiungskampf verdient gemacht haben als Partisanen, Soldaten, illegale nationale Mitarbeiter, Opfer des fremdländischen Terrors u. a. Die Aufteilung wird von der Verwaltung des Nationalen Bodenfonds unter aktiver Beteiligung der Nationalausschüsse und spezieller Kommissionen aus den Reihen der Bauernschaft und der Landarbeiterschaft durchgeführt. Mit den Wirtschaftsgebäuden und dem Inventar der parzellierten Objekte können Genossenschaften zur gemeinsamen Nutzung der Gebäude und des Inventars durch die Kleinbauern organisiert werden. Für den Boden, der in das völlige Eigentum des Anwärters übergeben wird, wird zum Zwecke der Förderung der Landwirtschaft ein mäßiges Entgeld genommen werden, das den Wert einer ein- bis zweijährigen durchschnittlichen Ernte (entsprechend der Qualität des Bodens) nicht übersteigt und in Raten bis zu 15 Jahren aufgeteilt wird. In besonderen Fällen kann auch von diesem Entgelt abgelassen werden. XII Die Erneuerung des von den Okkupanten und Verrätern zerrütteten wirtschaftlichen Lebens, der Neuaufbau der vom Feind vernichteten Werte, die schnelle Wiederbelebung der Produktion für die Bedürfnisse des Krieges und der zivilen Bevölkerung sowie die Sicherung von Arbeit und Einkommen für alle Arbeitsfähigen wird eine große Anstrengung des ganzen Volkes und aller seiner Organisationen erfordern. Gestützt auf die schöpferische Initiative der breitesten Schichten der Nation, wird sich die Regierung vor allem bemühen: Alle stillgelegten Betriebe wieder in Gang zu setzen und deren Produktion den Erfordernissen des Krieges und den Rohstoffreserven anzupassen. Die Ausbesserung von Gebäuden und Maschinenanlagen in beschädigten Betrieben durchzuführen und die wirksamste Ausnutzung der zur Verfügung stehenden Maschinen zu organisieren. Die existierenden Rohstoffreserven aller Art zu mobilisieren, deren weitere Produktion aus örtlichen Mitteln zu organisieren und ihre zweckmäßige Verteilung auf die einzelnen Industriezweige und einzelne Betriebe durchzuführen. Die Gewinnung von Heizmaterial aus örtlichen Quellen zu organisieren und für seine zweckmäßige Verteilung zu sorgen. Die öffentlichen und privaten Elektrizitäts-, Gas-, Wasserwerke und andere kommunale Betriebe und Energiequellen schnell in Betrieb zu nehmen. Post-, Telegrafen-, Telefon- und Funkverbindungen (Telekommunikation) wieder zu errichten, den Fern- und Ortsverkehr, vor allem den Transport von Nahrungsmitteln aus dem Dorf in die Stadt aufzubauen und zu diesem Zweck alle zur Verfügung stehenden Transportmittel zu mobilisieren. Den Bauern, Häuslern, Gewerbetreibenden und Arbeitern in den Dörfern und Städten bei der Reparatur oder beim Neuaufbau zerstörter Wohnhäuser und Wirtschaftsgebäude durch Zuteilung von Baumaterialien und Gewährung billiger Kredite und finanzieller Unterstützung zu helfen. Die Rekonstruktion und Reparatur der zerstörten öffentlichen Gebäude, der Militärobjekte, Behörden, Schulen, Krankenhäuser u. a. durchzuführen. Die Privatinitiative der Unternehmer, Handwerker und anderer Produzenten mit Hilfe von Krediten, Rohstoff Zuteilungen, Vergebung von Aufträgen und Sicherung des Absatzes der fertigen Produkte zu unterstützen. In den Betrieben, die unter nationale Verwaltung genommen werden, eine fähige und initiativreiche technische und kaufmännische Leitung einzusetzen, die eine erfolgreiche Arbeit der Betriebe unter der allgemeinen Leitung der staatlichen und Wirtschaftsorgane gewährleistet. 200

Die Belebung und Entfaltung eines soliden privaten und genossenschaftlichen Handels durch Gewährung eines Geldkredits und Waren und die Bekämpfung von Spekulationen und Wucher zu unterstützen. Das ganze Finanz- und Kreditsystem, die Schlüsselbetriebe der Industrie, das Versicherungswesen, die natürlichen und Energiequellen unter die allgemeine staatliche Leitung und in den Dienst des Neuaufbaus der Volkswirtschaft und der Neubelebung von Produktion und Handel zu stellen. Neben der Hilfe, die dem befreiten Land von der verbündeten Sowjetunion zuteil wurde und wird, wird sich die Regierung auch weiterhin darum bemühen, Dinge der ersten Hilfe von der internationalen Organisation UNRRA, ferner aus den auf Grund des amerikanischen „Darlehen und Pacht"-Gesetzes gewährten Mittel sowie durch Aufkauf auf dem freien ausländischen Markt zu erwerben. XIII Mehr als sechs Jahre lang plünderten die Okkupanten mit Hilfe der Verräter unsere Völker. Die fremdländische Ausplünderung erreichte jetzt, am Vorabend ihrer Vertreibung aus unseren Ländern, den Höhepunkt. Der Feind hinterläßt überall Verwüstung und stürzte unser befreites Gebiet in größte Versorgungs- und Ernährungsschwierigkeiten. Diese Versorgungs- und Ernährungsschwierigkeiten um jeden Preis zu überwinden, die Armee und die Zivilbevölkerung mit den notwendigsten Nahrungsmitteln zu versorgen, gehört zu den vornehmsten Aufgaben unserer Kriegsanstrengung. Die Regierung appelliert an unser Volk auf dem Lande, an die Bauern und Landarbeir ter, an die Männer und Frauen und die Jugendlichen, sich um die Bestellung jeder Spanne bebaubaren Bodens zu sorgen. Die örtlichen Nationalausschüsse, die landwirtschaftlichen Genossenschaften, die Organisationen der Bauern und Landarbeiter mögen darauf achten, daß der Boden der in nationale Verwaltung genommenen Güter und Wirtschaften vollständig bestellt und daß bei den Feldarbeiten organisierte, brüderliche Hilfe den Wirtschaften zuteil wird, deren Besitzer sich in der Armee, bei den Partisanen, im Hinterland des Feindes befinden oder die dem feindlichen Terror zum Opfer gefallen sind. Die Regierung besteht darauf, daß mit der Bestellung des zur Parzellierung vorgesehenen Bodens nicht gewartet werden darf, wofür sie die zuständigen Nationalausschüsse verantwortlich macht, die darauf achten müssen, daß in ihrem Wirkungsbereich jedes Stück Boden ohne Rücksicht auf das Besitzerverhältnis im gegebenen Augenblick rechtzeitig und gut bestellt wird. Während der Okkupation mußte unser Landvolk die Früchte seiner schweren Arbeit an die Feinde abgeben, ohne dafür den gebührenden Gegenwert zu erhalten. Im befreiten Land ist es jetzt die heilige Pflicht unserer Bauern, mit ihren Produkten das eigene Volk und die Armee, die um die Befreiung der Heimat kämpft, zu ernähren. Die Regierung stellt im Einvernehmen mit den berufenen Organen der Bauern neue feste Normen für die Pflichtablieferung landwirtschaftlicher Produkte zu festen Preisen entsprechend der Größe der Wirtschaft, dem Umfang und der Beschaffenheit des Bodens der einzelnen Besitzer landwirtschaftlicher Wirtschaften auf, damit der Staat die Möglichkeit hat, die Armee, die Arbeiterschaft und die andere städtische werktätige Bevölkerung mit billigen Nahrungsmitteln zu versorgen. Nach der Erfüllung dieser minimalen Pflichten gegenüber seinem Volk und seinem Staat wird jeder Landwirt die Möglichkeit haben, über die Überschüsse seiner Produktion im Rahmen der festgesetzten Preise frei zu verfügen. Die Regierung setzt feste und den breiten Schichten des Volkes zugängliche Preise 201

für normierte Zuteilungen der wichtigsten Nahrungsmittel fest, die jeder durch freien Aufkauf auf dem freien Markt ergänzen kann. Davon, wie das Landvolk seine Pflicht bei der Erhöhung der landwirtschaftlichen Produktion und bei der Ablieferung seiner Pflichtmenge gegenüber dem Volk und dem Staat erfüllen wird, wird es abhängen, wie die staatlichen und öffentlichen Organe die Ernährung der Bevölkerung in der Stadt werden sichern können. XIV Im Rahmen der gesteigerten Kriegsanstrengung und nach dem Ausmaß der Erneuerung und Erweiterung der von den Okkupanten und Verrätern zerrütteten Volkswirtschaft ist die Regierung entschlossen, die Grundlagen für eine großzügige Sozialpolitik und soziale Fürsorge für alle Schichten des werktätigen Volkes in Stadt und Land zu legen. Die Regierung wird sich mit aller Kraft bemühen, daß alle arbeitsfähigen Männer und Frauen die Möglichkeit auf Arbeit und Einkommen entsprechend ihrer Leistung erhalten. Die Arbeitszeit, die Löhne und andere Arbeitsbedingungen werden durch Kollektivverträge gesichert und durch das Gesetz geschützt. Für Frauen und Jugendliche wird der Grundsatz gleichen Lohns für gleiche Arbeit durchgesetzt. Die Regierung wird dafür sorgen, daß alle Werktätigen für den Fall der Arbeitslosigkeit, der Krankheit, des Unfalls, der Invalidität und des Alters versichert sein werden und daß diese Fürsorge allmählich auch auf selbständig tätige Personen ausgedehnt wird, soweit sie keine anderen Existenzmöglichkeiten haben. Im Vordergrund der sozialen Fürsorge des Staates wird eine umfangreiche Sorge um Mutter und Kind stehen. Die Ausgaben für die soziale Sicherstellung aller Art werden künftig im Rahmen des gesamtstaatlichen Budgets gedeckt werden. Als Stätten der Heilung, der Erholung und des Urlaubs werden dem werktätigen Volk in Stadt und Land die Bäder, Sanatorien und Heilstätton aller Art zugänglich gemacht. In den Dienst der Gesundheit und Erholung unseres Volkes werden auch Schlösser, Sommersitze und Paläste gestellt, wo sich früher der fremde Adel und andere parasitäre Herrschaften ausbreiteten. Besondere Aufmerksamkeit wird die Regierung der Existenzsicherheit für die Opfer des Krieges und des nationalen Befreiungskampfes, für die Märtyrer in den faschistischen Kerkern und Konzentrationslagern, für die Familienangehörigen von Soldaten und Partisanen, für Kriegsinvaliden sowie Witwen und Waisen widmen. Auf eine breite Basis wird die Betreuung unserer heranwachsenden Generation gestellt. Unsere Jugend beiderlei Geschlechts muß physisch, moralisch und geistig gewappnet sein, um würdiger Träger der Zukunft unserer Völker zu werden. Den Kindern der Arbeiter, Bauern und der übrigen werktätigen Schichten wird materiell das Recht auf höchste Bildung entsprechend ihren Fähigkeiten gesichert und der Weg in ein frohes Leben geöffnet. Kinderreichen Familien wird besondere Unterstützung gewährt. Die Angehörigen unserer Intelligenz sind, soweit sie in der Zeit der Prüfung ihrem Volk nicht untreu wurden, dazu berufen, eine bedeutende Rolle beim Aufbau des neuen Lebens in der befreiten Heimat zu spielen. Die Regierung wird dafür sorgen, daß unserer ehrenhaften und begabten Intelligenz der Zutritt in die öffentlichen und privaten Dienste ohne Partei- und andere Protektion ermöglicht und ein ihren Leistungen entsprechendes Lebensniveau gesichert wird. Alle Angestellten, sowohl die physisch wie auch die geistig arbeitenden, werden das Recht haben, sich freiwillig in Gewerkschaftsorganisationen zusammenzuschließen und 202

frei ihre Repräsentanten zu wählen. In den Betrieben, Werken, Behörden werden sich die Beschäftigten frei ihre Betriebsausschüsse, resp. ihre Vertrauensleute wählen. Die Gewerkschaftsorganisationen und die Betriebsausschüsse werden rechtskräftige Vertreter der Beschäftigten sowohl vor den privaten Unternehmern als auch vor den öffentlichen Behörden in allen Fragen der Lohn-, Arbeits- und Sozialpolitik sein. Als eine besondere Aufgabe betrachtet die Regierung die beschleunigte Durchführung der Repatriierung aller der Republik treuen Bürger in ihre Heimat. XV Sechs Jahre Okkupation verursachten bei uns nicht nur materielle Schäden. Nicht geringer, sondern in ihren Folgen besonders gefährlich, sind die moralischen und intellektuellen Schäden, die die fremde Vorherrschaft vor allem unter der Jugend verursacht hat. Sowohl dadurch, daß ihr viele Möglichkeiten der Bildung genommen waren, als auch dadurch, daß ihr die ganze Zeit hindurch das Gift des Faschismus eingeimpft wurde. Hier ist es deshalb notwendig, direkt an die Wurzeln des Übels zu greifen. Aber es genügt nicht, sie nur zu beseitigen. Es muß auch im Geist der neuen Zeit und der neuen Erfordernisse des Staates neu aufgebaut werden. Es wird eine Säuberung der Schulen und der anderen kulturellen Institutionen (Theater, Büchereien u. ä.) von Personen durchgeführt, die aktiv mit den Okkupanten in diesem Bereich zusammengearbeitet haben. Alle in der Zeit der Unfreiheit herausgegebenen Lehrbücher werden beseitigt. Es wird eine Revision der Schul- und öffentlichen Bibliotheken durchgeführt, um aus ihnen das nazistische und faschistische Unkraut zu verbannen. Es wird eine grundlegende Säuberung auf dem Gebiet der Journalistik, des Rundfunks und des Films durchgeführt. Alle deutschen und ungarischen Schulen in den tschechischen und slowakischen Städten werden geschlossen, darunter auch die Prager deutsche Universität und die deutschen technischen Hochschulen in Prag und Brünn, die sich als die schlimmsten faschistischen und hitlerischen Horste bei uns erwiesen hatten. Auch die deutsche Lehrerschaft der allgemeinen und Mittelschulen war eine der Hauptstützen des Hitlerismus und Henleinismus in unseren Ländern, und weil dies eine Massenerscheinung ist, werden — bis zur endgültigen Entscheidung über die deutsche Frage — alle deutschen Schulen überhaupt geschlossen. Die deutschen Okkupanten hatten eine Reihe von Schulen, Bibliotheken und Theatern geschlossen und deren Inventar zerstört, besonders das der tschechischen Hochschulen. Deshalb werden folgende Maßnahmen getroffen: Die von den Okkupanten und dem Hächa-Regime geschlossenen tschechischen und slowakischen Schulen aller Kategorien werden wiedereröffnet; auch die während der Okkupation geschlossenen Bibliotheken und Theater werden wieder geöffnet. Das zerstörte Inventar — Bibliotheken, Laboreinrichtungen, vor allem der Universitäten und technischen Hochschulen, — wird durch zu diesem Zweck verwendbare Buchfonds und Laboreinrichtungen aus deutschen Schulen und Institutionen ersetzt. Der Hoch- und Mittelschuljugend, die von der Schließung der Schulen betroffen worden war, wird eine beschleunigte Absolvierung der entsprechenden Lehranstalten ermöglicht. Besondere Fürsorge wird beim Neuaufbau der Schulen den Kindergärten zur Betreuung der Kinder bei Berufstätigkeit der Eltern, sowie den Fach- und Weiterbildungsschulen für die beschleunigte Heranbildung des technischen Nachwuchses gewidmet. Um den Rückgang der Schülerschaft, vor allem der qualifizierten, für die höheren Kategorien der Schulen sowie den Rückgang des Nachwuchses in anderen Bereichen des kulturellen Lebens auszugleichen, werden außerordentliche Instruktionen herausgegeben, die dem talen203

