Der Goldene Esel oder Metamorphosen: Lateinisch - deutsch. Mit einer griechisch-deutschen Ausgabe von (Ps.?-)Lukian, Lukios oder Der Esel 9783110997521, 9783111000589

The Golden Ass of Apuleius (2nd century AD Chr.) is the only completely preserved prose novel of Roman literature. The t

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German Pages 732 Year 2023

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Inhalt
EINFÜHRUNG
TEXT UND ÜBERSETZUNG
Buch 1
Buch 2
Buch 3
Buch 4
Buch 5
Buch 6
Buch 7
Buch 8
Buch 9
Buch 10
Buch 11
(Ps.?-)Lukian, Lukios oder der Esel herausgegeben und übersetzt von Rolf Kussl
ZU DEN TEXTEN DIESER AUSGABE
ERLÄUTERUNGEN
BIBLIOGRAPHIE
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Der Goldene Esel oder Metamorphosen: Lateinisch - deutsch. Mit einer griechisch-deutschen Ausgabe von (Ps.?-)Lukian, Lukios oder Der Esel
 9783110997521, 9783111000589

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SAMMLUNG TUSCULUM

Herausgeber: Niklas Holzberg Bernhard Zimmermann

Wissenschaftlicher Beirat: Kai Brodersen Günter Figal Peter Kuhlmann Irmgard Männlein-Robert Rainer Nickel Christiane Reitz Antonios Rengakos Markus Schauer Christian Zgoll

APULEIUS DER GOLDENE ESEL ODER METAMORPHOSEN Lateinisch-deutsch

Herausgegeben und übersetzt von Niklas Holzberg Mit einer griechisch-deutschen Ausgabe von (Ps.?-)Lukian, Lukios oder Der Esel von Rolf Kussl

DE GRUY TER

ISBN 978-3-11-100058-9 e-ISBN (PDF) 978-3-11-099752-1 Library of Congress Control Number: 2023932364 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2023 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Für Einbandgestaltung verwendete Abbildungen: Cologny (Genève), Fondation Martin Bodmer, Cod. Bodmer 52: 6v/7r (www.e-codices.unifr.ch) Satz im Verlag Druck und Bindung: Beltz Bad Langensalza GmbH ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Inhalt EINFÜHRUNG  7

Drei Esel in rätselhafter Interaktion 8 Der Ich-Erzähler als Zirkusreiter 13 Der »Mann aus Madauros« zwischen den Texten 19 »Ich hab meinen Spaß!« oder »O Isis und Osiris, welche Wonne!«? 23 Der Esel und das Welttheater 31 Psyche überflügelt den Esel 34 Warum ein neuer Tusculum-Esel? 41

TEXT UND ÜBERSETZUNG

Buch 1 50/51 Buch 2 92/93 Buch 3 142/143 Buch 4 186/187 Buch 5 240/241 Buch 6 288/289 Buch 7 336/337 Buch 8 380/381 Buch 9 432/433 Buch 10 502/503 Buch 11 564/565

(Ps.?-)Lukian, Lukios oder der Esel herausgegeben und übersetzt von Rolf Kussl 618/619 ZU DEN TEXTEN DIESER AUSGABE  697

6 ERLÄUTERUNGEN  699 BIBLIOGRAPHIE  724

Inhalt

Einführung Aus der Antike sind uns in lateinischer Sprache drei fiktionale Prosatexte überliefert, die man mit dem erst im Mittelalter geprägten Begriff ›Roman‹ bezeichnen kann: derjenige des Apuleius, der vermutlich den Titel Asinus aureus sive metamorphoses (Der goldene Esel oder Metamorphosen) trug, aus dem 2. Jahrhundert n. Chr., die Satyrica (Satyrische Geschichten) eines Petronius Arbiter, eher ins 2. als ins 1. Jahrhundert n. Chr. zu datieren, und die Historia Apollonii regis Tyri (Geschichte des Apollonius, des Königs von Tyrus) eines Anonymus des 5. Jahrhunderts n. Chr. Die ersten beiden Romane sind Ich-Erzählungen, und alle drei haben gemeinsam, dass sie eine Fülle intertextueller Bezüge zu literarischen Werken von Homer bis in die römische Kaiserzeit enthalten, wobei die Historia überdies auf die Bibel anspielt. Da wir von den Satyrica nur größere Fragmente besitzen – ursprünglich dürften es mindestens 20 Bücher gewesen sein – und die Historia nicht mehr als 51 Kapitel umfasst, handelt es sich beim Goldenen Esel, der mit seinen 11 Büchern offensichtlich vollständig vorliegt, um den einzigen lateinischen Text, der sich den seit der frühen Neuzeit in einigen Ländern Europas entstandenen großen Prosaromanen an die Seite stellen lässt. Von den Opera Petrons und des Anonymus unterscheidet sich das des Apuleius noch in einem weiteren Punkt: Der Goldene Esel darf mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als Bearbeitung eines griechischen Romans gelten (also nicht umgekehrt als dessen Quelle), während sich für die Satyrica keine griechische Vorlage nachweisen lässt und wir in Redaktion A der in verschiedenen Versionen tradierten Historia, wie jüngste Analyse überzeugend zeigen konnte, den Originaltext zu sehen haben. Was den Roman des Apuleius betrifft, ist eines von mehreren Rätseln, die mit der Interpretation verbunden sind – allein schon der Titel Asinus aureus konnte bis heute nicht

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Einführung

eindeutig erklärt werden –, das Verhältnis des Textes zu seiner Vorlage, und für diese bieten sich sogar zwei ›Eselsromane‹ an: die verlorenen Metamorphoseis eines Ich-Erzählers, der sich Lukios von Patrai nennt – sie umfassten zwei oder drei Bücher –, und die unter dem Namen Lukians von Samosata aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. auf uns gekommene Ich-Erzählung Loukios ē Onos (Lukios oder Der Esel). Drei Esel in rätselhafter Interaktion Nach der heutigen communis opinio über die Interdependenz der drei ›Eselsromane‹ adaptierte Apuleius die nicht überlieferten Metamorphoseis des ›Lukios von Patrai‹, nicht Loukios ē Onos, in dem man allgemein das Produkt eines Pseudo-Lukian und eine Epitome (Kurzfassung) der Metamorphoseis sieht. Diese Version enthält im Gegensatz zu derjenigen des Apuleius keine in die Haupthandlung eingefügten Erzählungen, aber viele Latinisten vermuten, dass es in den Metamorphoseis Entsprechungen zu einigen dieser Schaltgeschichten gab, allerdings auf keinen Fall die mit Abstand umfangreichste von ihnen, welche mit ihrer Länge von rund zwei Büchern in etwa das Zentrum des Goldenen Esels bildet, die Erzählung von Amor und Psyche. Der Onos weicht von der Version des Apuleius außerdem darin ab, dass er das Romangeschehen anders zu Ende führt als der lateinische Autor. In beiden Fassungen berichtet der Erzähler, wie er kurze Zeit nach dem Beginn der Geschichte durch Hexenkunst in einen Esel verwandelt wird und vor seiner am Schluss der Geschichte erfolgenden Rückverwandlung eine Serie von Abenteuern erlebt, die ihm viel Leid bescheren. Im Onos erreicht Lukios die Entzauberung dadurch, dass ihm endlich der dafür erforderliche Verzehr von Rosen gelingt; danach versucht er, Sex mit einer reichen Dame, die sich von seiner Eselsgestalt dazu hatte stimulieren lassen, als Mensch weiterhin zu praktizieren, sie weigert sich, und er



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begibt sich in seine Heimat zurück. Bei Apuleius dagegen verdankt Lucius der Göttin Isis, dass seine Metamorphose mit Hilfe von Rosen rückgängig gemacht werden kann, worauf er sich zunächst in die Mysterien seiner Retterin einweihen lässt und anschließend nach der Übersiedelung in die Metropole Rom in diejenigen des Osiris. Dieses Finale des Goldenen Esels umfasst das gesamte Buch 11, und man geht allgemein davon aus, dass Apuleius, der das Finale des Onos auch bei ›Lukios von Patrai‹ vorgefunden habe – denn so nennt sich gleichfalls der Ich-Erzähler des in den Kodizes Lukian zugeschriebenen Textes –, die ›Metamorphose‹ in ein Isis/OsirisBuch vornahm. Nun hat man jedoch in jüngster Zeit darlegen können, dass uns mit den romanhaften Erzähltexten der griechischen und römischen Literatur, welche die communis opinio bisher für Epitomen hielt, keine solchen vorliegen; besonders plausible Argumente lieferte Stelios Panayotakis in seinem Kommentar zur Historia Apollonii (Berlin 2012). Daraus ergibt sich die Möglichkeit, dass der Autor des Onos in den griechischen Metamorphoseis die Initiation des Lukios zumindest in die Isis-Mysterien vorfand – Osiris-Adept wird er ja zu allerletzt in Rom, also außerhalb Griechenlands – und durch das obszöne Nachspiel ersetzte; da das auch Lukian zuzutrauen wäre, kann man ihn als Autor nicht ausschließen. Stefan Tilg, der in seiner Monographie über den Goldenen Esel (s. u. S. 728) diesbezügliche Untersuchungen anstellt, kann griechische Autoren des 2. Jahrhunderts n.  Chr. und aus späterer Zeit anführen, welche die aller Wahrscheinlichkeit im 1. Jahrhundert n. Chr. entstandenen Metamorphoseis in der Weise rezipierten, dass bei diesen tatsächlich an das Vorhandensein eines Isis-Finales zu denken ist. Dabei hat Tilg nicht einmal den wohl wichtigsten Textzeugen beachtet, die romanhafte Vita Äsops des 2. Jahrhunderts n. Chr. Wie Lucius bei Apuleius leistet der Fabelerzähler über weite Strecken des ›Äsop-Romans‹ Sklavendienste, bemüht wie Lukios/Lucius als Esel – äußerlich ähnelt Äsop einem Tier – mehrfach seinen übergroßen Penis zur Freude

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einer freien Frau und verdankt seine zu Beginn der Vita berichtete ›Metamorphose‹ von einem stummen in einen Geschichten erzählenden Sklaven der Isis, die hier am Anfang, nicht wie bei Apuleius am Schluss auftritt. Das kann aber durchaus als eine Art Spiegelung begriffen werden; analog hat z. B. Ovid (43 v. – ca. 17 n. Chr.) sein Pendant zu der Ansprache Jupiters an Venus in Buch 1 von Vergils Aeneis (V. 257–296) in das letzte Buch seiner Metamorphosen ›verlegt‹ (15,807–842). Falls der Verfasser des Goldenen Esels das Isis-Finale in seinem Prätext las – und das scheint mir unbedingt denkbar –, darf man in Zweifel ziehen, was in der Forschung immer wieder behauptet wurde: Apuleius habe mit der Schilderung der ›Metamorphose‹ seines Ich-Erzählers in einen Isis- und Osirisjünger ein seriöses Bekenntnis zu der mit Elementen des Mittelplatonismus durchsetzten Religion verbunden, die Plutarch (ca. 46–120 n. Chr.) in Über Isis und Osiris, einer seiner Moralia, beschreibt. Gewiss, bei ›Lukios von Patrai‹ mag der Isis-Schluss, wenn es einen solchen bei ihm gab, echt empfundene Religiosität artikuliert haben, und dafür würde sprechen, dass dies dann der Autor des Onos durch seinen obszönen ›Kehraus‹ implizit ins Lächerliche gezogen hätte; von Lukian, der bestimmte Formen von Glauben ans Übernatürliche verspottet, könnte man sich das sehr gut vorstellen. Aber lässt nun Apuleius den hypothetisch anzunehmenden religiös-philosophischen Ernst seiner Vorlage auch von seinem Ich-Erzähler zum Ausdruck bringen? Um das zu prüfen, müssten wir die beiden ›Eselsromane‹ nebeneinander halten können. Das ist zwar unmöglich, aber der Vergleich zwischen den Büchern 1–10 des Goldenen Esels mit Kap. 1–53 des Onos ergibt, dass bis zum jeweiligen Finale nicht nur in etwa dasselbe Geschehen geschildert wird, sondern auch der lateinische Text sich stellenweise an den griechischen so eng anlehnt, dass wir dann stets mit direkter Übernahme des Originalwortlauts durch (Ps.?-)Lukian und folglich mit Bearbeitung der fraglichen Passagen durch Apuleius rechnen



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dürfen. Legen wir also z. B. einen Abschnitt aus seinem Kapitel 8,31 neben den entsprechenden aus Kapitel 39 des Onos: Einer seiner Freunde hatte dem Gutsherrn die Keule eines Wild­ esels als Geschenk geschickt. Die­se nahm der Koch, um sie zuzubereiten, doch verlor er sie aus Unvorsichtigkeit, als viele Hun­de heimlich herein­ge­kom­ men waren. Da er wegen des Verlusts der Keule viele Schläge und Folter fürchtete, beschloss er, sich an seinem Hals auf­zu­ hängen. Seine Frau aber, ein un­ heilvolles Übel für mich, sagte:

Denn ein Bauer hatte als Anteil seiner Jagdbeute die sehr fette Keule eines gewaltigen Hirschs jenem seinem Herrn als Ge­ schenk gesandt, die, da sie sorg­ los hinter der Küchentür nicht sehr hoch aufgehängt war, ein Hund, gleichfalls vom Jagdfach, sich heimlich geschnappt hatte, und froh über seine Beute war er eilig dem aufpassenden Auge entwischt. Als der Koch diesen Verlust bemerkt hatte, tadelte er seine Nachlässigkeit und jam­ mer­te lange mit nutzlosen Trä­ nen, und als der Herr sein Abendessen augenblicklich ver­ lang­te, nahm er traurig und vor allem in großer Angst von sei­ nem kleinen Sohn Abschied, ergriff einen Strick und wollte sich durch Knüpfung einer Schlinge den Tod bereiten. Nicht jedoch entging seiner treu­en Frau die lebensgefährliche Situation ihres Mannes, sondern sie packte ungestüm den töd­li­ chen Knoten mit beiden Hän­ den und sagte:

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Wie man sieht, hat Apuleius seinen Ich-Erzähler die Szene etwa auf die doppelte Länge strecken lassen. Einerseits erreicht er damit, dass der Leser das Geschehen und speziell die seelische Verfassung des Kochs hautnah nachempfinden kann; er psychologisiert und dramatisiert also, was (Ps.?-)Lukian als relativ schlichten Bericht liefert, ja präsentiert hier eine Bühnenszene, wie er auch sonst immer wieder Theater ›aufführt‹ und sich dabei seine Anregungen besonders gerne von dem Komödiendichter Plautus (ca. 250–184 v. Chr.) holt. Andererseits bringt er zusätzlich Witz ein: An die Stelle einer Hundemeute tritt »ein Hund gleichfalls vom Jagdfach«. Allein schon die etwas gesuchte Formulierung, im Original canis aeque venaticus, wirkt leicht komisch, aber natürlich weckt vor allem ein einzelner Hund, der »froh über seine Beute« ist – der Ich-Erzähler versetzt sich mithin auch in dessen Seele – Heiterkeit, wobei deutsche Leser an das Kinderlied »Ein Hund kam in die Küche / und stahl dem Koch ein Ei. / Da nahm der Koch den Löffel / und schlug den Hund entzwei …« denken mögen. Zwar können auch im Onos einzelne Szenen witzig sein, aber generell gilt, dass, wenn sie es sind, Apuleius den komischen Effekt offensichtlich bewusst verstärkt. Damit macht er die Verheißung wahr, mit welcher der Prolog pointiert ausklingt: »Leser, pass auf: Du wirst deinen Spaß haben« (lector, intende: laetaberis). Das müsste für den ganzen Roman gültig sein, also gleichermaßen für das ›Isisbuch‹, und dies auch insofern, als Apuleius in dessen griechische Vorlage, wenn es sie denn gab, doch wohl ebenso seinen Humor eingebracht hätte wie in seine Bearbeitung der vorausgehenden Erzählung. Aber bevor zu thematisieren ist, ob das wirklich zutreffen kann, sei das Problem der Interpretation des Prologs und des Sprechers oder der Sprecher, dessen bzw. deren Stimme wir darin vernehmen, in den Blick genommen. Hieraus ergibt sich dann eine grundsätzliche Erörterung zu der Technik der Ich-Erzählung im Goldenen Esel.



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Der Ich-Erzähler als Zirkusreiter Die Frage, wer den Prolog spricht, lässt derjenige, der in den ersten zwei Sätzen des Romans dessen Inhalt skizziert – Aneinanderreihung charmanter, das Ohr streichelnder Geschichten und Metamorphose von Menschen und Geschicken – danach offenbar den Leser stellen: »Wer ist das hier?« (quis ille?). Eine Antwort darauf hat man immer wieder zu geben versucht; im Jahr 2001 erschien sogar ein nur dem Prolog gewidmeter Sammelband mit 24 Aufsätzen (Kahane/Laird; s. S.  729); wahrscheinlich hätte Apuleius, der mutmaßliche Schöpfer des Gottes Risus, darüber herzlich gelacht. Da der auf quis ille? folgende Abriss einer Autobiographie nicht mit dem kongruiert, was wir über Apuleius wissen (s. u.), weist man in der Regel den ganzen Prolog dem Ich-Erzähler Lucius zu. Für mich liegt die Annahme näher, dass der reale Autor bis zu »Wer ist das hier?« spricht und sich dann, da er ja gerade von Metamorphosen menschlicher Gestalten geredet hat, in seinen Ich-Erzähler verwandelt und damit zu verstehen gibt, seine reale Identität schimmere hinter seiner Lucius-Maske hervor. Implizit deutet er in mehreren Passagen der Erzählung seines Lucius auf sich als Autor des Romans hin, z. B. an einer Stelle in »Amor und Psyche«, wo er die interne Erzählerin, eine alte Frau, vor dem Zitat eines Apollo-Orakels sagen lässt, der Gott habe die Zukunft »um des Verfassers einer milesischen Geschichte willen« lateinisch – das ist offensichtlich die Muttersprache des Apuleius – prophezeit (4,32,6); dies rekurriert darauf, dass der erste Satz des Romans, der meiner Meinung nach aus dem Mund des realen Autors kommt, das Zusammenknüpfen von Geschichten in »milesischer Redeweise« ankündigt (dazu s. u.). Am deutlichsten ruft der ›versteckte‹ reale Autor sich beim Leser gegen Ende des Romans ins Gedächtnis, wo ein Priester des Osiris von diesem damit beauftragt wird, Lucius als den »Mann aus Madaurus« in den Kult des Gottes zu initiieren (11,27,9). Aus der nordafrikanischen Stadt Madaurus (heute M’Daourouch) stammt aber

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Apuleius, nicht Lucius. Dennoch findet hier keine ›Rückverwandlung‹ statt, sondern der reale Autor ›siegelt‹ wie viele andere antike Autoren sein Werk abschließend mit einer indirekten Sphragis, und Lucius bleibt bis zum letzten Wort Lucius. Die Erzählung des Goldenen Esels schreitet also auf drei Ebenen voran, derjenigen des realen Autors Apuleius und der des fiktiven Autors Lucius, der wiederum zwei Rollen gleichzeitig übernimmt, die des sich erinnernden Erzählers und die des in der Erzählung handelnden Protagonisten; man differenziert bei ihm mithin zwischen auctor und actor (um die einfachere Form der narratologischen Terminologie zu verwenden). Als actor spricht er überwiegend im gesamten Roman, verfügt deshalb in dieser Funktion nicht über einen Wissensvorsprung gegenüber dem Leser, und das erhält die Spannung durchweg aufrecht. Doch ab und zu erfolgt ein Wechsel des actor zum auctor, z. B. beim Übergang von 10,32 nach 10,33. Soeben hat Lucius als Esel eine Pantomime angeschaut, in der das Urteil des Paris von jungen Akteuren obszön dargestellt wird; die Darstellerin der Venus z. B. bedeckt zwar an ihrem nackten Körper »mit einem zarten seidenen Gewand ihre wunderschöne Scham«, verhindert aber nicht, dass eine Brise das Tuch zur Seite bewegt und so »die Blüte der Jugend sich offen« zeigt (10,31,1f.). Mitten in die voyeuristisch beobachtete Show legt Lucius dann überraschend eine Reflexion ein, mit der er seiner Empörung über ungerechte Richter wie Paris, der sich von Venus stärker als von Juno und Minerva begünstigt fühlt und sich dadurch in seiner Entscheidung für sie beeinflussen lässt, das ganze Kapitel 10,33 hindurch Luft macht; dabei nennt er mehrere Fälle von korrumpierten Urteilssprüchen, zuletzt ausführlich den Justizmord der Athener an Sokrates 399 v. Chr., um anschließend noch kurz zu seiner Schilderung der Pantomime zurückzukehren. Weil er vor dem Exkurs seine uneingeschränkte Freude daran höchst lüstern bekundet hat, ist mit Maaike Zimmerman (2000, 393f.: s. S. 725) davon auszugehen, dass wir die Entrüstung über richterliche Parteilichkeit nicht aus dem Mund des actor, sondern des auctor Lucius vernehmen.



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Das deutet der reale Autor auch dadurch an, dass sein Ich-Erzähler am Ende des Exkurses sagt, er beende ihn, damit nicht jemand bei sich denke: »Sieh an, nun werden wir einen Esel ertragen, der uns Philosophie lehrt?«

Gerade dadurch impliziert er scherzhaft, dass er nach seiner Rückverwandlung in Erinnerung an jene ›Striptease‹-Darbietung, also nicht als Grautier über die Ungerechtigkeit in der Welt räsoniert hat. Lucius sagt im Prolog, die Modulation seiner Stimme entspreche dem »Stil der Kunst eines Zirkusreiters«. Zwar meint er damit seine Diktion, aber auch in seiner Funktion als Erzähler gleicht er insofern einem Artisten, der von Pferd zu Pferd springt, als er von seiner Hauptrolle als actor zum Part des auctor überwechseln und in diesen implizite Äußerungen des realen Autors einbeziehen kann. Das allein ist schon als eine Meisterschaft im Erzählen zu betrachten, welche die narrative Technik neuzeitlicher Romane vorwegnimmt. Doch besonders virtuos ›springt‹ Lucius alias Apuleius in seinem Sprachgebrauch zwischen verschiedenen Stilebenen hin und her. Im Bereich der Wortwahl erstreckt sich seine Bandbreite von der Höhe ausgesucht poetischer Lexik bis hinunter zu kolloquialen Wendungen, archaisches steht neben klassischem und kaiserzeitlichem Formulieren. Syntaktisch bevorzugt der Erzähler die Hypotaxe gegenüber der Parataxe, indem er einzelne Sätze mit adverbiellen Erweiterungen, also Partizipialkonstruktionen, und Relativsätzen förmlich überfrachtet. Und mit dem Klang seines Idioms »streichelt« Apuleius, wie es im Prolog heißt, wahrhaftig die Ohren seines Publikums, denn Alliterationen, Endreime, nach dem Muster poetischer Metrik rhythmisierte Satzschlüsse, die man Klauseln nennt, und Satzperioden erzeugen fast den Eindruck, als höre man die musikalische Präsentation eines Textes. Für den Altphilologen Eduard Norden (1868–1941) war Apuleius »der virtuoseste Wortjongleur, den es gegeben hat«. Dafür tadelte ihn dieser am ciceronianischen

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Latein geschulte Apuleius-Leser scharf, aber die moderne Literaturwissenschaft hat uns den Stil des »Mannes aus Madaurus«, für den auch der häufige Gebrauch geradezu exzentrischer Metaphern symptomatisch ist, als wesentliches Element eines herausragenden Kunstwerks der fiktionalen Prosa erkennen gelehrt. Es ist in einer Bilingue, die sich an ein möglichst großes Publikum richtet, nicht der Ort für eine nähere Charakterisierung von Sprache und Stil des Goldenen Esels durch Beispiele. Gründlich analysiert wird sie in den Groninger Kommentaren zu allen elf Büchern, und das internationale Altphilologenteam, welches das monumentale Erläuterungsopus erarbeitet hat, äußert sich darin und in zahlreichen weiteren Publikationen auch ausführlich zur narrativen Technik des Romanautors. Im laufenden Zusammenhang möchte ich die Aufmerksamkeit jetzt auf die in die Lucius-Handlung eingelegten Erzählungen lenken. Während meines Studiums der Altphilologie ganz im Geist von ›German Quellenforschung‹ ausgebildet, die sich mehr für die verlorenen Vorlagen von Texten als für diese selbst interessierte (sogar bei Homer!), glaubte ich damals und noch eine Zeitlang danach, es gebe in der Lukian zugeschriebenen vermeintlichen Kurzfassung der Metamorphoseis ›Nahtstellen‹, welche verrieten, dass der ›Epitomator‹ hier eine Schaltgeschichte ›herausgeschnitten‹ habe. So nimmt noch heute mancher Latinist an, in Kapitel 21 des Onos, wo gesagt wird, bei einem Essen der Räuber sei es zu lógos polýs gekommen – vermutlich zu »vielen Gesprächen«, man kann aber auch lógos als Terminus für ›Einzelerzählung‹ heraushören –, erkläre (Ps.?-)Lukian implizit seinen Verzicht auf den in den Metamorphoseis enthaltenen Bericht eines oder mehrerer der Banditen über Heldentaten, wie der Goldene Esel sie in Buch 4 enthält. Nun betont aber der Prologsprecher dieses Romans gleich im ersten Satz, er werde »verschiedenartige Geschichten miteinander verknüpfen«, womit er, wie ich meine, zum Ausdruck bringen will, dass er in dem sich über die Bücher 1–10 erstreckenden Novellenkranz einen speziellen Vorzug seiner lateinischen Version



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der Metamorphoseis des ›Lukios von Patrai‹ sieht, und zwar deshalb, weil er dessen Text durch die fabulae, wie er sie nennt, erweitert hat. Wenn er sie nicht selbst erdacht hat, dann dürfte er sie nicht in seinem Prätext der Lucius-Handlung gefunden haben, sondern, wie er wohl durch die Information andeuten will, die fabulae seien »in jener milesischen Redeweise« verfasst, in den Milesiaka (Milesischen Geschichten) des um 100 v. Chr. lebenden Aristeides aus Milet oder in der lateinischen Übertragung dieses Opus durch Sisenna (119–67 v. Chr.). Beide Werke sind bis auf ganz geringe, wenig aussagende Reste verloren. Immerhin kam vor nicht allzu langer Zeit ein Papyrusfragment zutage (POxy. 4762), das aus den griechischen Milesiaka stammen könnte. Darin sagt eine Frau zu einem Esel, der sie gerade zu penetrieren versucht: »Ui, der ist dick und groß wie ein Dachbalken. Warte! Sachte, sachte, schieb ihn nicht ganz hinein!«

Da im Onos (Kap. 51) und bei Apuleius (10,22,1f.) Lucius als Esel derjenige ist, welcher Probleme mit der Größe seines Penis hat – er fürchtet, er werde die Dame, mit der er es treibt, auseinanderreißen –, wäre denkbar, dass ›Lukios von Patrai‹ dadurch zu einem ›Rollentausch‹ angeregt wurde, aber sicher kann man sich nicht sein. Jedenfalls machen Bemerkungen antiker Rezipienten über die Milesiaka wahrscheinlich, dass es sich dabei um eine mit Boccaccios Decameron vergleichbare Sammlung von Novellen handelte, die wie dort durch eine Rahmenerzählung verbunden waren und in denen freimütig beschriebene Erotik dominierte. Aus dieser Sammlung könnte Apuleius z. B. die Prätexte für seine vier Ehebruchsgeschichten in Buch 9 (Kap. 5–7 und 17–28) bezogen haben. Aber wenn es so sein sollte, dürften wir es seinem Erzähltalent verdanken, dass er das Thema höchst kunstvoll variiert und mit Humor behandelt (vgl. bes. Möllendorf 2004, s. S. 727). Auch hier verhält sich der Autor bzw. seine Erzählerfigur mithin als »Zirkusreiter«, und das auch

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z. B. in den Räubergeschichten des vierten Buchs (Kap. 9–21), in denen der Erzähler wie in den gerade erwähnten Einlagen sowohl Motive virtuos abwandelt als auch seine Fähigkeit zur Komik zur Geltung bringen kann. Denn er lässt die Banditen ihre Taten zu Aristien homerischer Helden hochstilisieren, aber die Protagonisten ausnahmslos ein klägliches, ganz unheroisches Ende finden, etwa Alcimus, zu Deutsch ›der Streitbare‹, den eine durch ihn in ihrem Schlafzimmer beraubte alte Frau heimtückisch aus dem Fenster in den Tod stürzt (4,12). Während man sich als Vorlagen für solche Erzählungen ebenso milesische Geschichten vorstellen kann, ist sich die Forschung heute einig, dass Apuleius »Amor und Psyche« selbst schuf. Früher hatte man angenommen, diese Geschichte gehe auf volkstümliche Überlieferung zurück. Doch Detlev Fehling konnte 1977 zeigen (s. S.  726), dass alle berühmten Motive in der Erzählung – z. B. »die neidischen Schwestern«, das »Sehverbot« oder die »Aschenputtelaufgaben« – in der antiken Literatur ausschließlich bei Apuleius vorkommen, nirgends dagegen in narrativen Texten des Mittelalters, welches den Goldenen Esel nicht mehr las und »Amor und Psyche« nur aus der kurzen Zusammenfassung des Inhalts des Fulgentius (um 500 n. Chr.) kannte; sie tauchen aber seit der Wiederentdeckung des Romans durch die Humanisten auffallend häufig in fiktionaler Prosa der Neuzeit und später auch in den Märchen der Brüder Grimm auf. Es geht in der Erzählung darum, dass die Königstochter Psyche mit dem für sie unsichtbaren und unbekannten Amor schläft und trotz seines Verbots seine Identität enthüllt, worauf er sie verlässt; sie darf aber Hochzeit mit ihm feiern und die Unsterblichkeit erlangen, nachdem sie auf der Suche nach ihm in die Hände seiner Mutter Venus geraten ist und diese sie aus Missbilligung ihrer Liaison mit Amor Quälereien unterzogen hat. Zu einzelnen Erzählabschnitten in »Amor und Psyche« ließ Apuleius sich offenkundig durch griechische Mythen anregen; so wird Psyche z.B. wie Andromeda auf einem Felsen einem Ungeheuer preisgegeben, wie Io vom Zorn



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einer Göttin verfolgt und von ihr wie Herakles (indirekt) von Hera zu einzelnen ›Arbeiten‹ gezwungen. Mit den hierfür geschaffenen literarischen Adaptionen solcher Götter- und Heldensagen hat Apuleius die Erzählung ebenso wie mit anderen klassischen Werken intertextuell vernetzt, und da die Anwendung von arte allusiva, wie angedeutet, ein konstitutives Element des gesamten Goldenen Esels darstellt, widmen wir uns jetzt ihr. Der »Mann aus Madauros« zwischen den Texten Der Goldene Esel ist gattungstypologisch den fünf vollständig erhaltenen griechischen Liebesromanen des Chariton (Kallirhoe), Xenophon von Ephesos (Ephesiaka), Achilleus Tatios (Leukippe und Kleitophon), Longos (Daphnis und Chloe) und Heliodor (Aithiopika) eng verwandt. In diesen Texten sehen sich ein junger Mann und eine junge Frau, die am Anfang zusammenfinden, aber wieder getrennt werden, vor der am Schluss erfolgenden Wiedervereinigung bzw. Hochzeit zahlreichen Schwierigkeiten ausgesetzt, die in allen außer Daphnis und Chloe auf einer Reise überwunden werden müssen; dazu gehören u. a. Schiffbruch, Gefangennahme durch Piraten oder Räuber und Scheintod. Diesen Abenteuern sind die des Lucius in Eselsgestalt vergleichbar; ebenso entspricht dem Bogen, der in den griechischen Texten von anfänglichem Liebesglück zum happy ever after geschlagen wird, die unverkennbare Verbindungslinie zwischen dem Sex des Lucius mit der Sklavin Photis vor seiner Metamorphose und der ›Vereinigung‹ von Erlöstem und Göttin Isis nach der Rückverwandlung. Auch die Erzählung von Amor und Psyche weist das Handlungsmuster der ›Big Five‹ auf; Psyche erduldet wie Lucius allein eine Irrfahrt, aber sie wird im Gegensatz zu ihm mit dem Mann, mit dem sie zu Beginn zusammen ist und von dem sie wie Lucius von Photis getrennt wird, am Ende durch die Eheschließung wieder zusammengeführt. In welchem zeitlichen Ver-

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hältnis der Goldene Esel zu den fünf dem Typus der idealisierenden Romane zugerechneten griechischen Texten steht, kann man nur vermuten, aber für »Amor und Psyche« konnte Thomas Gärtner (s. S. 730) wahrscheinlich machen, dass Apuleius motivisch auf das etwa in der Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. verfasste Opus Charitons rekurrierte. Die Textsorte Roman war schon in der griechischrömischen Antike eine offene Gattung, welche intertextuelle Bezüge zu den verschiedensten literarischen Werken zu knüpfen liebte. Bereits den Metamorphoseis des ›Lukios von Patrai‹ lag, ob nun die von Lucius in Menschengestalt enttäuschte Dame oder Isis im Finale auftrat, das abgewandelte Schema ›Liebespaar – Trennung und Irrfahrten – Liebespaar‹ zugrunde, und schon hier dürfte außer der Struktur der Kallirhoe Charitons Homers Odyssee als ›Klassiker‹ des Irrfahrtenberichts im Hintergrund gestanden haben. Doch mit dem Evozieren von Dichtung und Prosa aus der Zeit von 800 v.–200 n. Chr. überrundete Apuleius alle anderen uns kenntlichen Vertreter der Gattung bei Weitem. Was er seinen gebildeten zeitgenössischen Lesern, bei denen er die Fähigkeit zur Würdigung seiner ›Zitate‹ voraussetzen konnte, zu bieten hatte, kann man geradezu eine Intertextualitätsorgie nennen. Im Goldenen Esel erkennt man auf Schritt und Tritt sowohl die Anlehnung an bekannte Geschehensverläufe als auch das punktuelle Erinnern an eine bestimmte Stelle in einem literarischen Text. Was die erste Kategorie betrifft, soll der Rekurs des Apuleius auf Vergils Aeneis als Beispiel dienen. Innerhalb der Lucius-Handlung weist z. B. die tragische Geschichte von Charite Berührungen mit der Dido-Tragödie in Buch 4 des Epos auf, und in »Amor und Psyche« assoziiert das kulturelle Gedächtnis des Lesers Venus, die der Protagonistin zürnt, mit der auf Aeneas zornigen Juno. Besonders deutlich ist die Parallelisierung von Psyches Gang in die Unterwelt mit der Katabasis des epischen Helden; während die in Buch 6 der Aeneis erzählte fast zentriert ist, bildet das Hadesabenteuer Psyches sogar exakt die Mitte des gesamten Romans (6,20).



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Bleiben wir doch zunächst bei Vergil, wenn ich im Folgenden drei Passagen des Goldenen Esels betrachte, die man regelrecht als Zitate bezeichnen kann und die stets den Originalwortlaut in einen komischen Kontext transponieren: – in 8,26,6 freut sich ein Sklave der die Syrische Göttin verehrenden Kinäden, weil er sich von dem neu ankommenden Esel erhofft, dieser könne sich mit ihm beim analen und oralen Penetrieren seiner Herren abwechseln, und ruft venisti tandem (»Endlich bist du gekommen!«) wie Anchises in Aeneis 6,687, als er im Elysium mit epischem Pathos seinen Sohn begrüßt; – in 3,27,5 sagt der Sklave des Lucius über seinen Herrn, den er in dessen Eselsgestalt natürlich nicht erkennt: »Wie lange noch werden wir diesen Packesel ertragen (patiemur) …?«, und an die drei Worte quo usque tandem, mit denen der Satz im Original beginnt, wird sich jeder erinnern, in dessen Schulklasse einst ein Lateinlehrer die ersten Worte von Ciceros berühmtester Rede übersetzen ließ: Quo usque tandem abutere, Catilina, patientia nostra? (»Wie lange noch, Catilina, wirst du unsere Geduld missbrauchen?«); – in 6,17,2 steckt eine Anspielung auf die 405 v.  Chr. in Athen aufgeführten Frösche des Komödiendichters Aristophanes, die vielleicht nicht jeder Lateinisch sprechende Leser des 2. Jahrhunderts n. Chr. würdigen konnte. Psyche will, statt zu Fuß in die Unterwelt zu gehen, sich von einem Turm stürzen, um »richtig und am besten« dorthin zu gelangen. Doch der Turm, der sprechen kann, hält sie davon ab und gibt ihr dann Anweisungen für ihre Katabasis. Nach solchen Instruktionen erkundigt sich der Gott Dionysos, der den Tragödiendichter Euripides aus dem Hades zurückholen möchte, bei Herakles, weil dieser einst den Höllenhund Kerberos aus dem Hades raubte. Der als Tölpel charakterisierte Held fragt zurück, ob er Dionysos einen »schnellen und abschüssigen« Weg nennen soll, und empfiehlt auf die positive Antwort hin den Sturz von einem Turm (V. 127–134).

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Apuleius evoziert auch an mehreren Stellen seines Romans Passagen aus den Werken des Philosophen Platon. Die meisten davon findet man in der Erzählung von Amor und Psyche, darunter solche, die unverkennbar auf den Mythos von der Seele (psychḗ ) im Dialog Phaidros Bezug nehmen. Die Beschreibung des Weges der Königstochter von ihrer Fehlhandlung, die sie aus Neugier begeht – sie zündet gegen das Gebot des sie liebenden Liebesgottes eine Lampe an, während er schläft, und weiß nun, wer er ist –, bis zur Erringung der Unsterblichkeit klingt teilweise wörtlich an die Passagen des Dialogs an, in denen die Entwicklung der menschlichen Seele bis zur Schau des Göttlichen in mythischen Bildern betrachtet wird. Jedenfalls besteht motivische Verwandtschaft zwischen Psyches vergeblichem Bemühen, den sich nach ihrer Untat in die Lüfte erhebenden Gott aufzuhalten, und der Passage bei Platon, wo es heißt, die psychḗ, die zwischen ihren Inkarnationen Begleiterin eines Gottes sein und göttliche Wahrheiten erblicken könne, sei, wenn sie nichts sehe, zum Fliegen zu schwer: Wenn sie aber … nichts sieht und, irgendeinen Unfall erleidend, von Vergessenheit und Trägheit angefüllt, niedergedrückt wird und so niedergedrückt das Gefieder verliert und auf die Erde fällt, dann gilt das Gesetz … (Phaidros 248c). at Psyche statim resurgentis eius crure dextero manibus ambabus adrepto sublimis evectionis adpendix miseranda et per nubilas plagas penduli comitatus extrema consequia tandem fessa delabitur solo (5,24,1). Doch Psyche packte sogleich, als er sich erhob, sein rechtes Bein mit beiden Händen, bei seiner Auffahrt in die Höhe ein erbarmungswürdiger Anhang und das äußerste Ende des durch die wolkigen Regionen schwebenden Geleitzuges, und sank schließlich erschöpft zur Erde.

Ebenso evident sind die Ähnlichkeit der brennenden Sehnsucht Psyches und der menschlichen Seele nach Gott Amor bzw. dem Göttlichen (5,23,3/Phaidros 251e) sowie die Übereinstimmung



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beider in der Bereitschaft, für die Erfüllung ihres Begehrens sogar Sklavendienste zu leisten (6,1,1/Phaidros 252a). Man hat aus solcher Art von Intertextualität immer wieder geschlossen, Apuleius wolle zwischen den Zeilen die Philosophie Platons vermitteln. Und da, wie erwähnt, platonische Elemente sich auch in seinen Äußerungen über die Isis/Osiris-Religion finden, nehmen viele Forscher an, der Romanautor, der sein ganzes Buch 11 diesem Kult gewidmet hat, sei dessen überzeugter Anhänger und werbe bei seinen Lesern um Proselyten. Die Wirkungsabsicht des Goldenen Esels sei mithin, wie es ein Aufsatz von 2013 resümierend formuliert, dem Menschen »die ›rechte Unterweisung‹ in Religion und Philosophie nahe zu bringen«, woraus folge: »Somit wären die Metamorphosen weniger ein Schelmenroman als eine Didaxe über das menschliche Leben und die richtige Lebensführung im Gewand eines komischen Romans« (Schramm S. 189; s. S. 727). Trifft die Interpretation zu? Zweifelsfrei kann man diese Frage bei einem Text, der mit vielen Rätseln konfrontiert, nicht beantworten, aber im nächsten Abschnitt sollen Überlegungen dazu angestellt werden. »Ich hab meinen Spaß!« oder »O Isis und Osiris, welche Wonne!«? Betrachtet man das Wenige, was wir über die Vita des Apuleius von Madaurus wissen, mag man es für möglich halten, dass sein Anliegen im Goldenen Esel sowohl die Vermittlung platonischer Lehren, also etwa derjenigen über die Seele in »Amor und Psyche« als einem neuen ›platonischen Mythos‹, als auch religiöse Propaganda war. Um 125 n. Chr. geboren, betätigte er sich als Rhetor in Rom, dann in Karthago und verfasste außer gleich zu nennenden Schriften, die für unser Problem interessant sind, Reden, Gedichte, einen weiteren (verlorenen) Roman – dieser trug den Titel Hermagoras  –,

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historische Werke sowie Abhandlungen zur Naturwissenschaft, Arithmetik und Musik. Wenn er seine einzige vollständig überlieferte Rede, die Apologie – nur Auszüge aus 23 Reden enthält eine Sammeledition mit dem Titel Florida –, nicht fingiert hat, sagte man Apuleius Beschäftigung mit Zauberei nach. Denn der Apologie zufolge musste er sich deswegen vor Gericht verantworten. Daran mag man sich dadurch erinnert fühlen, dass Lucius zu Beginn des Goldenen Esels neugierig auf magische Praktiken ist; er erleidet, weil er sich die Metamorphose in einen Vogel wünscht, aufgrund einer Verwechslung der Hexensalben das böse Schicksal, dass er kurz vor dem Ende von Buch 3 zum Esel mutiert und in dieser Gestalt in der Erzählzeit bis zum Anfang von Buch 11, wo Isis seine Erlösung bewirkt, leben muss. Damit tritt Lucius aber in Kontrast zu dem Apuleius der Apologie. Indes scheint eine Übereinstimmung zwischen Autor und Werk darin zu bestehen, dass »Amor und Psyche« und einige Passagen im Roman auf platonische Schriften anspielen und Apuleius sich philosophus Platonicus nannte, ja sogar zwei philosophische Abhandlungen von ihm auf uns gekommen sind: eine Zusammenfassung des Welt- und Menschenbildes Platons und seiner Ethik in De Platone et eius dogmate (»Platon und seine Lehre«) und ein vom daimónion des Sokrates ausgehender Abriss der platonischen Dämonenlehre in De deo Socratis (»Das daimónion des Sokrates«). Zu Buch 11 des Goldenen Esels wiederum passt die biographische Nachricht, dass Apuleius sich während eines längeren Aufenthaltes in Griechenland und Kleinasien in mehrere Mysterienkulte aufnehmen ließ; allerdings erfahren wir nichts über die Einweihung in die Isis- und Osiris-Religion. Weist nun aber Buch 11 des Romans darauf hin, dass sein Autor auch ein Jünger der beiden Gottheiten war und mit dem Goldenen Esel für die Initiation in ihren Kult warb? Sehen wir zunächst einmal, wie das Buch mit den Büchern 1–10 verbunden ist, in denen Lucius, auf Zauberei neugierig, die Transformation in einen Esel erlebt und ein solcher bis zum letzten Kapi-



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tel bleibt. Explizit an dieses Geschehen angeknüpft wird nach der Rückverwandlung, als ein Isis-Priester Lucius Folgendes verkündet (Kap. 15,1f.): »Nachdem du viele und verschiedene Leiden ertragen und von großen Unwettern und den gewaltigsten Stürmen Fortunas umhergetrieben worden bist, hast du den Hafen der Quies und den Altar der Misericordia endlich, Lucius, erreicht. Nicht deine Herkunft, nicht einmal dein sozialer Status oder selbst deine Bildung, durch die du glänzt, haben dir irgendwo genützt, sondern auf dem glitschigen Pfad deiner grünen Jugend bist du in sklavische Liebesfreuden abgerutscht und hast für deine unselige Neugier den üblen Lohn davongetragen. Aber jedenfalls hat die Blindheit Fortunas, während sie dich mit den schlimmsten Gefahren marterte, dich durch ihre nichts voraussehende Bosheit zu dieser frommen Glückseligkeit geführt.«

Wer das nach erstmaliger Lektüre der Bücher 1–10 liest, muss sehr überrascht sein. Denn hier wird eine Moral von der Geschicht’ gepredigt, auf die wir in der vorausgegangenen Erzählung mit keinem Wort vorbereitet wurden, zumindest nicht explizit. Ja, Lucius hat sich in Buch 2 und 3 insofern »sklavischen Liebesfreuden« hingegeben, als er mehrfach voller Wonne mit der Sklavin Photis schlief, deren Ungeschick er dann seine Metamorphose verdankte. Aber weder äußert er als actor bei der ausgiebigen Schilderung seiner Erlebnisse im Bett sittliche Bedenken, also auch nicht mit Blick auf die Ethik der Isis-Religion, noch verurteilt er als auctor, der sich erinnert, seinen Sex im Nachhinein als moralisch unstatthaft. Ebenso wenig lassen actor und auctor in den Büchern 1–10 erkennen, dass sie Neugier, lateinisch curiositas – der Priester meint die Neugier auf die Bekanntschaft mit magischen Künsten – als »unselig«, mithin als frevelhaft empfinden. Nun mag, wer den Roman zum zweiten Mal liest und das als lector scrupulosus, wie Lucius seinen Leser einmal nennt (9,30,1), von Anfang an zwischen den Zeilen ab und zu Hinweise darauf finden,

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dass Lucius vor der Metamorphose unmoralisch handelt, insbesondere dadurch, dass er seiner curiositas auf Zauberei nachgibt. Wenn man will, kann man in den Kapiteln 1,2–3,23, welche das Geschehen vor der Verwandlung beinhalten, einige an Lucius gerichtete implizite Warnungen vor der Beschäftigung mit Magie entdecken. Als abschreckend könnte Lucius auffassen, was er in zwei Kurzgeschichten erzählt bekommt, die in Buch 1 und 2 des Romans eingefügt sind: In der einen geht es um einen Sokrates, der, weil er ein Liebesverhältnis mit einer Hexe eingegangen ist, büßen muss: Die Frau reißt ihm nach der Trennung, während er schläft, das Herz aus dem Leib (1,5–19). Und aus der anderen Erzähleinlage erfährt Lucius, dass einem Thelyphron als Strafe für seine Furchtlosigkeit gegenüber Hexen im Schlaf Nase und Ohren von solchen Frauen abgeschnitten wurden, ja sieht den Verstümmelten mit eigenen Augen (2,21–30). Außerdem betrachtet Lucius in 2,4 eine Marmorgruppe, die darstellt, wie Aktäon die Göttin Diana neugierig beim Baden beobachtet und sie ihn dafür in einen Hirsch verwandelt. Darauf stößt Lucius, als er während seines Aufenthalts in Hypata im ›Hexenland‹ Thessalien als Gast bei einem Geizhals namens Milo und seiner Frau Pamphile seine Tante Byrrhena besucht und ihr Atrium betritt. Sie sagt, während er sich in den Anblick des Kunstwerks vertieft: ‘tua sunt … cuncta, quae vides’ (2,5,1). Das kann man natürlich einfach als Äußerung ihrer Gastlichkeit verstehen und folglich so übersetzen: »Dir gehört alles, was du siehst.« Aber man kann gleichzeitig eine versteckte Warnung heraushören, indem man liest, was die Worte ebenso bedeuten können: »Dir gilt alles, was du siehst«, und wie zur Bestätigung der zweiten Konnotation verrät Byrrhena anschließend ihrem Neffen, dass Pamphile eine Hexe sei, worauf sie ihm dringend nahelegt, sich vor ihr zu hüten. Noch als Lucius in Eselsgestalt der Erzählung von Amor und Psyche lauscht, erfährt er, dass die Prinzessin wegen ihrer Neugier auf das Aussehen ihres Liebhabers, der stets unsichtbar zu ihr ins Bett kommt und ihr das Forschen nach seiner Identität verbietet, durch die Trennung



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von ihm bestraft wird, ja auch danach noch einmal dem Drang nach Enthüllung von Verbotenem nicht widerstehen kann (6,21,1); auch hier erscheint curiositas mithin als etwas Negatives. Die Erzählung vom Schicksal der Prinzessin liefert insgesamt als eine Art mise en abyme eine auffallende Parallele zur Lucius-Handlung. Passagen des Romans wie die genannten lesen die Vertreter der These, der Goldene Esel sei eine religiöse Propagandaschrift, als ›hermeneutische Zeichen‹, welche die moralische Verurteilung des Lucius durch den Isis-Priester vorwegnähmen und indirekt zum Ausdruck brächten, dass die Neugier auf magische Künste als frevelhafter Trieb nach Erkenntnis verbotenen göttlichen Wissens zu interpretieren sei. Bei dieser Art von Argumentation für die Deutung des Goldenen Esels als ›Isis-Roman‹ wurde besonderes Gewicht auf Stellen gelegt, an deren Wortlaut Passagen in Buch 11 anklingen. So evozieren einzelne Formulierungen in den Kapiteln, in denen der Ich-Erzähler seine Initiationen beschreibt (11,22 ff.), verbal und motivisch die Szene, in der Lucius von Photis auf die Beobachtung der Hexereien Pamphiles vorbereitet wird (3,15). Dabei nimmt die Sklavin ausdrücklich die Pose einer Mystagogin ein, ermahnt Lucius zum Schweigen über das, was er jetzt sehen werde, und preist die Macht ihrer Herrin mit Worten, die nur bei der Verherrlichung einer Göttin angebracht sind. Schon hier mag zumindest ein mit Mysterienkulten vertrauter Zeitgenosse geargwöhnt haben, dass ernsthafte religiöse Initiationsriten auf solche Manier pervertiert würden. »Ihr dienen die Elemente« (3,15,7) von einer Hexe zu sagen, durfte ein Initiierter als vermessen betrachten und sich dadurch bestätigt sehen, dass Lucius dasselbe in Buch 11 in seinem Isis-Hymnus von der Göttin sagt (11,25,3: »Dir dienen die Elemente«). Und dem ausgiebigen Bericht über Pamphiles Zauberkünste (3,16–18; 21), den Lucius seinen Lesern entgegen dem Verbot der Photis gibt, kontrastiert sein betontes Schweigen über die Vorgänge bei seiner Initiation zum Isis-Jünger (11,23,5ff.). Natürlich steht es jedermann frei, in solchen Fällen von Intratextualität Signale dafür zu erblicken, dass

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Lucius nach Ableistung der Strafe für seine Neugier auf magische Praktiken nunmehr erkannt zu haben glaubt, welches der rechte Weg zur Schau des Göttlichen ist. Dass diesen Weg allein die Weihe zum Adepten der Götter Isis und Osiris eröffne, könnte daher tatsächlich die Lehre sein, die Lucius aus seiner Metamorphose, seinen Leiden in der Eselshaut und seiner Erlösung durch die Gnade der Isis ziehen soll. Aber ergeht implizit der Appell an den Leser, Lucius nachzueifern, sich also von dem Roman in der »richtigen Lebensführung« (s. o. S. 23) unterweisen zu lassen? Ist wirklich Propaganda für die Isis/Osiris-Mysterien und das von den Initiierten erwartete sittliche Verhalten das zentrale Anliegen des Goldenen Esels? Wäre das der Fall, dann müssten die Erlebnisse des Lucius in Buch 11 als so überaus glücklich, müsste das ihm nach der Rückverwandlung bescherte Dasein als unbedingt vorbildlich für den lector scrupulosus geschildert sein; dieser könnte, wenn er die größtenteils schmerzlichen Erfahrungen, die Lucius als Esel den Büchern 4–10 zufolge machen muss, als Bestrafung für ein Fehlverhalten betrachtet, folgendermaßen reagieren: Er könnte sich mit dem Ich-Erzähler voll und ganz identifizieren und bereit sein, seine Tage künftig genauso zu verbringen wie Lucius in der Zeit, nachdem Isis ihn erlöst hat. Doch so glatt gehen die Rechnungen im Goldenen Esel nicht auf. Der neue Isis-Jünger muss nämlich zumindest insofern ähnliche Leiden durchmachen wie einst in der Eselshaut, als er auch jetzt eine Reihe von Entbehrungen zu ertragen und – wie das Grautier seinen menschlichen Herren – den von ihm verehrten Gottheiten und ihren Priestern ständig Dienste zu leisten hat. Die neuen Entbehrungen sind Teil einer Geschehensentwicklung, die durch ihren Wiederholungscharakter stark an die in den Büchern 4–10 immer wieder zu beobachtende Sequenz einander gleichender Martyrien des Esels erinnert: Lucius muss sich nach der Rückverwandlung unter Verzicht auf viele bisherige Gewohnheiten nicht allein dem mit der Weihe zum Isis-Jünger verbundenen Ritual (11,22–25), sondern bald darauf auch zwei Initiationen in die Osiris-Mysterien (26–29)



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und schließlich der weihevollen Aufnahme in das oberste Priesterkollegium des Gottes unterziehen (30). Außerdem darf er nach seiner ersten Initiation nur für wenige Tage in die Heimat zurückkehren und muss sich dann nach Rom begeben, wo er neben seiner Tätigkeit als Priester den Beruf eines Anwalts auszuüben sowie seine Einkünfte an die Gemeinschaft der Geweihten abzuführen hat. Die erste Initiation ist durchaus noch so beschrieben, dass der Leser, auch wenn ihm die Bekanntschaft mit dem Initiationsritual verwehrt wird, das Glück des Novizen, der nach der Weihe im weißen Gewand vor das Volk hintritt, mitfühlen kann. Aber die Art, wie Lucius von der dreimaligen Wiederholung der Weiheprozeduren erzählt, lässt mehr und mehr den Eindruck entstehen, das ewige Fasten, Meditieren, Anbeten usw. werde ihm allmählich genauso zur Plage wie der einst mit dem Eselsdasein verknüpfte Verzicht auf eine normale Existenz. Und wenn der Roman mit der Beteuerung des Ich-Erzählers endet, »wieder« (rursus: so bereits dreimal 11,26,4 und erneut 29,1) habe er seinen Dienst »mit Freuden« (gaudens) auf sich genommen, ohne dass es ihm ein Problem gewesen sei, dass das Priesteramt ihn u. a. zur totalen Glatzköpfigkeit verpflichtete – Männer mit kahlen Schädeln lachte man in der Antike gerne aus –, dann tut man sich schwer, diese »Freude« uneingeschränkt zu teilen und den Wunsch zu verspüren, den Ich-Erzähler auf seinem neuen Weg zu begleiten. Ja, man hat allen Grund, sich sogar über die Folgen der erneuten Verwandlung in einen ›Esel‹ zu amüsieren. Bisher durfte man, da Lucius im Prolog Spaß an der Lektüre verheißt (1,1,6), sich auf jeden Fall durch seinen Erfahrungsbericht in den Büchern 1–10 optimal unterhalten fühlen und namentlich goutieren, dass der reale Autor durch seine Fülle an intertextuellen Bezügen ein ebenso geistreiches wie amüsantes literarisches Spiel treibt. Wenn aber nun auch der Inhalt von Buch 11 die Möglichkeit eröffnet, den in seine menschliche Gestalt zurückverwandelten Ich-Erzähler als Esel der Isis- und Osiris-Gemeinde zu betrachten und dies weiterhin als gute, durchaus witzige Unterhaltung zu empfinden, ergibt sich:

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Die in der Vorrede gegebene ›Spaß-Garantie‹ kann auch auf die Erzählung des Lucius von seinen Erfahrungen als Anhänger der beiden Gottheiten bezogen werden. Und was die Intertextualität betrifft, ist vermutlich auch sie noch präsent: Der Schwerpunkt dürfte jetzt nicht mehr auf dem Evozieren literarischer, sondern religiöser Texte liegen, ob sie mündlich oder schriftlich tradiert waren. Wir wissen zu wenig über den Isis- und Osiris-Kult, als dass wir sicher sagen könnten, ob und, wenn ja, wie Apuleius auch innerhalb dieses Diskurses seine Zeitgenossen sich an arte allusiva erfreuen ließ. Uns fehlt ja auch die Möglichkeit eines Vergleichs von Buch 11 mit seiner Vorlage, die, wie oben gezeigt, Apuleius in den Metamorphoseis des ›Lukios von Patrai‹ gefunden haben dürfte. Erkennbar ist immerhin. wie gleichfalls gezeigt, dass der Autor ebenso, wie er sein Opus mit einer Vielzahl von Werken der griechisch-römischen Literatur vernetzt hat, durch implizite Vorverweise auf das letzte Buch seines Goldenen Esels und Rückverweise auf die in Buch 1–10 erzählte Handlung Intratextualität hergestellt hat. Und diese zu entdecken kann dasselbe geistige Vergnügen bereiten wie die Verifizierung von Intertextualität. Die verbalen Wechselbezüge innerhalb des Romans müssen also keineswegs als ›hermeneutische Zeichen‹ gelesen werden, die auf ein erbauliches religiöses Finale einstimmen. Ebenso wenig macht das in »Amor und Psyche« am häufigsten wahrzunehmende verbale und motivische Vergegenwärtigen platonischer Schriften die Erzählung zu einem Seelenmythos etwa von der Art, wie er den Gorgias abrundet. Verehrer seines Verfassers mögen es nicht wahrhaben wollen, dass das Evozieren seiner Lehren spielerisch erfolgt wie das ›Zitieren‹ aus Dichtern wie Aristophanes. Aber bedenkt man, wie frivol die lange in den Roman eingelegte Geschichte stellenweise ist, wie burlesk die Götter, speziell Venus, charakterisiert sind, darf man davon ausgehen, dass der philosophus Platonicus es vereinbaren konnte, seinem Meister nicht nur durch die eigenen Erörterungen über dessen Gedankenwelt Verehrung zu bekunden, sondern auch



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durch Integration sogar der sokratischen Dialoge in sein als jeu d’esprit zu begreifendes und entsprechend amüsantes Intertextualitätsfest. Auch von Haus aus enthalten die Platonica viel Humor, weshalb Platon und vor allem Sokrates sicher ihren Spaß daran gehabt hätten, wenn sie in der Lage gewesen wären, in Buch 1 des Goldenen Esels von einem Namensvetter des laut dem delphischen Orakel größten Weisen zu erfahren, er habe sich von einer Hexe versklaven und sich von ihr das Herz aus der Brust reißen lassen. Auch für die platonischen Elemente des Romans dürfte somit die Versicherung in 1,1,6 gelten, die Lektüre des Werks werde ein Vergnügen sein. Der letzte Satz des Prologs zielt also, wie ich meine, eindeutig darauf ab, dass der lector am Ende der Lektüre »Ja, dieses Buch hat mir Spaß gemacht!« sagt und nicht in religiöser Inbrunst »O Isis und Osiris, welche Wonne!« ruft sowie sich in Zukunft ausschließlich theologischer und philosophischer Lektüre widmet. Der Esel und das Welttheater Horaz (65–8 v. Chr.) sagt bekanntlich in seiner Ars poetica von den Dichtern, sie würden entweder nützen (prodesse), also moralische Belehrung bieten, oder unterhalten (delectare) wollen (V. 333). Beschränkt Apuleius sich im Goldenen Esel, der stilistisch und thematisch einem poetischen Text gleicht, gemäß seinem Motto lector intende: laetaberis wirklich auf das delectare? Der Roman erinnert immerhin insofern an eine Moralsatire, als das darin erzählte Geschehen während der Phase, in welcher Lucius in der Eselshaut steckt, durch eine fiktive Linse betrachtet zu werden scheint; eine solche gewährt dem durch sie hindurch sehenden Satiriker Einblicke in menschliches Treiben, die ihm normalerweise verborgen sind. Wie Lukian, der Zeitgenosse des Apuleius, z. B. den Fährmann der Unterwelt in dem Dialog Charon oder Die Betrachtenden vom Olymp aus auf das theatrum mundi sehen und ihn Erkenntnisse

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über das Fehlverhalten von Menschen gewinnen lässt, die allein der fiktive Standort ermöglicht, so verhält es sich analog mit Lucius: Die Tatsache, dass seine Umwelt ihn in seiner Eselsgestalt nicht als verwandelten Menschen wahrnimmt, verschafft ihm Mitwissen bei Untaten von Leuten, von denen diese glauben, sie müssten sie nicht vor ihm verheimlichen, z. B. Ehebruch. Aus seiner Perspektive wird dem Leser denn auch ein breites Panorama von Handlungen der Kategorie ›Sex and Crime‹ geboten, das von den Lügen eines Propheten bis zu Mord in Serie reicht. Einmal äußert Lucius sich auch dazu, dass ihm sein ›Sonderstatus‹ die hautnahe Beobachtung von etwas sittlich Bedenklichem eröffnet. Zunächst schildert er anschaulich den absoluten Tiefpunkt menschlicher Erbärmlichkeit in einer Sklavenmühle, in der Menschen und Tiere auf grässliche Art körperlich so sehr geschunden werden, dass sie ihre Arbeit kaum noch auszuführen imstande sind. Dann reflektiert er darüber (9,13,3–5): Auch nicht irgendein Trost in meinem qualvollen Leben war da, außer dass ich durch die mir angeborene Neugier erquickt wurde, während alle, von meiner Gegenwart wenig Notiz nehmend, frei das, was sie wollten, taten und sagten. Nicht zu Unrecht hat der göttliche Urheber der alten Dichtung bei den Grajern in seinem Wunsch, einen Mann von höchster Klugheit zu zeigen, gesungen, durch den Besuch vieler Städte und das Kennenlernen verschiedener Völker habe dieser die höchsten Tugenden erlangt. Denn auch ich selbst weiß meinem Esel großen Dank dafür, dass er mich, der ich in seiner Hülle verborgen und durch verschiedene Schicksalsschläge heimgesucht worden bin, wenn auch nicht gerade klug, so doch vielwissend gemacht hat.

Vom zweiten Satz an vernehmen wir offensichtlich die Stimme des auf seine Zeit als Esel zurückblickenden Lucius auctor. Aber einen Satiriker hören wir hier nicht, da Lucius keinerlei Moralkritik übt, sondern einfach nur feststellt, er sei über den ihm allein verschafften Gelegenheiten zur Beobachtung des Welttheaters nur multiscius, aber nicht prudens wie Homers Odysseus geworden. Außerdem äu-



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ßert er sich lediglich in diesem Passus als auctor zu seinem ›privilegierten‹ point of view; ansonsten nimmt er ihn als actor ein, als der er unmittelbar vorher spricht. Dabei erfahren wir, dass die Charaktereigenschaft, durch die er seine Metamorphose verursacht hat, ihm zu seinem Vielwissen verhalf: die Neugier. Diese führt, während er in einen Esel verwandelt ist, auch manchmal dazu, dass er sich als actor an menschlichen Aktionen beteiligen kann, die ein Satiriker moralkritisch verurteilen würde. Und er beträgt sich als Esel auch sonst sittlich fragwürdig, wie es bei Menschen der Fall sein kann. So ist er z. B. in seiner Gefangenschaft bei den Räubern gefräßig wie diese, indem er, nachdem sie geprasst haben, u.  a. »die Brote bergeweise« vertilgend (4,8,4), ebenso mit Brot seinen »bodenlosen Bauch« füllt (4,22,7); oder er begeht Diebstahl (10,13–15) oder betreibt mit einer Frau Sodomie und hat dabei nicht etwa moralische Bedenken, nein, er fürchtet, er könne, falls er die Frau auseinanderreiße, wilden Tieren in einer Arena vorgeworfen werden (10,22,2). Speziell durch seine Neugier bewirkt er sogar einmal, dass einer seiner Herren, ein Gärtner, der aus Notwehr einen arroganten Soldaten schwer verletzt und sich aus Angst vor dessen Rache gut verborgen hat, entdeckt und, wie man erwarten muss, dann hingerichtet wird. Denn Lucius, selbst auf dem Dachboden des Hauses versteckt, in dem der Gärtner sich dem Zugriff des Soldaten und seiner Helfer erfolgreich entzieht, schaut neugierig aus dem Fenster auf das Suchkommando und verrät so den bedauernswerten Mann (9,41–42). Als Esel ist Lucius also manchmal in sittlich zu beanstandende Handlungen involviert. Außerdem bezeichnet er Geschichten über Sex und/oder Crime, die er in seine Erzählung einlegt, mehrfach als »charmant« (lepidus): die fabula über das einem Lebenden herausgerissene Herz (1,20,5), »Amor und Psyche«, worin nicht nur von Psyches Liebe, sondern auch von ihrer heimtückischen Rache an ihren bösen Schwestern und den Grausamkeiten ihrer bösen Schwiegermutter die Rede ist (4,27,8), und die Novelle von dem ehebrecherischen Betrug an einem Armen (9,4,4). Als lepidus hatte der

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Ich-Sprecher des Satzes, der den Roman eröffnet, das »Geflüster« bezeichnet, mit dem er die geneigten Ohren des Lesers »streicheln« werde, und daraus darf man schließen, dass Lucius sich an den genannten Stellen auf die äußere Form der jeweiligen fabula, also seine Erzählkunst und seinen Stil, nicht etwa auf den Inhalt bezieht und somit das moralisch Anstößige des Berichteten ignoriert. Damit sind wir wieder bei den drei letzten Worten des Prologs, lector intende, laetaberis, und sehen nun endgültig, dass die Wirkintention des Verfassers in seinem Goldenen Esel auf die geistreiche Unterhaltung seines Publikums und damit auch auf die Würdigung seines literarischen Spiels zielt, nicht Moralsatire. Peter von Möllendorff hat treffend beobachtet, dass Lucius mit der Art, wie er seinen Roman und einzelne fabulae ankündigt, die für ihn charakteristische Neugier auch bei den Lesern weckt und damit diese gleichfalls zu Eseln mache (2004, 54; s. u. S. 727). Mit Recht fügt er hinzu, dass sie so »als Ansprechpartner der satirischen Kritik diskreditiert« würden. Freilich verhüllt der Erzähler ihnen damit nicht die Augen vor dem Panoptikum menschlicher Schwächen und Vergehen, so dass natürlich niemand daran gehindert wird, sich z. B. über die Mordserie zu entsetzen, die das Thema der letzten in den Roman eingeschalteten fabula (10,23–28) ist. Diese Bemerkungen zu Apuleius und seinem Publikum bringen uns jetzt zu Darlegungen darüber, wie der Goldene Esel im Lauf der Jahrhunderte bis heute rezipiert wurde. Psyche überflügelt den Esel Überblicke zum Nachleben eines antiken Autors im Rahmen einer Einführung können kaum mehr als eine Zusammenstellung von Namen und Werktiteln mit sehr knapper Erläuterung bieten. Ich wähle daher Rezeptionsdokumente aus, die mir besonders interessant erscheinen. In der vermutlich Ende des 4./Anfang des 5. Jahrhunderts ent-



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standenen Historia Augusta, einer anonymen Sammlung von Biographien, in denen Fiktion die Historie überwiegt, wird der Usurpator Clodius (145/46–197 n. Chr.) negativ charakterisiert (Alb. 12,12), cum ille neniis quibusdam anilibus occupatus inter Milesias Punicas Apulei sui et ludicra litteraria consenesceret. (weil er sich mit gewissen altweiberhaften Kinderliedern beschäftigt habe und inmitten der milesischen Geschichten aus Karthago seines Apuleius und literarischen Spielereien altere)

Implizit bestätigt der unbekannte Autor die von mir vertretene Interpretation des Goldenen Esels als lusus litterarius, während der etwa gleichzeitig mit dem Anonymus lebende Kirchenvater Augustinus (354–430) den Ich-Erzähler mit dem realen Autor identifizierte und meinte, Apuleius habe entweder geglaubt oder fingiert, er sei in einen Esel transformiert worden (De civitate dei 18,18). Ein weiterer Kirchenvater, Fulgentius (um 500), kannte wohl gleichfalls den ganzen Roman, begnügte sich aber mit einer Betrachtung zu »Amor und Psyche«, indem er, wie erwähnt, den Inhalt zusammenfasste und allegorisch auslegte. Damit wurde die Erzählung zum ersten Mal in der Rezeptionsgeschichte isoliert vom übrigen Text gewürdigt, Psyche also dem Esel vorgezogen, und dabei ist es bis heute geblieben. Schon für das Mittelalter können wir nur die Anverwandlung dieser Erzählung an ein literarisches Werk verzeichnen, den einflussreichen Versroman Partonopeu de Blois des ausgehenden 12. Jahrhunderts. Über kreative Lektüre der Eselshandlung wissen wir nichts, aber abgeschrieben wurde der gesamte Text, und in Kodex ϕ, einer Kopie des ältesten erhaltenen Kodex F, des Laurentianus 68,2 (11. Jh.) aus dem 12. Jahrhundert, setzte jemand irgendwann im Spätmittelalter in Kap. 10,21 über den Koitus des Esels mit der Dame den mit nares perfundit meas (sie befeuchtete meine Nüstern) endenden Satz mit folgenden Worten fort, welche die braven Philologen spurcum additamentum (schmutziger Zusatz) nennen:

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Einführung Et ercle orcium pigam perteretem Hyaci fragrantis et Chie rosacee lotionibus expiavit. ac dein digitis, hypate licanos mese paramese et nete, hastam mihi inguinis nivei spurci〈ti〉ei pluscule excoria〈n〉s emundavit. et cum ad inguinis cephalum formosa mulier concitim veniebat ab orcibvs, ganniens ego et dentes ad Iovem elevans Priapo〈n〉 freqventi frictvra porrixabam ipsoqve pando et repando ventrem sepivscvle tactabam. ipsa qvoqve, inspiciens qvod genivs inter antheras excreverat modicum illud morule, qua lustrum sterni mandaverat, anni sibi revolutionem autumabat. (Und beim Herkules, sie reinigte den feinen runden Beutel meiner Hoden mit parfümiertem Wein und Rosenwasser aus Chios. Dann zog sie mir mit ihren Fingern, dem Daumen, dem Zeigefinger, dem Ringfinger und dem kleinen Finger die Haut von dem Schaft meines Penis leicht zurück und säuberte ihn von seinem schneeweißen Schmutz. Und als die schöne Frau rasch von den Hoden zu der Spitze meines Penis gelangte, brüllte ich, erhob meine Zähne zu Jupiter und erzeugte infolge der häufigen Reibung meines priapischen Glieds eine Erektion, und indem ich es auf und ab bewegte, berührte ich oft ihren Bauch. Auch behauptete sie, als sie erblickte, was für ein Geschlechtsteil unter ihren Essenzen hervorgewachsen war, dass diese kleine Verzögerung, während der sie unser Liebesnest vorzubereiten befohlen hatte, für sie der Umlauf eines Jahrs gewesen sei.)