tierten Nachwuchs den Eintritt in solche Schulen und kulturellen Institutionen auf Grund nachgewiesener Fähigkeit ermöglichen ohne Rücksicht auf Formalitäten, die für normale Zeiten Gültigkeit haben. In der Slowakei wird das Schulwesen im Rahmen der gesamten Kulturpolitik des Staates sowohl in seiner Anlage als auch in seinem Geist — in Ubereinstimmung mit der nationalen slowakischen Ideologie — völlig selbständig sein. Die slowakische Universit ä t in Bratislava wird ebenfalls völlig unabhängig sein, sowohl in personeller als auch sachlicher Hinsicht mit der Aufgabe, einen spezifischen slowakischen Beitrag zur wissenschaftlichen Kultur der Tschechoslowakei zu leisten, so, wie das slowakische Nationaltheater und andere künstlerische Institutionen einen slowakischen Beitrag zur künstlerischen Kultur der Tschechoslowakei leisten werden. Die neue Zeit und die neue internationale Stellung der Tschechoslowakei erfordern nicht minder eine ideologische Revision ihres Kulturprogramms: Es wird eine konsequente Demokratisierung durchgeführt werden, und zwar nicht nur durch die Ermöglichung des Zugangs breitester Schichten zu den Schulen und zu anderen Quellen der Bildung und Kultur, sondern auch in ideologischer Richtung: in der stärkeren Hinwendung des Erziehungssystems und des Charakters der Kultur zum Volk, um nicht einer schmalen Schicht von Menschen, sondern dem Volk und der Nation zu dienen. Es wird eine Revision unseres Verhältnisses zur deutschen und ungarischen Kultur durch die Enthüllung ihrer reaktionären Elemente in allen Bereichen durchgeführt werden. Es wird die slawische Orientierung in unserer Kulturpolitik im Zusammenhang mit der neuen Bedeutung des Slawentums in der internationalen und besonders in der tschechoslowakischen Politik verstärkt. In dieser Richtung werden auch die Lehrpläne unserer Schulen und die kulturelle Orientierung unserer wissenschaftlichen und künstlerischen Institutionen ausgerichtet und überholt werden. Das slawische Institut wird nicht nur erneuert, sondern zu einer lebendigen politisch-kulturellen Institution mit engen Beziehungen zu kulturellen Institutionen anderer slawischer Völker und Staaten umgebaut werden. Völlig neu wird auch in kultureller Hinsicht unser Verhältnis zu unserem größten Verbündeten, der UdSSR, aufgebaut werden. Zu diesem Zweck wird nicht nur aus unseren Lehrbüchern und Lehrmitteln alles entfernt, was dort an Antisowjetismus war; die Jugend wird auch gebührend über die UdSSR belehrt. Die russische Sprache wird deshalb im neuen Lehrplan an erster Stelle unter den Fremdsprachen stehen. Und es wird auch dafür gesorgt, daß unsere Jugend die erforderlichen Kenntnisse über die Entstehung, den Aufbau, die Entwicklung, über Wirtschaft und Kultur der UdSSR erwirbt. An den Universitäten werden zu diesem Zweck auch neue Lehrstühle eingerichtet: Geschichte der UdSSR, Wirtschaft der UdSSR und Recht der UdSSR. Alles das wird in fortschrittlichem, nationalem Geist, im Geist des Volkes durchgeführt werden, worin unsere großen Klassiker beispielgebend sein werden, die, Kultur auf höchstem Niveau schaffend, sie sehr volkstümlich und national gestalteten. XVI Ihr verantwortungsvolles Amt auf heimatlichem Boden antretend, kann die neue Regierung unserem Volk nicht verheimlichen, daß der Weg zur endgültigen Befreiung der ganzen Republik und zur Heilung der tiefen Wunden, die unseren Völkern durch den grimmigen Feind und die niederträchtigen Verräter zugefügt wurden, noch schwer, dornenreich, opfervoll und von mühevoller Arbeit sein wird. Eins aber kann die neue 204

Regierung unserem Volk diesseits und jenseits der Front versprechen: daß die Regierung nach bestem Wissen und Gewissen das von ihr übernommene Programm erfüllen wird, daß sie sich immer und überall von den Interessen unserer Völker und der Republik wird leiten lassen, daß sie nicht zulassen wird, daß in der befreiten Republik das Ausbeuterinteresse parasitärer Individuen und Gruppen die Interessen des werktätigen Volkes in Stadt und Land beherrschen wird. Die Regierung glaubt fest an die großen schöpferischen Fähigkeiten unseres Volkes, sie wird alles tun, um diese schöpferischen Fähigkeiten zu entfalten und dadurch zu entwickeln, daß sie auf demokratischem Wege die Teilnahme der breitesten Schichten unserer Völker am täglichen politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben organisieren und unterstützen wird, damit so Wirklichkeit wird, daß das Volk tatsächlich die einzige Quelle der staatlichen Macht ist. Zdenék Fierlinger Josef David Klement Gottwald Viliam Siroky Dr. J a n Srámek J á n Ursíny J a n Masaryk Ludvík Svoboda Dr. Hubert Ripka

Václav Nosek Dr. Vavro Srobár Dr. Zdenék Nejedly Dr. Jaroslav Stránsky Václav Kopecky Bohumil Lausman Július D'uris Dr. Ivan Pietor

Antonin Hasal Frantisek Hála Dr. Josef Soltész Dr. Adolf Procházka Václav Majer Dr. Vlado Clementis Dr. Mikulás Ferjencík J á n Lichner

Übersetzung nach: Kosicky vládní program, Praha, Svoboda 1975. Dokument 10 Tagung des Zentralkomitees der KPTsch am 30. Mai 1946. Aus dem Referat zum ersten Punkt der Tagesordnung: Die Ergebnisse der Wahlen zur Verfassunggebenden Nationalversammlung und die weiteren Aufgaben Genossen, Genossinnen! Die Bedeutung der Wahlen vom Sonntag zur Verfassunggebenden Nationalversammlung in unserer Republik waren sowohl in der internationalen Politik als auch vom innenpolitischen Standpunkt aus betrachtet sehr groß. In der internationalen Politik ging es darum, bei den Wahlen mindestens zwei Dinge deutlich werden zu lassen. Erstens, daß die Tschechoslowakei der Sowjetunion treu verbunden bleibt, und zweitens, ob unter den speziellen Bedingungen, die bei uns existieren — der neue Charakter der Demokratie — diese Demokratie nicht nur formal, sondern tatsächlich besteht, und außerdem, ob bei einem Regime, das allen übrigen Gegnern dieses Regimes demokratische Rechte gewährt, der Wille des Volkes durchkommen wird. Ich denke, daß das Ergebnis der Wahlen in diesen beiden Punkten die Erwartungen derjenigen erfüllt hat, die fest daran glauben, daß die Tschechoslowakei ein Verbündeter der Sowjetunion ist und daß die Kommunistische Partei einen solchen Einfluß hat, daß sie imstande ist, sich auch unter Bedingungen durchzusetzen, die jedem, und zwar auch ihren Gegnern, die Möglichkeit gibt, im Wahlkampf die Agitation zu n u t z e n . Innenpolitisch ging es dann um weitaus mehr. Wir sahen während der Wahlen und besonders einige wenige Tage vor den Wahlen, daß die Volkspartei und vor allem die Nationalen Sozialisten, auch die Demokratische Partei in der Slowakei ganz vorsätzlich das Banner der Reaktion hißten. Daß sie versuchten, unter diesem Banner mit den Stimmen der Mitglieder der ehemaligen reaktionären, heute bei uns nicht zugelassenen Parteien zu spekulieren, daß sie versuchten, die bisherige Entwicklung rückgängig zu machen.

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Regierung unserem Volk diesseits und jenseits der Front versprechen: daß die Regierung nach bestem Wissen und Gewissen das von ihr übernommene Programm erfüllen wird, daß sie sich immer und überall von den Interessen unserer Völker und der Republik wird leiten lassen, daß sie nicht zulassen wird, daß in der befreiten Republik das Ausbeuterinteresse parasitärer Individuen und Gruppen die Interessen des werktätigen Volkes in Stadt und Land beherrschen wird. Die Regierung glaubt fest an die großen schöpferischen Fähigkeiten unseres Volkes, sie wird alles tun, um diese schöpferischen Fähigkeiten zu entfalten und dadurch zu entwickeln, daß sie auf demokratischem Wege die Teilnahme der breitesten Schichten unserer Völker am täglichen politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben organisieren und unterstützen wird, damit so Wirklichkeit wird, daß das Volk tatsächlich die einzige Quelle der staatlichen Macht ist. Zdenék Fierlinger Josef David Klement Gottwald Viliam Siroky Dr. J a n Srámek J á n Ursíny J a n Masaryk Ludvík Svoboda Dr. Hubert Ripka

Václav Nosek Dr. Vavro Srobár Dr. Zdenék Nejedly Dr. Jaroslav Stránsky Václav Kopecky Bohumil Lausman Július D'uris Dr. Ivan Pietor

Antonin Hasal Frantisek Hála Dr. Josef Soltész Dr. Adolf Procházka Václav Majer Dr. Vlado Clementis Dr. Mikulás Ferjencík J á n Lichner

Übersetzung nach: Kosicky vládní program, Praha, Svoboda 1975. Dokument 10 Tagung des Zentralkomitees der KPTsch am 30. Mai 1946. Aus dem Referat zum ersten Punkt der Tagesordnung: Die Ergebnisse der Wahlen zur Verfassunggebenden Nationalversammlung und die weiteren Aufgaben Genossen, Genossinnen! Die Bedeutung der Wahlen vom Sonntag zur Verfassunggebenden Nationalversammlung in unserer Republik waren sowohl in der internationalen Politik als auch vom innenpolitischen Standpunkt aus betrachtet sehr groß. In der internationalen Politik ging es darum, bei den Wahlen mindestens zwei Dinge deutlich werden zu lassen. Erstens, daß die Tschechoslowakei der Sowjetunion treu verbunden bleibt, und zweitens, ob unter den speziellen Bedingungen, die bei uns existieren — der neue Charakter der Demokratie — diese Demokratie nicht nur formal, sondern tatsächlich besteht, und außerdem, ob bei einem Regime, das allen übrigen Gegnern dieses Regimes demokratische Rechte gewährt, der Wille des Volkes durchkommen wird. Ich denke, daß das Ergebnis der Wahlen in diesen beiden Punkten die Erwartungen derjenigen erfüllt hat, die fest daran glauben, daß die Tschechoslowakei ein Verbündeter der Sowjetunion ist und daß die Kommunistische Partei einen solchen Einfluß hat, daß sie imstande ist, sich auch unter Bedingungen durchzusetzen, die jedem, und zwar auch ihren Gegnern, die Möglichkeit gibt, im Wahlkampf die Agitation zu n u t z e n . Innenpolitisch ging es dann um weitaus mehr. Wir sahen während der Wahlen und besonders einige wenige Tage vor den Wahlen, daß die Volkspartei und vor allem die Nationalen Sozialisten, auch die Demokratische Partei in der Slowakei ganz vorsätzlich das Banner der Reaktion hißten. Daß sie versuchten, unter diesem Banner mit den Stimmen der Mitglieder der ehemaligen reaktionären, heute bei uns nicht zugelassenen Parteien zu spekulieren, daß sie versuchten, die bisherige Entwicklung rückgängig zu machen.

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Das war ganz offenkundig — trotz all ihrer früheren Beteuerungen, daß sie für die Erhaltung der Nationalisierung, der Nationalen Front, der Nationalausschüsse und des volksdemokratischen Charakters unserer Republik sind. Im letzten Moment gingen sie mit der Absicht in die Wahlen, alles das umzustürzen, was während des vergangenen Jahres vollbracht worden ist. Ich denke, der größte Erfolg der Wahlen vom Sonntag besteht darin, daß diese Bestrebungen abgelehnt wurden. So, wie die Wahlen ausgefallen sind, hat das vielleicht außer uns niemand erwartet, weder unsere Freunde, um so weniger unsere Feinde. Die Nationalen Sozialisten und die ganze um sie konzentrierte Reaktion rechneten mit großer Sicherheit damit, daß sie glorreich gewinnen und daß wir glorreich verlieren würden. Wir haben eine ganze Menge auch interner Nachrichten, und ihr wißt das sicher auch aus euren Bezirken. Die Nationalen Sozialisten verkündeten ganz offiziell, daß sie ca. 1800000 Stimmen gewinnen würden — dabei sind sie also gescheitert. Auch bei geheimen Beratungen, die sie mit der Volkspartei vor den Wahlen hatten, erklärten sie, daß sie zusammen die absolute Mehrheit haben, daß sie die Stimmen der Mitglieder der reaktionären Parteien erhalten würden; sie rechneten damit, insgesamt 4 Millionen Stimmen zu bekommen. Diese Parteien waren fest davon überzeugt, daß wir verlieren würden. Davon war auch der Präsident überzeugt, der — was selten geschieht — zugab, daß er sich geirrt hatte, vor allem aber waren die ausländischen Diplomaten davon überzeugt. Die Nachrichten, die sie ins Ausland schickten, waren optimistisch, sie rechneten damit, daß die Rechte gewinnt und daß es dann möglich sein würde, die Nationalisierung der Industrie wenigstens dort rückgängig zu machen, wo ausländische Kapitalisten ihr Interesse bekunden. Es ist sehr wichtig, zu beurteilen, ob wir die Dinge richtig einschätzen. Wie haben wir das Wahlergebnis vorausgesehen? Hinsichtlich der tschechischen Länder können wir sagen, daß wir es insgesamt richtig vorhergesehen hatten, bis auf einige Bezirke — und dazu werde ich noch etwas sagen — die große Augen hatten. Aber im großen und ganzen haben wir die Situation richtig eingeschätzt. Wir hatten vorausgesagt, daß wir 41 Prozent der Stimmen gewinnen würden, und wir haben über 40 Prozent erhalten. Ein solcher Irrtum ist verzeihlich. In Zahlen: wir hatten erwartet, daß wir 2300000 Stimmen gewinnen würden und haben 2200000 Stimmen erhalten. Auch die anderen Parteien haben wir relativ gut geschätzt. Den Sozialdemokraten gaben wir 15—16 Prozent, den Nationalen Sozialisten 22,5 Prozent und der Volkspartei 21 Prozent. Die Ergebnisse der Wahlen in den einzelnen Bezirken — die beste Schätzung gab es für die böhmischen Bezirke. geschätzt 249000 und erhalten 240000 Stimmen Groß-Prag 127000 139000 Kladno 94000 94000 Mladä Boleslav 146000 157000 Prag-Land 159000 159000 Plzen 44000 42000 Karlovy Vary 137000 157000 Üsti n. L. 110000 105000 Liberec 143000 124000 Hradec Kralove 94000 94000 Pardubice 92000 89000 Havlicküv Brod 73000 82000 Täbor 112000 105000 Ceské Budéjovice (sie waren bescheiden und gingen siegreich hervor)

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In Mähren sieht es schlechter aus. Hier hatten die Genossen große Augen und haben nicht richtig vorausgesehen. Jihlava geschätzt 93000 und erhalten 84000 Stimmen Brno 196000 174000 Olomouc 154000 128000 (ansonsten haben sie sich aber gut gehalten) Zlin 95000 86000 Moravskä Ostrava 168000 151000 Opava 55000 38000 Auch wenn man bei den einzelnen Bezirken mehr oder weniger bedeutende Differenzen feststellt und auch wenn wir uns insgesamt um 100000 Stimmen geirrt hatten, so haben wir — Böhmen und Mähren betreffend — relativ am genauesten von allen geschätzt, und das ist ein Beweis dafür, daß unsere Partei hört und sieht, was im Volk los ist. Ich denke, wir können das als einen der markantesten Erfolge unserer Partei registrieren. Wer so vorherzusehen imstande ist, beweist, daß er Verbindung zu den Massen hat und daß er weiß, was bei ihnen geschieht. Soviel zu der Schätzung. Die Gegner haben sich überall getäuscht. Wir haben außerordentlich gut geschätzt. Das heißt, daß sie nicht wissen, was im Volk geschieht, aber wir wissen es. Nun zu den Ergebnissen selbst. Was ist das erste Merkmal erfolgreicher Wahlen? Eine hohe Wahlbeteiligung. Etwa 95 Prozent haben sich an der Wahl beteiligt. Das gab es noch niemals in der Republik. Vor dem Krieg war immer die Beteiligung geringer. Das heißt, das es jetzt eine große politische Aktivität gibt. Ein zweites Merkmal ist die Tatsache, daß — und in dieser Beziehung haben auch wir uns geirrt — überraschend wenig weiße Zettel abgegeben wurden. Andererseits bereitet uns die Tatsache, daß wenig weiße Zettel abgegeben wurden — hauptsächlich in der Slowakei — Schwierigkeiten, aber das hat auch den Vorzug, daß vor der ganzen Welt offenkundig wurde, daß das Volk hinter dem jetzigen Regime steht — nach außen hin bekennen sich auch die übrigen Parteien zur Nationalen Front — und man kann nicht sagen, daß dieses Regime im Volk eine ernsthafte reaktionäre Opposition hätte. Also wenig weiße Zettel und eine hohe Wahlbeteiligung. Und nun zu unserer Partei. Tschechische Länder: Vor allem sehen wir, daß wir auf dem Lande die stärkste Partei sind. Das ist ein Erfolg, dessen Bedeutung wir auch weiterhin beachten müssen. Er entschied auch über das Ergebnis der Wahlen. Einige Fakten: Ich habe die Ergebnisse der Wahlen analysiert, und daraus ergibt sich folgendes: wir sind auf dem Lande stärker als in den Städten. Was beweist das? Ich habe die Ergebnisse in den Kreisstädten und in den statutarischen Großstädten 1 ausgerechnet, und es sieht so aus, daß in Böhmen in 89 von 110 Kreisstädten einschließlich der statutarischen Städte die Kommunisten die stärkste Partei sind, die Sozialdemokraten nirgends, die Nationalen Sozialisten in 20 Städten und die Volkspartei in einer Stadt. In den Kreisen, d. h. in den Dörfern und den nichtstatutarischen Städten haben wir — in Böhmen in 108 von 110 Kreisen — die Mehrheit, die Sozialdemokraten nirgends, 1

Die statutarischen Städte bildeten eine besondere Gruppe von Städten in den tschechischeil Ländern, deren Benennung und Wirksamkeit durch ein besonderes Gesetz geregelt wurde. Ihre Kompetenz war umfassender als die der übrigen Städte, sie waren direkt der Landesbehörde, respektive dem ehemaligen Landcsnationalausschuß untergeordnet. Solche Städte waren z. B. Prag, Brno l Olomouc, Opava.

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die Nationalen Sozialisten nirgends und die Volkspartei in zwei Kreisen. Das heißt, daß wir in Böhmen auf dem Lande am stärksten sind. In Mähren ist es etwas anders, aber die Tendenz ist die gleiche. Von 45 Kreisstädten einschließlich den statutarischen sind die Kommunisten die stärkste Partei in 25 Städten, die Sozialdemokraten in 3, die Nationalen Sozialisten in 9 und die Volkspartei in 8 Städten. In den Kreisen, d. h. Dörfer und nichtstatutarische Städte, haben wir in 30 von 44 Kreisen die Mehrheit, die Sozialdemokraten nirgends, die Nationalen Sozialisten nirgends, die Volkspartei in 14 Kreisen. Insgesamt also sind in den tschechischen Ländern in den Kreisen (ohne die statutarischen Städte), d. h. auf dem Lande, die Kommunisten in 138 Kreisen die stärkste Partei, die Sozialdemokraten nirgends, die Nationalen Sozialisten nirgends und die Volkspartei in 16 Kreisen. Das ist das Land. Dort teilen wir uns die führende Position mit der Volkspartei. Die Nationalen Sozialisten, die auf die Landbevölkerung spekuliert hatten, führen dort nirgends. Schlechter sieht es in den Städten aus, wo das Verhältnis so ist: Von 155 Kreis- und statutarischen Städten sind die Kommunisten in 114 Städten die stärkste Partei, die Sozialdemokraten in drei, die Nationalen Sozialisten in 29, die Volkspartei in 9 Städten. Im großen und ganzen ist klar, auf dem Lande sind wir — sogar in Mähren, und in Böhmen überhaupt — die stärkste Partei. In den Städten, die früher — wie bekannt, das Hauptbollwerk der Nationalen Sozialisten waren, haben wir nicht eine solche Mehrheit wie auf dem Lande, aber es ist klar, daß sich keine Partei mit uns messen kann. In diesem Zusammenhang ist es interessant, daß uns nicht nur die armen Gebiete, sondern auch die reichsten gewählt haben. Wir sind die Stärksten auf dem Lande und in der Hanna. 2 Die reichsten Gebiete des Landes haben uns gewählt. Die mährischen Kreise, in denen die Volkspartei die Mehrheit hat, sind überwiegend mährisch-slowakische Kreise. Hier sehen wir unsere Schwächen, und die einzelnen Gebiete werden sich danach richten müssen. Diese wichtige Tatsache, daß wir auf dem Lande die erste Partei sind, bedeutet, daß wir die erste Runde bei den Bauern gewonnen haben. Das ist es, was bei den Wahlen in Böhmen und Mähren für uns entschied im Gegensatz zur Slowakei, wo die Demokratische Partei gesiegt hat. Das ist die erste Runde. Eine zweite Sache, auf die wir im Rahmen der Nationalen Front unser Augenmerk richten müssen, ist die Frage, wie das Kräfteverhältnis einzuschätzen ist. Ich habe ausgerechnet, wo wir mit den Sozialdemokraten die absolute Mehrheit haben und wo die rechten Parteien die Mehrheit haben, und es kam folgendes heraus: Böhmen: Wir haben 110 Kreise ohne die statutarischen Städte. Die Mehrheit haben wir mit den Sozialdemokraten in 98 Kreisen, die Nationalen Sozialisten mit der Volkspartei in 12 Kreisen. In Mähren — 44 Kreise. Mit den Sozialdemokraten haben wir die Mehrheit in 23 Kreisen und die Volkspartei mit den Nationalen Sozialisten in 21 Kreisen. In Mähren ist es also ungünstiger. Insgesamt ist es in den tschechischen Ländern so, daß wir mit den Sozialdemokraten in 121 von 154 Kreisen und die Rechten in 33 Kreisen die Mehrheit haben. In den tschechischen Ländern ist es offenkundig, daß wir das Ubergewicht haben. In den statutarischen Städten haben wir mit den Sozialdemokraten die Mehrheit in Prag, in Plzen und in Olomouc, die Nationalen Sozialisten mit der Volkspartei in Brno und in Opava. In dieser Hinsicht können wir im großen und ganzen mit den Wahl2

Hügelland im Gebiet der mittleren Morava und ihres rchten Nebenflusses Hana südlich von Olomouc. Fruchtbare Böden; landwirtschaftlich intensiv genutztes Gebiet.

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esgebnissen zufrieden sein. Aber ich möchte noch hinzufügen, daß vor uns das Problem der städtischen Mittelschichten, der Beamten und Gewerbetreibenden stehen wird. Hier ist - trotz großer Fortschritte gegenüber früheren Zeiten - die führende Stellung nicht eindeutig. Ich glaube, daß wir hinsichtlich der tschechischen Länder insgesamt zufrieden sein können. Unsere Erwartung hat sich fast hundertprozentig erfüllt. Wir müssen eine noch gründlichere Analyse durchführen, müssen die erzielten Erfolge auf dem Lande sichern und festigen und müssen ein wenig darüber nachdenken, wie der noch ernstzunehmende Einfluß unserer Partner, insbesondere der der Nationalen Sozialisten, unter den Mittelschichten zu brechen ist. Schlechter ist das Wahlergebnis in der Slowakei. Die Prozentzahl der Stimmen, die unsere Genossen in der Slowakei erhalten haben, sind, für sich genommen, nicht gering. Würde es in der Slowakei vier Parteien geben, die relativ gleichmäßig verteilt wären, dann wäre das Bild nicht so schlecht wie jetzt. Aber dort sind die beiden Parteien 3 stärker eingebrochen, als wir erwartet hatten. Wir haben keine Glanzleistung erwartet, aber daß es so schief gehen würde, ahnten wir doch nicht. Nur dadurch war der Erfolg der Demokratischen Partei so markant, und für unsere slowakischen Kommunisten, die 30 Prozent der Stimmen gewannen, sieht es gewissermaßen unverdient schlecht aus. Worin, Genossen, liegt der Grund dafür? Wir müssen uns heute darüber beraten und müssen unsere Köpfe zusammenstecken. Insgesamt besteht die Ursache für das jetzige, für die Republik ungünstige Wahlergebnis in der Slowakei hauptsächlich darin, daß in der Slowakei unser neues, volksdemokratisches Regime nicht oder nur minimal zur Geltung kam. In der Slowakei lief alles im wesentlichen auf alte Art. Daran haben unsere Slowaken, aber auch wir die Schuld. Unsere Schuld besteht darin, daß wir mit Rücksicht auf die Respektierung "der na tionalen Rechte in der Slowakei wenig eingegriffen haben und wenig den volksdemokratischen Kurs durchgesetzt haben. Und bei unseren Slowaken besteht die Schuld darin, daß sie über die Versuche, die wir unternahmen, lachten und selbst einer solchen Meinung unterlagen, daß es vielleicht formal möglich sei, alle Rechte zu respektieren, ohne Rücksicht darauf, wie über sie verfügt wird und wie sie angewendet werden. Es ist eine Tatsache, daß in die Demokratische Partei die alte Hlinka-Reaktion eingeströmt ist. Die Demokratische Partei selbst hat mit ihrer Politik und Agitation die Segel dieser Reaktion gesetzt, und im Sieg dieser Partei kommt zum Ausdruck, daß die slowakischen Reaktionäre in ihr die Bestrebungen ihrer Repräsentanten und ihrer Fürsprecher sehen. Diese Sache bereitet uns große Schwierigkeiten. Die Tatsache, daß die Demokratische Partei in der Slowakei so stark ist, verzerrt das Bild, das wir von der ganzen Republik haben. Die slowakischen Genossen sagen, daß zu diesem Sieg in nicht geringem Maße auch die Tatsache beigetragen habe, daß sich in der Slowakei auch die Bischöfe zu den „Demokraten" bekannten und daß die Pfarrer von den Kanzeln herab zur Wahl der Demokratischen Partei aufriefen. Aber das gab es schließlich auch bei uns, und es gelang nicht. Wir müssen die Hauptursache darin sehen, daß in der Slowakei das neue, volksdemokratische Regime nicht so durchgesetzt wurde, wie es nötig war, und daß wir und auch unsere slowakischen Genossen jetzt die entsprechenden Schlußfolgerungen ziehen müssen. Das Wichtigste sehe ich darin, daß es uns gelungen ist, besonders das Land und die kleinbürgerlichen Schichten davon zu überzeugen, daß die neue Republik für sie nützlich ist, während uns das in der Slowakei nicht gelungen ist. Wir haben ihnen faktisch die Macht in ihre Hände gegeben und haben uns nicht mehr um sie gekümmert. 3

14

E s handelt sich u m die „ P a r t e i der A r b e i t " und die „ P a r t e i der Freiheit", die bei den Wahlen im Mai 1946 z u s a m m e n 1,5 Prozent der S t i m m e n gewonnen hatten. Schrödcr-Laskowski, Tschechoslowakei

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Das Gesamtergebnis der Wahlen ist jedoch gut. Im Durchschnitt haben wir in der Republik 38 Prozent der Stimmen, mit den Sozialdemokraten haben wir die knappe Mehrheit. Und besonders- wichtig ist die Tatsache, daß die Reaktion geschlagen wurde und daß die Hoffnungen der Reaktion, mit diesen Wahlen eine Wende in der bisherigen Entwicklung unserer Republik herbeizuführen, gescheitert sind. In diesem Sinne können wir mit den Wahlen zufrieden sein. Nun einige Worte dazu, wie sich die Situation gegenwärtig gestaltet und wie wir weiter auftreten sollten. Wir haben vor den Wahlen und während der Wahlen gesagt, daß wir nach den Wahlen an der Politik der Nationalen Front und an der Bildung einer Regierung der Nationalen Front festhalten werden. Ich denke, in dieser Richtung können wir nichts ändern. Wie sieht es bei den anderen Parteien jetzt nach den Wahlen aus? Bei den Sozialdemokraten haben wir es mit dem Versuch der Rechten zu tun, die Führung der Partei in ihre Hände zu bekommen. Bei ihnen tagt heute der Exekutivausschuß, und dort wird man sich vermutlich sehr streiten. Die Rechte beschuldigt die bisherige Führung, besonders Fierlinger, dessen, daß die Sozialdemokratie auf dem vierten Platz blieb, obwohl das erwartet worden war. Die Rechte nutzt diese Situation, um einen Angriff gegen die Linke zu führen. Wir haben jenen guten Sozialdemokraten geraten, den Spieß umzudrehen und Sturm zu laufen gegen die Rechte, die mit ihrer reaktionären Politik an dem Mißerfolg der Sozialdemokratie schuld war. Wenn die Rechte sagt, daß sie durch die Annäherung an die Kommunisten nicht gewonnen habe, was sie wollten, und daß sie, wenn sie eine scharfe Hetzkampagne gegen uns geführt hätten, gewonnen hätten, dann spricht die Tatsache dagegen, daß die Nationalen Sozialisten eine sehr scharfe Hetzkampagne geführt haben und nichts damit gewonnen, sondern im Gegenteil, verloren haben. An ihrer Niederlage war schuld, daß sie auf zwei Stühlen saßen. Wenn sie etwas gewinnen wollen, dann müssen sie auf dem linken Stuhl sitzen und nicht auf dem rechten. Um diese Frage wird bei den Sozialdemokraten der Kampf geführt. Ich wage nicht vorauszusagen, wie er ausgeht. Ich denke, daß es den Rechten nicht gelingen wird, sich der Führung zu bemächtigen und daß sich die Position der Linken festigen wird. Die Sozialdemokratie muß aus diesen Wahlen die Lehre ziehen, daß sie, wenn sie auf zwei Stühlen sitzt, sich bei Erdbewegungen auf die Erde setzt. Die Nationalen Sozialisten beratschlagen auch. In welchem Sinn, das wissen wir noch nicht. Aber bei ihnen muß ein großer Katzenjammer herrschen. Ihre Niederlage wird auch gewisse innenpolitische Folgen haben. Bei ihnen ist es so, daß in der Führung wenig energische Leute die anständigen Kräfte repräsentieren, aber dennoch glaube ich, daß es in dieser Partei zu einer Differenzierung kommen wird. Die Volkspartei. Sie war bescheidener, so daß ihr Mißerfolg nicht so depressiv ist, allerdings mit Ausnahme Mährens. Dort hatten sie damit gerechnet, daß sie die Mehrheit haben würden. Sie haben eine Schlappe erlitten, und wahrscheinlich wird das Einfluß auf die Parteiführung haben. Srämek stützte sich immer auf das Übergewicht Mährens, jetzt wird es vermutlich auch in dieser Partei zu einer gewissen Differenzierung kommen. Insgesamt sehen wir bei den übrigen Parteien der Nationalen Front eine gewisse „Klugwerdung des Don Quichote". Auf einmal haben sie vorausgesehen, daß die Kommunisten gewinnen würden, auf einmal haben sie sich nicht gewünscht, daß die Kommunisten verlieren würden, auf einmal sind sie selbstverständlich für die Nationale Front, kurzum, sie tun, als hätte es nie in der Wahlkampagne Hetze gegeben. Es ist jedoch eine Tatsache, daß ein illegales Flugblatt herausgegeben worden war, adressiert an die Mitglieder der ehemaligen Agrar- und Gewerbepartei, damit diese entweder die Nationalen Sozialisten oder die Volkspartei wählten und nicht weiße Zettel abgaben. Klar und deutlich waren

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sie aufgerufen, diese zwei Parteien zu wählen. Dieses Flugblatt gaben entweder die Nationalen Sozialisten selbst, oder die Volkspartei, oder irgendwelche illegalen kleinen Gruppen heraus, von denen wir wissen, daß sie sich versammeln und daß sie arbeiten. In beiden Fällen charakterisiert das die Rolle dieser Parteien. Ihren jetzigen scheinheiligen Mienen dürfen wir keinen Augenblick Glauben schenken und müssen uns dementsprechend verhalten. Und nun zu einer Frage, über die das Zentralkomitee entscheiden muß. Bisher war es Brauch in der vormünchener Republik, daß die stärkste Partei die Regierungsbildung übernahm. Bisher hatten wir Fierlinger als Vorsitzenden der Regierung. Jetzt ist die Frage, wie wir uns nach den Wahlen verhalten sollen. Können wir weiterhin bei unserem bisherigen Standpunkt bleiben oder sollen wir unseren Anspruch auf den Ministerpräsidenten durchsetzen. Wir haben darüber im Präsidium beraten und sind zu der Auffassung gelangt, daß wir die alte Vorkriegstradition geltend machen sollten, daß die größte Partei die Bildung und die Leitung der Regierung übernimmt. Dagegen könnte man sagen, daß wir damit die internationale Stellung der Republik komplizierten und es den Westmächten leichter machen, uns Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Import, dem Export, eventuell mit der U N R R A und anderen Dingen zu bereiten. Andererseits spricht dafür, daß das Wahlergebnis eindeutig ist. Das Volk erwartet von uns etwas und würde nicht verstehen, wenn wir nach diesen Wahlen nicht die Regierung selbst in die Hände nehmen würden. Innenpolitisch sprechen alle Gründe dafür, es zu tun, und das ist insgesamt entscheidend. Deshalb empfiehlt das Präsidium der Partei, die Fortsetzung der alten Tradition zu fordern und den Vorsitz der Regierung zu übernehmen. In diesem Zusammenhang wird es einmal um die Formierung der Regierung und zum andern um das Programm gehen. Hinsichtlich der Formierung der Regierung sagt man, daß in der Frage der Aufteilung der Ressorts lange Verzögerungen auftreten werden. Für uns ist die Situation klar — das ist berechnet, so daß wir nicht wissen, was sich dahinter verbirgt, was man mit diesen Verzögerungen erreichen will: ob man beabsichtigt — was nicht ausgeschlossen ist —, wenn ein Kommunist mit der Aufstellung der Regierung beauftragt würde, solche Schwierigkeiten zu bereiten, daß er sie nicht zusammenbekommen kann und schließlich jemand anders sie zusammenstellen muß. Für uns ist entscheidend, daß wir von unseren Positionen nichts aufgeben werden, sondern — im Gegenteil — noch einige geltend machen werden. Was einige Ressorts betrifft, so haben wir überlegt, daß es vorteilhaft wäre, zwei Ministerien in den Händen von Spezialisten zu belassen, und zwar das für Auswärtige Angelegenheiten und das für nationale Verteidigung, und zwar in dem Sinne wie bisher. Es wird einen großen Ansturm auf das Ministerium für nationale Verteidigung geben, aber ich denke, daß wir es niemandem in die Hand geben dürfen. Wenn dort kein Kommunist sitzen wird, muß dort Svoboda sitzen. In diesem Sinne muß das Zentralkomitee dem Präsidium die Vollmacht geben, damit es manövrieren kann. Unsere Positionen hart verteidigen, aber sie nicht allzu sehr festkeilen und die Verhandlungen sprengen. Noch etwas: ob es einen Kommunisten mehr oder weniger dort geben wird, ist in der Gesamtpolitik der Regierung nicht entscheidend, wenn auf diese Weise die Verhandlungen über die neue Regierung beschleunigt werden können. Die Hauptsache ist, daß wir diese Positionen fest, aber elastisch verteidigen und nicht habgierig wie die anderen sind. Ich denke, daß wir unser Hauptaugenmerk auf das Programm richten müssen und daß wir uns darum bemühen müssen, daß das neue Programm ebenso populär wie das Kosicer Regierungsprogramm wird, daß es seine Fortsetzung wird. Wir müssen uns darauf konzentrieren, daß wir in diesem Programm so konkret wie möglich sind. Früher war es so, daß unsere Gegner alles ohne weiteres unterschrieben haben in dem Bewußtsein, daß sie es nicht werden erfüllen müssen. Jetzt, da sie die Erfahrung gemacht haben, daß sie es erfüllen müssen, müssen wir alle Punkte des Regierungsprogramms konkret formulieren. 14-

211

Welchen Inhalts soll es sein? E s soll an das Kosicer Regierungsprogramm

anknüpfen.