Man darf sich fragen, ob während des Verfassens dieser extrem obszönen Zeilen, wenn es in stiller Klause stattfand, noch etwas anderes geschah. Jedenfalls bietet es sich an, von hier gleich zu Giovanni Boccaccio (1313–1375) überzugehen. Er kopierte den Text des Romans, interpretierte »Amor und Psyche« und bearbeitete die vier Ehebruchsgeschichten des neunten Buchs für sein Decameron. Bereits 1469 wurden die Opera des Apuleius als eines der ersten Verfasser nicht-christlicher Literatur gedruckt und sogar dem amtierenden Heiligen Vater, Papst Paul II., dediziert. 31 Jahre später verfasste Filippo Beroaldo der Ältere (1453–1505) zum Goldenen Esel den ersten Kommentar, der, weil er sehr ausgiebig das schwie-



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rige Latein erklärt, von Philologen bis in 19. Jahrhundert benutzt wurde und nach wie vor Interesse verdient. Weil der Humanist das Romangeschehen moralisch deutete, setzte bald eine breite Rezeption ein. Begünstigt wurde sie auch durch die Entstehung von Übertragungen in die Volkssprachen, aus denen ich die deutsche herausgreife. Sie stammt von Johannes Sieder (ca. 1465–vor 1535), der sie 1500 Fürstbischof Johannes von Dalberg widmete, dem Haupt eines Heidelberger Humanistenkreises. Damals nur handschriftlich festgehalten, wurde sie posthum 1538 in Augsburg mit prachtvollen Holzschnitten publiziert, die noch Ausgaben unserer Zeit illustrieren. Damit wollten die Herausgeber vermutlich Käufer gewinnen, ebenso wohl durch die Abstimmung der inhaltlichen Aussage des Romans auf das Lesepublikum. Sieder hatte in möglichst enger Anlehnung an das Original übersetzt und damit die Tradition des Niklas von Wyle (ca. 1410–1479) fortgeführt. Dieser wiederum hatte die von Poggio Bracciolini (1380–1459) angefertigte Latinisierung von (Ps.?-)Lukians Onos Wort für Wort verdeutscht und 1478 zusammen mit anderen »Translatzen« veröffentlicht; dadurch wurde bei uns der Stoff des Eselsromans zunächst in der überlieferten griechischen Version verbreitet. Den Goldenen Esel Sieders hatten die Editoren jetzt mit Rücksicht auf die Zielsprache stark überarbeitet, und nachdem das Manuskript Apuleius noch als platonischen Philosophen präsentiert hatte, konstruierten sie aus ihm im Druck von 1538 einen christlichen Autor. Als solcher war Apuleius für den engagierten Lutheraner Hans Sachs (1494–1576) interessant, weshalb der Nürnberger einzelne Abschnitte des Romans in sieben Meisterlieder und drei Spruchgedichte transformierte. Dadurch machte er die städtischen Angehörigen der unteren Mittelschicht, die sich keine Bücher leisten konnten, mit dem guelden Esel bekannt; so lautet der Titel des schon bald nach dem Erscheinen der Sieder’schen Verdeutschung entstandenen ersten Meisterliedes vom 8. Dezember 1538. In Einklang mit der ihm vorgegebenen moralischen Interpretation erklärte Sachs in der

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dritten von drei Strophen des Erstlings, der einen Bogen von der Metamorphose durch Photis zur Rückverwandlung schlägt: Der esel ist zu gleichen den armen und den reichen, die ir puelerey treiben mit maiden und eweiben, sind mutig, gail vnd gögel, duncken sich frey nachtfögel. wen sie sich recht thund schawen sind sie durch ihr falsch frawen paide an haut vnd hare, an sin vnd witzen gare zw lauter esel worden im pulerischen orden. da tragens haimlich leiden, eyffern, senen vnd meiden, menschlicher zucht vergessen, pis das sie rosen essen. getrewer straff vnd lere. wer sich daran nicht kere, der pleib mit andern pueben ein esel pis int grueben.

Sachs, der einzige namhafte Deutsche, soweit ich sehe, der den Roman des Apuleius im 16. Jahrhundert literarisch rezipierte, verfasste auch den Text eines Meisterliedes Die junckfraw Psyche, dem er als vorgegebene Melodie, den Ton, sehr passend die Jungfrauenweise des Meistersingers Hans Vogel unterlegte. Von den vielen anderen Bearbeitern der Liebesgeschichte nenne ich nur solche mit berühmten Namen und begnüge mich mit einer Aufzählung: Edmund Spenser (ca. 1552–1599) mit einem Abschnitt von The Faerie Queene, Jean de La Fontaine (1621–1695) mit dem Kurzroman Les amours de Psyché et Cupidon, Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719–1803) mit



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dem aus 68 anakreontischen Gedichten bestehenden Zyklus Amor und Psyche, Christoph Martin Wieland (1733–1813) mit dem Fragment gebliebenen Gedicht Psyche, John Keats (1795–1821) mit der Ode to Psyche und C. S. Lewis (1898–1963) mit Till We Have Faces: A Myth Retold, seinem letzten Roman. Seit der Renaissance schufen bildende Künstler mehrere tausend Darstellungen der Erzählung von Amor und Psyche, die nicht zu überblicken, aber in zahlreichen Untersuchungen behandelt sind. Den Anfang machte der durch Raffael (1483–1520) zusammen mit Schülern für die Loggia di Psiche der Villa Farnesina in Rom gemalte Freskenzyklus. Es folgten die 23 Fresken des Giulio Romano (1499–1546) und seiner Schüler in der Sala di Psiche des Palazzo Te bei Mantua; auf diesen Bildern trägt Amor die Züge des Auftraggebers Federigo Gonzaga, Psyche diejenigen seiner verheirateten Geliebten Isabella Boschetta und die böse Schwiegermutter Venus diejenigen von Gonzagas Mutter, die mit seiner Affäre nicht einverstanden war. Von hier erstreckt sich eine lange Reihe von Kunstwerken über die Jahrhunderte bis zu den Marmorskulpturen des Auguste Rodin (1840–1917). Eine auch noch so kurze Liste erspare ich mir wegen der guten Aufarbeitung. Zumindest erwähnen möchte ich der Kuriosität halber, dass die Briten in der ersten Blütezeit ihres Empire Statuen von Amor und Psyche als Zeugen der klassischen europäischen Kultur in ihren Kolonien aufstellten; dafür ließen sie gerne Imitationen der drei weitbekannten Psyche-Skulpturen Antonio Canovas (1757–1822) anfertigen, die auch sonst immer wieder auf Gebrauchsgegenstände wie Ess- und Trinkgeschirr aus Porzellan und Decken-, Wand- und Fußbodendekorationen übertragen und dadurch verkitscht wurden. Die meisten Betrachter der beiden Figuren dürften nicht wissen, dass sie aus einem der bedeutendsten Romane der Weltliteratur stammen. Sein Protagonist während der Haupthandlung, der Esel, war nun einmal von der frühen Neuzeit an bei Weitem nicht so gefragt wie die Personifikationen der Liebe und der Seele. Das liegt sicherlich auch daran, dass der Roman sehr

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obszöne Passagen enthält, die erst seit den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts ohne Vorurteile interpretiert werden. Angesichts dessen, dass sich weniger Rezipienten des Goldenen Esels als seines Herzstücks nachweisen lassen, freut sich natürlich, wer den Roman ganz besonders schätzt, über jeden prominenten Literaten, der in irgendeiner Form seine Beschäftigung mit dem Text verrät. Hingewiesen sei auf William Shakespeare (1564–1616), der in einem seiner populärsten Dramen, A Midsummer Night’s Dream, mit der komischen Liebesgeschichte von Titania und Bottom mit dem Eselskopf das Verhältnis des Lucius in Eselsgestalt zu der Dame in Korinth evoziert; ferner auf Alexander Puschkin (1799–1837), dessen Eugen Onegin in dem nach ihm benannten Roman sagt, er lese Apuleius mit Vergnügen – offenkundig, weil er lector intende, laetaberis beim Wort nimmt –, Cicero dagegen überhaupt nicht. Oder nehmen wir Gustave Flaubert (1821–1880), der über den Esel brieflich bemerkt: »Ça sent l’encens et l’urine, la bestialité s’y marie au mysticisme« – was immer er damit meint. Um auch ein Auge auf einen zeitgenössischen Autor zu werfen: Salman Rushdie (geb. 1947), der offenbar den Goldenen Esel als satirischen Roman begreift, ließ sich von dem Text dazu inspirieren, in dem Essay Travels with a Golden Ass, den er in Imaginary Homeland: Essays and Criticsms 1981–1991 aufnahm, den satirischen Blick durch eine fiktive Linse auf die USA zu werfen, und in den berühmt-berüchtigten Satanic Verses lässt er »Lucius Apuleius of Madaura, Moroccan priest, AD 120–180 approx., colonial of an earlier Empire« auftreten. Ich habe das Gefühl, dass man noch viel zu wenig untersucht hat, welchen Einfluss auf pikareske Romane seit der von einem Anonymus um 1552 veröffentlichten Vida de Lazarillo de Tormes (deren erstes Kapitel vermutlich Kapitel 2–4 der Vita Äsops anregte) der thematisch eng verwandte Goldene Esel ausgeübt hat. Innerhalb des Don Quijote mit dem Miguel de Cervantes (1547–1616) dieser Gattung nahesteht, ist die Szene, in welcher der Protagonist mit Weinschläuchen kämpft (1,4,4), deutlich als Pendant zum Schlusskapitel am



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Ende von Buch 2 des Goldenen Esels zu erkennen, wo Lucius sich ahnungslos lächerlich macht. Aber hat jemals jemand diesen und weitere in Frage kommende neuzeitliche Romane mit den Methoden der modernen Komparatistik nach Intertextualität mit dem Roman des Apuleius durchforscht? Es wäre zu wünschen, dass künftig weitere Untersuchungen zum Nachleben des antiken Erzählers bei seinen späteren ›Kollegen‹ publiziert werden wie die Monographie von Vernon L. Provencal (s. u. S.  731) über die Inspiration, die William Faulkner (1897–1962) für seinen letzten Roman The Reivers (deutscher Titel: »Die Spitzbuben«) vom Goldenen Esel empfing; ein Signal gibt dort bereits die Tatsache, dass ein elfjähriger Knabe namens Lucius Priest auftritt. Wer fahndet in anderen Romanen nach solchen Signalen? Comparatistae, quaerite: inveniebitis!1 Warum ein neuer Tusculum-Esel? Seit 1958 befindet sich in der Sammlung Tusculum eine deutsche Übersetzung des Goldenen Esels, die sich bald nach dem Erscheinen größter Beliebtheit erfreute und 2012 in sechster Auflage erschien. Zwei Jahre vorher hatte Rudolf Helm, der Herausgeber der bis in jüngste Zeit textkritisch verlässlichsten Edition, eine Verdeutschung in der DDR-Sammlung Schriften und Quellen der Alten Welt publiziert, die allein schon wegen des wesentlich geringeren Kaufpreises viele Freunde fand. Man darf also fragen, weshalb ich mit dem vorliegenden Band eine neue Wiedergabe des Romans vorlege. Dazu ist 1

Das Nachleben des Goldenen Esels ist für die Zeit von der Antike bis zur Renaissance durch mehrere glänzende Untersuchungen gründlich erforscht (s. S. 730f.). Für eine Skizze der anschließenden Rezeption bis in unsere Zeit konnte ich, wenn ich nicht wie im Falle des Hans Sachs über eigenständig erworbenes Wissen verfügte, nur auf den Apuleius-Artikel von Robert Carver und Ingo Schaaf im Supplementband I, 7 des Neuen Pauly rekurrieren.

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zunächst zu sagen, dass der Goldene Esel erst seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts auf der Basis der modernen Literaturwissenschaft analysiert wurde. Es war, wie erwähnt, eine Gruppe von Latinisten an der Rijksuniversiteit Groningen, die unter Rückgriff auf neueste Erkenntnisse u.a. der Lexikographie und der Linguistik alle elf Bücher in zehn umfangreichen Bänden (s. S. 725), deren letzter 2021 herauskam, minutiös kommentierten, dabei an vielen Stellen den Text emendierten und das Verständnis des Inhalts besser erschlossen, als es je zuvor geschehen war. Davon hat aber bisher keine deutsche Übersetzung profitiert. Hinzu kommt, dass das von Helm und Brandt/Ehlers geschriebene Deutsch einer antiquierten Diktion verpflichtet ist, die bis über den Zweiten Weltkrieg hinaus stark unter dem Einfluss der Lutherbibel und des Klassizismus der Goethe­zeit stand. Veraltet sind beide Übersetzungen auch darin, dass die Erforschung der antiken Sexualität, die im Goldenen Esel eine große Rolle spielt, erst Ende des 20. Jahrhunderts zu überzeugenden Resultaten kam. Man nehme nur den Begriff cinaedus, der z. B. in 8,24,2 fällt. Gemeint ist ein erwachsener Mann, der den passiven Part des Penetrierten in einer mann-männlichen Beziehung übernimmt – nicht in einer homosexuellen; der antike Geschlechterdiskurs kennt weder diesen Terminus noch zählt er Kinäden zum maskulinen gender. Bei Helm wird das Wort ebenso undifferenziert wie diskriminierend mit »Buhlknabe« (S. 269), bei Brandt/Ehlers aus derselben Haltung heraus mit »Lüstling« wiedergegeben. Helm bemühte sich immerhin darum, den lateinischen Text denkbar wörtlich zu übertragen. Dabei orientierte er sich allerdings insofern an der Zielsprache, als er spezifisch lateinische Redewendungen und vor allem eigenwillig gewählte Metaphern der gängigen deutschen Idiomatik anpasste. Das war zu seiner Zeit auch kein Problem, da Bilinguen überwiegend von Interessierten benutzt wurden, die, weil sie auf dem Gymnasium den primär am Übersetzen orientierten Lateinunterricht in neun bzw. sieben Jahren mit jeweils bis zu sieben Wochenstunden durchlaufen hatten, keine Schwierig-



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keiten dabei hatten, mit Hilfe einer freien Wiedergabe den Originalwortlaut zu verifizieren; es gelang ihnen auch ohne Weiteres mit den meist von der lateinischen Vorlage erheblich abweichenden metrischen Verdeutschungen von Dichtung. Das gilt ganz und gar nicht mehr. Wer heute das Große Latinum ablegt – und das ist für Neuphilologen, für die Texte wie der Goldene Esel interessant sind, nicht mehr wie früher Voraussetzung für ihr Studium –, verfügt in der Regel nicht über wirklich solide Sprachkenntnisse, und solche werden auch vom Gros der Latinistikstudenten nicht erworben. Deshalb muss meines Erachtens eine Bilingue in unserer Zeit ermöglichen, dass der Blick ›von rechts nach links‹ bequem das Pendant zu einer schwierigen Stelle des deutschen Textes im lateinischen finden und die Grammatik nachvollziehen kann. Hätte ich also Helm überarbeiten wollen, wäre zu viel umzuschreiben gewesen. Außerdem wimmelt es bei ihm von Lexemen und Syntagmen, die im 21. Jahrhundert kaum jemand versteht: »hochnotpeinliche Befragung« für quaestio (3,8,7), »toller Bauch« für saeviens venter (4,7,3), »Pfühl« für torus (4,8,3; so auch Brandt/Ehlers), »nächtliche Gesichte« für quietis imagines (4,27,5), »Kebse« für die in paelicatus steckende paelex (5,30,2), generell »allein« statt »aber«, »also« statt »folgendermaßen«, »vergessen« und »genießen« mit Genitiv, poetische Ellipse beim Partizip Präteritum (z. B. S. 203 »verkünde, weshalb du gekommen«) usw. – die Reihe ließe sich beliebig vermehren. Die Version von Brandt/Ehlers wäre für eine Überarbeitung sogar absolut ungeeignet. Denn abgesehen davon, dass sie permanent dieselben obsoleten Formulierungen aufweist wie Helms Verdeutschung (z. B. 5,12,6 »dräuend« für prominentes oder 8,11,4 »sie trat zu seinen Häupten« für supersistit) ist hier die Wiedergabe des Originals größtenteils so frei, dass man diese Übersetzung eigentlich nicht als solche, sondern eher als Adaption bezeichnen kann. Wüsste man nicht, dass dem deutschen Text von Brandt/Ehlers der Asinus aureus zugrunde liegt, könnte man denken, man habe einen Antike-Roman des 19. Jahrhunderts vor sich. Auffällig ist nament-

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lich die Vorliebe für spezifisch deutsche Wendungen bildlicher Diktion, die das Lateinische bestenfalls vom Sinn her vorgibt. So wird aus 3,16,7 de fuga consilium tenebam »überlegte, ob ich mich nicht aus dem Staube machen sollte«, aus 8,25,1 modestus homo »eine Seele von Mensch« oder aus 9,4,5 is gracili pauperie laborans »Der Mann hatte seine Not mit Meister Schmalhans«. Altphilologen hatten früher mit antiker Erotik größte Probleme, weshalb z.B. in der älteren lateinisch-englischen Martial-Bilingue der Loeb Classical Library obszöne Passagen italienisch wiedergegeben sind. Die extrem androzentrische deutsche Latinistik glaubte in der Regel, sich, wenn es um Sex geht, etwas salopp und verharmlosend zugleich ausdrücken zu müssen, und das ist für Brandt/Ehlers charakteristisch; so ›übersetzen‹ sie etwa 9,5,2 dum Veneris conluctationibus securius operantur mit »wie sie sich recht gemütlich im Bett balgen«. Daraus ergibt sich, dass sie bei Bezeichnungen von Frauen immer wieder die Grenze zu Sexismus und Diskriminierung überschreiten (ohne dass ihnen das bewusst gewesen sein dürfte): Z. B. wird aus 1,22,1 adulescentula »ein junges Ding«, 4,12,4 erscheint nequissima illa rechts als »Weibsluder«, ist 7,9,5 talis aetatula für eine junge Frau »so etwas Knuspriges«, oder der Ablativus qualitatis astu meretricio (9,7,6) wird zu »wie die Flittchen sind« aufgelöst. Man wundert sich eigentlich, warum nicht »Flitscherl« gewählt wurde, wo doch für saviolum in 2,10,3 »Busserl« steht. Bei meinem Streben, so wörtlich zu übersetzen, wie es nur irgend ging, war eines nicht durchführbar: den Wechsel des Stilniveaus oder gar Klangspiele zu transponieren. Brandt und Ehlers versuchen, um wenigstens ein Beispiel zu liefern, Letzteres mit 5,12,1: Nuntio Psyche laeta florebat et divinae subolis solacio plaudebat et futuri pignoris gloria gestiebat et materni nominis dignitate gaudebat. »Wie Psyche diese Nachricht beglückte und der kleine himmlische Tröster entzückte und das künftige Liebespfand jubeln hieß und des Mutternamens Würde strahlen ließ!«



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Allein schon die Nachahmung der Reime im Lateinischen wirkt bemüht, ja geradezu albern, und eine Übersetzung ist das nicht, weil wörtlich wie folgt wiederzugeben wäre: Bei der Nachricht erblühte Psyche froh gestimmt, klatschte in die Hände beim trostreichen Gedanken an einen göttlichen Nachwuchs, jubelte über den Ruhm des künftigen Liebespfandes und freute sich über die Würde des Namens ›Mutter‹.

Eines freilich erscheint mir unmöglich auf einen deutschen Text übertragbar: die Spezialität der Erzählweise des Goldenen Esels, sehr häufig das historische Präsens zu gebrauchen und dadurch bestimmte Ereignisse geschehensnah vor Augen zu führen. Natürlich kann auch unsere Sprache das leisten (»Ich ging gestern spazieren. Da sehe ich plötzlich …«). Aber was im Deutschen denn doch nicht funktioniert, praktiziert Apuleius den ganzen Roman hindurch immer wieder: Er wechselt innerhalb eines Satzes mehrfach das Tempus oder verknüpft mit einem Hauptsatz im Präsens einen Nebensatz im Imperfekt oder Perfekt, behandelt das Präsens also wie ein historisches Perfekt. Hier ein einfaches Beispiel (8,19,1): Interea quidam senex de summo colle prospectat, quem circum capellae pascentes opilionem esse profecto clamabant.

Bei wörtlicher Wiedergabe der beiden Tempora hieße das: Inzwischen hält von einem Hügel oben ein alter Mann Ausschau, um den herum weidende Ziegen wahrhaft deutlich machten, dass er ein Hirte war.

Entsprechend liest man bei Helm, der die Tempora des Originals in der Regel ins Deutsche übernimmt, »schaut / verrieten« und bei Brandt/Ehlers, die ebenso verfahren, »blickt / verrieten«. Aber meiner Meinung nach verträgt das Deutsche das nicht. In den Groninger Kommentaren, denen eine denkbar wörtliche englische Übertragung beigefügt ist, steht überwiegend das past tense für das

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historische Präsens, dieses wird aber gelegentlich übernommen, ohne dass man einen Grund dafür erfährt. Erst im jüngsten Band, der Leonardo Costantinis Erläuterungen zu Buch 3 von 2021 enthält, ist das lateinische historische Präsens konsequent im Präteritum wiedergegeben, und dem habe ich mich angeschlossen. Doch nun soll es genug sein mit der Übersetzungstheorie. Die Verdeutschungen von Helm und Brandt/Ehlers erfüllten zu ihrer Zeit voll und ganz die Erwartungen, die ihre Leser an sie richteten. Wer den Goldenen Esel einfach zum Vergnügen ohne Blick auf das Original kennenlernen möchte, dem sei die ältere Tusculum-Ausgabe sogar dringend empfohlen. Aber für moderne Verdeutschungen gilt: tempora mutantur. Ich hoffe, dass meine Wiedergabe des lateinischen Textes einigermaßen den Voraussetzungen Rechnung trägt, unter denen im 21. Jahrhundert Latein gelernt wird, und dem heute erwarteten Sprachgebrauch möglichst nahe kommt. So bleibt mir denn, mich bei denjenigen, die mir während meiner Arbeit an dem vorliegenden Band zur Seite standen, zu bedanken. Für die Durchsicht der Übersetzung des Asinus aureus gebührt mein Dank wieder einmal Torben Behm und Regina Höschele, für die Verdeutschung und Kommentierung von (Ps.?-)Lukian, Lukios oder Der Esel Rolf Kussl. Es verdient höchste Bewunderung, dass der Weggefährte seit meinen frühesten Tagen an der LMU München neben seiner aufreibenden Tätigkeit als Ministerialrat, der für die beiden alten Sprachen an Bayerns Gymnasium zuständig ist, die Zeit fand, sich mit dem griechischen Text auseinanderzusetzen, und dabei z. B. die für das Verständnis der erotischen Kapitel 9 und 10 erforderliche Terminologie hellenischer Ringkämpfe erstmals in einer deutschen Übersetzung berücksichtigte. Danken möchte ich last not least auch Leonardo Costantini, Christine Jackson-Holzberg, Wytse Keulen, Costas Panayotakis, Stefan Tilg, Maaike Zimmerman und Bernhard Zimmermann, die mir wertvolle Hinweise gaben. Gewidmet sei dieser Band Lavinia Stumpf, die – wie vor ihr und z.  T. noch gleichzeitig Regina Höschele, Heike Tiefenbacher und



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Maria Anna Oberlinner – in den letzten fünf Jahren mit großem Engagement bei der Organisation der von der Petronian Society ­Munich Section veranstalteten Vortragsabende mitwirkte. Besonderer Dank gilt ihr dafür, dass sie nach den drei Jahren »Corona-Pause« im Januar 2023 die entscheidende Initiative zur Wiederaufnahme dieser Veranstaltungen ergriff und wichtige Anregungen für ein neues Konzept der künftigen Durchführung gab. München, im Februar 2023

Niklas Holzberg

Texte und übersetzungen

LIBER I 1 (1) At ego tibi sermone isto Milesio varias fabulas conseram auresque tuas benivolas lepido susurro permulceam, modo si papyrum Aegyptiam argutia Nilotici calami inscriptam non spreveris inspicere. (2) figuras fortunasque hominum in alias imagines conversas et in se rursum mutuo nexu refectas, ut mireris, exordior. (3) ‘quis ille?’ paucis accipe. Hymettos Attica et Isthmos Ephyraea et Taenaros Spartiatica, glebae felices aeternum libris felicioribus conditae, mea vetus prosapia est. (4) ibi linguam Atthida primis pueritiae stipendiis merui. mox in urbe Latia advena studiorum Quiritium indigenam sermonem aerumnabili labore nullo magistro praeeunte aggressus excolui. (5) en ecce praefamur veniam, siquid exotici ac forensis sermonis rudis locutor offendero. (6) iam haec equidem ipsa vocis immutatio desultoriae scientiae stilo, quem accersimus, respondet. fabulam Graecanicam incipimus. lector, intende: laetaberis. 2 (1) Thessaliam – nam et illic originis maternae nostrae fundamenta a Plutarcho illo inclito ac mox Sexto philosopho nepote eius prodita gloriam nobis faciunt – eam Thessaliam ex negotio petebam. (2) postquam ardua montium et lubrica vallium et roscida cespitum et glebosa camporum 〈emensus〉 emersi in equo indigena

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Buch 1 1 (1) Doch ich möchte für dich in jener milesischen Redeweise verschiedenartige Geschichten miteinander verknüpfen und deine Ohren, um sie geneigt zu machen, mit charmantem Geflüster streicheln, sofern du nur einen ägyptischen Papyrus, der mit der Geschliffenheit eines Schilfrohrs vom Nil beschrieben ist, einzusehen nicht verachtest. (2) Von menschlichen Gestalten und Geschicken, die in andere Erscheinungen verwandelt und zu sich wieder in wechselseitiger Verbindung zurückgebildet wurden, fange ich, damit du staunst, jetzt an. (3) »Wer ist das hier?« Vernimm es in wenigen Worten. Der attische Hymettus, der ephyräische Isthmus und der spartanische Tänarus, fruchtbare Ländereien, auf ewig in noch fruchtbareren Büchern gehortet, sind mein altehrwürdiger Stammbaum. (4) Dort leistete ich mit der attischen Sprache meine Dienstzeit in den ersten Feldzügen des Knabenalters ab. Bald darauf nahm ich in der lateinischen Stadt, ein Neuling in den literarischen Studien der Quiriten, die einheimische Sprache mit qualvoller Mühe und ohne Anleitung durch einen Lehrer in Angriff und verfeinerte sie. (5) Da, schau, ich bitte schon im Voraus um Verzeihung, falls ich etwa als unerfahrener Sprecher der mir fremden Redeweise des Forums Anstoß errege. (6) Jetzt jedenfalls stimmt eben diese Modulation der Stimme überein mit dem Stil der Kunst eines Zirkusreiters, an den ich mich gemacht habe. Eine Geschichte griechischen Ursprungs beginnen wir. Leser, pass auf: Du wirst deinen Spaß haben. 2 (1) Thessalien – denn auch dort bringt die Grundlage meiner Abstammung mütterlicherseits, bekannt gemacht von jenem berühmten Plutarch und danach von dem Philosophen Sextus, seinem Neffen, mir Ruhm – dieses Thessalien suchte ich von Geschäfts wegen auf. (2) Nachdem ich die Steilhöhen der Berge, die glitschigen Pfade der Täler, die betauten Wege der Wiesengründe und die klumpigen Böden der Äcker durchmessen hatte und davon

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peralbo vehens, iam eo quoque admodum fesso (3) ut ipse etiam fatigationem sedentariam incessus vegetatione discuterem, in pedes desilio, equi sudorem fronde curiose exfrico, auris remulceo, frenos detraho, in gradum lenem sensim proveho, quoad lassitudinis incommodum alvi solitum ac naturale praesidium eliquaret. (4) ac dum is ientaculum ambulatorium prata, quae praeterit, ore in latus detorto pronus adfectat, duobus comitum, qui forte paululum processerant, tertium me facio. (5) ac dum ausculto, quid sermonis agitarent, alter exerto cachinno ‘parce’ inquit ‘in verba ista haec tam absurda tamque immania mentiendo.’ (6) Isto accepto sititor alioquin novitatis ‘immo vero’ inquam ‘impertite sermones non quidem curiosum, sed qui velim scire vel cuncta vel certe plurima. simul iugi, quod insurgimus, aspritudinem fabularum lepida iucunditas levigabit.’ 3 (1) At ille, qui coeperat, ‘ne’ inquit ‘istud mendacium tam verum est, quam siqui velit dicere magico susurramine amnes agiles reverti, mare pigrum conligari, ventos inanimes exspirare, solem inhiberi, lunam despumari, stellas evelli, diem tolli, noctem teneri.’ (2) Tunc ego in verba fidentior ‘heus tu,’ inquam ‘qui sermonem ieceras priorem, ne pigeat te vel taedeat reliqua pertexere.’ et ad

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losgekommen war, wobei ich auf einem einheimischen schneeweißen Pferd ritt, sprang ich, weil dieses gleichfalls schon sehr erschöpft war, (3) um auch selbst die Sitzmüdigkeit durch die belebende Bewegung des Dahinschreitens abzuschütteln, herab auf die Füße, rieb dem Pferd den Schweiß mit Laub sorgfältig ab, strich ihm sanft die Ohren zurück, zog das Zaumzeug ab und führte es sachte in langsamem Schritt weiter, bis ihm das Beschwerliche der Erschöpfung der gewöhnliche und natürliche Schutzmechanismus des Darms herausfließen ließ. (4) Und während es sich an ein im Gehen einzunehmendes Frühstück – die Wiesen, an denen es vorbeiging – mit zur Seite gedrehtem Maul und vornüber gebeugt begierig heranmachte, machte ich mich zwei Gefährten, die gerade ein Stückchen vorausgegangen waren, zum dritten. (5) Und während ich die Ohren spitzte, um zu hören, was sie bei ihrer Unterhaltung besprachen, sagte der eine mit überschwänglichem Gelächter: »Hör auf, in diesen deinen Worten diese so abgeschmackten und so ungeheuerlichen Lügen vorzubringen!« (6) Als ich das vernommen hatte, ich, ein an sich schon nach Neuigkeiten Dürstender, sagte ich: »Nein, im Gegenteil, lasst teilhaben an euren Gesprächen mich, der ich zwar nicht neugierig bin, aber entweder alles oder wenigstens sehr viel wissen möchte. Zugleich wird uns die charmante Annehmlichkeit von Geschichten die Rauheit des Hügels, den wir besteigen, erleichtern.« 3 (1) Doch der, welcher angefangen hatte, sagte: »In der Tat, diese Lüge da ist so wahr, wie wenn jemand behaupten wollte, aufgrund von magischem Geflüster könnten Flüsse schnell rückwärts fließen, das Meer bis zur Trägheit in Fesseln gelegt werden, Winde ihren letzten Atem aushauchen, die Sonne behindert, der Schaum vom Mond herabgezogen, die Sterne herausgerissen, der Tag entfernt und die Nacht festgehalten werden.« (2) Da sagte ich mit mehr Entschlossenheit zu reden: »He du, der du vorhin die Geschichte von dir gegeben hast, es soll dich nicht verdrießen oder gar ekeln, das Übrige zu Ende abzuspulen.« Und

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alium ‘tu vero crassis auribus et obstinato corde respuis, quae forsitan vere perhibeantur. (3) minus hercule calles pravissimis opinionibus ea putari mendacia, quae vel auditu nova vel visu rudia vel certe supra captum cogitationis ardua videantur. quae si paulo accuratius exploraris, non modo compertu evidentia, verum etiam factu facilia senties. 4 (1) Ego denique vespera, dum polentae caseatae modico secus offulam grandiorem in convivas aemulus contruncare gestio, mollitie cibi glutinosi faucibus inhaerentis et meacula spiritus distinentis minimo minus interii. (2) et tamen Athenis proxime et ante Poecilen porticum isto gemino obtutu circulatorem aspexi equestrem spatham praeacutam mucrone infesto devorasse (3) ac mox eundem invitamento exiguae stipis venatoriam lanceam, qua parte minatur exitium, in ima viscera condidisse. (4) et ecce pone lanceae ferrum, qua bacillum inversi teli ad occipitium per ingluviem subit, puer in mollitiem decorus insurgit inque flexibus tortuosis enervam et exossam saltationem explicat cum omnium, qui aderamus, admiratione. (5) diceres dei medici baculo, quod ramulis semiamputatis nodosum gerit, serpentem generosum lubricis amplexibus inhaerere. (6) sed iam cedo tu sodes, qui coeperas, fabulam remetire. ego tibi solus haec pro isto credam et, quod ingressui primum fuerit stabulum, prandio participabo. haec tibi merces deposita est.’

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zu dem anderen: »Du aber weist mit verstopften Ohren und verstocktem Herzen zurück, was vielleicht wahrheitsgemäß erzählt wird. (3) Beim Herkules, du begreifst nicht, dass aufgrund verkehrter Meinungen das für Lüge gehalten wird, was zu hören neu oder zu sehen ungewohnt oder jedenfalls über die Fassungskraft des Denkens hinaus zu schwierig erscheint. Wenn du das ein wenig sorgfältiger erkundest, wirst du nicht nur merken, dass es klar zu verstehen ist, sondern auch, dass es leicht geschehen kann. 4 (1) Ich zum Beispiel wäre gestern Abend, während ich nicht viel mehr als einen größeren Klumpen von Käse umhüllter Gerstengrütze mit den Tischgefährten im Wettbewerb zu vertilgen suchte, infolge der Weichheit der klebrigen Speise, die in meiner Kehle festhing und meine Atemwege blockierte, beinahe gestorben. (2) Und dennoch habe ich neulich in Athen, und zwar vor der Stoa poikile, mit diesen beiden Augen hier einen Zirkuskünstler gesehen, wie er ein sehr scharfes Reiterschwert mit einer tödlichen Spitze verschlang, (3) und bald darauf denselben, wie er, verlockt durch einen geringen Geldbetrag, einen Jagdspeer mit dem Teil, von dem der Tod droht, tief in den Eingeweiden verschwinden ließ. (4) Und siehe da, hinter dem Stahl des Speers, wo der Schaft der umgedrehten Waffe nahe seinem Hinterkopf aus seinem Rachen hervorragte, erhob sich ein Junge, schön in seiner geradezu weiblichen Zartheit, und entfaltete mit gewundenen Biegungen einen geschmeidigen und gelenkigen Tanz zur Bewunderung von uns allen, die wir dabei waren. (5) Du hättest gesagt, an dem Stab des Heilgottes, den er trägt, knorrig wie der mit halb gestutzten Zweigen ist, hänge die edle Schlange in schlüpfrigen Windungen. (6) Doch jetzt heraus damit, bitte, du, der du angefangen hattest, lege den Weg deiner Geschichte wieder zurück. Ich für mein Teil werde es dir allein glauben anstelle von dem da, und was das erste Wirtshaus beim Betreten der Stadt ist, werde ich dich an meinem Essen teilhaben lassen. Dies ist der für dich beiseite gelegte Lohn.«

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5 (1) At ille: ‘istud quidem, quod polliceris, aequi bonique facio, verum quod inchoaveram porro exordiar. sed tibi prius deierabo Solem istum 〈omni〉videntem deum me vera comperta memorare. (2) nec vos ulterius dubitabitis, si Thessalicam proximam civitatem perveneritis, quod ibidem passim per ora populi sermo iactetur, quae palam gesta sunt. (3) sed ut prius noritis, cuiatis sim, qui sim: 〈Aristomenes sum〉 Aegiensis. audite et quo quaestu me teneam: melle vel caseo et huiusce modi cauponarum mercibus per Thessaliam Aetoliam Boeotiam ultro citro discurrens. (4) comperto itaque Hypatae, quae civitas cunctae Thessaliae antepollet, caseum recens et sciti saporis admodum commodo pretio distrahi festinus accucurri id omne praestinaturus. (5) sed, ut fieri adsolet, sinistro pede profectum me spes compendii frustrata est. omne enim pridie Lupus negotiator magnarius coemerat. ergo igitur inefficaci celeritate fatigatus commodum vespera oriente ad balneas processeram. 6 (1) Ecce Socraten contubernalem meum conspicio. humi sedebat scissili palliastro semiamictus, paene alius lurore, ad miseram maciem deformatus, qualia solent Fortunae decermina stipes in triviis erogare. (2) hunc talem, quamquam necessarium et summe cognitum, tamen dubia mente propius accessi. “hem,” inquam “mi Socrates, quid istud? quae facies? quod flagitium! at vero domi tuae iam defletus et conclamatus es, liberis tuis tutores iuridici provincialis decreto dati, (3) uxor persolutis feralibus officiis luctu et mae-

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5 (1) Und der: »Klar, was du da versprichst, ist für mich okay, aber was ich begonnen hatte, werde ich weiterhin entfalten. Doch zuvor will ich dir bei Sol, diesem alles sehenden Gott, schwören, dass ich erzähle, was ich als wahr erfahren habe. (2) Und ihr werdet nicht weiter unterschiedlicher Meinung sein, wenn ihr in die nächste thessalische Stadt kommt, weil eben dort quer durch die Münder des Volkes das Gerede hin und her geschleudert wird, was öffentlich geschehen ist. (3) Doch damit ihr zuvor wisst, woher ich bin, wer ich bin: Ich bin Aristomenes der Ägienser. Hört auch, mit welchem Gewerbe ich meinen Lebensunterhalt bestreite: indem ich mit Honig oder Käse und Waren dieser Art für Kneipenwirte durch Thessalien, Ätolien und Böotien hin und her eile. (4) Da ich also erfahren hatte, dass in Hypata, der Stadt, die in ganz Thessalien die Vormachtstellung hat, frischer Käse mit erlesenem Geschmack in Mengen für einen sehr günstigen Preis verkauft werde, eilte ich schnellstens hin, um das alles zu kaufen. (5) Doch wie es zu geschehen pflegt, wenn ich mit dem linken Fuß zuerst aufgebrochen bin, täuschte mich die Hoffnung auf Gewinn. Denn alles hatte am Tag zuvor der Großhändler Lupus aufgekauft. So war ich denn, von der unergiebigen Hast erschöpft, als gerade der Abendstern aufging, ins Bad gegangen. 6 (1) Sieh da, ich erblickte Sokrates, meinen alten Kameraden! Er saß am Boden, von einem zerrissenen Mantel nur halb verhüllt, beinahe ein anderer wegen seiner Blässe, bis zu erbärmlicher Magerkeit entstellt, wie die Ausgestoßenen Fortunas, die an den Dreiwegen um Almosen zu betteln pflegen. (2) An ihn in einem solchen Zustand trat ich, obwohl er ein enger Freund und mir bestens bekannt war, dennoch mit zweifelndem Sinn näher heran. ›O je,‹ sagte ich, ›mein Sokrates, was bedeutet das hier? Was für ein Anblick! Was für eine Schande! Doch bei dir zu Hause bist du als tot beweint und begraben, deinen Kindern sind Vormünder nach Verfügung des Provinzialrichters gegeben, (3) deine Frau ist nach Erfüllung der Bestattungspflichten durch langes Trauern und Klagen

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rore diuturno deformata diffletis paene ad extremam captivitatem oculis suis domus infortunium novarum nuptiarum gaudiis a suis sibi parentibus hilarare compellitur. at tu hic larvale simulacrum cum summo dedecore nostro viseris.” (4) “Aristomene,” inquit “ne tu fortunarum lubricas ambages et instabiles incursiones et reciprocas vicissitudines ignoras.” et cum dicto sutili centunculo faciem suam iam dudum punicantem prae pudore obtexit ita, ut ab umbilico pube tenus cetera corporis renudaret. (5) nec denique perpessus ego tam miserum aerumnae spectaculum iniecta manu, ut adsurgat, enitor. 7 (1) At ille, ut erat, capite velato “sine, sine” inquit “fruatur diutius tropaeo Fortuna, quod fixit ipsa.” (2) Effeci sequatur, et simul unam e duabus laciniis meis exuo eumque propere vestio dicam an contego et ilico lavacro trado. (3) quod unctui, quod tersui, ipse praeministro, sordium enormem illuviem operose effrico, probe curato ad hospitium lassus ipse fatigatum aegerrime sustinens perduco, lectulo refoveo, cibo satio, poculo mitigo, fabulis permulceo. (4) iam adlubentia proclivis est sermonis et ioci et scitum [et] cavillum, iam dicacitas mimica, cum ille imo de pectore cruciabilem suspiritum ducens dextra saeviente frontem replaudens (5) “me miserum,” infit “qui, dum voluptatem gladiatorii spectaculi satis famigerabilis consector, in has aerumnas incidi. (6) nam, ut scis optime, secundum quaestum Macedoniam

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entstellt, und nachdem sie fast bis zum endgültigen Verlust der Sehkraft ihre Augen ausgeweint hat, wird sie von ihren eigenen Eltern gedrängt, das Unglück des Hauses durch die Freuden einer neuen Ehe aufzuheitern. Doch du wirst hier als gespenstisches Schattenbild zu unserer höchsten Schande erblickt.‹ (4) ›Aristomenes‹, sagte er, ›du kennst wahrhaftig nicht die unsicheren Zweideutigkeiten, unaufhörlichen Attacken und ständig ins Gegenteil umschlagenden Wechselfälle der Geschicke.‹ Und mit diesen Worten bedeckte er durch den geflickten Lumpenmantel sein schon längst vor Scham blutrotes Gesicht so, dass er vom Nabel bis zum Geschlechtsteil den übrigen Körper entblößte. (5) Schließlich ertrug ich nicht mehr den so jämmerlichen Anblick seiner Qual, ergriff ihn und bemühte mich darum, dass er aufstand. 7 (1) Doch er sagte mit verhülltem Haupt, wie er war: ›Lass, ja lass doch Fortuna sich noch länger an dem Siegesmal ergötzen, das sie selbst aufgestellt hat!‹ (2) Ich brachte ihn dazu, mir zu folgen, und zugleich zog ich eines von meinen zwei Kleidungsstücken aus und hastig – soll ich sagen: bekleidete ich oder bedeckte ich ihn, und sofort übergab ich ihn dem Bad. (3) Etwas zum Einsalben, etwas zum Abtrocknen reichte ich ihm selbst, rieb ihm die gewaltige Schmutzschicht mühsam ab, führte ihn, als das ordentlich erledigt war, zu der Unterkunft, wobei ich, selbst ermattet, den Ermüdeten kaum aufrecht halten konnte, belebte ihn neu durch ein Bett, sättigte ihn mit Speise, stimmte ihn mild mit einem Trank und beruhigte ihn mit Geschichten. (4) Nun gab es ein eifriges Bedürfnis nach Plaudern und Scherz sowie gewitztes Frotzeln, nun Stichelei nach Art der Mimen, als er plötzlich aus tiefster Brust einen herzzerreißenden Seufzer ausstieß und, während er sich mit der wütenden Rechten wieder und wieder an die Stirn schlug, zu sprechen begann: (5) ›Ich Elender, der ich, während ich dem Vergnügen einer sehr gerühmten Gladiatoren-Show nachging, in diese Kalamitäten geraten bin! (6) Denn als ich, wie du sehr gut weißt, um meiner Erwerbstätigkeit nachzu-

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profectus, dum mense decimo ibidem attentus nummatior revortor, modico prius quam Larissam accederem per transitum spectaculum obiturus, in quadam avia et lacunosa convalli a vastissimis latronibus obsessus atque omnibus privatus tandem evado. (7) et utpote ultime adfectus ad quandam cauponam Meroen, anum sed admodum scitulam, devorto eique causas et peregrinationis diuturnae et domuitionis anxiae et spoliationis [diuturnae et dum] miserae refero. (8) quae me nimis quam humane tractare adorta cenae gratae atque gratuitae ac mox urigine percita cubili suo adplicat. (9) et statim miser, ut cum illa adquievi, ab unico congressu annosam ac pestilentem contraho (10) et ipsas etiam lacinias, quas boni latrones contegendo mihi concesserant, in eam contuli, operulas etiam, quas adhuc vegetus saccariam faciens merebam, quoad me ad istam faciem, quam paulo ante vidisti, bona uxor et mala fortuna perduxit.” 8 (1) “Pol quidem tu dignus” inquam “es extrema sustinere, si quid est tamen novissimo extremius, qui voluptatem veneriam et scortum scorteum lari et liberis praetulisti.” (2) At ille digitum a pollice proximum ori suo admovens et in stuporem attonitus “tace, tace” inquit et circumspiciens tutamenta sermonis “parce” inquit “in feminam divinam, ne quam tibi lingua intemperante noxam contrahas.” (3) “Ain tandem?” inquam. “potens illa et regina caupona quid mulieris est?”

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gehen, nach Mazedonien gereist war, wurde ich, während ich im zehnten Monat aufgrund meiner Beschäftigung ebendort mit mehr Pinke im Sack zurückkehrte, kurz bevor ich nach Larissa kam, um auf der Durchreise die Show zu besuchen, in einem abgelegenen und schluchtenreichen Tal von riesigen Räubern überfallen, und all meines Besitzes beraubt, entkam ich schließlich. (7) Und da ich natürlich aufs Äußerste erschöpft war, stieg ich bei einer Schankwirtin Meroë ab, einer alten Frau, die aber sehr sexy war, und ich erzählte ihr die Gründe für meine lange Reise in die Fremde, für meine angstvolle Heimreise und die klägliche Beraubung. (8) Sie begann, mich weit mehr als menschlich zu behandeln, und zog mich an sich zu einem köstlichen und kostenlosen Mahl sowie, schon bald von Geilheit heftig erregt, in ihr Bett. (9) Und sofort zog ich Armer mir, sobald ich mit ihr geschlafen hatte, von dem einen einzigen Koitus her ein jahrelanges Verderben zu, (10) und selbst die Kleidungsstücke, die mir die guten Räuber zu meiner Bedeckung zugestanden hatten, gab ich ihr, ja sogar den kleinen Lohn, den ich, noch kräftig, als Lastträger verdiente, bis mich zu diesem Aussehen, das du kurz zuvor gesehen hast, meine gute Gattin und ein böses Schicksal gebracht hat.‹ 8 (1) ›Beim Pollux, du jedenfalls verdienst es,‹ sagte ich, ›das Schlimmste zu ertragen, wenn es doch noch etwas Schlimmeres gibt als dein jüngstes Leid, der du die sexuellen Freuden und eine verhurte Hure deinem eigenen Herd und deinen Kindern vorgezogen hast.‹ (2) Doch der bewegte den Finger, der dem Daumen am nächsten ist, zu seinem Mund und sagte erschrocken bis zur Erstarrung: ›Schweig, schweig!‹, und indem er sich nach Schutz für unsere Unterhaltung umsah, sagte er: ›Unterlass es, schlecht von der göttlichen Frau zu reden, damit du dir nicht durch deine zügellose Zunge irgendeinen Schaden zuziehst!‹ (3) ›Was sagst du da?‹, sagte ich. ›Diese Mächtige und Königin der Schankwirtinnen, was für eine Art von Frau ist sie?‹

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(4) “Saga” inquit “et divini potens caelum deponere, terram suspendere, fontes durare, montes diluere, manes sublimare, deos infimare, sidera exstinguere, Tartarum ipsum inluminare.” (5) “Oro te,” inquam “aulaeum tragicum dimoveto et siparium scaenicum complicato et cedo verbis communibus.” (6) “Vis” inquit “unum vel alterum, immo plurima eius audire facta? nam ut se ament efflictim non modo incolae, verum etiam Indi vel Aethiopes utrique vel ipsi Anticthones, folia sunt artis et nugae merae. sed quod in conspectu plurium perpetravit, audi. 9 (1) Amatorem suum, quod in aliam temerasset, unico verbo mutavit in feram castorem, (2) quod ea bestia captivitati metuens ab insequentibus se praecisione genitalium liberat, ut illi quoque simile [quod venerem habuit in aliam] proveniret. (3) cauponem quoque vicinum atque ob id aemulum deformavit in ranam et nunc senex ille dolio innatans vini sui adventores pristinos in faece submissus officiosis roncis raucus appellat. (4) alium de foro, quod adversus eam locutus esset, in arietem deformavit et nunc aries ille causas agit. (5) eadem amatoris sui uxorem, quod in eam dicacule probrum dixerat, iam in sarcina praegnationis obsepto utero et repigrato fetu perpetua praegnatione damnavit et, (6) ut cuncti numerant, iam octo annorum onere misella illa velut elephantum paritura distenditur.

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(4) ›Eine Hexe,‹ sagte er, ›und mit ihrer Macht über das Göttliche fähig, den Himmel herabzuziehen, die Erde aufzuhängen, Quellen hart zu machen, Berge sich auflösen zu lassen, die Manen nach oben zu holen, die Götter nach unten zu bringen, die Sterne auszulöschen, selbst den Tartarus zu erleuchten.‹ (5) ›Ich bitte dich‹, sagte ich, ›entferne den tragischen Vorhang, wickle das Tuch im Bühnenhintergrund auf und her mit gewöhnlichen Worten!‹ (6) ›Willst du‹, sagte er, ›von der einen oder anderen Aktion, ja sogar von sehr vielen ihrer Aktionen hören? Denn dass nicht nur Einheimische, sondern auch Inder oder die beiden Arten von Äthiopiern oder selbst die Antipoden sie bis zum Wahnsinn lieben, sind Blätter vom Baum ihrer Kunst und pure Kleinigkeiten. Doch was sie vor Augen sehr vieler zustande gebracht hat, höre! 9 (1) Ihren Liebhaber hat sie, weil er leichtfertig versucht hatte, bei einer anderen Frau zu landen, mit einem einzigen Wort in einen wilden Biber verwandelt, (2) weil dieses Tier aus Furcht vor Gefangenschaft sich vor seinen Verfolgern durch Abbeißen seiner Geschlechtsteile befreit, damit auch ihm etwas Ähnliches geschehe. (3) Auch verwandelte sie einen Schankwirt in der Nachbarschaft (und deswegen ihr Konkurrent) in einen Frosch, und jetzt schwimmt jener alte Mann in einem Weinfass und begrüßt seine früheren Kunden, in die Hefe eingetaucht, heiser mit unterwürfigem Gequake. (4) Einen anderen vom Forum verwandelte sie, weil er gegen sie plädiert hatte, in einen Widder, und nun führt jener Widder Prozesse. (5) Auch hat sie die Ehefrau ihres Liebhabers, weil die witzelnd Schlechtes über sie gesagt hatte, schon während der Last ihrer Schwangerschaft durch Verschließen des Unterleibs und Zurückhalten der Geburt zu ewiger Schwangerschaft verurteilt, und so wird, (6) wie alle nachzählen können, von der schon acht Jahre alten Bürde jene Arme ausgedehnt, als ob sie einen Elefanten gebären werde.

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10 (1) Quae cum subinde ac multis noceretur, publicitus indignatio percrebruit statutumque, ut in eam die altera severissime saxorum iaculationibus vindicaretur. (2) quod consilium virtutibus cantionum antevortit et, ut illa Medea unius dieculae a Creone impetratis indutiis totam eius domum filiamque cum ipso sene flammis coronalibus deusserat, (3) sic haec devotionibus sepulchralibus in scrobem procuratis, ut mihi temulenta narravit proxime, cunctos in suis sibi domibus tacita numinum violentia clausit, ut toto biduo non claustra perfringi, non fores evelli, non denique parietes ipsi quiverint perforari, (4) quoad mutua hortatione consone clamitarent quam sanctissime deierantes sese neque ei manus admolituros et, si quis aliud cogitarit, salutare laturos subsidium. (5) et sic illa propitiata totam civitatem absolvit. at vero coetus illius auctorem nocte intempesta cum tota domo, id est parietibus et ipso solo et omni fundamento, ut erat clausa, ad centesimum lapidem in aliam civitatem summo vertice montis exasperati sitam et ob id ad aquas sterilem transtulit. (6) et quoniam densa inhabitantium aedificia locum novo hospiti non dabant, ante portam proiecta domo discessit.” 11 (1) “Mira” inquam “nec minus saeva, mi Socrates, memoras. (2) denique mihi quoque non parvam incussisti sollicitudinem, immo vero formidinem, iniecto non scrupulo, sed lancea, ne quo numinis ministerio similiter usa sermones istos nostros anus illa cognoscat. (3) itaque maturius quieti nos reponamus et somno

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10 (1) Weil das wiederholt geschah und vielen geschadet wurde, verbreitete sich Empörung in der Bevölkerung, und man beschloss, dass sie am nächsten Tag sehr streng durch Steinwürfe bestraft werden sollte. (2) Diesem Komplott kam sie mit den Mächten ihrer Zaubergesänge zuvor, und wie die berühmte Medea, nachdem sie von Kreon Burgfrieden für einen einzigen kurzen Tag erlangt hatte, sein ganzes Haus und seine Tochter und den alten Mann selbst mit den Flammen des Kranzes verbrannt hatte, (3) so hat sie, als sie mit nekromantischem Zauber, den sie für die Schaffung eines Grabens vorgenommen hatte, wie sie mir betrunken neulich erzählte, alle in ihren eigenen Häusern durch die unsichtbare Gewalt übernatürlicher Mächte eingeschlossen, so dass ganze zwei Tage lang nicht die Riegel aufgebrochen, nicht die Türflügel ausgehoben, nicht einmal die Wände durchbohrt werden konnten, (4) bis sie nach gegenseitiger Aufforderung einhellig schrien und so feierlich wie möglich schworen, sie würden selbst keine Hand an sie legen und, wenn irgendjemand etwas anderes beabsichtige, ihr rettende Hilfe bringen. (5) Und so versöhnt, erlöste sie die ganze Stadt. Doch den, der zu jener Versammlung angestiftet hatte, transportierte sie in finsterer Nacht mit seinem ganzen Haus, das heißt mit den Wänden und sogar dem Boden und dem ganzen Fundament, verschlossen, wie es war, hundert Meilen weit in eine andere Stadt, die auf dem Gipfel eines rauen Berges lag und deshalb kein Quellwasser hervorbrachte. (6) Und weil die dicht gedrängten Häuser der Einwohner dem neuen Gast keinen Raum gewährten, warf sie das Haus vor das Tor und ging davon.‹ 11 (1) ›Erstaunliches‹, sagte ich, ›und nicht weniger Schreckliches, mein lieber Sokrates, erzählst du. (2) Ja, du hast auch mir keine geringe Sorge, sogar eher Angst erregt, da du nicht mit einem Steinchen, sondern mit einem Speer nach mir geworfen hast, Angst, dass mit einer ähnlichen Unterstützung vonseiten der göttlichen Macht, derer sie sich bedient hat, jene alte Frau von diesen unseren Gesprächen erfährt. (3) Deshalb wollen wir uns früher zur Ruhe

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levata lassitudine noctis antelucio aufugiamus istinc quam pote longissime.” (4) Haec adhuc me suadente insolita vinolentia ac diuturna fatigatione pertentatus bonus Socrates iam sopitus stertebat altius. (5) ego vero adducta fore pessulisque firmatis grabattulo etiam pone cardines supposito et probe adgesto super eum me recipio. (6) ac primum prae metu aliquantisper vigilo, dein circa tertiam ferme vigiliam paululum coniveo. (7) commodum quieveram, et repente impulsu maiore, quam ut latrones crederes, ianuae reserantur, immo vero fractis et evolsis funditus cardinibus prosternuntur. (8) grabattulus alioquin breviculus et uno pede mutilus ac putris impetus tanti violentia prosternitur, me quoque evolutum atque excussum humi recidens in inversum cooperit ac tegit. 12 (1) Tunc ego sensi naturalitus quosdam affectus in contrarium provenire. nam ut lacrimae saepicule de gaudio prodeunt, ita et in illo nimio pavore risum nequivi continere de Aristomene testudo factus. (2) ac dum infimum deiectus obliquo aspectu, quid rei sit, grabattuli sollertia munitus opperior, video mulieres duas altioris aetatis. (3) lucernam lucidam gerebat una, spongiam et nudum gladium altera. hoc habitu Socratem bene quietum circumstetere. (4) infit illa cum gladio: “hic est, soror Panthia, carus Endymion, hic Catamitus meus, qui diebus ac noctibus inlusit aetatulam meam, (5) hic, qui meis amoribus subterhabitis non solum me

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hinlegen und, wenn durch den Schlaf die Müdigkeit genommen ist, in der Nacht vor Tagesanbruch von hier so weit weg wie möglich fliehen.‹ (4) Während ich noch dieses empfahl, war, von dem ungewohnten Weintrinken und der langen Ermüdung schwer angegriffen, der gute Sokrates schon vom Schlaf überwältigt und schnarchte ziemlich laut. (5) Ich aber verschloss die Tür, machte die Riegel fest, und nachdem ich sogar meine Liege hinter die Türangeln gestellt und gut herangeschoben hatte, zog ich mich oben darauf zur Ruhe zurück. (6) Und zuerst lag ich vor Angst ein Weilchen wach, dann schloss ich um die dritte Nachtwache kurz die Augen. (7) Ich war gerade eingeschlafen, als plötzlich mit einem Stoß, heftiger, als du ihn dir von Räubern hättest vorstellen können, die Tür entriegelt, nein vielmehr, nachdem die Riegel zerbrochen und gänzlich herausgerissen worden waren, umgestürzt wurde. (8) Die Liege, irgendwie kurz, an einem Bein lädiert und morsch, wurde von der Gewalt eines so gewaltigen Anpralls umgestürzt, ich auch herausgerollt und herausgestoßen, sie fiel rückwärts umgedreht auf den Boden und bedeckte und schirmte mich ab. 12 (1) Da merkte ich, dass von Natur aus gewisse Gefühle sich als ihr Gegensatz äußern. Denn wie Tränen oft vor Freude kommen, so konnte ich auch in jener übergroßen Angst das Lachen über ›Aristomenes ist zur Schildkröte geworden‹ nicht zurückhalten. (2) Und während ich, zu Boden geworfen, mit seitwärts schielendem Blick, durch die Geschicklichkeit meiner Liege geschützt, darauf lauerte, was los sei, sah ich zwei Frauen höheren Alters. (3) Eine helle Lampe trug die eine, einen Schwamm und ein bloßes Schwert die andere. Mit dieser Ausrüstung stellten sie sich auf je eine Seite des tief schlafenden Sokrates. (4) Es begann die mit dem Schwert: ›Der ist, Schwester Panthia, der teure Endymion, der ist mein Catamitus, der Tag und Nacht meine zarte Jugend verhöhnte, (5) der, welcher meine Liebesgefühle verschmäht und nicht nur mit Beschimpfungen mich in Verruf bringt, sondern auch seine Flucht

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diffamat probris, verum etiam fugam instruit. (6) at ego scilicet Ulixi astu deserta vice Calypsonis aeternam solitudinem flebo.” et porrecta dextera meque Panthiae suae demonstrato (7) “at hic bonus” inquit“consiliator Aristomenes, qui fugae huius auctor fuit et nunc morti proximus iam humi prostratus grabattulo subcubans iacet et haec omnia conspicit, impune se laturum meas contumelias putat. (8) faxo eum sero, immo statim, immo vero iam nunc, ut et praecedentis dicacitatis et instantis curiositatis paeniteat.” 13 (1) Haec ego ut accepi, sudore frigido miser perfluo, tremore viscera quatior, ut grabattulus etiam succussu meo inquietus super dorsum meum palpitando saltaret. (2) at bona Panthia “quin igitur,” inquit “soror, hunc primum bacchatim discerpimus vel membris eius destinatis virilia desecamus?” (3) Ad haec Meroe – sic enim reapse nomen eius tunc fabulis Socratis convenire sentiebam – “immo” ait “supersit hic saltem, qui miselli huius corpus parvo contumulet humo.” (4) et capite Socratis in alterum dimoto latus per iugulum sinistrum capulo tenus gladium totum ei demergit (5) et sanguinis eruptionem utriculo admoto excipit diligenter, ut nulla stilla compareret usquam. haec ego meis oculis aspexi. (6) nam etiam, ne quid demutaret, credo, a victimae religione, immissa dextera per vulnus illud ad viscera penitus cor miseri contubernalis mei Meroe bona scrutata protulit, cum ille impetu teli praesecata gula vocem, immo stridorem incertum per

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ins Werk setzt. (6) Doch ich werde selbstverständlich, durch die List des Odysseus verlassen, als Kalypso meine ewige Einsamkeit beweinen.‹ Und nachdem sie ihre Rechte ausgestreckt und mich ihrer Panthia gezeigt hatte, (7) sagte sie: ›Und dieser gute Ratgeber Aristomenes, der ihn zu dieser Flucht angestiftet hat und nun, dem Tod sehr nahe, schon am Boden hingestreckt unter seiner Liege liegt und dies alles beobachtet, meint, er werde ungestraft davonkommen mit seinen Schmähungen meiner Person. (8) Ich werde später, nein, sofort, nein, schon jetzt dafür sorgen, dass er sowohl seine frühere Scharfzüngigkeit als auch seine gegenwärtige Neugier bereut.‹ 13 (1) Sobald ich das vernommen hatte, ich Armer, floss ich über mit kaltem Schweiß, wurde in meinen Gedärmen von Zittern geschüttelt, so dass auch meine Liege, unruhig infolge meiner Erschütterung, auf meinem Rücken zuckend tanzte. (2) Doch die gute Panthia sagte: ›Warum also, Schwester, reißen wir ihn nicht zuerst nach Art der Bacchantinnen auseinander oder binden seine Glieder fest und schneiden ihm die Mannsteile ab?‹ (3) Dazu sagte Meroë – so nämlich verstand ich da aufgrund des Geschehenen, dass ihr Name den Erzählungen des Sokrates entspreche –: ›Nein, der soll wenigstens übrigbleiben, damit er den Leib dieses Kümmerlings mit etwas Erde bestatten kann.‹ (4) Und sie zog den Kopf des Sokrates nach der einen Seite und versenkte darin durch die linke Seite der Kehle bis zum Heft das ganze Schwert, (5) und den Blutstrahl fing sie sorgfältig in einer kleinen Lederflasche auf, die sie heranhielt, so dass kein Tropfen irgendwo zu sehen war. Dies sah ich mit meinen eigenen Augen. (6) Denn überdies steckte sie, um nicht irgendetwas, glaube ich, am Opferritual zu verändern, ihre Rechte durch jene Wunde tief in die Gedärme, und das Herz meines armen Kumpans holte die gute Meroë nach Prüfung der Gedärme hervor, wobei er, weil durch den Stoß der Waffe die Kehle durchschnitten war, einen Laut, nein, ein unbestimmtes Zischen durch die Wunde ausstieß und seinen Atem hervorblub-

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vulnus effunderet et spiritum rebulliret. (7) quod vulnus, qua maxime patebat, spongia offulciens Panthia “heus tu,” inquit “spongia, cave in mari nata per fluvium transeas.” (8) his editis ambae una remoto grabattulo varicus super faciem meam residentes vesicam exonerant, quoad me urinae spurcissimae madore perluerent. 14 (1) Commodum limen evaserant, et fores ad pristinum statum integrae resurgunt: cardines ad foramina residunt, ad postes repagula redeunt, ad claustra pessuli recurrunt. (2) at ego, ut eram etiam nunc humi proiectus, inanimis, nudus et frigidus et lut[i]o perlitus, quasi recens utero matris editus, immo vero semimortuus, verum etiam ipse mihi supervivens et postumus vel certe destinatae iam cruci candidatus (3) “quid” inquam “me fiet, ubi iste iugulatus mane paruerit? cui videbor veri similia dicere perferens vera? (4) ‘proclamares saltem suppetiatum, si resistere vir tantus mulieri nequibas. sub oculis tuis homo iugulatur, et siles? (5) cur autem te simile latrocinium non peremit? cur saeva crudelitas vel propter indicium sceleris arbitro pepercit? ergo, quoniam evasisti mortem, nunc illo redi.’” (6) Haec identidem mecum replicabam, et nox ibat in diem. optimum itaque factu visum est anteluculo furtim evadere et viam licet trepido vestigio capessere. (7) sumo sarcinulam meam, subdita

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berte. (7) Während Panthia diese Wunde dort, wo sie am weitesten auseinanderklaffte, mit dem Schwamm zustopfte, sagte sie: ›He du, Schwamm, hüte dich, da du im Meer geboren bist, durch einen Fluss zu gehen.‹ (8) Als sie dies feierlich von sich gegeben hatten, entfernten sie beide zusammen die Liege, hockten sich mit auseinander gebreiteten Beinen über mein Gesicht und entluden ihre Blase, bis sie mich mit der Flüssigkeit ihres ekelhaften Urins klatschnass gemacht hatten. 14 (1) Sie waren gerade über die Schwelle hinausgegangen, und schon erhob sich die Tür unbeschädigt zu ihrem vorherigen Zustand: Die Zapfen saßen wieder in ihren Löchern, die Querbalken kehrten zu den Pfosten zurück, wieder zum Schloss liefen die Riegel. (2) Doch ich, wie ich sogar jetzt noch am Boden hingestreckt war, atemlos, nackt und kalt und mit Jauche vollgesudelt, wie frisch aus dem Bauch meiner Mutter hervorgebracht, vielmehr halbtot, ja, sogar mich selbst überlebend und postum geboren oder gewiss ein Kandidat für das schon bestimmte Kreuz, (3) sagte: ›Was soll aus mir werden, wenn morgen offenbar wird, dass dem da die Kehle durchgeschnitten wurde? Für wen wird es so aussehen, dass ich der Wahrheit Ähnliches sage, wenn ich die Wahrheit berichte? (4) »Du hättest wenigstens rufen sollen, damit jemand zu Hilfe kommt, wenn du als ein so großer Mann einer Frau nicht Widerstand zu leisten vermochtest! Unter deinen Augen wird einem Menschen die Kehle durchgeschnitten, und du bist stumm dabei? (5) Warum aber hat eine derartige Räuberbande dich nicht getötet? Warum hat die wilde Grausamkeit, wenn auch nur wegen der Anzeige ihres Verbrechens, einen Zeugen verschont? Also, weil du dem Tod entronnen bist, kehr nun dorthin zurück!«‹ (6) Das überdachte ich wieder und wieder bei mir, und die Nacht ging schon auf den Tag zu. Daher erschien mir zu tun das Beste, vor der Morgendämmerung verstohlen zu entwischen und mich, wenn auch mit zittrigem Schritt, auf den Weg zu machen. (7) Ich nahm mein bisschen Gepäck, schob den Schlüssel ein und

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clavi pessulos reduco; at illae probae et fideles ianuae, quae sua sponte reseratae nocte fuerant, vix tandem et aegerrime tunc clavis suae crebra immissione patefiunt. 15 (1) Et “heus tu, ubi es?” inquam. “valvas stabuli absolve, antelucio volo ire.” ianitor pone stabuli ostium humi cubitans etiam nunc semisomnus (2) “quid? tu” inquit “ignoras latronibus infestari vias, qui hoc noctis iter incipis? nam etsi tu alicuius facinoris tibi conscius scilicet mori cupis, nos cucurbitae caput non habemus, ut pro te moriamur.” (3) “Non longe” inquam “lux abest. et praeterea quid viatori de summa pauperie latrones auferre possunt? an ignoras, inepte, nudum nec a decem palaestritis despoliari posse?” (4) Ad haec ille marcidus et semisopitus in alterum latus revolutus “unde autem” inquit “scio, an convectore illo tuo, cum quo sero devorteras, iugulato fugae mandes praesidium?” (5) Illud horae memini me terra dehiscente ima Tartara inque his canem Cerberum prorsus esurientem mei prospexisse. (6) ac recordabar profecto bonam Meroen non misericordia iugulo meo pepercisse, sed saevitia cruci me reservasse. 16 (1) In cubiculum itaque reversus de genere tumultuario mortis mecum deliberabam. (2) sed cum nullum aliud telum mortiferum Fortuna quam solum mihi grabattulum subministraret, “iam iam, grabattule” inquam “animo meo carissime, qui mecum tot

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wollte den Riegel zurückstoßen; doch jene brave und treue Tür, die in der Nacht freiwillig entriegelt worden war, öffnete sich schließlich nur mit Mühe und unter größten Schwierigkeiten dann durch häufiges Hineinstecken ihres eigenen Schlüssels. 15 (1) Und ich sagte: ›He du, wo bist du? Öffne die Tür der Herberge! Ich will vor der Morgendämmerung gehen.‹ Der Türhüter, der hinter der Tür der Herberge am Boden lag, sogar jetzt halb im Schlaf, sagte: (2) ›Was? Du weißt nicht, dass die Straßen von Räubern unsicher gemacht werden, der du zu dieser Nachtzeit eine Reise antrittst? Denn auch wenn du, weil du dir irgendeines Verbrechens bewusst bist, offenbar zu sterben begehrst, habe ich doch keinen Kürbiskopf, so dass ich für dich sterben möchte.‹ (3) ›Das Tageslicht ist nicht mehr fern‹, sagte ich. ›Und außerdem, was können Räuber einem Reisenden von der äußersten Armut wegnehmen? Oder weißt du nicht, du Dummer, dass ein Nackter auch nicht von zehn Ringkämpfern beraubt werden kann?‹ (4) Dazu sagte der, angetrunken und halb betäubt, während er sich auf die andere Seite wälzte: ›Aber woher weiß ich, ob du nicht deinem Reisegefährten da, mit dem du spät am Abend abgestiegen bist, die Kehle durchgeschnitten hast und nun dein Heil in der Flucht suchst?‹ (5) In jener Stunde, so erinnere ich mich, klaffte die Erde auf und ich erblickte den untersten Tartarus und darin den Hund Cerberus, der direkt auf mich hungrig war. (6) Und mir fiel ein, dass die gute Meroë tatsächlich nicht aus Mitleid meine Kehle verschont, sondern aus Grausamkeit mich für das Kreuz aufbewahrt hatte. 16 (1) Ich kehrte daher in das Schlafzimmer zurück und ging mit mir über eine improvisierte Art des Todes zu Rate. (2) Aber da Fortuna mir keine andere todbringende Waffe verschaffte als allein die Liege, sagte ich: ›Jetzt, ja jetzt, meine Liege, meinem Herzen Teuerste, die du mit mir so viele Drangsale bis zum Letzten aus-

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aerumnas exanclasti conscius et arbiter, quae nocte gesta sunt, (3) quem solum in meo reatu testem innocentiae citare possum, tu mihi ad inferos festinanti sumministra telum salutare.” (4) et cum dicto restim, qua erat intextus, adgredior expedire ac tigillo, quod fenestrae subditum altrinsecus prominebat, iniecta atque obdita parte funiculi et altera firmiter in nodum coacta ascenso grabattulo ad exitium sublimatus et immisso capite laqueum induo. (5) sed dum pede altero fulcimentum, quo sustinebar, repello, ut ponderis deductu restis ad ingluviem adstricta spiritus officia discluderet, (6) repente putris alioquin et vetus funis dirumpitur atque ego de alto recidens Socratem – nam iuxta me iacebat – superruo cumque eo in terram devolvor. 17 (1) Et ecce in ipso momento ianitor introrumpit exerte clamitans “ubi es tu, qui alta nocte immodice festinabas et nunc stertis involutus?” (2) Ad haec nescio an casu nostro an illius absono clamore experrectus Socrates exsurgit prior et “non” inquit “inmerito stabularios hos omnes hospites detestantur. (3) nam iste curiosus dum inportune irrumpit – credo studio rapiendi aliquid –, clamore vasto marcidum alioquin me altissimo somno excussit.” (4) Emergo laetus atque alacer insperato gaudio perfusus et “ecce, ianitor fidelissime, comes et pater meus et frater meus, quem nocte ebrius occisum a me calumniabaris”, et cum dicto Socratem deosculabar amplexus.