Welche Dinge sollen in den Vordergrund gestellt werden? Der Zweijahrplan der W i r t s c h a f t . Insgesamt ist das kein besonderes Problem. W i r müssen noch einige weitere Dinge in das P r o g r a m m bringen. Die öffentliche Verwaltung — die Gaue. W i r werden sie vorschlagen, und es wird sich herausstellen, wie sich die einzelnen Parteien dazu stellen. Bisher h a t sich keine P a r t e i dazu ausgesprochen. Reform der öffentlichen Verwaltung — konkret. Steuerreform. Die weitere Durchführung der nationalen Säuberung — diese Frage ist sehr scharf zu stellen. Das wird einer der heiklen P u n k t e sein. W i r h a t t e n diese F r a g e bisher noch nicht in den Vordergrund gerückt, aber in der neuen Regierung müssen wir das tun. Der Abschluß der Besiedlung — die Übergabe der Gewerbe, der Höfe, sofern sie in Privateigentum übergehen sollen, und die Ü b e r n a h m e des übrigen Besitzes in staatliche und allgemeine Verwaltung. Die beschleunigte Organisierung der nationalisierten

Wirtschaft,

der B a n k e n ,

des

Finanzwesens. Schließlich auch das Verhältnis zur Slowakei. Wie ist es anzustellen, daß die Slowakei für die Republik und die Demokratie gesichert wird? Über diese F r a g e haben wir schon im Präsidium gesprochen und waren der Meinung, daß wir j e t z t der slowakischen Demokratischen Partei b e s t i m m t e Bedingungen für den E i n t r i t t in die Regierung

stellen,

bestimmte, ganz spezielle Bedingungen, vor allem ihr Verhältnis zu T i s o betreffend, und die Durchführung eines demokratischen Kurses hinsichtlich der V e r a n t w o r t l i c h k e i t des R a t e s der B e a u f t r a g t e n gegenüber der Regierung usw. W i r werden die Bedingung stellen, d a ß die B e a u f t r a g t e n dem Minister und der R a t der B e a u f t r a g t e n der Regierung rechenschaftspflichtig sind. Das wird eine Neuheit sein. Unsere slowakischen Genossen werden vielleicht so viel Verstand haben, daß sie das verstehen . . . Ferner müssen im Regierungsprogramm die Grundsätze der Verfassung e n t h a l t e n sein. Das ist ungefähr das, was ich über unsere weitere T a k t i k sagen wollte. E s wurde entschieden,

daß

die Verfassunggebende Nationalversammlung in der ersten

Junihälfte

einberufen wird; sie wird dann den Präsidenten wählen, die Regierung wird nach der W a h l des Präsidenten formal ihren R ü c k t r i t t einreichen, und der Präsident wird j e m a n d e n m i t der Bildung der neuen Regierung beauftragen. W i r müssen uns darum bemühen, bis zu diesem Termin m i t allen Vorbereitungen für die Aufstellung der Regierung fertig zu sein und daß es so gehandhabt wird wie am 28. Oktober (1945), daß durch die eine T ü r die Demission eingereicht und durch die andere T ü r die neue Regierung vorgestellt wird. Denn wenn wir uns dafür entscheiden, die Leitung der Regierung in unsere H ä n d e zu nehmen, müssen wir uns darüber im klaren sein, daß dies ein weitreichender S c h r i t t ist, daß die P a r t e i ihn ernsthaft, entschlossen und energisch gehen muß. Das, was wir früher zurückgestellt und m i t R ü c k s i c h t auf verschiedene Umstände geduldet h a t t e n , m u ß j e t z t geklärt werden. W e n n unsere P a r t e i die Verantwortung ü b e r n i m m t , so m u ß a u c h gleich zu spüren sein, daß, wenn wir schon diese Kurbel drehen, niemand uns von ihr wegbekommen wird. Unsere Gegner werden, auch wenn sie sich damit abfinden, daß wir die Regierung in unsere Hände nehmen, die Hoffnung haben, daß wir scheitern. Diese Hoffnung werden wir ihnen nicht erfüllen, sondern noch weitaus mehr als bisher wird unsere P a r t e i n i c h t nur faktisch, sondern auch formal vorwärts schreiten, um bei den nächsten W a h l e n schon die absolute Mehrheit zu haben, um die W ä s c h e dann endlich auswaschen zu k ö n n e n . Übersetzung nach: Kl. Gottwald, Spisy, Bd. X I I I , Prag 1957, S. 7 5 - 8 6 .

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Dokument 11 Gemeinsames K o m m u n i q u e von Repräsentanten der Kommunistischen Partei der Tschechoslowa kei und der Tschechoslowakischen Sozialdemokratie (11. September 1947, Prag) Am 11. September 1947 trafen die delegierten Vertreter der Führung der Kommunistischen Partei der Tschechoslo wakei und der Tschechoslowakischen Sozialdemokratie zusammen, um auf einer gemeinsamen Beratung wichtige Fragen zu behandeln, die vor allem im Zusammenhang mit der Deckung der Sonderzuschläge für die Bauern entstanden waren und die breite Schichten des Volkes sehr erregt hatten. Die Vertreter beider Parteien stimmten nach längerer Beratung darin überein, daß es im Interesse einer friedlichen Lösung aller aktuellen Fragen, im Interesse eines einheitlichen Handelns bei der Überwindung der Schwierigkeiten, die vor allem mit den Folgen der Dürre zusammenhängen, sowie im Interesse der erfolgreichen Erfüllung des großen Werks des Zweijahrplans notwendig ist, das gemeinsame Auftreten der Hauptkräfte des werktätigen Volkes zu erhalten und zu festigen. Die Vertreter der Führung der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei und der Tschechoslowakischen Sozialdemokratie kamen daher überein, die Vertreter beider Parteien in der Regierung zu beauftragen, einen gemeinsamen Vorschlag zur Einführung einer Sondersteuer für große Millionenbesitze und übermäßig hohe Gewinne zn unterbreiten, womit die Frage der Deckung der Sonderzuschläge für die Bauern entsprechend dem Wunsch aller werktätigen Schichten gelöst wäre. Weiterhin wurde vereinbart, daß die Vertreter beider Parteien in der Regierung auch bei der Lösung anderer wichtiger Fragen, wie zum Beispiel bei der Regelung der Gehälter der staatlichen und öffentlichen Angestellten, gemeinsam auftreten werden. Die Vertreter beider Parteien schlössen ferner die wichtige Vereinbarung, sich mit ganzer Kraft dafür einzusetzen, daß die politische Entwicklung in der Republik auch weiterhin in Ruhe, Frieden und bei Eintracht in der Nationalen Front verlaufen und daß in einer solchen Atmosphäre auch die Beratung der neuen Verfassung stattfinden kann und daß die allgemeinen Parlaments wählen zum gesetzlichen Termin im nächsten J a h r stattfinden können. Auf ihrer gemeinsamen Beratung beschlossen die Vertreter beider Parteien, einen Aufruf an die Mitglieder ihrer Parteien zu erlassen, sich auch unten um die Erneuerung einer Atmosphäre einmütigen Handelns zu bemühen. Ihren Willen zur engen Zusammenarbeit bekundend, die die Voraussetzung für die Vereitlung der Pläne der Reaktion ist und die den erfolgreichen demokratischen Weg zum Sozialismus gewährleisten soll, werden sich beide Parteien — die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei und die Tschechoslowakische Sozialdemokratie — darum bemühen, im Rahmen der Nationalen F r o n t den sozialistischen Block auch in seinem weiteren Sinne zu erneuern. F ü r das Präsidium der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei Klement Gottwald

Rudolf Slänsky

Vaclav Kopecky

F ü r das Präsidium der Tschechoslowakischen Sozialdemokratie Zdenek Fierlinger

Frantisek Tymes

Blazej Vilim Rüde prävo, 12. September 1947.

Ubersetzung nach: V. Kral, Cestou k ünoru, Prag 1963, S. 368—370.

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Dokument 12 Resolution des Kongresses der Betriebs- und Angestelltenräte und der Betriebsgruppen der Revolutionären Gewerkschaftsbewegung (ROH) (22. Februar 1948, Prag) Durch die Republik zieht eine Welle der Erregung und Unruhe. Während sich das werktätige Volk in Stadt und Land mit aller Kraft darum bemüht hat, die Produktion wieder in Gang zu setzen, die Arbeitsproduktivität zu erhöhen, die Ernte zu bergen und die schrecklichen Folgen des Krieges zu beseitigen, während die einheitliche Gewerkschaftsorganisation sich alle Mühe gab, Konflikte, Wirtschaftskämpfe, Streiks zu verhindern und den sozialen Frieden zu erhalten, organisierten sich die alten, von der siegreichen nationalen Revolution geschlagenen kapitalistischen Kräfte zu heimtückischen Komplotten und Umsturzversuchen. Ihre Tätigkeit wird durch die Unterstützung der ausländischen Reaktion und die wohlwollende Hilfe rechter Elemente in einigen Regierungsparteien ermöglicht, die in der alten agrar-kapitalistischen Koalition der ersten Republik mitgearbeitet hatten und meinen, daß es wiederum möglich wäre, die volksfeindliche Politik dieser landesverräterischen Koalition zu erneuern. Die Folgen eines solchen Hasardspiels wären unabsehbar. Sie würden den Staat in ein Chaos und in einen Bürgerkrieg treiben, würden eine Währungsabwertung und Inflation, Massenarbeitslosigkeit bewirken, würden die kleinen Sparer zu Bettlern machen, würden Mißtrauen bei unseren slawischen Verbündeten hervorrufen und die Sicherheit und die internationale Stellung der Republik gefährden. In dieser kritischen Situation sind der Zentralrat der Gewerkschaften als oberstes Organ der Revolutionären Gewerkschaftsbewegung, die die stärkste Organisation in der Republik ist, und der Kongreß der Betriebsund Angestelltenräte, die die ermächtigten Sprecher der Arbeiter sind, berufen, ihr entscheidendes Wort zu sprechen. Der Kongreß erklärt: Wir werden keinen Umsturz zulassen. Wir haben nicht mehr als zwei Jahre dafür gearbeitet und den Gürtel enger geschnallt, damit die alten und die neuen reaktionären Kräfte mit unserer Zukunft ein Hasardspiel treiben. Unsere Selbständigkeit und Freiheit kann nur durch die allmähliche Beseitigung der Schmarotzer und den zielstrebigen Weg zum Sozialismus, durch das feste Bündnis mit den slawischen Staaten und der sozialistischen Sowjetunion gewährleistet werden. Wir sind fest entschlossen, allen reaktionären Umtrieben, Spekulationen auf einen rechten Putsch, der Spionage und anderen landesverräterischen Umtrieben ein jähes Ende zu setzen. Wir werden Umsturzversuche und Sabotage weder in der Regierung noch im Parlament dulden. Regierung und Parlament sind verpflichtet, schnellstens jene Punkte des Regierungsprogramms zu behandeln, die von allen Regierungsparteien feierlich angenommen worden waren. Unsere Forderungen, deren Erfüllung wir kategorisch verlangen, sind: 1) Die unverzügliche gesetzliche Verankerung der nationalen Versicherung und der Sicherung der Altersversorgung für Arbeiter, Angestellte, Gewerbetreibende und Bauern und die Regulierung der Renten der staatlichen Angestellten dort, wo niedrige Einkommen eine neue Regelung erfordern. Die Neuregelung der Einkommen soll mit Wirkung vom 1. Januar 1948 durchgeführt werden. 2) Die Verabschiedung der Verfassung, die verfassungsmäßige Gewährleistung aller 214

Rechte des Volkes, die Abschaffung der kapitalistischen Ausbeutung und den weiteren Weg zum Sozialismus. 3) Konsequent bestehen wir auch auf unserer Forderung, daß die provisorische Regulierung der Gehälter der staatlichen und öffentlichen Angestellten mit rückwirkender Gültigkeit vom 1. Januar 1948 durchgeführt wird. . 4) Im Hinblick darauf, daß der noch verbliebene kapitalistische Sektor unserer Wirtschaft zum Zentrum wirtschaftlicher und politischer Anschläge gegen die Republik geworden ist und daß er in Zeiten der Mißernte und Not in Form übermäßig hoher Gewinne ganze Milliarden des Nationaleinkommens verschlingt, die für notwendige Maßnahmen zur Regulierung der Gehälter der staatlichen Angestellten, für die nationale Versicherung und für die Beseitigung weiterer sozialer Ungerechtigkeiten und Disproportionen verwendet werden könnten, erhebt der Kongreß die Forderung nach einer weiteren Nationalisierung und zwar des gesamten einheimischen Großhandels, des gesamten Außenhandels, der großen Kaufhäuser, der Spirituosenproduktion, der Produktion und Distribution von Arzneimitteln sowie aller kapitalistischen Betriebe mit mehr als 50 Beschäftigten. Der Zentralrat der Gewerkschaften fordert ferner die Nationalisierung der Bauunternehmen, der Druckereien, der Kurorte, Heilanstalten und Krankenhäuser. 5) Der Kongreß lehnt nachdrücklich alle Versuche ab, Breschen in die Nationalisierung zu schlagen, gleich, ob sie einen Industriezweig, die Distribution, den Film o. ä. betreffen. Wir fordern, Entscheidungen des Obersten Verwaltungsgerichts aufzuheben, mit denen der Versuch unternommen wird, nationalisierte Betriebe in die Hände von Kapitalisten zurückzugeben, und die unverzügliche Angliederung der Fabrik-Konfiskate an volkseigene Betriebe. Zugleich sind wir damit einverstanden, daß der Schutz der kleinen und mittleren Unternehmen für Betriebe bis zu 50 Beschäftigten durch die Verfassung gewährleistet wird und Steuerermäßigungen für die Gewerbetreibenden gesetzlich verankert werden. Wir stellen uns entschieden hinter die Forderung der Bauern nach der Kodifizierung der neuen Bodenreform im Sinne des Gesetzentwurfes der Regierung und nach der Herausgabe des Gesetzes über eine einheitliche Landwirtschaftssteuer und der anderen dem Parlament vorgelegten landwirtschaftlichen Gesetze. Wir beauftragen den Zentralrat der Gewerkschaften, diese Forderungen der Regierung und allen politischen Parteien vorzulegen. Mögen die Parteien eine Erklärung abgeben, ob sie bereit sind, diese Forderungen nicht nur anzuerkennen, sondern sie auch zu erfüllen. Zur Bekräftigung unseres festen und einheitlichen Willens alles zu tun, damit unsere Forderungen verwirklicht werden, verkünden wir für Dienstag, den 24. Februar, einen einstündigen Manifestationsstreik in allen Betrieben, während dessen der Belegschaft ein Bericht über die Beratungen und Beschlüsse des gesamtstaatlichen Kongresses und über die Mobilisierung im Bedarfsfall gegeben werden soll. Im Straßenverkehr soll gleichzeitig der Betrieb am Dienstag für 5 Minuten ruhen. Wir machen den Zentralrat der Gewerkschaften und seine Organe verantwortlich für die Durchführung der gefaßten Beschlüsse und bevollmächtigen ihn zugleich, alle erforderlichen Aktionen, Massenkundgebungen und den Generalstreik zu organisieren, falls unsere Forderungen auf Widerstand stoßen sollten. Mit aller Entschiedenheit lehnen wir die Angriffe auf das Nationale Sicherheitskorps (SNB) und die Charakterisierung unserer Republik als Polizeistaat ab. Wir sehen darin eine Beleidigung unseres Nationalen Sicherheitskorps, das schon längst aufgehört hat, ein Polizeikorps zu sein, das die Privilegien der Kapitalisten schützt. Es wurde zu einem unerläßlichen Bestandteil unserer einheitlichen Gewerkschaftsbewegung. 215

Auf der Basis der genannten Forderungen mobilisieren wir alle Mitglieder der Revolutionären Gewerkschaftsbewegung ohne Unterschied — Arbeiter, Beamte, staatliche und öffentliche Angestellte. Wir begrüßen die Einberufung des Bauernkongresses, wir versprechen, dessen Aktionen zu unterstützen und glauben, daß wir gemeinsam mit den Bauern eine tatsächliche Einheit der Werktätigen in Stadt und Land schaffen werden. Ebenso bauen wir das feste Bündnis mit den Gewerbetreibenden, der werktätigen Intelligenz, der Jugend, den Widerstands- und anderen Organisationen aus. Wenn unsere Forderungen erfüllt und auf ihrer Grundlage eine wirkliche Nationale Front geschaffen wird, die sich auf die Arbeiter, die Bauern, die Gewerbetreibenden, die Intelligenz und die Organisationen der Widerstandskämpfer stützen und die Erfüllung der Forderungen garantieren wird, dann wird in unser politisches, wirtschaftliches und Produktionsleben wieder die notwendige Ruhe und Sicherheit zurückkehren, und jeder Versuch einer Rückkehr zur alten kapitalistischen Jagd nach Profiten und zur landesverräterischen Reaktion wird gleich im Keim erstickt werden. Unser volksdemokratischer Weg in eine glückliche Zukunft wird gefestigt und gesichert sein . . . Ubersetzung nach: Sbornik studijnich materiälü k dejinam CSSR a KSC z obdobi 1945—1948, Prag 1971, S. 3 8 0 - 3 8 4 .

Dokument 13 Klement Gottwald, Aus dem Referat auf der Tagung des Zentralkomitees der KPTsch am 9. April 1948 Genossen und Genossinnen! Die letzte Tagung des Zentralkomitees unserer Partei hat Ende November vergangenen Jahres stattgefunden. Seitdem sind mehr als vier Monate vergangen. Das ist eine relativ kurze Zeit, dafür aber so gespickt mit wichtigen Ereignissen, wie wir sie seit den Tagen im Mai, seit der Befreiung nicht erlebt haben. Die Februarereignisse werden sich meiner Meinung nach unter die historischen Tage einreihen und werden sicher in eine Reihe mit jenem großen Ereignis im Mai 1945 gestellt werden. Uber den Sinn, die Bedeutung und das Ergebnis der Februarereignisse ist schon viel gesagt worden. Ich werde deshalb in meinem Bericht nur auf die wichtigsten Momente, nur auf die wichtigsten Seiten dieser Ereignisse eingehen. Vor allem betrifft das die Frage, worum es im Februar eigentlich ging. Im Februar ging es — wenn wir die Sache innenpolitisch betrachten — darum, ob unsere volksdemokratische Entwicklung weiter erfolgreich auf dem Weg zum Sozialismus vorwärtsschreiten soll, oder ob sie rückgängig gemacht werden soll, ob es zu einem Umsturz kommen soll, der der Beginn eines Weges zurück zu den vormünchener Zeiten, zu den Zeiten des Kapitalismus wäre. So, wie das Jahr 1920 nach dem ersten Weltkrieg über die weitere Entwicklung der vormünchener Republik entschieden hat, so hat auch der Februar 1948 über die weitere Entwicklung der befreiten volksdemokratischen Republik entschieden, nur eben mit entgegengesetzten Ergebnissen. Wenn der Dezember 1920 den Sieg der Reaktion und den Beginn der Festigung des kapitalistischen Regimes in der vormünchener Republik bedeutete, so bedeutete der Februar 1948 die Niederlage der Reaktion, die Festigung des volksdemokratischen Regimes und die Öffnung des Weges zum beschleunigten Vormarsch zum Sozialismus. Darum ging es also im Februar innenpolitisch. 216

Auf der Basis der genannten Forderungen mobilisieren wir alle Mitglieder der Revolutionären Gewerkschaftsbewegung ohne Unterschied — Arbeiter, Beamte, staatliche und öffentliche Angestellte. Wir begrüßen die Einberufung des Bauernkongresses, wir versprechen, dessen Aktionen zu unterstützen und glauben, daß wir gemeinsam mit den Bauern eine tatsächliche Einheit der Werktätigen in Stadt und Land schaffen werden. Ebenso bauen wir das feste Bündnis mit den Gewerbetreibenden, der werktätigen Intelligenz, der Jugend, den Widerstands- und anderen Organisationen aus. Wenn unsere Forderungen erfüllt und auf ihrer Grundlage eine wirkliche Nationale Front geschaffen wird, die sich auf die Arbeiter, die Bauern, die Gewerbetreibenden, die Intelligenz und die Organisationen der Widerstandskämpfer stützen und die Erfüllung der Forderungen garantieren wird, dann wird in unser politisches, wirtschaftliches und Produktionsleben wieder die notwendige Ruhe und Sicherheit zurückkehren, und jeder Versuch einer Rückkehr zur alten kapitalistischen Jagd nach Profiten und zur landesverräterischen Reaktion wird gleich im Keim erstickt werden. Unser volksdemokratischer Weg in eine glückliche Zukunft wird gefestigt und gesichert sein . . . Ubersetzung nach: Sbornik studijnich materiälü k dejinam CSSR a KSC z obdobi 1945—1948, Prag 1971, S. 3 8 0 - 3 8 4 .

Dokument 13 Klement Gottwald, Aus dem Referat auf der Tagung des Zentralkomitees der KPTsch am 9. April 1948 Genossen und Genossinnen! Die letzte Tagung des Zentralkomitees unserer Partei hat Ende November vergangenen Jahres stattgefunden. Seitdem sind mehr als vier Monate vergangen. Das ist eine relativ kurze Zeit, dafür aber so gespickt mit wichtigen Ereignissen, wie wir sie seit den Tagen im Mai, seit der Befreiung nicht erlebt haben. Die Februarereignisse werden sich meiner Meinung nach unter die historischen Tage einreihen und werden sicher in eine Reihe mit jenem großen Ereignis im Mai 1945 gestellt werden. Uber den Sinn, die Bedeutung und das Ergebnis der Februarereignisse ist schon viel gesagt worden. Ich werde deshalb in meinem Bericht nur auf die wichtigsten Momente, nur auf die wichtigsten Seiten dieser Ereignisse eingehen. Vor allem betrifft das die Frage, worum es im Februar eigentlich ging. Im Februar ging es — wenn wir die Sache innenpolitisch betrachten — darum, ob unsere volksdemokratische Entwicklung weiter erfolgreich auf dem Weg zum Sozialismus vorwärtsschreiten soll, oder ob sie rückgängig gemacht werden soll, ob es zu einem Umsturz kommen soll, der der Beginn eines Weges zurück zu den vormünchener Zeiten, zu den Zeiten des Kapitalismus wäre. So, wie das Jahr 1920 nach dem ersten Weltkrieg über die weitere Entwicklung der vormünchener Republik entschieden hat, so hat auch der Februar 1948 über die weitere Entwicklung der befreiten volksdemokratischen Republik entschieden, nur eben mit entgegengesetzten Ergebnissen. Wenn der Dezember 1920 den Sieg der Reaktion und den Beginn der Festigung des kapitalistischen Regimes in der vormünchener Republik bedeutete, so bedeutete der Februar 1948 die Niederlage der Reaktion, die Festigung des volksdemokratischen Regimes und die Öffnung des Weges zum beschleunigten Vormarsch zum Sozialismus. Darum ging es also im Februar innenpolitisch. 216

Außenpolitisch ging es darum, ob unsere Republik in der Zukunft weiter unerschütterlich den Weg des Bündnisses mit der Sowjetunion, des Bündnisses mit den übrigen slawischen Völkern, den Weg des Bündnisses mit allen volksdemokratischen Staaten in Mittel- und Südosteuropa gehen wird, oder ob sie aus diesem fortschrittlichen demokratischen Block herausgerissen und erneut Objekt der Politik der westlichen Imperialisten wird, ob sie zum Aufmarschgebiet der Weltreaktion in ihrem Kampf gegen die volksdemokratischen Staaten und gegen die Sowjetunion wird. Und auch hier entschieden die Februarereignisse absolut eindeutig in dem Sinn, daß unsere volksdemokratische Republik nicht nur auf ihrem früheren Kurs beharrt, auf dem Bündnis mit der Sowjetunion und den übrigen slawischen Völkern, sondern daß sie sich noch entschiedener zu diesem Bündnis bekennt und dies auch in der Praxis durchsetzen wird. So können wir also sagen, daß das Ergebnis der Februarereignisse die Festigung der Macht unseres Volkes, die Freilegung des weiteren Weges zum Sozialismus und die Festigung unserer slawischen Bündnispolitik ist. Wenn vor dem Februar verschiedene Erscheinungen in unserem öffentlichen Leben Zweifel an der Eindeutigkeit unseres Bündnisses mit der Sowjetunion erwecken konnten, so bedeutete der Februar, daß sich unsere Republik außenpolitisch fest auf einen Stuhl gesetzt hat. Mit einem Wort, die Februarereignisse endeten mit einem eindeutigen Sieg unseres Volkes unter der Führung unserer Partei. Nun, Genossen und Genossinnen, zu der Frage, wie es zu diesem Sieg kam, wie es dazu kommen konnte und warum es zu dem Sieg kommen mußte. Ich bin der Meinung, daß es zu diesen notwendigen Ergebnissen der Februarereignisse kam, weil unsere Partei als die führende Regierungspartei auf diese Ereignisse politisch, organisatorisch, ideologisch u n d moralisch voll vorbereitet war. Ihr wißt, daß wir damit gerechnet haben, daß unsere Reaktion früher oder später in dieser oder jener Form den Sturz unserer volksdemokratischen Ordnung versuchen würde. Wir, die wir in der Nationalen Front und in der Regierung mit den anderen Parteien zusammen waren, haben uns keinerlei Illusionen über den wahren Charakter dieser Parteien, resp. über die Führung dieser Parteien gemacht und haben rechtzeitig unsere Partei und auch die Massen auf die weitere Entwicklung vorbereitet. Ich erinnere hier, Genossen, an die Tagung des Zentralkomitees unserer Partei im Januar vergangenen Jahres, also vor mehr als einem Jahr. Damals haben wir zum erstenmal öffentlich und eindeutig erklärt, daß es in der Nationalen Front und in der Regierung nicht klappt, daß es dort knirscht. Damals haben wir zum erstenmal öffentlich und eindeutig darauf hingewiesen, daß die Ursache für die unguten Verhältnisse in der Nationalen Front und in der Regierung darin besteht, daß sich in einige Parteien der Nationalen Front reaktionäre Elemente eingeschlichen haben, in die Führungen eingedrungen sind, und daß diese Reaktion mehr und mehr deren Politik beeinflußte und daß das die Hauptursachen dafür sind, warum es in der Nationalen Front nicht klappt, warum die Arbeit der Regierung ins Stocken gerät und warum das Regierungsprogramm nicht schnell und konsequent erfüllt wird. Damals haben wir gesagt, daß wir nicht zögern werden, mit dem Finger auf die Träger der reaktionären Politik innerhalb der Nationalen Front und innerhalb der Regierung zu zeigen. Gleichzeitig haben wir damals — wie ihr euch erinnern werdet — einen Ausweg und eine Möglichkeit für die Lösung dieses Problems gezeigt. Einerseits den Kampf gegen die Reaktion innerhalb der übrigen Parteien der Nationalen Front und andererseits vor allem die Stärkung der Kommunistischen Partei, die Gewinnung der Mehrheit des Volkes für ihre Politik, um so über die Kraft zu verfügen, den Widerstand der Reaktion, die sich in den anderen Parteien eingenistet hat, zu überwinden. Damals, im Januar vergangenen Jahres, haben wir, wie ihr wißt, die Losung von der Gewinnung der Mehrheit des Volkes für die Politik unserer Partei als den einfachsten, natürlichsten Ausweg aus der immer komplizierter werdenden Situation aufgestellt. Es war im Januar vergangenen 217

Jahres, als wir in erster Linie unsere Partei und dann unser ganzes Volk im vorhinein darauf aufmerksam gemacht haben, was die Reaktion im Schilde führt und wie man ihren Anschlägen begegnen kann. Auf der Tagung des Zentralkomitees im November vergangenen Jahres, als sich die Situation in der Nationalen Front und in der Regierung noch mehr zugespitzt hatte, als die reaktionären Pläne noch deutlichere Formen angenommen hatten, gingen wir weiter, machten wir wiederum zum erstenmal öffentlich darauf aufmerksam, in welchen Formen, auf welchen Wegen, auf welche Art und Weise unsere Reaktion ihre Pläne durchführen und den Umsturz in unserer gesamten Entwicklung verwirklichen wollte. Damals haben wir zum erstenmal öffentlich erklärt, daß der Plan der Reaktion darin besteht: eine Regierungskrise auszulösen, die parlamentarische Macht lahmzulegen und eine Beamtenregierung ähnlich wie im Jahre 1920 zu errichten. Zugleich haben wir dabei erklärt, daß diesmal nicht das Jahr 1920, sondern 1947 geschrieben wird, und daß wir diesmal jeglichen Versuch, wie auch immer er parlamentarisch und verfassungsmäßig verbrämt sein wird, politisch als einen Versuch eines reaktionären Staatsstreichs ansehen werden und daß dementsprechend darauf auch geantwortet werden wird. Ihr erinnert euch, daß damals namentlich die Presse der Nationalen Sozialisten indirekt zugab, daß derartige Pläne tatsächlich existierten. Sie gab es damit zu, daß sie erklärte, daß der Präsident das Recht hat, eine Beamtenregierung einzusetzen, wenn es keinen Ausweg gibt. Mit einem Wort - es war zu sehen, daß wir auch diesmal genau ins Schwarze getroffen hatten, daß wir die Pläne und Absichten unserer Reaktion durchschaut und daß wir gleichzeitig unsere Partei als Ganzes und die Öffentlichkeit aufmerksam gemacht, gewarnt und auch Wege und Methoden aufgezeigt hatten, wie auf einen reaktionären Putsch zu reagieren wäre. Ihr erinnert euch, daß wir auf mehreren Tagungen des Zentralkomitees im Zusammenhang mit der Diskussion über unsere Losung von der Gewinnung der Mehrheit des Volkes für unsere Politik betont haben, daß diese unsere Losung, wenn sie auch die Mehrheit in den Wahlen betraf, nicht als die alte bekannte austromarxistische Losung verstanden werden dürfe, sondern daß das eine Losung ist, die sich aus der Situation ergibt und deren Verwirklichung den einfachsten Ausweg aus den Schwierigkeiten zeigt, in die wir geraten sind. Der austromarxistische Begriff der Mehrheit bestand darin, daß die Austromarxisten die Arbeiter mit allem, was diese durchführen wollten, auf eine Zeit vertrösteten, da sie die Mehrheit im Parlament haben würden, und sie überzeugten sie davon, daß sie nichts machen könnten, solange ihnen diese 7 Prozent fehlten, und daß sie auf die Macht verzichten müßten, solange den 45 Prozent der Arbeiterstimmen 55 Prozent der Stimmen der übrigen bürgerlichen Parteien gegenüberstünden und daß sie in die Opposition gehen müßten. Wir haben uns gesagt, daß wir so unsere Losung von der Gewinnung der Mehrheit absolut nicht verstehen, daß wir vor allen Dingen mit der Durchführung eventueller Maßnahmen, mit der Durchführung der Forderungen der Werktätigen nicht warten werden bis wir 55 Prozent haben werden, sondern daß wir sie durchführen und daß wir, wenn es etwa unseren Partnern einfallen sollte, ihre Mehrheit formal dazu zu benutzen, uns aus der Regierung zu verdrängen, nicht unterkriegen lassen, sondern auf diese Aufforderung mit dem Kampf antworten werden. Ich spreche darüber, weil es einige Stimmen gab, die den revolutionären und mobilisierenden Sinn der Aufgabe der Gewinnung der Mehrheit unseres Volkes nicht gut genug begriffen haben und meinten, daß unsere Partei mit dieser Losung auf opportunistische, austromarxistische Positionen abgleiten konnte. Ich glaube, daß wenn jemand derartige Befürchtungen gehabt hat, der Februar ihn vom Gegenteil überzeugen mußte. Wodurch, Genossen und Genossinnen, war die Taktik unserer Gegner gekennzeichnet? Die Taktik unserer Gegner war eigentlich im wesentlichen schon seit den Wahlen im Jahre 1946 durch das gekennzeichnet, was die Nationale Sozialistische Partei unter der Füh218