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geschöpft hast, Mitwisserin und Beobachterin dessen, was in der Nacht geschah, (3) du, die ich allein in meiner Situation des Angeklagten als Zeugin meiner Unschuld herbeirufen kann, verschaffe du mir, der ich zu den Unterirdischen eile, eine rettende Waffe!‹ (4) Und mit diesen Worten machte ich mich daran, den Strick, mit dem sie zusammengebunden war, loszumachen, und nachdem ich über den Balken, der unter dem Fenster angebracht war und zur anderen Seite des Raumes ragte, ein Ende des Seils geworfen, es dort festgemacht und das andere fest zu einer Schlinge zusammengeknotet hatte, bestieg ich die Liege, erhob mich empor zum Tod, steckte den Kopf hinein und legte mir die Schlinge um. (5) Doch als ich mit einem Fuß die Stütze, von der ich getragen wurde, wegstieß, damit durch das Ziehen meines Gewichts der Strick, eng um meine Kehle gezogen, die Atemfunktionen abwürgen würde, (6) riss plötzlich der ohnehin morsche und alte Strick, und ich fiel aus der Höhe rückwärts herab, stürzte über Sokrates – denn der lag neben mir – und rollte mit ihm auf den Boden herab. 17 (1) Und sieh da, in eben diesem Moment brach der Türhüter überlaut schreiend herein: ›Wo bist du, der du es in tiefer Nacht unmäßig eilig hattest und jetzt eingewickelt schnarchst?‹ (2) Dabei erhob sich – ich weiß nicht, ob durch unseren Sturz oder dessen übel tönendes Geschrei geweckt – Sokrates als erster und sagte: ›Nicht grundlos verabscheuen alle Gäste diese Kneipenwirte. (3) Denn während dieser zudringliche Kerl unverschämt hereinbrach – ich glaube mit eifrigem Bemühen, etwas zu rauben –, hat er mich, der ich doch ohnehin angetrunken war, aus tiefstem Schlaf geschüttelt.‹ (4) Ich tauchte heiter und munter auf, übergossen von unverhoffter Freude, und sagte: ›Siehste, du höchst gewissenhafter Türhüter, da ist mein Gefährte und mein Vater und mein Bruder, der, wie du mich in der Nacht im Suff beschuldigt hast, von mir ermordet wurde‹, und mit diesen Worten umarmte ich Sokrates und küsste ihn über und über.

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(5) At ille odore alioquin spurcissimi humoris percussus, quo me Lamiae illae infecerant, vehementer aspernatur. (6) “apage te,” inquit “fetorem extremae latrinae”, et causas coepit huius odoris comiter inquirere. (7) At ego miser adficto ex tempore absurdo ioco in alium sermonem intentionem eius denuo derivo et iniecta dextra (8) “quin imus” inquam “et itineris matutini gratiam capimus?” sumo sarcinulam et pretio mansionis stabulario persoluto capessimus viam. 18 (1) Aliquantum processeramus, et iam iubaris exortu cuncta conlustrantur. et ego curiose sedulo〈que〉 arbitrabar iugulum comitis, qua parte gladium delapsum videram, et mecum (2) “vesane,” aio “qui poculis et vino sepultus extrema somniasti. (3) ecce Socrates integer, sanus, incolumis! ubi vulnus, spongia? ubi postremum cicatrix tam alta, tam recens?” (4) et ad illum “non” inquam “immerito medici fidi cibo et crapula distentos saeva et gravia somniare autumant. (5) mihi denique, quod poculis vesperi minus temperavi, nox acerba diras et truces imagines obtulit, ut adhuc me credam cruore humano aspersum atque impiatum.” (6) Ad haec ille subridens “at tu” inquit “non sanguine, sed lotio perfusus es. verum tamen et ipse per somnium iugulari visus sum mihi. (7) nam et iugulum istum dolui et cor ipsum mihi avelli

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(5) Doch der, schockiert von dem Geruch der ohnehin schon ekelhaften Flüssigkeit, mit der jene Lamien mich besudelt hatten, stieß mich heftig zurück. (6) ›Weg mit dir,‹ sagte er, ›du extremer Gestank der Latrine‹, und fing an, belustigt nach den Gründen für diesen Geruch zu fragen. (7) Doch ich in meiner Not erfand aus dem Moment heraus einen albernen Witz, lenkte wieder auf ein anderes Gesprächsthema seine Aufmerksamkeit, ergriff ihn mit meiner Rechten und sagte: (8) ›Warum gehen wir nicht los und genießen den Reiz eines frühmorgendlichen Ganges?‹ Ich nahm mein bisschen Gepäck, wir bezahlten dem Kneipenwirt den Preis für die Beherbergung in dem Quartier und machten uns auf den Weg. 18 (1) Wir waren ein Stück vorangeschritten, und schon wurde durch den Aufgang der Sonne alles erleuchtet. Und ich betrachtete neugierig und aufmerksam die Kehle meines Gefährten an der Stelle, wo, wie ich gesehen hatte, das Schwert hinabgesenkt worden war, und sagte zu mir selbst: (2) ›Du Verrückter, der du, begraben in Weinbechern, das Allerletzte geträumt hast. (3) Sieh da, Sokrates, heil, gesund, unversehrt! Wo ist die Wunde, der Schwamm? Wo schließlich eine so tiefe, so frische Narbe?‹ (4) Und zu ihm sagte ich: ›Nicht ohne Grund behaupten die vertrauenswürdigen Ärzte, die von Essen und Sauferei Aufgedunsenen würden wild und schwer träumen. (5) Mir zum Beispiel hat, weil ich mich vom Trinken gestern Abend nicht zurückhielt, die gehässige Nacht grässliche und grimmige Bilder dargeboten, so dass ich immer noch glaube, ich sei mit Menschenblut bespritzt und schuldhaft befleckt.‹ (6) Dazu sagte der grinsend: ›Aber du bist nicht mit Blut, sondern mit Urin übergossen. Doch gleichwohl hatte auch ich selbst im Traum die Vision, mir werde die Kehle aufgeschnitten. (7) Denn ich hatte Schmerzen hier an der Kehle und glaubte, dass sogar das Herz mir herausgerissen werde, und jetzt noch bleibt mir der Atem weg, und ich fühle eine Erschütterung an den Knien, und ich

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putavi et nunc etiam spiritu deficior et genua quatior et gradu titubo et aliquid cibatus refovendo spiritu desidero.” (8) “En” inquam “paratum tibi adest ientaculum.” et cum dicto manticam meam umero exuo, caseum cum pane propere ei porrigo et “iuxta platanum istam residamus” aio. 19 (1) Quo facto et ipse aliquid indidem sumo eumque avide essitantem aspiciens aliquanto intentiore macie atque pallore buxeo deficientem video. (2) sic denique eum vitalis color turbaverat, ut mihi prae metu nocturnas etiam Furias illas imaginanti (3) frustulum panis, quod primum sumpseram, quamvis admodum modicum mediis faucibus inhaereret ac neque deorsum demeare neque sursum remeare posset. (4) nam et brevitas ipsa commeantium metum mihi cumulabat. (5) quis enim de duobus comitum alterum sine alterius noxa peremptum crederet? (6) verum ille, ut satis detruncaverat cibum, sitire inpatienter coeperat. (7) nam et optimi casei bonam partem avide devoraverat, et haud ita longe radices platani lenis fluvius in speciem placidae paludis ignavus ibat argento vel vitro aemulus in colorem. (8) “en” inquam “explere latice fontis lacteo.” adsurgit et oppertus paululum planiorem ripae marginem complicitus in genua adpronat se avidus adfectans poculum. (9) necdum satis extremis labiis summum aquae rorem attigerat, et iugulo eius vulnus dehiscit in profundum patorem et illa spongia de eo repente devolvitur eamque parvus admodum comitatur cruor. (10) denique corpus exanimatum in flumen paene cernuat, nisi ego altero eius pede retento vix et aegre ad ripam superiorem adtraxi, (11) ubi defletum pro tempore comitem misellum arenosa humo in

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schwanke im Schritt, und ich habe heftiges Verlangen nach etwas Speise für die Wiederbelebung meiner Lebensgeister.‹ (8) ›Schau,‹ sagte ich, ›für dich bereit ist hier das Frühstück.‹ Und mit diesen Worten nahm ich meinen Ranzen von der Schulter, reichte ihm eilends Käse mit Brot und sagte: ›Setzen wir uns doch neben der Platane da nieder!‹ 19 (1) Als wir das gemacht hatten, nahm ich auch selbst etwas davon, und während ich zuschaute, wie er gierig aß, sah ich, wie er mit etwas stärker werdender Abzehrung und der Blässe des Buchsbaums schwächer wurde. (2) Ja, so sehr hatte ihn die Leichenfarbe entstellt, dass mir vor Angst, während ich noch die nächtlichen Furien vor Augen hatte, (3) das Stückchen Brot, das ich zuerst genommen hatte, obwohl es sehr klein war, mitten in der Kehle festsaß und weder nach unten herabgehen noch nach oben zurückgehen konnte. (4) Denn auch und gerade die geringe Anzahl derer, die vorbeizogen, erhöhte meine Furcht. (5) Wer nämlich würde glauben, dass von zwei Gefährten der eine ohne die Schuld des anderen getötet worden sei? (6) Doch er hatte, sobald er genug Speise hinabgeschlungen hatte, sich unerträglich durstig zu fühlen begonnen. (7) Denn er hatte den guten Teil eines vorzüglichen Käses gierig verzehrt, und nicht gar so weit von den Wurzeln der Platane zog träge dahin ein sanfter Fluss, der, einem ruhigen Teich ähnlich, farblich mit Silber oder Glas wetteiferte. (8) ›Schau,‹ sagte ich, ›fülle dich mit dem milchigen Nass des Quellwassers!‹ Er stand auf, und nachdem er einen etwas ebeneren Rand des Ufers gefunden hatte, beugte er die Knie und bückte sich mit gierigem Verlangen nach dem Trank. (9) Noch nicht ganz hatte er mit dem Lippenrand die Oberfläche des Wassers berührt, da klaffte an seiner Kehle die Wunde als tiefes, breites Loch auf, jener Schwamm glitt plötzlich heraus, und den begleitete ziemlich wenig Blut. (10) Danach wäre sein lebloser Körper beinahe kopfüber in den Fluss gestürzt, wenn ich nicht einen von seinen Füßen festgehalten und ihn mit Müh und Not höher hinauf ans Ufer gezogen hätte, (11) wo ich den

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amnis vicinia sempiterna contexi. (12) ipse trepidus et eximie metuens mihi per diversas et avias solitudines aufugi et quasi conscius mihi caedis humanae relicta patria et lare ultroneum exilium amplexus nunc Aetoliam novo contracto matrimonio colo.’ 20 (1) Haec Aristomenes. at ille comes eius, qui statim initio obstinata incredulitate sermonem eius respuebat, (2) ‘nihil’ inquit ‘hac fabula fabulosius, nihil isto mendacio absurdius.’ et ad me conversus ‘tu autem,’ inquit ‘vir, ut habitus et habitudo demonstrat, ornatus accedis huic fabulae?’ (3) ‘Ego vero’ inquam ‘nihil impossibile arbitror, sed utcumque fata decreverint, ita cuncta mortalibus provenire (4) nam et mihi et tibi et cunctis hominibus multa usu venire mira et paene infecta, quae tamen ignaro relata fidem perdant. (5) sed ego huic et credo hercules et gratas gratias memini, quod lepidae fabulae festivitate nos avocavit, asperam denique ac prolixam viam sine labore ac taedio evasi. (6) quod beneficium etiam illum vectorem meum credo laetari sine fatigatione sui me usque ad istam civitatis portam non dorso illius, sed meis auribus pervecto.’ 21 (1) Is finis nobis et sermonis et itineris communis fuit. nam comites utrique ad villulam proximam laevorsum abierunt. (2) ego vero quod primum ingressui stabulum conspicatus sum, accessi et de quadam anu caupona ilico percontor. ‘estne’ inquam ‘Hypata

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armen Gefährten beweinte, so lange die Zeit es erlaubte, und ihn mit sandiger Erde in der Nähe des Flusses für immer zudeckte. (12) Ich selbst bin zitternd und in äußerster Furcht um mich durch abgelegene und unwegsame Einöden geflohen, und als hätte ich den Mord an einem Menschen auf dem Gewissen, verließ ich die Heimat und mein Haus, schloss ein freiwilliges Exil in die Arme und wohne jetzt in Ätolien, nachdem ich eine neue Ehe geschlossen habe.« 20 (1) Soweit Aristomenes. Doch sein erwähnter Begleiter, der gleich zu Anfang mit hartnäckiger Ungläubigkeit seine Geschichte zurückwies, (2) sagte: »Nichts ist phantastischer als diese Phantasiegeschichte, nichts ist abgeschmackter als diese Unwahrheit.« Und zu mir gewandt sagte er: »Aber du, ein Mann von Ehre, wie äußere Erscheinung und Haltung zeigen, bist mit dieser Phantasiegeschichte einverstanden?« (3) »Ich halte in der Tat nichts für unmöglich,« sagte ich, »aber wie auch immer die Geschicke entscheiden, so geht alles für die Sterblichen aus. (4) Denn sowohl mir als auch dir als auch allen Menschen geschieht viel Erstaunliches und beinahe Unmögliches, was gleichwohl, wenn man es jemandem erzählt, der davon nichts weiß, seine Glaubwürdigkeit verliert. (5) Aber ich glaube ihm, beim Herkules, und weiß ihm großen Dank dafür, dass er uns durch das Vergnügen einer charmanten Geschichte abgelenkt hat und dass ich somit über den rauen und langen Weg ohne Mühe und Ärger hinweggekommen bin. (6) Über diese Wohltat freut sich auch, glaube ich, mein Reittier, da ich, ohne es zu ermüden, bis zu diesem Stadttor nicht auf seinem Rücken, sondern auf meinen Ohren geritten bin.« 21 (1) Dies war für uns das Ende sowohl des Gesprächs als auch der gemeinsamen Reise. Denn beide Begleiter gingen nach links ab zum nächsten Bauernhof. (2) Ich aber begab mich zu dem ersten Wirtshaus, das ich beim Betreten der Stadt erblickte, und machte mich sofort bei der Schankwirtin, einer alten Frau, kundig: »Ist«,

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haec civitas?’ adnuit. (3) ‘nostine Milonem quendam e primoribus?’ adrisit et ‘vere’ inquit ‘primus istic perhibetur Milo, qui extra pomerium et urbem totam colit.’ (4) ‘remoto’ inquam ‘ioco, parens optima, dic oro, et cuiatis sit et quibus deversetur aedibus.’ ‘videsne’ inquit ‘extremas fenestras, quae urbem prospiciunt, et altrinsecus fores proximum respicientes angiportum? (5) inibi iste Milo deversatur ampliter nummatus et longe opulentus, verum extremae avaritiae et sordis infimae infamis homo, (6) foenus denique copiosum sub arrabone auri et argenti crebriter exercens exiguo lare inclusus et aerugini semper intentus cum uxore etiam calamitatis suae comite habet. (7) neque praeter unicam pascit ancillulam et habitu mendicantis semper incedit.’ (8) Ad haec ego risum subicio. ‘benigne’ inquam ‘et prospicue Demeas meus in me consuluit, qui peregrinaturum tali viro conciliavit, in cuius hospitio nec fumi nec nidoris nebulam vererer.’ 22 (1) Et cum dicto modico secus progressus ostium accedo et ianuam firmiter oppessulatam pulsare vocaliter incipio. (2) tandem adulescentula quaedam procedens ‘heus tu,’ inquit ‘qui tam fortiter fores verberasti, sub qua specie mutuari cupis? an tu solus ignoras praeter aurum argentumque nullum nos pignus admittere?’ (3) ‘meliora’ inquam ‘ominare et potius responde, an intra aedes erum tuum offenderim.’ ‘plane,’ inquit ‘sed quae causa quaestionis huius?’ (4) ‘litteras ei a Corinthio Demea scriptas ad eum reddo.’ ‘dum annuntio,’ inquit ‘hic ibidem me opperimino.’ (5) et cum

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sagte ich, »diese Stadt Hypata?« Sie nickte. (3) »Kennst du einen gewissen Milo, einen der Ersten der Stadt?« Sie lachte und sagte: »Dieser Milo kann wahrhaftig der ›Erste‹ genannt werden, er, der außerhalb der Stadtgrenze und der ganzen Stadt wohnt.« (4) »Scherz beiseite,« sagte ich, »beste Mutter, sag mir, bitte, woher er ist und in welchem Haus er wohnt.« »Siehst du die Fenster am Ende des Hauses, die auf die Stadt hinaus blicken, und die Tür auf der anderen Seite, die rückwärts auf die Gasse in nächster Nähe blickt? (5) Darin wohnt dein Milo, der reichlich Geld hat und sehr wohlhabend ist, aber ein wegen äußerster Habgier und scheußlichen Schmutzes verrufener Mensch, (6) und so lebt er, der häufig zu hohem Zins gegen Verpfändung von Gold und Silber ausleiht, eingeschlossen in seinem winzigen Haus und immer auf Geld bedacht zusammen mit seiner Frau als der Gefährtin seines elenden Daseins. (7) Und er hält sich nur ein einziges Dienstmädchen und läuft immer in der Kleidung eines Bettlers herum.« (8) Darauf reagierte ich mit Lachen und sagte: »Freundlich und vorausschauend hat mein Demeas für mich gesorgt, der mich, als ich meine Reise antrat, einem solchen Mann empfahl, in dessen Haus ich weder eine Wolke von Rauch noch von Fett würde fürchten müssen.« 22 (1) Und mit diesen Worten ging ich ein bisschen weiter, kam zum Eingang und begann, laut an die fest verriegelte Tür zu klopfen. (2) Endlich trat eine junge Frau heraus und sagte: »He du, der du so laut an die Tür geschlagen hast, in welcher Form begehrst du zu leihen? Oder weißt allein du nicht, dass wir außer Gold und Silber kein Pfand zulassen?« (3) »Sprich besser nicht so«, sagte ich, »und beantworte mir lieber, ob ich im Haus deinen Herrn antreffe.« »Klar doch«, sagte sie, »aber was ist der Grund für diese Befragung?« (4) »Ich überbringe ihm einen Brief, der von dem Korinther Demeas an ihn geschrieben ist.« »Während ich dich anmelde,« sagte sie, »warte genau hier auf mich!« (5) Und mit diesen Worten verriegelte sie wieder die Tür und entfernte sich nach drin-

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dicto rursum foribus oppessulatis intro facessit. modico deinde regressa patefactis aedibus ‘rogat te’ inquit. (6) Intuli me eumque accumbentem exiguo admodum grabattulo et commodum cenare incipientem invenio. (7) assidebat pedes uxor et mensa vacua posita, cuius monstratu ‘en’ inquit ‘hospitium.’ (8) ‘bene’ ego et ilico ei litteras Demeae trado. quibus properiter lectis ‘amo’ inquit ‘meum Demean, qui mihi tantum conciliavit hospitem.’ 23 (1) Et cum dicto iubet uxorem decedere utque in eius locum adsidam iubet meque etiam nunc verecundia cunctantem adrepta lacinia detrahens ‘adside’ inquit ‘istic. (2) nam prae metu latronum nulla sessibula ac ne sufficientem supellectilem parare nobis licet.’ (3) feci. et sic ‘ego te’ inquit ‘etiam de ista corporis speciosa habitudine deque hac virginali prorsus verecundia generosa stirpe proditum et recte conicerem. (4) sed et meus Demeas eadem litteris pronuntiat. ergo brevitatem gurgustioli nostri ne spernas peto. (5) erit tibi adiacens en ecce illud cubiculum honestum receptaculum. fac libenter deverseris in nostro. (6) nam et maiorem domum dignatione tua feceris et tibi specimen gloriosum adrogaris, si contentus lare parvulo Thesei illius cognominis patris tui virtutes aemulaveris, qui non est aspernatus Hecales anus hospitium tenue.’ (7) et vocata ancillula ‘Photis,’ inquit ‘sarcinulas hospitis susceptas cum fide conde in illud cubiculum (8) ac simul ex promptuario oleum unctui et lintea tersui et cetera hoc eidem usui profers ociter et

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nen. Etwas später kam sie zurück, öffnete das Haus und sagte: »Er lässt dich bitten.« (6) Ich begab mich hinein und fand ihn vor, wie er auf einer sehr kleinen Liege zu Tisch lag und gerade zu speisen begann. (7) Zu seinen Füßen saß seine Frau, und ein leerer Tisch war hingestellt, auf den zeigend er sagte: »Schau, deine Bewirtung!« (8) »Prima«, sagte ich, und übergab ihm sofort den Brief des Demeas. Nachdem er ihn rasch gelesen hatte, sagte er: »Ich liebe meinen Demeas, der mir einen so bedeutenden Gast empfohlen hat.« 23 (1) Und mit diesen Worten befahl er seiner Frau wegzugehen und befahl mir, auf ihrem Platz zu sitzen, und als ich sogar jetzt noch aus Schüchternheit zögerte, ergriff er mich an meiner Kleidung, zog mich zu sich hin und sagte: »Setz dich hierhin. (2) Denn aus Furcht vor Räubern können wir keine Sitzgelegenheiten und nicht einmal genügend Hausgerät beschaffen.« (3) Ich tat das. Und dann sagte er: »Ich würde schon aus dieser deiner hübschen körperlichen Erscheinung und aus deiner sehr mädchenhaften Schüchternheit sicher richtig schließen, dass du von einer vornehmen Familie abstammst. (4) Aber auch mein Demeas versichert dasselbe in seinem Brief. Deshalb bitte ich dich, die geringe Größe unserer Hütte nicht zu verachten. (5) Schau hier, das anstoßende Schlafzimmer da wird für dich ein ehrenwerter Unterschlupf sein. Sieh zu, dass du gerne in unserem Heim logierst! (6) Denn du wirst das Haus durch die Ehre deiner Gegenwart größer machen und den Anspruch erheben können, ein ruhmvolles Beispiel zu sein, wenn du, zufrieden mit einem kleinen Haus, die Tugenden des berühmten Namensvetters deines Vaters, des Theseus, nachahmst, der nicht die schlichte Gastfreundschaft der alten Frau Hekale verachtete.« (7) Und er rief das Dienstmädchen und sagte: »Photis, nimm das Gepäck des Gastes und verwahre es sorgfältig in dem Schlafzimmer da. (8) Und zugleich hole rasch aus der Vorratskammer Öl zum Salben und Leinentücher zum Abreiben und die übrigen Dinge für

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hospitem meum produc ad proximas balneas; satis arduo itinere atque prolixo fatigatus est.’ 24 (1) His ego auditis mores atque parsimoniam ratiocinans Milonis volensque me artius ei conciliare ‘nihil’ inquam ‘rerum istarum, quae itineris ubique nos comitantur, indigemus. (2) sed et balneas facile percontabimur. plane, quod est mihi summe praecipuum, equo, qui me strenue pervexit, faenum atque hordeum acceptis istis nummulis tu, Photis, emito.’ (3) His actis et rebus meis in illo cubiculo conditis pergens ipse ad balneas, ut prius aliquid nobis cibatui prospicerem, forum cuppedinis peto (4) inque eo piscatum opiparem expositum video et percontato pretio, quod centum nummis indicaret, aspernatus viginti denariis praestinavi. (5) inde me commodum egredientem continatur Pythias condiscipulus apud Athenas Atticas meus, qui me post aliquam multum temporis amanter agnitum invadit amplexusque ac comiter deosculatus (6) ‘mi Luci,’ ait ‘sat pol diu est, quod intervisimus te, at hercules exinde cum a Clytio magistro digressi sumus. (7) quae autem tibi causa peregrinationis huius?’ ‘crastino die scies,’ inquam. ‘sed quid istud? voti gaudeo. nam et lixas et virgas et habitum prorsus magistratui congruentem in te video.’ (8) ‘annonam curamus’ ait ‘et aedilem gerimus, et si quid obsonare cupis, utique commodabimus.’ abnuebam, quippe qui iam cenae affatim piscatum prospexeramus. (9) sed enim Pythias visa sportula succussisque in aspectum planiorem piscibus ‘at has

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diesen selben Gebrauch und führe meinen Gast ins nächstgelegene Bad; er ist von der sehr beschwerlichen und langen Reise müde.« 24 (1) Als ich das gehört hatte, dachte ich an den Charakter und die Sparsamkeit Milos, und weil ich mich ihm enger verbinden wollte, sagte ich: »Wir benötigen nichts von diesen Dingen, die uns überall auf der Reise begleiten. (2) Aber auch das Bad werde ich leicht durch Erfragen finden. Doch was mir höchst wichtig ist, nimm diese Kupfermünzen, Photis, und kaufe Heu und Gerste für mein Pferd, das mich rasch befördert hat.« (3) Als dies getan war und meine Sachen in jenem Schlafzimmer verwahrt worden waren, ging ich selbst zum Bad, suchte, um erst etwas für uns zum Essen zu besorgen, den Delikatessenmarkt auf, (4) sah dort prachtvolle Fische ausgelegt, und als ich mich nach dem Preis erkundigt hatte, verachtete ich es, dass der ihn auf hundert Sesterzen festsetzte, und kaufte sie für zwanzig Denare. (5) Als ich gerade von dort wegging, stieß auf mich Pythias, mein Kommilitone in Athen in Attika, der, als er mich nach sehr langer Zeit freudig wiedererkannt hatte, auf mich losstürzte, mich umarmte, liebevoll über und über küsste und sagte: (6) »Mein Lucius, es ist, beim Pollux, lange her, seit ich dich gesehen habe, ja, beim Herkules, seitdem wir unseren Meister Clytius verlassen haben. (7) Was aber ist dein Grund für diese Reise?« »Am morgigen Tag wirst du es wissen,« sagte ich. »Aber was ist das hier? Ich freue mich, dass sich dein Wunsch erfüllt hat. Denn ich sehe Amtsdiener und Ruten und an dir eine ganz zu einem Amt passende Tracht.« (8) »Ich kümmere mich um den Marktpreis und fungiere als Ädil, und wenn du etwas zu essen kaufen wünschst, werde ich dir auf jeden Fall zu Diensten sein.« Ich schüttelte den Kopf, da ich ja schon reichlich Fisch für das Abendbrot besorgt hatte. (9) Aber natürlich sagte Pythias, als er meinen Korb erblickt und die Fische von unten her geschüttelt hatte, um sie leichter ansehen zu können: »Für wie viel hast du diesen Abfall bekommen?« »Nur mit Mühe«, sagte ich,

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quisquilias quanti parasti?’ ‘vix’ inquam ‘piscatori extorsimus accipere viginti denarium.’ 25 (1) Quo audito statim adrepta dextera postliminio me in forum cuppedinis reducens ‘et a quo’ inquit ‘istorum nugamenta haec comparasti?’ (2) demonstro seniculum; in angulo sedebat. quem confestim pro aedilitatis imperio voce asperrima increpans (3) ‘iam iam’ inquit ‘nec amicis quidem nostris vel omnino ullis hospitibus parcitis, quod tam magnis pretiis pisces frivolos indicatis et florem Thessalicae regionis ad instar solitudinis et scopuli edulium caritate deducitis? (4) sed non impune. iam enim faxo scias, quem ad modum sub meo magisterio mali debent coerceri.’ et profusa in medium sportula iubet officialem suum insuper pisces inscendere ac pedibus suis totos obterere. (5) qua contentus morum severitudine meus Pythias ac mihi, ut abirem, suadens ‘sufficit mihi, o Luci,’ inquit ‘seniculi tanta haec contumelia.’ (6) His actis consternatus ac prorsus obstupidus ad balneas me refero, prudentis condiscipuli valido consilio et nummis simul privatus et cena lautusque ad hospitium Milonis ac dehinc cubiculum me reporto. 26 (1) Et ecce Photis ancilla ‘rogat te’ inquit ‘hospes.’ at ego iam inde Milonis abstinentiae cognitor excusavi comiter, quod viae vexationem non cibo, sed somno censerem diluendam. (2) isto accepto pergit ipse et iniecta dextera clementer me trahere adoritur. ac dum cunctor, dum modeste renitor, ‘non prius’ inquit ‘discedam,

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»habe ich es dem Fischhändler abgerungen, zwanzig Denare zu nehmen.« 25 (1) Als er das gehört hatte, packte er mich auf der Stelle bei meiner Rechten, und während er mich zum Delikatessenmarkt zurückführte, sagte er: »Und von wem unter denen hier hast du diesen Mistkram gekauft?« (2) Ich zeigte auf das alte Männchen; es saß an der Ecke. Das beschimpfte er sofort mit barscher Stimme, die zur Amtsgewalt seiner Ädilität passte: (3) »Ja, ja, jetzt schont ihr nicht einmal unsere Freunde oder überhaupt irgendwelche Fremden, insofern ihr so hohe Preise für wertlose Fische festsetzt und die Blume des thessalischen Gebietes auf das Ansehen einer Wüste und eines Felsens herabstuft durch die teuren Preise für eure Esswaren? (4) Aber nicht ungestraft! Denn jetzt werde ich dafür sorgen, dass du weißt, wie unter meiner Amtshoheit Bösewichte bestraft werden müssen.« Und er schüttete den Korb mitten auf den Platz und befahl obendrein seinem Amtsdiener, auf die Fische zu steigen und mit seinen Füßen alle zu zertreten. (5) Mit dieser Demonstration seiner strengen Moral zufrieden, sagte mein Pythias, während er mir davonzugehen riet: »Mir genügt, Lucius, diese so große Schande des alten Männchens.« (6) Durch diese Aktionen bestürzt und ganz starr begab ich mich in das Bad zurück, dank der machtvollen Maßnahme meines klugen Kommilitonen sowohl meines Geldes als auch meines Abendessens beraubt, und als ich gebadet hatte, schleppte ich mich zu Milos Haus und dann in das Schlafzimmer. 26 (1) Und sieh da, die Magd Photis sagte: »Dein Gastgeber lässt dich bitten.« Und ich, nun schon längst ein Kenner der Genügsamkeit Milos, entschuldigte mich höflich damit, dass ich meinte, die Anstrengung der Reise könne nicht durch Speise, sondern müsse durch Schlaf verscheucht werden. (2) Als er das vernommen hatte, kam er selbst herbei, ergriff mich mit der Rechten und fing an, mich sanft mit sich zu ziehen. Und während ich zögerte, während ich bescheiden widerstrebte, sage er: »Ich gehe nicht eher

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quam me sequaris.’ (3) et dictum iure iurando secutus iam obstinationi suae me ingratis oboedientem perducit ad illum suum grabattulum et residenti ‘quam salve agit’ inquit ‘Demeas noster? quid uxor? quid liberi? quid vernaculi?’ (4) narro singula. percontatur accuratius causas etiam peregrinationis meae. (5) quas ubi probe 5 pertuli, iam et de patria nostra et eius primoribus ac denique de ipso praeside scrupulosissime explorans, (6) ubi me post itineris tam saevi vexationem sensit fabularum quoque serie fatigatum in verba media somnolentum desinere ac nequiquam defectum iam incerta verborum salebra balbuttire, tandem patitur cubitum concederem. 10 (7) evasi aliquando rancidi senis loquax et famelicum convivium somno, non cibo gravatus, cenatus solis fabulis, et in cubiculum reversus optatae me quieti reddidi.

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fort, als bis du mir folgst.« (3) Und indem er seinen Worten einen Eidschwur folgen ließ, führte er mich, der ich gegenüber seiner Hartnäckigkeit widerwillig nachgab, zu jener seiner Liege und sagte zu mir, als ich mich niederließ: »Wie steht es mit der Gesundheit unseres Demeas? Wie geht es seiner Frau? Wie seinen Kindern? Wie seinen Haussklaven?« (4) Ich erzählte alles im Einzelnen. Er fragte mich noch genauer auch nach den Gründen meiner Reise. (5) Als ich diese gründlich durchgegangen war, erkundigte er sich bereits sehr eindringlich auch nach meiner Heimat und deren Oberen und schließlich nach dem Statthalter selbst, (6) und als er merkte, dass ich nach der Mühsal einer so anstrengenden Reise, auch durch die Serie der Geschichten ermüdet, mitten im Wort schläfrig abbrach und vergeblich, schon ganz erschöpft, mit unsicherem Holpern der Worte stammelte, duldete er schließlich, dass ich schlafen ging. (7) Endlich entkam ich dem geschwätzigen und hungerleidenden Gastmahl des stinkenden Alten, vom Schlaf, nicht vom Essen beschwert, gespeist nur durch Geschichten, und als ich in mein Schlafzimmer zurückgekehrt war, gab ich mich der erwünschten Ruhe hin.

LIBER II 1 (1) Ut primum nocte discussa sol novus diem fecit, et somno simul emersus et lectulo, anxius alioquin et nimis cupidus cognoscendi quae rara miraque sunt, (2) reputansque me media Thessaliae loca tenere, quo artis magicae nativa cantamina totius orbis consono ore celebrentur, fabulamque illam optimi comitis Aristomenis de situ civitatis huius exortam, suspensus alioquin et voto simul et studio, curiose singula considerabam. (3) nec fuit in illa civitate quod aspiciens id esse crederem, quod esset, sed omnia prorsus ferali murmure in aliam effigiem translata, (4) ut et lapides, quos offenderem, de homine duratos et aves, quas audirem, indidem plumatas et arbores, quae pomerium ambirent, similiter foliatas et fontanos latices de corporibus humanis fluxos crederem; (5) iam statuas et imagines incessuras, parietes locuturos, boves et id genus pecua dicturas praesagium, de ipso vero caelo et iubaris orbe subito venturum oraculum. 2 (1) Sic attonitus, immo vero cruciabili desiderio stupidus nullo quidem initio vel omnino vestigio cupidinis meae reperto cuncta circumibam tamen. (2) dum in luxum nepotalem similis ostiatim singula pererro, (3) repente me nescius forum cuppedinis intuli et ecce mulierem quampiam frequenti stipatam famulitio ibidem gradientem accelerato vestigio comprehendo. (4) aurum in gemmis et

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Buch 2 1 (1) Sobald die Nacht sich verflüchtigt und eine neue Sonne den Tag gebracht hatte, tauchte ich zugleich aus dem Schlaf und meinem kleinen Bett hervor, immer ungeduldig und überaus begierig, Dinge kennenzulernen, die außergewöhnlich und wundersam sind, (2) wobei ich bedachte, dass ich mich mitten in Thessalien befand, der Wiege der Zaubersprüche magischer Kunst, welche einstimmig auf dem ganzen Erdkreis gerühmt werden, und dass jene Geschichte meines großartigen Kumpans Aristomenes von der Gegend dieser Stadt aus ihren Anfang genommen hatte, und ich begann, immer aufs höchste gespannt vor Verlangen und Eifer zugleich, neugierig alles im Einzelnen in Augenschein zu nehmen. (3) Nichts gab es in jener Stadt, von dem ich, wenn ich es ansah, glaubte, es sei das, was es war, sondern ich nahm an, es sei durchweg alles durch ein verderbliches Abrakadabra in eine andere Gestalt verwandelt worden, (4) so dass ich glaubte, die Steine, an die ich stieß, seien aus Menschen erstarrt, die Vögel, die ich hörte, ebendaher befiedert, die Bäume, die die Stadtgrenze umgaben, in gleicher Weise belaubt worden und das Wasser der Brunnen aus menschlichen Körpern zu Flüssigkeit geworden; (5) schon würden die Statuen und Bilder zu gehen beginnen, die Wände zu sprechen, die Rinder und Vieh dieser Art Weissagungen zu verkünden, vom Himmel selbst aber und aus der Sonnenscheibe werde plötzlich ein Orakel kommen. 2 (1) In dieser Weise ganz benommen, nein, von martervollem Verlangen stumpfsinnig, ging ich, obwohl ich nicht einmal einen Ansatzpunkt für das, was ich begehrte, oder überhaupt eine Spur davon fand, dennoch überall herum. (2) Während ich ganz wie einer, der auf verschwenderischen Luxus aus ist, von Tür zu Tür hier und dort herumirrte, (3) gelangte ich plötzlich, ohne es zu bemerken, auf den Delikatessenmarkt, und sieh da, eine Frau, die, von einer vielköpfigen Dienerschaft umdrängt, ebendort daher spazierte, konnte ich mit beschleunigtem Schritt einholen. (4) Gold auf

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in tunicis, ibi inflexum, hic intextum, matronam profecto confitebatur. (5) huius adhaerebat lateri senex iam gravis in annis, qui ut primum me conspexit, ‘est,’ inquit ‘hercules, hic Lucius’ (6) et offert osculum et statim incertum quidnam in aurem mulieris obganniit. ‘quin’ inquit ‘etiam ipsam parentem tuam accedis et salutas?’ (7) ‘vereor’ inquam ‘ignotae mihi feminae’ et statim rubore suffusus reiecto capite restiti. (8) At illa optutum in me conversa ‘en’ inquit ‘sanctissimae Salviae matris generosa probitas, sed et cetera corporis execrabiliter ad amussim congruentia: (9) inenormis proceritas, suculenta gracilitas, rubor temperatus, flavum et inadfectatum capillitium, oculi caesii quidem, sed vigiles et in aspectu micantes, prorsus aquilini, os quoquoversum floridum, speciosus et immeditatus incessus.’ 3 (1) Et adiecit: ‘ego te, o Luci, meis istis manibus educavi, quidni? parentis tuae non modo sanguinis, verum alimoniarum etiam socia. (2) nam et familia Plutarchi ambae prognatae sumus et eandem nutricem simul bibimus et in nexu germanitatis una coaluimus. nec aliud nos quam dignitas discernit, quod illa clarissimas, ego privatas nuptias fecerimus. (3) ego sum Byrrhena illa, cuius forte saepicule nomen inter tuos frequentatum educatores retines. (4) accede itaque hospitium fiducia, immo vero iam tuum proprium larem.’ (5) Ad haec ego iam sermonis ipsius mora rubore digesto ‘absit,’ inquam ‘parens, ut Milonem hospitem sine ulla querela deseram. sed plane, quod officiis integris potest effici, curabo sedulo. quotiens

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den Schmuckstücken und der Kleidung, dort eingeflochten, hier eingewoben, gab wahrhaftig eine Dame zu erkennen. (5) Dicht an ihrer Seite ging ein schon sehr bejahrter älterer Mann, der, kaum hatte er mich erblickt, sagte: »Es ist, beim Herkules, dieser Lucius«, (6) mir einen Kuss gab und sofort etwas Unverständliches der Frau ins Ohr flüsterte. »Warum«, sagte er, »gehst nicht auch du zu deiner eigenen Verwandten und begrüßt sie?« (7) »Ich habe Respekt«, sagte ich, »vor einer mir unbekannten Frau«, und gleich war ich rotübergossen und blieb mit rückwärts zur Seite gerichtetem Kopf stehen. (8) Doch sie sagte, den Blick zu mir gewandt: »Schau her, die vornehme Anständigkeit seiner ehrwürdigen Mutter Salvia, aber auch alles Übrige an seinem Körper passt verdammt genau: (9) nicht unmäßige Größe, schlanker Wuchs mit Saft und Kraft, leicht rötliche Farbe, blonde und ungekünstelte Frisur, die Augen zwar blau, aber wachsam und mit funkelndem Blick, gerade wie die eines Adlers, ein in jeder Hinsicht blühendes Gesicht, ein eleganter und ungekünstelter Gang.« 3 (1) Und sie fügte hinzu: »Ich habe dich, Lucius, mit diesen meinen Händen aufgezogen, warum auch nicht? Ich bin mit deiner Mutter nicht nur durch Blut verbunden, sondern auch durch die frühe Ernährung. (2) Denn wir stammen beide von der Familie Plutarchs, haben gleichzeitig von derselben Amme getrunken und sind in schwesterlicher Verbundenheit zusammen aufgewachsen. Nichts anderes als die gesellschaftliche Stellung trennt uns, weil sie eine Ehe mit einem Würdenträger, ich mit einem einfachen Bürger einging. (3) Ich bin jene Byrrhena, deren Namen du vielleicht behalten hast, weil er oft unter denen deiner Erzieher fiel. (4) Komme also getrost als Gast in mein, vielmehr bereits dein eigenes Haus.« (5) Dazu sagte ich, nachdem mein Erröten sich während der Zeit ihrer Rede verflüchtigt hatte: »Das sei mir fern, Mutter, dass ich meinen Gastgeber Milo ohne irgendeine Beschwerde verlasse. Aber freilich werde ich, was ohne Einschränkung meiner Verpflich-

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itineris huius ratio nascetur, numquam erit, ut non apud te devertar.’ (6) Dum hunc et huius modi sermonem altercamur, paucis admodum confectis passibus ad domum Byrrhenae pervenimus. 4 (1) Atria longe pulcherrima columnis quadrifariam per singulos angulos stantibus attolerabant statuas, (2) palmaris deae facies, quae pinnis explicitis quasi in ingressu pilae volubilis instabile vestigium plantis roscidis decitantes nec ut maneant inhaerent et iam volare creduntur. (3) ecce lapis Parius in Dianam factus tenet libratam totius loci medietatem, signum perfecte luculentum, veste reflatum, procursu vegetum, introeuntibus obvium et maiestate numinis venerabile. (4) canes utrimquesecus deae latera muniunt, qui canes et ipsi lapis erant. his oculi minantur, aures rigent, nares hiant, ora saeviunt, et sicunde de proximo latratus ingruerit, eum putabis de faucibus lapidis exire; (5) et – in quo summum specimen operae fabrilis egregius ille signifex prodidit –, sublatis canibus in pectus arduis pedes imi resistunt, currunt priores. (6) pone tergum deae saxum insurgit in speluncae modum muscis et herbis et foliis et virgulis et sicubi pampinis et arbusculis alibi de lapide florentibus. (7) splendet intus umbra signi de nitore lapidis. sub extrema saxi margine poma et uvae faberrime politae dependent, quas ars aemula naturae veritati similes explicuit. (8) putes ad cibum inde

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tungen erreicht werden kann, mit Sorgfalt tun. So oft sich ein Grund zur Reise hierher ergeben wird, wird es niemals geschehen, dass ich nicht bei dir absteige.« (6) Während wir diese Worte und solche dieser Art tauschten, kamen wir, nachdem wir recht wenige Schritte zurückgelegt hatten, bei Byrrhenas Haus an. 4 (1) Das besonders prächtige Atrium trug auf vierfach, also in jeder Ecke stehenden Säulen Statuen, (2) Gestalten der die Palme tragenden Göttin, welche die Flügel ausgebreitet hatten und, als ob sie beim Dahinschreiten ihren mit taufeuchten Füßen unsicheren Tritt auf die rollende Kugel schnell herabgleiten lassen wollten, nicht so darauf hafteten, dass sie verweilten, und schon den Eindruck erweckten, sie würden fliegen. (3) Und sieh da, parischer Marmor, zur Diana geformt, nahm harmonisch die Mitte des ganzen Raumes ein, eine vollendet herrliche Statue, das Gewand gebauscht, lebendig im Voranschreiten, den Eintretenden entgegengehend und durch die Majestät der Gottheit verehrungswürdig. (4) Hunde schützten die beiden Flanken der Göttin, Hunde, die auch selbst aus Marmor waren. Ihre Augen drohten, ihre Ohren waren gespitzt, die Nüstern standen weit offen, ihre Mäuler waren grimmig, und wenn irgendwoher aus nächster Nähe Gebell hereingedrungen wäre, hättest du geglaubt, es käme aus den Marmorrachen; (5) und – darin hatte jener hervorragende Bildhauer den bedeutendsten Beweis seiner Kunstfertigkeit geliefert – während die Hunde sich steil mit der Brust erhoben, blieben die hinteren Läufe stehen, die vorderen liefen. (6) Hinter dem Rücken der Göttin erhob sich ein Fels in der Art einer Grotte mit Moos, Gräsern, Blättern und Zweigen, auf der einen Seite mit Weinranken, auf der anderen mit Bäumchen, und alles blühte aus dem Stein heraus. (7) Im Innern schimmerte der Schatten der Statue von dem Glanz des Marmors. Von dem äußersten Rand des Felsens hingen, höchst kunstreich herausgearbeitet, Früchte und Weintrauben herab, welche die mit der Natur wetteifernde Kunst der Wirklichkeit gleich geformt hatte. (8) Du hättest

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quaedam, cum mustulentus autumnus maturum colorem adflaverit, posse decerpi, (9) et si fontem, qui deae vestigio discurrens in lenem vibratur undam, pronus aspexeris, credes illos ut rure pendentes racemos inter cetera veritatis nec agitationis officio carere. (10) inter medias frondes lapidis Actaeon simulacrum curioso optutu in deam 〈deor〉sum proiectus iam in cervum ferinus et in saxo simul et in fonte loturam Dianam opperiens visitur. 5 (1) Dum haec identidem rimabundus eximie delector, ‘tua sunt’ ait Byrrhena ‘cuncta, quae vides’, et cum dicto ceteros omnes sermone secreto decedere praecipit. (2) quibus dispulsis omnibus ‘per hanc’ inquit ‘deam, o Luci carissime, ut anxie tibi metuo et ut pote pignori meo longe provisum cupio, (3) cave tibi, sed cave fortiter a malis artibus et facinorosis illecebris Pamphiles illius, quae cum Milone isto, quem dicis hospitem, nupta est. (4) maga primi nominis et omnis carminis sepulchralis magistra creditur, quae surculis et lapillis et id genus frivolis inhalatis omnem istam lucem mundi sideralis imis Tartari et in vetustum Chaos submergere novit. (5) nam simul quemque conspexerit speciosae formae iuvenem, venustate eius sumitur et ilico in eum et oculum et animum detorquet. (6) serit blanditias, invadit spiritum, amoris profundi pedicis aeternis alligat. (7) tunc minus morigeros et vilis fastidio in saxa et in pecua et quodvis animal puncto reformat, alios vero prorsus extinguit. (8) haec tibi trepido et cavenda censeo. nam et illa urit per-

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glauben können, zum Essen hätten von dort einige, wenn der mostreiche Herbst ihnen die reife Farbe zugehaucht haben würde, abgepflückt werden können, (9) und wenn du die Quelle, die sich zu Füßen der Göttin ausbreitete und zu sanften Wellen kräuselte, nach vorne gebeugt angeschaut hättest, hättest du geglaubt, dass jenen wie auf dem Land hängenden Trauben unter allem Übrigen, was sie wirklichkeitsnah machte, nicht die Funktion der Bewegung fehlte. (10) Mitten im Laub aus Stein beugte Aktäon sich als Statue mit neugierigem Blick hinunter zur Göttin, schon als Tier in Hirschgestalt, und man konnte zugleich im Stein und in der Quelle sehen, wie er darauf lauerte, dass Diana baden werde. 5 (1) Während ich dies wieder und wieder musterte und mich außerordentlich daran erfreute, sagte Byrrhena: »Dein ist alles, was du siehst.« Und mit diesen Worten befahl sie allen Übrigen, sich zu entfernen, damit sie ein Gespräch unter vier Augen mit mir führen könne. (2) Als alle verscheucht waren, sagte sie: »Bei dieser Göttin, mein teuerster Lucius, so wahr ich ängstlich für dich fürchte und wie für mein eigenes Kind auf lange Sicht vorgesorgt wissen möchte, (3) hüte dich, aber hüte dich energisch vor den üblen Künsten und den verbrecherischen Verlockungen jener Pamphile, die mit diesem Milo da, den du Gastfreund nennst, verheiratet ist. (4) Sie gilt als Zauberin ersten Ranges und aller Totenbeschwörungen Meisterin, die durch Anhauchen von Zweigen, Steinchen und Kleinigkeiten solcher Art dieses ganze Licht des gestirnten Himmels in die Tiefen des Tartarus und das Chaos der Vorzeit zu versenken weiß. (5) Denn sobald sie einen jungen Mann von hübscher Gestalt erblickt hat, wird sie von seiner Anmut eingenommen und wendet sofort auf ihn ihre Augen und ihren Sinn. (6) Sie reiht ihre Flirts aneinander, sie dringt in seinen Geist ein, sie bindet ihn mit ewigen Fesseln einer abgrundtiefen Liebe. (7) Außerdem verwandelt sie die weniger Willigen und die wegen ihrer Abneigung Wertlosen im Nu in Steine und Vieh und jedes beliebige Tier, andere aber vernichtet sie ganz und gar. (8) Das ist es, weshalb ich für dich fürchte und

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petuum et tu per aetatem et pulchritudinem capax eius es.’ haec mecum Byrrhena satis anxia. 6 (1) At ego curiosus alioquin, ut primum artis magicae semper optatum nomen audivi, tantum a cautela Pamphiles afui, (2) ut etiam ultro gestirem tali magisterio me volens ampla cum mercede tradere et prorsus in ipsum barathrum saltu concito praecipitare. (3) festinus denique et vecors animi manu eius velut catena quadam memet expedio et ‘salve’ propere addito ad Milonis hospitium perniciter evolo. (4) ac dum amenti similis celero vestigium, ‘age,’ inquam ‘o Luci, evigila et tecum esto. (5) habes exoptatam occasionem et voto diutino poteris fabulis miris explere pectus. (6) aufers formidines pueriles, comminus cum re ipsa naviter congredere et a nexu quidem venerio hospitis tuae tempera et probi Milonis genialem torum religiosus suspice, verum enim vero Photis famula petatur enixe. (7) nam et forma scitula et moribus ludicra et prorsus argutula est. vesperi quoque cum somno concederes, et in cubiculum te deduxit comiter et blande lectulo collocavit et satis amanter cooperuit et osculato tuo capite, quam invita discederet, vultu prodidit, denique saepe retrorsa respiciens substitit. (8) quod bonum felix et faustum itaque, licet salutare non erit, Photis illa temptetur.’ 7 (1) Haec mecum ipse disputans fores Milonis accedo et, quod aiunt, pedibus in sententiam meam vado. nec tamen domi Milonem vel uxorem eius offendo, sed tantum caram meam Photidem. (2) suis parabat viscum fartim concisum et pulpam frustatim

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wovor du dich, wie ich meine, hüten musst. Denn sie ist ununterbrochen entflammt, und du bist durch deine Jugend und deine Schönheit ein Fang für sie.« So Byrrhena zu mir, sehr in Angst. 6 (1) Doch ich, ohnehin neugierig, war, sobald ich das stets ersehnte Wort ›Zauberkunst‹ gehört hatte, so weit von Vorsicht gegenüber Pamphile entfernt, (2) dass ich sogar von selbst heftig begehrte, mich einer solchen Lehrerin freiwillig für einen hohen Lohn auszuliefern und geradewegs mit schnellem Sprung kopfüber direkt in den Abgrund zu stürzen. (3) Hastig und ganz von Sinnen entwand ich mich also ihrem Arm wie einer Kette, fügte rasch ein »Lebewohl!« hinzu und flog eilends zu Milos Haus. (4) Und während ich einem Wahnwitzigen ähnlich meine Schritte beschleunigte, sagte ich: »Auf, Lucius, sei wachsam und dein eigener Herr! (5) Du hast die herbeigesehnte Gelegenheit und wirst, nachdem du es dir lange gewünscht hast, dein Herz mit wundersamen Geschichten sättigen können. (6) Lege ab deine kindischen Ängste, im Nahkampf konfrontiere dich tatkräftig direkt mit der Situation und enthalte dich zwar einer sexuellen Bindung an deine Gastgeberin und respektiere ehrfürchtig das Ehebett des braven Milo, doch freilich die Dienerin Photis sei eifrig umworben. (7) Denn sie hat eine hübsche Gestalt und ein neckisches Wesen und ist sehr scharf. Auch gestern Abend, als du schlafen gingst, hat sie dich nett in dein Schlafzimmer begleitet, sanft in dein Bettchen gelegt und sehr liebevoll zugedeckt und hat, nachdem sie dich auf den Kopf geküsst hat, durch ihre Miene verraten, wie ungern sie davonging, ist dann auch noch stehen geblieben und mehrfach zurückgekehrt, um dich zu sehen. (8) Möge dies gut, glücklich und günstig verlaufen – selbst wenn es nicht heilsam sein wird, diese Photis werde bestürmt!« 7 (1) Während ich so mit mir selbst diskutierte, kam ich bei Milos Haustür an und stimmte, wie man sagt, mit den Füßen für meinen Antrag. Im Haus jedoch traf ich Milo und seine Frau nicht an, sondern nur meine liebe Photis. (2) Sie bereitete gerade für ihre Herrschaft Innereien vom Schwein, die zum Füllen einer Wurst

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consectam [ambacu pascuae iurulenta] et, quod naribus iam inde hariolabar, tuccetum perquam sapidissimum. (3) ipsa linea tunica mundule amicta et russea fasceola praenitente altiuscule sub ipsas papillas succinctula illud cibarium vasculum floridis palmulis rotabat in circulum et in orbis flexibus crebra succutiens et simul membra sua leniter inlubricans, lumbis sensim vibrantibus spinam mobilem quatiens placide decenter undabat. (4) isto aspectu defixus obstupui et mirabundus steti, steterunt et membra, quae iacebant ante. (5) et tandem ad illam ‘quam pulchre quamque festive,’ inquam ‘Photis mea, ollulam istam cum natibus intorques! (6) quam mellitum pulmentum apparas! felix et ter beatus, cui permiseris illuc digitum intingere.’ (7) Tunc illa lepida alioquin et dicacula puella ‘discede,’ inquit ‘miselle, quam procul a meo foculo, discede. nam si te vel modice meus igniculus afflaverit, ureris intime nec ullus extinguet ardorem tuum nisi ego, quae dulce condiens et ollam et lectulum suave quatere novi.’ 8 (1) Haec dicens in me respexit et risit. nec tamen ego prius inde discessi, quam diligenter omnem eius explorassem habitudinem. (2) vel quid ego de ceteris aio, cum semper mihi unica cura fuerit caput capillumque sedulo et publice prius intueri et domi postea perfrui (3) sitque iudicii huius apud me certa et statuta ratio[ne]: vel quod praecipua pars ista corporis in aperto et perspicuo posita prima nostris luminibus occurrit et, quod in ceteris

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klein gehackt waren, und ein Stück Fleisch, das in dünne Scheiben geschnitten war, und, wie ich mit meinen Nasenlöchern schon von fern geweissagt hatte, äußerst wohlschmeckendes Schmalzfleisch. (3) Sie selbst, graziös bekleidet mit einer Tunika aus Leinen und darunter von einem rötlichen Büstenhalter, der glänzend durchschien, ziemlich hoch unter den Brüsten umschlossen, schwang den Kochtopf mit ihren rosigen Händen im Kreis, und während sie ihn mehrfach mit einer Kreisbewegung schüttelte und gleichzeitig ihre Glieder in leichte Schwingungen versetzte, wobei ihre Hüften leicht schaukelten, schüttelte sie ihr geschmeidiges Rückgrat und wogte sanft mit Dezenz hin und her. (4) Gebannt von diesem Anblick erstarrte ich und stand staunend da, und es stand mein Glied, das vorher dagelegen hatte. (5) Und endlich sagte ich zu ihr: »Wie hübsch und apart, meine Photis, du das Töpfchen da gleichzeitig mit den Hinterbacken schwingst! (6) Was für ein süßes Gericht du zubereitest! Glücklich und dreimal gesegnet, wem du erlaubst, dort den Finger einzutauchen!« (7) Da sagte jenes auch sonst charmante und schlagfertige Mädchen: »Geh, du armes Kerlchen, möglichst weit weg von meinem Herdchen, geh weg! Denn wenn auch nur leicht mein Feuerchen dich angehaucht hat, wirst du tief innen brennen, und niemand wird deine Glut löschen außer mir, die ich mich darauf verstehe, Topf und Bettchen süß zu würzen und auf köstliche Weise zum Schwingen zu bringen.« 8 (1) Während sie dies sagte, sah sie sich nach mir um und lachte. Dennoch ging ich nicht eher von dort weg, als bis ich ihre ganze Erscheinung genau gemustert hatte. (2) Aber was soll ich von dem Übrigen reden, wo es doch immer mein einziges Interesse war, Kopf und Haar zuerst aufmerksam in der Öffentlichkeit zu betrachten und mich hinterher zu Hause darüber zu entzücken, (3) und es für dieses Urteil bei mir einen feststehenden und soliden Grund gibt: zumindest den, dass dieser alles überragende Teil des Körpers, der offen und sichtbar platziert ist, als erster unseren Augen begegnet

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membris floridae vestis hilaris color, hoc in capite nitor nativus operatur. (4) denique pleraeque indolem gratiamque suam probaturae lacinias omnes exuunt, amicula dimovent, nudam pulchritudinem suam praebere se gestiunt magis de cutis roseo rubore quam de vestis aureo colore placiturae. (5) at vero – quod nefas dicere, nec quod sit ullum huius rei tam dirum exemplum! – si cuiuslibet eximiae pulcherrimaeque feminae caput capillo spoliaveris et faciem nativa specie nudaveris, (6) licet illa caelo deiecta, mari edita, fluctibus educata, licet inquam Venus ipsa fuerit, licet omni Gratiarum choro stipata et toto Cupidinum populo comitata et balteo suo cincta, cinnama flagrans et balsama rorans calva processerit, placere non poterit nec Vulcano suo. 9 (1) Quid cum capillis color gratus et nitor splendidus inlucet et contra solis aciem vegetus fulgurat vel placidus renitet (2) aut in contrariam gratiam variat aspectum et nunc aurum coruscans in lenem mellis deprimitur umbram, nunc corvina nigredine caerulus columbarum collis flosculos aemulatur (3) vel cum guttis Arabicis obunctus et pectinis arguti dente tenui discriminatus et pone versum coactus amatoris oculis occurrens ad instar speculi reddit imaginem gratiorem? (4) quid cum frequenti subole spissus cumulat verticem vel prolixa serie porrectus dorsa permanat? (5) tanta denique est capillamenti dignitas, ut quamvis auro veste gemmis omni-

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und dass das, was bei den übrigen Gliedern die heitere Farbe eines blumigen Gewandes, beim Kopf der natürliche Glanz leistet. (4) Tatsächlich ziehen die meisten Frauen, welche ihre natürliche Anmut unter Beweis stellen wollen, alle ihre Kleider aus, entfernen ihre Hüllen und sind sehr begierig, ihre nackte Schönheit darzubieten, weil sie mehr durch das zarte Rot ihrer Haut als durch die goldene Farbe ihres Gewands gefallen wollen. (5) Aber wahrhaftig – das zu sagen, ist Frevel, und möge es doch nie irgendein so grässliches Beispiel dafür geben! –, wenn du den Kopf irgendeiner herausragenden und bildschönen Frau des Haars berauben und damit dem Gesicht die natürliche Schönheit nehmen würdest, (6) mag sie vom Himmel gefallen, aus dem Meer geboren, von den Fluten aufgezogen sein, mag es, sage ich, Venus selbst sein, mag sie vom ganzen Reigen der Grazien umdrängt und vom ganzen Volk der Cupidines begleitet und mit ihrem Kestos gegürtet sein, duftend von Zimtessenz und triefend von Balsam, aber kahlköpfig auftreten, könnte sie nicht einmal ihrem Vulkan gefallen. 9 (1) Was soll man sagen, wenn das Haar liebliche Farbe und strahlender Glanz beleuchtet und es gegen die Sonnenstrahlen lebhaft funkelt oder sie sanft reflektiert (2) oder die Erscheinung verändert, um gegensätzliche Anmut hervorzurufen, bald als glitzerndes Gold sich zur schattigen Lieblichkeit des Honigs neigt, bald dunkelblau wie Rabenschwärze die Blümchen auf den Hälsen der Tauben imitiert, (3) oder mit arabischen Tropfen gesalbt und vom feinen Zahn eines scharfen Kamms geteilt und nach hinten zusammengezwungen, den Augen des Liebenden begegnet und ihm wie ein Spiegel ein lieblicheres Bild zurückwirft? (4) Was soll man sagen, wenn es, in einen dichten Zopf zusammengedrängt oben den Kopf krönt oder in langen Strähnen herabfällt und über den Rücken fließt? (5) Kurz, so groß ist die Bedeutung des Haars, dass, wenn auch noch so sehr mit Gold, Kleidung, Edelsteinen und anderem Flitterkram geschmückt eine Frau dahin schreitet, sie dennoch,

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que cetero mundo exornata mulier incedat, tamen, nisi capillum distinxerit, ornata non possit audire. (6) Sed in mea Photide non operosus, sed inordinatus ornatus addebat gratiam. uberes enim crines leniter remissos et cervice dependulos ac dein per colla dispositos sensimque sinuato patagio residentes paulisper ad finem conglobatos in summum verticem nodus adstrinxerat. 10 (1) Nec diutius quivi tantum cruciatum voluptatis eximiae sustinere, sed pronus in eam, qua fine summum cacumen capillus ascendit, mellitissimum illud savium impressi. (2) tum illa cervicem intorsit et ad me conversa limis et morsicantibus oculis ‘heus tu, scolastice,’ ait ‘dulce et amarum gustulum carpis. cave ne nimia mellis dulcedine diutinam bilis amaritudinem contrahas.’ (3) ‘Quid istic’ inquam ‘est, mea festivitas, cum sim paratus vel uno saviolo interim recreatus super istum ignem porrectus assari?’ et cum dicto artius eam complexus coepi saviari. (4) iamque aemula libidine in amoris parilitatem congermanescenti mecum, iam patentis oris inhalatu cinnameo et occursantis linguae inlisu nectareo prona cupidine adlibescenti (5) ‘pereo’, inquam ‘immo iam dudum perii, nisi tu propitiaris.’ (6) Ad haec illa rursum me deosculato ‘bono animo esto,’ inquit ‘nam ego tibi mutua voluntate mancipata sum nec voluptas nostra differetur ulterius, sed prima face cubiculum tuum adero. abi ergo

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wenn sie ihr Haar nicht zurechtgemacht hat, nicht geschmückt genannt werden kann. (6) Doch bei meiner Photis erhöhte nicht kunstvoll hergestellter, sondern ungeordneter Schmuck den Reiz. Denn ihre üppigen Haare, die sanft herabflossen, über den Nacken hingen und dann, über den Hals verteilt, ein Weilchen auf der leicht gebogenen Borte der Tunika ruhten, befestigte, bevor sie sich an ihrem Ende zusammenrollten, ein Knoten oben auf dem Kopf. 10 (1) Und nicht länger konnte ich die so große Qual des höchsten Lustgefühls aushalten, sondern drückte, zu ihr hingeneigt, dort, wo am Ende ihr Haar den höchsten Gipfel besteigt, den süßesten Kuss auf. (2) Da drehte sie den Nacken und sagte, mir zugewandt, mit ihren schelmischen und beißenden Augen: »He du, Schuljunge, eine süße und bittere Frucht pflückst du dir da. Pass nur auf, dass du dir nicht durch die allzu starke Süße chronische Bitterkeit der Galle holst!« (3) »Was soll das hier, meine Wonne?«, sagte ich, »wo ich doch bereit bin, wenn ich inzwischen von zumindest einem einzigen Kuss wiederbelebt worden bin, über dieses Feuer da hingestreckt geröstet zu werden«, und mit diesen Worten umarmte ich sie ganz fest und begann, sie zu küssen. (4) Und als sie schon in ihrer Geilheit, die mit meiner wetteiferte, zur Parität der erotischen Leidenschaft mit mir verschmolz, schon mit dem nach Zimt duftenden Atem ihres offenen Mundes und dem nektarsüßen Anstoßen ihrer mir entgegenkommenden Zunge willig vor Verlangen meiner Geilheit entgegenkam, sagte ich zu ihr: (5) »Ich sterbe, nein, ich bin schon längst gestorben, wenn du dich nicht gnädig zeigst.« (6) Darauf sagte sie, nachdem sie mich erneut über und über geküsst hatte: »Sei guten Mutes, denn unser Verlangen ist gegenseitig, ich bin deine Sklavin und unsere Lust wird nicht länger aufgeschoben werden, sondern sobald die erste Fackel entzündet ist, werde ich in dein Schlafzimmer kommen. Geh also weg und mache

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ac te compara, tota enim nocte tecum fortiter et ex animo proeliabor.’ 11 (1) His et talibus obgannitis sermonibus inter nos discessum est. commodum meridies accesserat, et mittit mihi Byrrhena xeniola porcum opimum et quinque gallinulas et vini cadum in aetate pretiosi. (2) tunc ego vocata Photide ‘ecce’ inquam ‘Veneris hortator et armiger Liber advenit ultro. vinum istud hodie sorbamus omne, quod nobis restinguat pudoris ignaviam et alacrem vigorem libidinis incutiat. (3) hac enim sitarchia navigium Veneris indiget sola, ut in nocte pervigili et oleo lucerna et vino calix abundet.’ (4) Diem ceterum lavacro ac dein cenae dedimus. nam Milonis boni concinnaticiam mensulam rogatus accubueram, quam pote tutus ab uxoris eius aspectu Byrrhenae monitorum memor et perinde in eius faciem oculos meos ac si in Avernum lacum formidans deieceram. (5) sed adsidue respiciens praeministrantem Photidem inibi recreabar animi, cum ecce iam vespera lucernam intuens Pamphile ‘quam largus’ inquit ‘imber aderit crastino’ et percontanti marito, qui comperisset istud, respondit sibi lucernam praedicere. (6) quod dictum ipsius Milo risu secutus ‘grandem’ inquit ‘istam in lucerna Sibyllam pascimus, quae cuncta caeli negotia et solem ipsum de specula candelabri contuetur.’ 12 (1) Ad haec ego subiciens ‘sunt’ aio ‘prima huiusce divinationis experimenta. (2) nec mirum, licet modicum istum igniculum et manibus humanis laboratum, memorem tamen illius maioris et caelestis ignis velut sui parentis, quid is sit editurus in aetheris

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dich bereit, denn ich werde während der ganzen Nacht tapfer und von Herzen gern mit dir kämpfen.« 11 (1) Nachdem wir so und ähnlich Scherze ausgetauscht hatten, trennten wir uns. Gerade war die Mittagszeit gekommen, und Byrrhena schickte mir als Gastgeschenke ein fettes Schwein, fünf Hühnchen und einen Krug Wein, den sein Alter kostbar machte. (2) Da rief ich Photis und sagte: »Schau, der Antreiber und Waffenträger der Venus, Liber, ist aus eigener Initiative angekommen. Diesen Wein lass uns heute ganz trinken, damit er uns die Mutlosigkeit der Scham auslöscht und die feurige Energie des Verlangens nach Sex einflößt. (3) Denn allein diesen Proviant benötigt das Schiff der Venus, auf dass in einer durchwachten Nacht die Lampe voll Öl und der Becher voll Wein ist.« (4) Den übrigen Tag widmeten wir dem Bad und dann dem Abendessen. Denn ich hatte, an die kunstreich hergerichtete kleine Tafel des guten Milo geladen, Platz genommen, möglichst geschützt vor dem Blick seiner Frau in Erinnerung an Byrrhenas Warnungen, und ich hatte in meiner Angst meine Augen auf ihr Gesicht gerade so wie auf den Avernersee geworfen. (5) Aber ständig blickte ich auf Photis, die uns bediente, und dabei wurde ich im Herzen wieder belebt, als, sieh da, Pamphile – es war schon Abend – die Lampe ansah und sagte: »Was für ein gewaltiger Regen wird morgen kommen!«, und ihrem Mann, der sie fragte, wie sie das erfahren habe, antwortete sie, das sage ihr die Lampe voraus. (6) Auf ihre Worte reagierte Milo mit Gelächter, und er sagte: »Als eine große Sibylle ernähren wir diese Lampe da, die alle Geschäfte des Himmels und die Sonne selbst von ihrem Observatorium des Leuchters betrachtet.« 12 (1) Dazu schaltete ich mich ein und sagte: »Es gibt elementare Erfahrungstatsachen dieser Art von Weissagung. (2) Und es ist kein Wunder, dass, auch wenn dieses Flämmchen klein ist und von Menschenhänden gemacht, es doch in Erinnerung an jenes größere und himmlische Licht, gleichsam an seinen Vater, das, was dieses

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vertice, divino praesagio et ipsum scire et nobis enuntiare. (3) nam et Corinthi nunc apud nos passim Chaldaeus quidam hospes miris totam civitatem responsis turbulentat et arcana fatorum stipibus emerendis edicit in vulgum, (4) qui dies copulas nuptiales adfirmet, qui fundamenta moenium perpetuet, qui negotiatori commodus, qui viatori celebris, qui navigiis opportunus. (5) mihi denique proventum huius peregrinationis inquirenti multa respondit et oppido mira et satis varia: nunc enim gloriam satis floridam, nunc historiam magnam et incredundam fabulam et libros me futurum.’ 13 (1) Ad haec renidens Milo ‘qua’ inquit ‘corporis habitudine praeditus quove nomine nuncupatus hic iste Chaldaeus est?’ ‘procerus’ inquam ‘et suffusculus, Diophanes nomine.’ (2) ‘ipse est’ ait ‘nec ullus alius. nam et hic apud nos multa multis similiter effatus non parvas stipes, immo vero mercedes opimas iam consecutus fortunam scaevam, an saevam verius dixerim, miser incidit. (3) Nam die quadam cum frequentis populi circulo conseptus coronae circumstantium fata donaret, Cerdo quidam nomine negotiator accessit eum diem commodum peregrinationi cupiens. (4) quem cum electum destinasset ille, iam deposita crumina, iam profusis nummulis, iam dinumeratis centum denarium, quos mercedem divinationis auferret, ecce quidam de nobilibus adulescentulus a tergo adrepens eum lacinia prehendit et conversum ample-

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auf dem Gipfel des Äthers hervorbringen werde, durch eine göttliche Vorahnung sowohl selbst weiß als auch uns verkündet. (3) Denn auch jetzt in Korinth bei uns stellt ein chaldäischer Gastfreund mit seinen wundersamen Antworten die ganze Stadt überall auf den Kopf und verkündet, womit er Geld verdient, der Volksmenge die Geheimnisse der Geschicke: (4) Welcher Tag das Band der Ehe fest macht, welcher die Fundamente der Städte ewig fortdauern lässt, welcher für den Geschäftsmann günstig ist, welcher dem Reisenden eine vielköpfige Reisegesellschaft bietet, welcher günstig ist für die Schifffahrt. (5) Mir zum Beispiel hat er, als ich ihn nach dem Verlauf dieser Reise fragte, vieles geantwortet, und zwar ganz Wundersames und sehr Verschiedenes: Denn bald sagte er, ich würde eine sehr blühende Berühmtheit, bald, ich würde zu einer langen Geschichte, einer unglaubwürdigen Erzählung und zu Büchern werden.« 13 (1) Dazu sagte Milo mit einem Lächeln: »Welche körperliche Erscheinung hat dieser Chaldäer und mit welchem Namen ist er benannt?« »Hochgewachsen«, sagte ich, »und braungebrannt, mit dem Namen Diophanes.« (2) »Genau der ist es«, sagte er, »nicht irgendein anderer. Denn er hat auch hier bei uns vieles vielen auf ähnliche Weise verkündet, nicht kleine Münzen, nein, schon fetten Lohn erlangt und ist dann, der Arme, in ein – soll ich trauriges oder schauriges sagen? – Unglück geraten. (3) Denn als er eines Tages, umgeben von einem Kreis zahlreicher Leute, der Schar um ihn herum Stehender Schicksalssprüche schenkte, trat einer mit Namen Cerdo, ein Geschäftsmann, an ihn heran, der sich einen günstigen Tag für eine Reise wünschte. (4) Diesen hatte jener ausgewählt und für ihn bestimmt, schon war der Geldbeutel hingelegt, schon waren die Münzen ausgeschüttet, schon hundert Denare hergezählt, die er als Lohn für seine Weissagung davontragen sollte, da schlich, sieh her, ein junger Mann aus der Nobilität von hinten an ihn heran und ergriff ihn an seinem Gewand, und als der sich umdrehte, umarmte und küsste er ihn,

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xus exosculatur artissime. (5) at ille, ubi primum consaviatus eum iuxtim se ut adsidat effecit, [attonitus et] repentinae visionis stupore 〈attonitus〉 et praesentis negotii, quod gerebat, oblitus infit ad eum: (6) “quam olim equidem exoptatus nobis advenis?” respondit ad haec ille alius: “commodum vespera oriente. sed vicissim tu quoque, frater, mihi memora, quem ad modum exinde, ut de Euboea insula festinus enavigasti, et maris et viae confeceris iter.” 14 (1) Ad haec Diophanes ille Chaldaeus egregius mente viduus necdum suus “hostes” inquit “et omnes inimici nostri tam diram, immo vero Ulixeam peregrinationem incidant. (2) nam et navis ipsa, 〈qua〉 vehebamur, variis turbinibus procellarum quassata utroque regimine amisso aegre ad ulterioris ripae marginem detrusa praeceps demersa est, et nos omnibus amissis vix enatavimus. (3) quodcumque vel ignotorum miseratione vel amicorum benivolentia contraximus, id omne latrocinalis invasit manus, quorum audaciae repugnans etiam Arignotus unicus frater meus sub istis oculis miser iugulatus est.” (4) Haec eo adhuc narrante maesto Cerdo ille negotiator correptis nummulis suis, quos divinationis mercedi destinaverat, protinus aufugit. (5) ac dehinc tunc demum Diophanes expergitus sensit imprudentiae suae labem, cum etiam nos omnis circumsecus adstantes in clarum cachinnum videret effusos. (6) Sed tibi plane, Luci domine, soli omnium Chaldaeus ille vera dixerit, sisque felix et iter dexterum porrigas.’