rung von Zenkl als Losung formuliert hatte, als er sagte: „Beurteilt uns nicht danach, was wir erreicht haben, sondern danach, was wir verhindert haben." Darin war ihre ganze Politik zusammengefaßt. Sie bremsten, wie ihr wißt, auf Schritt und Tritt, sabotierten die Arbeit der Regierung, erschwerten und hintertrieben die Durchführung des Regierungsprogramms, sie bemühten sich um die Zerrüttung unserer Wirtschaft und schreckten auch nicht vor demagogischsten Mitteln zurück. Ihr wißt, was sie bei der Behandlung der Frage der staatlichen Angestellten, der Landwirtschaftspreise und anderer Fragen getan haben. Sie haben einfach das befolgt, was jede Reaktion tut, wenn sie nicht vollständig die Macht in der Hand h a t : einen Umsturz bewerkstelligen, damit sie im Trüben fischen können. Natürlich kam es ihnen nicht in den Sinn — so dumm waren sie nicht — ihre Umtriebe unter der offenen Losung des Abbaus der Nationalisierung, der Rückkehr zu den vormünchener Verhältnissen durchzuführen. So geht die Reaktion niemals vor. Sie führten einfach eine solche Politik durch, die unser ganzes System erschüttert hätte, uns in den Augen der breiten Öffentlichkeit diskreditiert, uns von den Massen isoliert und der Reaktion zur Macht verholfen hätte. Eins ihrer gefährlichsten Mittel — und das haben wir auf jedem Schritt gespürt — waren Demagogie und Berechnung. Wenn jemand sagte: Wir geben zehn, so sagten sie: Wir geben zwanzig. Wenn man zwanzig sagte, sagten sie dreißig, obwohl sie wußten, daß das die Zerrüttung unserer Währung und unserer Wirtschaft überhaupt bedeutet hätte. Und wir haben uns in der Parteiführung lange den Kopf zerbrochen, wie man dieser Demagogie begegnen sollte. Uns war klar, daß wir uns an dieser Versteigerung nicht beteiligen konnten, daß wir uns gegen sie stellen mußten. Wenn wir uns von ihrer Demagogie hätten hinreißen lassen, so wäre das der Anfang vom Ende gewesen, wir wären den Weg der französischen Inflation, der Zerrüttung gegangen, und daraus hätte nur unsere Reaktion Nutzen ziehen können. Wir waren entschlossen, dem — koste es was es wolle - entgegenzuwirken. Schließlich kamen wir auf ein Mittel, wie ihnen diese Demagogie unmöglich gemacht werden könnte: noch vor den Wahlen forderten wir die Nationalisierung. Lange haben wir überlegt, wie wir sie entlarven könnten, wie wir ihr wahres reaktionäres Gesicht zeigen könnten. Bei den laufenden Forderungen war das nicht möglich. Als Beispiel führe ich an, daß sie noch kurz vor der Krise, als über einen weiteren Zuschuß zu den landwirtschaftlichen Preisen in diesem J a h r beraten wurde, mit der unerhörten Forderung kamen, die Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse auf das Weltniveau zu erhöhen, die Löhne, Gehälter und Renten zu erhöhen. Was sie mit den Rentnern getan haben, ist auch gut bekannt. Dabei konnten wir ihnen nicht die Maske herunterreißen. Und so haben wir uns gesagt, daß es erforderlich ist, eine Linie zu befolgen, die die Kapitalisten trifft. Das hatte sich schon bei der Verhandlung über die Millionärssteuer gezeigt, als wir die Forderung erhoben, mit Hilfe dieser Steuer die landwirtschaftlichen Zuschüsse zu decken. Hier hatte sich ihr wahres Gesicht gezeigt. Eine Millionärssteuer konnten wir allerdings nicht jeden Monat erneut fordern, und darum stellten wir die Losung von der weiteren Nationalisierung auf — der Nationalisierung des einheimischen Großhandels, des Imports und Exports, der konsequenten Durchführung der Überprüfung der ersten Bodenreform, der Durchführung einer neuen Bodenreform bei Boden über 50 ha sowie der Nationalisierung von Betrieben in der Industrie, im Bauwesen usw. mit mehr als 50 Beschäftigten. Zugleich bereiteten wir die Einberufung des Kongresses der Betriebsräte und Gewerkschaftsorganisationen vor, damit diese Forderungen im wahrsten Sinne des Wortes zu Forderungen der breitesten Massen wurden. Mit dieser taktischen Seite der Forderungen war zugleich eine sehr wichtige prinzipielle Seite verbunden. Wir waren uns dessen bewußt, daß sich die Wurzeln der Reaktion im nichtnationalisierten Bereich der Wirtschaft befanden, daß sich dort 219

die Kapitalisten, und damit auch die Reaktion, regenerierten und daß aus diesen Wurzeln alle reaktionären Umtriebe erwuchsen. Und diese Wurzeln abzuschneiden, sie auszureißen, der Reaktion ihre reale ökonomische Machtbasis zu nehmen, das war die zweite und noch wichtigere Seite der Forderung nach der Nationalisierung. Augenblicklich zeigte sich, daß wir recht hatten. Die Forderung nach einer weiteren Nationalisierung vor den Wahlen beschleunigte — zusammen mit unserer Losung, die Mehrheit des Volkes für unser Programm zu gewinnen — den Gang der Ereignisse und zwang die Reaktion, sich auf irgendeine Weise noch vor den Wahlen zu äußern. Ich denke, daß dieser taktische Schritt unserer Partei von großer Bedeutung war, weil er den Boden für die Februarereignisse und auch für den Sieg unserer Partei bei diesen Ereignissen vorbereitet hatte. Die Reaktion war einfach gezwungen zu handeln, um noch vor den Wahlen Veränderungen oder eine Verschiebung der Machtverhältnisse durchzuführen oder herbeizuführen. Das, Genossen, war die eine Seite der Sache. Die andere Seite der Sache, die wahrscheinlich die Taktik von Zenkl und den übrigen Herren, die hinter ihm standen, bestimmt hatte, war die, daß sie auf eine Unzufriedenheit unter dem Volk spekuliert hatten. Vor allem sie selbst zählten zu den Menschen, die mit dem heutigen Regime unzufrieden waren. Hier manövrierten sie sich aus der Regierung heraus und begingen den Fehler, diese Unzufriedenheit mit jener Unzufriedenheit zu verwechseln, die unter dem Volk herrschte. Wir wußten, daß im Volk große Unzufriedenheit existierte, aber wir wußten, daß das eine Unzufriedenheit ganz anderer Art war als die der Fabrikanten, Restgutsbesitzer und Kollaborateure. Das Volk war auf eine andere Weise unzufrieden. Das Volk war unzufrieden damit, daß die Reaktion bei uns seit dem Mai, seit der Befreiung immer dreister ihr Haupt erhob, daß sie den Aufbau der Republik sabotierte und daß infolgedessen in allen Bereichen unseres öffentlichen Lebens die Gefahr eines reaktionären Umsturzes bestand. Wenn unsere Partei nicht rechtzeitig die Politik verwirklicht hätte, die sie verwirklicht hat, wenn sie nicht mit dem Finger auf diejenigen gezeigt hätte, die die Situation verschuldet hatten, mit der das Volk unzufrieden war, hätte sich die Unzufriedenheit gegen uns als stärkste Partei richten können. Dank der Tatsache, daß unsere Partei seit den Wahlen eine Politik verfolgte, von der ich sagte, daß sie mit dem Finger auf die Schuldigen wies, geschah es, daß unser Volk die wahren Schuldigen an den Schwierigkeiten, denen es gegenüberstand, erkannte. Und mit diesem hohen politischen Bewußtsein unseres Volkes hatte die Reaktion nicht gerechnet. In der Geschichte ist es nämlich den reaktionären Elementen — wie bekannt — sehr oft gelungen, die Unzufriedenheit des Volkes, die eben durch Sabotage hervorgerufen worden war, gegen die progressiven Kräfte zu lenken und sie zu ihrem eigenen Vorteil zu nutzen. Das haben wir in revolutionären Zeiten sehr oft gesehen. Unsere Reaktionäre hatten geglaubt, daß das bei uns ebenso würde, daß sich, wenn das Volk nicht zufrieden ist, alles gegen uns richtet, weil wir als stärkste Partei an der Spitze der Regierung standen und in den Augen des Volkes hätten verantwortlich gemacht werden können. Dank der umsichtigen Politik unserer Partei, nicht erst einige Tage oder Wochen vor dem Februar, sondern lange vorher, gelang es diesmal, die von den reaktionären Umtrieben hervorgerufene Unzufriedenheit gegen die wahren Schuldigen, gegen die Reaktion zu richten. Diese Tatsache bewirkte, daß sich die Massen im Februar so spontan, so geschlossen und eindeutig hinter uns und gegen die Reaktionäre stellten. Ich denke, Genossen, daß das ein großer Erfolg der Politik unserer Partei seit der Befreiung und besonders in diesem Jahr war. Erst dieser große politische Erfolg machte es uns möglich, die Schlacht zu gewinnen, die im Februar geführt wurde. Ich habe schon gesagt, daß unsere geschickte Taktik, d. h. die Aufstellung der Losung von der Ge220

winnung der Mehrheit des Volkes für unsere Politik, die Aufstellung weiterer konkreter, realer Nationalisierungsforderungen, diese ganze Mobilisierungskampagne, die auf dem Kongreß der Betriebsräte und Gewerkschaftsorganisationen ihren Höhepunkt erreichen sollte, den Gang der Ereignisse beschleunigte und die Reaktion zum Handeln zwang. Welches war die Taktik der Reaktion in den Februartagen? Die Reaktionäre wollten in erster Linie die Tätigkeit der Regierung paralysieren, und so geschah es, daß die Regierung wochenlang vor dem Februar nichts tun konnte. Sie wollten die Tätigkeit des Parlaments paralysieren. Wir sahen, daß sich das Parlament gegen die Vorschläge der Regierung stellte, daß es die Verwirklichung fortschrittlicher Gesetze sabotierte, auch jener, die in der Regierung nach langem Feilschen angenommen worden waren. Schließlich ersannen sie die durchgeführte Reorganisierung und Säuberung des Korps der Nationalen Sicherheit als Vorwand, um die Demission der Regierung zu erzwingen. Wir, die mit ihnen Kontakt hatten, sahen, wie nervös sie in den letzten Wochen vor dem 20. Februar waren. Sie änderten jeden Tag ihre Taktik. Auf einer Sitzung der Regierung begannen sie irgend etwas, ließen es fallen und kamen mit einer zweiten, dritten und vierten Sache. Typisch war das auf einer Sitzung der Regierung (13. Februar 1948). Das Problem nämlich, dessentwegen es dann schließlich zur Demission kam, d. h. die Reorganisierung des Korps der Nationalen Sicherheit, stand nicht auf der Tagesordnung, sie kamen damit nicht einmal zu Beginn der Sitzung. Von dem Problem wußten sie nicht einmal etwas. Erst gegen Ende der Sitzung erhielten sie eine ungenaue Mitteilung von außerhalb, daß sich im SNB (Korps der Nationalen Sicherheit) etwas tue, daß der Landeskommandant acht Angehörige des SNB, Mitglieder der Nationalen Sozialistischen Partei, umgesetzt habe. Sie hatten das auf dem Gang von Hora (damaliger Abgeordneter der Nationalen Sozialisten Ota Hora) erfahren, setzten es auf die Tagesordnung und erwirkten einen Mehrheitsbeschluß, daß die Umsetzung augenblicklich rückgängig gemacht werden und eine Kommission eingesetzt werden sollte, die das überprüfte. Dabei begingen sie die Dummheit, etwas zu beschließen, was gar nicht existierte. Daraus war zu ersehen, wie nervös sie waren. Sie erleichterten uns damit die Situation. Nosek konnte, selbst wenn er gewollt hätte, den Beschluß nicht erfüllen, weil nichts derartiges existierte. Wir sagten ihnen: So, meine Herren, Nosek ist nicht hier, er ist krank, er kuriert sich, warten Sie damit, bis er kommt, dann wird er Bericht erstatten und bis dahin lassen Sie uns weiter arbeiten. Weil es ihnen gelungen war, die Sozialdemokraten gegen uns zu gewinnen — der Beschluß wurde auch von den Sozialdemokraten angenommen — glaubten sie, einen guten Vorwand zu haben, um uns in die Enge zu treiben. Sie begannen, die Sitzungen der Nationalen Front und der Regierung zu boykottieren, bis zu dem Zeitpunkt — wie sie sagten — da der Beschluß durchgeführt worden wäre. Weil Nosek krank war, konnte der Beschluß nicht durchgeführt werden. Wir hatten für den 20. Februar eine Sitzung anberaumt, auf der Nosek informieren sollte. Das war zu einer Zeit, da sie schon zwei Sitzungen der Regierung und der Nationalen Front boykottiert hatten. Sie kamen nicht, sondern sandten einen Brief, in dem sie eine Information darüber forderten, ob der Beschluß durchgeführt worden sei, andernfalls könnten sie nicht kommen. Wir schrieben ihnen, daß deshalb die Sitzung einberufen worden sei. Sie schrieben uns aufs neue, daß das keine Antwort sei und daß sie nicht kämen. Ich sagte mir: Das läuft gut. Es war gegen 11 Uhr, als sich Gerüchte zu verbreiten begannen, daß sie die Demission einreichten. Zunächst wollte ich nicht glauben, daß es so leicht gehen würde. Aber es zcigle sich dann, daß es an dem war, daß sie die Demission eingereicht hatten. Aller Wahrscheinlichkeit nach gingen sie von zwei Überlegungen aus. Sie dachten sich: Wenn auch die Sozialdemokratie die Demission einreichen würde — so 221