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sehr eng an ihn gedrückt. (5) Und sobald der ihn geküsst und ihn neben sich hatte sitzen lassen, begann er, vom Erstaunen über die plötzliche Erscheinung ganz verblüfft und ohne an das Geschäft, das er gerade betrieb, zu denken: (6) ›Wie lange doch erwartet kommst du zu uns?‹ Darauf antwortete jener andere: ›Soeben, als der Abendstern aufging. Aber erzähle doch auch du mir, Brüderchen, wie du von hier aus, als du von der Insel Euböa eilends abgesegelt bist, zu Wasser und zu Lande deinen Weg zurückgelegt hast.‹ 14 (1) Dazu sagte jener hervorragende Chaldäer, seines Verstandes beraubt und nicht bei sich: ›Alle meine Feinde und Gegner sollen in eine so grässliche Reise hineingeraten, nein, in eine odysseische! (2) Denn das Schiff selbst, auf dem wir fuhren, wurde von verschiedenen Wirbelwinden erschüttert, verlor beide Steuerruder und versank, als es kaum noch an den Rand des jenseitigen Ufers getrieben worden war, geradewegs in der Tiefe, und wir konnten, nachdem wir alles verloren hatten, gerade noch an Land schwimmen. (3) Alles, was wir durch die Barmherzigkeit Fremder oder das Wohlwollen unserer Freunde zusammengesammelt haben, das entwendete uns gewaltsam eine Räuberbande, deren Kühnheit sich Arignotus, mein einziger Bruder, widersetzte, worauf dem Armen auch noch vor diesen meinen Augen die Kehle durchgeschnitten wurde.‹ (4) Während er dies noch traurig erzählte, raffte jener Geschäftsmann Cerdo seine Münzen an sich, die er zum Lohn für die Weissagung bestimmt hatte, und entfloh schleunigst. (5) Und da erst wachte Diophanes endlich auf und wurde sich des Unheils bewusst, in das ihn sein Unverstand gebracht hatte, wobei er auch noch mit ansehen musste, wie wir alle, die wir um ihn herumstanden, in ein lautes Gelächter ausbrachen. (6) Aber dir, mein Herr Lucius, möge als einzigem von allen jener Chaldäer die Wahrheit gesagt haben, und mögest du glücklich sein und deine Reise gut fortsetzen.«

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15 (1) Haec Milone diutine sermocinante tacitus ingemescebam mihique non mediocriter suscensebam, quod ultro inducta serie inopportunarum fabularum partem bonam vesperae eiusque gratissimum fructum amitterem. (2) et tandem denique devorato pudore ad Milonem aio: ‘ferat suam Diophanes ille fortunam et spolia populorum rursum conferat mari pariter ac terrae. (3) mihi vero fatigationis hesternae etiam nunc saucio da veniam, maturius concedam cubitum.’ (4) et cum dicto facesso et cubiculum meum contendo atque illic deprehendo epularum dispositiones satis concinnas. (5) nam et pueris extra limen – credo, ut arbitrio nocturni gannitus ablegarentur – humi quam procul distratum fuerat. et grabattulum meum adstitit mensula cenae totius honestas reliquias tolerans (6) et calices boni iam infuso latice semipleni solam temperiem sustinentes et lagoena iuxta orificio caesim deasceato patescens facilis hauritu – prorsus gladiatoriae Veneris antecenia. 16 (1) Commodum cubueram, et ecce Photis mea iam domina cubitum reddita laeta proximat rosa serta et rosa soluta in sinu tuberante. (2) ac me pressim deosculato et corollis revincto ac flore persperso adripit poculum ac desuper aqua calida iniecta porrigit bibam (3) idque modico prius quam totum exsorberem clementer invadit ac relictum pullulatim labellis minuens meque respiciens sorbillat dulciter. (4) sequens et tertium inter nos vicissim et frequens alternat poculum, cum ego iam vino madens nec animo

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15 (1) Während Milo dies ewig lang dahinschwätzte, stöhnte ich im Stillen und zürnte mir nicht wenig, weil ich von mir aus die Reihe unpassender Gespräche begonnen hatte und einen guten Teil des Abends sowie seine angenehmste Frucht verlor. (2) Und dann endlich schluckte ich meine Scheu herunter und sagte zu Milo: »Möge jener Diophanes sein Schicksal erleiden und seine Beute von den Leuten wieder Meer und Land zugleich übergeben. (3) Mir aber, der ich von der gestrigen Erschöpfung jetzt noch angeschlagen bin, gib die Erlaubnis, dass ich früher schlafen gehe.« (4) Und mit diesen Worten machte ich mich davon, eilte in mein Schlafzimmer und fand dort ein sehr passendes Arrangement für ein Mahl. (5) Denn den Sklaven war außerhalb der Türschwelle – ich glaube, damit sie als Zeugen unseres nächtlichen Geflüsters ferngehalten würden – am Boden möglichst weit weg ein Lager ausgebreitet worden. Und nahe an meinem Lager standen ein Tischchen, das stattliche Reste des ganzen Abendessens trug, (6) und prächtige Becher, schon halbvoll mit dem eingegossenen Wasser, die allein auf das Mischen warteten, und daneben ein Krug, der, weil der Hals durch einen Beilhieb abgeschlagen war, weit offen und bequem für das Trinken war – gerade die richtige Vorspeise für die gladiatorische Venus. 16 (1) Ich hatte mich gerade hingelegt, als, sieh da, meine Photis nahte, die bereits ihre Herrin ins Bett gebracht hatte, freudestrahlend, umwunden mit Rosen und Rosenblättern auf ihrem wogenden Dekolleté. (2) Und als sie mir über und über fest aufgedrückte Küsse gegeben, mich mit Kränzen gefesselt und mich mit Blumen übersät hatte, ergriff sie einen Becher, goss darauf warmes Wasser und reichte ihn mir zum Trinken, (3) und kurz bevor ich ihn ganz ausgeschlürft hatte, entzog sie ihn mir sanft und schlürfte süß wie ein kleines Vögelchen den Rest, indem sie diesen mit den Lippen verschwinden ließ und mich dabei ansah. (4) Ein zweiter und ein dritter Becher wechselte zwischen uns von Hand zu Hand, und weitere danach, als ich plötzlich, schon vom Wein durchtränkt und

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tantum, verum etiam corpore ipso ad libidinem inquies alioquin et petulans et iam saucius paulisper inguinum fine lacinia remota inpatientiam Veneris Photidi meae monstrans (5) ‘miserere’ inquam ‘et subveni maturius. nam ut vides, proelio, quod nobis sine fetiali officio indixeras, iam proximante vehementer intentus, (6) ubi primam sagittam saevi Cupidinis in ima praecordia mea delapsam excepi, arcum meum et ipse vigorate tetendi et oppido formido, ne nervus rigoris nimietate rumpatur. (7) sed ut mihi morem plenius gesseris, in effusum laxa crinem et capillo fluenter undante redde complexus amabiles.’ 17 (1) Nec mora, cum omnibus illis cibariis vasculis raptim remotis laciniis cunctis suis renudata crinibusque dissolutis ad hilarem lasciviam in speciem Veneris, quae marinos fluctus subit, pulchre reformata, (2) paulisper etiam glabellum feminal rosea palmula potius obumbrans de industria quam tegens verecundia (3) ‘proeliare’ inquit ‘et fortiter proeliare, nec enim tibi cedam nec terga vortam. comminus in aspectum, si vir es, derige et grassare naviter et occide moriturus. hodierna pugna non habet missionem.’ (4) Haec simul dicens inscenso grabattulo super me sensim residens ac crebra subsiliens lubricisque gestibus mobilem spinam quatiens pendulae Veneris fructu me satiavit, usque dum lassis animis et marcidis artibus defatigati simul ambo corruimus inter mutuos amplexus animas anhelantes. (5) his et huius modi conluctatio-

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nicht nur mit dem Geist, sondern auch mit dem Körper selbst unruhig auf Lusterfüllung aus, auch sonst verlangend und schon eine Weile angeschlagen, mein Gewand bis zum Unterleib entfernte und meiner Photis die Ungeduld meines Gliedes zeigte: (5) »Hab Erbarmen«, sagte ich, »und komm mir schnell zu Hilfe! Denn wie du siehst, bin ich, wenn der Kampf, den du mir ohne Amtsausübung des Fetials erklärt hast, schon nahe ist, sehr straff gespannt, (6) und sobald ich den ersten Pfeil des grausamen Cupido, wenn er in mein Inneres eingedrungen ist, in mich aufgenommen hatte, habe ich auch selbst meinen Bogen kräftig gespannt und fürchte sehr, dass die Sehne aufgrund des Übermaßes der Straffheit zerreißt. (7) Aber damit du mir größere Lust verschaffst, binde dein Haar los, so dass es sich ergießt, und wenn das Haar dahinfließend wogt, schenke mir deine lieblichen Umarmungen.« 17 (1) Ohne einen Moment zu zögern, entfernte sie rasch zusammen mit all dem Essgeschirr alle ihre Kleider, und nackt, die Haare aufgelöst zu heiterem Sex, zum Abbild der Venus, die aus den Meeresfluten auftaucht, herrlich gewandelt, (2) sagte sie, während sie noch einen Moment ihre unbehaarte Scheide mit den rosigen kleinen Händen aus Koketterie mehr beschattete als aus Scham bedeckte: (3) »Kämpfe, und kämpfe tapfer, und ich werde nicht vor dir zurückweichen und dir den Rücken zuwenden. Im Nahkampf von Angesicht zu Angesicht richte dich auf, wenn du ein Mann bist, und geh wacker auf mich los und bring mich um, zum Sterben bereit. Der heutige Kampf kennt keine Gnade!« (4) Während sie dies sagte, stieg sie auf das Bett, setzte sich langsam auf mich, und indem sie immer wieder auf und nieder wippte und mit aufreizenden Bewegungen ihr geschmeidiges Rückgrat hin und her schwang, befriedigte sie mich mit den Freuden der reitenden Venus, bis wir mit erschöpften Sinnen und abgeschlafften Gliedern beide zugleich ermattet niedersanken und unter gegenseitigen Umarmungen unsere Seelen aushauchten. (5) Mit diesen und ähnlichen Ringkämpfen verbrachten wir, bis zum Morgengrauen

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nibus ad confinia lucis usque pervigiles egimus poculis interdum lassitudinem refoventes et libidinem incitantes et voluptatem integrantes. ad cuius noctis exemplar similes adstruximus alias plusculas. 18 (1) Forte quadam die de me magno opere Byrrhena contendit, apud eam cenulae vel interessem, et cum impendio excusarem, negavit veniam. (2) ergo igitur Photis erat adeunda deque nutu eius consilium velut auspicium petendum. quae quamquam invita, quod a se ungue latius digrederer, tamen comiter amatoriae militiae brevem commeatum indulsit. (3) ‘sed heus tu’ inquit ‘cave regrediare cena maturius. nam vesana factio nobilissimorum iuvenum pacem publicam infestat. passim trucidatos per medias plateas videbis iacere nec praesidis auxilia longinqua levare civitatem tanta clade possunt. (4) tibi vero fortunae splendor 〈invidiam〉, insidias contemptus etiam peregrinationis poterit adferre.’ (5) ‘Fac sine cura’ inquam ‘sis, Photis mea. nam praeter quod epulis alienis voluptates meas anteferrem, metum etiam istum tibi demam maturata regressione. nec tamen incomitatus ibo. nam gladiolo solito cinctus altrinsecus ipse salutis meae praesidia gestabo.’ Sic paratus cenae me committo. 19 (1) Frequens ibi numerus epulonum et utpote apud primatem feminam flos ipse civitatis. opipares citro et ebore nitentes lecti aureis vestibus intecti, ampli calices variae quidem gratiae, sed pretiositatis unius: (2) hic vitrum fabre sigillatum, ibi crustallum

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durchgehend wach, die Nacht, wobei wir ab und zu mit Weinbechern unsere Ermüdung wiederbelebten, unser Verlangen nach Sex anstachelten und unsere Lust erneuerten. Nach dem Beispiel dieser Nacht richteten wir uns mehrere andere ähnliche ein. 18 (1) Wie es so kam, drängte mich eines Tages Byrrhena sehr heftig, bei ihr wenigstens an einem kleinen Abendessen teilzunehmen, und als ich energisch ablehnte, verweigerte sie ihr Verständnis dafür. (2) So war denn Photis um ihre Zustimmung anzugehen und ihr Rat wie ein Auspizium zu erbitten. Sie, obwohl unwillig, weil ich mich von ihr weiter, als ein Fingernagel breit ist, entfernen würde, duldete dennoch freundlich einen kurzen Urlaub vom erotischen Kriegsdienst. (3) »Aber Achtung«, sagte sie, »pass darauf auf, dass du recht bald vom Abendessen zurückkommst. Denn eine wahnsinnige Bande sehr vornehmer junger Männer macht den öffentlichen Frieden unsicher. Mitten auf den Straßen wirst du überall Ermordete liegen sehen, und die Hilfstruppen des Statthalters können, da sie weit weg sind, die Stadt nicht von dieser so gewaltigen Plage befreien. (4) Dir aber könnte der Glanz deiner gesellschaftlichen Stellung Neid, die Verachtung eines Mannes aus der Fremde auch einen Hinterhalt einbringen.« (5) »Sorge dich bitte nicht, meine Photis«, sagte ich. »Denn außer der Tatsache, dass ich einem Essen bei Fremden meinen Lustgewinn vorziehen würde, will ich auch dir diese Furcht durch baldige Rückkehr nehmen. Dennoch werde ich nicht unbegleitet gehen. Denn mit meinem gewohnten kleinen Schwert an meiner Seite gegürtet, werde ich selbst die Schutzwehr meines Lebens tragen.« So gerüstet begab ich mich zu dem Abendessen. 19 (1) Groß war dort die Zahl der Tischgäste, und wie ganz normal bei einer Frau von erstem Rang, genau die Blüte der Stadt. Prächtige von Zitrusholz und Elfenbein glänzende Speisesofas, bedeckt mit goldenen Stoffen, große Trinkbecher von verschiedenartiger Schönheit, aber von gleicher Kostbarkeit: (2) hier kunstreich geschliffenes Glas, dort reines Kristall, woanders helles Silber und

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inpunctum, argentum alibi clarum et aurum fulgurans et sucinum mire cavatum et lapides ut bibas, et quicquid fieri non potest, ibi est. (3) diribitores plusculi splendide amicti fercula copiosa scitule subministrare, pueri calamistrati pulchre indusiati gemmas formatas in pocula vini vetusti frequenter offerre. (4) iam inlatis luminibus epularis sermo percrebuit, iam risus affluens et ioci liberales et cavillus hinc inde. (5) Tum infit ad me Byrrhena: ‘quam commode versaris in nostra patria? quod sciam, templis et lavacris et ceteris operibus longe cunctas civitates antecellimus, utensilium praeterea pollemus adfatim. (6) certe libertas otioso et negotioso quidem advenae Romana frequentia, modesto vero hospiti quies villatica. omni denique provinciae voluptarii secessus sumus.’ 20 (1) Ad haec ego subiciens ‘vera memoras nec usquam gentium magis me liberum quam hic fuisse credidi. sed oppido formido caecas et inevitabiles latebras magicae disciplinae. (2) nam ne mortuorum quidem sepulchra tuta dicuntur, sed ex bustis et rogis reliquiae quaedam et cadaverum praesegmina ad exitiabiles viventium fortunas petuntur. (3) et cantatrices anus in ipso momento choragii funeris praepeti celeritate alienam sepulturam antevortunt.’ (4) His meis addidit alius: ‘immo vero istic nec viventibus quidem ullis parcitur. et nescio qui simile passus ore undique omnifariam deformato truncatus est.’

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glitzerndes Gold und wunderbar ausgehöhlter Bernstein und wertvolle Steine, gemacht, dass man daraus trinken konnte, und alles, was unmöglich ist, war dort. (3) Mehrere glanzvoll bekleidete Oberkellner reichten geschickt üppig belegte Platten, gelockte Sklavenjungen, prächtig angezogen, boten oft alten Wein in Edelsteinen an, die zu Bechern geformt waren. (4) Bald wurden Lampen hereingebracht, und das Tischgespräch wurde lebhafter, bald verbreitete sich Gelächter, und freizügige Witze und Gefrotzel kamen von hier und dort. (5) Da sprach Byrrhena mich an: »Wie gefällt dir der Aufenthalt in unserer Heimatstadt? Soweit ich weiß, überbieten wir mit unseren Tempeln, Bädern und den übrigen öffentlichen Gebäuden bei weitem alle Städte; außerdem verfügen wir reichlich über die zum Leben notwendigen Dinge. (6) Es gibt ganz sicher Freiheit für den Unbeschäftigten und für den ankommenden Geschäftsmann Getriebe wie in Rom, für den bescheidenen Gastfreund aber ländliche Ruhe. Kurz, für die ganze Provinz sind wir ein Rückzugsort voller Vergnügungen.« 20 (1) Darauf antwortete ich: »Du sprichst die Wahrheit, und ich glaube, dass ich nirgendwo in der Welt freier war als hier. Aber ich fürchte sehr die finsteren und unentrinnbaren Schlupfwinkel der magischen Kunst. (2) Denn nicht einmal die Grabstätten der Toten sind, so sagt man, sicher, sondern aus Leichenbrandstätten und Scheiterhaufen werden bestimmte Reste und Leichenteile zu verderblichem Unheil Lebender geholt. (3) Und Zauberformeln sprechende alte Weiber kommen genau im Moment der Zeremonie einer Bestattung mit fliegender Geschwindigkeit als erste zur Beisetzung eines ihnen Fremden.« (4) Diesen meinen Worten fügte ein anderer hinzu: »Hier sogar werden nicht einmal irgendwelche Lebenden verschont. Und jemand, ich weiß ja nicht, wer, der Ähnliches erlitt, wurde überall im Gesicht ganz und gar entstellt und verstümmelt.«

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(5) Inter haec convivium totum in licentiosos cachinnos effunditur omniumque ora et optutus in unum quempiam angulo secubantem conferuntur. (6) qui cunctorum obstinatione confusus indigna murmurabundus cum vellet exsurgere, (7) ‘immo, mi Thelyphron,’ Byrrhena inquit ‘et subsiste paulisper et more tuae urbanitatis fabulam illam tuam remetire, ut et filius meus iste Lucius lepidi sermonis tui perfruatur comitate.’ (8) At ille ‘tu quidem, domina,’ ait ‘in officio manes sanctae tuae bonitatis, sed ferenda non est quorundam insolentia.’ (9) sic ille commotus. sed instantia Byrrhenae, quae eum adiuratione suae salutis ingratis cogebat effari, perfecit, ut vellet. 21 (1) Ac sic aggeratis in cumulum stragulis et effultus in cubitum suberectusque in torum porrigit dexteram (2) et ad instar oratorum conformat articulum duobusque infimis conclusis digitis ceteros eminus porrigens et infesto pollice clementer subrigens infit Thelyphron: (3) ‘Pupillus ego Mileto profectus ad spectaculum Olympicum, cum haec etiam loca provinciae famigerabilis adire cuperem, peragrata cuncta Thessalia fuscis avibus Larissam accessi. (4) ac dum singula pererrans tenuato admodum viatico paupertati meae fomenta conquiro, conspicor medio foro procerum quendam senem. (5) insistebat lapidem claraque voce praedicabat, siqui mortuum servare vellet, de pretio liceretur. (6) et ad quempiam praetereuntium “quid hoc” inquam “comperior? hicine mortui solent aufugere?” (7) “Tace,” respondit ille “nam oppido puer et satis peregrinus es meritoque ignoras Thessaliae te consistere, ubi sagae mulieres ora

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(5) Bei diesen Worten brach die ganze Tischgastrunde in ein hemmungsloses Gelächter aus, und die Gesichter und Blicke aller richteten sich auf jemanden, der abseits in einer Ecke lagerte. (6) Als der, verwirrt, weil er von allen beharrlich angestarrt wurde, entrüstete Worte grummelte und aufstehen wollte, (7) sagte Byrrhena: »Nein, mein lieber Thelyphron, bleibe noch ein bisschen und erzähle noch einmal mit deiner gewohnten Feinsinnigkeit jene deine Geschichte, damit auch dieser mein Sohn Lucius das Vergnügen deiner charmanten Rede genießen kann.« (8) Und der sagte: »Du, Herrin, bleibst stets dieselbe in deiner ehrwürdigen Güte, aber nicht zu ertragen ist die Unverschämtheit gewisser Leute.« (9) So sprach er erregt. Doch das Beharren Byrrhenas, die ihn bei ihrem eigenen Leben beschwor und ihn nötigte, gegen seinen Willen zu sprechen, setzte durch, dass er bereit war. 21 (1) Und so schichtete er die Decken auf einen Haufen, stützte sich auf seinen Ellbogen, saß halb aufrecht auf dem Polster, streckte die Rechte aus, (2) formte seine Finger nach Art der Redner, bog die beiden untersten nach innen, streckte die anderen weit vor, faltete sie, während der Daumen drohte, sanft auseinander, und dann begann Thelyphron: (3) »Als minderjähriger Junge reiste ich von Milet zu der Olympischen Show, und weil ich auch das Gebiet der berühmten Provinz zu besuchen begehrte, durchzog ich ganz Thessalien und kam unter finsteren Auspizien nach Larissa. (4) Und während ich, weil mein Reisegeld beträchtlich vermindert war, hie und da umherirrte und ein Heilmittel für meine Armut suchte, erblickte ich mitten auf dem Forum einen hochgewachsenen alten Mann. (5) Er stand aufrecht auf einem Stein und verkündete mit lauter Stimme, wenn jemand einen Toten bewachen wolle, solle der sagen, welchen Preis er dafür verlange. (6) Und ich sagte zu einem der Vorbeigehenden: ›Was erfahre ich da? Pflegen hier die Toten davonzulaufen?‹ (7) ›Schweig,‹ erwiderte der, ›denn du bist nichts als ein Junge und sehr fremd und weißt natürlich nicht, dass du dich in Thessali-

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mortuorum passim demorsicant, eaque sunt illis artis magicae supplementa.” 22 (1) Contra ego “et quae, tu” inquam “dic sodes, custodela ista feralis?” (2) “iam primum” respondit ille “perpetem noctem eximie vigilandum est exertis et inconivis oculis semper in cadaver intentis nec acies usquam devertenda, immo ne obliquanda quidem, quippe cum deterrimae versipelles in quodvis animal ore converso latenter adrepant, ut ipsos etiam oculos Solis et Iustitiae facile frustrentur. (3) nam et aves et rursum canes et mures, immo vero etiam muscas induunt. tunc diris cantaminibus somno custodes obruunt. (4) nec satis quisquam definire poterit, quantas latebras nequissimae mulieres pro libidine sua comminiscuntur. (5) nec tamen huius tam exitiabilis operae merces amplior quam quaterni vel seni ferme offeruntur aurei. (6) ehem et – quod paene praeterieram – siqui non integrum corpus mane restituerit, quidquid inde decerptum deminutumque fuerit, id omne de facie sua desecto sarcire compellitur.” 23 (1) His cognitis animum meum conmasculo et ilico accedens praeconem “clamare” inquam “iam desine. (2) adest custos paratus, cedo praemium!” “Mille” inquit “nummum deponentur tibi. (3) sed heus, iuvenis, cave diligenter principum civitatis filii cadaver a malis Harpyis probe custodias.” (4) “ineptias” inquam “mihi narras et nugas me-

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en befindest, wo Hexenweiber von den Gesichtern der Toten überall etwas abbeißen, und das ist für sie eine Ergänzung ihrer Hexenkunst.‹ 22 (1) Ich entgegnete: ›Und worin, sag es bitte, besteht diese Totenwache?‹ (2) ›Zunächst einmal gilt es‹, antwortete er, ›die ganze Nacht vollkommen wach zu bleiben, die Augen weit geöffnet, nie geschlossen und immer auf die Leiche fixiert, und nirgendwohin darf der Blick abgewandt, ja nicht einmal nach der Seite gerichtet werden, da die abscheulichen Kreaturen, die ihr Fell verwandeln und zu jedem beliebigen Tier werden können, dann, wenn sie ihr Aussehen verändert haben, heimlich herankriechen, so dass sie sogar die Augen Sols und der Justitia leicht täuschen. (3) Denn sie nehmen die Gestalt von Vögeln und wiederum von Hunden und Mäusen, ja sogar auch von Fliegen an. Dann versenken sie mit grausigen Zaubergesängen die Wächter in Schlaf. (4) Und niemand wird genau bestimmen können, wie viele Schliche die üblen Weiber ersinnen, um ihr Verlangen zu befriedigen. (5) Und dennoch wird für diese lebensgefährliche Arbeit kein größerer Lohn als vier oder sechs Goldstücke angeboten. (6) Ach ja, und – das hätte ich beinahe übergangen – wenn jemand am Morgen den Körper nicht unversehrt wieder übergibt, wird er all das, was davon abgerissen oder verstümmelt worden ist, von seinem eigenen Gesicht abzuschneiden und zu ersetzen gezwungen.‹ 23 (1) Als ich das erfahren hatte, machte ich meinem Sinn männlichen Mut, trat sofort an den Ausrufer heran und sagte: ›Hör jetzt zu schreien auf! (2) Der Wächter ist da und bereit, her mit der Belohnung!‹ ›Tausend Sesterzen werden für dich hinterlegt werden. (3) Aber Achtung, junger Mann, pass sorgfältig auf, dass du den Leichnam eines Sohnes führender Männer der Stadt vor den bösen Harpyien gut bewachst!‹ (4) ›Dummes Zeug‹, sagte ich, ›erzählst du mir und reine Kinkerlitzchen. Du siehst einen stahlharten und Schlaf nicht

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ras. vides hominem ferreum et insomnem, certe perspicaciorem ipso Lynceo vel Argo et oculeum totum.” (5) Vix finieram, et ilico me perducit ad domum quampiam, cuius ipsis foribus obsaeptis per quandam brevem posticulam intro vocat me ad conclave quoddam obseratis luminibus umbrosum. demonstrat matronam flebilem fusca veste contectam, (6) quam propter adsistens “hic” inquit “auctoratus ad custodiam mariti tui fidenter accessit.” (7) at illa crinibus antependulis hinc inde dimotis etiam in maerore luculentam proferens faciem meque respectans “vide, oro,” inquit “quam expergite munus obeas.” (8) “sine cura sis,” inquam “modo corollarium idoneum compara.” 24 (1) Sic placito ocius surrexit et ad aliud me cubiculum inducit. (2) ibi corpus splendentibus linteis coopertum introductis quibusdam septem testibus manu revelat et diutine insuper fleto obtestata fidem praesentium singula demonstrat anxie verba concepta de industria quodam tabulis praenotante. (3) “ecce” inquit “nasus integer, incolumes oculi, salvae aures, inlibatae labiae, mentum solidum. vos in hanc rem, boni Quirites, testimonium perhibetote”, et cum dicto consignatis illis tabulis facessit. (4) At ego “iube,” inquam “domina, cuncta quae sunt usui necessaria nobis exhiberi.” (5) “at quae” inquit “ista sunt?” “lucerna” aio “praegrandis et oleum ad lucem luci sufficiens et calida cum oenophoris et calice cenarumque reliquiis discus ornatus.” (6) tunc illa capite quassanti “abi,” inquit “fatue, qui in domo funesta cenas et partes requiris, in qua totiugis iam diebus ne fumus quidem visus

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brauchenden Menschen, einen, der garantiert scharfsichtiger als selbst Lynkeus und Argus und ganz Auge ist.‹ (5) Ich hatte kaum geendet, da führte er mich auf der Stelle zu einem Haus, und da dessen Haupteingang versperrt war, rief er mich durch ein kleines Hintertürchen nach innen zu einem düsteren Gemach mit verriegelten Fenstern. Er zeigte auf eine weinende, von einem schwarzen Gewand verhüllte Dame, (6) neben die er trat und zu der er sagte: ›Der hier hat sich zur Bewachung deines Gatten verpflichtet und geht zuversichtlich daran.‹ (7) Sie entfernte ihre vorne herunterhängenden Haare nach der einen und der anderen Seite, enthüllte ein auch in der Trauer strahlendes Gesicht, blickte mich an und sagte: ›Sieh bitte zu, dass du deine Aufgabe so wachsam wie möglich ausführst.‹ (8) ›Sei ohne Sorge,‹ sagte ich, ›nur halte ein angemessenes Trinkgeld für mich bereit.‹ 24 (1) Als das so beschlossen war, stand sie auf und führte mich zu einem anderen Zimmer. (2) Dort enthüllte sie den mit glänzendem Leinen zugedeckten Körper vor sieben Zeugen, die hereingeführt worden waren, mit eigener Hand, und als sie lange über ihm geweint und die Anwesenden bei deren Treue beschworen hatte, bezeichnete sie sorgfältig die einzelnen Teile, während jemand ihre formelhaften Worte gewissenhaft auf einer Tafel notierte. (3) ›Seht,‹ sagte sie, ›die Nase ist ganz, die Augen sind unversehrt, die Ohren heil, die Lippen unverletzt, das Kinn ist vollständig. Ihr, ehrenwerte Quiriten, legt davon Zeugnis ab.‹ Und während dieser Worte wurden die Tafeln versiegelt, und sie wollte sich davonmachen. (4) Doch ich sagte: ›Befiehl, Herrin, dass alles, was für meine Bedürfnisse notwendig ist, herbeigeschafft wird.‹ (5) ›Und was ist das?‹ sagte sie. ›Eine sehr große Lampe und Öl, das für Licht bis zum Tageslicht ausreicht, und warmes Wasser mit Weinkrügen und Becher und eine Platte, geschmückt mit den Resten vom Abendessen.‹ (6) Da sagte sie, den Kopf schüttelnd: ›Weg mit dir, du Dummer, der du in einem Trauerhaus Abendessen und Reste verlangst, in dem schon viele Tage lang nicht einmal irgendein Rauch

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est ullus. (7) an istic comisatum te venisse credis? quin sumis potius loco congruentes luctus et lacrimas?” (8) haec simul dicens respexit ancillulam et “Myrrhine,” inquit “lucernam et oleum trade confestim et incluso custode cubiculo protinus facesse.” 25 (1) Sic desolatus ad cadaveris solacium perfrictis oculis et obarmatis ad vigilias animum meum permulcebam cantationibus, (2) cum ecce crepusculum et nox 〈altior〉 provecta [et nox altior] et dein concubia altiora et iam nox intempesta. (3) mihique oppido formido cumulatior quidem, cum repente introrepens mustela contra me constitit optutumque acerrimum in me destituit, ut tantillula animalis prae nimia sui fiducia mihi turbarit animum. (4) denique sic ad illam “quin abis,” inquam “inpurata bestia, teque ad tui similes musculos recondis, antequam nostri vim praesentariam experiaris? quin abis?” (5) Terga vortit et cubiculo protinus exterminatur. nec mora, cum me somnus profundus in imum barathrum repente demergit, ut ne deus quidem Delphicus ipse facile discerneret duobus nobis iacentibus, quis esset magis mortuus. (6) sic inanimis et indigens alio custode paene ibi non eram. 26 (1) Commodum noctis indutias cantus perstrepebat cristatae cohortis. (2) tandem expergitus et nimio pavore perterritus cadaver accurro et admoto lumine revelataque eius facie rimabar singula, quae cuncta convenerant. (3) ecce uxor misella flens cum hesternis testibus introrumpit anxia et statim corpori superruens multumque ac diu deosculata sub arbitrio luminis recognoscit omnia et conver-

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gesehen wurde. (7) Glaubst du, du bist gekommen, um hier zu prassen? Warum beginnst du nicht lieber mit Trauer und Tränen, die zum Ort passen?‹ (8) Während sie dies sagte, blickte sie auf ihre Magd und sagte: ›Myrrhine, übergib ihm eilends Lampe und Öl, schließ den Wächter ein und mach dich unverzüglich aus dem Zimmer davon!‹ 25 (1) So zur Tröstung des Leichnams allein gelassen, rieb ich mir die Augen, wappnete sie für die Nachtwache und machte meiner Seele Mut durch Singen, (2) als, sieh da, die Dämmerung und die tiefere Nacht voranschritt und dann die tiefere Schlafenszeit und schon stockfinstere Nacht. (3) Und ich hatte heftig Angst, und um so mehr, als plötzlich ein Wiesel hereinkroch, sich mir gegenüber aufstellte und seinen sehr scharfen Blick so auf mich richtete, dass das doch so kleine Tier durch sein übergroßes Selbstvertrauen mir die Seele erschütterte. (4) Schließlich sagte ich zu ihm: ›Warum gehst du nicht weg, schmutziges Biest, versteckst dich und Deinesgleichen, die Mäuschen, bevor du auf der Stelle meine Stärke kennenlernst? Warum gehst du nicht weg?‹ (5) Es kehrte mir den Rücken zu und verließ sofort den Bereich des Zimmers. Unmittelbar darauf versenkte mich plötzlich ein tiefer Schlaf in den tiefsten Abgrund, so dass nicht einmal der delphische Gott, während wir zwei dalagen, hätte entscheiden können, wer mehr tot war. (6) So war ich, leblos und eines anderen Wächters bedürftig, praktisch nicht da. 26 (1) Gerade durchtönte die Waffenruhe der Nacht die Fanfare der kammgeschmückten Kohorte. (2) Endlich erwacht und von übergroßer Angst heftig in Panik versetzt, rannte ich zu dem Leichnam, hielt die Lampe hin, enthüllte sein Gesicht und war dabei, im Einzelnen zu prüfen, was alles per Vereinbarung festgehalten war. (3) Sieh da, weinend stürzte die arme Gattin mit den Zeugen von gestern voller Angst herein, warf sich sofort über den Körper, küsste ihn viel und lange über und über, untersuchte alles, wobei die Lampe Zeugin war, wandte sich um und verlangte nach ihrem Ver-

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sa Philodespotum requirit actorem. (4) ei praecipit, bono custodi redderet sine mora praemium, et oblato statim “summas” inquit “tibi, iuvenis, gratias agimus et hercules ob sedulum istud ministerium inter ceteros familiares dehinc numerabimus.” (5) Ad haec ego insperato lucro diffusus in gaudium et in aureos refulgentes, quos identidem manu mea ventilabam, attonitus “immo,” inquam “domina, de famulis tuis unum putato, et quotiens operam nostram desiderabis, fidenter impera.” (6) Vix effatum me statim familiares omen nefarium exsecrati raptis cuiusque modi telis insecuntur: (7) pugnis ille malas offendere, scapulas alius cubitis inpingere, palmis infestis hic latera suffodere, calcibus insultare, capillos distrahere, vestem discindere. (8) sic in modum superbi iuvenis Aoni vel musici vatis Piplei laceratus atque discerptus domo proturbor. 27 (1) Ac dum in proxima platea refovens animum infausti atque inprovidi sermonis mei sero reminiscor dignumque me pluribus etiam verberibus fuisse merito consentio, (2) ecce iam ultimum defletus atque conclamatus processerat mortuus rituque patrio, utpote unus de optimatibus, pompa funeris publici ductabatur per forum. (3) occurrit atratus quidam maestus in lacrimis genialem canitiem revellens senex et manibus ambabus invadens torum voce contenta quidem, sed adsiduis singultibus impedita (4) “per fidem vestram,” inquit “Quirites, per pietatem publicam perempto civi

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walter Philodespotus. (4) Ihm befahl sie, dem guten Wächter unverzüglich seinen Lohn zu bezahlen, und als dieser mir auf der Stelle gegeben worden war, sagte sie: ›Wir wissen dir, junger Mann, größten Dank und werden dich, beim Herkules, wegen dieser sorgfältigen Dienstleistung von nun an mit unter unsere Freunde zählen.‹ (5) Dazu sagte ich, aufgrund des unverhofften Gewinns außer Rand und Band vor Freude und angesichts der funkelnden Goldstücke, die ich immer wieder in meiner Hand hin und her schwenkte, fassungslos: ›Nein, Herrin, sieh in mir einen von deinen Dienern, und sooft du dringend meine Hilfe brauchst, befiehl mir getrost!‹ (6) Kaum hatte ich das ausgesprochen, attackierten mich sofort die Diener, die mein böses Omen verfluchten, mit herbeigerissenen Waffen jeder Art: (7) Der schlug mit Fäusten meine Kinnbacken, ein anderer stach mir die Ellbogen in die Schultern, dieser bohrte mir mit seinen feindseligen Händen in die Seite, man trampelte auf mich mit den Füßen, zog mir die Haare aus, zerriss meine Kleidung. (8) So in der Art des stolzen aonischen Jünglings oder des piplëischen Sängers zerrissen und auseinandergepflückt, wurde ich aus dem Hause gejagt. 27 (1) Und während ich auf der nächsten Straße meine Kraft regenerierte, mir zu spät meine unheilvolle und unvorsichtige Bemerkung vor Augen führte und zugab, dass ich sogar mehr Schläge voll und ganz verdient hätte, (2) sieh da, schon war, zum letzten Mal beweint und beim Namen angerufen, der Tote aus dem Haus gekommen, und er wurde nach dem Brauch der Väter, da er ja einer der Aristokraten war, in der Prozession, die zum öffentlichen Bestattungsritual gehört, über das Forum geführt. (3) Entgegen trat ihm, schwarz gekleidet, ein alter Mann, der traurig unter Tränen sein glänzendes weißes Haar zerraufte und mit beiden Händen die Bahre anfasste, und er sagte mit zwar kräftiger, aber durch ständiges Schluchzen behinderter Stimme: (4) ›Im Namen eurer Treue, Quiriten, im Namen der öffentlichen Frömmigkeit, helft eurem ermor-

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subsistite et extremum facinus in nefariam scelestamque istam feminam severiter vindicate. (5) haec enim nec ullus alius miserum adulescentem, sororis meae filium, in adulteri gratiam et ob praedam hereditariam extinxit veneno.” (6) Sic ille senior lamentabiles questus singulis instrepebat. saevire vulgus interdum et facti verisimilitudine ad criminis credulitatem impelli. (7) conclamant ignem, requirunt saxa, parvulos ad exitium mulieris hortantur. emeditatis ad haec illa fletibus quamque sanctissime poterat adiurans cuncta numina tantum scelus abnuebat. 28 (1) Ergo igitur senex ille: “veritatis arbitrium in divinam providentiam reponamus. Zatchlas adest Aegyptius propheta primarius, qui mecum iam dudum grandi praemio pepigit reducere paulisper ab inferis spiritum corpusque istud postliminio mortis animare.” (2) et cum dicto iuvenem quempiam linteis amiculis iniectum pedesque palmeis baxeis inductum et adusque deraso capite producit in medium. (3) huius diu manus deosculatus et ipsa genua contingens “miserere,” ait “sacerdos, miserere. per caelestia sidera, per inferna numina, per naturalia elementa, per nocturna silentia et adyta Coptica et per incrementa Nilotica et arcana Memphitica et sistra Phariaca, (4) da brevem solis usuram et in aeternum conditis oculis modicam lucem infunde. (5) non obnitimur nec terrae rem suam denegamus, sed ad ultionis solacium exiguum vitae spatium deprecamur.” (6) Propheta sic propitiatus herbulam quampiam ob os corporis

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deten Mitbürger und rächt streng die schreckliche Untat an dieser ruchlosen und verbrecherischen Frau da! (5) Sie nämlich und nicht irgendjemand anders hat den armen jungen Mann, den Sohn meiner Schwester, ihrem Liebhaber zu Gefallen und wegen der Erbschaftsbeute mit Gift beseitigt.‹ (6) So ließ jener ältere Mann jammervolle Klagen in die Ohren jedes Einzelnen ertönen. Die Volksmenge tobte inzwischen und ließ sich durch die Wahrscheinlichkeit der Tat dazu treiben, der Anklage zu glauben. (7) Man schrie nach Feuer, suchte nach Steinen und forderte die Kinder zur Tötung der Frau auf. Die bestritt, indem sie zu diesem Zweck künstlich weinte und so ehrfurchtsvoll, wie sie konnte, alle Gottheiten beschwor, ein so großes Verbrechen. 28 (1) Also sagte jener alte Mann: ›Lasst uns die Entscheidung über die Wahrheit der göttlichen Vorsehung in die Hand legen. Zatchlas ist anwesend, ein ägyptischer Prophet ersten Ranges, der mit mir schon längst für einen hohen Preis vereinbart hat, kurzzeitig von den Unterirdischen den Geist zurückzuholen und diesen Körper von jenseits der Schwelle des Todes wiederzubeleben.‹ (2) Und mit diesen Worten ließ er einen jungen Mann, der in Leinengewänder gehüllt war, dessen Füße in Sandalen aus Palmblättern steckten und dessen Kopf vollkommen abrasiert war, in die Mitte treten. (3) Dessen Hände küsste er lange über und über, und während er sogar dessen Knie berührte, sagte er: ›Hab Erbarmen, Priester, hab Erbarmen! Bei den himmlischen Gestirnen, bei den unterirdischen Gottheiten, bei den natürlichen Elementen, beim nächtlichen Schweigen, den Geheimnissen von Coptos, beim Ansteigen des Nils, bei den Mysterien von Memphis und bei den Sistren von Pharos, (4) gib einen kurzen Genuss der Sonne und gieße in auf ewig geschlossene Augen ein bisschen Licht! (5) Wir widersetzen uns nicht und verweigern der Erde nicht, was ihr gehört, sondern erbitten den Trost der Rache und dazu eine ganz kurze Lebensspanne.‹ (6) Der Prophet, auf solche Weise gnädig gestimmt, legte ein kleines Kraut auf den Mund des Leichnams und ein anderes auf

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et aliam pectori eius imponit. (7) tunc orientem obversus incrementa Solis augusti tacitus imprecatus venerabilis scaenae facie studia praesentium ad miraculum tantum certatim adrexit. 29 (1) Immitto me turbae socium et pone ipsum lectulum editiorem quendam lapidem insistens cuncta curiosis oculis arbitrabar. (2) iam tumore pectus extolli, iam salebris vena pulsari, iam spiritu corpus impleri et adsurgit cadaver et profatur adulescens: (3) “quid, oro, me post Lethaea pocula iam Stygiis paludibus innatantem ad momentariae vitae reducitis officia? desine iam, precor, desine ac me in meam quietem permitte.” (4) Haec audita vox de corpore, sed aliquanto propheta commotior “quin refers” ait “populo singula tuaeque mortis illuminas arcana? an non putas devotionibus meis posse Diras invocari, posse tibi membra lassa torqueri?” (5) Suscipit ille de lectulo et imo cum gemitu populum sic adorat: “malis novae nuptae peremptus artibus et addictus noxio poculo torum tepentem adultero mancipavi.” (6) Tunc uxor egregia capit praesentem audaciam et mente sacrilega coarguenti marito resistens altercat. populus aestuat diversa tendentes hi pessimam feminam viventem statim cum corpore mariti sepeliendam, alii mendacio cadaveris fidem non habendam.

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dessen Brust. (7) Dann betete er, nach Osten gewandt, schweigend zu den wachsenden Lichtern des erhabenen Sonnengottes, und durch die visuelle Wirkung der ehrwürdigen Inszenierung erregte er gespannte Aufmerksamkeit, welche die Anwesenden um die Wette auf das so große Wunder richteten. 29 (1) Ich mischte mich als Teilnehmer unter die Menge, stellte mich direkt hinter der Bahre auf einen etwas höheren Stein und betrachtete alles mit neugierigen Augen. (2) Schon hob sich schwellend die Brust, schon pulsierte die Lebensader, schon füllte sich der Körper mit Atem, der Leichnam richtete sich auf, und der junge Mann sprach: (3) ›Warum bitte bringt ihr mich, der ich nach dem lethäischen Becher schon im stygischen Sumpf schwamm, zurück zu den Sorgen des Lebens, das nur einen Augenblick dauert? Halt jetzt ein, ich flehe dich an, halt ein und schicke mich zu meiner Ruhe zurück!‹ (4) Diese Worte hörte man aus dem Körper, aber der Prophet sagte mit erheblich größerer Erregung: ›Warum berichtest du dem Volk nicht alles im Einzelnen und erhellst das Geheimnis deines Todes? Oder glaubst du, durch meine Beschwörungen könnten nicht die Dirae angerufen werden, könnten dir nicht die erschöpften Glieder gemartert werden?‹ (5) Der ergriff das Wort wieder von der Bahre aus und redete mit einem tiefen Seufzer das Volk so an: ›Durch böse Künste meiner neuen Gemahlin wurde ich ermordet und überließ, zu einem verderblichen Trank verurteilt, ihrem Liebhaber das noch warme Bett.‹ (6) Da wappnete sich die hervorragende Gattin auf der Stelle mit Dreistigkeit, trat mit frevelhaftem Sinn dem sie beschuldigenden Ehemann entgegen und bestritt alles. Das Volk war erhitzt und tendierte in entgegengesetzte Richtungen, wobei für die einen das üble Weib sofort lebendig zusammen mit dem Körper ihres Mannes bestattet werden müsse, für die anderen der Lüge des Leichnams kein Glauben geschenkt werden dürfe.

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30 (1) Sed hanc cunctationem sequens adulescentis sermo distinxit. nam rursus altius ingemescens “dabo,” inquit “dabo vobis intemeratae veritatis documenta perlucida, et quod prorsus alius nemo cognoverit, indicabo.” (2) tunc digito me demonstrans: “nam cum corporis mei custos hic sagacissimus exertam mihi teneret vigiliam, cantatrices anus exuviis meis imminentes atque ob id reformatae frustra saepius cum industriam sedulam eius fallere nequivissent, (3) postremum iniecta somni nebula eoque in profundam quietem sepulto me nomine ciere non prius desierunt, quam dum hebetes artus et membra frigida pigris conatibus ad artis magicae nituntur obsequia. (4) hic utpote vivus quidem, sed tantum sopore mortuus, quod eodem mecum vocabulo nuncupatur, ad suum nomen ignarus exsurgit (5) et in exanimis umbrae modum ultroneus gradiens, quamquam foribus cubiculi diligenter obclusis, per quoddam foramen prosectis naso prius ac mox auribus vicariam pro me lanienam suscitavit. (6) utque fallaciae reliqua convenirent, ceram in modum prosectarum formatam aurium ei adplicant examussim nasoque ipsius similem comparant. et nunc adsistit miser hic praemium non industriae, sed debilitationis consecutus.” (7) His dictis perterritus temptare formam adgredior. iniecta manu nasum prehendo: sequitur; aures pertracto: deruunt. (8) ac dum directis digitis et detortis nutibus praesentium denotor, dum risus ebullit, inter pedes circumstantium frigido sudore defluens

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30 (1) Doch diese Unschlüssigkeit beendete die anschließende Rede des jungen Mannes. Denn wieder seufzte er sehr tief auf und sagte: ›Ich werde, ja werde euch den ganz klaren Beweis für die reine Wahrheit geben und verraten, was ganz bestimmt niemand anders erkannt hat.‹ (2) Dann mit dem Finger auf mich zeigend: ›Denn als dieser höchst gewitzte Wächter meines Körpers seine aufmerksame Wache für mich hielt, Zauberformeln sprechende alte Weiber es auf meine Überreste abgesehen hatten und, nachdem sie sich deswegen öfter vergeblich verwandelt hatten, nicht imstande gewesen waren, seinem energischen Eifer etwas vorzumachen, (3) warfen sie schließlich eine Wolke des Schlafes auf ihn und hörten, als sie ihn in tiefer Lethargie begraben hatten, nicht eher auf, mich mit meinem Namen anzurufen, als bis meine erstarrten Glieder und der kalte Leib sich mit trägen Anstrengungen ihrer magischen Kunst zu unterwerfen versuchten. (4) Doch der, zwar lebendig – natürlich –, aber nur durch den Schlaf tot, erhob sich, weil er denselben Namen trägt wie ich, bei seinem Namen, ohne etwas von sich zu wissen, (5) schritt freiwillig in der Art eines entseelten Schattens dahin, und obwohl die Tür des Zimmers sorgfältig verschlossen worden war, wurden durch ein Loch darin erst seine Nase und dann seine Ohren abgeschnitten, und so war er es, der provozierte, dass er an meiner Stelle verstümmelt wurde. (6) Und damit das Übrige mit der Täuschung übereinstimme, hefteten sie Wachs, das wie seine abgeschnittenen Ohren geformt war, ihm haargenau an und verschafften ihm eine seiner Nase ähnliche. Und jetzt steht der Arme hier, nachdem er seinen Lohn nicht für seinen Eifer, sondern für die Verstümmelung erlangt hat.‹ (7) Durch diese Worte heftig erschreckt fing ich an, meine Gestalt zu betasten. Mit der Hand, die ich auflegte, fasste ich meine Nase: Sie gab nach; ich berührte die Ohren: Sie fielen ab. (8) Und während ich von ausgestreckten Fingern und schrägen Blicken gebrandmarkt wurde, während Gelächter ausbrach, entkam ich zwischen den Beinen der Umstehenden, von kaltem Schweiß tropfend.

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evado. (9) nec postea debilis ac sic ridiculus lari me patrio reddere potui, sed capillis hinc inde laterum deiectis aurium vulnera celavi, nasi vero dedecus linteolo isto pressim adglutinato decenter obtexi.’ 31 (1) Cum primum Thelyphron hanc fabulam posuit, conpotores vino madidi rursum cachinnum integrant. dumque bibere solitarias postulant, sic ad me Byrrhena (2) ‘sollemnis’ inquit ‘dies a primis cunabulis huius urbis conditus crastinus advenit, quo die soli mortalium sanctissimum deum Risum hilaro atque gaudiali ritu propitiamus. hunc tua praesentia nobis efficies gratiorem. (3) atque utinam aliquid de proprio lepore laetificum honorando deo comminiscaris, quo magis pleniusque tanto numini litemus.’ ‘Bene’ inquam ‘et fiet, ut iubes. et vellem hercules materiam repperire aliquam, quam deus tantus affluenter indueret.’ (4) Post haec monitu famuli mei, qui noctis admonebat, iam et ipse crapula distentus protinus exsurgo et appellata propere Byrrhena titubante vestigio domuitionem capesso. 32 (1) Sed cum primam plateam vadimus, vento repentino lumen, quo nitebamur, extinguitur, ut vix inprovidae noctis caligine hebetati digitis pedum detunsis ob lapides hospitium defessi rediremus. (2) dumque iam iunctim proximamus, ecce tres quidam vegetis et vastulis corporibus fores nostras ex summis viribus inruentes

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(9) Auch später konnte ich, verstümmelt und somit lächerlich, mich nicht zum väterlichen Herd zurückbegeben, doch dadurch, dass ich meine Haare auf der einen und der anderen Seite herabfallen ließ, verbarg ich die Wunden der Ohren, die Schande meiner Nase aber verdeckte ich anständig dadurch, dass ich dieses Leinentüchlein hier eng daran festklebte.« 31 (1) Sobald Thelyphron diese Geschichte beendet hatte, brachen die vom Wein durchtränkten Zechkumpanen erneut in Gelächter aus. Und während sie nach ihren spezifischen Getränken verlangten, sprach Byrrhena so zu mir: (2) »Ein seit der Geburt dieser Stadt festgelegter jährlicher Festtag kommt morgen, ein Tag, an dem wir allein unter den Sterblichen uns den hochheiligen Gott Risus durch ein heiteres und Spaß erregendes Ritual gnädig stimmen. Ihn wirst du uns durch deine Gegenwart angenehmer machen. (3) Und wenn du dir doch irgendetwas Erheiterndes aufgrund deines eigenen Witzes zur Ehrung des Gottes ausdenken könntest, damit wir die so mächtige Gottheit besser und gründlicher geneigt machen können!« »Gut,« sagte ich, »und es wird geschehen, wie du befiehlst. Und beim Herkules, ich wollte, ich könnte irgendeinen Stoff finden, mit dem der Gott sich reichlich bekleiden könnte.« (4) Danach erhob ich mich sofort auf Ermahnung meines Dieners, der mich daran erinnerte, dass es Nacht wurde, schon auch selbst von der Sauferei aufgedunsen, sagte Byrrhena eilends Lebewohl und machte mich mit schwankendem Schritt auf den Weg zur Unterkunft. 32 (1) Doch als wir auf der ersten Straße gingen, wurde durch einen plötzlichen Wind das Licht, auf das wir uns verließen, ausgelöscht, so dass wir nur mit Mühe, durch den Nebel der undurchsichtigen Nacht geschwächt, mit an den Steinen angestoßenen Zehen erschöpft zum Haus zurückkehrten. (2) Während wir, aneinandergeklammert, schon näher kamen, sieh da, stürzten sich drei Kerle mit starken und gewaltigen Körpern auf unsere Tür mit höchster

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ac ne praesentia quidem nostra tantillum conterriti, (3) sed magis magisque cum aemulatione virium crebrius insultantes, ut nobis ac mihi potissimum non immerito latrones esse et quidem saevissimi viderentur. (4) statim denique gladium, quem veste mea contectum ad hos usu extuleram, sinu liberatum adripio. (5) nec cunctatus 5 medios latrones involo ac singulis, ut quemque conluctantem offenderam, altissime demergo, (6) quoad tandem ante ipsa vestigia mea vastis et crebris perforati vulneribus spiritus efflaverint. (7) Sic proeliatus iam tumultu eo Photide suscitata patefactis aedibus anhelans et sudore perlutus inrepo meque statim utpote 10 pugna trium latronum in vicem Geryoneae caedis fatigatum lecto simul et somno tradidi.

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Kraft, und nicht einmal durch unsere Anwesenheit waren sie im Geringsten erschreckt, (3) sondern sprangen uns, mehr und mehr mit ihren Kräften wetteifernd, häufiger an, so dass sie uns und besonders mir nicht grundlos Räuber zu sein schienen, und zwar höchst grausame. (4) Sofort also ergriff ich das Schwert, das ich in meinem Gewand verborgen und zu diesem Gebrauch mitgenommen hatte, und zog es aus dem Gewandbausch. (5) Ohne zu zögern, flog ich mitten zwischen die Räuber und versenkte es in jedem, wie ich ihn, während er mit mir rang, angegriffen hatte, sehr tief, (6) bis sie endlich vor meinen Füßen, von gewaltigen und zahlreichen Wunden durchlöchert, ihren Atem aushauchten. (7) Nachdem ich so gekämpft hatte, kroch ich, als Photis, von dem Tumult aufgeweckt, das Haus geöffnet hatte, keuchend und von Schweiß triefend hinein und übergab mich sofort, da ich vom Gefecht mit den drei Räubern wie von der Tötung des Geryon ermattet war, zugleich dem Bett und dem Schlaf.

LIBER III 1 (1) Commodum punicantibus phaleris Aurora roseum quatiens lacertum caelum inequitabat, et me securae quieti revulsum nox diei reddidit. (2) aestus invadit animum vespertini recordatione facinoris. complicitis denique pedibus ac palmulis in alternas digitorum vicissitudines super genua conexis sic grabattum cossim insidens ubertim flebam iam forum et iudicia, iam sententiam, ipsum denique carnificem imaginabundus. (3) ‘an mihi quisquam tam mitis tamque benivolus iudex obtinget, qui me trinae caedis cruore perlitum et tot civium sanguine delibutum innocentem pronuntiare poterit? (4) hanc illam mihi gloriosam peregrinationem fore Chaldaeus Diophanes obstinate praedicabat!’ (5) Haec identidem mecum replicans fortunas meas eiulabam. quati fores interdum et frequenti clamore ianuae nostrae perstrepi. 2 (1) Nec mora, cum magna inruptione patefactis aedibus magistratibus eorumque ministris et turbae miscellaneae 〈coetu〉 cuncta completa statimque lictores duo de iussu magistratuum immissa manu trahere me sane non renitentem occipiunt. (2) ac dum primum angiportum insistimus, statim civitas omnis in publicum effusa mira densitate nos insequitur. (3) et quamquam capite in terram, immo ad ipsos inferos iam deiecto maestus incederem, obliquato tamen aspectu rem admirationis maximae conspicio. (4) nam inter tot milia populi circumsedentis nemo prorsum, qui non risu dirumperetur, aderat. (5) tandem pererratis plateis omnibus et in

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Buch 3 1 (1) Gerade begann Aurora, ihren rosigen Arm schwingend, die mit purpurrotem Geschirr geschmückten Pferde über den Himmel zu lenken, als mich die Nacht der sorglosen Ruhe entriss und dem Tag wiedergab. (2) Hitzige Unruhe überfiel meinen Sinn bei der Erinnerung an meine Untat vom Abend. Mit untergeschlagenen Füßen und über den Knien gefalteten Händen, die Finger ineinander verschlungen, so saß ich da zusammengekauert auf meiner Liege und weinte Tränenströme, da ich mir schon Forum und Prozess, schon den Urteilsspruch und schließlich den Henker selbst ausmalte. (3) »Wird mir irgendein so milder und so wohlwollender Richter zuteilwerden, der imstande ist, mich, obwohl ich vom Blut dreifachen Mordes beschmiert und vom Blut so vieler Bürger benetzt bin, für unschuldig zu erklären? (4) Dies also würde die glorreiche Reise sein, die der Chaldäer Diophanes mir mit solcher Gewissheit voraussagte!« (5) Während ich das bei mir immer wieder überdachte, bejammerte ich laut mein Geschick. Unterdessen war da Klopfen an der Tür und Lärm vom Geschrei einer Menge an unserem Tor. 2 (1) Unverzüglich wurde das Haus dadurch geöffnet, dass viele gewaltsam eindrangen, von Beamten, ihren Dienern und dem Auflauf einer bunt gemischten Menge war alles voll, und sofort legten zwei Liktoren auf Befehl der Beamten Hand an mich und begannen, mich fortzuzerren, wobei ich durchaus keinen Widerstand leistete. (2) Und während wir auf die erste Gasse traten, ergoss sich sofort die ganze Stadt ins Freie und folgte uns in einer seltsam dichten Menge. (3) Und obwohl ich mit schon zur Erde, nein direkt zu den Unterirdischen gesenktem Kopf betrübt dahinschritt, sah ich dennoch aus dem Augenwinkel etwas höchst Erstaunliches. (4) Denn unter so vielen Tausenden des mich umgebenden Volkes war absolut keine Person da, die nicht vor Lachen platzte. (5) Als wir endlich alle Straßen durchzogen hatten und ich in der Art der

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modum earum, quibus lustralibus piamentis minas portentorum hostiis circumforaneis expiant, circumductus angulatim forum adusque, tribunal adstituor. (6) Iamque sublimo suggestu magistratibus residentibus, iam praecone publico silentium clamante repente cuncti consona voce flagitant, propter coetus multitudinem, quae pressurae nimia densitate periclitaretur, iudicium tantum theatro redderetur. (7) nec mora, cum passim populus procurrens caveae conseptum mira celeritate complevit. (8) aditus etiam et tectum omne fartim stipaverant. plerique columnis implexi, alii statuis dependuli, nonnulli per fenestras et lacunaria semiconspicui, miro tamen omnes studio visendi pericula salutis neglegebant. (9) tunc me per proscaenium medium velut quandam victimam publica ministeria producunt et orchestrae mediae sistunt. 3 (1) Sic rursum praeconis amplo boatu citatus accusator quidam senior exsurgit et ad dicendi spatium vasculo quodam in vicem coli graciliter fistulato ac per hoc guttatim defluo infusa aqua populum sic adorat: (2) ‘Neque parva res ac praecipue pacem civitatis cunctae respiciens et exemplo serio profutura tractatur, Quirites sanctissimi. (3) quare magis congruit sedulo singulos atque universos vos pro dignitate publica providere, ne nefarius homicida tot caedium lanienam, quam cruenter exercuit, inpune commiserit. (4) nec me putetis privatis simultatibus instinctum odio proprio saevire. sum

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um das Forum herumgeführten Opfertiere, durch die man bei Reinigungsritualen die Drohungen übler Vorzeichen abzuwenden sucht, von Ecke zu Ecke bis zum Forum herumgetrieben worden war, wurde ich vor das Tribunal gestellt. (6) Und als die Beamten schon auf der erhöhten Tribüne ihre Sitze einnahmen, schon der Herold der Stadt schreiend Stille gebot, forderten plötzlich alle einstimmig, wegen der Menge der Versammelten, die durch die allzu große Dichte des Gedränges in Gefahr war, ein so bedeutender Rechtsfall solle im Theater verhandelt werden. (7) Unverzüglich rannte das Volk überall nach vorne und füllte das Rund des Zuschauerbereichs mit erstaunlicher Geschwindigkeit. (8) Sie hatten auch die Zugänge und das ganze Dach gerammelt vollgestopft. Sehr viele umklammerten Säulen, andere hingen an Statuen, einige waren durch Fenster und Dachluken halb sichtbar, alle aber waren aufgrund ihres erstaunlichen Eifers, etwas sehen zu können, gleichgültig gegenüber den Gefahren für ihr Leben. (9) Da trieben mich die städtischen Bediensteten quer über die Bühne wie ein Opfertier und stellten mich mitten in die Orchestra. 3 (1) Dann stand, durch einen weiteren lauten Schrei des Herolds aufgerufen, der Ankläger auf, ein älterer Mann, und nachdem zur Regelung der Redezeit in ein nach Art eines Siebs fein durchlöchertes und dadurch Tropfen für Tropfen abfließendes kleines Gefäß Wasser gegossen worden war, redete er wie folgt das Volk an: (2) »Ein Fall, der von nicht geringer Bedeutung ist, vor allem den Frieden der ganzen Stadt betrifft und von Nutzen sein wird wegen des strengen Exempels, das er statuiert, wird verhandelt, ehrenwerteste Quiriten. (3) Deshalb ist es umso mehr angebracht, dass ihr sorgfältig, jeder einzeln für sich und ihr insgesamt, im Interesse des öffentlichen Ansehens sicherstellt, dass der ruchlose Mörder die Schlächterei so vieler Gemetzel, die er blutig durchführte, nicht ungestraft begangen hat. (4) Und glaubt nicht, dass ich, von privater Feindschaft angestachelt, aus persönlichem Hass wütend bin. Ich bin nämlich der Präfekt der Nachtwache und meine nicht, dass bis

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namque nocturnae custodiae praefectus nec in hodiernum credo quemquam pervigilem diligentiam meam culpare posse. (5) Rem denique ipsam et quae nocte gesta sunt cum fide perferam. nam cum fere iam tertia vigilia scrupulosa diligentia cunctae civitatis ostiatim singula considerans circumirem, (6) conspicio istum crudelissimum iuvenem mucrone destricto passim caedibus operantem iamque tris numero saevitia eius interemptos ante pedes ipsius spirantes adhuc corporibus in multo sanguine palpitantes. (7) et ipse quidem conscientia tanti facinoris merito permotus statim profugit et in domum quandam praesidio tenebrarum elapsus perpetem noctem delituit. (8) sed providentia deum, quae nihil impunitum nocentibus permittit, priusquam iste clandestinis itineribus elaberetur, mane praestolatus ad gravissimum iudicii vestri sacramentum eum curavi perducere. (9) habetis itaque reum tot caedibus impiatum, reum coram deprensum, reum peregrinum. constanter itaque in hominem alienum ferte sententias de eo crimine, quod etiam in vestrum civem severiter vindicaretis.’ 4 (1) Sic profatus accusator acerrimus immanem vocem repressit. ac me statim praeco, si quid ad ea respondere vellem, iubebat incipere. (2) at ego nihil tunc temporis amplius quam flere poteram non tam hercules truculentam accusationem intuens quam meam miseram conscientiam. sed tamen oborta divinitus audacia sic ad illa:

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zum heutigen Tag irgendjemand meine wachsame Sorgfalt tadeln kann. (5) Ich werde also über die Angelegenheit selbst und das, was in der Nacht geschah, getreulich berichten. Als ich nämlich schon um die dritte Nachtwache mit gewissenhafter Sorgfalt in der ganzen Stadt von Tür zu Tür meine Runde machte und alles im Einzelnen betrachtete, (6) erblickte ich diesen höchst grausamen jungen Mann da, wie er mit gezücktem Schwert rund um sich mit Mord beschäftigt war, und es bereits drei an der Zahl waren, die, durch seine Raserei getötet, vor seinen Füßen noch atmend, mit ihren Körpern in viel Blut zuckten. (7) Und er selbst machte sich zwar, weil er im Bewusstsein einer so großen Untat mit gutem Grund in Panik geriet, sofort davon, entschlüpfte im Schutz der Dunkelheit in ein gewisses Haus und blieb die ganze Nacht hindurch versteckt. (8) Aber dank der Vorsehung der Götter, die Übeltätern nichts ungestraft durchgehen lässt, wartete ich, bevor der da auf heimlichen Wegen davonschlüpfen konnte, am frühen Morgen auf ihn und ließ ihn zum höchst ehrwürdigen Urteilsspruch eures Tribunals überführen. (9) Also habt ihr nun einen Angeklagten, der durch so viele Morde befleckt ist, einen Angeklagten, der auf frischer Tat ertappt wurde, einen Angeklagten aus der Fremde. Deshalb fällt standhaft gegen den fremden Menschen euren Urteilsspruch wegen dieses Verbrechens, für das ihr sogar einen eurer Mitbürger streng bestrafen würdet.« 4 (1) Nachdem der sehr strenge Ankläger so gesprochen hatte, ließ er seine gewaltige Stimme verstummen. Und sofort befahl der Herold mir zu beginnen, falls ich etwas darauf antworten wolle. (2) Doch ich konnte im damaligen Moment nicht mehr als weinen, nicht so sehr, beim Herkules, mit Blick auf die fürchterliche Anklage wie auf mein elendes schlechtes Gewissen. Es stieg jedoch durch göttliche Einwirkung Mut in mir auf, und ich sprach wie folgt dazu:

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(3) ‘Nec ipse ignoro, quam sit arduum trinis civium corporibus expositis eum, qui caedis arguatur, quamvis vera dicat et de facto confiteatur ultro, (4) tamen tantae multitudini, quod sit innocens, persuadere. sed si paulisper audientiam publica mihi tribuerit humanitas, facile vos edocebo me discrimen capitis non meo merito, sed rationabilis indignationis eventu fortuito tantam criminis invidiam frustra sustinere. 5 (1) Nam cum a cena me serius aliquanto reciperem, potulentus alioquin, quod plane verum crimen meum non diffitebor, ante ipsas fores hospitii – ad bonum autem Milonem civem vestrum devorto – (2) video quosdam saevissimos latrones aditum temptantes et domus ianuas cardinibus obtortis evellere gestientes claustrisque omnibus, quae accuratissime adfixa fuerant, violenter evulsis secum iam de inhabitantium exitio deliberantes. (3) unus denique et manu promptior et corpore vastior his adfatibus [et] ceteros incitabat: (4) “Heus pueri, quam maribus animis et viribus alacribus dormientes adgrediamur! omnis cunctatio, ignavia omnis facessat e pectore! stricto mucrone per totam domum caedes ambulet. (5) qui sopitus iacebit, trucidetur; qui repugnare temptaverit, feriatur. sic salvi recedemus, si salvum in domo neminem reliquerimus.” (6) Fateor, Quirites, extremos latrones – boni civis officium arbitratus, simul et eximie metuens et hospitibus meis et mihi –

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(3) »Ich weiß selbst sehr genau, wie schwierig es dann, wenn die Leichen von drei Bürgern ausgestellt sind, für denjenigen ist, der des Mordes beschuldigt wird, auch wenn er die Wahrheit sagt und, was die Tat betrifft, aus freien Stücken gesteht, (4) dennoch eine so große Menge davon zu überzeugen, dass er unschuldig ist. Aber wenn die Menschlichkeit eures Gemeinwesens mir für ein Weilchen Gehör schenkt, dann werde ich euch leicht darlegen, dass ich die Anklage wegen eines Kapitalverbrechens nicht durch meine Schuld, sondern nur, weil zufällig etwas geschah, das gerechtfertigte Empörung hervorrufen sollte, die so große Missgunst wegen der Anklage grundlos ertragen muss. 5 (1) Denn als ich vom Abendessen reichlich spät auf dem Heimweg war, ja, betrunken, was ich durchaus nicht als meine wahre Schuld bestreiten werde, sah ich direkt vor der Tür des gastlichen Hauses – ich wohne doch bei dem guten Milo, eurem Mitbürger – (2) einige sehr wilde Räuber, die sich Zugang zu verschaffen versuchten und heftig bestrebt waren, die Haustür durch Herausdrehen der Angeln loszureißen, und, als sie alle Riegel, die sorgfältigst eingesetzt worden waren, gewaltsam losgerissen hatten, miteinander schon über die Ermordung der Hausbewohner beratschlagten. (3) Dann begann einer, der zur Tat bereitwilliger und körperlich riesiger als die anderen war, sie durch folgende Ansprache anzustacheln: (4) ›He, Jungs, mit möglichst mannhaftem Mut und feurigen Kräften lasst uns die Schlafenden angreifen! Alles Zögern, alle Feigheit verschwinde aus der Brust! Mit gezücktem Schwert soll Morden durch das ganze Haus wandeln! (5) Wer im Schlaf liegt, soll niedergemetzelt werden; wer Widerstand zu leisten versucht, soll totgeschlagen werden. So werden wir uns unverletzt zurückziehen können, wenn wir im Haus niemanden unverletzt zurücklassen.‹ (6) Ich gebe zu, Quiriten, ich habe es in Angriff genommen, die üblen Räuber – ich hielt es für die Pflicht eines guten Bürgers und war außerordentlich in Angst für meine Gastfreunde und für mich –,

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(7) gladiolo, qui me propter huius modi pericula comitabatur, armatus fugare atque proterrere eos adgressus sum. (8) at illi barbari prorsus et immanes homines neque fugam capessunt et, cum me viderent in ferro, tamen audaciter resistunt. 6 (1) Dirigitur proeliaris acies. ipse denique dux et signifer ceterorum validis me viribus adgressus ilico manibus ambabus capillo adreptum ac retro reflexum effligere lapide gestit. (2) quem dum sibi porrigi flagitat, certa manu percussum feliciter prosterno. ac mox alium pedibus meis mordicus inhaerentem per scapulas ictu temperato tertiumque inprovide occurrentem pectore offenso peremo. (3) Sic pace vindicata domoque hospitum ac salute communi protecta non tantum impunem me, verum etiam laudabilem publice credebam fore, qui ne tantillo quidem umquam crimine postulatus, sed probe spectatus apud meos semper innocentiam commodis cunctis antetuleram. (4) nec possum repperire, cur iustae ultionis, qua contra latrones deterrimos commotus sum, nunc istum reatum sustineam, (5) cum nemo possit monstrare vel proprias inter nos inimicitias praecessisse ac ne omnino mihi notos illos latrones usquam fuisse. vel certe ulla praeda monstretur cuius cupidine tantum flagitium credatur admissum.’ 7 (1) Haec profatus rursum lacrimis obortis porrectisque in preces manibus per publicam misericordiam, per pignorum caritatem

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(7) mit einem kurzen Schwert bewaffnet, das mich wegen der Gefahren dieser Art begleitete, in die Flucht zu schlagen und fortzujagen. (8) Doch jene ganz und gar barbarischen und ungeschlachten Menschen ergriffen nicht die Flucht, und obwohl sie mich bewaffnet sahen, setzten sie sich dennoch kühn zur Wehr. 6 (1) Ihre Schlachtreihe war zum Kampf gerade ausgerichtet. Und der Anführer und Feldzeichenträger der anderen griff mich selbst mit starken Kräften an, packte mich sofort mit beiden Händen an den Haaren, bog mich zurück und war heftig bestrebt, mich mit einem Stein totzuschlagen. (2) Während er forderte, dass der ihm gereicht werde, durchbohrte ich ihn mit sicherer Hand und streckte ihn erfolgreich nieder. Und einen anderen, der mit Bissen an meinen Füßen hing, tötete ich darauf mit einem wohlgezielten Hieb durch die Schulterblätter, und den dritten, als er unvorsichtig gegen mich anrannte, mit einem Treffer in die Brust. (3) Nachdem ich so den Frieden zurückerobert sowie das Haus meiner Gastfreunde und die öffentliche Sicherheit geschützt hatte, glaubte ich, ich würde nicht nur nicht bestraft, sondern sogar öffentlich gelobt werden, ich, der ich niemals auch nur wegen eines noch so kleinen Vergehens vor Gericht gefordert worden, sondern immer hoch angesehen bei meinen Mitbürgern gewesen war, weil ich stets meine Unbescholtenheit allen persönlichen Vorteilen vorgezogen hatte. (4) Ich kann auch nicht herausfinden, warum ich für eine gerechte Rache, durch die ich gegen diese höchst üblen Räuber motiviert wurde, jetzt diesen Zustand eines Angeklagten ertragen muss, (5) wo doch niemand aufzeigen kann, dass richtige persönliche Feindschaft zwischen uns vorausging oder dass mir überhaupt jemals diese Räuber irgendwie bekannt waren. Oder wenigstens irgendeine Beute möge aufgezeigt werden, durch die glaubhaft gemacht wird, dass aus Begierde nach ihr von mir eine so große Schandtat verübt worden sei.« 7 (1) Als ich dies von mir gegeben hatte, kamen mir wieder die Tränen, ich streckte bittend die Hände aus und flehte traurig bald

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maestus tunc hos tunc illos deprecabar. (2) cumque iam humanitate commotos, misericordia fletuum adfectos omnis satis crederem, Solis et Iustitiae testatus oculos casumque praesentem meum commendans deum providentiae (3) paulo altius aspectu relato conspicio prorsus totum populum risu cachinnabili diffluentem nec secus illum bonum hospitem parentemque meum Milonem risu maximo dissolutum. (4) at tunc sic tacitus mecum ‘en fides,’ inquam ‘en conscientia! ego quidem pro hospitis salute et homicida sum et reus capitis inducor, at ille non contentus, quod mihi nec adsistendi solacium perhibuit, insuper exitium meum cachinnat.’ 8 (1) Inter haec quaedam mulier per medium theatrum lacrimosa et flebilis atra veste contecta parvulum quendam sinu tolerans decurrit ac pone eam anus alia pannis horridis obsita paribusque maesta fletibus, ramos oleagineos utraeque quatientes. (2) quae circumfusae lectulum, quo peremptorum cadavera contecta fuerant, plangore sublato se lugubriter eiulantes (3) ‘per publicam misericordiam, per commune ius humanitatis’ aiunt ‘miseremini indigne caesorum iuvenum nostraeque viduitati ac solitudini de vindicta solacium date. (4) certe parvuli huius in primis annis destituti fortunis succurrite et de latronis huius sanguine legibus vestris et disciplinae publicae litate.’ (5) Post haec magistratus, qui natu maior, adsurgit et ad populum talia: ‘de scelere quidem, quod serio vindicandum est, nec ipse,

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diese, bald jene beim Mitleid des Gemeinwesens, bei der Liebe zu ihren Kindern an. (2) Und als ich schon alle hinlänglich von Menschlichkeit bewegt, von Mitleid mit meinem Weinen gerührt glaubte, nachdem ich die Augen Sols und der Justitia zu Zeugen angerufen und mein gegenwärtiges Unglück der Vorsehung der Götter empfohlen hatte, (3) richtete ich meinen Blick ein wenig höher hinauf und sah, wie wahrhaftig das ganze Volk in brüllendes Gelächter ausbrach, und nicht anders meinen guten Gastfreund und Vater Milo, wie er am lautesten vor Lachen verging. (4) Und da sagte ich im Stillen bei mir: »Sieh an, die Treue, sieh an, das Gewissen! Ich hier bin für die Rettung meines Gastgebers nun ein Mörder und werde, wegen eines Kapitalverbrechens angeklagt, vor Gericht gebracht, doch der, nicht zufrieden damit, dass er mir nicht einmal den Trost seines Beistandes geboten hat, lacht obendrein schallend über den mir drohenden Tod.« 8 (1) Unterdessen kam eine Frau weinend und jammernd, von einem schwarzen Gewand bedeckt und ein Kleinkind an der Brust tragend, mitten durch das Theater herabgelaufen und hinter ihr eine andere, eine alte Frau, in schmutzige Lumpen gehüllt, mit gleichen Tränen trauernd, und beide schüttelten Ölbaumzweige. (2) Diese warfen sich um die Bahre herum, auf der die Leichen der Ermordeten zugedeckt lagen, zu Boden, erhoben ein Wehklagen, und trauernd ihr Los bejammernd, sagten sie: (3) »Beim Mitleid des Gemeinwesens, bei den gemeinsamen Gesetzen der Menschlichkeit, habt Mitleid mit den unwürdig erschlagenen jungen Männern und spendet unserem Witwenstand und unserer Einsamkeit durch Rache Trost. (4) Kommt wenigstens dem Geschick dieses Kleinen, der in seinen frühesten Jahren verwaist ist, zu Hilfe und leistet mit dem Blut dieses Räubers euren Gesetzen und der öffentlichen Ordnung Genugtuung.« (5) Danach stand der Beamte auf, der älter war, und sagte zum Volk Folgendes: »Was das Verbrechen betrifft, kann, dass es ernstlich bestraft werden muss, nicht einmal der selbst leugnen, der es

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qui commisit, potest diffiteri. sed una tantum subsiciva sollicitudo nobis relicta est, ut ceteros socios tanti facinoris requiramus. (6) nec enim veri simile est hominem solitarium tres tam validos evitasse iuvenes. prohinc tormentis veritas eruenda. (7) nam et qui comitabatur eum puer clanculo profugit et res ad hoc deducta est, ut per quaestionem sceleris sui participes indicet, ut tam dirae factionis funditus formido perematur.’ 9 (1) Nec mora, cum ritu Graeciensi ignis et rota, tum omne flagrorum genus inferuntur. (2) augetur oppido, immo duplicatur mihi maestitia, quod integro saltim mori non licuerit. (3) sed anus illa, quae fletibus cuncta turbaverat ‘prius,’ inquit ‘optimi cives, quam latronem istum miserorum pignorum meorum peremptorem cruci adfigatis, permittite corpora necatorum revelari, (4) ut et formae simul et aetatis contemplatione magis magisque ad iustam indignationem arrecti pro modo facinoris saeviatis.’ (5) His dictis adplauditur et ilico me magistratus ipsum iubet corpora, quae lectulo fuerant posita, mea manu detegere. (6) luctantem me ac diu rennuentem praecedens facinus instaurare nova ostensione lictores iussu magistratuum quam instantissime compellunt. manum denique ipsam e regione lateris tundentes in exitium suum super ipsa cadavera porrigunt. (7) evictus tandem necessitate succumbo et, ingratis licet, abrepto pallio retexi corpora. Dii boni, quae facies rei! quod monstrum! quae fortunarum mearum repentina mutatio! (8) quamquam enim iam in peculio

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begangen hat. Doch nur eine einzige Sorge bleibt uns übrig, nämlich dass wir den Rest der Komplizen einer so großen Untat ausfindig machen. (6) Es ist nämlich nicht wahrscheinlich, dass ein einzelner Mensch drei so kräftige junge Männer des Lebens beraubt hat. Also muss durch Folter die Wahrheit herausgeholt werden. (7) Denn auch der Sklave, der ihn begleitete, floh heimlich, und die Situation ist nun an dem Punkt angelangt, dass er aufgrund einer Befragung die Komplizen seines Verbrechens angibt, damit die Furcht vor einer so schauerlichen Bande von Grund auf ausgeräumt wird.« 9 (1) Unverzüglich wurden nach griechischem Brauch Feuer und Rad, dann alle Arten von Peitschen hereingetragen. (2) Meine Trauer wurde gewaltig gesteigert, nein, verdoppelt, weil mir nicht wenigstens unverstümmelt zu sterben gestattet war. (3) Doch jene alte Frau, die mit ihrem Weinen alles in Aufruhr versetzt hatte, sagte: »Bevor ihr, ehrenwerte Bürger, diesen Räuber da, den Mörder meiner armen Kinder, ans Kreuz schlagt, erlaubt, dass die Körper der Getöteten enthüllt werden, (4) damit ihr durch die Betrachtung zugleich ihrer Schönheit und ihres Jugendalters mehr und mehr zu gerechter Empörung erregt werdet und entsprechend dem Ausmaß der Untat grausam handelt.« (5) Diesen Worten wurde Beifall geklatscht, und sofort befahl der Beamte mir selbst, die Körper, die auf der Bahre ausgestellt waren, mit meiner eigenen Hand aufzudecken. (6) Obwohl ich mich wehrte und mich lange weigerte, die vorausgegangene Tat durch eine neue Schaustellung wiederaufleben zu lassen, nötigten mich die Liktoren auf Befehl der Beamten sehr heftig. Schließlich stießen sie mir sogar die Hand aus dem Bereich meiner Seite und streckten sie zu ihrem Verderben direkt über den Leichen aus. (7) Endlich durch die Notwendigkeit besiegt, erlag ich, riss, wenn auch unwillig, die Hülle weg und deckte die Körper auf. Ihr guten Götter, welch ein Anblick! Was für ein Wunder! Was für eine plötzliche Veränderung meines Schicksals! (8) Obwohl ich

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Proserpinae et Orci familia numeratus, subito in contrariam faciem obstupefactus haesi. nec possum novae illius imaginis rationem idoneis verbis expedire. (9) nam cadavera illa iugulatorum hominum erant tres utres inflati variisque secti foraminibus et, ut vespertinum proelium meum recordabar, his locis hiantes, quibus latrones illos vulneraveram. 10 (1) Tunc ille quorundam astu paulisper cohibitus risus libere iam exarsit in plebem. hi gaudii nimietate graculari, illi dolorem ventris manuum compressione sedare. et certe laetitia delibuti meque respectantes cuncti theatro facessunt. (2) at ego, ut primum illam laciniam prenderam, fixus in lapidem steti gelidus nihil secus quam una de ceteris theatri statuis vel columnis. (3) nec prius ab inferis emersi, quam Milo hospes accessit et iniecta manu me renitentem lacrimisque rursum promicantibus crebra singultientem clementi violentia secum adtraxit. (4) et observatis viae solitudinibus per quosdam anfractus domum suam perduxit maestumque me atque etiam tunc trepidum variis solatur affatibus. (5) nec tamen indignationem iniuriae, quae inhaeserat altius meo pectori, ullo modo permulcere quivit. 11 (1) Ecce ilico etiam ipsi magistratus cum suis insignibus domum nostram ingressi talibus me monitis delenire gestiunt: ‘neque tuae dignitatis vel etiam prosapiae tuorum ignari sumus, Luci domine. nam et provinciam totam inclitae vestrae familiae nobilitas conplectitur. (2) ac ne istud, quod vehementer ingemescis, contu-

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nämlich schon zum Haushalt der Proserpina und der Sklavenschar des Orcus gezählt worden war, stand ich plötzlich verblüfft vor der Umkehrung des Anblicks. Ich kann eine rationale Erklärung dieses neuen Erscheinungsbildes nicht in geeigneten Worten geben. (9) Denn jene Leichen der hingeschlachteten Männer waren drei aufgeblasene Schläuche, die durch mehrere Löcher aufgeschnitten und, soweit ich mich an meinen Kampf des Vorabends erinnerte, an den Stellen aufklafften, an denen ich jene Räuber verwundet hatte. 10 (1) Da brach jenes Lachen, das durch die List einiger ein Weilchen zurückgehalten worden war, nunmehr frei unter den Leuten aus. Manche kreischten im Übermaß ihrer Freude wie Krähen, andere beruhigten ihre Bauchschmerzen durch Aufpressen der Hände. Jedenfalls machten sich alle von Heiterkeit durchtränkt aus dem Theater davon, während sie auf mich zurückblickten. (2) Doch ich stand, sobald ich jenes Tuch ergriffen hatte, wie in einen Stein verwandelt eiskalt da, nicht anders als eine von den übrigen Statuen oder Säulen im Theater. (3) Und nicht eher tauchte ich von den Unterirdischen auf, als mein Gastfreund Milo herangetreten war, mir die Hände auflegte und mich, der ich widerstrebte und, während die Tränen wieder hervorbrachen, immer wieder schluchzte, durch sanfte Gewalt mit sich zog. (4) Und er führte mich unter Beachtung der Einsamkeit einer Straße auf irgendwelchen krummen Wegen zu seinem Haus und versuchte mich, den Bekümmerten und immer noch Erschütterten, durch verschiedene Arten von Ansprache zu trösten. (5) Dennoch konnte er meine Empörung über die Kränkung, die tief in meinem Herzen festsaß, auf keine Weise besänftigen. 11 (1) Sieh da, sogleich betraten sogar die Beamten mit den Abzeichen ihres Amtes unser Haus und waren sehr bemüht, mich mit folgendem Rat zu beruhigen: »Dein gesellschaftliches Ansehen oder auch der Stammbaum der Deinen sind uns keineswegs unbekannt, Herr Lucius. Denn die Vornehmheit deiner berühmten Familie umfasst die ganze Provinz. (2) Und das, worüber du heftig

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meliae causa perpessus es. omnem itaque de tuo pectore praesentem tristitudinem mitte et angorem animi depelle. (3) nam lusus iste, quem publice gratissimo deo Risui per annua reverticula sollemniter celebramus, semper commenti novitate florescit. (4) iste deus auctorem et actorem suum propitius ubique comitabitur amanter nec umquam patietur, ut ex animo doleas, sed frontem tuam serena venustate laetabit adsidue. (5) at tibi civitas omnis pro ista gratia honores egregios obtulit; nam et patronum scripsit et, ut in aere stet imago tua, decrevit.’ (6) Ad haec dicta sermonis vicem refero ‘tibi quidem,’ inquam ‘splendidissima et unica Thessaliae civitas, honorum talium parem gratiam memini, verum statuas et imagines dignioribus meique maioribus reservare suadeo.’ 12 (1) Sic pudenter allocutus et paulisper hilaro vultu renidens quantumque poteram laetiorem me refingens comiter abeuntes magistratus appello. (2) Et ecce quidam intro currens famulus ‘rogat te’ ait ‘tua parens Byrrhena et convivii, cui te sero desponderas, iam adpropinquantis admonet.’ (3) Ad haec ego formidans et procul perhorrescens etiam ipsam domum eius ‘quam vellem’ inquam ‘parens, iussis tuis obsequium commodare, si per fidem liceret id facere. (4) hospes enim meus Milo per hodierni diei praesentissimum numen adiurans effecit, ut

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stöhnst, hast du nicht erduldet, weil du beschimpft werden solltest. Deshalb wirf die ganze gegenwärtige Traurigkeit aus deinem Herzen und vertreibe die Angst deiner Seele. (3) Denn dieses Festspiel, das wir öffentlich für den höchst willkommenen Gott Risus in jährlicher Wiederkehr feierlich begehen, ist stets durch die Neuheit eines Spaßes von Erfolg gekrönt. (4) Dieser Gott wird den, der Lachen erregt und inszeniert, mit seiner Gunst überall liebevoll begleiten und niemals dulden, dass du seelisch leidest, sondern deine Stirn ständig mit heiterer Anmut fröhlich machen. (5) Doch dir hat die ganze Stadt für diese deine Gunst herausragende Ehren erwiesen; denn sie hat dich zu ihrem Schutzherrn ernannt und beschlossen, dass dein Abbild in Erz dastehen soll.« (6) Auf diese Worte erwiderte ich meinerseits mit einer Rede: »Dir, herrlichste und einzigartige Stadt Thessaliens, weiß ich für solche Ehren den entsprechenden Dank, aber ich rate, Statuen und Abbilder für Würdigere und Bedeutendere als mich zu reservieren.« 12 (1) So redete ich sie bescheiden an, strahlte ein Weilchen mit heiterem Gesicht, so weit ich konnte, stellte mich fröhlicher, als ich war, und verabschiedete mich von den Beamten, als sie davongingen, höflich. (2) Und sieh da, ein Diener kam hereingerannt und sagte: »Deine Verwandte Byrrhena lässt dich bitten und erinnert dich daran, dass das Gastmahl, für das du gestern Abend zugesagt hattest, schon näher rückt.« (3) Darauf sagte ich, da ich sogar ihr Haus selbst fürchtete und schon von Weitem davor erschauerte: »Wie sehr wünschte ich, Mutter, deiner Aufforderung Folge zu leisten, wenn ich es mit gutem Gewissen tun dürfte! (4) Denn mein Gastfreund Milo hat mich bei der Gottheit, die uns am heutigen Tage am meisten gegenwärtig ist, beschworen und bewirkt, dass ich mich für das Abendessen des heutigen Tages verpflichtete, und er selbst weicht

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eius hodiernae cenae pignerarer, nec ipse discedit nec me digredi patitur. prohinc epulare vadimonium differamus.’ (5) Haec adhuc me loquente manu firmiter iniecta Milo iussis balnearibus adsequi producit ad lavacrum proximum. at ego vitans oculos omnium et, quem ipse fabricaveram, risum obviorum declinans lateri eius adambulabam obtectus. (6) nec qui laverim, qui terserim, qui domum rursum reverterim, prae rubore memini: sic omnium oculis, nutibus ac denique manibus denotatus inpos animi stupebam. 13 (1) Raptim denique paupertina Milonis cenula perfunctus causatusque capitis acrem dolorem, quem mihi lacrimarum adsiduitas incusserat, cubitum venia facile tributa concedo. et abiectus in lectulo meo, quae gesta fuerant, singula maestus recordabar, (2) quoad tandem Photis mea dominae suae cubitu procurato sui longe dissimilis advenit. non enim laeta facie nec sermone dicaculo, sed vultuosam frontem rugis insurgentibus adseverabat. (3) Cunctanter ac timide denique sermone prolato ‘ego’ inquit ‘ipsa, confiteor ultro, ego 〈origo〉 tibi huius molestiae fui.’ (4) et cum dicto lorum quempiam sinu suo depromit mihique porrigens ‘cape,’ inquit ‘oro te, et de perfida muliere vindictam, immo vero licet maius quodvis supplicium sume. (5) nec tamen me putes, oro, sponte angorem istum tibi concinnasse. dii mihi melius, quam ut mei causa vel tantillum scrupulum patiare. (6) ac siquid adversi tuum caput respicit, id omne protinus meo luatur sanguine. sed

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nicht von mir und duldet auch nicht, dass ich fortgehe. Lasst uns also die Verpflichtung zum Abendessen verschieben.« (5) Während ich dies noch sagte, legte Milo mir fest die Hand auf, befahl, dass das Badezeug uns begleiten solle, und führte mich zum nächsten Bad. Doch ich ging, weil ich so die Augen aller vermied und dem Gelächter der uns Begegnenden auswich, das ich selbst hervorgerufen hatte, verdeckt an seiner Seite. (6) Wie ich badete, wie ich mich abtrocknete, wie ich wieder zum Haus zurückkehrte, erinnere ich mich vor Schamröte nicht: In solchem Ausmaß war ich, gebrandmarkt von den Augen, Winken und schließlich sogar Händen, erstarrt und dabei meiner Sinne beraubt. 13 (1) Dann brachte ich eilends Milos ärmliches kleines Abendessen hinter mich, nahm die heftigen Kopfschmerzen, die mir die ständigen Tränen verursacht hatten, zum Vorwand und zog mich, nachdem mir die Erlaubnis leicht gewährt worden war, zum Schlafen zurück. Und als ich mich auf mein kleines Bett geworfen hatte, besann ich mich traurig auf das, was geschehen war, im Einzelnen zurück, (2) bis endlich meine Photis, nachdem sie ihre Herrin ins Bett gebracht hatte, erschien, weit davon entfernt, sie selbst zu sein. Sie kam nämlich nicht mit fröhlicher Miene und schlagfertiger Rede, sondern setzte eine finstere Miene auf, wobei Falten an ihrer Stirn aufstiegen. (3) Zögernd und ängstlich gab sie schließlich Worte von sich: »Ich selbst,« sagte sie, »freiweg gestehe ich es, ich war die Quelle deines Ärgers da.« (4) Und mit diesen Worten holte sie einen Lederriemen aus ihrem Gewandbausch hervor, reichte ihn mir und sagte: »Nimm den, ich bitte dich, und verschaffe dir von einer treulosen Frau deine Rache, ja, gerne jede größere Strafe, die du willst! (5) Doch glaube nicht, bitte, dass ich dir freiwillig diese Angst verschafft habe! Mögen die Götter verbieten, dass du meinetwegen auch nur die geringste Unannehmlichkeit erdulden solltest! (6) Und wenn irgendetwas Widriges dein Haupt bedroht, möge das alles auf der Stelle mit meinem Blut gesühnt werden! Doch was mir wegen

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quod alterius rei causa facere iussa sum, mala quadam mea sorte in tuam reccidit iniuriam.’ 14 (1) Tunc ego familiaris curiositatis admonitus factique causam delitiscentem nudari gestiens suscipio: (2) ‘omnium quidem nequissimus audacissimusque lorus iste, quem tibi verberandae destinasti, prius a me concisus atque laceratus interibit ipse quam tuam plumeam lacteamque contingat cutem. (3) sed mihi cum fide memora: quod tuum factum 〈fortunae〉 scaevitas consecuta in meum convertit exitium? adiuro enim tuum mihi carissimum caput nulli me prorsus ac ne tibi quidem ipsi adseveranti posse credere, quod tu quicquam in meam cogitaveris perniciem. (4) porro meditatus innoxios casus incertus vel etiam adversus culpae non potest addicere.’ (5) Cum isto fine sermonis oculos Photidis meae udos ac tremulos et prona libidine marcidos iamiamque semiadopertulos adnixis et sorbillantibus saviis sitienter hauriebam. 15 (1) Sic illa laetitia recreata ‘patere,’ inquit ‘oro, prius fores cubiculi diligenter obcludam, ne sermonis elapsi profana petulantia committam grande flagitium.’ (2) et cum dicto pessulis iniectis et uncino firmiter immisso sic ad me reversa colloque meo manibus ambabus inplexa voce tenui et admodum minuta (3) ‘paveo’ inquit ‘et formido solide domus huius operta detegere et arcana dominae meae revelare secreta. (4) sed melius de te doctrinaque tua praesumo, qui praeter generosam natalium dignitatem, praeter sublime

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einer anderen Angelegenheit zu tun befohlen war, wurde aufgrund meines üblen Geschicks zur ungerechten Behandlung deiner Person.« 14 (1) Da wurde ich von meiner notorischen Neugier angefeuert, und in dem heftigen Verlangen, dass der verborgene Grund für die Tat enthüllt werde, antwortete ich: (2) »Dieser allernichtsnutzigste, frechste Riemen da, den du für deine eigene Auspeitschung bestimmt hast, wird eher, von mir zerschnitten und zerfetzt, seinen Untergang selbst erleben, als dass er deine flaumweiche, milchweiße Haut berührt! (3) Doch sage mir getreulich: Welche Tat deinerseits hat das auf sie folgende Missgeschick zu meinem Ruin gewendet? Ich schwöre nämlich bei deinem mir höchst teuren Haupt, dass ich durchaus niemandem. nicht einmal dir selbst, glauben könnte, der ernstlich behaupten würde, dass du irgendetwas zu meinem Verderben erdacht hast. (4) Ferner kann ein ungewisser oder sogar ein widriger Zufall unschuldige Absichten nicht als Schuld anrechnen.« (5) Am Ende dieser Rede trank ich durstig die feuchten und zitternden Augen meiner Photis, die von bereitwilliger Lust auf Sex ermattet und schon halb geschlossen waren, mit fest aufgedrückten und schlürfenden Küssen. 15 (1) Nachdem so ihre Fröhlichkeit wiederhergestellt war, sagte sie: »Erlaube mir bitte, dass ich zuerst die Tür des Schlafzimmers sorgfältig zuschließe, damit ich nicht durch die ruchlose Leichtfertigkeit entschlüpfter Worte eine große Schandtat begehe.« (2) Und mit diesen Worten schob sie die Riegel vor, steckte den Haken fest hinein, kam dann zu mir zurück, umschlang meinen Hals mit beiden Händen und sagte mit weicher und sehr leiser Stimme: (3) »Ich habe Angst und fürchte mich sehr davor, die Heimlichkeiten dieses Hauses aufzudecken und die verborgenen Geheimnisse meiner Herrin zu enthüllen. (4) Doch ich erwarte Besseres von dir und deiner Bildung, der du, abgesehen von dem ererbten Adel deiner Geburt, abgesehen von deiner hochherzigen Art, in mehrere Myste-

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ingenium sacris pluribus initiatus profecto nosti sanctam silentii fidem. (5) quaecumque itaque commisero huius religiosi pectoris tui penetralibus, semper haec intra conseptum clausa custodias, oro, et simplicitatem relationis meae tenacitate taciturnitatis tuae remunerare. (6) nam me, quae sola mortalium novi, vis amoris, quo tibi teneor, indicare compellit. (7) iam scies omnem domus nostrae statum, iam scies erae meae miranda secreta, quibus obaudiunt manes, turbantur sidera, coguntur numina, serviunt elementa. (8) nec umquam magis artis huius violentia nititur quam cum scitulae formulae iuvenem quempiam libenter aspexit, quod quidem ei solet crebriter evenire. 16 (1) Nunc etiam adulescentem quendam Boeotium summe decorum efflictim deperit totasque artis manus, machinas omnes ardenter exercet. (2) audivi vesperi – meis his, inquam, auribus audivi – quod non celerius Sol caelo ruisset noctique ad exercendas inlecebras magiae maturius cessisset, ipsi Soli nubilam caliginem et perpetuas tenebras comminantem. (3) hunc iuvenem, cum e balneis rediret ipsa, tonstrinae residentem hesterna die forte conspexit ac me capillos eius, qui iam caede cultrorum desecti humi iacebant, clanculo praecipitavit ferre. (4) quos me sedulo furtimque colligentem tonsor invenit et, quod alioquin publicitus maleficae disciplinae perinfames sumus, adreptam inclementer increpat: (5) “tune, ultima, non cessas subinde lectorum iuvenum capillamenta surripere? quod scelus nisi tandem desines, magistratibus te constanter

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rien eingeweiht bist und auf jeden Fall die heilige Verpflichtung zum Schweigen kennst. (5) Was auch immer ich also dem Heiligtum deines frommen Herzens anvertraue, hüte bitte immer verschlossen innerhalb des heiligen Bezirks und entgelte die Aufrichtigkeit meines Berichts durch das Festhalten an deiner Verschwiegenheit. (6) Denn mich treibt dazu, das, was ich allein unter den Sterblichen weiß, dir zu verraten, die Macht der Liebe, durch die ich an dich gefesselt bin. (7) Jetzt wirst du alles erfahren, was in unserem Haus geschieht, jetzt wirst du die wundersamen Geheimnisse meiner Herrin erfahren, aufgrund derer die Manen gehorchen, Gestirne in ihrem Lauf gestört, göttliche Mächte bezwungen werden und die Elemente als Sklaven dienen. (8) Und niemals hängt sie mehr von der Gewalt dieser Kunst ab, als wenn sie einen jungen Mann von hübschem Aussehen lüstern erblickt hat, was ihr in der Tat häufig zu geschehen pflegt. 16 (1) Auch jetzt vergeht sie bis zur Raserei vor Verlangen nach einem jungen, äußerst attraktiven Böotier und wendet sämtliche Handgriffe ihrer Kunst, alle Mittel an, brennend vor Lust. (2) Ich hörte gestern Abend – mit diesen meinen Ohren, sage ich, hörte ich es –, wie sie, weil Sol nicht schneller vom Himmel herabgesunken und der Nacht gewichen sei, so dass sie ihre Verlockungen durch Magie eher hätte anwenden können, Sol selbst wolkige Dunkelheit und ewige Finsternis androhte. (3) Diesen jungen Burschen sah sie zufällig, als sie selbst vom Bad zurückkehrte, am gestrigen Tage im Frisörladen sitzen, und beauftragte mich, seine Haare, die schon, durch das Gemetzel der Schermesser abgeschnitten, am Boden lagen, heimlich wegzunehmen. (4) Als ich sie fleißig und verstohlen aufsammelte, ertappte mich der Frisör, und weil wir ohnehin öffentlich wegen der Hexenkunst sehr berüchtigt sind, packte er mich und fuhr mich unerbittlich streng an: (5) ›Du Allerschlechteste, hörst du nie auf, immer wieder die Haare ausgesuchter junger Burschen zu rauben? Wenn du mit diesem Verbrechen nicht endlich aufhörst, werde ich dich auf der Stelle den Beamten übergeben.‹

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obiciam.” (6) et verbum facto secutus immissa manu scrutatus e mediis papillis meis iam capillos absconditos iratus abripit. (7) quo gesto graviter adfecta mecumque reputans dominae meae mores, quod huius modi repulsa satis acriter commoveri meque verberare saevissime consuevit, iam de fuga consilium tenebam, sed istud quidem tui contemplatione abieci statim. 17 (1) Verum cum tristis inde discederem, ne prorsus vacuis manibus redirem, conspicio quendam forficulis attondentem caprinos utres. (2) quos cum probe constrictos inflatosque et iam pendentes cernerem, capillos eorum humi iacentes flavos ac per hoc illi Boeotio iuveni consimiles plusculos aufero eosque dominae meae dissimulata veritate trado. (3) sic noctis initio, priusquam cena te reciperes, Pamphile mea iam vecors animi tectum scandulare conscendit, quod altrinsecus aedium patore perflabili nudatum ad [omnes] orientales ceterosque aspectus pervium, maxime his artibus suis commodatum secreto colit. (4) priusque apparatu solito instruit feralem officinam, omne genus aromatis et ignorabiliter lamminis litteratis et infelicium navium durantibus damnis, (5) defletorum, sepultorum etiam cadaverum expositis multis admodum membris: hic nares et digiti, illic carnosi clavi pendentium, alibi trucidatorum servatus cruor et extorta dentibus ferarum trunca calvaria. 18 (1) Tunc decantatis spirantibus fibris litat vario latice, nunc rore fontano, nunc lacte vaccino, nunc melle montano, libat et

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(6) Und er folgte seinen Worten mit der Tat, suchte, nachdem er die Hand hineingesteckt hatte, mitten zwischen meinen Brüsten die schon versteckten Haare hervor und riss sie mir zornig weg. (7) Ich war durch das, was da passiert war, schwer verstört, und als ich bei mir über den Charakter meiner Herrin nachdachte, wie sie durch einen negativen Bescheid dieser Art sehr heftig aufgeregt zu werden und mich sehr brutal zu verprügeln pflegte, fasste ich schon den Plan zu fliehen, aber das wies ich freilich, weil ich an dich dachte, sofort zurück. 17 (1) Doch als ich betrübt von dort in der Angst wegging, ich würde mit gänzlich leeren Händen zurückkehren, erblickte ich einen, der mit einer Schere Ziegenschläuche abschor. (2) Weil ich diese gut zusammengebunden, aufgeblasen und schon hängen sah, nahm ich von ihren am Boden liegenden Haaren, die, blond und dadurch denen jenes böotischen jungen Mannes ähnlich waren, mehrere weg und gab sie meiner Herrin, wobei ich ihr die Wahrheit verhehlte. (3) Dann bestieg zu Beginn der Nacht, bevor du dich vom Abendessen zurückzogst, meine Pamphile schon ganz außer sich das Schindeldach, das sie, da es auf der anderen Seite des Hauses wegen eines Lochs, das durchweht werden kann, ungeschützt ist, offen für Blicke nach Osten und in die übrigen Richtungen, als besonders für ihre Künste geeignet heimlich aufsucht. (4) Zuerst stattete sie ihr gruseliges Laboratorium mit dem üblichen Inventar aus, mit jeder Art von aromatischen Kräutern, unlesbar beschrifteten Metallplättchen, noch vorhandenen Überresten verunglückter Schiffe, (5) sehr vielen bereit liegenden Gliedern beweinter, sogar bestatteter Toter: hier Nasen und Finger, dort Nägel mit Fleisch von Gekreuzigten, anderswo das aufbewahrte Blut von Niedergemetzelten und angenagte Schädel, den Zähnen wilder Tiere entwunden. 18 (1) Dann opferte sie, nachdem sie über pulsierenden Eingeweiden ihre Zauberlieder gesungen hatte, mit verschiedenen Flüssigkeiten, bald mit Quellwasser, bald mit Kuhmilch, bald mit Berg-

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mulsa. (2) sic illos capillos in mutuos nexus obditos atque nodatos cum multis odoribus dat vivis carbonibus adolendos. (3) tunc protinus inexpugnabili magicae disciplinae potestate et caeca numinum coactorum violentia illa corpora, quorum fumabant stridentes capilli, spiritum mutuantur humanum (4) et sentiunt et audiunt et ambulant et, qua nidor suarum ducebat exuviarum, veniunt et pro illo iuvene Boeotio aditum gestientes fores insiliunt, (5) cum ecce 〈tu〉 crapula madens et inprovidae noctis deceptus caligine audacter mucrone destricto in insani modum Aiacis armatus, (6) non ut ille〈, qui〉 vivis pecoribus infestus tota laniavit armenta, sed longe fortius[, qui] tres inflatos caprinos utres exanimasti, (7) ut ego te prostratis hostibus sine macula sanguinis non homicidam nunc, sed utricidam amplecterer.’ 19 (1) At 〈ego ri〉si lepido sermone Photidis et in vicem cavillatus ‘ergo igitur iam et ipse possum’ inquam ‘mihi primam istam virtutis adoriam ad exemplum duodeni laboris Herculei numerare (2) vel trigemino corpori Geryonis vel triplici formae Cerberi totidem peremptos utres coaequando. (3) sed ut ex animo tibi volens omne delictum, quo me tantis angoribus inplicasti, remittam, (4) praesta, quod summis votis expostulo, et dominam tuam, cum aliquid huius divinae disciplinae molitur, ostende; cum deos invocat, certe cum reformatur, videam. sum namque coram magiae noscendae ardentissimus cupitor. (5) quamquam mihi nec ipsa tu videare talium rerum rudis vel expers. scio istud et plane sentio, cum semper alio-

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honig, opferte auch Met. (2) Nachdem sie dann jene Haare ineinander verflochten und zusammengeknotet hatte, übergab sie sie zusammen mit vielen wohlriechenden Kräutern lebendig glühenden Kohlen zum Verbrennen. (3) Dann borgten sich auf der Stelle dank der unwiderstehlichen Macht der magischen Kunst und der unsichtbaren Energie bezwungener göttlicher Mächte jene Körper, deren zischende Haare rauchten, menschlichen Atem, (4) und sie fühlten und hörten und liefen umher, kamen dorthin, wohin der Geruch ihrer Haarreste sie führte, und sprangen, weil sie anstelle jenes böotischen jungen Mannes heftig Einlass begehrten, gegen die Tür, (5) als plötzlich, sieh da, du, feucht vom Trinken und getäuscht von der blinden Dunkelheit der Nacht, mit kühn gezücktem Schwert in der Art des wahnsinnigen Ajax bewaffnet, (6) nicht wie jener, der, gegen lebendige Schafe kampfbereit, ganze Herden abschlachtete, sondern weit tapferer drei aufgeblasene Ziegenschläuche entseeltest, (7) so dass ich dich, nachdem du deine Feinde ohne einen Blutfleck niedergestreckt hattest, nunmehr nicht als Menschenmörder, sondern als Schlauchmörder umarmte.« 19 (1) Und ich lachte über Photis’ charmante Rede, und meinerseits sagte ich im Scherz: »Also kann nun auch ich selbst die erste Trophäe nach dem Vorbild einer der zwölf Arbeiten des Herkules zählen, (2) wenn ich dem dreigestaltigen Körper des Geryon oder der dreifachen Gestalt des Cerberus ebenso viele getötete Schläuche gleichsetze. (3) Doch damit ich dir von ganzem Herzen bereitwillig die ganze Untat vergebe, mit der du mich in so große Ängste verstrickt hast, (4) gewähre, was ich mit meinen größten Wünschen erbitte, und zeige mir deine Herrin, wenn sie irgendetwas von dieser göttlichen Kunst in Gang setzt; wenn sie die Götter anruft, wenigstens wenn sie ihre Gestalt verändert, möchte ich sie sehen. Ich bin nämlich brennend vor Begierde, die Magie persönlich anwesend kennenzulernen. (5) Indes scheinst du selbst mir in solchen Dingen nicht unkundig oder unerfahren zu sein. Ich weiß das und fühle es deutlich, da du einen, der sonst immer die Umarmungen von Da-

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quin spretorem matronalium amplexuum sic tuis istis micantibus oculis et rubentibus bucculis et renidentibus crinibus et hiantibus osculis et flagrantibus papillis in servilem modum addictum atque mancipatum teneas volentem. (6) iam denique nec larem requiro nec domuitionem paro et nocte ista nihil antepono.’ 20 (1) ‘Quam vellem’ respondit illa ‘praestare tibi, Luci, quod cupis, sed praeter invidos mores in solitudinem semper abstrusa et omnium praesentia viduata solet huius modi secreta perficere. (2) sed tuum postulatum praeponam periculo meo idque observatis opportunis temporibus sedulo perficiam; modo, ut initio praefata sum, rei tantae fidem silentiumque tribue.’ (3) Sic nobis garrientibus libido mutua et animos simul et membra suscitat. (4) omnibus abiectis amiculis hactenus denique intecti atque nudati bacchamur in Venerem, cum quidem mihi iam fatigato de propria liberalitate Photis puerile obtulit corollarium; iamque luminibus nostris vigilia marcidis infusus sopor etiam in altum diem nos attinuit. 21 (1) Ad hunc modum transactis voluptarie paucis noctibus quadam die percita Photis ac satis trepida me accurrit indicatque dominam suam, quod nihil etiam tunc in suos amores ceteris artibus promoveret, nocte proxima in avem sese plumaturam atque ad suum cupitum sic devolaturam; (2) proin memet ad rei tantae speculam caute praepararem. (3) iamque circa primam noctis vigiliam ad illud superius cubiculum suspenso et insono vestigio me per-

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men verachtete, so sehr mit deinen funkelnden Augen, deinen rosigen Wangen, deinen glitzernden Haaren, deinen zum Kuss geöffneten Lippen und deinen duftenden Brüsten wie einen dir ganz und gar ergebenen und leibeigenen Sklaven festhältst, und das mit seinem Willen. (6) Also vermisse ich jetzt nicht mehr mein Zuhause noch rüste ich zu meiner Heimreise, und nichts ziehe ich dieser Nacht mit dir vor.« 20 (1) »Wie sehr wünschte ich«, antwortete sie, »dir, Lucius, zu gewähren, was du ersehnst, aber, sieht man von ihrem neiderfüllten Charakter ab, pflegt sie, in die Einsamkeit stets verkrochen und frei von der Anwesenheit aller, geheime Rituale dieser Art durchzuführen. (2) Doch dein Begehren will ich über die Gefahr für mich stellen und, nachdem ich nach einer günstigen Gelegenheit Ausschau gehalten habe, sorgfältig erfüllen; nur wahre du, wie ich zu Anfang gesagt habe, in einer so großen Sache deine Zuverlässigkeit und deine Schweigsamkeit.« (3) Während wir so plauderten, erregte das gegenseitige Verlangen gleichzeitig unsere Sinne und Glieder. (4) Also warfen wir alle Kleidungsstücke ab und veranstalteten ganz und gar unbedeckt und entblößt eine Orgie für Venus, wobei mir wenigstens dann, wenn ich schon ermüdet war, Photis aus eigener Freigebigkeit wie ein Knabe ihr Kränzchen darbot; und schon ergoss sich über unsere vom Wachen ermatteten Augen der Schlaf und hielt uns sogar bis tief in den Tag hinein fest. 21 (1) Als wir auf diese Weise einige Nächte lusterfüllt verbracht hatten, kam eines Tages Photis aufgeregt und sehr ängstlich zu mir gelaufen und meldete, dass ihre Herrin, weil sie bis jetzt mit ihren übrigen Künsten noch nichts im Hinblick auf ihren Geliebten voranbringe, in der nächsten Nacht sich selbst als Vogel befiedern und so zu ihrem Begehrten fliegen werde; (2) deshalb solle ich mich auf das Zuschauen bei einer so bedeutenden Tat vorsichtig vorbereiten. (3) Und schon um die erste Nachtwache führte sie selbst mich zu jenem oberen Schlafzimmer mit schwebenden und lautlosen Schrit-

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ducit ipsa perque rimam ostiorum quampiam iubet arbitrari, quae sic gesta sunt. (4) Iam primum omnibus laciniis se devestit Pamphile et arcula quadam reclusa pyxides plusculas inde depromit, de quis unius operculo remoto atque indidem egesta unguedine diuque palmulis suis adfricta ab imis unguibus sese totam adusque summos capillos perlinit multumque cum lucerna secreto conlocuta membra tremulo succussu quatit. (5) quis leniter fluctuantibus promicant molles plumulae, crescunt et fortes pinnulae; duratur nasus incurvus, coguntur ungues adunci. (6) fit bubo Pamphile. sic edito stridore querulo iam sui periclitabunda paulatim terra resultat; mox in altum sublimata forinsecus totis alis evolat. 22 (1) Et illa quidem magicis suis artibus volens reformatur. at ego nullo decantatus carmine, praesentis tantum facti stupore defixus quidvis aliud magis videbar esse quam Lucius. (2) sic exterminatus animi, attonitus in amentiam vigilans somniabar. defrictis adeo diu pupulis, an vigilarem, scire quaerebam. (3) tandem denique reversus ad sensum praesentium adrepta manu Photidis et admota meis luminibus (4) ‘patere, oro te,’ inquam ‘dum dictat occasio, magno et singulari me adfectionis tuae fructu perfrui (5) et impertire nobis unctulum indidem, per istas tuas papillas, mea mellitula, tuumque mancipium inremunerabili beneficio sic tibi perpetuo pignera ac iam perfice, ut meae Veneri Cupido pinnatus adsistam tibi.’

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ten und forderte mich auf, durch eine Türritze anzuschauen, was dort folgendermaßen geschah. (4) Zuerst zog Pamphile all ihre Kleider aus, schloss ein Kästchen auf und entnahm von dort einige Büchsen, von deren einer sie den Deckel entfernte, worauf sie ebendaraus eine Salbe entnahm, sich dann, als sie diese lange zwischen ihren Händen gerieben hatte, von den Zehenspitzen ganz bis oben zu den Haaren einschmierte, sich lange heimlich mit ihrer Lampe unterhielt und ihre Glieder in zitternder Schwingung schüttelte. (5) Während diese sanft wogten, sprossen weiche Flaumfederchen hervor, und es wuchsen starke Federn; die Nase verhärtete sich gekrümmt, die Zehennägel zogen sich zusammen und wurden zu Krallen. (6) Pamphile wurde zu einem Uhu. Dann gab sie ein klagendes Krächzen von sich und begann, um sich zu prüfen, schon allmählich vom Boden hochzuhüpfen; bald erhob sie sich in die Höhe und flog nach draußen mit voll ausgebreiteten Flügeln. 22 (1) Und jene verwandelte sich wenigstens durch ihre magischen Künste, wie sie es wünschte. Doch ich war, von keinem Gesang verzaubert, lediglich durch das Staunen über das in meiner Gegenwart Geschehene festgebannt, und es kam mir so vor, als sei ich eher irgendetwas anderes als Lucius. (2) So ganz von Sinnen, bis zum Wahnsinn erschüttert, träumte ich wachend. Ich rieb mir sehr lange die Augen und wollte wissen, ob ich wach sei. (3) Schließlich und endlich kehrte ich zur Wahrnehmung der gegenwärtigen Situation zurück, ergriff Photis’ Hand, führte sie an meine Augen und sagte: (4) »Erlaube, ich bitte dich, dass ich, solange die Gelegenheit es fordert, eine große und einzigartige Frucht deiner Zuneigung genieße, (5) und gib mir etwas Salbe von ebendort, bei diesen deinen Brüsten, meine kleine Honigsüße, verpflichte dir so deinen Sklaven durch eine nie zu vergeltende Wohltat und bewirke jetzt, dass ich dir als meiner Venus als geflügelter Cupido zur Seite treten kann.«

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(6) ‘Ain,’ inquit ‘vulpinaris, amasio, meque sponte asceam cruribus meis inlidere compellis? sic inermem vix a lupulis conservo Thessalis; hunc alitem factum ubi quaeram, videbo quando?’ 23 (1) ‘At mihi scelus istud depellant caelites’ inquam ‘ut ego, quamvis ipsius aquilae sublimis volatibus toto caelo pervius et supremi Iovis certus nuntius vel laetus armiger, tamen non ad meum nidulum post illam pinnarum dignitatem subinde devolem. (2) adiuro per dulcem istum capilli tui nodulum, quo meum vinxisti spiritum, me nullam aliam meae Photidi malle. (3) tunc etiam istud meis cogitationibus occurrit, cum semel avem talem perunctus induero, domus omnis procul me vitare debere. quam pulchro enim quamque festivo matronae perfruentur amatore bubone! (4) quid quod istas nocturnas aves, cum penetraverint larem quempiam, sollicite prehensas foribus videmus adfigi, ut, quod infaustis volatibus familiae minantur exitium, suis luant cruciatibus? (5) sed, quod sciscitari paene praeterivi, quo dicto factove rursum exutis pinnulis illis ad meum redibo Lucium?’ (6) ‘Bono animo es, quod ad huius rei curam pertinet’ ait. ‘nam mihi domina singula monstravit, quae possunt rursus in facies hominum tales figuras reformare. (7) nec istud factum putes ulla benivolentia, sed ut ei redeunti medela salubri possem subsistere. (8) specta denique, quam parvis quamque futtilibus tanta res pro-

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(6) »Was sagst du da,« sagte sie, »ein Schlaufuchs, wie du bist, mein Liebling, willst du mich dazu kriegen, dass ich freiwillig die Axt in meine eigenen Schenkel schlage? Einen so Wehrlosen kann ich kaum vor den thessalischen Wölfinnen bewahren; wo soll ich ihn dann, wenn er zu diesem Vogel geworden bist, suchen, wann werde ich ihn wiedersehen?« 23 (1) »Doch die Götter mögen mir dieses Verbrechen fernhalten,« sagte ich, »dass ich, wenn ich auch mit dem hohen Flug selbst des Adlers den ganzen Himmel durchqueren und des höchsten Jupiter zuverlässiger Bote und froher Waffenträger sein könnte, dennoch nicht nach jener den Flügeln geschuldeten Glorie gleich zu meinem kleinen Nest hinabflöge. (2) Ich schwöre bei diesem süßen Knoten in deinem Haar, durch den du meine Seele gefesselt hast, dass ich keine andere lieber will als meine Photis. (3) Dann stößt mir auch dies noch auf in meinen Überlegungen: dass ich, wenn ich einmal nach der Salbung in die Gestalt eines solchen Vogels geschlüpft bin, alle Häuser von Weitem meiden muss. Denn was für einen hübschen und aparten Liebhaber werden die Damen genießen, wenn er ein Uhu ist! (4) Was soll man dazu sagen, dass wir sehen, wie diese Nachtvögel, wenn sie in ein Haus eingedrungen sind, sorgfältig gefangen und an die Tür genagelt werden, so dass sie das Verderben, das sie mit ihrem Unheil kündenden Flug einer Familie gedroht haben, durch ihre Kreuzigung büßen müssen? (5) Doch was ich zu fragen beinahe versäumt hätte: Durch welches Wort oder welche Tat werde ich jene Federn wieder ablegen und zu meinem Lucius zurückkehren können?« (6) »Sei guten Mutes, was die Sorge um diese Angelegenheit betrifft«, sagte sie. »Denn mir hat die Herrin im Einzelnen gezeigt, was solche Figuren wieder in die Gestalten von Menschen zurückbilden kann. (7) Aber du sollst nicht glauben, dass dies aus irgendwelchem Wohlwollen geschah, nein, sondern damit ich ihr, wenn sie zurückkommt, mit einem heilsamen Mittel helfen kann. (8) Sieh schließlich noch, mit welch kleinen und unbedeutenden Kräuter-

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curetur herbulis: anethi modicum cum lauri foliis immissum rori fontano datur lavacrum et poculum.’ 24 (1) Haec identidem adseverans summa cum trepidatione inrepit cubiculum et pyxidem depromit arcula. (2) quam ego amplexus ac deosculatus prius utque mihi prosperis faveret volatibus deprecatus abiectis propere laciniis totis avide manus immersi et haurito plusculo uncto corporis mei membra perfricui. (3) iamque alternis conatibus libratis bracchiis in avem similis gestiebam. (4) nec ullae plumulae nec usquam pinnulae, sed plane pili mei crassantur in setas et cutis tenella duratur in corium et in extimis palmulis perdito numero toti digiti coguntur in singulas ungulas et de spinae meae termino grandis cauda procedit. (5) iam facies enormis et os prolixum et nares hiantes et labiae pendulae; sic et aures inmodicis horripilant auctibus. (6) nec ullum miserae reformationis video solacium, nisi quod mihi iam nequeunti tenere Photidem natura crescebat. 25 (1) Ac dum salutis inopia cuncta corporis mei considerans non avem me, sed asinum video, quaerens de facto Photidis, sed iam humano gestu simul et voce privatus, quod solum poteram, postrema deiecta labia, umidis tamen oculis obliquum respiciens ad illam tacitus expostulabam. (2) quae ubi primum me talem aspexit, percussit faciem suam manibus infestis et ‘occisa sum misera!’ clamavit.

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chen etwas so Großartiges besorgt werden kann: ein bisschen Dill, mit Lorbeerblättern in Quellwasser geworfen, wird als Bad und als Trank gegeben.« 24 (1) Während sie dies wieder und wieder versicherte, schlich sie in höchster Angst in das Schlafzimmer und nahm die Büchse aus dem Kästchen. (2) Ich umarmte und küsste diese erst einmal über und über, betete, sie möge mich durch erfolgreiche Flüge beglücken, und tauchte, nachdem ich eilends alle Kleider abgeworfen hatte, gierig die Hände ein, schöpfte eine ziemlich große Menge Salbe und rieb die Glieder meines Körpers ein. (3) Und schon machte ich, indem ich meine Arme versuchsweise auf und nieder schwang, ähnliche Gesten wie ein Vogel. (4) Doch da waren weder irgendwelche Flaumfederchen noch irgendwo Federn, sondern meine Haare verdickten sich ganz und gar zu Borsten, meine zarte Haut verhärtete sich zu einem Fell, an den äußersten Enden meiner Hände und Füße verloren alle Finger und Zehen ihre Zahl und wurden zu je einem Huf zusammengedrängt, und vom Ende meines Rückgrats trat ein großer Schwanz hervor. (5) Nun war mein Gesicht übermäßig groß, der Mund geweitet, waren die Nasenlöcher klaffend und die Lippen herabhängend; so auch waren die Ohren unmäßig vergrößert und starrten vor Haaren. (6) Ich sah keinen einzigen Trost für meine unselige Verwandlung als den, dass mir, der ich doch Photis nicht mehr im Arm zu halten vermochte, das Zeugungsorgan an Größe zunahm. 25 (1) Und während ich ohne Aussicht auf Erlösung alles an meinem Körper betrachtete, sah ich mich nicht als Vogel, sondern als Esel, und ich versuchte, Photis über das, was geschehen war, zu befragen, aber da ich nun gleichzeitig der menschlichen Gesten und der Stimme beraubt war, ließ ich – das allein konnte ich noch – die Unterlippe hängen, blickte mit feuchten Augen von der Seite auf sie und machte ihr schweigend Vorwürfe. (2) Sobald sie mich in einem solchen Zustand erblickte, schlug sie ihr Gesicht mit gewalttätigen Händen und schrie: »Ich Elende bin des Todes! Angst und

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‘me trepidatio simul et festinatio fefellit et pyxidum similitudo decepit. (3) sed bene, quod facilior reformationis huius medela suppeditat. nam rosis tantum demorsicatis exibis asinum statimque in meum Lucium postliminio redibis. (4) atque utinam vesperi de more nobis parassem corollas aliquas, ne moram talem patereris vel noctis unius. sed primo diluculo remedium festinabitur tibi.’ 26 (1) Sic illa maerebat. ego vero, quamquam perfectus asinus et pro Lucio iumentum, sensum tamen retinebam humanum. (2) diu denique ac multum mecum ipse deliberavi, an nequissimam facinerosissimamque illam feminam spissis calcibus feriens et mordicus adpetens necare deberem. (3) sed ab incepto temerario melior me sententia revocavit, ne morte multata Photide salutares mihi suppetias rursus extinguerem. (4) deiecto itaque et quassanti capite ac demussata temporali contumelia durissimo casui meo serviens ad equum illum vectorem meum probissimum in stabulum concedo, ubi alium etiam Milonis quondam hospitis mei asinum stabulantem inveni. (5) atque ego rebar, si quod inesset mutis animalibus tacitum ac naturale sacramentum, agnitione ac miseratione quadam inductum equum illum meum hospitium ac loca lautia mihi praebiturum. (6) sed pro Iuppiter hospitalis et Fidei secreta numina! praeclarus ille vector meus cum asino capita conferunt in meamque perniciem ilico consentiunt (7) et verentes scilicet cibariis suis vix me praesepio videre proximantem, deiectis auribus iam furentes

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Eile zugleich haben mich irregeleitet, und die Ähnlichkeit der Büchsen hat mich getäuscht. (3) Aber gut, dass ein ziemlich leichtes Mittel für diese Rückverwandlung zur Verfügung steht. Denn wenn du einfach nur Rosen anknabberst, wirst du aus dem Esel heraustreten und sofort wieder in meinen Lucius zurückkehren. (4) Wenn ich doch nur am Abend wie gewohnt für uns einige Kränze besorgt hätte, so dass du eine solche Verzögerung auch nur für eine Nacht nicht erdulden müsstest. Doch gleich beim ersten Morgengrauen soll dir das Heilmittel schnellstens verschafft werden.« 26 (1) So jammerte sie. Ich aber, obwohl ein vollendeter Esel und statt des Lucius ein Lasttier, behielt dennoch meinen menschlichen Verstand. (2) Lange und ausführlich erwog ich also bei mir, ob ich jenes höchst nichtsnutzige und ruchlose Weib mehrfach mit den Hufen schlagen und mit Bissen attackieren und so töten sollte. (3) Doch von dem leichtsinnigen Beginnen rief mich die bessere Einsicht zurück, ich sollte nicht dadurch, dass ich Photis mit dem Tod bestrafte, mir die Hilfe dafür, dass ich wiederhergestellt würde, zunichtemachen. (4) Ich senkte also und schüttelte meinen Kopf, schluckte die momentane Schmach hinunter und ging, mich in mein sehr hartes Schicksal fügend, zu jenem Pferd, meinem sehr braven Reittier, in den Stall, wo ich noch einen anderen Esel, den meines bisherigen Gastgebers Milo, untergebracht fand. (5) Und ich nahm an, dass, wenn in den stummen Tieren ein stillschweigender und natürlicher Gemeinschaftssinn stecke, von der Wiedererkennung und einem gewissen Mitleid bewegt, jenes mein Pferd mir Gastfreundschaft, Kost und Logis gewähren würde. (6) Doch bei Jupiter und der unsichtbaren Gottheit der Fides! Jenes mein herrliches Reittier und der Esel steckten die Köpfe zusammen und waren sich zu meinem Verderben sofort einig. (7) Und da sie offensichtlich für ihr Futter fürchteten, legten sie, kaum sahen sie mich der Krippe näher kommen, schon die Ohren zurück und attackierten mich rasend mit gewalttätigen Hufen. (8) Und ich wurde so weit wie möglich von der Gerste weggetrieben, die ich am Abend

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infestis calcibus insecuntur. (8) et abigor quam procul ab hordeo, quod adposueram vesperi meis manibus illi gratissimo famulo. 27 (1) Sic adfectus atque in solitudinem relegatus angulo stabuli concesseram. dumque de insolentia collegarum meorum mecum cogito atque in alterum diem auxilio rosario Lucius denuo futurus equi perfidi vindictam meditor, (2) respicio pilae mediae, quae stabuli trabes sustinebat, in ipso fere meditullio Eponae deae simulacrum residens aediculae, quod accurate corollis roseis equidem recentibus fuerat ornatum. (3) denique adgnito salutari praesidio pronus spei, quantum extensis prioribus pedibus adniti poteram, insurgo valide et cervice prolixa nimiumque porrectis labiis, quanto maxime nisu poteram, corollas adpetebam. (4) quod me pessima scilicet sorte conantem servulus meus, cui semper equi cura mandata fuerat, repente conspiciens indignatus exurgit (5) et ‘quo usque tandem’ inquit ‘cantherium patiemur istum paulo ante cibariis iumentorum, nunc etiam simulacris deorum infestum? (6) quin iam ego istum sacrilegum debilem claudumque reddam.’ et statim telum aliquod quaeritans temere fascem lignorum positum offendit (7) rimatusque frondosum fustem cunctis vastiorem non prius miserum me tundere desiit quam sonitu vehementi et largo strepitu percussis ianuis, trepido etiam rumore viciniae conclamatis latronibus profugit territus. 28 (1) Nec mora, cum vi patefactis aedibus globus latronum invadit omnia et singula domus membra cingit armata factio et auxi-

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mit meinen eigenen Händen dem höchst dankbaren Diener hingelegt hatte. 27 (1) So behandelt und in die Einsamkeit verbannt, hatte ich mich in eine Ecke des Stalls zurückgezogen. Und während ich bei mir über die Unverschämtheit meiner Kollegen nachdachte und für den nächsten Tag, da ich dann mit der Hilfe von Rosen aufs Neue Lucius sein würde, eine Strafe für mein treuloses Pferd plante, (2) erblickte ich fast genau in der Mitte des mittleren Pfeilers, der die Dachbalken des Stalls trug, ein in einem kleinen Heiligtum thronendes Bild der Göttin Epona, das sorgfältig mit Rosenkränzen, sogar frischen, geschmückt worden war. (3) Als ich also das heilbringende Mittel erkannt hatte, erhob ich mich, besessen von Hoffnung, mit Kraft so weit, wie ich mit den ausgestreckten Vorderbeinen reichen konnte, und versuchte mit gerecktem Hals und sehr weit vorgestreckten Lippen mit aller Anstrengung, zu der ich imstande war, die Kränze zu erreichen. (4) Als ich das offensichtlich zu meinem schweren Unglück probierte, sah mich plötzlich mein Sklave, dem stets die Pflege des Pferds anvertraut gewesen war, erhob sich entrüstet (5) und sagte: »Wie lange noch werden wir diesen Packesel ertragen, der, kurz vorher eine Bedrohung für das Futter der Lasttiere, es jetzt sogar für Götterbilder ist? (6) Ja, gleich werde ich doch diesen Tempelschänder zum Krüppel und zum Lahmen machen!« Und sofort suchte er nach irgendeiner Waffe, stieß auf ein Holzbündel, das zufällig dalag, (7) durchstöberte es nach einem belaubten Knüppel, der größer war als alle, und hörte nicht eher auf, mich Armen zu schlagen, als mit heftigem Gepolter und großem Krach an die Tür gedonnert, auch unter angstvollem Lärmen der Nachbarschaft »Räuber« geschrien wurde und er in Panik die Flucht ergriff. 28 (1) Unverzüglich wurde das Gebäude mit Gewalt geöffnet, und eine Bande von Räubern drang überall ein, die einzelnen Teile des Hauses umstellte eine bewaffnete Truppe, und der Hilfe, die von hier und da herbeigeeilt kam, stellten sich die überallhin ren-

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liis hinc inde convolantibus obsistit discursus hostilis. (2) cuncti gladiis et facibus instructi noctem illuminant, coruscat in modum ortivi solis ignis et mucro. (3) tunc horreum quoddam satis validis claustris obseptum obseratumque, quod mediis aedibus constitutum gazis Milonis fuerat refertum, securibus validis adgressi diffindunt. (4) quo passim recluso totas opes vehunt raptimque constrictis sarcinis singuli partiuntur, (5) sed gestaminum modus numerum gerulorum excedit. tunc opulentiae nimiae nimio ad extremas incitas deducti nos duos asinos et equum meum productos e stabulo, (6) quantum potest, gravioribus sarcinis onerant et domo iam vacua minantes baculis exigunt unoque de sociis ad speculandum, qui de facinoris inquisitione nuntiaret, relicto nos crebra tundentes per avia montium ducunt concitos. 29 (1) Iamque rerum tantarum pondere et montis ardui vertice et prolixo satis itinere nihil a mortuo differebam. sed mihi sero quidem, serio tamen subvenit ad auxilium civile decurrere et interposito venerabili principis nomine tot aerumnis me liberare. (2) cum denique iam luce clarissima vicum quempiam frequentem et nundinis celebrem praeteriremus, inter ipsas turbelas Graecorum genuino sermone nomen augustum Caesaris invocare temptavi. (3) et ‘o’ quidem tantum disertum ac validum clamitavi, reliquum autem Caesaris nomen enuntiare non potui. (4) aspernati latrones clamo-

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nenden Feinde entgegen. (2) Alle erleuchteten, mit Schwertern und Fackeln ausgerüstet, die Nacht, es glitzerten wie die aufgehende Sonne Feuer und Schwert. (3) Dann machten sie sich an eine bestimmte, mit sehr starken Riegeln versperrte und verschlossene Vorratskammer, die, mitten im Gebäude gelegen, mit den Schätzen Milos vollgestopft war, und brachen sie mit starken Äxten auf. (4) Sobald sie sie überall geöffnet hatten, schafften sie sämtliche Schätze weg und verteilten diese, nachdem sie hastig Bündel geschnürt hatten, auf jeden Einzelnen, (5) aber das Ausmaß an Ladungen überstieg die Zahl der Träger. Da sie nun durch die Übergröße ihres übergroßen Reichtums in äußerste Verlegenheit gebracht waren, führten sie uns zwei Esel und mein Pferd aus dem Stall, beluden uns, (6) soweit es möglich war, mit den schwereren Bündeln, trieben uns aus dem schon leeren Haus, wobei sie uns mit Stöcken drohten, und nachdem sie einen von den Gefährten zum Kundschaften zurückgelassen hatten, der über die Untersuchung des Verbrechens berichten sollte, stachelten sie uns zur Eile an und führten uns, wobei sie uns mehrfach schlugen, durch unwegsames Gebiet in den Bergen. 29 (1) Schon unterschied ich mich infolge des Gewichts so großer Gegenstände, der Höhe des steilen Berges und des sehr langen Weges in nichts von einem Toten. Aber mir kam spät zwar, doch ernsthaft in den Sinn, zu der einem Bürger zugänglichen Hilfe Zuflucht zu nehmen und mich dadurch, dass ich an den ehrwürdigen Namen des Prinzeps appellierte, von so vielen Plagen zu befreien. (2) Als wir also schon bei sehr hellem Tageslicht an einem dicht bewohnten und am Markttag belebten Dorf vorbeizogen, versuchte ich mitten in der Menge in meiner griechischen Muttersprache den erhabenen Namen »Caesar« anzurufen. (3) Das »O« allein rief ich zwar mehrfach eloquent und laut, aber den Rest des Namens »Caesar« konnte ich nicht artikulieren. (4) Die Räuber verachteten mein misstönendes Geschrei, prügelten von hier und da mein armes

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rem absonum meum caedentes hinc inde miserum corium nec cribris iam idoneum relinquunt. Sed tandem mihi inopinatam salutem Iuppiter ille tribuit. (5) nam cum multas villulas et casas amplas praeteriremus, hortulum quendam prospexi satis amoenum, in quo praeter ceteras gratas 5 herbulas rosae virgines matutino rore florebant. (6) his inhians et spe salutis alacer ac laetus propius accessi, dumque iam labiis undantibus adfecto, consilium me subit longe salubrius, (7) ne, si rursum asino remoto prodirem in Lucium, evidens exitium inter manus latronum offenderem vel artis magicae suspectione vel indi- 10 cii futuri criminatione. (8) tunc igitur a rosis et quidem necessario temperavi et casum praesentem tolerans in asini faciem frena rodebam.

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Fell und ließen es so zurück, dass es nicht einmal für ein Sieb geeignet war. Doch endlich gewährte Jupiter mir eine unerwartete Chance zur Rettung. (5) Denn als wir an vielen kleinen Villen und großen Häusern vorbeizogen, erblickte ich ein sehr liebliches Gärtchen, worin außer anderen lieblichen Kräuterchen Jungfrauenrosen im morgendlichen Tau blühten. (6) Nach diesen gierte ich und trat in der Hoffnung auf Erlösung munter und vergnügt heran, und während ich sie schon mit feuchten Lippen zu fassen suchte, kam mir ein weit vernünftigerer Plan in den Sinn. (7) Ich würde ja, wenn ich nach Entfernung des Esels wieder in Lucius überginge, offensichtlich den Tod unter den Händen der Räuber finden, entweder aufgrund des Verdachts magischer Kunst oder aufgrund der Unterstellung einer künftigen Anzeige. (8) Da enthielt ich mich also der Rosen, freilich notwendigerweise, ertrug mein gegenwärtiges Unglück und kaute in der Gestalt eines Esels am Zaumzeug.