hatten sie es auch mit Majer abgesprochen — würde das bedeuten, daß die Mehrheit der Regierung demissionierte, die Kommunisten würden Angst bekommen, würden eilends ebenfalls die Demission einreichen, und dann würde es auf die Bildung einer Beamtenregierung hinauslaufen. Der Präsident würde Gottwald mit der Regierungsbildung beauftragen, sie würden nicht in sie eintreten und Gottwald würde zum Herrn Präsidenten kommen und sagen: Herr Präsident, Sie haben mich mit der Regierungsbildung beauftragt, aber das ging nicht! So würde eine Beamtenregierung errichtet werden. Sie hatten sie auch schon vorbereitet. Das wäre ihrer Meinung nach das Beste gewesen. Für den Fall, daß die Kommunisten nicht die Demission einreichten, hatten sie geplant, daß der Präsident ihre eigene Demission nicht annehme, daß sie auf hohem Roß mit der Autorität des Präsidenten hinter sich in die Regierung zurückkehrten und daß sie so gemeinsam mit den Sozialdemokraten die beste Gelegenheit haben würden, innerhalb der Regierung einen Umsturz durchzuführen. Das wäre durchaus möglich gewesen. Sie hätten die formale Mehrheit gehabt, sie hätten die Probleme, die unsere Ressorts betrafen, wie in Noseks Fall, später bei Kopecky, D'uris und anderen, immer selbst bestimmen können. Und wir als stärkste Partei wären paralysiert worden. Die Qualität der Regierung hätte sich verändert gehabt. Auf trockenem Wege wäre — nach außen unmerklich, aber in Wirklichkeit sehr deutlich — ein reaktionärer Putsch durchgeführt worden. Man muß sich klar darüber werden, daß ihr Manövrieren, auch wenn sie sich einen dummen Vorwand gewählt hatten, sehr gefährlich war. Wenn ihre Berechnungen nicht auf falschen Voraussetzungen basiert hätten, d. h. auf einer falschen Einschätzung sowohl der inneren Situation, der Stimmung der Massen, als auch der internationalen Situation, so wäre ihr Versuch sehr gefährlich geworden und hätte sehr verhängnisvolle Folgen haben können. Aber wir hatten, wie ich schon sagte, mit allen Möglichkeiten gerechnet und hatten mehr oder weniger alle Trümpfe in unserer Hand: die weitere Nationalisierung, die konsequente Durchführung des Regierungsprogramms, die Überprüfung der Bodenreform, die konsequente Durchführung einer neuen Bodenreform. Diese Forderungen fanden ein großes Echo, und wir unterstützten sie dadurch, daß wir die beiden großen Kongresse — den Kongreß der Betriebsräte für den 22. Februar und den Kongreß der Bauernkommissionen für den 28. bis 29. Februar einberufen hatten. Einige Tage vor dem 20. Februar hatten wir die Öffentlichkeit darauf aufmerksam gemacht, daß etwas in der Luft läge, so daß wir im Augenblick ihrer Demission, wie ich schon sagte, wenn auch nicht alle, so doch wenigstens die Mehrzahl der Trümpfe in unserer Hand hielten. Uns war klar, daß wir wegen ihrer Demission nicht den Verstand verlieren würden, daß wir auf unseren Plätzen bleiben, daß wir ihre Rückkehr in die Regierung nicht zulassen, daß wir die Sache dahin treiben würden, daß die Nationale Front und die Regierung erneuert würden, und daß wir dabei sehr genau darauf achten würden, daß alles verfassungsmäßig, demokratisch und parlamentarisch verliefe. Und so haben wir schon am Freitag nachmittag, als wir von ihrer Demission erfuhren und mit dem Präsidenten über diese Angelegenheit sprachen, ihm unseren ganzen Plan entwickelt. Wir wußten jetzt, daß die eigentliche Absicht der Reaktionäre, die mit der Burg vereinbart worden war, darin bestand, wenn sie uns nicht zur Demission zwingen können, einen anderen Weg zu wählen, nämlich den, daß der Herr Präsident ihre Demission nicht annimmt. Wir haben darauf auf unsere Weise reagiert. Noch am Freitag haben wir gefordert, die zurückgetretenen Minister nicht in die Regierung aufzunehmen, mit den Führern jener Parteien nicht zu verhandeln, deren Minister die Demission eingereicht hatten, und eine neue Regierung auf der Basis einer erneuerten und in erster Linie um die große gesamtnationale Organisation, die Gewerkschaftsbewegung, erweiterte Nationale Front zu bilden. Der Präsident mußte schon am Freitag eingestehen, daß das eine rein 222

verfassungsmäßige Lösung ist. Vom verfassungsmäßigen, parlamentarischen und demokratischen Standpunkt konnte er dagegen nichts einwenden. Ich möchte noch etwas sagen: Warum mußten wir die Etappe vom Mai 1945 bis zum Februar 1948 durchlaufen? Einige Genossen stellen die Frage, warum alle diese Maßnahmen, die im Februar durchgeführt wurden, nicht schon im Jahre 45 durchgeführt worden waren, warum wir warten mußten. Die Etappe vom Mai 1945 bis zum Februar 1948 war dringend notwendig, wir mußten sie durchlaufen, wir mußten sie durchmachen, um im Februar gewinnen zu können. Vor allem war es notwendig, daß die Massen mit unserer Reaktion Erfahrungen sammelten. Die schlimmsten Reaktionäre und die schlimmsten Kollaborateure hatten wir im Jahre 1945 beseitigt. Wir haben die Nationalisierung durchgeführt, haben die Regierung der Nationalen Front gebildet. Das Volk wußte, wer Beran, wer Preiss war, wer die anderen waren, die in der Republik früher regiert hatten, es wußte, mit wem es was zu tun hatte. Aber das Volk wußte nicht, wer Zenkl, Srámek, und Lettrich sind, diejenigen also, die in der Emigration, in Konzentrationslagern waren, oder die wie Lettrich am Slowakischen Nationalaufstand teilgenommen hatten. Das Volk wußte, was unsere Bourgeoisie bis München getan hatte, aber es wußte noch nicht, wozu die gleiche Bourgoisie, die gleiche Reaktion unter der Führung neuer Personen, die von der Gloriole des Widerstands umgeben waren, in der Lage sind. Es war notwendig, diese Etappe zu durchlaufen, damit die Massen anhand eigener Erfahrungen nicht nur Beran, Gajda, Stribrny und Preiss durchschauten, sondern auch Zenkl, Srámek und Lettrich. Das ist die eine Seite, die etwas darüber aussagt, warum diese Entwicklung notwendig war. Auch unsere Partei, die die Partei der Massen ist, mit ihnen wächst und lebt, mußte diese Schule durchlaufen, auch unsere Partei mußte in diesen Jahren Erfahrungen sammeln. Wir mußten regieren lernen. Im Mai 1945 konnten wir es noch nicht gut. Wir begannen gerade erst, waren Ministerlehrlinge, und unsere ganze Partei mußte regieren lernen. Weder die Erfahrung der Massen, noch die Erfahrung der Partei war so, daß wir das hätten durchführen können, was im Februar durchgeführt wurde. Diese Etappe war notwendig, und es irrt sich derjenige, der meint, daß wir das 1945 hätten machen können und hätten dann Frieden gehabt. Wir mußten diese Schule durchlaufen und konnten diese Entwicklung nicht umgehen. Wie können wir den Februar abschließend einschätzen? Wir können sagen, daß im Februar tatsächlich eine große Schlacht zwischen der Reaktion und der Volksdemokratie mit unserer Partei an der Spitze geschlagen wurde. Diese Schlacht gewann auf der ganzen Linie die Volksdemokratie und unsere Partei.Wir können sagen, daß in der Entwicklung unserer Republik ein neuer Zeitabschnitt, eine neue Etappe begann. Das wichtigste Ergebnis des Februar war, daß wir uns den Weg für ein schnelleres Voranschreiten zum Sozialismus gebahnt haben. Dabei, Genossen, dürfen wir jedoch keineswegs verschweigen, daß noch nicht aller Tage Abend ist, daß noch nicht alle Probleme gelöst sind. Bevor wir zum Sozialismus gelangen werden, werden wir noch viele kritische Etappen durchleben, aber das eine, glaube ich, können wir sagen — die entscheidende Schlacht gegen die Reaktion wurde im Februar geschlagen und ging zu unserem Vorteil aus. Wenn wir nicht in der Zukunft irgendwelche besonderen Dummheiten machen oder internationale Komplikationen auftreten werden, ist es kaum vorstellbar, daß die Reaktion zu einer solchen Kraft anwachsen könnte, daß sie erneut etwas derartiges wie im Februar versuchen könnte. Die Reaktion wird sich jedoch immer wieder bemühen, unsere Entwicklung zu bremsen, sie wird uns Schwierigkeiten bereiten, solange sie nur kann. Hinsichtlich der Machtpositionen, des Machtbereichs denke ich, war bis zum Februar bei uns die Frage der innenpolitischen Macht — im Gegensatz zu den anderen Ländern der Volksdemokratie — noch nicht definitiv gelöst. Es gab hier ein labiles Gleichgewicht, 223

es konnte so oder so umschlagen. Dieses labile Gleichgewicht gab der Reaktion die Hoffnung, daß es nach rechts ausschlagen würde. Heute sieht die Sache von der innenpolitischen Seite her anders aus. Die Frage der Macht ist bei uns innenpolitisch im großen und ganzen eindeutig gelöst, so daß die innere Reaktion aus eigener Kraft nicht in der Lage sein wird, das volksdemokratische Regime zu stürzen, und ohne eine Untervention von außen kann sie uns nicht gefährlich werden. Das bedeutet jedoch keinesfalls, daß wir die Hände in den Schoß legen können, uns ausruhen und uns sagen, daß wir gewonnen haben und uns um nichts mehr zu kümmern brauchen. So ist es nicht. Diesen Illusionen dürfen wir uns nicht hingeben. Betrachten wir es rein klassenmäßig, ökonomisch. Wir dürfen, wenn wir über 90 Prozent unserer Industrieproduktion nationalisiert haben werden, wenn wir alle entscheidenden Bereiche besetzt und in der Hand haben, nicht vergessen, daß uns ein großer Bereich privatkapitalistischer Wirtschaft, in erster Linie der Landwirtschaft, bleibt. Wir dürfen nicht die Leninsche Lehre vergessen, daß das Kleinbürgertum sowohl in den Städten als auch auf dem Lande Nährboden für das Wachstum des Kapitalismus und damit natürlich auch der Reaktion ist. Außenpolitisch sitzen wir auf einem Stuhl. Solange wir innerhalb der Regierung eine reaktionäre Opposition hatten, saßen wir wohl oder übel auf zwei Stühlen, und der Westen konnte ständig hoffen, daß die Tschechoslowakei der Sowjetunion den Rücken zuwenden würde. So ist es jetzt nicht mehr. Das hat für unser inneres Regime weitreichende Bedeutung. Insgesamt ist der Februar also in unserer Geschichte zu Recht als eine der bedeutsamsten Etappen unserer gesamten Entwicklung einzuschätzen, eine Etappe, in der wir eindeutig gesiegt haben. Soviel zu einigen Fragen der Einschätzung des Februar und seiner Ergebnisse. Und nun einige Worte dazu, was weiter und wie weiter. Ich beginne mit dem, was euch sicher am meisten interessiert, mit der Frage der Wahlen. Den Februarsieg des Volkes müssen wir in den Wahlen demokratisch, verfassungsmäßig und parlamentarisch verankern. Es ist jetzt erforderlich, daß es bei den Wahlen nicht zu einer neuen Zersplitterung und Hetze der Parteien gegen die Einheit des Volkes kommt, sondern daß diese Einheit noch gefestigter aus den Wahlen hervorgeht. Wir haben im Präsidium der Partei über die Frage unseres Vorgehens bei den Wahlen beraten und gelangten zunächst zu der Ansicht, daß wir selbständig kandidieren sollten. Wir gingen von der Tatsache aus, daß wenn vor dem Februar eine Mehrheit erreichbar war, nach dem Februar die Erlangung der Mehrheit ganz klar ist. Wir gingen davon aus, daß wir die Gewißheit über die Gewinnung der Mehrheit haben. Nach reiflicher Überlegung haben wir jedoch schließlich beschlossen, dem Zentralkomitee zu empfehlen, den Vorschlag der Revolutionären Gewerkschaftsbewegung für eine Einheitsliste der Nationalen Front bei den Wahlen anzunehmen. Auf diese Weise wird die Konsolidierung des Februarsieges beschleunigt, die Erneuerung der Umtriebe der Reaktion erschwert und vor allem ermöglicht, daß die Wahlen in konstruktiver Atmosphäre stattfinden. Die einheitliche Kanditatenliste gibt auch den großen einheitlichen gesamtnationalen Organisationen die Möglichkeit, sich aktiv am öffentlichen Leben zu beteiligen. Ich weiß, daß wir vielleicht mehr Stimmen erhalten würden, wenn wir selbständig in die Wahlen gingen, als wenn es jetzt so wird. Eine einheitliche Kanditatenliste trägt jedoch zur Festigung der erneuerten Nationalen Front bei. Der Gedanke der einheitlichen Kandidatenliste der Nationalen Front wurde von breiten Schichten der Bevölkerung mit begeisterter Zustimmung aufgenommen. Vorläufig haben die übrigen Parteien der Nationalen Front ihre Zustimmung gegeben. Sofern es um die offenen Gegner der Nationalen Front geht, so hindert sie niemand daran, eine Oppositionspartei zu bilden und auch in die Wahlen zu gehen. Wir werden eine einheitliche 224

Kandidatenliste haben, werden aber die Wahlordnung so gestalten, daß neben der Kandidatenliste der Nationalen Front, hinter der alle einheitlichen gesamtnationalen Organisationen stehen werden, die Möglichkeit zur Aufstellung anderer, oppositioneller Kandidatenlisten besteht. Zur Aufstellung einer Kanditatenliste wird eine bestimmte Zahl notariell beglaubigter Unterschriften erforderlich sein. Die Kandidatenliste der Nationalen Front wird diese Bedingung ebenfalls erfüllen müssen. J e nach dem, wer die erforderliche Zahl von Wählern für die Aufstellung einer Kandidatenliste findet, können 5 bis 10 Kandidatenlisten im Land oder in allen Ländern aufgestellt werden. Die weitere politische Entwicklung ist auf die schrittweise Annäherung und Vereinigung des werktätigen Volkes gerichtet. Dabei wird vor allem die Frage der vollständigen politischen Einheit der Arbeiterklasse auf der Tagesordnung stehen, wie das dem Sehnen und dem Wunsch der Mitglieder der Kommunistischen und der Sozialdemokratischen Partei entspricht. Die Schaffung einer einheitlichen Arbeiterpartei, die Fusion der Sozialdemokratie mit uns wird die Festigung der Einheit der Arbeiterschaft, jener führenden Kraft bedeuten, die dazu berufen ist, in unserer Republik die entscheidende Rolle zu spielen. Nach der Vereinigung wird die Einheit klar und unbestritten sein. Was andere Aufgaben anbelangt, so ist auf das Regierungsprogramm zu verweisen. Das Regierungsprogramm, das am 10. März proklamiert wurde, wird schnell und konsequent erfüllt. Außer der Erfüllung des Regierungsprogramms in Regierung und Parlament, einschließlich der neuen Verfassung, steht eine ganze Reihe von Aufgaben vor uns. In der Landwirtschaft betrifft dies die vorbildliche Durchführung der Frühjahrsarbeiten und die Frage der Gewährleistung der Versorgung, in der Industrie die Erfüllung des Zweijahrplans bis zum 28. Oktober und in der Distribution deren Reorganisation gemäß den neuen Gesetzen. Was wir in diesem Zusammenhang nach dem Februar als sehr interessant ansehen und was positiv einzuschätzen ist, was zeigt, daß das Volk mit der Entwicklung der Ereignisse nach dem Februar sehr zufrieden ist, das ist die große Initiative unseres Volkes. Einige Dinge, die nach dem Februar entstanden, d. h. vor allem die Schicht des Sieges, hatten wir noch niemals in der Republik, nicht einmal in den Tagen nach dem Mai. Das zeugt davon, daß wenn es keine so tiefe Genugtuung und Zufriedenheit unseres Volkes mit der Entwicklung der Ereignisse nach dem Februar gäbe, solche Aktionen niemals möglich gewesen wären. Den Zweijahrplan bis zum 28. Oktober zu erfüllen, gab es als Losung schon vor dem Februar. Aber das war eine vereinzelte Erscheinung und fand nicht genügend Widerhall. Nach dem Februar erweiterte sie sich wie eine Lawine und wird zu einer realen Kraft. Wenn wir das Land nehmen, so sehen wir, daß die Lieferung von Vieh, die um rund 50 Prozent höher als geplant festgelegt worden war, überboten wurde. Und wenn wir die Initiative der Bauern von Chlumek betrachten und was für ein Echo sie fand, so sind das Fakten, die darauf hindeuten, daß in der Republik eine gute politische Atmosphäre herrscht, daß die Menschen zufrieden sind, und das ist eine Basis, von der aus wir die Aufgaben, die vor uns stehen, erfüllen können. Hinsichtlich der Säuberung ist es notwendig, sie sowohl in den politischen Parteien als auch in den Massenorganisationen bis zu Ende durchzuführen, Reaktionäre, Kollaborateure, kompromittierte Elemente und diejenigen, die sich versündigt haben, aus dem politischen Leben zu entfernen. Hier müssen wir uns allerdings über zwei Seiten dieser Sache klar werden. Wir dürfen nicht zu weit gehen, wir dürfen nicht unnötige Märtyrer aus ihnen machen. Wir müssen den Mut haben, Fehler, die an verschiedenen Orten gemacht wurden, wiedergutzumachen, zu korrigieren, auf der anderen Seite müssen wir jedoch in dieser Sache konsequent bis zu Ende gehen. Das ist auch ein Bestandteil der Sicherung des Februarsieges. 15