LIBER IV 1 (1) Diem ferme circa medium, cum iam flagrantia solis caleretur, in pago quodam apud notos ac familiares latronibus senes devertimus. (2) sic enim primus aditus et sermo prolixus et oscula mutua quamvis asino sentire praestabant. (3) nam et rebus eos quibusdam dorso meo depromptis munerabantur et secretis gannitibus, quod essent latrocinio partae, videbantur indicare. (4) iamque nos omni sarcina levatos in pratum proximum passim libero pastui tradidere. nec me cum asino vel equo meo conpascuus coetus attinere potuit adhuc insolitum alioquin prandere faenum, (5) sed plane pone stabulum prospectum hortulum iam fame perditus fidenter invado et quamvis crudis holeribus, adfatim tamen ventrem sagino, deosque comprecatus omnes cuncta prospectabam loca, sicubi forte conterminis in hortulis candens repperirem rosarium. (6) nam et ipsa solitudo iam mihi bonam fiduciam tribuebat, si devius et frutectis absconditus sumpto remedio de iumenti quadripedis incurvo gradu rursum erectus in hominem inspectante nullo resurgerem. 2 (1) Ergo igitur cum in isto cogitationis salo fluctuarem, aliquanto longius video frondosi nemoris convallem umbrosam, cuius inter varias herbulas et laetissima virecta fulgentium rosarum mineus color renidebat. (2) iamque apud mea non usquequaque ferina praecordia Veneris et Gratiarum lucum illum arbitrabar, cuius inter

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Buch 4 1 (1) Etwa um die Mitte des Tages, als es wegen der Sonnenglut schon heiß wurde, kehrten wir in einem Dorf bei alten, den Räubern bekannten und vertrauten Leuten ein. (2) So nämlich gaben es die erste Begegnung, das lange Gespräch und die gegenseitigen Küsse mir, obwohl ich ein Esel war, zu verstehen. (3) Denn sie beschenkten sie auch mit bestimmten Sachen, die sie von meinem Rücken herabnahmen, und in vertraulichem Geplauder schienen sie zu verraten, dass diese durch einen Raubzug erworben seien. (4) Und jetzt erleichterten sie uns von dem ganzen Gepäck und ließen uns auf die nächste Wiese, so dass wir frei überall grasen konnten. Doch gemeinsames Grasen mit dem Esel oder meinem eigenen Pferd konnte mich nicht für sich einnehmen, abgesehen davon, dass ich noch nicht gewohnt war, Gras zu Mittag zu essen, (5) aber ich sah deutlich hinter einem Stall ein Gärtchen, und schon vom Hunger ganz erledigt, drang ich entschlossen ein, und wenn es auch nur rohes Gemüse war, fütterte ich doch meinen Magen reichlich damit, betete dann zu allen Göttern und schaute herum in der ganzen Gegend, ob ich vielleicht in den benachbarten Gärtchen einen hell schimmernden Rosenbusch finden könne. (6) Denn auch und gerade die Einsamkeit gab mir große Zuversicht zu sehen, ob ich fern der Straße und von Gebüsch versteckt das Heilmittel einnehmen und mich von der gebeugten Gangart eines vierfüßigen Lasttiers wieder aufrichten und zum Menschen erheben könne, ohne dass jemand zusah. 2 (1) Als ich also auf diesem Meer der Überlegungen dahintrieb, sah ich etwas weiter entfernt einen Talkessel voller Schatten eines belaubten Wäldchens, unter dessen verschiedenartigen Kräutern und üppigem Buschwerk die rötliche Farbe glänzender Rosen leuchtete. (2) Und schon hielt ich in meinem noch nicht durch und durch tierischen Herzen für einen Hain der Venus und der Grazien jenen, in dessen schattigen Schlupfwinkeln der königliche Glanz der fröh-

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opaca secreta floris genialis regius nitor relucebat. (3) tunc invocato hilaro atque prospero Eventu cursu me concito proripio, ut hercule ipse sentirem non asinum me, verum etiam equum currulem nimio velocitatis effectum. (4) sed agilis atque praeclarus ille conatus fortunae meae scaevitatem anteire non potuit. (5) iam enim loco proximus non illas rosas teneras et amoenas, madidas divini roris et nectaris, quas rubi felices, beatae spinae generant, (6) ac ne convallem quidem usquam nisi tantum ripae fluvialis marginem densis arboribus septam video. (7) hae arbores in lauri faciem prolixe foliatae pariunt in modum floris odori porrectos caliculos modice punicantes, (8) quos equidem flagrantis minime rurestri vocabulo vulgus indoctum rosas laureas appellant quarumque cuncto pecori cibus letalis est. 3 (1) Talibus fatis implicitus etiam ipsam salutem recusans sponte illud venenum rosarium sumere gestiebam. (2) sed dum cunctanter accedo decerpere, iuvenis quidam, ut mihi videbatur hortulanus, cuius omnia prorsus holera vastaveram, (3) tanto damno cognito cum grandi baculo furens decurrit adreptumque me totum plagis obtundit adusque vitae ipsius periculum, nisi tandem sapienter alioquin ipse mihi tulissem auxilium. (4) nam lumbis elevatis in altum, pedum posteriorum calcibus iactatis in eum crebriter iam mulcato graviter atque iacente contra proclive montis attigui fuga me liberavi. (5) sed ilico mulier quaepiam, uxor eius scilicet, simul eum prostratum et semianimem ex edito despexit, ululabili cum plangore ad eum statim prosilit, ut sui videlicet miseratione mihi praesens crearet exitium. (6) cuncti enim pagani fletibus eius exciti

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lichen Blume erstrahlte. (3) Da rief ich den heiteren und wohlgesinnten Eventus an und stürzte in schnellem Lauf darauf zu, so dass ich, beim Herkules, mich selbst fühlte, als sei ich nicht mehr ein Esel, sondern durch das Übermaß an Geschwindigkeit sogar zum Rennpferd geworden. (4) Doch dieser mein flinker und herrlicher Versuch vermochte den verkehrten Sinn meines Schicksals nicht zu überwinden. (5) Als ich nämlich schon sehr nahe an dem Ort war, sah ich nicht jene zarten und lieblichen Rosen, die, feucht von göttlichem Tau und Nektar, wie sie sind, glückliche Sträucher, gesegnete Dornbüsche hervorbringen, (6) und nicht einmal irgendwo einen Talkessel, sondern nur den Rand eines Flussufers, der mit dichten Bäumen umgeben war. (7) Diese in der Art des Lorbeerbaums üppig belaubten Bäume bringen wie die duftende Blume ausgebreitete, mäßig rötliche Kelche hervor, (8) die – sie haben freilich keinen Geruch – das ungebildete Volk mit einem bäurischen Namen Lorbeerrosen nennt und deren Verzehr für alles Vieh tödlich ist. 3 (1) Da ich, in ein solches Schicksal verstrickt, mich sogar dem Leben verweigerte, begehrte ich freiwillig jenes Rosengift einzunehmen. (2) Doch während ich zögerlich zum Abpflücken nähertrat, kam ein junger Bursche, wie mir schien, der Gärtner, dessen ganzes Gemüse ich völlig ruiniert hatte, (3) als er den so großen Schaden erkannte, in Rage mit einem gewaltigen Stock angerannt, packte mich und malträtierte mich ganz und gar mit Schlägen, so dass sogar mein Leben in Gefahr gewesen wäre, wenn ich nicht, endlich doch noch schlau genug, mir selbst Hilfe gebracht hätte. (4) Denn ich hob mein Hinterteil in die Höhe, schlug mit den Hufen der Hinterbeine häufig nach ihm aus und befreite mich, als er nun schwer misshandelt war und am angrenzenden Berghang lag, durch die Flucht. (5) Doch sofort sprang eine Frau, zweifellos seine Ehefrau, sobald sie ihn von der Höhe aus niedergestreckt und halbtot erblickt hatte, mit heulendem Wehgeschrei auf der Stelle zu ihm, offensichtlich in der Absicht, durch Erregung von Mitleid mir ein augenblickliches Ende zu verschaffen. (6) Alle Dorfbewohner näm-

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statim conclamant canes, utque ad me laniandum rabie perciti ferrent impetum, passim cohortantur. (7) Tunc igitur procul dubio iam morti proximus, cum viderem canes et modo magnos et numero multos et ursis ac leonibus ad conpugnandum idoneos in me convocatos exasperari, (8) e re nata capto consilio fugam desino ac me retrorsus celeri gradu rursum in stabulum, quo deverteramus, recipio. (9) at illi canibus iam aegre cohibitis adreptum me loro quam valido ad ansulam quandam destinatum rursum caedendo confecissent profecto, (10) nisi dolore plagarum alvus artata crudisque illis holeribus abundans et lubrico fluxu saucia fimo fistulatim excusso quosdam extremi liquoris aspergine, alios putore nidoris faetidi a meis iam quassis scapulis abegisset. 4 (1) Nec mora, cum iam in meridiem prono iubare rursum nos ac praecipue me longe gravius onustum producunt illi latrones stabulo. (2) iamque confecta bona parte itineris et viae spatio defectus et sarcinae pondere depressus ictibusque fustium fatigatus atque etiam ungulis extritis iam claudus et titubans (3) rivulum quendam serpentis leniter aquae propter insistens subtilem occasionem feliciter nactus cogitabam totum memet flexis scite cruribus pronum abicere, (4) certus atque obstinatus nullis verberibus ad ingrediundum exsurgere, immo etiam paratus non fusti tantum, sed machaera percussus occumbere. (5) rebar enim iam me prorsus exanima-

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lich, aufgescheucht durch ihr Weinen, riefen auf der Stelle ihre Hunde zusammen und feuerten sie von allen Seiten dazu an, dass sie, von Wut angestachelt einen Angriff auf mich machten, um mich in Stücke zu reißen. (7) Als ich also da, ohne Zweifel schon dem Tod sehr nahe, die riesig großen und zahlreichen, zum Kampf gegen Bären und Löwen fähigen Hunde gegen mich zusammengerufen und aufgehetzt sah, (8) fasste ich einen der Situation entsprechenden Plan, beendete die Flucht und zog mich mit schnellen Schritten wieder in den Stall zurück, wo wir eingekehrt waren. (9) Aber die packten mich, nachdem sie die Hunde nun mit Mühe zurückgehalten hatten, banden mich mit einem sehr starken Riemen an einen Ring und hätten mich durch erneutes Prügeln gewiss endgültig fertig gemacht, (10) wenn nicht mein Bauch, der durch den Schmerz infolge der Schläge zusammengepresst war und, von jenem rohen Gemüse übervoll, an Durchfall litt, den Kot strahlenförmig herausgestoßen und einige durch Vollspritzen mit dieser üblen Flüssigkeit, andere durch die Fäulnis der stinkenden Ausdünstung von meinem bereits zerhauenen Rücken weggetrieben hätte. 4 (1) Unmittelbar danach, als die Sonne sich schon zum Tagesende neigte, führten jene Räuber uns und besonders mich weit schwerer beladen wieder aus dem Stall. (2) Und als schon ein guter Teil des Weges zurückgelegt und ich von der Länge der Reise erschöpft, von dem Gewicht des Gepäcks niedergedrückt und durch die Schläge mit dem Knüppel erledigt, auch infolge der abgescheuerten Hufe schon lahm war und stolperte, (3) blieb ich nahe einem kleinen Fluss mit sanft sich schlängelndem Wasser stehen, plante, weil ich glücklicherweise eine feine Gelegenheit gefunden hatte, meine Beine geschickt zu beugen und mich ganz kopfüber hinabzustürzen, (4) fest und hartnäckig entschlossen, trotz der Schläge nicht zum Weitergehen aufzustehen, ja sogar bereit, nicht nur durch die Keule, sondern auch durchbohrt von einem Messer zu sterben. (5) Ich meinte nämlich, ganz außer Atem und schwach, wie ich war,

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tum ac debilem mereri causariam missionem; certe latrones partim inpatientia morae, partim studio festinatae fugae dorsi mei sarcinam duobus ceteris iumentis distributuros meque in altioris vindictae vicem lupis et vulturiis praedam relicturos. 5 (1) Sed tam bellum consilium meum praevertit sors deterrima. namque ille alius asinus divinato et antecapto meo cogitatu statim scilicet mentita lassitudine cum rebus totis offunditur (2) iacensque in modum mortui non fustibus, non stimulis ac ne cauda et auribus cruribusque undique versum elevatis temptavit exsurgere, (3) quoad tandem postumae spei fatigati secumque conlocuti, ne tam diu mortuo, immo vero lapideo asino servientes fugam morarentur, (4) sarcinis eius mihi equoque distributis destricto gladio poplites eius totos amputant ac paululum a via retractum per altissimum praeceps in vallem proximam etiam nunc spirantem praecipitant. (5) tunc ego miseri commilitonis fortunam cogitans statui iam dolis abiectis et fraudibus asinum me bonae frugi dominis exhibere. (6) nam et secum eos animadverteram conloquentes, quod in proximo nobis esset habenda mansio et totius viae finis quieta eorumque esset sedes illa et habitatio. (7) clementi denique transmisso clivulo pervenimus ad locum destinatum, ubi rebus totis exsolutis atque intus conditis iam pondere liberatus lassitudinem vice lavacri pulvereis volutatibus digerebam. 6 (1) Res ac tempus ipsum locorum speluncaeque illius, quam latrones inhabitabant, descriptionem exponere flagitat. (2) nam et

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ich würde eine Entlassung aus Gesundheitsgründen verdienen; sicherlich würden die Räuber teils aus Ungeduld wegen der Verzögerung, teils in ihrem Drang nach einer eiligen Flucht die Bürde meines Rückens auf die beiden anderen Lasttiere verteilen und mich zu schwererer Bestrafung den Wölfen und Geiern als Beute zurücklassen. 5 (1) Doch meinen so schönen Plan vereitelte ein sehr böses Schicksal. Denn jener andere Esel ahnte und antizipierte mein Vorhaben, ließ sich auf der Stelle in (natürlich geheuchelter) Erschöpfung mit allen Sachen zu Boden fallen, (2) und während er wie ein Toter dalag, versuchte er trotz der Knüppel, trotz der Stachel, auch nicht einmal dann, als er an Schwanz, Ohren und Beinen von allen Seiten her hochgezogen wurde, sich zu erheben, (3) bis sie endlich, müde von der über den Tod hinausgehenden Hoffnung, sich absprachen und, um nicht so lange dadurch, dass sie für einen toten, ja sogar versteinerten Esel sorgten, die Flucht zu verzögern, (4) sein Gepäck auf mich und das Pferd verteilten, mit gezücktem Schwert alle seine Kniegelenke wegschnitten, ihn ein wenig von der Straße wegzogen und, während er auch jetzt noch atmete, über eine sehr tief hinab reichende Felswand in das nächste Tal stürzten. (5) Da bedachte ich das Schicksal meines armen Kameraden und beschloss, Listen und Betrügereien nunmehr sein zu lassen und mich meinen Herren als ein braver Esel zu präsentieren. (6) Denn ich hatte auch bemerkt, dass sie zueinander sagten, wir müssten in nächster Nähe Halt machen und das sei das ruhige Ende der ganzen Reise, dort ihre Siedlung und ihr Wohnhaus. (7) Als wir also einen freundlichen kleinen Hügel überschritten hatten, kamen wir zu dem Bestimmungsort, wo ich, als alle Sachen losgebunden und innen verstaut waren, jetzt von dem Gewicht befreit, meine Müdigkeit durch Rollen im Staub anstelle eines Bades auszutreiben versuchte. 6 (1) Die Sache und der Zeitpunkt selbst verlangen, dass ich eine Beschreibung der Örtlichkeit und der Höhle gebe, welche die Räuber bewohnten. (2) Denn ich will zugleich sowohl mein Talent

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meum simul periclitabor ingenium et faxo vos quoque, an mente etiam sensuque fuerim asinus, sedulo sentiatis. Mons horridus silvestribusque frondibus umbrosus et in primis altus fuit. (3) huius perobliqua devexa, qua saxis asperrimis et ob id inaccessis cingitur, convalles lacunosae cavaeque nimium spinetis aggeratae et quaqua versus repositae naturalem tutelam praebentes ambiebant. (4) de summo vertice fons affluens bullis ingentibus scaturribat perque prona delapsus evomebat undas argenteas iamque rivulis pluribus dispersus ac valles illas agminibus stagnantibus inrigans in modum stipati maris vel ignavi fluminis cuncta cohibebat. (5) insurgit speluncae, qua margines montanae desinunt, turris ardua, ac aula firma solidis cratibus, ovili stabulatione commoda, porrectis undique lateribus. ante fores exigui tramites vice structi parietis attenduntur. (6) ea tu bono, certe meo periculo latronum dixeris atria. nec iuxta quicquam quam parva casula cannulis temere contecta, quo speculatores e numero latronum, ut postea comperi, sorte ducti noctibus excubabant. 7 (1) Ibi cum singuli derepsissent stipatis artubus, nobis ante ipsas fores loro valido destinatis anum quandam curvatam gravi senio, cui soli salus atque tutela tot numero iuvenum commissa videbatur, sic infesti compellant: (2) ‘etiamne tu, busti cadaver extremum et vitae dedecus primum et Orci fastidium solum, sic nobis otiosa domi residens lusitabis nec nostris tam magnis tamque peri-

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auf die Probe stellen als auch bewirken, dass ihr gleichfalls deutlich spürt, ob ich auch an Verstand und Empfindung ein Esel war. Da war ein wilder, von Laubwald beschatteter und außerordentlich hoher Berg. (3) An seinen steilen Abhängen, wo er von schroffen und daher unzugänglichen Felsen umschlossen war, zogen sich Talkessel herum, die voller Wasserlöcher, tief und von sehr vielen Dornbüschen bedeckt waren, sich in alle Richtungen weit erstreckten und einen natürlichen Schutz gewährten. (4) Ganz oben vom Gipfel floss eine Quelle herab, die mit riesigen Blasen sprudelte, über die Abhänge herabgleitend silberne Wellen herausspie, sich dann in zahlreiche Bächlein zerstreute, jene Täler durch eine sich stauende Überflutung bewässerte und alles in der Art eines aufgeschwollenen Meers oder eines träge strömenden Flusses umschloss. (5) Es erhob sich über der Höhle, wo die Ränder des Berges aufhörten, ein hoher Turm und ein Hof, durch dichtes Flechtwerk gesichert, für die Stallung von Schafen geeignet, mit in alle Richtungen sich erstreckenden Flanken. Vor dem Tor zogen sich wie die aufgerichtete Wand schmale Pfade hin. (6) Das hättest du gut und gerne, gewiss, auf meine Verantwortung, das Atrium der Räuber nennen können. Daneben stand nichts als eine kleine Hütte, nur grob mit Schilfrohr bedeckt, worin, wie ich später erfuhr, die aus der Zahl der Räuber durch Los bestimmten Posten in den Nächten Wache hielten. 7 (1) Als sie dort einer nach dem anderen mit zusammengepressten Gliedern hinabgekrochen waren, nachdem sie uns direkt vor dem Eingang mit einem starken Riemen festgebunden hatten, fuhren sie eine von hohem Alter gekrümmte alte Frau, der anscheinend allein das Wohl und die Fürsorge für so zahlreiche junge Männer anvertraut war, feindselig wie folgt an: (2) »Willst du weiterhin, du letzter Leichnam des Scheiterhaufens, du Schande Nummer 1 für das Leben und das einzige Brechmittel für den Orcus, uns faul daheim sitzen und herumspielen, aber nicht für unsere so großen und so gefährlichen Arbeiten eine Entschädigung durch eine so

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culosis laboribus solacium de tam sera refectione tribues? (3) quae diebus ac noctibus nil quicquam rei quam merum saevienti ventri tuo soles aviditer ingurgitare.’ (4) Tremens ad haec et stridenti vocula pavida sic anus: ‘at vobis, fortissimi fidelissimique mei hospitatores iuvenes, adfatim cuncta suavi sapore percocta pulmenta praesto sunt, panis numerosus, vinum probe calicibus ecfricatis affluenter immissum et ex more calida tumultuario lavacro vestro praeparata.’ (5) In fine sermonis huius statim sese devestiunt nudatique et flammae largissimae vapore recreati calidaque perfusi et oleo peruncti mensas dapibus largiter instructas accumbunt. 8 (1) Commodum cubuerant et ecce quidam longe plures numero iuvenes adveniunt alii, quos incunctanter adaeque latrones arbitrarere. (2) nam et ipsi praedas aureorum argentariorumque nummorum ac vasculorum vestisque sericae et intextae filis aureis invehebant. (3) hi simili lavacro refoti inter toros sociorum sese reponunt. tunc sorte ducti ministerium faciunt. (4) estur ac potatur incondite pulmentis acervatim, panibus aggeratim, poculis agminatim ingestis. (5) clamore ludunt, strepitu cantilant, conviciis iocantur ac iam cetera semiferis Lapithis [tebcinibus Centauris] que similia. (6) Tunc inter eos unus, qui robore ceteros antistabat ‘nos quidem’ inquit ‘Milonis Hypatini domum fortiter expugnavimus. praeter tantam fortunae copiam, quam nostra virtute nacti sumus, et incolumi numero castra nostra petivimus et, si quid ad rem facit, octo pedibus auctiores remeavimus. (7) at vos, qui Boeotias urbes adpetistis, ipso duce vestro fortissimo Lamacho deminuti debilem

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späte Erfrischung gewähren? (3) Du, die du Tag und Nacht nichts weiter tust, als puren Wein in deinen tobenden Bauch hinabzugießen!« (4) Zitternd und mit schrillem Stimmchen darauf die ängstliche alte Frau wie folgt: »Aber für euch, meine höchst tapferen und getreuen jungen Gäste, steht zur Genüge alles bereit, mit süßem Geschmack gekochtes Fleisch, jede Menge Brot, Wein, in gut ausgeriebene Becher reichlich eingegossen, und wie üblich ist warmes Wasser für euer schnelles Bad vorbereitet.« (5) Am Ende dieser Rede zogen sie sich sofort aus, erholten sich, als sie nackt waren, im Dampf eines gewaltigen Feuers, übergossen sich mit warmem Wasser, salbten sich gründlich mit Öl und legten sich an die Tische, die in reichem Maße mit Speisen ausgestattet waren. 8 (1) Gerade hatten sie sich hingelegt, als, sieh da, weit mehr andere junge Männer ankamen, die du ohne Zögern gleichfalls für Räuber gehalten hättest. (2) Denn auch sie selbst brachten als Beute goldene und silberne Münzen und Gefäße sowie seidene und mit Goldfäden durchwirkte Gewänder. (3) Als sie durch das gleiche Bad erfrischt waren, lagerten sie sich zwischen den Speisesofas der Gefährten. Dann machten die durchs Los Bestimmten die Bedienung. (4) Man aß und trank ohne Manieren, verleibte sich das Fleisch haufenweise ein, die Brote bergeweise, die Becher reihenweise. (5) Sie scherzten mit Geschrei, sangen mit Gebrüll, hatten Spaß an Streitereien, und schon war das Übrige wie bei den Halbtieren und Lapithen. (6) Da sagte einer unter ihnen, der die Übrigen an Stärke überragte: »Wir jedenfalls haben das Haus Milos von Hypata tapfer erobert. Sieht man ab von der so großen Menge an Schätzen, die wir durch unseren Mannesmut erwarben, haben wir, ohne dass unsere Zahl vermindert ist, unser Lager erreicht, und sind, wenn das etwas bedeutet, um acht Füße vermehrt zurückgekehrt. (7) Doch ihr, die ihr euch in böotische Städte begabt, brachtet, um euren höchst

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numerum reduxistis, cuius salutem merito sarcinis istis, quas advexistis, omnibus antetulerim. (8) sed illum quidem utcumque nimia virtus sua peremit; inter inclitos reges ac duces proeliorum tanti viri memoria celebrabitur. (9) enim vos bonae frugi latrones inter furta parva atque servilia timidule per balneas et aniles cellulas reptantes scrutariam facitis.’ 9 (1) Suscipit unus ex illo posteriore numero: ‘tune solus ignoras longe faciliores ad expugnandum domus esse maiores? (2) quippe quod, licet numerosa familia latis deversetur aedibus, tamen quisque magis suae saluti quam domini consulat opibus. (3) frugi autem et solitarii homines fortunam parvam vel certe satis amplam dissimulanter obtectam protegunt acrius et sanguinis sui periculo muniunt. res ipsa denique fidem sermoni meo dabit. (4) Vix enim Thebas heptapylos accessimus, quod est huic disciplinae primarium studium, [sed dum] sedulo fortunas inquirebamus popularium. (5) nec nos denique latuit Chryseros quidam nummularius copiosae pecuniae dominus, qui metu officiorum ac munerum publicorum magnis artibus magnam dissimulabat opulentiam. (6) denique solus ac solitarius parva, sed satis munita domuncula contentus, pannosus alioquin ac sordidus, aureos folles incubabat. (7) ergo placuit, ad hunc primum ferremus aditum, ut contempta pugna manus unicae nullo negotio cunctis opibus otiose potiremur.

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tapferen Anführer Lamachus reduziert, eine verminderte Zahl zurück, um ihn, dessen Rettung ich mit Recht all dem Gepäck, das ihr hertransportiert habt, vorzöge. (8) Aber ihn brachte jedenfalls wie auch immer sein übergroßer Mannesmut ums Leben, unter berühmten Königen und Heerführern in Schlachten wird die Erinnerung an einen so bedeutenden Mann gefeiert werden. (9) Doch ihr prächtigen Räuber kriecht bei kleinen und Sklaven angemessenen Diebstählen ängstlich durch Bäder und Zimmer alter Frauen und macht Geschäfte mit Trödelware.« 9 (1) Das Wort nahm da einer aus jener später eingetroffenen Schar: »Weißt du als einziger nicht, dass die größeren Häuser bei Weitem leichter zu erobern sind? (2) Denn mag sich auch eine große Zahl an Sklaven in einem großen Haus aufhalten, kümmert sich doch jeder mehr um die eigene Rettung als um die Schätze des Herrn. (3) Einfache und allein lebende Menschen aber beschützen ihr kleines oder sogar sehr umfangreiches Vermögen, das sie, als ob sie keines hätten, versteckt halten, eifriger und sichern es mit Gefahr für ihr Leben. Die Fakten selbst werden in der Tat meiner Rede Glaubwürdigkeit verleihen. (4) Kaum waren wir nämlich im siebentorigen Theben angekommen, stellten wir eifrig, was das erste in unserem Beruf ist, das uns interessiert, eine Untersuchung über die Vermögenslage der Bevölkerung an. (5) Nicht verborgen blieb uns schließlich ein gewisser Chryseros, Geldwechsler und Besitzer einer großen Menge Geld, der aus Furcht vor Verpflichtungen und öffentlichen Schenkungen mit großem Geschick so tat, als ob er keinen großen Reichtum besitze. (6) So schlief er denn, einsam und einzeln wohnend, mit einem kleinen, aber gut gesicherten Häuschen zufrieden, ansonsten zerlumpt und dreckig, auf seinen Goldsäcken. (7) Also beschlossen wir, uns bei ihm als erstem Eingang zu verschaffen, um uns, da wir den Kampf mit einer einzigen Hand für gering achteten, ohne Mühe aller seiner Schätze zu bemächtigen.

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10 (1) Nec mora, cum noctis initio foribus eius praestolamur, quas neque sublevare neque dimovere ac ne perfringere quidem nobis videbatur, ne valvarum sonus cunctam viciniam nostro suscitaret exitio. (2) tunc itaque sublimis ille vexillarius noster Lamachus spectatae virtutis suae fiducia, qua clavis immittendae foramen patebat, sensim immissa manu claustrum evellere gestiebat. (3) sed dudum scilicet omnium bipedum nequissimus Chryseros vigilans et singula rerum sentiens lenem gradum et obnixum silentium tolerans paulatim adrepit grandique clavo manum ducis nostri repente nisu fortissimo ad ostii tabulam offigit (4) et exitiabili nexu patibulum relinquens gurgustioli sui tectum ascendit atque inde contentissima voce clamitans rogansque vicinos et unum quemque proprio nomine ciens et salutis communis admonens diffamat incendio repentino domum suam possideri. sic unus quisque proximi periculi confinio territus suppetiatum decurrunt anxii. 11 (1) Tunc nos in ancipiti periculo constituti vel opprimendi nostri vel deserendi socii remedium e re nata validum eo volente comminiscimus. (2) antesignani nostri partem, qua manus umerum subit, ictu per articulum medium temperato prorsus abscidimus atque ibi bracchio relicto, multis laciniis offulto vulnere, ne stillae sanguinis vestigium proderent, ceterum Lamachum raptim reportamus. (3) ac dum trepidi religionis urguemur gravi tumultu et instantis periculi metu terremur ad fugam (4) nec vel sequi propere

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10 (1) Unverzüglich standen wir bei Anbruch der Nacht bereit an seiner Tür, die weder hochzuheben noch auseinanderzuschieben und schon gar nicht aufzubrechen uns gut schien, damit nicht das Krachen der Türflügel die ganze Nachbarschaft zu unserem Verderben aufschreckte. (2) Da steckte also jener unser hervorragender Fahnenträger Lamachus im Vertrauen auf seinen bewährten Mannesmut dort, wo das Loch für das Hineinstecken des Schlüssels offen stand, sachte seine Hand hinein und bemühte sich heftig, das Schloss herauszureißen. (3) Aber längst stand natürlich der Verruchteste aller Zweibeiner, Chryseros, bereit und nahm alles im Einzelnen wahr, und so schlich er sich, wobei er auf leisen Schritt und beharrliches Schweigen achtete, allmählich heran, heftete plötzlich mit einem gewaltigen Nagel die Hand unseres Anführers mit sehr kräftigem Schwung an das Türbrett, (4) ließ ihn mit seiner tödlichen Ankettung als Türriegel zurück und bestieg das Dach seines Häuschens, und indem er von dort mit angestrengtester Stimme schrie, seine Nachbarn herbei bat, jeden einzelnen mit dessen eigenem Namen aufrief und an das Gemeinwohl erinnerte, streute er das Gerücht aus, sein Haus sei von einem plötzlichen Brand erfasst worden. So rannte ein jeder, durch die Nähe der unmittelbar drohenden Gefahr in Panik versetzt, ängstlich herbei, um zu helfen. 11 (1) Da waren wir in das gefährliche Dilemma versetzt, entweder unsererseits überwältigt zu werden oder einen Kameraden im Stich zu lassen, und wir erdachten entsprechend der Situation ein starkes Mittel mit seiner Einwilligung. (2) Den Teil unseres Vorkämpfers, wo der Unterarm in den Oberarm übergeht, hauten wir mit einem mitten durch das Gelenk geführten Hieb ganz und gar ab, ließen den Arm dort zurück, verstopften die Wunde mit vielen Stofffetzen, damit nicht Blutstropfen unsere Spur verrieten, und schleppten den noch übrigen Lamachus hastig weg. (3) Und während wir, ängstlich auf Erfüllung unserer Kameradschaftspflicht bedacht, durch tiefe Unruhe in Bedrängnis gerieten und von der Furcht vor der drohenden Gefahr zur Flucht aufgescheucht wur-

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vel remanere tuto potest vir sublimis animi virtutisque praecipuus, multis nos adfatibus multisque precibus querens adhortatur per dexteram Martis, per fidem sacramenti, bonum commilitonem cruciatu simul et captivitate liberaremus. (5) cur enim manui, quae rapere et iugulare sola posset, fortem latronem supervivere? sat se beatum, qui manu socia volens occumberet. (6) cumque nulli nostrum spontale parricidium suadens persuadere posset, manu reliqua sumptum gladium suum diuque deosculatum per medium pectus ictu fortissimo transadigit. (7) tunc nos magnanimi ducis vigore venerato corpus reliquum veste lintea diligenter convolutum mari celandum commisimus. et nunc iacet noster Lamachus elemento toto sepultus. 12 (1) Et ille quidem dignum virtutibus suis vitae terminum posuit. enimvero Alcimus sollertibus coeptis [eum] saevum Fortunae nutum non potuit abducere. (2) qui cum dormientis anus perfracto tuguriolo conscendisset cubiculum superius iamque protinus oblisis faucibus interstinguere eam debuisset, prius maluit rerum singula per latiorem fenestram forinsecus nobis scilicet rapienda dispergere. (3) cumque iam cuncta rerum naviter emolitus nec toro quidem aniculae quiescentis parcere vellet eaque lectulo suo devoluta vestem stragulam subductam scilicet iactare similiter destinaret, genibus eius profusa sic nequissima illa deprecatur: (4) “quid, oro,

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den (4) und uns weder eilends folgen noch in Sicherheit zurückbleiben konnte der hochherzige und durch Mannesmut hervorragende Mann, forderte er uns, mit vielen Worten und vielen Bitten klagend, bei der Rechten des Mars und bei dem heiligen Bund unserer Freundschaft dazu auf, einen guten Kameraden von der Qual und der Gefangenschaft zugleich zu befreien. (5) Warum nämlich solle seine Hand, die allein rauben und Kehlen durchschneiden könne, ein tapferer Räuber überleben? Er sei sehr glücklich, dass er durch die Hand eines Kameraden nach eigenem Willen sterben könne. (6) Und weil er trotz Zuredens keinen von uns zur frei gewählten Ermordung eines Nahestehenden überreden konnte, nahm er mit der ihm gebliebenen Hand sein Schwert, küsste es lange über und über und bohrte es sich mit einem sehr starken Stoß mitten durch die Brust. (7) Da bezeugten wir der Stärke unseres hochgemuten Anführers unsere Verehrung, wickelten das von seinem Körper übrig Gebliebene sorgfältig in ein Leinentuch und vertrauten es dem Meer zur Bergung an. Und nun ruht unser Lamachus, von einem ganzen Element begraben. 12 (1) Und er wenigstens hat seinem Leben ein seiner mannhaften Fähigkeiten würdiges Ende gesetzt. Alcimus dagegen konnte Fortunas grimmige Willkür von seinem schlauen Unternehmen nicht abwenden. (2) Als er in die Hütte einer schlafenden alten Frau eingebrochen sowie zu dem oberen Schlafzimmer hinaufgestiegen war und ihr nun sofort durch Zudrücken der Kehle das Lebenslicht hätte auslöschen sollen, wollte er lieber erst ihre Sachen einzeln durch ein breiteres Fenster nach draußen werfen, natürlich damit wir sie rasch ergriffen. (3) Und als er schon alle Sachen eifrig hinausgewuchtet hatte, aber nicht einmal das Lager der darauf ruhenden alten Frau schonen wollte, sie aus ihrem Bett gewälzt hatte und beabsichtigte, das natürlich unter ihr hervorgezogene Betttuch gleichfalls hinauszuschleudern, warf sich die Ruchlose ihm vor die Knie und flehte: (4) ›Warum bitte, mein Sohn, schenkst du diese ärm-

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fili, paupertinas pannosasque resculas miserrimae anus donas vicinis divitibus, quorum haec fenestra domum prospicit?” (5) Quo sermone callido deceptus astu et vera quae dicta sunt credens Alcimus, verens scilicet, ne et ea, quae prius miserat quaeque postea missurus foret, non sociis suis, sed in alienos lares iam certus erroris abiceret, (6) suspendit se fenestra sagaciter perspecturus omnia, praesertim domus attiguae, quam dixerat illa, fortunas arbitraturus. (7) quod eum strenue quidem, set satis inprovide conantem senile illud facinus quamquam invalido, repentino tamen et inopinato pulsu nutantem ac pendulum et in prospectu alioquin attonitum praeceps inegit. (8) qui praeter altitudinem nimiam super quendam etiam vastissimum lapidem propter iacentem decidens perfracta diffissaque crate costarum rivos sanguinis vomens imitus narratisque nobis, quae gesta sunt, non diu cruciatus vitam evasit. (9) quem prioris exemplo sepulturae traditum bonum secutorem Lamacho dedimus. 13 (1) Tunc orbitatis duplici plaga petiti iamque Thebanis conatibus abnuentes Plataeas proximan conscendimus civitatem. (2) ibi famam celebrem super quodam Demochare munus edituro gladiatorium deprehendimus. nam vir et genere primarius et opibus plurimus et liberalitate praecipuus digno fortunae suae splendore publicas voluptates instruebat. (3) quis tantus ingenii, quis facundiae, qui singulas species apparatus multiiugi verbis idoneis posset explicare? (4) gladiatores isti famosae manus, venatores illi probatae pernici-

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lichen und lumpigen Sächelchen einer armen alten Frau ihren reichen Nachbarn, auf deren Haus dieses Fenster blickt?‹ (5) Nach diesen Worten hatte Alkimus, durch die schlaue List getäuscht und im Glauben, das Gesagte sei wahr, natürlich Angst, dass er das, was er vorher hinausgeworfen hatte, und das, was er danach hinauswerfen würde, nicht zu seinen Kameraden, sondern in einen fremden Hof – dabei war er bereits von seinem Irrtum überzeugt – werfen würde, (6) und lehnte sich aus dem Fenster, um alles scharf zu erspähen, besonders die Reichtümer des benachbarten Hauses, von denen sie gesprochen hatte, in Augenschein zu nehmen. (7) Als er das zwar eifrig, aber sehr unvorsichtig versuchte, schubste dieses alte Gräuel mit einem obschon schwachen, doch plötzlichen und unerwarteten Stoß ihn, der schwankte und überhing und überdies ins Ausschauhalten vertieft war, kopfüber hinab. (8) Sieht man von der enormen Höhe ab, fiel er auch auf einen riesengroßen Stein, der in der Nähe lag, brach und zerquetschte sich den Brustkorb, spuckte Ströme von Blut von tief innen heraus, und nachdem er uns erzählt hatte, was geschehen war, entfloh er, ohne dass er lange gequält worden war, dem Leben. (9) Wir ließen ihm eine Bestattung nach dem Beispiel des Vorgängers zuteil werden und gaben ihn dem Lamachus als einen guten Gefolgsmann. 13 (1) Darauf entsagten wir, von dem Schlag eines doppelten Verlustes heimgesucht, nunmehr unseren thebanischen Unternehmungen und stiegen nach Platäa auf, unserer nächsten Stadt. (2) Dort stießen wir auf Gerede in aller Munde über einen Demochares, der Gladiatorenspiele veranstalten werde. Denn der von Geburt erstrangige, an Schätzen reiche und durch Freigebigkeit herausragende Mann pflegte mit einem seines Vermögens würdigen Glanz unterhaltsame Veranstaltungen für das Volk auszurichten. (3) Wer wäre so großartig in seiner Begabung, wer in seiner Beredsamkeit, dass er die einzelnen Arten der vielfältigen Vorbereitungen in passenden Worten entfalten könnte? (4) Hier Gladiatoren mit berühmter Stärke, dort Jäger mit bewährter Schnelligkeit, anderswo Delinquenten,

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tatis, alibi noxii perdita securitate suis epulis bestiarum saginas instruentes. (5) confixilis machinae sublicae, turres tabularum nexibus ad instar circumforaneae domus, floridae picturae decora futurae venationis receptacula. (6) qui praeterea numerus, quae facies ferarum! nam praecipuo studio forensis etiam advexerat generosa illa damnatorum capitum funera. (7) sed praeter ceteram speciosi muneris supellectilem totis utcumque patrimonii viribus immanis ursae comparabat numerum copiosum. (8) nam praeter domesticis venationibus captas, praeter largis emptionibus partas amicorum etiam donationibus variis certatim oblatas tutela sumptuosa sollicite nutriebat. 14 (1) Nec ille tam clarus tamque splendidus publicae voluptatis apparatus Invidiae noxios effugit oculos. (2) nam diutina captivitate fatigatae simul et aestiva flagrantia maceratae, pigra etiam sessione languidae, repentina correptae pestilentia paene ad nullum redivere numerum. (3) passim per plateas plurimas cerneres iacere semivivorum corporum ferina naufragia. tunc vulgus ignobile, quos inculta pauperies sine delectu ciborum tenuato ventri cogit sordentia supplementa et dapes gratuitas conquirere, passim iacentes epulas accurrunt. (4) tunc e re nata suptile consilium ego et iste babulus tale comminiscimur. (5) unam, quae ceteris sarcina corporis praevalebat, quasi cibo parandam portamus ad nostrum receptaculum (6) eiusque probe nudatum carnibus corium servatis sollerter totis unguibus, ipso etiam bestiae capite adusque confinium cervicis solido

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die in zynischer Sorglosigkeit die Fütterung wilder Tiere durch sich selbst als Speise vorbereiteten. (5) Stützen für das zusammengesetzte Gerüst waren da, Türme, durch die Zusammenfügung ihrer Bretter einem herumfahrbaren Haus ähnlich, Blumengemälde – ein schmucker Standort für die bevorstehende Jagd. (6) Außerdem welch hohe Anzahl, wie viele Arten von Tieren! Denn aus besonderem Interesse hatte er ausländische importieren lassen, jene edlen Särge für die zum Tode Verurteilten. (7) Doch außer dem übrigen Material für die prachtvolle Show versuchte er mit absolut allen Mitteln seines Vermögens eine reiche Anzahl gewaltiger Bärinnen herbeizuschaffen. (8) Denn außer denen, die bei eigenen Jagden gefangen, außer denen, die durch einen teuren Kauf erstanden worden waren, ließ er auch solche, die ihm durch verschiedenartige Schenkungen von Freunden um die Wette dargeboten worden waren, mit aufwendiger Pflege sorgfältig nähren. 14 (1) Doch jene so herrliche und so glanzvolle Vorbereitung der unterhaltsamen Veranstaltung für das Volk entging nicht den verderblichen Augen der Invidia. (2) Denn matt von ihrer langen Gefangenschaft und zugleich durch die sommerliche Hitzeglut entkräftet, auch schlaff durch das untätige Herumsitzen, wurden sie durch eine plötzliche Seuche ergriffen und schwanden fast bis auf Null dahin. (3) Überall auf zahlreichen Straßen hättest du die tierischen Wracks halbtoter Körper liegen sehen können. Da stürzte sich das einfache Volk, das schmutzige Armut zwingt, für den abgezehrten Bauch ohne Auswahl der Verpflegung unsaubere ExtraKost und kostenloses Essen zu suchen, auf die überall herumliegenden Speisen. (4) Dann denken ich und dieser Dummkopf da uns der Situation entsprechend folgenden feinsinnigen Plan aus: (5) Eine Bestie, welche die übrigen durch ihr Körpergewicht übertraf, trugen wir so zu unserem Schlupfwinkel, als ob wir sie als Speise zubereiten wollten, (6) befreiten ihren Pelz gründlich von dem Fleisch, erhielten geschickt alle Tatzen, ließen auch selbst ihren Kopf bis zur Nackengrenze heil, machten die ganze Rückenhaut durch emsiges

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relicto tergus omne rasura studiosa tenuamus et minuto cinere perspersum soli siccandum tradimus. (7) ac dum caelestis vaporis flammis examurgatur, nos interdum pulpis eius valenter saginantes sic instanti militiae disponimus sacramentum, (8) ut unus e numero nostro, non qui corporis adeo, sed animi robore ceteris antistaret, atque is in primis voluntarius, pelle illa contectus ursae subiret effigiem domumque Democharis inlatus per opportuna noctis silentia nobis ianuae faciles praestaret aditus. 15 (1) Nec paucos fortissimi collegii sollers species ad munus obeundum adrexerat. quorum prae ceteris Thrasyleon factionis optione delectus ancipitis machinae subivit aleam, iamque habili corio et mollitie tractabili vultu sereno sese recondit. (2) tunc tenui sarcimine summas oras eius adaequamus et iuncturae rimam, licet gracilem, setae circumfluentis densitate saepimus. (3) ad ipsum confinium gulae, qua cervix bestiae fuerat exsecta, Thrasyleonis caput subire cogimus, parvisque [respiratui] circa nares et oculos datis foraminibus fortissimum socium nostrum prorsus bestiam factum immittimus caveae modico praestinatae pretio, quam constanti vigore festinus inrepsit ipse. (4) Ad hunc modum prioribus inchoatis sic ad reliqua fallaciae pergimus. 16 (1) Sciscitati nomen cuiusdam Nicanoris, qui genere Thracio proditus ius amicitiae summum cum illo Demochare colebat, litteras adfingimus, ut venationis suae primitias bonus amicus videretur

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Schaben dünn, bestreuten sie mit feiner Asche und überließen sie der Sonne zum Trocknen. (7) Und während sie durch die Flammen der himmlischen Hitze ausgetrocknet wurde, stopften wir uns kräftig mit ihrem Fleisch voll und verteilten die Pflichten für den bevorstehenden Einsatz, (8) und zwar dass einer aus unserer Zahl, nicht so sehr, wer durch Kraft des Körpers, sondern durch die des Geistes die übrigen überrage – und der müsse vor allem ein Freiwilliger sein –, mit jener Haut bedeckt das Aussehen einer Bärin annehmen und, in das Haus des Demochares gebracht, in günstiger Stille der Nacht uns leichten Zugang durch die Tür verschaffen solle. 15 (1) Nicht wenige unserer höchst tapferen Bande hatte die schlaue Verkleidung dazu angeregt, die Aufgabe zu übernehmen. Vor den übrigen von ihnen wurde Thrasyleon auf Wunsch der Truppe ausgewählt, er unterzog sich dem Vabanquespiel dieser gefährlichen List, und schon verbarg er sich in dem gut passenden und wegen seiner Weichheit schmiegsamen Fell mit heiterer Miene. (2) Dann passten wir mit einer feinen Naht dessen äußerte Ränder aneinander und tarnten die Ritze der Fuge, so fein sie auch war, mit der Dichte der Zotteln, die herumflossen. (3) Direkt an das Ende des Rachens, wo der Nacken der Bestie herausgeschnitten worden war, zwangen wir Thrasyleon seinen Kopf zu stecken, nachdem wir ihn mit kleinen Löchern um Nase und Augen versorgt hatten, und steckten unseren sehr tapferen Kameraden, der ganz und gar zur Bestie geworden war, in einen für einen geringen Preis gekauften Käfig, in den er von selbst mit standhaftem Mut eilends hineinkroch. (4) Nachdem auf diese Weise die Vorbereitungen begonnen worden waren, schritten wir folgendermaßen zum Rest des Betruges. 16 (1) Nachdem wir den Namen eines gewissen Nikanor herausgefunden hatten, der aus einer thrakischen Familie stammte und die höchste Form der Freundschaft mit jenem Demochares pflegte, fingierten wir einen Brief, um es so aussehen zu lassen, als ob sein

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ornando muneri dedicasse. (2) iamque provecta vespera abusi praesidio tenebrarum Thrasyleonis caveam Demochari cum litteris illis adulterinis offerimus. (3) qui miratus bestiae magnitudinem suique contubernalis opportuna liberalitate laetatus iubet nobis protinus gaudii sui gerulis decem aureos, ut ipse habebat, e suis loculis adnumerari. (4) tunc, ut novitas consuevit ad repentinas visiones animos hominum pellere, multi numero mirabundi bestiam confluebant, quorum satis callenter curiosos aspectus Thrasyleon noster impetu minaci frequenter inhibebat. (5) consonaque civium voce satis felix ac beatus Demochares ille saepe celebratus, quod post tantam cladem ferarum novo proventu quoquo modo fortunae resisteret, iubet novalibus suis confestim bestiam ire, iubet summa cum diligentia reportari. 17 (1) Sed suscipiens ego “caveas,” inquam “domine, fraglantia solis et itineris spatio fatigatam coetui multarum et, ut audio, non recte valentium committere ferarum. (2) quin potius domus tuae patulum ac perflabilem locum, immo et lacu aliquo conterminum refrigerantemque prospicis? (3) an ignoras hoc genus bestiae lucos consitos et specus roridos et fontes amoenos semper incubare?” (4) Talibus monitis Demochares perterritus numerumque perditorum secum recensens non difficulter adsensus, ut ex arbitrio nostro caveam locaremus, facile permisit. (5) “sed et nos” inquam “ipsi parati sumus hic ibidem pro cavea ista excubare noctes, ut

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guter Freund die erste Beute seiner Jagd zur Ausstattung der Gladiatorenshow gestiftet habe. (2) Als der Abend schon vorgerückt war, missbrauchten wir den Schutz der Dunkelheit und präsentierten dem Demochares den Käfig des Thrasyleon zusammen mit jenem gefälschten Brief. (3) Er bewunderte die Größe der Bestie, freute sich über die zeitlich günstige Freigebigkeit seines Freundes und befahl, uns als den Überbringern seiner Freude sofort zehn Goldstücke, wie er sie ja hatte, aus seiner Schatulle auszahlen. (4) Dann strömten, wie ja eine Neuigkeit die Herzen der Menschen zu plötzlichen Besichtigungen zu treiben pflegt, viele zusammen, um das Tier zu bewundern, deren neugierige Blicke unser Thrasyleon sehr schlau durch drohendes Hervorbrechen ständig auf Distanz hielt. (5) In übereinstimmenden Worten seiner Mitbürger wurde Demochares immer wieder als sehr glücklich und erfolgreich gepriesen, weil er nach einem so großen Verlust an Tieren durch eine neue Ernte in jeder Weise dem Schicksal habe Widerstand leisten können, und er befahl, dass die Bestie eilends in seinen Park gehe, befahl, dass sie mit größter Sorgfalt hingebracht werde. 17 (1) Doch ich ergriff das Wort und sagte: ›Du sollst dich hüten, Herr, die von der Glut der Sonne und der Länge des Weges Ermattete mit der Gemeinschaft vieler Tiere, die, wie ich höre, nicht richtig gesund sind, in Berührung zu bringen. (2) Warum schaust du nicht lieber aus nach einem offenen und durchlüfteten Platz in deinem Haus, ja besser noch nach einem an irgendeinen See grenzenden, kühlen? (3) Oder weißt du nicht, dass diese Art von Tier stets in dichten Hainen, feuchten Höhlen und an lieblichen Quellen lagert?‹ (4) Durch solche Warnungen wurde Demochares heftig erschreckt, musterte bei sich die Zahl der Verluste, stimmte ohne Schwierigkeiten zu und erlaubte gerne, dass wir den Käfig nach unserem Belieben aufstellten. (5) ›Ja, und wir‹, sagte ich, ›sind selbst bereit, hier an derselben Stelle vor diesem Käfig hier in den Nächten zu wachen, um dem durch die Beschwerlichkeit der Hitze

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aestus et vexationis incommodo bestiae fatigatae et cibum tempestivum et potum solitum accuratius offeramus.” (6) “Nihil indigemus labore isto vestro” respondit ille. “iam paene tota familia per diutinam consuetudinem nutriendis ursis exercitata est.” 18 (1) Post haec valefacto discessimus et portam civitatis egressi monumentum quoddam conspicamur procul a via remoto et abdito loco positum. (2) ibi capulos carie et vetustate semitectos, quis inhabitabant pulverei et iam cinerosi mortui, passim ad futurae praedae receptacula reseramus. (3) et ex disciplina sectae servato noctis inlunio tempore, quo somnus obvius impetu primo corda mortalium validius invadit ac premit, cohortem nostram gladiis armatam ante ipsas fores Democharis velut expilationis vadimonium sistimus. (4) nec setius Thrasyleon examussim capto noctis latrocinali momento prorepit cavea statimque custodes, qui propter sopiti quiescebant, omnes ad unum, mox etiam ianitorem ipsum gladio conficit (5) clavique subtracta fores ianuae repandit nobisque prompte convolantibus et domus alveo receptis demonstrat horreum, ubi vespera sagaciter argentum copiosum recondi viderat. (6) quo protinus perfracto confertae manus violentia, iubeo singulos commilitonum asportare, quantum quisque poterat auri vel argenti et in illis aedibus fidelissimorum mortuorum occultare propere rursumque concito gradu recurrentis sarcinas iterare. (7) quod enim ex usu foret omnium, me solum resistentem pro domus limine cuncta rerum exploraturum sollicite, dum redirent. nam et

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und den Strapazen ermatteten Tier sorgfältiger zum richtigen Zeitpunkt die Speise und den gewohnten Trank anzubieten.‹ (6) ›Wir bedürfen dieser eurer Mühe in keiner Weise‹, antwortete er. ›Fast meine ganze Dienerschaft ist durch die lange Gewohnheit im Ernähren von Bären geübt.‹ 18 (1) Danach sagten wir Lebewohl, gingen weg und erblickten, als wir durch das Stadttor hinausgegangen waren, fern von der Straße ein an einem abgelegenen und verborgenen Platz errichtetes Grabmal. (2) Dort öffneten wir die infolge von Fäulnis und Alter nur halb zugedeckten Särge, in denen schon zu Staub und Asche gewordene Tote wohnten, überall als Aufbewahrungsorte für die zukünftige Beute. (3) Und entsprechend der Lehre unserer Schule warteten wir auf die mondlose Zeit der Nacht, in der ungesuchter Schlaf im ersten Ansturm die Herzen der Sterblichen stärker überfällt und niederdrückt, und stellten unsere mit Schwertern bewaffnete Kohorte gleichsam als Garantie für die Ausplünderung vor das Tor des Demochares. (4) Ebenso erwischte Thrasyleon genau den Augenblick der Nacht, der Räubern gehört, kroch aus seinem Käfig und machte auf der Stelle die Wächter, die in der Nähe eingeschlafen ruhten, alle bis zum letzten nieder, dann auch den Pförtner selbst mit dem Schwert, (5) und nachdem er den Schlüssel unter ihm hervorgezogen hatte, machte er die Türflügel weit auf und zeigte uns, als wir eifrig zusammenströmten und im Inneren des Hauses aufgenommen waren, die Vorratskammer, wo, wie er scharf gesehen hatte, am Abend vorher eine Menge Silber geborgen wurde. (6) Als diese sofort durch die Gewalt der zusammengeballten Schar aufgebrochen war, befahl ich jedem einzelnen Mitstreiter, so viel an Gold und Silber wegzutragen, wie jeder konnte, in jenen Häusern der höchst zuverlässigen Toten eilends zu verstecken, wieder mit schnellem Schritt zurückzulaufen und wieder eine Ladung zu holen. (7) Denn ich würde, was zum Nutzen aller geschehe, allein bei der Schwelle des Hauses zurückbleiben und alles sorgfältig auskundschaften, bis sie zurückkämen. Denn der Anblick einer

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facies ursae mediis aedibus discurrentis ad proterrendos, siqui de familia forte vigilassent, videbatur opportuna. (8) quis enim, quamvis fortis et intrepidus, immani forma tantae bestiae noctu praesertim visitata non se ad fugam statim concitaret, non obdito cellae pessulo pavens et trepidus sese cohiberet? 19 (1) His omnibus salubri consilio recte dispositis occurrit scaevus eventus. namque dum reduces socios nostros suspensus opperior, quidam servulus strepitu scilicet divinitus inquietus proserpit leniter (2) visaque bestia, quae libere discurrens totis aedibus commeabat, premens obnixum silentium vestigium suum replicat et utcumque cunctis in domo visa pronuntiat. (3) nec mora, cum numerosae familiae frequentia domus tota completur. taedis, lucernis, cereis, sebaciis et ceteris nocturni luminis instrumentis clarescunt tenebrae. (4) nec inermis quisquam de tanta copia processit, sed singuli fustibus, lanceis, destrictis denique gladiis armati muniunt aditus. (5) nec secus canes etiam venaticos auritos illos et horricomes ad comprimendam bestiam cohortantur. 20 (1) Tunc ego sensim gliscente adhuc illo tumultu retrogradi fuga domo facesso, sed plane Thrasyleonem mire canibus repugnantem latens pone ianuam ipse prospicio. (2) quamquam enim vitae metas ultimas obiret, non tamen sui nostrique vel pristinae virtutis oblitus iam faucibus ipsis hiantis Cerberi reluctabat. (3) scaenam denique, quam sponte sumpserat, cum anima retinens, nunc fugiens, nunc resistens variis corporis sui schemis ac motibus

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mitten im Haus hin und her laufenden Bärin schien, falls irgendjemand von der Dienerschaft zufällig aufgewacht sein sollte, zur Abschreckung geeignet. (8) Wer nämlich, wäre er auch noch so tapfer und furchtlos, würde sich nicht, wenn er die ungeheure Gestalt einer so großen Bestie sähe, zumal in der Nacht, auf der Stelle rasch zur Flucht wenden, nicht den Riegel seiner Kammer vorschieben und sich angstvoll und zitternd einsperren? 19 (1) Obwohl dies alles nach einem vernünftigen Plan richtig arrangiert worden war, trat dem ein unglücklicher Zufall entgegen. Denn während ich unsere zurückkommenden Kameraden gespannt erwartete, kroch ein Sklave, von einem Geräusch offensichtlich durch göttliche Eingebung beunruhigt, leise hervor (2) und als er die Bestie erblickt hatte, die frei hin und her laufend durchs ganze Haus ging, bewahrte er hartnäckiges Schweigen, lenkte seinen Fuß zurück und verkündete irgendwie allen, was er im Haus gesehen hatte. (3) Unverzüglich füllte sich das ganze Haus mit der Menge der zahlreichen Dienerschaft. Von Fackeln, Leuchtern, Wachskerzen, Talglichtern und allen anderen Mitteln nächtlicher Beleuchtung wurde die Dunkelheit hell. (4) Und keiner von der so großen Truppe trat unbewaffnet hervor, sondern einzeln sicherten sie, mit Knüppeln, Lanzen, sogar gezückten Schwertern bewaffnet, die Zugänge. (5) Und nicht weniger feuerten sie auch die Jagdhunde an, jene großohrigen und zottigen, die Bestie zu packen. 20 (1) Da machte ich mich langsam, während jener Lärm noch zunahm, in rückwärts gewandter Flucht aus dem Haus davon, aber ich sah deutlich, wie Thrasyleon den Hunden wunderbar Widerstand leistete, während ich selbst hinter der Tür versteckt war. (2) Obwohl er nämlich dem letzten Grenzzeichen des Lebens entgegenging, vergaß er doch weder sich und uns noch seinen früheren Mannesmut und widersetzte sich weiterhin sogar dem Rachen des Cerberus, der ihn weit aufsperrte. (3) Kurz, er hielt an der Rolle fest, die er freiwillig übernommen hatte, solange noch Leben in ihm war, und indem er bald floh, bald mit verschiedenen Gesten und

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tandem domo prolapsus est. nec tamen, quamvis publica potitus libertate, salutem fuga quaerere potuit. (4) quippe cuncti canes de proximo angiportu satis feri satisque copiosi venaticis illis, qui commodum domo similiter insequentes processerant, se ommiscent agminatim. (5) miserum funestumque spectamen aspexi, Thrasyleonem nostrum catervis canum saevientium cinctum atque obsessum multisque numero morsibus laniatum. (6) Denique tanti doloris impatiens populi circumfluentis turbelis immisceor et, in quo solo poteram celatum auxilium bono ferre commilitoni, sic indaginis principes dehortabar: (7) “o grande” inquam “et extremum flagitium! magnam et vere pretiosam perdimus bestiam.” 21 (1) Nec tamen nostri sermonis artes infelicissimo profuerunt iuveni. quippe quidam procurrens e domo procerus et validus incunctanter lanceam mediis iniecit ursae praecordiis nec secus alius; et ecce plurimi iam timore discusso certatim gladios etiam de proximo congerunt. (2) enimvero Thrasyleon egregium decus nostrae factionis tandem immortalitate digno illo spiritu expugnato magis quam patientia neque clamore ac ne ululatu quidem fidem sacramenti prodidit, (3) sed iam morsibus laceratus ferroque laniatus obnixo mugitu et ferino fremitu praesentem casum generoso vigore tolerans gloriam sibi reservavit, vitam fato reddidit. (4) tanto tamen terrore tantaque formidine coetum illum turbaverat, ut usque diluculum, immo et in multum diem nemo quisquam fuerit ausus quamvis iacentem bestiam vel digito contingere, (5) nisi tandem pigre ac timide quidam lanius paulo fidentior utero bestiae resecto

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Bewegungen seines Körpers stehenblieb, schlüpfte er endlich aus dem Haus. Dennoch konnte er, obwohl er die offene Straße erreichte, sein Heil nicht in der Flucht suchen. (4) Denn alle Hunde aus der nächsten Gasse, sehr wild und sehr zahlreich, vereinten sich im Rudel mit jenen Jagdhunden, die gerade aus dem Haus in ähnlicher Weise als Verfolger herausgelaufen waren. (5) Einen erbarmungswürdigen und todtraurigen Anblick sah ich, unseren Thrasyleon von Scharen rasender Hunde umringt und belagert und von vielen Bissen zerfleischt. (6) Schließlich mischte ich mich, unfähig, den so großen Schmerz zu ertragen, unter die Gruppen der herumflutenden Leute und versuchte – damit allein konnte ich dem guten Kameraden getarnte Hilfe bringen – auf folgende Weise die Anführer der Treibjagd zu ermahnen: (7) ›Welch große und schändliche Schandtat!‹, sagte ich. ›Wir vernichten ein großes und wahrhaft kostbares Tier!‹ 21 (1) Und dennoch nützte die Kunst meiner Worte dem höchst unglückseligen jungen Mann nichts. Denn ein Großer und Starker, der aus dem Haus lief, warf, ohne zu zögern, der Bärin eine Lanze in die Brust, und gleichfalls ein weiterer; und sieh da, sehr viele schüttelten jetzt die Furcht ab und hieben um die Wette auch aus nächster Nähe auf sie ein. (2) Doch Thrasyleon, die herausragende Zierde unserer Truppe, verriet, als schließlich jene seine der Unsterblichkeit würdige Seele mehr als seine Ausdauer besiegt war, nicht durch Geschrei und nicht einmal durch Geheule seinen Fahneneid, (3) sondern ertrug, schon von Bissen zerfleischt und von Stahl zerhackt, mit beharrlichem Brüllen und tierischem Brummen den unmittelbar bevorstehenden Untergang mit edler Kraft und behielt den Ruhm für sich, lieferte aber sein Leben dem Schicksal aus. (4) Dennoch hatte er mit so großem Schrecken und so großer Angst jene versammelte Menge verstört, dass bis zum Morgengrauen, ja sogar bis weit in den Tag hinein niemand es wagte, die Bestie, obwohl sie dalag, auch nur mit dem Finger zu berühren, (5) bis endlich langsam und ängstlich ein etwas mutigerer Metzger den

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ursae magnificum despoliavit latronem. (6) sic etiam Thrasyleon nobis perivit, sed a gloria non perivit. Confestim itaque constrictis sarcinis illis, quas nobis servaverant fideles mortui, Plataeae terminos concito gradu deserentes istud apud nostros animos identidem reputabamus merito nullam fidem in vita nostra repperiri, quod ad manis iam et mortuos odio perfidiae nostrae demigrarit. (7) sic onere vecturae simul et asperae viae toti fatigati tribus comitum desideratis istas, quas videtis, praedas adveximus.’ 22 (1) Post istum sermonis terminum poculis aureis memoriae defunctorum commilitonum vino mero libant. dehinc canticis quibusdam Marti deo blanditi paululum conquiescunt. (2) etenim nobis anus illa recens hordeum adfatim et sine ulla mensura largita est, ut equus quidem meus tanta copia et quidem solus potitus saliares scilicet cenas se esse crederet. (3) ego vero, 〈qui〉 numquam alias hordeum 〈nisi〉 tunsum minutatim et diutina coquitatione iurulentum semper essem, (4) rimatus angulum, quo panes reliquiae totius multitudinis congestae fuerant, fauces diutina fame saucias et araneantes valenter exerceo. (5) Et ecce nocte promota latrones expergiti castra commovent instructique varie, partim gladiis armati, partim in Lemures reformati concito se gradu proripiunt. (6) nec me tamen instanter ac fortiter manducantem vel somnus imminens impedire potuit. (7) et quamquam prius, cum essem Lucius, unico vel secundo pane contentus mensa decederem, tunc ventri tam profundo serviens iam

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Bauch der Bestie aufschnitt und den großartigen Räuber der Bärin beraubte. (6) So ging uns auch Thrasyleon verloren, doch von seinem Ruhm her ging er nicht verloren. Eilig verschnürten wir also jene Gepäckstücke, welche die treuen Toten für uns aufbewahrt hatten, verließen mit schnellen Schritten die Stadtgrenzen Platäas und dachten dabei in unserem Herzen immer wieder daran, dass aus gutem Grund keine Treue in unserem Leben gefunden werden kann, weil sie aus Hass auf unsere Treulosigkeit schon zu den Manen und Toten ausgewandert ist. (7) So haben wir alle, von der Last der Fracht ebenso wie von dem rauen Weg erschöpft und nach dem Verlust von drei Kameraden, diese Beute da, die ihr seht, hertransportiert.« 22 (1) Nach diesem Ende der Rede opferten sie aus goldenen Bechern dem Gedächtnis der toten Mitkämpfer mit purem Wein. Darauf huldigten sie mit einigen Liedern dem Gott Mars und ruhten ein Weilchen. (2) Doch uns spendete jene alte Frau reichlich und ohne Maß frische Gerste, so dass immerhin mein Pferd, nachdem es sich einer so großen Menge und immerhin allein bemächtigt hatte, glaubte, es habe das Mahl der Salier gegessen. (3) Ich aber, der ich niemals sonst Gerste gegessen hatte, und wenn, dann stets nur solche, die kleingestoßen und durch langes Kochen zur Suppe gemacht war, (4) durchsuchte einen Winkel, wo die restlichen Brote des ganzen Vorrats aufgehäuft worden waren, und mühte mein von langem Hunger wundes und von Spinnweben besetztes Maul kräftig ab. (5) Und sieh da, in vorgerückter Nacht wachten die Räuber auf, machten sich marschfertig, und nachdem sie sich verschiedenartig ausgestattet hatten, teils mit Schwertern bewaffnet, teils in Lemuren verwandelt, eilten sie mit schnellen Schritten davon. (6) Mich jedoch konnte daran, dass ich fortwährend und kräftig kaute, nicht einmal der mich drängende Schlaf hindern. (7) Und obwohl ich früher, als ich noch Lucius war, mit einem einzigen oder einem zweiten Brot zufrieden, vom Tisch wegging, diente ich damals als

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ferme tertium qualum rumigabam. huic me operi attonitum clara lux oppressit. 23 (1) Tandem itaque asinali verecundia ductus, aegerrime tamen digrediens rivulo proximo sitim lenio. nec mora, cum latrones ultra anxii atque solliciti remeant (2) nullam quidem prorsus sarcinam vel omnino licet vilem laciniam ferentes, sed tantum gladiis, totis manibus, immo factionis suae cunctis viribus unicam virginem filo liberalem (3) et, ut matronatus eius indicabat, summatem regionis, puellam mehercules et asino tali concupiscendam, maerentem et crines cum veste sua lacerantem advehebant. (4) eam sistunt intra speluncam verbisque quae dolebat minora facientes sic adloquuntur: ‘Tu quidem salutis et pudicitiae secura brevem patientiam nostro compendio tribue, quos ad istam sectam paupertatis necessitas adegit. (5) parentes autem tui de tanto suarum divitiarum cumulo, quamquam satis cupidi, tamen sine mora parabunt scilicet idoneam sui sanguinis redemptionem.’ 24 (1) His et his similibus blateratis nequiquam dolor sedatur puellae. quidni? quae inter genua sua deposito capite sine modo flebat. (2) at illi intro vocatae anui praecipiunt, adsidens eam blando quantum posset, solaretur alloquio, seque ad sectae sueta conferunt. (3) nec tamen puella quivit ullis aniculae sermonibus ab inceptis

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Sklave meinem so bodenlosen Bauch und verzehrte fast schon den dritten Korb. Als ich dieser Tätigkeit noch ganz hingegeben war, überraschte mich das helle Tageslicht. 23 (1) Endlich also ging ich, von meinem eselhaften Anstand gelenkt, höchst ungern dennoch davon und stillte meinen Durst im nächsten Bach. Unverzüglich kamen die Räuber übermäßig ängstlich und aufgeregt zurück, (2) ohne auch nur irgendeine Last oder überhaupt einen noch so wertlosen Fetzen zu bringen, sondern mit all ihren Schwertern, all ihren Händen, ja mit sämtlichen Kräften ihrer Truppe brachten sie nur eine einzige junge Frau, schön in ihrer äußeren Erscheinung (3) und, wie ihre Tracht einer Dame anzeigte, eine von den Vornehmsten der Gegend, ein Mädchen, beim Herkules, das auch von einem solchen Esel begehrt werden musste, trauernd und ihre Haare zusammen mit ihrer Kleidung zerraufend. (4) Sie brachten sie in die Höhle, und indem sie versuchten, durch Worte das, was jene betrübte, geringfügiger erscheinen zu lassen, sprachen sie zu ihr Folgendes: »Du schenke, auf jeden Fall unbesorgt um dein Leben und deine Ehre, ein bisschen Geduld im Hinblick auf unseren Gewinn, uns, die zu diesem Beruf die Notlage der Armut getrieben hat. (5) Deine Eltern aber werden von dem so großen Haufen ihres Reichtums, mögen sie auch sehr habgierig sein, dennoch ganz gewiss unverzüglich eine angemessene Lösegeldsumme für ihr eigen Fleisch und Blut bereitstellen.« 24 (1) Durch dieses und diesem ähnliches Geschwätz versuchte man vergeblich, den Schmerz des Mädchens zu beschwichtigen. Wie denn auch? Sie hatte den Kopf zwischen ihre Knie gelegt und weinte über alle Maßen. (2) Doch die riefen die alte Frau herein, befahlen ihr, sich neben sie zu setzen und sie, so gut sie könne, durch liebevollen Zuspruch zu trösten, und machten sich an ihre gewohnte Berufstätigkeit. (3) Doch das Mädchen konnte nicht durch irgendwelche Worte der alten Frau von dem angefangenen Weinen abgebracht werden, sondern sie bejammerte sich noch

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fletibus avocari, sed altius eiulans sese et adsiduis singultibus ilia quatiens mihi etiam lacrimas excussit. (4) Ac sic ‘an ego’ inquit ‘misera, tali domo, tanta familia, tam caris vernulis, tam sanctis parentibus desolata et infelicis rapinae praeda et mancipium effecta inque isto saxeo carcere serviliter clausa (5) et omnibus deliciis, quis innata atque innutrita sum, privata sub incerta salutis et carnificinae laniena, inter tot ac tales latrones et horrendum gladiatorum populum vel fletum desinere vel omnino vivere potero?’ (6) Sic lamentata et animi dolore et faucium tendore et corporis lassitudine iam fatigata marcentes oculos demisit ad soporem. 25 (1) Commodum coniverat nec diu, cum repente lymphatico ritu somno recussa longeque vehementius adflictare sese et pectus etiam palmis infestis tundere et faciem illam luculentam verberare incipit (2) et aniculae, quamquam instantissime causas novi et instaurati maeroris requirenti, sic adsuspirans altius infit: (3) ‘em nunc certe, nunc maxime funditus perii, nunc spei salutiferae renuntiavi. laqueus aut gladius aut certe praecipitium procul dubio capessendum est.’ (4) Ad haec anus iratior dicere eam saeviore iam vultu iubebat, quid, malum, fleret vel quid repente postliminio pressae quietis lamentationes licentiosas refricaret. (5) ‘nimirum’ inquit ‘tanto compendio tuae redemptionis defraudare iuvenes meos destinas? (6) quod si pergis ulterius, iam faxo lacrimis istis, quas parvi pendere latrones consuerunt, insuper habitis viva exurare.’

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mehr, und wie sie durch beständiges Schluchzen ihren Unterleib erschütterte, trieb sie sogar mir Tränen heraus. (4) Und dann sagte sie: »Ich Arme, ohne ein solches Haus, eine so große Dienerschaft, so liebe Haussklaven, so ehrwürdige Eltern allein gelassen, Beute und Besitz einer unseligen Räuberei geworden, in diesem steinernen Kerker wie eine Sklavin eingesperrt, (5) aller Freuden, in denen ich geboren und aufgewachsen bin, beraubt – werde ich denn, angesichts der Ungewissheit meines Lebens und der Schlächterei der Folterung, unter so vielen und derartigen Räubern und einem schrecklichen Volk von Banditen das Weinen aufhören oder überhaupt leben können?« (6) So wehklagte sie, und durch den Schmerz in der Seele, die Schwellung ihrer Kehle und die Erschöpfung des Körpers nun ermüdet senkte sie die matten Augen zum Schlaf. 25 (1) Soeben hatte sie die Augen geschlossen, und nicht lange, da fuhr sie plötzlich wie eine Besessene aus dem Schlaf auf und fing an, sich weit heftiger zuzurichten und sogar mit feindseligen Händen auf ihre Brust zu hämmern und ihr liebliches Gesicht zu schlagen, (2) und zu der alten Frau, obwohl die sie sehr eindringlich nach den Gründen für ihr neues und wieder aufgenommenes Jammern fragte, sagte sie, noch tiefer aufseufzend: (3) »O ja, jetzt bin ich sicherlich, jetzt ganz und gar zugrunde gerichtet, jetzt habe ich aller Hoffnung auf Rettung entsagt. Zum Strick oder zum Schwert oder wenigstens dazu, mich in die Tiefe zu stürzen, muss ich ohne Zweifel meine Zuflucht nehmen.« (4) Darauf befahl ihr die alte Frau noch zorniger und mit einem noch grimmigeren Gesicht zu sagen, was, zum Henker, sie weine oder was plötzlich nach tiefem Schlaf die hemmungslosen Klagen wieder errege. (5) »Du planst sicher, meine jungen Burschen um den so großen Gewinn aus dem Lösegeld zu bringen? (6) Wenn du damit weitermachst, werde ich diese Tränen, welche die Räuber gering zu schätzen pflegen, nunmehr für nichts achten und dafür sorgen, dass du lebendig verbrannt wirst.«

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26 (1) Tali puella sermone deterrita manuque eius exosculata ‘parce,’ inquit ‘mi parens, et durissimo casui meo pietatis humanae memor subsiste paululum. (2) nec enim, ut reor, aevo longiore maturae tibi in ista sancta canitie miseratio prorsus exaruit. specta denique scaenam meae calamitatis. (3) Speciosus adulescens inter suos principalis, quem filium publicum omnis sibi civitas cooptavit, meus alioquin consobrinus, tantulo triennio maior in aetate, (4) qui mecum primis ab annis nutritus et adultus individuo contubernio domusculae, immo vero cubiculi torique sanctae caritatis adfectione mutua mihi pigneratus (5) votisque nuptialibus pacto iugali pridem destinatus, consensu parentum tabulis etiam maritus nuncupatus, ad nuptias officio frequenti cognatorum et adfinium stipatus templis et aedibus publicis victimas immolabat. domus tota lauris obsita, taedis lucida constrepebat hymenaeum. (6) tunc me gremio suo mater infelix tolerans mundo nuptiali decenter ornabat mellitisque saviis crebriter ingestis iam spem futuram liberorum votis anxiis propagabat, (7) cum inruptionis subitae gladiatorum impetus ad belli faciem saeviens, nudis et infestis mucronibus coruscans, non caedi, non rapinae manus adferunt, sed denso conglobatoque cuneo cubiculum nostrum invadunt protinus. (8) nec ullo de familiaribus nostris repugnante ac ne tantillum quidem resistente miseram exanimem,

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26 (1) Das Mädchen, durch solche Worte erschreckt, küsste ihr die Hand und sagte: »Schone mich, Mutter, und hilf mir ein wenig, indem du an menschliches Mitgefühl denkst, in meiner extrem harten Lage. (2) Denn dir ist, wie ich glaube, reif, wie du bist, durch eine längere Lebenszeit mit deinen ehrwürdigen weißen Haaren, das Mitleid nicht gänzlich ausgetrocknet. Schau also auf die dramatische Geschichte meines Unglücks! (3) Ein schöner junger Mann, unter den Seinen eine führende Persönlichkeit, den ehrenhalber als Sohn des Volkes die ganze Bürgerschaft wählte, im Übrigen mein Vetter, nur drei Jahre älter, (4) der mit mir von den ersten Jahren an aufgezogen wurde und in untrennbarer Gemeinschaft des Hauses, ja sogar des Schlafzimmers und des Bettes mit mir aufwuchs, durch die gegenseitige Zuneigung heiliger Liebe mir verpflichtet, (5) durch die Hochzeitsgelübde längst für den Ehebund bestimmt, mit Einwilligung unserer Eltern auch dokumentarisch mein Ehemann genannt, war dabei, in Vorbereitung unserer Hochzeit, dicht umgeben von der großen Schar der Verwandten und Verschwägerten, die ihrer gesellschaftlichen Verpflichtung nachkamen, in den Tempeln und Heiligtümern der Stadt die Opfertiere darzubringen. Das ganze Haus, mit Lorbeerzweigen bedeckt, von Fackeln hell leuchtend, ließ den Hymenäus ertönen. (6) Da hielt mich auf ihrem Schoß meine unglückselige Mutter, bekleidete mich, wie es sich gehört, mit den Hochzeitsgewändern, bedeckte mich immer wieder mit süßen Küssen und nährte schon ihre Hoffnung auf künftige Kinder mit ängstlichen Gebeten, (7) als der Ansturm eines plötzlichen Hereinbrechens von Banditen erfolgte, der wie im Krieg wütete und von bloßen und feindseligen Schwertern blitzte, und sie nicht zum Morden, nicht zum Rauben ihre Hände einsetzten, sondern in dichter, zusammengedrängter Formation sofort in unser Zimmer eindrangen. (8) Und ohne dass irgendeiner von der Dienerschaft Widerstand leistete und sich wenigstens ein bisschen widersetzte, raubten sie mich Arme, von wilder Angst Ohnmächtige, mitten aus dem ängstlichen Schoß

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saevo pavore trepido de medio matris gremio rapuere. sic ad instar Attidis vel Protesilai dispectae disturbataeque nuptiae. 27 (1) Sed ecce saevissimo somnio mihi nunc etiam redintegratur, immo vero cumulatur infortunium meum. (2) nam visa sum mihi de domo, de thalamo, de cubiculo, de toro denique ipso violenter extracta per solitudines avias infortunatissimi mariti nomen invocare (3) eumque, ut primum meis amplexibus viduatus est, adhuc unguentis madidum, coronis floridum consequi vestigio me pedibus fugientem alienis. (4) utque clamore percito formonsae raptum uxoris conquerens populi testatur auxilium, quidam de latronibus importunae persecutionis indignatione permotus saxo grandi pro pedibus adrepto misellum iuvenem maritum meum percussum interemit. talis aspectus atrocitate perterrita somno funesto pavens excussa sum.’ (5) Tunc fletibus eius adsuspirans anus sic incipit: ‘bono animo esto, mi erilis, nec vanis somniorum figmentis terreare. nam praeter quod diurnae quietis imagines falsae perhibentur, tunc etiam nocturnae visiones contrarios eventus nonnumquam pronuntiant. (6) denique flere et vapulare et nonnumquam iugulari lucrosum prosperumque proventum nuntiant; (7) contra ridere et mellitis dulciolis ventrem saginare vel in voluptatem veneriam convenire tristitie animi, languore corporis damnisque ceteris vexatum iri praedicant. (8) sed ego te narrationibus lepidis anilibusque fabulis protinus avocabo.’ et incipit: 28 (1) ‘Erant in quadam civitate rex et regina. hi tres numero filias forma conspicuas habuere. sed maiores quidem natu, quamvis gratissima specie, idonee tamen celebrari posse laudibus humanis

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meiner Mutter. So wurde wie bei Attis oder Protesilaus meine Hochzeit unterbrochen und zunichte gemacht. 27 (1) Doch sieh da, durch einen ganz grausamen Traum wird mir jetzt auch noch mein Unglück erneuert, ja sogar vergrößert. (2) Denn es schien mir, dass ich, aus dem Haus, dem Schlaftrakt, dem Schlafzimmer, ja sogar meinem Bett gewaltsam herausgerissen, in unwegsamen Einöden den Namen meines todunglücklichen Mannes rief (3) und er mir folgte, sobald er der Umarmungen durch mich beraubt worden war, noch feucht von Salben, blumig bedeckt von Kränzen, auf meiner Spur, während ich auf fremden Füßen floh. (4) Und als er mit erregtem Schreien den Raub seiner schönen Frau beklagte und an die Hilfsbereitschaft des Volkes appellierte, packte einer von den Räubern, von seinem Ärger über die lästige Verfolgung dazu bewegt, einen großen vor seinen Füßen liegenden Stein, traf damit meinen armen jungen Ehemann und tötete ihn. Durch das Grässliche eines solchen Anblicks erschreckt, bin ich zitternd aus dem todverheißenden Traum aufgerüttelt worden.« (5) Da seufzte die alte Frau zu deren Tränen und begann so: »Sei guten Mutes, meine Herrin, und lass dich nicht durch nichtige Traumgespinste erschrecken. Denn abgesehen davon, dass Bilder eines Schlafes am Tage als falsch gelten, kündigen dann sogar nächtliche Visionen zuweilen entgegengesetzte Ereignisse an. (6) Also kündigen Weinen und Prügel und zuweilen Erdrosselung einen Gewinn bringenden und erfolgreichen Ausgang an; (7) Lachen dagegen und mit süßen Schleckereien sich den Bauch vollstopfen oder sich zur Liebeslust vereinen prophezeit, dass man durch Trauer im Herzen, Krankheit des Körpers und andere Probleme gequält sein werde. (8) Aber ich werde dich durch charmante Märchen und Altweibergeschichten ablenken.« Und sie begann: 28 (1) »Es waren einmal in einer Stadt ein König und eine Königin. Diese hatten Töchter von auffallend schöner Gestalt, drei an der Zahl. Aber die älteren, obschon von sehr lieblicher Erscheinung, konnten gleichwohl, so glaubte man, ausreichend durch menschli-

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credebantur. (2) at vero puellae iunioris tam praecipua, tam praeclara pulchritudo nec exprimi ac ne sufficienter quidem laudari sermonis humani penuria poterat. (3) multi denique civium et advenae copiosi, quos eximii spectaculi rumor studiosa celebritate congregabat, inaccessae formonsitatis admiratione stupidi et admoventes oribus suis dexteram priore digito in erectum pollicem residente ut ipsam prorsus deam Venerem 〈venerabantur〉 religiosis adorationibus. (4) iamque proximas civitates et attiguas regiones fama pervaserat deam, quam caerulum profundum pelagi peperit et ros spumantium fluctuum educavit, iam numinis sui passim tributa venia in mediis conversari populi coetibus vel certe rursum novo caelestium stillarum germine non maria, sed terras Venerem aliam virginali flore praeditam pullulasse. 29 (1) Sic immensum procedit in dies opinio, sic insulas iam proxumas et terrae plusculum provinciasque plurimas fama porrecta pervagatur. (2) iam multi mortalium longis itineribus atque altissimis maris meatibus ad saeculi specimen gloriosum confluebant. (3) Paphon nemo, Cnidon nemo ac ne ipsa quidem Cythera ad conspectum deae Veneris navigabant; sacra differuntur, templa deformantur, pulvinaria proteruntur, caerimoniae negleguntur; incoronata simulacra et arae viduae frigido cinere foedatae. (4) puellae supplicatur et in humanis vultibus deae tantae numina placantur; et in matutino progressu virginis victimis et epulis Veneris absentis

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ches Lob gepriesen werden. (2) Doch die Schönheit der jüngsten war so herausragend, so herrlich, dass sie nicht zum Ausdruck gebracht und nicht einmal genügend gelobt werden konnte aufgrund der Armut der menschlichen Sprache. (3) Tatsächlich verehrten viele Mitbürger und zahlreiche Fremde, welche das Gerücht von dem ausnehmend schönen Anblick in schaulustiger Menge vereinte, starr vor Bewunderung der unerreichbaren Wohlgestalt und die Rechte zu ihrem Mund führend, wobei die Fingerspitze auf dem ausgestreckten Daumen ruhte, sie ganz und gar als die Göttin Venus selbst mit Äußerungen religiöser Anbetung. (4) Und schon hatte die nächsten Städte und die angrenzenden Gebiete die Kunde durchlaufen, die Göttin, welche die dunkle Tiefe des Meers gebar und die Feuchtigkeit der schäumenden Fluten aufwachsen ließ, halte sich nun, überall die Gnade ihrer göttlichen Macht gewährend, mitten in den Versammlungen des Volkes auf, oder sicherlich hätten wiederum aus einer neuen Saat himmlischer Tropfen nicht Meere, sondern Länder eine andere Venus hervorgehen lassen, eine, die mit der Blüte der Jungfrauenschaft ausgestattet sei. 29 (1) So schritt ihr Ansehen von Tag zu Tag unermesslich weit voran, so verbreitete sich schon über die nächsten Inseln, einen größeren Teil des Festlands und sehr viele Provinzen der gewachsene Ruhm. (2) Schon strömten viele Sterbliche auf langen Reisen und auf den tiefsten Pfaden des Meers zu dem berühmten Jahrhundertwunder zusammen. (3) Niemand segelte mehr nach Paphos, niemand nach Cnidos, und nicht einmal nach Cythera, um die Göttin zu schauen; ihre Feste wurden verschoben, ihre Tempel verunstaltet, ihre Polstersitze zerdrückt, ihre Zeremonien vernachlässigt; unbekränzt waren ihre Statuen, ihre Altäre verwaist und von kalter Asche beschmutzt. (4) Zu dem Mädchen wurde gefleht, und in einem menschlichen Gesicht wurde die Macht der so großen Göttin versöhnt; und wenn am Morgen die junge Frau aus dem Haus trat, wurde der Name der abwesenden Venus mit Opfern und Festmählern geneigt gemacht; und wenn sie nun durch die Straßen

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nomen propitiatur iamque per plateas commeantem populi frequenter floribus sertis et solutis adprecantur. (5) Haec honorum caelestium ad puellae mortalis cultum inmodica translatio verae Veneris vehementer incendit animos, et inpatiens indignationis capite quassanti fremens altius sic secum disserit: 30 (1) “En rerum naturae prisca parens, en elementorum origo initialis, en orbis totius alma Venus, quae cum mortali puella partiario maiestatis honore tractor! et nomen meum caelo conditum terrenis sordibus profanatur! (2) nimirum communi numinis piamento vicariae venerationis incertum sustinebo et imaginem meam circumferet puella moritura! (3) frustra me pastor ille, cuius iustitiam fidemque magnus comprobavit Iuppiter, ob eximiam speciem tantis praetulit deabus. sed non adeo gaudens ista, quaecumque est, meos honores usurpabit: iam faxo eam 〈fastus〉 huius et ipsius inlicitae formonsitatis paeniteat.” (4) Et vocat confestim puerum suum pinnatum illum et satis temerarium, qui malis suis moribus contempta disciplina publica, flammis et sagittis armatus per alienas domos nocte discurrens et omnium matrimonia corrumpens impune committit tanta flagitia et nihil prorsus boni facit. (5) hunc, quamquam genuina licentia procacem, verbis quoque insuper stimulat et perducit ad illam civitatem et Psychen – hoc enim nomine puella nuncupabatur – coram ostendit. 31 (1) Et tota illa perlata de formonsitatis aemulatione fabula gemens ac fremens indignatione “per ego te” inquit “maternae

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ging, beteten die Leute sie in Massen mit zu Kränzen gebundenen oder losen Blumen an. (5) Diese maßlose Übertragung himmlischer Ehren auf die Verehrung eines sterblichen Mädchens entflammte heftig den Zorn der wahren Venus, und ungeduldig in ihrer Entrüstung schüttelte sie den Kopf und sprach laut murrend wie folgt zu sich: 30 (1) ›Sieh an, ich, die uralte Mutter der Natur, sieh an, ich, der anfängliche Ursprung der Elemente, sieh an, ich, Venus, die die ganze Welt ernährt, die ich aber mit der von mir und einem sterblichen Mädchen geteilten Ehre der Hoheit behandelt werde! Und mein Name, der im Himmel begründet wurde, wird durch irdischen Schmutz entweiht! (2) Klar, durch gemeinsame Entsühnung meiner göttlichen Macht werde ich die Unsicherheit stellvertretender Verehrung ertragen, und mein Ebenbild wird ein zum Sterben bestimmtes Mädchen herumtragen! (3) Vergeblich hat jener Hirte, dessen Gerechtigkeit und Verlässlichkeit der große Jupiter beifällig aufnahm, mich wegen meiner außerordentlichen Schönheit so großen Göttinnen vorgezogen. Doch nicht gerade voller Freude wird die da, wer auch immer sie ist, sich meine Ehren angemaßt haben: Ich werde jetzt dafür sorgen, dass ihr sogar diese ihre unerlaubte Wohlgestalt missfällt!‹ (4) Und rasch rief sie ihren Jungen, den beflügelten und sehr leichtsinnigen, der mit seinen üblen Sitten die öffentliche Disziplin verachtet, mit Fackel und Pfeilen bewaffnet nachts in fremden Häusern herumrennt, die Ehen aller zerstört, ungestraft so große Schandtaten begeht und überhaupt nichts Gutes tut. (5) Ihn, den doch schon aufgrund seiner angeborenen Ausgelassenheit Frechen, stachelte sie noch obendrein mit Worten an, führte ihn zu jener Stadt und zeigte ihm Psyche – mit diesem Namen nämlich wurde das Mädchen genannt – in Person. 31 (1) Und nachdem sie seufzend und knurrend vor Entrüstung die ganze Geschichte über die Rivalität im Bereich der Schönheit erzählt hatte, sagte sie: ›Bei den Banden der Mutterliebe bitte ich

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caritatis foedera deprecor, per tuae sagittae dulcia vulnera, per flammae istius mellitas uredines, vindictam tuae parenti, sed plenam tribue (2) et in pulchritudinem contumacem severiter vindica; idque unum et pro omnibus unicum volens effice: (3) virgo ista amore fraglantissimo teneatur hominis extremi, quem et dignitatis et patrimonii simul et incolumitatis ipsius Fortuna damnavit, tamque infimi ut per totum orbem non inveniat miseriae suae comparem.” (4) Sic effata et osculis hiantibus filium diu ac pressule saviata proximas oras reflui litoris petit plantisque roseis vibrantium fluctuum summo rore calcato ecce iam profundi maris sudo resedit vertice (5) et 〈statim〉 ipsum, quod incipit velle, [et statim] quasi pridem praeceperit, non moratur marinum obsequium. (6) adsunt Nerei filiae chorum canentes et Portunus caerulis barbis hispidus et gravis piscoso sinu Salacia et auriga parvulus delphini Palaemon; iam passim maria persultantes Tritonum catervae: (7) hic concha sonaci leniter bucinat, ille serico tegmine flagrantiae solis obsistit inimici, alius sub oculis dominae speculum progerit, curru biiuges alii subnatant. talis ad Oceanum pergentem Venerem comitatus exercitus. 32 (1) Interea Psyche cum sua sibi perspicua pulchritudine nullum decoris sui fructum percipit. spectatur ab omnibus, laudatur ab omnibus, nec quisquam, non rex non regius nec de plebe saltem cupiens eius nuptiarum petitor accedit. (2) mirantur quidem divi-

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dich, bei den süßen Wunden deines Pfeils, bei dem honigsüßen Brennen dieser deiner Flamme, verschaffe deiner Mutter Rache, und zwar voll und ganz, (2) gehe streng vor gegen diese trotzige Schönheit und bewirke bereitwillig dies eine stellvertretend für alles: (3) Das Mädel da soll ergriffen sein von brennendster Liebe zu dem niedrigsten Menschen, den zum Verlust seines Ansehens ebenso wie seines Vermögens und sogar der körperlichen Unversehrtheit Fortuna verurteilt hat, zu einem, der so tief steht, dass er auf dem ganzen Erdkreis keinen in seiner Armseligkeit ihm Ebenbürtigen finden könnte.‹ (4) Nachdem sie so gesprochen und ihrem Sohn lange und sanft pressend Küsse mit offenem Mund gegeben hatte, begab sie sich zu den nächsten Küsten, wo die Wellen vom Strand zurückrollten, und als sie mit rosigen Sohlen die Wasseroberfläche der zitternden Fluten betreten hatte, schau, da setzte sie sich auf die trockene Oberfläche des tiefen Meers. (5) Und sofort geschah genau das, was sie zu wünschen begann, als ob sie es längst angeordnet hätte, ihr Meeresgefolge ließ sie nicht warten. (6) Die Töchter des Nereus waren da, die ein Chorlied sangen, und Portunus mit seinem struppigen, meerfarbenen Bart, und Salacia, beladen mit Fischen in ihren Armen, und Palämon, der kleine Wagenlenker des Delphins; und schon hüpften Scharen von Tritonen hie und da über das Meer. (7) Dieser hier blies sanft auf einer tönenden Muschel, jener hielt eine seidene Decke gegen die Glut der feindlichen Sonne, ein anderer hielt der Herrin einen Spiegel vor die Augen, andere wieder schwammen unter dem Wagen, in Paaren angespannt. Solch eine Flotte eskortierte Venus auf ihrem Weg zum Ozean. 32 (1) Inzwischen erntete Psyche trotz der ihr eigenen deutlich sichtbaren Schönheit keine Frucht von ihrer Anmut. Sie wurde von allen betrachtet, von allen gepriesen, doch nicht einer, kein König, keiner von königlicher Herkunft, auch nicht wenigstens einer aus dem einfachen Volk kam als Werber, der die Ehe mit ihr begehrte. (2) Man bewunderte zwar ihre göttliche Schönheit, doch so, wie alle

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nam speciem, sed ut simulacrum fabre politum mirantur omnes. (3) olim duae maiores sorores, quarum temperatam formonsitatem nulli diffamarant populi, procis regibus desponsae iam beatas nuptias adeptae. (4) sed Psyche virgo vidua domi residens deflet desertam suam solitudinem aegra corporis, animi saucia, et quamvis 5 gentibus totis complacitam odit in se suam formonsitatem. (5) sic infortunatissimae filiae miserrimus pater suspectatis caelestibus odiis et irae superum metuens dei Milesii vetustissimum percontatur oraculum (6) et 〈a〉 tanto numine precibus et victimis ingratae virgini petit nuptias et maritum. sed Apollo, quamquam Graecus et 10 Ionicus, propter Milesiae conditorem sic Latina sorte respondit: 33 (1) “Montis in excelsi scopulo, rex, siste puellam ornatam mundo funerei thalami. nec speres generum mortali stirpe creatum, sed saevum atque ferum vipereumque malum, (2) quod pinnis volitans super aethera cuncta fatigat flammaque et ferro singula debilitat, quod tremit ipse Iovis, quo numina terrificantur fluminaque horrescunt et Stygiae tenebrae.”

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(3) Rex olim beatus affatu sanctae vaticinationis accepto piger tris- 20 tisque retro domum pergit suaeque coniugi praecepta sortis enodat infaustae. maeretur, fletur, lamentatur diebus plusculis. sed dirae sortis iam urget taeter effectus. (4) iam feralium nuptiarum miserrimae virgini choragium struitur, iam taedae lumen atrae fuliginis

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ein kunstvoll poliertes Standbild bewundern. (3) Schon längst waren ihre zwei älteren Schwestern, deren mäßige Wohlgestalt niemand im Volk zum Gegenstand eines weit verbreiteten Ruhms gemacht hatte, mit königlichen Freiern verlobt worden und hatten glückliche Ehen errungen. (4) Doch Psyche saß als ledige junge Frau zu Hause und weinte über ihre verlassene Einsamkeit, krank am Körper, verwundet in der Seele, und sie hasste ihre eigene Wohlgestalt, obwohl die doch allen Leuten gefiel. (5) So argwöhnte der ärmste Vater der unglückseligsten Tochter himmlischen Hass, und weil er den Zorn der Überirdischen fürchtete, befragte er das uralte Orakel des milesischen Gottes, (6) und von der so mächtigen Gottheit erflehte er mit Gebeten und Opfern für die keinen Gefallen findende junge Frau Hochzeit und Ehemann. Doch Apollo, obgleich Grieche und Jonier, antwortete um des Verfassers einer milesischen Geschichte willen mit einem lateinischen Orakel wie folgt: 33 (1) ›Auf eines ragenden Berges Fels stell, König, das Mädchen, mit ihrer Kleidung geschmückt für eine Ehe im Grab. Hoff auf den Schwiegersohn nicht, der aus sterblichem Stamme erzeugt ist, sondern ein Monster erwart, schlangenhaft, grausam und wild, (2) das auf Flügeln über den Äther fliegt, alles entkräftet und mit Feuer und Stahl alles, was lebt, einzeln schwächt, vor dem Jupiter selbst erzittert, das Götter erschreckt und Flüsse erschaudern lässt, auch stygische finstere Nacht.‹ (3) Als der einst glückliche König die an ihn gerichteten Worte der heiligen Prophezeiung vernommen hatte, begab er sich langsam und traurig zurück nach Hause und entfaltete seiner Frau sorgfältig die Anweisungen des ungünstigen Orakelspruchs. Mehrere Tage lang wurde getrauert, geweint, gejammert. Aber schon drängte die entsetzliche Erfüllung des schrecklichen Orakels. (4) Jetzt wurde das Zeremoniell der Todeshochzeit für das arme Mädchen arrangiert, jetzt wurde das Licht der Fackel in der Asche aus schwarzem

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cinere marcescit et sonus tibiae zygiae mutatur in querulum Ludii modum cantusque laetus hymenaei lugubri finitur ululatu et puella nuptura deterget lacrimas ipso suo flammeo. (5) sic adfectae domus triste fatum cuncta etiam civitas congemebat luctuque publico confestim congruens edicitur iustitium. 34 (1) Sed monitis caelestibus parendi necessitas misellam Psychen ad destinatam poenam efflagitabat. perfectis igitur feralis thalami cum summo maerore sollemnibus toto prosequente populo vivum producitur funus et lacrimosa Psyche comitatur non nuptias, sed exsequias suas. (2) ac dum maesti parentes et tanto malo perciti nefarium facinus perficere cunctantur, ipsa illa filia talibus eos adhortatur vocibus: (3) “Quid infelicem senectam fletu diutino cruciatis? quid spiritum vestrum, qui magis meus est, crebris eiulatibus fatigatis? quid lacrimis inefficacibus ora mihi veneranda foedatis? quid laceratis in vestris oculis mea lumina? quid canitiem scinditis? quid pectora, quid ubera sancta tunditis? (4) haec erunt vobis egregiae formonsitatis meae praeclara praemia. invidiae nefariae letali plaga percussi sero sentitis. (5) cum gentes et populi celebrarent nos divinis honoribus, cum novam me Venerem ore consono nuncuparent, tunc dolere, tunc flere, tunc me iam quasi peremptam lugere debuistis. iam sentio, iam video solo me nomine Veneris perisse. (6) ducite me et cui sors addixit scopulo sistite. festino felices istas nuptias obire,

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Ruß schwach, und der Klang der Hochzeitsflöte verwandelte sich in die klagende Lyderweise, das fröhliche Singen des Hymenäus endete in traurigem Heulen, und das Mädchen, das heiraten sollte, wischte seine Tränen mit dem eigenen Brautschleier ab. (5) Das traurige Schicksal des auf solche Weise gepeinigten Hauses bejammerte auch die ganze Stadt, und sofort wurde durch Edikt ein zur öffentlichen Trauer passendes Ruhen des Geschäftslebens verkündet. 34 (1) Doch die Notwendigkeit, den himmlischen Anweisungen zu gehorchen, forderte weiterhin die arme Psyche für die ihr bestimmte Strafe. Als also die Zeremonien der Todeshochzeit in tiefster Trauer zu Ende geführt waren, wurde, vom ganzen Volk eskortiert, die lebendige Leiche hinausgeführt, und unter Tränen nahm Psyche an der Prozession nicht ihrer Hochzeit, sondern ihres Begräbnisses teil. (2) Und während die traurigen und durch das so große Unglück erschütterten Eltern die schreckliche Tat zu Ende zu bringen zögerten, ermutigte ihre eigene Tochter sie mit folgenden Worten: (3) ›Was quält ihr euer unglückseliges Alter mit ausgedehntem Weinen? Was ermattet ihr euren Atem, der doch mehr mir gehört, mit häufigem Jammern? Was entstellt ihr eure für mich verehrungswürdigen Gesichter mit unwirksamen Tränen? Was ruiniert ihr in euren Augen meine eigenen? Was reißt ihr euch die grauen Haare aus? Was schlagt ihr die Brust, die mir heiligen Brüste? (4) Dies wird für euch die herrliche Belohnung für meine herausragende Wohlgestalt sein. Ihr wurdet von einem tödlichen Schlag ruchlosen Neides getroffen und merkt es zu spät. (5) Als alle Welt und die Leute mich mit göttlichen Ehren feierten, als sie mich einstimmig ›die neue Venus‹ nannten, da hättet ihr betrübt sein, da weinen, da mich betrauern sollen, als wäre ich schon tot. Jetzt merke ich, jetzt sehe ich, dass ich allein durch den Namen ›Venus‹ zugrunde gegangen bin. (6) Führt mich und stellt mich auf den Felsen, für den das Orakel mich bestimmt hat. Ich eile, diese glückliche Hochzeit zu erleben, ich eile, jenen meinen edlen Gemahl zu sehen. Was schiebe ich es

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festino generosum illum maritum meum videre. quid differo, quid detrecto venientem, qui totius orbis exitio natus est?” 35 (1) Sic profata virgo conticuit ingressuque iam valido pompae populi prosequentis sese miscuit. (2) itur ad constitutum scopulum montis ardui, cuius in summo cacumine statutam puellam cuncti 5 deserunt taedasque nuptiales, quibus praeluxerant, ibidem lacrimis suis extinctas relinquentes deiectis capitibus domuitionem parant. (3) et miseri quidem parentes eius tanta clade defessi, clausae domus abstrusi tenebris, perpetuae nocti sese dedidere. (4) Psychen autem paventem ac trepidantem et in ipso scopuli 10 vertice deflentem mitis aura molliter spirantis Zephyri vibratis hinc inde laciniis et reflato sinu sensim levatam suo tranquillo spiritu vehens paulatim per devexa rupis excelsae vallis subditae florentis cespitis gremio leniter delapsam reclinat.

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auf, was lehne ich den ab, der da kommt, der zum Verderben des ganzen Erdkreises geboren wurde?‹ 35 (1) Als sie so gesprochen hatte, verstummte die junge Frau und reihte sich nun mit festem Schritt in die Prozession der Leute ein, welche sie geleiteten. (2) Man ging zu dem festgesetzten Felsen des steilen Berges, auf dessen Gipfel ganz oben sie das Mädchen stellten, und dann verließen sie alle, ließen die Hochzeitsfackeln, mit denen sie ihr vorangeleuchtet hatten, ebenda zurück, nachdem sie sie mit ihren Tränen ausgelöscht hatten, und machten sich mit gesenkten Köpfen auf den Heimweg. (3) Und ihre armen Eltern waren durch das so große Unglück zermürbt, verbargen sich in der Dunkelheit ihres verschlossenen Hauses und weihten sich dauernder Nacht. (4) Psyche aber, die ängstlich war und zitterte und ganz oben auf dem Felsen bitterlich weinte, hob eine milde Brise des sanft wehenden Zephyrs sachte empor, wobei die Zipfel ihres Kleides hin und her flatterten und ihr Gewand sich bauschte, trug sie mit seinem ruhigen Wehen allmählich über die Abhänge des aufragenden Felsens dahin, ließ sie sanft herabgleiten und unten im Tal im Schoß einer blühenden Wiese auf dem Rücken liegen.

LIBER V 1 (1) Psyche teneris et herbosis locis in ipso toro roscidi graminis suave recubans tanta mentis perturbatione sedata dulce conquievit. iamque sufficienti recreata somno placido resurgit animo. (2) videt lucum proceris et vastis arboribus consitum, videt fontem vitreo latice perlucidum. Medio luci meditullio prope fontis adlapsum domus regia est aedificata non humanis manibus, sed divinis artibus. (3) iam scires ab introitu primo dei cuiuspiam luculentum et amoenum videre te diversorium. nam summa laquearia citro et ebore curiose cavata subeunt aureae columnae; parietes omnes argenteo caelamine conteguntur bestiis et id genus pecudibus occurrentibus ob os introeuntium. (4) mirus prorsum [magnae artis] homo, immo semideus vel certe deus, qui magnae artis suptilitate tantum efferavit argentum. (5) enimvero pavimenta ipsa lapide pretioso caesim deminuto in varia picturae genera discriminantur. vehementer, iterum ac saepius beatos illos, qui super gemmas et monilia calcant! (6) iam ceterae partes longe lateque dispositae domus sine pretio pretiosae totique parietes solidati massis aureis splendore proprio coruscant, ut diem suum sibi domus faciat licet sole nolente: sic cubicula, sic porticus, sic ipsae valvae fulgurant. (7) nec setius opes ceterae maiestati domus respondent, ut equidem illud recte videatur ad conversationem humanam magno Iovi fabricatum caeleste palatium.

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Buch 5 1 (1) Als Psyche angenehm zurückgelehnt an dem weichen und mit Grün bedeckten Ort auf einem richtigen Bett aus taufrischem Gras lag, legte sich die so große Unruhe ihrer Seele, und sie fiel in süßen Schlummer. Und schon bald erhob sie sich, nachdem sie sich durch genügend Schlaf erholt hatte, mit ruhigem Sinn. (2) Sie sah einen Hain, der mit hohen, mächtigen Bäumen bepflanzt war, sie sah eine glitzernde Quelle mit kristallklarem Wasser. Genau in der Mitte des Hains, nahe dem Ursprung der Quelle, war ein königliches Haus, erbaut nicht von menschlichen Händen, sondern durch göttliche Fertigkeiten. (3) Gleich vom Moment des Eintretens an hättest du erkannt, dass du den hell glänzenden und lieblichen Wohnsitz irgendeines Gottes erblicktest. Denn die hohen getäfelten Decken, die kunstvoll aus Zitrusholz und Elfenbein geschnitzt waren, wurden von goldenen Säulen getragen; alle Wände waren mit silbernen Reliefs bedeckt, mit Bestien und ähnlichen Tieren, die den Eintretenden direkt entgegenliefen. (4) Es war in der Tat ein wundersamer Mensch, nein, eher ein Halbgott oder sogar ein Gott, der mit der Feinheit großer Kunst so viel Silber in wilde Tiere verwandelt hatte. (5) Wirklich, sogar die Fußböden mit ihren kostbaren, in kleine Stücke geschnittenen Steinen waren in verschiedene Arten von Bildern aufgeteilt. Wahrhaft gesegnet, zweimal und sogar öfter selig sind die, welche auf Edelsteine und Kleinodien treten! (6) Dann die übrigen Teile des sich lang und breit erstreckenden, unbezahlbar kostbaren Hauses und alle Wände, die aus massivem Gold gemacht waren, sie strahlten mit ihrem eigenen Glanz, so dass das Haus sich sein eigenes Tageslicht schuf, selbst wenn die Sonne nicht wollte: So blitzten die Schlafzimmer, so die Säulenhallen, so selbst die Türflügel. (7) Ebenso entsprachen die übrigen Schätze der Pracht des Hauses, so dass es einem mit Recht scheinen konnte, es sei ein himmlischer Palast, der für den Aufenthalt bei den Menschen dem großen Jupiter erbaut war.

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2 (1) Invitata Psyche talium locorum oblectatione propius accessit et paulo fidentior intra limen sese facit. mox prolectante studio pulcherrimae visionis rimatur singula et altrinsecus aedium horrea sublimi fabrica perfecta magnisque congesta gazis conspicit. nec est quicquam, quod ibi non est. (2) sed praeter ceteram tantarum divitiarum admirationem hoc erat praecipue mirificum, quod nullo vinculo, nullo claustro, nullo custode totius orbis thensaurus ille muniebatur. (3) haec ei summa cum voluptate visenti offert sese vox quaedam corporis sui nuda et “quid,” inquit “domina, tantis obstupescis opibus? tua sunt haec omnia. prohinc cubiculo te refer et lectulo lassitudinem refove et ex arbitrio lavacrum pete. (4) nos, quarum voces accipis, tuae famulae sedulo tibi praeministrabimus nec corporis curatae tibi regales epulae morabuntur.” 3 (1) Sensit Psyche divinae providentiae beatitudinem monitusque vocis informis audiens et prius somno et mox lavacro fatigationem sui diluit; (2) visoque statim proximo semirotundo suggestu propter instrumentum cenatorium rata refectui suo commodum libens accumbit. (3) et ilico vini nectarei eduliumque variorum fercula copiosa nullo serviente, sed tantum spiritu quodam impulsa subministrantur. (4) nec quemquam tamen illa videre poterat, sed verba tantum audiebat excidentia et solas voces famulas habebat. (5) post opimas dapes quidam introcessit et cantavit invisus et alius citharam pulsavit, quae videbatur nec ipsa. tunc modulatae multi-

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2 (1) Psyche, eingeladen vom Reiz einer solchen Örtlichkeit, trat näher, und ein wenig zutraulicher ging sie über die Schwelle. Bald verlockte sie das eifrige Verlangen nach dem wunderschönen Anblick, sie musterte alles im Einzelnen und entdeckte auf der anderen Seite des Gebäudes Speicherhäuser, die mit erhabener Handwerkskunst fertiggestellt und mit großen Schätzen vollgepackt worden waren. Es gab nichts, was es dort nicht gab. (2) Doch abgesehen von ihrer sonstigen Bewunderung so großen Reichtums war das vor allem verwunderlich, dass dieses Schatzhaus der ganzen Welt durch keine einzige Kette, keinen einzigen Riegel und keinen einzigen Wächter gesichert wurde. (3) Während sie all dies mit dem größten Vergnügen betrachtete, kam zu ihr eine Art körperlose Stimme und sagte: ›Was bist du so erstaunt über den so großen Reichtum, Herrin? Dein ist dies alles. Begib dich daher ins Schlafzimmer, lindere deine Ermüdung mit deinem Bett und nimm ganz nach Wunsch ein Bad. (4) Wir, deren Stimmen du vernimmst, werden dir als deine Dienerinnen fleißig aufwarten, und wenn dein Körper erfrischt ist, wird ein königliches Mahl dich nicht auf sich warten lassen.‹ 3 (1) Psyche spürte die Glückseligkeit göttlicher Vorsehung, sie hörte auf die Anweisungen der gestaltlosen Stimme, vertrieb zunächst durch Schlaf und dann mit einem Bad ihre Müdigkeit; (2) und als sie plötzlich ganz in ihrer Nähe einen halbrunden Sitzplatz erblickte, vermutete sie wegen des Essgeschirrs und -bestecks, er sei dafür bestimmt, dass sie sich erfrischen könne, und nahm freudig Platz. (3) Und sofort wurden ihr reichliche Gänge mit nektarsüßem Wein und verschiedenen Gerichten, ohne dass jemand servierte, sondern nur durch irgendeinen Hauch bewegt, vorgesetzt. (4) Doch niemanden konnte sie sehen, sondern hörte nur Worte fallen und hatte allein die Stimmen als Dienerinnen. (5) Nach dem üppigen Mahl kam jemand herein und sang unsichtbar, und ein anderer spielte die Kithara, was gleichfalls nicht zu sehen war. Dann wurden ihr die vereinten Stimmen einer großen wohltönenden

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tudinis conferta vox aures eius affertur, ut, quamvis hominum nemo pareret, chorus tamen esse pateret. 4 (1) Finitis voluptatibus vespera suadente concedit Psyche cubitum. iamque provecta nocte demens quidam sonus aures eius accedit. (2) tunc virginitati suae pro tanta solitudine metuens et pavet et horrescit et quovis malo plus timet quod ignorat. (3) iamque aderat ignobilis maritus et torum inscenderat et uxorem sibi Psychen fecerat et ante lucis exortum propere discesserat. (4) statim voces cubiculo praestolatae novam nuptam interfectae virginitatis curant. haec diutino tempore sic agebantur. (5) atque ut est natura redditum, novitas per adsiduam consuetudinem delectationem ei commendarat et sonus vocis incertae solitudinis erat solacium. (6) Interea parentes eius indefesso luctu atque maerore consenescebant latiusque porrecta fama sorores illae maiores cuncta cognorant propereque maestae atque lugubres deserto lare certatim ad parentum suorum conspectum adfatumque perrexerant. 5 (1) Ea nocte ad suam Psychen sic infit maritus – namque praeter oculos et manibus et auribus [ius nihil] sentiebatur –: (2) “Psyche dulcissima et cara uxor, exitiabile tibi periculum minatur Fortuna saevior, quod observandum pressiore cautela censeo. (3) sorores iam tuae mortis opinione turbatae tuumque vestigium requirentes scopulum istum protinus aderunt. quarum si quas forte lamentationes acceperis, neque respondeas, immo nec prospicias

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Menge ans Ohr getragen, so dass, obwohl keiner von den Menschen sichtbar war, ein Chor da doch offensichtlich war. 4 (1) Als die Genüsse zu Ende waren und der Abend sie dazu überredete, ging Psyche schlafen. Und dann, als die Nacht vorgerückt war, traf ein nicht vertrauter Ton ihr Ohr. (2) Da fürchtete sie wegen der so großen Einsamkeit für ihre Jungfräulichkeit, bebte und schauderte und ängstigte sich mehr als vor jedem möglichen Unheil vor dem, was sie nicht kannte. (3) Und nun war der unbekannte Ehemann angekommen und hatte ihr Bett bestiegen und hatte Psyche zu seiner Frau gemacht und hatte sich vor Tagesanbruch eilig entfernt. (4) Sogleich nahmen sich die im Schlafzimmer wartenden Stimmen der Neuvermählten wegen der zerstörten Jungfräulichkeit an. So ging dies lange Zeit weiter. (5) Und wie es in der Tat von der Natur bewirkt ist, hatte die neue Situation sich durch ständige Gewohnheit als Lust bei ihr beliebt gemacht, und der Klang der unerkannten Stimme war ein Trost in ihrer Einsamkeit. (6) Unterdessen alterten ihre Eltern in unermüdlicher Trauer und Trübsal, und weil die Kunde recht weit verbreitet worden war, hatten jene älteren Schwestern alles erfahren, in Eile betrübt und traurig ihr Heim verlassen und sich um die Wette auf den Weg gemacht, um ihre Eltern zu sehen und zu sprechen. 5 (1) In dieser Nacht begann zu seiner Psyche ihr Ehemann wie folgt zu sprechen – denn zwar nicht mit ihren Augen, aber sowohl mit ihren Händen als auch ihren Ohren wurde er wahrgenommen –: (2) ›Psyche, meine Süßeste, meine liebe Frau, mit tödlicher Gefahr droht dir Fortuna noch grausamer, wovor du, wie ich dir rate, dich mit angestrengterer Vorsicht in Acht nehmen musst. (3) Deine Schwestern, die jetzt wegen des Gerüchts von deinem Tod bestürzt und auf der Suche nach deiner Spur sind, werden bald jenen Felsen erreichen. Wenn du zufällig ihre Klagen vernimmst, sollst du nicht antworten, nein, überhaupt nicht hinschauen. Sonst

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omnino. ceterum mihi quidem gravissimum dolorem, tibi vero summum creabis exitium.” (4) Annuit et ex arbitrio mariti se facturam spopondit. sed eo simul cum nocte dilapso diem totum lacrimis ac plangoribus misella consumit (5) se nunc maxime prorsus perisse iterans, quae beati carceris custodia septa et humanae conversationis colloquio viduata nec sororibus quidem suis de se maerentibus opem salutarem ferre ac ne videre eas quidem omnino posset. (6) nec lavacro nec cibo nec ulla denique refectione recreata flens ubertim decessit ad somnum. 6 (1) Nec mora, cum paulo maturius lectum maritus accubans eamque etiam nunc lacrimantem complexus sic expostulat: (2) “Haecine mihi pollicebare, Psyche mea? quid iam de te tuus maritus exspecto, quid spero? et perdia et pernox nec inter amplexus coniugales desinis cruciatum. (3) age iam nunc, ut voles, et animo tuo damnosa poscenti pareto! tantum memineris meae seriae monitionis, cum coeperis sero paenitere.” (4) Tunc illa precibus et dum se morituram comminatur extorquet a marito, cupitis adnuat, ut sorores videat, luctus mulceat, ora conferat. (5) sic ille novae nuptae precibus veniam tribuit et insuper, quibuscumque vellet eas auri vel monilium donare, concessit. (6) sed identidem monuit ac saepe terruit, ne quando sororum pernicioso consilio suasa de forma mariti quaerat neve se sacrilega

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wirst du mir auf jeden Fall heftigsten Schmerz, dir aber das übelste Verderben verschaffen.‹ (4) Sie nickte zustimmend und gelobte, dass sie nach dem Willen ihres Mannes handeln werde. Doch sobald er zugleich mit der Nacht entschlüpft war, verbrachte die Arme den ganzen Tag mit Tränen und Wehklagen, (5) wobei sie wiederholt sagte, sie sei nun wahrhaftig ganz und gar verloren, da sie, im Gewahrsam eines glückseligen Kerkers eingesperrt und des menschlichen Kontaktes und Gespräches beraubt, nicht einmal ihren um sie trauernden Schwestern rettende Hilfe bringen und sie überhaupt nicht einmal sehen könne. (6) Weder durch ein Bad noch durch Speise noch sonst durch irgendeine Stärkung erquickt, zog sie sich heftig weinend zum Schlafen zurück. 6 (1) Es dauerte nicht lange, da legte sich ihr Gemahl ein wenig früher zu ihr ins Bett, nahm sie, die sogar jetzt weinte, in seine Arme und sprach wie folgt vorwurfsvoll zu ihr: (2) ›Hast du mir dies versprochen, meine Psyche? Was kann ich, dein Gemahl, nun von dir erwarten, was erhoffen? Den ganzen Tag und die ganze Nacht und sogar in der ehelichen Umarmung hörst du nicht auf mit der Selbstquälerei. (3) Handle also jetzt, wie du willst, und gehorche deinem Herzen, das Schädliches von dir verlangt! Nur sollst du dich meiner ernsten Warnung erinnern, wenn du – zu spät – zu bereuen beginnst.‹ (4) Da entrang sie ihrem Gemahl durch Bitten und indem sie drohte, sie werde sterben, dass er ihren Wünschen zustimmte, ihre Schwestern zu sehen, deren Kummer zu lindern, mit ihnen zu sprechen. (5) So gab er den Bitten seiner neuen Gattin nach und erlaubte ihr obendrein, jene mit dem, was auch immer an Gold und Juwelen sie wolle, zu beschenken. (6) Doch wieder und wieder warnte er sie und schreckte sie oft, sie solle niemals, von dem verderblichen Rat ihrer Schwestern dazu überredet, die Gestalt ihres Gemahls herauszufinden versuchen, oder solle sich nicht durch ruchlose Neu-

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curiositate de tanto fortunarum suggestu pessum deiciat nec suum postea contingat amplexum. (7) Gratias egit marito iamque laetior animo “sed prius” inquit “centies moriar, quam tuo isto dulcissimo conubio caream. amo enim te efflictim et, quicumque es, diligo aeque ut meum spiritum nec ipsi Cupidini comparo. (8) sed istud etiam meis precibus, oro, largire et illi tuo famulo Zephyro praecipe, simili vectura sorores hic mihi sistat.” (9) et imprimens oscula suasoria et ingerens verba mulcentia et inserens membra cogentia haec etiam blanditiis astruit: “mi mellite, mi marite, tuae Psychae dulcis anima.” (10) vi ac potestate venerii susurrus invitus succubuit maritus et cuncta se facturum spopondit atque etiam luce proximante de manibus uxoris evanuit. 7 (1) At illae sorores percontatae scopulum locumque illum, quo fuerat Psyche deserta, festinanter adveniunt ibique difflebant oculos et plangebant ubera, quoad crebris earum eiulatibus saxa cautesque parilem sonum resultarent. (2) iamque nomine proprio sororem miseram ciebant, quoad sono penetrabili vocis ululabilis per prona delapso amens et trepida Psyche procurrit e domo. Et “quid” inquit “vos miseris lamentationibus nequiquam effligitis? quam lugetis, adsum. (3) lugubres voces desinite et diutinis lacrimis madentes genas siccate tandem, quippe cum iam possitis quam plangebatis amplecti.” (4) Tunc vocatum Zephyrum praecepti maritalis admonet. nec mora, cum ille parens imperio statim clementissimis flatibus inno-

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gier von der so großen Höhe ihres Glücks ins Verderben stürzen, um dann niemals wieder seine Umarmung zu spüren. (7) Sie dankte ihrem Gemahl und sagte, nun froher im Herzen: ›Aber ich würde eher hundertmal sterben, als ohne diesen allersüßesten Ehebund mit dir zu sein. Ich liebe dich nämlich bis zum Wahnsinn, wer auch immer du bist, ebenso wie meine eigene Seele und setze dich nicht einmal mit Cupido gleich. (8) Doch schenke auch dies, ich flehe dich an, meinen Bitten: Befiehl jenem deinem Diener Zephyr, durch eine ähnliche Beförderung meine Schwestern hier vor mich hinzustellen.‹ (9) Und während sie ihm überredende Küsse aufpresste, ihn mit schmeichelnden Worten bestürmte und mit ihren Zwang ausübenden Gliedern umschlang, fügte sie ihren Zärtlichkeiten Worte wie ›Mein Honigsüßer, mein Gemahl, du süße Seele deiner Psyche!‹ hinzu. (10) Durch die Gewalt und Macht des verliebten Geflüsters erlag gegen seinen Willen ihr Gemahl, gelobte, er werde alles tun, und entschwand schließlich, als der Tag nahte, aus den Händen seiner Gattin. 7 (1) Doch jene Schwestern kamen, als sie den Felsen und jenen Platz erkundet hatten, an dem Psyche verlassen worden war, eilends herbei, und dort weinten sie sich die Augen aus und schlugen ihre Brüste, bis die Felsen und Klippen von einem ihrem häufigen Wehklagen ähnlichen Ton widerhallten. (2) Und nun riefen sie ihre arme Schwester mit deren eigenem Namen an, bis der durchdringende Ton ihrer heulenden Stimme über die Abhänge hinabglitt und Psyche ganz von Sinnen und ängstlich aus dem Haus hervorstürzte. Und sie sagte: ›Was bringt ihr euch sinnlos um mit euren jammervollen Klagen? Die, um die ihr trauert, ich bin da! (3) Hört auf mit den betrübten Worten und trocknet endlich eure von den dauernden Tränen nassen Wangen, wo ihr doch die, um die ihr getrauert habt, jetzt umarmen könnt!‹ (4) Dann rief sie Zephyr und erinnerte ihn an die Anweisung ihres Gemahls. Unverzüglich gehorchte er dem Befehl und trug sie

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xia vectura deportat illas. (5) iam mutuis amplexibus et festinantibus saviis sese perfruuntur et illae sedatae lacrimae postliminio redeunt prolectante gaudio. (6) “Sed et tectum” inquit “et larem nostrum laetae succedite et afflictas animas cum Psyche vestra recreate.” 8 (1) Sic allocuta summas opes domus aureae vocumque servientium populosam familiam demonstrat auribus earum lavacroque pulcherrimo et inhumanae mensae lautitiis eas opipare reficit, (2) ut illarum prorsus caelestium divitiarum copiis affluentibus satiatae iam praecordiis penitus nutrirent invidiam. (3) denique altera earum satis scrupulose curioseque percontari non desinit, quis illarum caelestium rerum dominus, quisve vel qualis ipsius sit maritus. (4) nec tamen Psyche coniugale illud praeceptum ullo pacto temerat vel pectoris arcanis exigit, sed e re nata confingit esse iuvenem quendam et speciosum, commodum lanoso barbitio genas inumbrantem, plerumque rurestribus ac montanis venatibus occupatum. (5) et, ne qua sermonis procedentis labe consilium tacitum proderetur, auro facto gemmosisque monilibus onustas eas statim vocato Zephyro tradit reportandas. 9 (1) Quo protinus perpetrato sorores egregiae domum redeuntes iamque gliscentis invidiae felle fraglantes multa secum sermonibus mutuis perstrepebant. sic denique infit altera: (2) “En orba et saeva et iniqua Fortuna! hocine tibi complacuit,

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sofort mit sehr sanftem Wehen durch sichere Beförderung hinab. (5) Und da genossen sie die gegenseitigen Umarmungen und stürmischen Küsse, und jene Tränen, die beruhigt worden waren, kehrten wieder zurück, von der Freude hervorgelockt. (6) ›Aber betretet unser Haus und Heim freudig‹, sagte sie, ›und erholt eure bekümmerten Seelen zusammen mit eurer Psyche!‹ 8 (1) Als sie das zu ihnen gesagt hatte, machte sie die riesigen Schätze ihres goldenen Hauses und das zahlreiche Personal dienender Stimmen ihren Ohren deutlich, und erquickte sie verschwenderisch mit dem allerschönsten Bad und den Delikatessen einer übernatürlichen Tafel, (2) so dass sie, von der überströmenden Fülle dieses wirklich himmlischen Reichtums überschüttet, schon tief in der Brust ihren Neid nährten. (3) Also hörte die eine von ihnen nicht auf, sehr penibel und neugierig zu erforschen, wer der Besitzer dieses himmlischen Reichtums oder wer und was für einer ihr Ehemann sei. (4) Und doch verletzte Psyche auf keine Weise jenes Gebot ihres Gemahls und vertrieb es nicht aus den Geheimnissen ihrer Brust, sondern erfand entsprechend der Situation, dass er ein hübscher junger Mann sei, dem gerade erst Bartflaum die Wangen beschatte und der meistens mit der Jagd auf Feldern und Bergen beschäftigt sei. (5) Und um nicht durch einen Lapsus während des fortschreitenden Gesprächs ihren Plan zu schweigen preiszugeben, belud sie sie mit verarbeitetem Gold und Schmuckstücken voller Edelsteine, rief sogleich Zephyr und übergab sie ihm zum Zurücktragen. 9 (1) Als das prompt ausgeführt war, kehrten die hervorragenden Schwestern nach Hause zurück, und schon glühend von der Bitterkeit des überhandnehmenden Neides machten sie beim Wortwechsel unter sich viel lautes Geschrei. Wie folgt begann schließlich die eine zu sprechen: (2) ›Sieh her, blinde und grausame und ungerechte Fortuna! Hast du dies beschlossen, dass wir, die von demselben Vater und

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ut utroque parente prognatae diversam sortem sustineremus? (3) et nos quidem, quae natu maiores sumus, maritis advenis ancillae deditae, extorres et lare et ipsa patria degamus longe parentum velut exulantes, (4) haec autem novissima, quam fetu satiante postremus partus effudit, tantis opibus et deo marito potita sit, quae nec uti recte tanta bonorum copia novit? (5) vidisti, soror, quanta in domo iacent et qualia monilia, quae praenitent vestes, quae splendicant gemmae, quantum praeterea passim calcatur aurum. (6) quodsi maritum etiam tam formonsum tenet, ut affirmat, nulla nunc in orbe toto felicior vivit. fortassis tamen procedente consuetudine et adfectione roborata deam quoque illam deus maritus efficiet. sic est hercules, sic se gerebat ferebatque. (7) iam iam sursum respicit et deam spirat mulier, quae voces ancillas habet et ventis ipsis imperat. (8) at ego misera primum patre meo seniorem maritum sortita sum, dein cucurbita calviorem et quovis puero pusilliorem, cunctam domum seris et catenis obditam custodientem.” 10 (1) Suscipit alia: “ego vero maritum articulari etiam morbo complicatum curvatumque ac per hoc rarissimo venerem meam recolentem sustineo, (2) plerumque detortos et duratos in lapidem digitos eius perfricans, fomentis olidis et pannis sordidis et faetidis cataplasmatibus manus tam delicatas istas adurens nec uxoris officiosam faciem, sed medicae laboriosam personam sustinens. (3) et tu quidem, soror, videris, quam patienti vel potius servili – dicam enim

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derselben Mutter abstammenden Schwestern, ein verschiedenes Geschick ertragen müssen? (3) Und wir, die wir älter sind, ausländischen Ehemännern als Mägde ausgeliefert, ausgestoßen von daheim und sogar aus dem Vaterland, leben als Verbannte fern von unseren Eltern, (4) die aber, die Jüngste, welche die letzte Geburt am Ende der Fruchtbarkeit ausschüttete, soll so große Reichtümer und einen Gott als Mann besitzen, sie, die mit einer so großen Fülle an Gütern nicht einmal richtig umzugehen weiß? (5) Du hast gesehen, Schwester, wie viele und wie kostbare Schmuckstücke in ihrem Hause liegen, was für Gewänder glänzen, was für Edelsteine funkeln, auf wie viel Gold man außerdem überall tritt. (6) Wenn sie aber auch noch einen so schönen Ehemann besitzt, wie sie behauptet, lebt zurzeit keine glücklichere Frau auf dem ganzen Erdkreis. Vielleicht aber wird, wenn ihr Liebesverhältnis voranschreitet und die Zuneigung sich verstärkt hat, der göttliche Ehemann sie auch noch zur Göttin machen. So ist es, beim Herkules, so benahm und bewegte sie sich. (7) Jetzt schon blickt sie auf zum Himmel und die Aura einer Göttin verbreitet die Frau, die Stimmen als Mägde hat und selbst den Winden Befehle erteilt. (8) Doch ich Arme habe vom Schicksal einen Mann bekommen, der erstens älter ist als mein Vater, zweitens kahler als ein Kürbis und kleiner als jedes nur denkbare Kind, und der das ganze Haus bewacht, das er mit Riegeln und Ketten verschlossen hat.‹ 10 (1) Die andere fuhr fort: ›Ich aber muss einen Mann aushalten, der durch Arthritis verbogen und gekrümmt ist und deshalb höchst selten seine Verehrung meines Eros wiederholt, (2) während ich sehr oft seine verbogenen und zu Stein verhärteten Finger einreibe, wobei ich mir mit den stinkenden Umschlägen, schmutzigen Lappen und übel riechenden Kompressen an diesen meinen so zarten Händen Blasen hole und nicht das pflichteifrige Aussehen einer Ehefrau habe, sondern die mühselige Rolle einer Krankenschwester übernehme. (3) Und du, Schwester, magst nun zwar zusehen, mit welch geduldigem oder eher sklavischem Sinn – ich will

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libere quod sentio – haec perferas animo. enimvero ego nequeo sustinere ulterius tam beatam fortunam allapsam indignae. (4) recordare enim, quam superbe, quam adroganter nobiscum egerit et ipsa iactatione immodicae ostentationis tumentem suum prodiderit animum (5) deque tantis divitiis exigua nobis invita proiecerit confestimque praesentia nostra gravata propelli et efflari exsibilarique nos iusserit. (6) nec sum mulier nec omnino spiro, nisi eam pessum de tantis opibus deiecero. ac si tibi etiam, ut par est, inacuit nostra contumelia, consilium validum requiramus ambae. (7) iamque ista, quae ferimus, non parentibus nostris ac nec ulli monstremus alii, immo nec omnino quicquam de eius salute norimus. (8) sat est, quod ipsae vidimus quae vidisse paenituit, nedum ut genitoribus et omnibus populis tam beatum eius differamus praeconium. nec sunt enim beati, quorum divitias nemo novit. (9) sciet se non ancillas, sed sorores habere maiores. et nunc quidem concedamus ad maritos et lares pauperes nostros, sed plane sobrios revisamus, denique cogitationibus pressioribus instructae ad superbiam poeniendam firmiores redeamus.” 11 (1) Placet pro bono duabus malis malum consilium. totisque illis tam pretiosis muneribus absconditis comam trahentes et, proinde ut merebantur, ora lacerantes simulatos redintegrant fletus. (2) ac sic parentes quoque redulcerato prorsum dolore raptim de-

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nämlich frei heraus sagen, was ich denke – du das erduldest. Ich aber kann nicht länger ertragen, dass ein so glückseliges Schicksal einer Unwürdigen zugefallen ist. (4) Erinnere dich nur daran, wie hochmütig, wie anmaßend sie mit uns umging und wie sie gerade durch die Prahlerei einer maßlosen Zurschaustellung ihren aufgeblasenen Sinn verriet, (5) uns von ihrem so großen Reichtum widerwillig Weniges hinwarf und, weil sie sich durch unsere Gegenwart belästigt fühlte, hastig befahl, dass wir vertrieben, hinausgeblasen und hinausgezischt wurden. (6) Ich bin keine Frau, ich atme überhaupt nicht, wenn ich sie nicht von ihren so großen Schätzen herab ins Verderben stürze. Und wenn auch dich, wie recht und billig ist, ihre Beleidigung von uns beiden verdrossen hat, lass uns beide nach einem wirksamen Plan suchen. (7) Und lass uns nun diese Sachen hier, die wir bei uns tragen, nicht unseren Eltern und nicht irgendeinem anderen zeigen, nein, noch besser, lass uns überhaupt nichts von ihrer Rettung wissen. (8) Es ist genug, dass wir selbst gesehen haben, was gesehen zu haben uns ärgerte, geschweige denn dass wir bei unseren Eltern und allen Leuten einen so glückseligen Bericht über sie verbreiten. Denn diejenigen sind nicht glückselig, von deren Reichtum niemand weiß. (9) Sie wird erfahren, dass sie keine Mägde, sondern ältere Schwestern an uns hat. Und nun lass uns jedenfalls zu unseren Männern gehen und unsere armen, aber durchaus ehrbaren Heimstätten wieder aufsuchen, schließlich gerüstet mit ernsthaften Überlegungen zurückkehren, besser gestärkt zur Bestrafung ihres Hochmuts.‹ 11 (1) Den beiden Bösen gefiel der böse Plan, als wäre es ein guter. Und nachdem sie alle jene so wertvollen Geschenke versteckt hatten, zerrauften sie ihre Haare, zerkratzten gerade so, wie sie es verdienten, ihre Gesichter und begannen erneut ihr erheucheltes Weinen. (2) Und so erschreckten sie auch hastig ihre Eltern, nachdem sie ihnen ganz und gar den Schorf von ihrer Wunde gerissen hatten, und begaben sich angeschwollen von ihrer Wut zu ihren eigenen Häusern, wobei sie sich eine verbrecherische Täuschung,

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terrentes vesania turgidae domus suas contendunt dolum scelestum, immo vero parricidium struentes contra sororem insontem. (3) Interea Psychen maritus ille, quem nescit, rursum suis illis nocturnis sermonibus sic commonet: “videsne, quantum tibi periculum 〈minatur〉? velitatur Fortuna eminus ac, nisi longe firmiter praecaves, mox comminus congredietur. (4) perfidae lupulae magnis conatibus nefarias insidias tibi comparant, quarum summa est, ut te suadeant meos explorare vultus, quos, ut tibi saepe praedixi, non videbis, si videris. (5) ergo igitur, si posthac pessimae illae Lamiae noxiis animis armatae venerint – venient autem, scio –, neque omnino sermonem conferas et, si id tolerare pro genuina simplicitate proque animi tui teneritudine non potueris, certe de marito nil quicquam vel audias vel respondeas. (6) nam et familiam nostram iam propagabimus et hic adhuc infantilis uterus gestat nobis infantem alium, si texeris nostra secreta silentio, divinum, si profanaveris, mortalem.” 12 (1) Nuntio Psyche laeta florebat et divinae subolis solacio plaudebat et futuri pignoris gloria gestiebat et materni nominis dignitate gaudebat. (2) crescentes dies et menses exeuntes anxia numerat et sarcinae nesciae rudimento miratur de brevi punctulo tantum incrementulum locupletis uteri. (3) Sed iam pestes illae taeterrimaeque Furiae anhelantes vipereum virus et festinantes impia celeritate navigabant. tunc sic iterum momentarius maritus suam Psychen admonet: (4) “〈adest〉 dies

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nein sogar Verwandtenmord gegen ihre unschuldige Schwester ausdachten. (3) Inzwischen warnte Psyche jener Gatte, den sie nicht kannte, wieder in jenen nächtlichen Gesprächen mit ihr wie folgt: ›Siehst du, was für eine große Gefahr dir droht? Fortuna plänkelt aus der Ferne, und wenn du dich nicht besonders standhaft in Acht nimmst, wird sie bald im Nahkampf mit dir zusammenstoßen. (4) Die treulosen kleinen Huren bereiten mit großen Anstrengungen ruchlose Tricks für dich vor, deren Gipfel ist, dass sie dich überreden, meine Gesichtszüge zu erforschen, die du, wie ich dir oft vorhergesagt habe, nicht mehr sehen wirst, wenn du sie gesehen hast. (5) Wenn also später jene bitterbösen Lamien bewaffnet mit ihren verderblichen Herzen kommen – und sie werden in der Tat kommen, ich weiß es –, dann unterhalte dich mit ihnen überhaupt nicht, und wenn du das aufgrund deiner angeborenen Arglosigkeit und der Zartheit deines eigenen Herzens nicht kannst, sollst du gewiss nichts über deinen Gemahl anhören oder beantworten. (6) Denn wir werden bald unsere Familie vergrößern, und dieser bisher kindliche Uterus trägt für uns ein anderes Kind – wenn du unsere Geheimnisse mit Schweigen zudeckst, ein göttliches, wenn du sie entweihst, ein sterbliches.‹ 12 (1) Bei der Nachricht erblühte Psyche froh gestimmt, klatschte in die Hände beim trostreichen Gedanken an einen göttlichen Nachwuchs, jubelte über den Ruhm des künftigen Liebespfandes und freute sich über die Würde des Namens ›Mutter‹. (2) Die sich vermehrenden Tage und die schwindenden Monate zählte sie ängstlich, und weil sie die erste Erfahrung mit einer unbekannten Bürde machte, wunderte sie sich über das so starke kleine Wachstum ihres fruchtbaren Leibes infolge eines kurzen Stichleins. (3) Doch schon waren jene ansteckenden Krankheiten und entsetzlichen Furien, Schlangengift aushauchend und mit ruchloser Schnelligkeit dahineilend, zu Schiff unterwegs. Da ermahnte der Gatte von stets kurzer Dauer sie wiederum wie folgt: (4) ›Der letzte

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ultima et casus extremus et sexus infestus et sanguis inimicus iam sumpsit arma et castra commovit et aciem direxit et classicum personavit. iam mucrone destricto iugulum tuum nefariae tuae sorores petunt. (5) heu quantis urguemur cladibus, Psyche dulcissima! tui nostrique miserere religiosaque continentia domum maritum teque et istum parvulum nostrum imminentis ruinae infortunio libera. (6) nec illas scelestas feminas, quas tibi post internecivum odium et calcata sanguinis foedera sorores appellare non licet, vel videas vel audias, cum in morem Sirenum scopulo prominentes funestis vocibus saxa personabunt.” 13 (1) Suscipit Psyche singultu lacrimoso sermonem incertans: “iam dudum, quod sciam, fidei atque parciloquio meo perpendisti documenta nec eo setius adprobabitur tibi nunc etiam firmitas animi mei. (2) tu modo Zephyro nostro rursum praecipe, fungatur obsequio, et in vicem denegatae sacrosanctae imaginis tuae redde saltem conspectum sororum. (3) per istos cinnameos et undique pendulos crines tuos, per teneras et teretes et mei similes genas, per pectus nescio quo calore fervidum, sic in hoc saltem parvulo cognoscam faciem tuam: (4) supplicis anxiae piis precibus erogatus germani complexus indulge fructum et tibi devotae dicataeque Psychae animam gaudio recrea. (5) nec quicquam amplius in tuo

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Tag und die äußerste Gefahr sind da, und das bedrohliche Geschlecht und das feindliche Blut haben schon die Waffen ergriffen, das Lager zum Weitermarschieren abgebrochen, die Schlachtreihe formiert und die Kriegstrompete ertönen lassen. Jetzt gehen deine ruchlosen Schwestern mit gezücktem Schwert auf deine Kehle los. (5) Ach, von welch großen Katastrophen werden wir bedrängt, süßeste Psyche! Hab Erbarmen mit dir und mit mir und mit gewissenhafter Selbstbeherrschung befreie dein Haus, deinen Gatten, dich und dieses unser Kleines von dem Elend der drohenden Vernichtung. (6) Du sollst jene verbrecherischen Frauen, die du nach ihrem tödlichen Hass und nachdem sie die Blutsbande mit Füßen getreten haben, nicht mehr Schwestern nennen darfst, weder sehen noch hören, wenn sie nach Art der sich über die Klippen lehnenden Sirenen mit ihren tödlichen Stimmen die Felsen widerhallen lassen.‹ 13 (1) Psyche antwortete, wobei sie durch tränenreiches Schluchzen ihre Rede undeutlich werden ließ: ›Schon längst hast du, soweit ich weiß, die Beweise für meine Treue und Zurückhaltung beim Reden genau abgewogen, und nicht anders wird auch jetzt die Festigkeit meiner Seelenhaltung deine Zustimmung finden. (2) Befiehl du nur wieder unserem Zephyr, seiner Verpflichtung nachzukommen, und statt deiner mir verweigerten heiligen Erscheinung gib mir wenigstens erneut den Anblick meiner Schwestern. (3) Bei diesen deinen nach Zimt duftenden und nach allen Seiten herabhängenden Haaren, bei deinen zarten, runden und den meinen ähnlichen Wangen, bei deiner von ich weiß nicht welcher Glut erhitzten Brust, so wahr ich doch wenigstens an diesem Kleinen deine Gestalt kennenlernen möchte: (4) Gewähre mir, durch die frommen Bitten einer ängstlich Flehenden dazu bewogen, den Genuss der schwesterlichen Umarmung und erquicke durch Freude die Seele der dir geweihten und hingegebenen Psyche. (5) Ich forsche nicht weiter nach deinen Gesichtszügen, nicht länger beeinträchti-

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vultu requiro, iam nil officiunt mihi nec ipsae nocturnae tenebrae: teneo te, meum lumen.” (6) His verbis et amplexibus mollibus decantatus maritus lacrimasque eius suis crinibus detergens facturum spopondit et praevertit statim lumen nascentis diei. 14 (1) Iugum sororium consponsae factionis ne parentibus quidem visis recta de navibus scopulum petunt illum praecipiti cum velocitate nec venti ferentis oppertae praesentiam licentiosa cum temeritate prosiliunt in altum. (2) nec immemor Zephyrus regalis edicti, quamvis invitus, susceptas eas gremio spirantis aurae solo reddidit. (3) at illae incunctatae statim conferto vestigio domum penetrant complexaeque praedam suam sorores nomine mentientes thensaurumque penitus abditae fraudis vultu laeto tegentes sic adulant: (4) “Psyche, non ita ut pridem parvula, et ipsa iam mater es. quantum, putas, boni nobis in ista geris perula! quantis gaudiis totam domum nostram hilarabis! (5) o nos beatas, quas infantis aurei nutrimenta laetabunt! qui si parentum, ut oportet, pulchritudini responderit, prorsus Cupido nascetur.” 15 (1) Sic adfectione simulata paulatim sororis invadunt animum. statimque eas lassitudine viae sedilibus refotas et balnearum vaporosis fontibus curatas pulcherrime triclinio mirisque illis et beatis edulibus atque tuccetis oblectat. (2) iubet citharam loqui: psallitur; tibias agere: sonatur; choros canere: cantatur. quae cuncta nullo praesente dulcissimis modulis animos audientium remulce-

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gen mich selbst die nächtlichen Schatten: Ich halte dich, mein Licht!‹ (6) Von diesen Worten und weichen Umarmungen verzaubert, gelobte ihr Gemahl, während er ihre Tränen mit seinen Haaren abwischte, er werde es tun, und kam sofort dem Licht des anbrechenden Tages zuvor. 14 (1) Das zu einer Verschwörung verbundene Schwesterngespann eilte, nachdem es nicht einmal die Eltern besucht hatte, mit überstürzter Geschwindigkeit geradewegs von den Schiffen zu jenem Felsen und sprang, ohne die Anwesenheit des Windes, der es tragen würde, abzuwarten, in ungezügelter Verwegenheit in die Tiefe. (2) Zephyr, nicht uneingedenk des königlichen Erlasses, nahm sie, wenn auch widerwillig, in seinen Schoß der wehenden Brise und gab sie dem Erdboden wieder. (3) Doch sie drangen, ohne zu zögern, sofort im Gleichschritt in das Haus ein, umarmten ihre Beute, gaben sich dem Namen nach trügerisch als Schwestern, verdeckten mit fröhlicher Miene ihren Reichtum an tief versteckter Betrügerei und schmeichelten ihr so: (4) ›Psyche, nicht so wie früher bist du die Kleine, ja bist jetzt selbst Mutter. Wie viel Gutes, glaubst du, trägst du für uns in diesem deinem Ränzchen! Mit welch großen Freuden wirst du unser ganzes Haus erheitern! (5) O wir Glückseligen, die das Aufziehen des goldenen Kindes erfreuen wird! Wenn es, wie es sein muss, der Schönheit seiner Eltern entspricht, wird ein richtiger Cupido geboren werden.‹ 15 (1) So drangen sie mit geheuchelter Zuneigung allmählich in die Seele ihrer Schwester ein. Sogleich erfreute diese sie, nachdem sie sich auf Sesseln von der Ermüdung infolge der Reise erholt hatten und für sie mit Dampfwasserbädern aufs Schönste gesorgt worden war, im Triklinium mit jenen wunderbaren und reichlichen Speisen und Delikatessen. (2) Sie befahl, dass die Kithara spreche: Sie wurde gespielt; die Flöte zu blasen: Sie ertönte; dass Chöre sängen: Es wurde gesungen. Dies alles streichelte, obwohl niemand da war, mit

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bant. (3) nec tamen scelestarum feminarum nequitia vel illa mellita cantus dulcedine mollita conquievit, sed ad destinatam fraudium pedicam sermonem conferentes dissimulanter occipiunt sciscitari, qualis ei maritus et unde natalium secta cuia proveniret. (4) tunc illa simplicitate nimia pristini sermonis oblita novum commentum instruit aitque maritum suum de provincia proxima magnis pecuniis negotiantem iam medium cursum aetatis agere interspersum rara canitie. (5) nec in sermone isto tantillum morata rursum opiparis muneribus eas onustas ventoso vehiculo reddidit. 16 (1) Sed dum Zephyri tranquillo spiritu sublimatae domum redeunt, sic secum altercantes: “quid, soror, dicimus de tam monstruoso fatuae illius mendacio? (2) tunc adolescens modo florenti lanugine barbam instruens, nunc aetate media candenti canitie lucidus. quis ille, quem temporis modici spatium repentina senecta reformavit? (3) nil aliud repperies, mi soror, quam vel mendacium istam pessimam feminam confingere vel formam mariti sui nescire; quorum utrum verum est, opibus istis quam primum exterminanda est. (4) quodsi viri sui faciem ignorat, deo profecto denupsit et deum nobis praegnatione ista gerit. certe si divini puelli – quod absit – haec mater audierit, statim me laqueo nexili suspendam.