Schröder-Laskowski, Tschechoslowakei

225

Wodurch wurde die Februarkrise hervorgerufen? Dadurch, daß in die Parteien der Nationalen Front Reaktionäre eingedrungen sind und daß das Gleiche in den überparteilichen Massenorganisationen geschah. Jetzt ist die Reaktion deprimiert, sie hat sich wie im Mai verkrochen, aber wir sind nicht davon überzeugt, daß sie nicht erneut zur Besinnung kommt und sich politisch an derMacht durchzusetzen versuchen wird. Sie wird sich scheuen, offen aufzutreten, und wir dürfen ihr keine Möglichkeit geben, offen in den politischen Parteien aufzutreten und erneut in die Massenorganisationen einzudringen. Das muß verhindert werden und darum ist auch dio Aufgabe der Aktionausschüssc der Nationalen Front so gewaltig. Die Aktionsausschüsse der Nationalen Front, so wie sie im Februar in den Gemeinden, Kreisen und Ländern gebildet wurden, sind dauerhafte Organe — im Gegensatz zu den Aktionsausschüssen, die in den Betrieben, Behörden und in einigen Vereinigungen als provisorische Gebilde nur zum Zweck der einmaligen Säuberung gebildet worden waren. Mit Hilfe der Aktionsausschüsse der Nationalen Front in den Gemeinden, Kreisen und Ländern wird unsere Partei die gesamte Tätigkeit der Nationalen Front koordinieren, die Säuberung der politischen Parteien und die Säuberung der erneuerten gesamtnationalen Organisationen unterstützen. Was unsere Partei betrifft, so ist klar, daß unsere Partei nach dem Februar vom Volk noch umfassender als führende Partei anerkannt wird. Unsere Partei hat im Februar eine neue, große Prüfung abgelegt, und wir können sagen, daß sie sie bestanden hat, und es kann uns Genugtuung verschaffen, daß wir die einzige Partei waren, die bestanden hat. Die Folge dessen ist natürlich, daß die Anziehungskraft der Partei und das Vertrauen der Massen in die Partei wachsen. Immer neue Mitglieder, Hunderttausende, kommen zu uns. Ich denke, es ist richtig, daß wir eine solche Massenwerbung durchführen, aber wir müssen uns davor hüten, die Partei zu verunreinigen. Ich fürchte mich davor keinesfalls. Ich denke, daß wir nach den Erfahrungen, die wir gemacht haben, nach den Erfahrungen mit den neuen Parteimitgliedern, die nach dem Mai zu uns kamen, weitere Hunderte und Hunderttausende neue Mitglieder aufnehmen können. Aber das Unkraut muß man, wenn es schon in die Partei geraten ist, entfernen, allerdings wird es besser sein, wenn es erst gar nicht in die Partei kommt. Ich wiederhole aber, was ich schon auf der Landeskonferenz in Prag gesagt habe. E s ist dringend notwendig, daß sich unsere Genossen darüber klar sind, daß sie niemanden zum Eintritt in die Partei zwingen und auf niemanden Druck ausüben dürfen. Einzelne Personen zu zwingen, in die Partei einzutreten, ist absurd. Ein solcher Mensch ist — wenn er nicht schon jetzt ein Gegner ist — so zumindest ein potentieller Gegner. Einen solchen Menschen, den man zwingt, in die Partei einzutreten, wird man nicht umkrempeln. Im Gegenteil. Die Reaktion wird ihre Agenten direkt in die Partei delegieren. In dieser Richtung ist es erforderlich, jegliche Mißgriffe zu vermeiden. Das ist in groben Umrissen das Wichtigste, was ich sagen wollte. Ich möchte noch betonen, daß wenn unser Z K heute entscheidet, den Vorschlag des Zentralrats der Gewerkschaften (URO) für eine einheitliche Kandidatenliste zu akzeptieren, sich daraus auch ein gemeinsamer 1. Mai ergibt. Als ich mit Vertretern der anderen Parteien sprach, war zu spüren, daß ihnen in dieser Richtung ein noch größerer Stein vom Herzen fiel als im Falle der einheitlichen Kanditatenliste. Alle waren furchtbar froh. Ich meine, daß es selbstverständlich ist, daß wenn wir eine eigene Kandidatenliste hätten, auch der 1. Mai selbständig wäre. Wenn wir aber eine gemeinsame Kandidatenliste haben, muß auch der 1. Mai gemeinsam veranstaltet werden. Um so mächtiger und imposanter muß der 1. Mai sein. Die Wahlagitation müssen wir auf die Aufbauarbeit richten, auf die Entlarvung der Reaktion und darauf, daß es der Reaktion nicht gelingt, den erdrückenden Effekt der Wahlergebnisse durch eine große Zahl weißer Scheine zu schmälern. Wenn es eine einheitliche Kandidatenliste geben wird und die Opposition 226

sich nicht entschließt, selbständig aufzutreten, ist d a m i t zu rechnen, d a ß es viele weiße Zettel geben wird. Wir beabsichtigen, sie entschieden einzuführen, um sie zusammenzählen u n d paralysieren zu können. Schließlich noch einige Worte. Das internationale Echo auf unsere Februarereignisse ist gewaltig. Die Tschechoslowakei stand lange Zeit im Mittelpunkt des internationalen Interesses, u n d die Presse im Westen kehrt noch immer zu unseren Ereignissen zurück. Diese heftige Reaktion des Westens u n d zwar nicht nur jener Erzreaktionäre, sondern auch der sog. Sozialisten zeigt, was die Bourgeoisie durch unseren Sieg verloren h a t . Was sie dadurch verloren hat, daß sich die Tschechoslowakei fest in die F r o n t der slawischen Völker eingereiht hat, dadurch, daß die Reaktion in der Tschechoslowakei so eindeutig geschlagen wurde u n d die Volksdemokratie so eindeutig siegte, u n d zwar in einem reifen, industriell entwickelten Land wie es die Tschechoslowakei ist. Und was unsere Reaktion b e t r i f f t : Unsere Reaktion flieht — soweit sie sich nicht verkrochen hat — in den Westen, nach Deutschland, verbindet sich mit den Deutschen, u n d zusammen mit ihnen steht sie heute in f r e m d e m Sold u n d bcreilet einen dritten Weltkrieg vor. Damit h a t sie sich endgültig entlarvt, h a t ihr wahres Gesicht e n t l a r v t , h a t gezeigt, daß der dritte Weltkrieg ihre einzige H o f f n u n g ist. Ich bin davon überzeugt, d a ß diese ihre Hoffnungen e n t t ä u s c h t werden, daß es keinen Weltkrieg geben wird, d a ß die Flüsterpropaganda über einen dritten Weltkrieg absichtlich von der amerikanischen Reaktion verbreitet wird, um einen Dunstschleier zu schaffen, hinter dem die Amerikaner ihre Positionen festigen. Das ist zu vergleichen mit dem Überfall J a p a n s auf die Mandschurei u n t e r der Losung der Antikomintern, mit dem Überfall Italiens auf Abessinien u n d Hitlers Besetzung des Rheinlands. Ich bin davon überzeugt, daß es in absehbarer Zeit keinen'Krieg gegen wird, denn die K r a f t der Sowjetunion ist so gewaltig, d a ß derjenige, der einen Krieg provozieren würde, u n d sei es der stärkste Imperialismus — u n d der amerikanische Imperialismus ist stark, das dürfen wir nicht leugnen — schwer draufzahlen würde. Die Kriegspropaganda ist ein Dunstschleier, hinter dem sich Eroberungspläne des amerikanischen Imperialismus verbergen, derweil sie England; F r a n k reich u n d andere kleine Staaten zusammenschließen. Wir, Genossen, können uns daher ganz ruhig, ohne trotz allem, was über den Krieg geflüstert wird, in Panik zu verfallen, auf den friedlichen A u f b a u konzentrieren, f ü r den wir heute größere u n d bessere Bedingungen haben. Wir müssen uns klar darüber sein, daß wir heute nichts mehr auf andere schieben können. Im J a n u a r vergangenen J a h r e s sagte ich, als ich über die Schwierigkeiten in der Nationalen F r o n t sprach, daß wir bis dahin unserem Volk, wenn es unzufrieden war, zu Recht antworten konnten, daß es die Folgen des Krieges sind. Dieses Argument reicht heute jedoch nach den Februarereignissen, nicht mehr aus. Heute könnten wir nicht mit dem Finger auf jemanden zeigen, der wie damals den A u f b a u verhinderte, heute müssen wir mit dem Finger nur auf uns selbst zeigen. Das ist sehr wichtig zu wissen. Es ist notwendig, allen unseren Genossen ständig zu sagen, d a ß wir für alles, was in dieser Republik geschieht, verantwortlich sind, d a ß wir eindeutig die Macht in der H a n d haben, d a ß wir verpflichtet sind — und das Volk fordert das von uns — zu beweisen, daß wir regieren können. Dessen m u ß sich die Partei insgesamt, jede Organisation u n d jeder Kommunist voll bewußt sein. Ich bin überzeugt, d a ß wir den Beweis erbringen werden. Zum Schluß möchte ich nur eins noch betonen: Seit der letzten Tagung des Zentralkomitees haben wir einen großen Sprung nach vorn getan. Die Partei zeigte sich in dieser Zeit auf der Höhe ihrer Aufgaben. Unser Volk legte d a n k unserer guten politischen Arbeit in den letzten zweieinhalb J a h r e n eine hohe politische Reife an den Tag. Heute ist der Weg zum schnelleren Vormarsch zum Sozialismus offen, heute haben wir die Möglich15*

227

keit zu schöpferischer Entfaltung. Jede unserer Organisationen kann stolz darauf sein, daß wir das geschafft haben. Das darf uns jedoch nicht zu Kopfe steigen, wir dürfen nicht denken, daß wir alles hinter uns haben, daß wir alles gewonnen haben, daß uns niemand mehr etwas anhaben kann, daß niemand über uns steht. Das wäre das Allergefährlichste. Wenn die Partei in Eigendünkel und Hochmut verfallen würde, könnte das in der Konsequenz unseren Februarsieg entwerten. Ich bin jedoch davon überzeugt, daß unsere Partei nicht enttäuschen wird. Wir hatten schon eine Reihe von Erfolgen, und dennoch ist uns nicht schwindlig geworden. Wir müssen daran denken, müssen uns in Selbstkritik üben und müssen kritisch auch anderen Genossen gegenüber sein. Uns darf der Ruhm nicht zu Kopfe steigen, sonst könnten wir das, was vor uns steht, nicht bewältigen. Ich schließe mit einer Paraphrase des alten Thomas: „Möge uns der Herrgott vor Hochmut bewahren." „Rüde prävo", c. 86, 11. dubna 1948 (Zkräcene zneni) Übersetzung nach: Kl. Gottwald, Spisy, Bd. XIV, Prag 1958, S. 353-372.

Personen Verzeichnis

Becko, J a n S. 181 Benes, Edvard S. 13, 17ff., 25, 27ff., 37, 47, 55, 59, 63, 67, 69, 73ff., 91, 110, 113 f., 116, 126, 133f„ 144 ff., 148 f., 152ff„ 168, 181 f., 222 Benes, Vojta S. 133 Beran, Rudolf S. 83, 197, 223 Bezek, Kazimir S. 128 Bienert, Richard S. 172 Biddle-Smith S. 115 Birnbaum, Immanuel S. 157 Bobek, Bedrich S. 66 Brown, J . F. S. 157 Büza, Andrej S. 130 Byrnes, James Francis S. 115 Churchill, Winston Leonard Spencer 46f., 83 Cipro, V. S. 141 f. Clementis, Vlado S. 43, 91, 115, 205 Cepicka, Alexej S. 139 Cerny, J a n S. 137

S. 20,

Daluege, Kurt S. 161, 175 David, Josef S. 43, 205 Dimitroff, Georgi S. 14, 16f., 44, 48, 102, 122 f. Dönitz, Karl S. 47 Dolansky, Jaromir S. 91, 119, 141 f. Drda, J a n S. 148 Drtina, Prokop S. 91, 99, 141 f., 150 D'uris, Julius S. 44, 69, 72, 91, 101, 103f., 134, 205, 222 D'urcansky, Ferdinand S. 124, 126f. Eden, Sir Anthony Robert Eisenhower, Dwight David Englis S. 120 f.

S. 46f. S. 46

Feierabend, Ladislav S. 46f., 83,106, 117,181 Ferjencik, Mikuläs S. 43, 205 Fierlinger, Zdenék S. 43, 54, 91, 94, 115, 133f., 145, 153, 179, 205, 211, 213

Filo, Ivornel S. 110, 125 Forrestal, James S. 113 Forst de Battagha, Otto S. 157 Franek, Mikuläs S. 91 Frank, Karl Hermann S. 47, 161 Frei, Bohumil S. 157 Gajda S. 223 Gottwald, Klement S. 14ff., 23, 28, 30ff., 39, 42f., 47, 50ff., 61, 63, 67, 7 3 f f „ 77, 79f., 91, 94f., 97, 100, 108, 119, 130, 136f„ 142, 145, 147 ff., 154, 156 ff., 170, 179, 205, 213, 216, 222 Hächa, Emil S. 25, 162, 164ff„ 171ff„ 185, 197, 203 Häla, Frantisek S. 44, 91, 205 Hasal, Antonin S. 43f., 205 Hejda, J i f i S. 65, 98f. Henlein, Konrad S. 167, 203 Heydrich, Reinhard S. 22 Hitler, Adolf S. 13ff., 18f., 39, 162f., 167, 185, 203, 227 Hodza, Milan S. 58 Hoensch, Jörg S. 36, 74, 157f. Hora, Ota S. 221 Hruby S. 172 Husäk, Gustav S. 33, 36, 125, 128, 130 Jankovcovä, Ludmila John, Oldfich S. 154

S. 139, 145

Kamenicek S. 83 Kautsky, Karl S. 85 Kopecky, Vaclav S. 43, 91, 147, 205, 213, 222 Korab, Alexander S. 157 Kozeluhovä, Helena S. 85 f., 93 Kousovä-Petränkovä, V. S. 148 Krejci S. 143, 172 Lastovicka, Bohuslav S. 40, 147 Lausman, Bohumil S. 43, 54, 63, 91, 120, 133f., 145, 150, 205

Lenärt, Jozef S. 36 Lenin, W. I. S. 21, 30, 35, 44, 67, 69, 72, 77, 85, 87, 103, 109, 137 Lettrich, Jozef S. 58, 223 Lichner, J a n S. 43, 91, 181, 205 Mach, Alexander S. 162 f. Majer, Vaclav S. 44, 54, 92, 133, 141 f., 145f., 148, 153, 181, 205 Marx, Karl S. 39, 98 Masaryk, J a n S. 18, 27, 43, 46f., 91, 115, 155, 181, 205 Masaryk, Tomas Garrigue S. 55f., 114 Mätl, J. S. 148 Maxa, Prokop S. 174 Moravec, Frantisek S. 166 Nejedly, Zdenek S. 37, 43f., 91, 205 Nemec, Frantisek S. 189 Neubert, V. S. 76 Nosek, Vaclav S. 39, 43, 91, 144ff., 205, 211 f. Novomesky, Ladislav S. 128 Obuch, Otto

S. 127

Pauliny-Töth, J a n S. 58 Peroutka, Ferdinand S. 149 Pietor, Ivan S. 43, 91, 205 Preiss, Jaroslav S. 223 Prochäzka, Adolf S. 44, 85, 91, 205 Püll, J a n S. 128 Pustejovsky, Otfrid S. 157

Sobolew, A. I. S. 108 Stalin, J. W. S. 20 Steinhardt, L. S. 68, 145 Stränsky, Jaroslav S. 38ff., 43, 66, 91, 93, 150, 181, 205 Slribrny, Jiri S. 223 Sulzberger S. 113 Svobocla, Ludvik S. 43, 91, 155, 205, 211 Sychrava, Lev S. 144 Sirokv, Villain S. 43, 91, 125, 205 Soltesz, Jozef S. 44, 128, 205 Srämek, J a n S. 43, 57, 91, 146, 181, 205, 210, 223 Srobär, Vavro S. 43, 58, 205 Sulc S. 154 Sverma, J a n S. 7, 23, 37, 182 Tiso, Jozef S. 84, 124, 126, 162, 185, 197, 212 Torn, C. S. 83 Truman, Harry S. 46f., 113f. Tuka, Vojtech S. '162f. Tusar, Vlastimil S. 137 Tymes, Frantisek" S. 145, 213 Ursiny, Jä.i

S. 43, 47, 58, 64, 91, 127, 205

Venohr, Wolfgang S. 26 Vilim, Blazej S. 133, 145, 150, 213 Vosahlik, Alois S. 91 Vysmskij S. 115 Wünsch, Otakar

Ripka, Hubert S. 27, 43, 46f., 55, 65, 87, 91, 113, 133, 143f., 150, 152, 171, 181, 205 Roosevelt, Franklin Delano S. 13, 20 Schörner, Ferdinand S. 47 Slänsky, Rudolf S. 213 Slapnicka, Helmut S. 157 Slävik, J u r a j S. 181

S. 23

Zäpotocky, Antonia S. 62, 66, 126, 1421, 150 f. Zenkl, Petr S. 56, 68, 91, 98f., 119f., ¿79, 219f., 223 Zmrhal, Antonin S. 91 Zupka, Frantisek S. 125, 143