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den süßesten Melodien die Seelen der Zuhörenden. (3) Und doch wurde die Schlechtigkeit der verbrecherischen Frauen nicht einmal durch jene Honigsüße des Gesangs gemildert und kam nicht zur Ruhe, sondern sie lenkten das Gespräch auf die geplante Fußangel der Heimtücke und begannen verschlagen immer wieder zu fragen, was für eine Art von Ehemann sie habe, von wo er abstamme und aus welchem Beruf er komme. (4) Da konstruierte sie, weil sie in ihrer übergroßen Naivität ihre ursprünglichen Worte vergaß, die neue Lügengeschichte, dass ihr Mann aus der nächsten Provinz sei, Geschäfte mit viel Geld mache, schon die mittlere Bahn des Lebens durchlaufe und hie und da mit grauem Haar gesprenkelt sei. (5) Aber bei dieser Unterhaltung hielt sie sich auch nicht ein kleines Bisschen auf, belud sie wieder mit reichen Geschenken und gab sie ihrem Windfahrzeug zurück. 16 (1) Doch während sie, von dem ruhigen Wehen des Zephyrs in die Höhe getragen, nach Hause zurückkehrten, überlegten sie wie folgt miteinander hin und her: ›Schwester, was sagen wir über eine solch ungeheuerliche Lüge der dummen Person da? (2) Damals ein junger Mann, der sich seinen Bart mit gerade blühendem Flaum wachsen ließ, jetzt in mittlerem Alter, glänzend von schimmerndem Weiß. Wer ist der, den ein kurzer Zeitraum durch plötzliches Greisenalter verwandelt hat? (3) Nichts anderes wirst du herausfinden, meine Schwester, als dass entweder diese üble Frau eine Lüge erdichtet oder die Gestalt ihres Mannes nicht kennt; was auch immer von beidem wahr ist, sie muss von diesen Schätzen so schnell wie möglich vertrieben werden. (4) Wenn sie aber die Gestalt ihres Mannes nicht kennt, hat sie mit Sicherheit einen Gott geheiratet und trägt uns mit dieser Schwangerschaft einen Gott. Auf jeden Fall werde ich mich, wenn die da – was der Himmel verhüte! – Mutter eines göttlichen Knaben heißt, auf der Stelle mit einer verknoteten Schlinge aufhängen. (5) Also lass uns vorerst zu unseren Eltern zurückkehren und zum ersten Faden dieses Gesprächs Lügenge-

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(5) ergo interim ad parentes nostros redeamus et exordio sermonis huius quam concolores fallacias adtexamus.” 17 (1) Sic inflammatae parentibus fastidienter appellatis et nocte turbatis vigiliis perditae matutino scopulum pervolant et inde solito venti praesidio vehementer devolant lacrimisque pressura palpebrarum coactis hoc astu puellam appellant: (2) “Tu quidem felix et ipsa tanti mali ignorantia beata sedes incuriosa periculi tui, nos autem, quae pervigili cura rebus tuis excubamus, cladibus tuis misere cruciamur. (3) pro vero namque comperimus nec te, sociae scilicet doloris casusque tui, celare possumus immanem colubrum multinodis voluminibus serpentem, veneno noxio colla sanguinantem hiantemque ingluvie profunda tecum noctibus latenter adquiescere. (4) nunc recordare sortis Pythicae, quae te trucis bestiae nuptiis destinatam esse clamavit. et multi coloni quique circumsecus venantur et accolae plurimi viderunt eum vespera redeuntem e pastu proximique fluminis vadis innatantem. 18 (1) Nec diu blandis alimoniarum obsequiis te saginaturum omnes adfirmant, sed cum primum praegnationem tuam plenus maturaverit uterus, opimiore fructu praeditam devoraturum. (2) ad haec iam tua est existimatio, utrum sororibus pro tua cara salute sollicitis adsentiri velis et declinata morte nobiscum secura periculi

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spinste hinzuweben, die ihm so gut wie möglich in der Farbe gleichen.‹ 17 (1) In dieser Weise entflammt, begrüßten sie ihre Eltern nur verächtlich, indem sie diese mitten in der Nacht störten, kamen, ganz erledigt vom nächtlichen Wachbleiben, am frühen Morgen in fliegender Eile zu dem Felsen, flogen von dort unter dem gewohnten Schutz des Windes ungestüm hinab und redeten unter Tränen, die sie durch Pressen der Augenlider herauszwangen, das Mädchen mit Arglist wie folgt an: (2) ›Ja, du sitzt glücklich und gerade wegen deiner Unkenntnis eines so großen Unheils selig da, unbesorgt um die Gefahr für dich, wir aber, die wir infolge der Sorge um deine Lage schlaflose Nächte verbringen, sind durch die dir drohende Katastrophe elendiglich gequält. (3) Denn wir haben als wahr erfahren und können dir, da wir natürlich Gefährtinnen in deinem Schmerz und den Wechselfällen deines Schicksals sind, nicht verheimlichen, dass eine ungeheuer große Schlange, die in vielverschlungenen Windungen daherkriecht, von schädlichem Gift am Hals blutrot und den Rachen mit unergründlicher Gefräßigkeit aufsperrend, während der Nächte heimlich neben dir ruht. (4) Jetzt erinnere dich an das pythische Orakel, das laut verkündete, du seist für die Hochzeit mit einer grausamen Bestie bestimmt worden. Und viele Bauern und die, welche in der Umgebung jagen, und sehr viele Anwohner sahen sie, wie sie am Abend vom Fraß zurückkehrte und im seichten Gewässer des nahen Flusses schwamm. 18 (1) Und nicht mehr lang wird er dich mit dem freundlichen Speiseservice mästen, wie alle versichern, sondern, sobald dein voller Mutterleib deine Schwangerschaft hat ausreifen lassen, dich, weil du mit einer fetteren Frucht ausgestattet bist, verschlingen. (2) Im Hinblick darauf ist es nun an dir einzuschätzen, ob du deinen Schwestern, die um dein teures Wohlbefinden besorgt sind, beistimmen und nach Vermeidung des Todes mit uns ohne Furcht vor Gefahr leben oder in den Eingeweiden der allergrausamsten Bestie

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vivere an saevissimae bestiae sepeliri visceribus. (3) quodsi te ruris huius vocalis solitudo vel clandestinae veneris faetidi periculosique concubitus et venenati serpentis amplexus delectant, certe piae sorores nostrum fecerimus.” (4) Tunc Psyche misella, utpote simplex et animi tenella, rapitur verborum tam tristium formidine. extra terminum mentis suae posita prorsus omnium mariti monitionum suarumque promissionum memoriam effudit (5) et in profundum calamitatis sese praecipitavit tremensque et exsangui colore lurida tertiata verba semihianti voce substrepens sic ad illas ait: 19 (1) “Vos quidem, carissimae sorores, ut par erat, in officio vestrae pietatis permanetis, verum et illi, qui talia vobis adfirmant, non videntur mihi mendacium fingere. (2) nec enim umquam viri mei vidi faciem vel omnino cuiatis sit novi, sed tantum nocturnis subaudiens vocibus maritum incerti status et prorsus lucifugam tolero bestiamque aliquam recte dicentibus vobis merito consentio. (3) meque magnopere semper a suis terret aspectibus malumque grande de vultus curiositate praeminatur. (4) nunc si quam salutarem opem periclitanti sorori vestrae potestis adferre, iam nunc subsistite. ceterum incuria sequens prioris providentiae beneficia conrumpit.” (5) Tunc nanctae iam portis patentibus nudatum sororis animum facinerosae mulieres, omissis tectae machinae latibulis, destrictis gladiis fraudium simplicis puellae paventes cogitationes invadunt.

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begraben werden willst. (3) Wenn dich aber die stimmenreiche Einsamkeit dieses Landsitzes, das stinkende und gefährliche Zusammenliegen bei heimlichem Sex und die Umarmungen einer giftigen Schlange erfreuen, haben jedenfalls wir als treue Schwestern unsere Pflicht getan.‹ (4) Da wurde die arme Psyche, arglos und sanftmütig, wie sie war, von dem Terror der so düsteren Worte gepackt. Jenseits der Grenzen ihres eigenen Verstandes ausgesetzt, ließ sie ganz und gar die Erinnerung an alle Ermahnungen ihres Gemahls und ihre Versprechen dahinfließen, (5) stürzte sich kopfüber in einen Abgrund des Unheils, flüsterte zitternd und bleich, da das Blut aus ihrem Gesicht gewichen war, mit halb geöffnetem Mund gestammelte Worte und sprach zu ihnen wie folgt: 19 (1) ›Ihr, liebste Schwestern, haltet gewiss, wie es auch recht ist, an der Pflicht der Liebe zu eurer Schwester fest, aber mir scheinen auch die, die euch solches versichern, keine Lüge zu erdichten. (2) Ich habe nämlich nie die Gestalt meines Mannes gesehen und weiß überhaupt nicht, woher er kommt, sondern gebe nur gehorsam auf seine nächtlichen Worte acht und ertrage einen Ehegatten mit ungewissem Status, einen, der ganz und gar lichtscheu ist, und wenn ihr ihn richtig als Bestie bezeichnet, stimme ich euch mit Recht zu. (3) Mich schreckt er immer mit Nachdruck von seinem Anblick ab und droht mir im Voraus großes Unheil als Folge der Neugier auf seine Züge an. (4) Wenn ihr jetzt eurer sich in Gefahr befindenden Schwester irgendwelche heilsame Hilfe bringen könnt, steht mir gleich jetzt bei. Denn nachfolgende Nachlässigkeit macht die Wohltaten vorheriger Vorsicht zunichte.‹ (5) Da hatten, weil nun die Tore offenstanden, von der wehrlosen Seele ihrer Schwester Besitz ergriffen die ruchlosen Frauen, ließen ab vom Verheimlichen ihrer verdeckten Belagerungsmaschine und drangen mit ihren gezückten Schwertern der Tücke in die ängstlichen Gedanken des arglosen Mädchens ein.

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20 (1) Sic denique altera: “quoniam nos originis nexus pro tua incolumitate 〈ne〉 periculum quidem ullum ante oculos habere compellit, viam, quae sola deducit iter ad salutem, diu diuque cogitatam monstrabimus tibi. (2) novaculam praeacutam, adpulsu etiam palmulae lenientis exasperatam, tori qua parte cubare consuesti, latenter absconde lucernamque concinnem completam oleo, claro lumine praemicantem subde aliquo claudentis aululae tegmine. (3) omnique isto apparatu tenacissime dissimulato, postquam sulcatos intrahens gressus cubile solitum conscenderit iamque porrectus et exordio somni prementis implicitus altum soporem flare coeperit, (4) toro delapsa nudoque vestigio pensilem gradum paullulatim minuens caecae tenebrae custodia liberata lucerna praeclari tui facinoris opportunitatem de luminis consilio mutuare (5) et ancipiti telo illo audaciter, prius dextera sursum elata, nisu quam valido noxii serpentis nodum cervicis et capitis abscide. (6) nec nostrum tibi deerit subsidium; sed cum primum illius morte salutem tibi feceris, anxiae praestolabimus cunctisque istis opibus tecum relatis votivis nuptiis hominem te iungemus homini.” 21 (1) Tali verborum incendio flammata viscera sororis prorsus ardentis deserentes ipsae protinus tanti mali confinium sibi etiam eximie metuentes (2) flatus alitis impulsu solito porrectae super scopulum ilico pernici se fuga proripiunt statimque conscensis navibus abeunt.

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20 (1) So sprach also die eine: ›Da uns das Band unserer Abstammung zwingt, im Interesse deiner Unversehrtheit keine Gefahr zu missachten, werden wir dir den Weg weisen, der allein zur Rettung führt und über den wir lange, lange nachgedacht haben. (2) Ein sehr scharfes Messer, das auch schon durch die Berührung deiner kleinen Hand, wenn sie darüber streicht, zum Schneiden gereizt wird, verbirg heimlich auf der Seite des Bettes, wo du zu liegen pflegst, stelle eine gebrauchsfertige Lampe, die, mit Öl gefüllt, mit klarem Licht hell scheint, unter die Hülle irgendeines kleinen Topfes, der sie verdeckt. (3) Und wenn du alle diese Vorbereitungen sehr strikt geheim gehalten hast, gleite, nachdem er, eine gefurchte Spur ziehend, auf sein gewohntes Bett gestiegen ist und, schon ausgestreckt und vom Beginn des ihn bezwingenden Schlafes umschlungen, in tiefem Schlummer zu schnarchen begonnen hat, (4) vom Bett herab, verlangsame barfuß auf Zehenspitzen allmählich deinen Schritt, befreie die Lampe aus ihrer Haft blinder Dunkelheit, leihe dir die Gelegenheit zu deiner herrlichen Tat vom Rat deiner Lampe (5) und schneide mit jener doppelt geschliffenen Waffe, vorher die Rechte in die Höhe hebend, beherzt mit einem möglichst kräftigen Schwung den Knoten zwischen Nacken und Kopf durch. (6) Unsere Hilfe wird dir nicht fehlen; nein, sobald du dir durch seinen Tod die Rettung verschafft hast, werden wir voller Sorge auf dich warten, und wenn wir alle diese Schätze zusammen mit dir weggetragen haben, werden wir in einer Ehe nach deinem Wunsch dich, einen Menschen, mit einem Menschen verbinden.‹ 21 (1) Das durch solch ein Feuer der Worte entflammte Innere der schon durchgehend brennenden Schwester verließen sie selbst sofort, weil sie die Nähe eines so großen Unheils auch für sich in hohem Maße fürchteten, (2) und nachdem sie von dem gewohnten Schub der geflügelten Brise oben auf dem Felsen niedergesetzt worden waren, machten sie sich sofort in hastiger Flucht davon, bestiegen ihre Schiffe und fuhren stracks fort.

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(3) At Psyche relicta sola, nisi quod infestis Furiis agitata sola non est, aestu pelagi simile maerendo fluctuat et, quamvis statuto consilio et obstinato animo, iam tamen facinori suas manus admovens adhuc incerta consilii titubat multisque calamitatis suae distrahitur affectibus. (4) festinat differt, audet trepidat, diffidit irascitur et, quod est ultimum, in eodem corpore odit bestiam, diligit maritum. vespera tamen iam noctem trahente praecipiti festinatione nefarii sceleris instruit apparatum. (5) nox aderat et maritus aderat primusque Veneris proeliis velitatus altum 〈in〉 soporem descenderat. 22 (1) Tunc Psyche et corporis et animi alioquin infirma, fati tamen saevitia subministrante viribus roboratur et prolata lucerna et adrepta novacula sexum audacia mutavit. (2) sed cum primum luminis oblatione tori secreta claruerunt, videt omnium ferarum mitissimam dulcissimamque bestiam, ipsum illum Cupidinem formonsum deum formonse cubantem. cuius aspectu lucernae quoque lumen hilaratum increbruit et acuminis sacrilegi novacula praenitebat. (3) at vero Psyche tanto aspectu deterrita et impos animi, marcido pallore defecta tremensque desedit in imos poplites et ferrum quaerit abscondere, sed in suo pectore. (4) quod profecto fecisset, nisi ferrum timore tanti flagitii manibus temerariis delapsum evolasset. iamque lassa, salute defecta, dum saepius divini vultus intuetur pulchritudinem, recreatur animi.

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(3) Nun, Psyche war allein zurückgelassen, nur dass sie, von feindlichen Furien gehetzt, nicht allein war, sie wogte in ihrem Kummer hin und her wie auf einer Meeresbrandung, und obwohl ihr Plan feststand und ihr Sinn darauf beharrte, schwankte sie dennoch jetzt, als sie dabei war, ihre Hände zu der Tat zu lenken, noch unsicher in ihrem Plan und wurde von vielen durch ihr Unglück hervorgerufenen Gefühlen hin und her gerissen. (4) Sie beeilte sich und schob auf, war kühn und hatte Angst, sie hatte keine Zuversicht und wurde zornig und, was das Schlimmste war, in einem und demselben Körper hasste sie die Bestie, liebte den Ehemann. Als aber der Abend schon die Nacht hinter sich her zog, traf sie in überstürzter Eile die Vorbereitungen für das ruchlose Verbrechen. (5) Die Nacht war da und der Gatte war da, und als er zuerst in den Kämpfen der Venus geplänkelt hatte, war er in tiefen Schlaf versunken. 22 (1) Da wurde Psyche, sonst schwach an Körper und Seele, jetzt doch, weil die Grausamkeit des Schicksals ihr dazu verhalf, durch Kräfte gestärkt, und sie holte die Lampe hervor, ergriff das Messer, und Wagemut verwandelte ihr Geschlecht. (2) Aber sobald durch die Gabe der Lampe die Geheimnisse des Bettes sichtbar geworden waren, sah sie von allen wilden Tieren die sanfteste und süßeste Bestie, Cupido selbst, den schönen Gott, wie er schön schlief. Bei seinem Anblick strahlte auch das Licht der Lampe vor Freude heller, und das Messer mit seiner ruchlosen Schärfe leuchtete hervor. (3) Doch Psyche, von einem so gewaltigen Anblick heftig erschreckt und ihrer Sinne nicht mehr mächtig, fiel geschwächt und bleich fast in Ohnmacht, sank zitternd tief in die Knie und versuchte das Eisen zu verbergen, aber in ihrer eigenen Brust. (4) Das hätte sie wahrhaftig getan, wenn das Eisen nicht aus Furcht vor einer so großen Schandtat ihren unbesonnenen Händen entschlüpft und entflohen wäre. Und während sie nun, erschöpft und eines Mittels zur Rettung beraubt, immer wieder die Schönheit der göttlichen Erscheinung betrachtete, kam sie seelisch wieder zu Kräften.

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(5) Videt capitis aurei genialem caesariem ambrosia temulentam, cervices lacteas genasque purpureas pererrantes crinium globos decoriter impeditos, alios antependulos, alios retropendulos, quorum splendore nimio fulgurante iam et ipsum lumen lucernae vacillabat. (6) per umeros volatilis dei pinnae roscidae micanti flore candicant et quamvis alis quiescentibus extimae plumulae tenellae ac delicatae tremule resultantes inquieta lasciviunt. (7) ceterum corpus glabellum atque luculentum et quale peperisse Venerem non paeniteret. ante lectuli pedes iacebat arcus et pharetra et sagittae, magni dei propitia tela. 23 (1) Quae dum insatiabili animo Psyche, satis et curiosa, rimatur atque pertrectat et mariti sui miratur arma, depromit unam de pharetra sagittam (2) et puncto pollicis extremam aciem periclitabunda trementis etiam nunc articuli nisu fortiore pupugit altius, ut per summam cutem roraverint parvulae sanguinis rosei guttae. (3) sic ignara Psyche sponte in Amoris incidit amorem. tunc magis magisque cupidine flagrans Cupidinis prona in eum efflictim inhians patulis ac petulantibus saviis festinanter ingestis de somni mensura metuebat. (4) sed dum bono tanto percita saucia mente fluctuat, lucerna illa, sive perfidia pessima sive invidia noxia sive quod tale corpus contingere et quasi basiare et ipsa gestiebat, evomuit de summa luminis sui stillam ferventis olei super umerum dei dexterum. (5) hem audax et temeraria lucerna et amoris vile ministerium, ipsum ignis totius deum aduris, cum te scilicet amator

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(5) Sie sah seines goldenen Hauptes prächtiges, von Ambrosia getränktes Haar, die über seinen milchweißen Nacken und die purpurnen Wangen streifenden hübsch aufgebundenen Haarlocken, von denen einige vorne, andere hinten herunterhingen und bei deren gewaltig blitzendem Glanz jetzt sogar das Licht der Lampe flackerte. (6) An den Schultern des geflügelten Gottes schimmerten die taufeuchten Flügel wie von glänzenden Blumen, und obwohl die Flügel ruhten, hatten an deren Enden die zarten und feinen Federchen zitternd und hüpfend ruhelos ihren Spaß. (7) Der übrige Körper war glatt und glänzend und so, dass ihn geboren zu haben Venus nicht bereuen musste. Vor den Füßen des Bettes lagen der Bogen, der Köcher und die Pfeile, des großen Gottes gnädige Waffen. 23 (1) Während Psyche diese mit unersättlichem Sinn und sehr neugierig musterte und in die Hand nahm und die Waffen ihres Gemahls bewunderte, nahm sie einen Pfeil aus dem Köcher, (2) und als sie durch einen Stich in den Daumen die Schärfe an der Spitze prüfte, stach sie mit einem zu starken Stoß ihrer jetzt noch zitternden Hand zu tief, so dass über die Oberfläche ihrer Haut winzige Tropfen von rosarotem Blut perlten. (3) So verfiel Psyche, ohne es zu merken, von selbst in Liebe zu Amor. Da entbrannte sie mehr und mehr vor Verlangen nach Cupido, neigte sich über ihn, drückte ihm, liebeshungrig keuchend in höchster Leidenschaft, mit offenem Mund lüsterne Küsse auf und war besorgt um die Tiefe seines Schlafs. (4) Aber während sie, heftig erregt von der so gewaltigen Schönheit, in ihrer wunden Seele hin und her schwankte, spuckte jene Lampe, entweder aus übelster Boshaftigkeit oder schädlichem Neid oder weil sie einen solchen Körper zu berühren und auch selbst gleichsam zu küssen begehrte, oben von der Spitze ihrer Flamme einen Tropfen siedend heißen Öls auf die rechte Schulter des Gottes. (5) Ja wie, du dreiste und verwegene Lampe und wertlose Dienerin der Liebe, du verbrennst sogar den Gott alles Feuers, während doch gewiss irgendein Verliebter, um länger auch

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aliquis, ut diutius cupitis etiam nocte potiretur, primus invenerit. (6) sic inustus exsiluit deus visaque detectae fidei colluvie prorsus ex osculis et manibus infelicissimae coniugis tacitus avolavit. 24 (1) At Psyche statim resurgentis eius crure dextero manibus ambabus adrepto sublimis evectionis adpendix miseranda et per nubilas plagas penduli comitatus extrema consequia tandem fessa delabitur solo. (2) nec deus amator humi iacentem deserens involavit proximam cupressum deque eius alto cacumine sic eam graviter commotus adfatur: (3) “Ego quidem, simplicissima Psyche, parentis meae Veneris praeceptorum immemor, quae te miseri extremique hominis devinctam cupidine infimo matrimonio addici iusserat, ipse potius amator advolavi tibi. (4) sed hoc feci leviter, scio, et praeclarus ille sagittarius ipse me telo meo percussi teque coniugem meam feci, ut bestia scilicet tibi viderer et ferro caput excideres meum, quod istos amatores tuos oculos gerit. (5) haec tibi identidem semper cavenda censebam, haec benivole remonebam. sed illae quidem consiliatrices egregiae tuae tam perniciosi magisterii dabunt actutum mihi poenas, te vero tantum fuga mea punivero.” et cum termino sermonis pinnis in altum se proripuit. 25 (1) Psyche vero humi prostrata et, quantum visu poterat, volatus mariti prospiciens extremis affligebat lamentationibus animum. sed ubi remigio plumae raptum maritum proceritas spatii fecerat alienum, per proximi fluminis marginem praecipitem sese

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in der Nacht haben zu können, was er begehrte, der erste war, der dich erfand. (6) So versengt, sprang der Gott auf, und als er den Schmutz des Verrats an seinem Vertrauen gesehen hatte, flog er geradewegs ohne ein Wort davon, weg von den Küssen und den Händen seiner todunglücklichen Gattin. 24 (1) Doch Psyche packte sogleich, als er sich erhob, sein rechtes Bein mit beiden Händen, bei seiner Auffahrt in die Höhe ein erbarmungswürdiger Anhang und das äußerste Ende des durch die wolkigen Regionen schwebenden Geleitzuges, und sank schließlich erschöpft zur Erde. (2) Doch der Gott, der sie liebte, verließ sie, wie sie da am Boden lag, nicht, flog auf die nächste Zypresse und redete sie von deren hohem Gipfel aus schwer erregt an: (3) ›Gewiss habe ich, du allzu vertrauensselige Psyche, die Gebote meiner Mutter Venus vergessen, die befohlen hatte, dass du, von dem Verlangen nach einem elenden und wertlosen Menschen gefesselt, zu der niedrigsten Ehe verurteilt würdest, und bin lieber selbst als Liebhaber zu dir geflogen. (4) Aber das habe ich leichtsinnig getan, ich weiß, und ich, jener berühmte Bogenschütze, traf mich selbst mit meinem eigenen Pfeil und machte dich zu meiner Gemahlin, nur damit du mich offensichtlich für eine Bestie hieltest und mit einem Dolch meinen Kopf abzuschneiden versuchtest, der doch diese dich liebenden Augen trägt. (5) Davor stets auf der Hut zu sein, riet ich dir wieder und wieder, davor habe ich, der ich es gut mit dir meinte, dich eindringlich gewarnt. Doch jene deine hervorragenden Ratgeberinnen werden mir unverzüglich für ihren verderblichen Rat Buße zahlen, dich aber werde ich nur durch meine Flucht genug bestraft haben.‹ Und mit dem Ende seiner Rede schwang er sich auf seinen Flügeln in die Höhe. 25 (1) Psyche aber lag ausgestreckt am Boden, schaute, soweit man sehen konnte, dem Flug ihres Gemahls hinterher und quälte ihre Seele mit verzweifelten Klagen. Doch sobald den vom Ruderwerk des Gefieders geraubten Gemahl die Höhe des Raumes zu einem, der ihr nicht mehr gehörte, gemacht hatte, warf sie sich über

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dedit. (2) sed mitis fluvius in honorem dei scilicet, qui et ipsas aquas urere consuevit, metuens sibi confestim eam innoxio volumine super ripam florentem herbis exposuit. (3) tunc forte Pan deus rusticus iuxta supercilium amnis sedebat complexus Echo montanam deam eamque voculas omnimodas edocens reccinere. proxime ripam vago pastu lasciviunt comam fluvii tondentes capellae. (4) hircuosus deus sauciam Psychen atque defectam, utcumque casus eius non inscius, clementer ad se vocatam sic permulcet verbis lenientibus: (5) “Puella scitula, sum quidem rusticanus et upilio, sed senectutis prolixae beneficio multis experimentis instructus. verum si recte coniecto, quod profecto prudentes viri divinationem autumant, ab isto titubante et saepius vaccillante vestigio deque nimio pallore corporis et adsiduo suspiritu, immo et ipsis maerentibus oculis tuis, amore nimio laboras. (6) ergo mihi ausculta nec te rursus praecipitio vel ullo mortis accersitae genere perimas. luctum desine et pone maerorem precibusque potius Cupidinem deorum maximum percole et utpote adolescentem delicatum luxuriosumque blandis obsequiis promerere.” 26 (1) Sic locuto deo pastore nulloque sermone reddito, sed adorato tantum numine salutari Psyche pergit ire. sed 〈cum〉 aliquam multum viae laboranti vestigio pererrasset, inscio quodam tramite iam die labente accedit quandam civitatem, in qua regnum maritus unius sororis eius optinebat. (2) qua re cognita Psyche nuntiari praesentiam suam sorori desiderat; mox inducta mutuis amplexibus

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den Rand des nächsten Flusses kopfüber hinab. (2) Doch der sanftmütige Fluss setzte sie natürlich zu Ehren des Gottes, der sogar die Gewässer zu entflammen gewohnt ist, für sich selbst fürchtend sofort auf einer harmlosen Woge oben auf das von Kräutern blühende Ufer. (3) Da saß gerade Pan, der ländliche Gott, neben dem Rand des Flusses, hielt Echo, die Berggöttin, in seinen Armen und lehrte sie verschiedene Klänge nachzusingen. Nahe dem Ufer tollten kleine Ziegen herum, die hier und da weidend das Haar des Flusses abrupften. (4) Der bocksartige Gott rief die betrübte und erschöpfte Psyche, jedenfalls nicht unvertraut mit ihrem Fall, freundlich zu sich und beruhigte sie mit lindernden Worten wie folgt: (5) ›Du hübsches Mädchen, ich bin zwar nur ein Bauer und ein Schafhirte, aber dank meinem vorgerückten Alter durch viele Erfahrungen belehrt. Wenn ich aber die richtige Folgerung ziehe, was wahrhaft kluge Männer göttliche Eingebung nennen, dann aus diesem deinem schwankenden und öfter taumelnden Gang, aus der übermäßig bleichen Farbe deines Leibes, dem ständigen Seufzen, ja und besonders aus deinen trauernden Augen, dass du an einer übergroßen Liebe leidest. (6) Also höre auf mich und versuche nicht wieder, dich durch Hinabstürzen oder durch irgendeine selbst herbeigeführte Art des Todes umzubringen. Hör auf mit der Trauer, lege ab deinen Kummer, ehre lieber durch Gebete Cupido, den mächtigsten der Götter, und versuche, da er ja ein leichtfertiger und zügelloser junger Mann ist, seine Gunst durch einschmeichelnde Hingabe zu gewinnen.‹ 26 (1) So sprach der Hirtengott, Psyche erwiderte kein Wort, sondern brachte nur der hilfreichen Gottheit ihre Verehrung entgegen und setzte ihren Weg fort. Aber als sie eine große Wegstrecke mit mühseligen Schritten durchzogen hatte, kam sie auf einem unbekannten Weg, als der Tag sich schon neigte, zu einer Stadt, in welcher der Ehemann einer ihrer Schwestern die Königsherrschaft innehatte. (2) Als Psyche das erfahren hatte, wünschte sie, dass ihre Anwesenheit der Schwester gemeldet werde; sie wurde bald hinein-

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alternae salutationis expletis percontanti causas adventus sui sic incipit: (3) “Meministi consilium vestrum, scilicet quo mihi suasistis ut bestiam, quae mariti mentito nomine mecum quiescebat, priusquam ingluvie voraci me misellam hauriret, ancipiti novacula peremerem. (4) set cum primum, ut aeque placuerat, conscio lumine vultus eius aspexi, video mirum divinumque prorsus spectaculum, ipsum illum deae Veneris filium, ipsum, inquam, Cupidinem leni quiete sopitum. (5) ac dum tanti boni spectaculo percita et nimia voluptatis copia turbata fruendi laborarem inopia, casu scilicet pessimo lucerna fervens oleum rebullivit in eius umerum. (6) quo dolore statim somno recussus, ubi me ferro et igni conspexit armatam ‘tu quidem’ inquit ‘ob istud tam dirum facinus confestim toro meo divorte tibique res tuas habeto. (7) ego vero sororem tuam’ – et nomen, quo tu censeris, aiebat – ‘iam mihi confarreatis nuptiis coniugabo’ et statim Zephyro praecipit, ultra terminos me domus eius efflaret.” 27 (1) Necdum sermonem Psyche finierat, 〈at〉 illa vesanae libidinis et invidiae noxiae stimulis agitata, e re concinnato mendacio fallens maritum, quasi de morte parentum aliquid comperisset, statim navem ascendit et ad illum scopulum protinus pergit (2) et quamvis alio flante vento, caeca spe tamen inhians “accipe me,” dicens “Cupido, dignam te coniugem et tu, Zephyre, suscipe dominam” saltu se maximo praecipitem dedit. (3) nec tamen ad illum

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geführt, und als die gegenseitigen Umarmungen zur beiderseitigen Begrüßung vorbei waren, begann sie, als jene nach den Gründen für ihre Ankunft fragte, zu ihr wie folgt zu sprechen: (3) ›Du erinnerst dich an euren Rat, ja, den, mit dem ihr mir zuredetet, ich solle die Bestie, welche mit der erlogenen Bezeichnung ›Ehegatte‹ bei mir ruhte, bevor sie mich Arme mit ihrem gefräßigen Schlund verschlinge, mit einem doppelschneidigen Messer töten. (4) Doch sobald ich, genau wie wir beschlossen hatten, mit Hilfe meiner Mitwisserin, der Lampe, sein Gesicht anschaute, sah ich einen wundersamen, ganz und gar göttlichen Anblick, den Sohn der Göttin Venus selbst, Cupido selbst, sage ich, der in sanfter Ruhe eingeschlafen war. (5) Und während ich, von dem Anblick einer so gewaltigen Schönheit heftig erregt und von der Überfülle der Wonne verwirrt, noch unter einem Mangel an Befriedigung litt, ließ, natürlich durch einen sehr üblen Zufall, die Lampe siedend heißes Öl auf seine Schulter tropfen. (6) Von diesem Schmerz auf der Stelle aus dem Schlaf gerüttelt, sagte er, als er mich mit Eisen und Feuer bewaffnet sah: »Du, wegen dieser so schrecklichen Untat scheide schleunigst von meinem Lager und behalte deinen eigenen Besitz! (7) Ich aber werde mir deine Schwester« – und er sagte den Namen, mit dem du gerufen wirst – »jetzt durch Heirat in einem formellen Hochzeitsritual verbinden.« Und sofort befahl er Zephyr, mich über die Grenzen seines Hauses hinaus davonzublasen.‹ 27 (1) Noch hatte Psyche ihre Rede nicht beendet, doch jene wurde von den Stacheln wahnwitziger Geilheit und schädlichen Neides getrieben, täuschte mit einer entsprechend der Situation zurechtgemachten Lüge ihren Ehemann, sie habe angeblich etwas über den Tod ihrer Eltern erfahren, bestieg auf der Stelle ein Schiff, ging sofort weiter zu jenem Felsen, (2) und obwohl ein anderer Wind blies, sagte sie dennoch, in blinder Hoffnung keuchend: ›Nimm mich an, Cupido, als eine deiner würdige Gattin, und du, Zephyr, nimm deine Herrin auf!‹, und stürzte sich mit einem riesigen Sprung kopfüber hinab. (3) Doch sie konnte an jenen Ort

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locum vel saltem mortua pervenire potuit. nam per saxa cautium membris iactatis atque dissipatis et proinde ut merebatur laceratis visceribus suis alitibus bestiisque obvium ferens pabulum interiit. (4) Nec vindictae sequentis poena tardavit. nam Psyche rursus errabundo gradu pervenit ad civitatem aliam, in qua pari modo soror morabatur alia. (5) nec setius et ipsa fallacie germanitatis inducta et in sororis sceleratas nuptias aemula festinavit ad scopulum inque simile mortis exitium cecidit. 28 (1) Interim, dum Psyche quaestioni Cupidinis intenta populos circumibat, at ille vulnere lucernae dolens in ipso thalamo matris iacens ingemebat. (2) tunc avis peralba illa gavia, quae super fluctus marinos pinnis natat, demergit sese propere ad Oceani profundum gremium. (3) ibi commodum Venerem lavantem natantemque propter assistens indicat adustum filium eius gravi vulneris dolore maerentem dubium salutis iacere, (4) iamque per cunctorum ora populorum rumoribus conviciisque variis omnem Veneris familiam male audire, “quod ille quidem montano scortatu, tu vero marino natatu secesseritis, (5) ac per hoc non voluptas ulla, non gratia, non lepos, sed incompta et agrestia et horrida cuncta sint, non nuptiae coniugales, non amicitiae sociales, non liberum caritates, sed 〈infimarum sordium〉 enormis eluvies et squalentium foederum insuave fastidium.” (6) Haec illa verbosa et satis curiosa avis in auribus Veneris filium lacerans existimationem ganniebat. at Venus irata solidum exclamat repente (7) “ergo iam ille bonus filius meus habet amicam

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nicht einmal als Tote gelangen. Denn ihre Glieder wurden über die Felsklippen geworfen und zerstreut, ihre Eingeweide wurden, gerade wie sie es verdiente, zerfetzt, und Vögeln und wilden Tieren ein bequem zugängliches Futter bietend, starb sie. (4) Auch die Strafe, die aus dem nächstfolgenden Racheakt bestand, ließ nicht auf sich warten. Denn Psyche gelangte, als ihre Füße wieder herumwanderten, zu einer anderen Stadt, in der ihre andere Schwester in gleicher Weise so dahinlebte. (5) Nicht anders wurde auch diese durch die Täuschung der schwesterlichen Verbundenheit verleitet, eilte, wetteifernd auf die ruchlose Hochzeit ihrer Schwester bedacht, zu dem Felsen und fiel zur selben Art des Todes hinab. 28 (1) Während Psyche inzwischen eifrig beschäftigt mit ihrer Suche nach Cupido von einem Volk zum anderen ging, lag er jedoch, an der Verwundung durch die Lampe leidend, ausgerechnet im Schlafzimmer seiner Mutter und stöhnte. (2) Da tauchte der schneeweiße Vogel, die bekannte Möwe, die über die Meeresfluten mit ihren Flügeln schwimmt, eilig hinab zum tiefen Schoß des Ozeans. (3) Sie stellte sich neben Venus, die gerade dort badete und schwamm, und berichtete, deren Sohn sei versengt, leide an dem heftigen Schmerz der Wunde, liege an seiner Genesung zweifelnd da, (4) und schon habe im Munde aller Leute durch verschiedene Gerüchte und Verleumdungen die ganze Familie der Venus einen schlechten Ruf, weil ›ihr euch davongemacht hättet, er zum Huren in den Bergen, du aber zum Schwimmen im Meer, (5) und deswegen gebe es keine Lust, keine Anmut und keinen Charme mehr, sondern schmucklos, grob und schrecklich sei alles, es gebe keinen Ehebund, keine Freundschaftsbeziehungen, keine Liebe zu Kindern, sondern eine gewaltige Überschwemmung von niedrigstem Dreck und grimmigen Ekel an schmutzigen Verbindungen.‹ (6) Dies kreischte jener wortreiche und sehr neugierige Vogel in die Ohren der Venus, wobei er den Ruf ihres Sohnes in Stücke riss. Doch Venus geriet in heftigen Zorn und rief plötzlich aus: (7) ›Also

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aliquam? prome agedum, quae sola mihi servis amanter, nomen eius, quae puerum ingenuum et investem sollicitavit, sive illa de Nympharum populo seu de Horarum numero seu de Musarum choro vel de mearum Gratiarum ministerio.” (8) Nec loquax illa conticuit avis, sed “nescio,” inquit “domina: puto puellam – si probe memini Psychen nomine dicitur – efflicte cupere.” (9) Tunc indignata Venus exclamavit vel maxime: “Psychen ille meae formae succubam, mei nominis aemulam vere diligit? nimirum illud incrementum lenam me putavit, cuius monstratu puellam illam cognosceret.” 29 (1) Haec quiritans properiter emergit e mari suumque protinus aureum thalamum petit et reperto, sicut audierat, aegroto puero iam inde a foribus quam maxime boans (2) “honesta” inquit “haec et natalibus nostris bonaeque tuae frugi congruentia, ut primum quidem tuae parentis, immo dominae praecepta calcares nec sordidis amoribus inimicam meam cruciares, (3) verum etiam hoc aetatis puer tuis licentiosis et immaturis iungeres amplexibus, ut ego nurum scilicet tolerarem inimicam. (4) sed utique praesumis, nugo et corruptor et inamabilis, te solum generosum nec me iam per aetatem posse concipere. (5) velim ergo scias multo te meliorem filium alium genituram, immo, ut contumeliam magis sentias, aliquem de meis adoptaturam vernulis, eique donaturam istas pinnas

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hat jener mein feiner Sohn jetzt irgendeine Freundin? Heraus damit, hopp, du, die du als Einzige mir in Liebe dienst, heraus mit dem Namen von der, die meinen freigeborenen und minderjährigen Sohn verführt hat, ob sie aus der Schar der Nymphen, der Zahl der Horen, dem Chor der Musen oder dem Gefolge meiner Grazien stammt.‹ (8) Und jener geschwätzige Vogel schwieg nicht, sondern sagte: ›Ich weiß nicht, Herrin: Ich glaube, dass er ein Mädchen – wenn ich mich recht erinnere, wird sie mit dem Namen Psyche benannt – bis zum Wahnsinn liebt.‹ (9) Da schrie Venus voller Entrüstung überlaut: ›Die Psyche, dieses Surrogat meiner Schönheit, die meinen Namen beansprucht, liebt er wahrhaftig? Klar, dieses Früchtchen hat mich für eine Kupplerin gehalten, durch deren Weisung er dieses Mädchen kennenlernen sollte.‹ 29 (1) Während sie dies kreischte, tauchte sie eilends aus dem Meer empor, suchte sofort ihr goldenes Schlafgemach auf, und als sie den Knaben krank, wie sie gehört hatte, vorfand, schrie sie schon von der Tür aus so laut wie möglich: (2) ›Ehrenhaft‹, sagte sie, ›ist das und passend zu unserer Abstammung und deinem tugendhaften Charakter, dass du erst einmal die Anordnungen deiner Mutter, nein vielmehr deiner Herrin mit Füßen getreten und meine persönliche Feindin nicht mit einer gemeinen Liebschaft gepeinigt, (3) sondern sie sogar – du, ein Junge in diesem Alter – mit deinen frechen und unreifen Umarmungen dir verbunden hast, so dass ich offensichtlich meine persönliche Feindin als Schwiegertochter ertragen muss. (4) Aber du setzt zweifellos voraus, du Nichtsnutz, du Verführer, du gar nicht Liebenswürdiger, dass du allein der Stammhalter bist und ich wegen meines Alters nicht mehr empfangen kann. (5) Also möchte ich, dass du weißt, dass ich einen anderen Sohn, der viel besser ist als du, gebären werde, nein vielmehr, damit du die Schmach stärker spürst, irgendeinen von meinen Haussklaven adoptieren und ihm die Federn da, die Flammen, den Bogen

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et flammas et arcum et ipsas sagittas et omnem meam supellectilem, quam tibi non ad hos usus dederam. (6) nec enim de patris tui bonis ad instructionem istam quicquam concessum est. 30 (1) Sed male prima tu a pueritia inductus es et acutas manus habes et maiores tuos irreverenter pulsasti totiens et ipsam matrem tuam, me inquam ipsam, parricida denudas cotidie et percussisti saepius et quasi viduam utique contemnis nec vitricum tuum fortissimum illum maximumque bellatorem metuis. (2) quidni? cui saepius in angorem mei paelicatus puellas propinare consuesti. sed iam faxo te lusus huius paeniteat et sentias acidas et amaras istas nuptias. (3) Sed nunc inrisui habita quid agam? quo me conferam? quibus modis stelionem istum cohibeam? petamne auxilium ab inimica mea Sobrietate, quam propter huius ipsius luxuriam offendis saepius? (4) at rusticae squalentisque feminae conloquium prorsus [adhibendum est] horresco. nec tamen vindictae solacium undeunde spernendum est. (5) illa mihi prorsus adhibenda est nec ulla alia, quae castiget asperrime nugonem istum, pharetram explicet et sagittas dearmet, arcum enodet, taedam deflammet, immo et ipsum corpus eius acrioribus remediis coerceat. (6) tunc iniuriae meae litatum crediderim, cum eius comas, quas istis manibus meis subinde aureo nitore perstrinxi, deraserit, pinnas, quas meo gremio nectarei fontis infeci, praetotonderit.” 31 (1) Sic effata foras sese proripit infesta et stomachata biles Ve-

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und die Pfeile selbst sowie meine ganze Ausrüstung schenken werde, die ich dir nicht zu diesem Gebrauch gegeben hatte: (6) Denn nichts vom Besitz deines Vaters wurde für diese Ausstattung bewilligt. 30 (1) Doch du wurdest schon von früher Kindheit an schlecht erzogen, hast scharfe Hände, schlugst so oft respektlos deine älteren Verwandten, und sogar deine eigene Mutter, sogar mich, sage ich, ziehst du Verbrecher täglich nackt aus, hast mich öfter wund geschlagen und verachtest mich ständig, als ob ich eine Witwe wäre, und du fürchtest nicht einmal deinen Stiefvater, den tapfersten und größten Krieger. (2) Warum auch? Du hast es dir zur Gewohnheit gemacht, ihm öfters, zu meinem Ärger über die Rivalinnen, Mädchen als Geschenke zu präsentieren. Doch jetzt werde ich dafür sorgen, dass du dieses Spiel bereust und du diese Ehe da als sauer und bitter empfindest. (3) Doch jetzt, wo ich als Zielscheibe des Spotts behandelt worden bin, was soll ich tun? Wohin mich begeben? Wie soll ich diesen Gecko im Zaum halten? Soll ich Hilfe von meiner Feindin, der Sobrietas, erbitten, die ich gerade wegen seiner Zügellosigkeit zu oft gekränkt habe? (4) Aber vor einem Gespräch mit der bäurischen und schmutzigen Frau schaudere ich ganz und gar zurück. Doch der Trost der Rache ist nicht zu verachten, woher auch immer er kommt. (5) Sie muss ich unbedingt heranziehen und keine andere, damit sie diesen Nichtsnutz da sehr hart züchtigt, seinen Köcher ausleert, seine Pfeile entwaffnet, seinen Bogen entspannt, seine Fackel auslöscht, ja, auch seinen Körper selbst mit noch strengeren Behandlungen bestraft. (6) Erst dann will ich die mir angetanen Kränkungen für gesühnt halten, wenn sie seine Haare, die ich mit diesen meinen Händen oft glättete, so dass sie golden glänzten, abrasiert und seine Flügel, die ich mit der Nektarquelle meiner Brüste tränkte, an den Spitzen abgeschnitten hat.‹ 31 (1) Als sie so geredet hatte, stürzte sie zornig und kochend vor venerischer Wut davon. Doch sofort begegneten ihr Ceres und

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nerias. sed eam protinus Ceres et Iuno continantur visamque vultu tumido quaesiere, cur truci supercilio tantam venustatem micantium oculorum coerceret. (2) at illa “opportune” inquit “ardenti prorsus isto meo pectori volentiam scilicet perpetraturae venitis. sed totis, oro, vestris viribus Psychen illam fugitivam volaticam mihi requirite. nec enim vos utique domus meae famosa fabula et non dicendi filii mei facta latuerunt.” (3) Tunc illae gnarae, quae gesta sunt, palpare Veneris iram saevientem sic adortae: “quid tale, domina, deliquit tuus filius, ut animo pervicaci voluptates illius impugnes et, quam ille diligit, tu quoque perdere gestias? (4) quod autem, oramus, isti crimen, si puellae lepidae libenter adrisit? an ignoras eum masculum et iuvenem esse vel certe iam quot sit annorum oblita es? an, quod aetatem portat bellule, puer tibi semper videtur? (5) mater autem tu et praeterea cordata mulier filii tui lusus semper explorabis curiose et in eo luxuriem culpabis et amores revinces et tuas artes tuasque delicias in formonso filio reprehendes? (6) quis autem te deum, quis hominum patietur passim cupidines populis disseminantem, cum tuae domus amores amare coerceas et vitiorum muliebrium publicam praecludas officinam?” (7) Sic illae metu sagittarum patrocinio gratioso Cupidini quamvis absenti blandiebantur. sed Venus indignata ridicule tractari suas iniurias praeversis illis alterorsus concito gradu pelago viam capessit.

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Juno, und als sie sie mit ihrer geschwollenen Miene sahen, fragten sie, warum sie mit grimmigen Augenbrauen den so großen Liebreiz ihrer strahlenden Augen einschränke. (2) Doch sie sagte: ›Ihr kommt sicherlich gerade recht, um für dieses mein heftig brennendes Herz dessen Plan durchzuführen. Doch mit allen euren Kräften sucht mir bitte Psyche, jene schwer zu ergreifende Ausreißerin. Denn euch sind die schmachvolle Geschichte meines Hauses und die Taten meines unsäglichen Sohns gewiss nicht verborgen geblieben.‹ (3) Da begannen jene, die wussten, was geschehen war, den grimmigen Zorn der Venus wie folgt zu besänftigen: ›Was hat denn dein Sohn so Unrechtes getan, Herrin, dass du mit hartnäckigem Sinn seine Freuden bekämpfst und dass du auch sie, die er liebt, ins Verderben zu stürzen heftig begehrst? (4) Was aber, wir bitten dich, ist sein Verbrechen, wenn er ein charmantes Mädchen gerne angelächelt hat? Weißt du denn nicht, dass er männlichen Geschlechts und ein junger Bursche ist, oder hast sicherlich schon vergessen, wie alt er ist? Oder scheint er dir, weil er hübscher aussieht, als er alt ist, immer noch ein Junge zu sein? (5) Aber wirst du als Mutter und überdies als vernünftige Frau die Spielereien deines Sohnes immer neugierig auskundschaften, an ihm sein Ausschweifen tadeln, seine Liebesaffären unterdrücken und deine eigenen Künste und Vergnügungen an deinem schönen Sohn rügen? (6) Wer aber von den Göttern, wer von den Menschen wird es dulden, dass du überall unter den Leuten Leidenschaften aussäst, während du in deinem eigenen Haus Liebesaffären bitter bestrafst und deine öffentliche Werkstatt weiblicher Unzucht zuschließt?‹ (7) So schmeichelten sie aus Furcht vor seinen Pfeilen Cupido mit einer gefälligen Verteidigungsrede, obwohl er abwesend war. Doch Venus, entrüstet, weil die Beleidigung ihrer Person lächerlich gemacht werde, wandte sich von ihnen ab in eine andere Richtung und schlug mit schnellem Schritt den Weg zum Meer ein.

LIBER VI 1 (1) Interea Psyche variis iactabatur discursibus, dies noctesque mariti vestigationibus inquieta, animo tanto cupidior iratum licet, si non uxoriis blanditiis lenire, certe servilibus precibus propitiare. (2) et prospecto templo quodam in ardui montis vertice “unde autem” inquit “scio, an istic meus degat dominus?” et ilico dirigit citatum gradum, quem defectum prorsus adsiduis laboribus spes incitabat et votum. (3) iamque naviter emensis celsioribus iugis pulvinaribus sese proximam intulit. videt spicas frumentarias in acervo et alias flexiles in corona et spicas hordei videt. (4) erant et falces et operae messoriae mundus omnis, sed cuncta passim iacentia et incuria confusa et, ut solet aestu, laborantium manibus proiecta. (5) haec singula Psyche curiose dividit et discretim remota rite componit, rata scilicet nullius dei fana 〈ac〉 caerimonias neglegere se debere, sed omnium benivolam misericordiam corrogare. 2 (1) Haec eam sollicite seduloque curantem Ceres alma deprehendit et longum exclamat protinus: “ain, Psyche miseranda? (2) totum per orbem Venus anxia disquisitione tuum vestigium furens animi requirit teque ad extremum supplicium expetit et totis numinis sui viribus ultionem flagitat. tu vero rerum mearum tutelam nunc geris et aliud quicquam cogitas nisi de tua salute?”

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Buch 6 1 (1) Inzwischen wurde Psyche in verschiedene Richtungen getrieben, ruhelos Tag und Nacht bei den Nachforschungen nach ihrem Gemahl, desto begieriger in ihrem Sinn, ihn, mochte er auch noch so sehr zürnen, wenn nicht durch die Zärtlichkeiten einer Gemahlin zu besänftigen, so doch wenigstens durch sklavische Bitten wohlwollend zu stimmen. (2) Und als sie einen Tempel auf dem Gipfel eines steil aufragenden Berges erblickte, sagte sie: ›Vielleicht – woher kann ich das wissen? – wohnt mein Gebieter dort.‹ Und sofort lenkte sie dorthin ihre beschleunigten Schritte, die, äußerst geschwächt von ihren ständigen Strapazen, doch Hoffnung und Wunsch anspornten. (3) Und als sie nun eifrig die höheren Bergjoche durchmessen hatte, trat sie sehr nahe an den Göttersitz heran. Sie sah Weizenähren auf einem Haufen und andere, die zum Kranz gewunden waren, und Gerstenähren sah sie. (4) Da waren auch Sicheln und jedes Gerät für die Erntearbeit, aber alles lag überall herum, achtlos durcheinander gemischt und, wie üblich in der Sommerhitze, von den Händen der Arbeitenden hingeworfen. (5) All das trennte Psyche sorgfältig Stück für Stück voneinander und ordnete, was getrennt voneinander lag, richtig an, da sie natürlich glaubte, dass sie Heiligtum und Rituale keines Gottes vernachlässigen dürfe, sondern das wohlwollende Mitleid aller erbitten müsse. 2 (1) Als sie dies ängstlich und fleißig ausführte, traf die wohltätige Ceres sie dabei an und ließ sofort einen langen Ruf vernehmen: ›Was sagt man dazu, bejammernswerte Psyche! (2) Über den ganzen Erdkreis hin forscht Venus in unruhiger Sucherei mit heller Wut im Herzen nach deiner Spur, verlangt nach dir für die schwerste Bestrafung und fordert Rache mit allen Kräften ihrer göttlichen Macht. Und du, bist du jetzt mit der Obhut über meine Sachen beschäftigt, und denkst du an etwas anderes als an deine Rettung?‹

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(3) Tunc Psyche pedes eius advoluta et uberi fletu rigans deae vestigia humumque verrens crinibus suis multiiugis precibus editis veniam postulabat: (4) “per ego te frugiferam tuam dexteram istam deprecor, per laetificas messium caerimonias, per tacita secreta cistarum et per famulorum tuorum draconum pinnata curricula (5) et glebae Siculae sulcamina et currum rapacem et terram tenacem et inluminarum Proserpinae nuptiarum demeacula et luminosarum filiae inventionum remeacula et cetera, quae silentio tegit Eleusinis Atticae sacrarium: miserandae Psyches animae supplicis tuae subsiste. (6) inter istam spicarum congeriem patere vel pauculos dies delitescam, quoad deae tantae saeviens ira spatio temporis mitigetur vel certe meae vires diutino labore fessae quietis intervallo leniantur.” 3 (1) Suscipit Ceres: “tuis quidem lacrimosis precibus et commoveor et opitulari cupio, sed cognatae meae, cum qua etiam foedus antiquum amicitiae colo, bonae praeterea feminae, malam gratiam subire nequeo. (2) decede itaque istis aedibus protinus et quod a me retenta custoditaque non fueris, optimi consule.” (3) Contra spem suam repulsa Psyche et afflicta duplici maestitia iter retrorsum porrigens inter subsitae convallis sublucidum lucum prospicit fanum sollerti fabrica structum. nec ullam vel dubiam spei melioris viam volens omittere, sed adire cuiscumque dei veniam sacratis foribus proximat. (4) videt dona pretiosa et lacinias auro

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(3) Da warf Psyche sich ihr zu Füßen, und während sie mit reichlichen Tränen die Füße der Göttin benetzte und den Erdboden mit ihren Haaren fegte, gab sie vielfältige Gebete von sich und bat heftig um Gnade: (4) ›Bei dieser deiner fruchttragenden Rechten flehe ich dich an, bei den fruchtbringenden Ritualen der Ernte, bei den unaussprechbaren Geheimnissen deiner heiligen Körbe, bei dem geflügelten Lauf deiner Diener, der Schlangen (5) und bei den Furchen der sizilischen Erdscholle, dem jäh entraffenden Wagen, der zäh festhaltenden Erde, der Niederfahrt Proserpinas zu der lichtlosen Hochzeit und der Rückkehr deiner Tochter zu lichtreichem Finden und dem Übrigen, was das Heiligtum des attischen Eleusis mit Schweigen versteckt hält: Komm der bejammernswerten Seele Psyches, deiner Bittflehenden, zu Hilfe! (6) Dulde es, dass ich mich unter diesem Haufen von Ähren da ganz wenige Tage verstecke, bis der grimmige Zorn der so großen Göttin sich durch die Länge der Zeit besänftigt oder wenigstens meine von der langen Mühe erschöpften Kräfte sich durch eine kurze Zeit der Ruhe erholen.‹ 3 (1) Ceres antwortete: ›Durch deine tränenreichen Bitten werde ich zwar gerührt und habe das Verlangen zu helfen, aber ich kann es mir nicht leisten, die Ungunst meiner Verwandten, mit der ich sogar einen alten Bund der Freundschaft pflege, noch dazu einer anständigen Frau, auf mich zu nehmen. (2) Geh also sofort weg von diesem Haus und sieh es als eine Wohltat an, dass du nicht von mir zurückgehalten und in Haft genommen worden bist.‹ (3) Entgegen ihrer Hoffnung zurückgewiesen und von doppeltem Kummer niedergeschlagen, kehrte Psyche zu ihrer Wanderschaft zurück und erblickte mitten in einem nur etwas lichten Hain in einem unter ihr gelegenen Tal ein mit geschickter handwerklicher Kunst errichtetes Heiligtum. Und da sie auch nicht einen noch so zweifelhaften Weg zu besserer Hoffnung auslassen, sondern jede Gottheit um Gnade angehen wollte, näherte sie sich dem heiligen Portal. (4) Sie sah kostbare Geschenke und Tuchstreifen mit golde-

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litteratas ramis arborum postibusque suffixas, quae cum gratia facti nomen deae cui fuerant dicata testabantur. tunc genu nixa et manibus aram tepentem amplexans detersis ante lacrimis sic adprecatur: 4 (1) “Magni Iovis germana et coniuga, sive tu Sami, quae sola partu vagituque et alimonia tua gloriatur, tenes vetusta delubra sive celsae Carthaginis, quae te virginem vectura leonis caelo commeantem percolit, beatas sedes frequentas (2) seu prope ripas Inachi, qui te iam nuptam Tonantis et reginam dearum memorat, inclitis Argivorum praesides moenibus, (3) quam cunctus oriens Zygiam veneratur et omnis occidens Lucinam appellat: sis meis extremis casibus Iuno Sospita meque in tantis exanclatis laboribus defessam imminentis periculi metu libera. quod sciam, soles praegnatibus periclitantibus ultro subvenire.” (4) Ad istum modum supplicanti statim sese Iuno cum totius sui numinis augusta dignitate praesentat et protinus “quam vellem” inquit “per fidem nutum meum precibus tuis accommodare. (5) sed contra voluntatem Veneris nurus meae, quam filiae semper dilexi loco, praestare me pudor non sinit. tunc etiam legibus quae servos alienos profugos invitis dominis vetant suscipi prohibeor.” 5 (1) Isto quoque fortunae naufragio Psyche perterrita nec indipisci iam maritum volatilem quiens tota spe salutis deposita sic ipsa suas cogitationes consuluit: (2) “Iam quae possunt alia meis aerumnis temptari vel adhiberi subsidia, cui nec dearum quidem quamquam volentium potuerunt

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nen Buchstaben darauf, die an Baumäste und Türpfosten geheftet waren und die mit Dank für eine Tat den Namen der Göttin, der sie geweiht waren, bezeugten. Da sank sie auf die Knie, umfasste mit ihren Händen den noch lauwarmen Altar, wischte sich vorher die Tränen ab und betete wie folgt: 4 (1) ›Des großen Jupiter Schwester und Gemahlin, ob du das alte Heiligtum von Samos bewohnst, das sich allein deiner Geburt, deines kindlichen Geschreis und deiner Ernährung rühmt, oder häufig den gesegneten Sitz des hochragenden Karthago besuchst, das dich als die mit einem Löwengespann vom Himmel kommende Jungfrau verehrt, (2) oder ob du bei den Ufern des Inachus, der dich jetzt als Braut des Donnerers und Königin der Göttinnen anruft, über die berühmte Stadt der Argiver herrschst, (3) du, die der ganze Orient als Zygia verehrt und der ganze Okzident Lucina nennt: Sei in meinem äußersten Missgeschick Juno Sospita, befreie mich, die ich vom Durchmachen so großer Leiden erschöpft bin, von der Furcht vor drohender Gefahr. Soweit ich weiß, pflegst du Schwangeren, die in Gefahr sind, von dir aus zu Hilfe zu kommen.‹ (4) Während sie in dieser Weise flehte, zeigte sich auf der Stelle Juno mit der erhabenen Würde ihrer ganzen göttlichen Macht und sagte sofort: ›Wie gerne würde ich, das kannst du mir glauben, mein zustimmendes Nicken deinen Bitten zukommen lassen. (5) Aber dass ich gegen den Willen der Venus, meiner Schwiegertochter, die ich immer wie eine Tochter geliebt habe, eine Gunst erweise, lässt meine Ehrfurcht nicht zu. Ferner werde ich auch durch die Gesetze abgehalten, die es verbieten, dass davongelaufene Sklaven anderer gegen den Willen ihrer Herren aufgenommen werden.‹ 5 (1) Auch durch diesen Schiffbruch ihres Schicksals sehr in Angst versetzt und nicht mehr imstande, den geflügelten Ehemann einzuholen, gab Psyche ihre ganze Hoffnung auf Rettung auf und fragte ihre eigenen Gedanken wie folgt um Rat: (2) ›Was für andere Hilfsmittel gegen meine Leiden können jetzt noch versucht oder angewandt werden von mir, der nicht einmal

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prodesse suffragia? (3) quo rursum itaque tantis laqueis inclusa vestigium porrigam quibusque tectis vel etiam tenebris abscondita magnae Veneris inevitabiles oculos effugiam? quin igitur masculum tandem sumis animum et cassae speculae renuntias fortiter et ultroneam te dominae tuae reddis et vel sera modestia saevientes impetus eius mitigas? (4) qui scias, an etiam, quem diu quaeritas, illuc in domo matris repperias?” sic ad dubium obsequium, immo ad certum exitium praeparata principium futurae secum meditabatur obsecrationis. 6 (1) At Venus terrenis remediis inquisitionis abnuens caelum petit. iubet construi currum, quem ei Vulcanus aurifex subtili fabrica studiose poliverat et ante thalami rudimentum nuptiale munus obtulerat, limae tenuantis detrimento conspicuum et ipsius auri damno pretiosum. (2) de multis, quae circa cubiculum dominae stabulant, procedunt quattuor candidae columbae et hilaris incessibus picta colla torquentes iugum gemmeum subeunt susceptaque domina laetae subvolant. (3) currum deae prosequentes gannitu constrepenti lasciviunt passeres et ceterae, quae dulce cantitant, aves melleis modulis suave resonantes adventum deae pronuntiant. (4) cedunt nubes et Caelus filiae panditur et summus Aether cum gaudio suscipit deam nec obvias aquilas vel accipitres rapaces pertimescit magnae Veneris canora familia. 7 (1) Tunc se protinus ad Iovis regias arces dirigit et petitu

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die Gunst der Göttinnen, obwohl sie guten Willens waren, nützen konnte? (3) Wohin soll ich also nun wieder, in so große Schlingen verstrickt, meine Füße lenken und unter welchen Dächern oder sogar in welcher Finsternis versteckt den unvermeidlichen Augen der Venus entfliehen? Warum also fasst du nicht endlich männlichen Mut, entsagst tapfer deinem nichtigen Hoffnungsschimmer, lieferst dich freiwillig deiner Gebieterin aus und versuchst durch – wenn auch späte – Unterwürfigkeit, ihre Wutanfälle zu besänftigen? (4) Wie kannst du wissen, ob du nicht sogar ihn, den du lange suchst, dort im Haus seiner Mutter findest?‹ So überdachte sie, für eine unsichere Form der Unterwerfung, nein für den sicheren Untergang vorbereitet, die Eröffnung der ihr bevorstehenden Bittrede. 6 (1) Doch Venus gab die irdischen Mittel für ihre Suche auf und strebte zum Himmel. Sie befahl, dass ihr Wagen ausgerüstet werde, den ihr der Goldschmied Vulkan mit feiner handwerklicher Kunst fertiggestellt und ihr vor der Einweihung des Brautgemachs als Hochzeitsgeschenk dargebracht hatte und der durch die von der glättenden Feile bewirkte Abschabung auffallend sowie durch die Einbuße gerade an Gold wertvoll war. (2) Von den vielen Tauben, die um das Schlafgemach der Herrin herum nisteten, traten vier weiße hervor, begaben sich mit vergnügten Schritten und ihre bunten Hälse drehend unter das mit Edelsteinen geschmückte Joch und flogen, nachdem sie ihre Herrin aufgenommen hatten, freudig aufwärts. (3) Während sie den Wagen der Göttin eskortierten, scherzten mit lautem Gezwitscher Sperlinge, und andere Vögel, die süß sangen, kündigten, mit ihren honigsüßen Melodien lieblich ertönend. die Ankunft der Göttin an. (4) Die Wolken wichen zurück, Caelus öffnete sich für seine Tochter, Äther ganz oben empfing mit Freuden die Göttin, und vor entgegenkommenden Adlern oder räuberischen Habichten fürchtete sich nicht die sangesfrohe Dienerschar der großen Venus. 7 (1) Dann begab sie sich sofort zu Jupiters Königsburg und forderte mit hochmütigem Begehren die notwendige Inanspruch-

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superbo Mercuri dei vocalis operae necessariam usuram postulat. (2) nec rennuit Iovis caerulum supercilium. tunc ovans ilico comitante etiam Mercurio Venus caelo demeat eique sollicite serit verba: (3) “Frater Arcadi, scis nempe sororem tuam Venerem sine Mercuri praesentia nil umquam fecisse nec te praeterit utique, quanto iam tempore delitescentem ancillam nequiverim repperire. nil ergo superest quam tuo praeconio praemium investigationis publicitus edicere. (4) fac ergo mandatum matures meum et indicia, qui possit agnosci, manifeste designes, ne, si quis occultationis illicitae crimen subierit, ignorantiae se possit excusatione defendere.” (5) et simul dicens libellum ei porrigit, ubi Psyches nomen continebatur et cetera. quo facto protinus domum secessit. 8 (1) Nec Mercurius omisit obsequium. nam per omnium ora populorum passim discurrens sic mandatae praedicationis munus exequebatur: (2) “si quis a fuga retrahere vel occultam demonstrare poterit fugitivam regis filiam Veneris ancillam nomine Psychen, conveniat retro metas Murtias Mercurium praedicatorem (3) accepturus indicivae nomine ab ipsa Venere septem savia suavia et unum blandientis adpulsu linguae longe mellitum.” (4) Ad hunc modum pronuntiante Mercurio tanti praemii cupido certatim omnium mortalium studium adrexerat. quae res nunc vel maxime sustulit Psyches omnem cunctationem. (5) iamque fores eius dominae proximanti occurrit una de famulitione Veneris nomine Consuetudo statimque, quantum maxime potuit, exclamat:

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nahme der Hilfe Merkurs, des hellstimmigen Gottes. (2) Und Jupiters dunkle Augenbraue nickte nicht abweisend. Da stieg Venus sofort jubelnd vom Himmel herab, wobei auch Merkur sie begleitete, und aufgeregt bedrängte sie ihn mit ihren Worten: (3) ›Arkadischer Bruder, du weißt ja, dass deine Schwester Venus ohne die Anwesenheit Merkurs nie irgendetwas getan hat, und es entgeht dir sicherlich nicht, wie lange Zeit schon ich meine Magd, die sich versteckt hält, nicht finden konnte. Es bleibt mir also nichts übrig, als durch deinen Heroldsruf eine Belohnung für die Aufspürung öffentlich bekannt zu geben. (4) Sieh also zu, dass du meinen Auftrag rasch ausführst und die Merkmale, an denen sie erkannt werden kann, deutlich bezeichnest, damit nicht, falls irgendjemand sich der Anklage wegen unerlaubten Verbergens ausgesetzt sieht, er sich mit der Entschuldigung, er habe nichts gewusst, verteidigen kann.‹ (5) Und mit diesen Worten überreichte sie ihm ein Dokument, worin Psyches Name und alles Übrige enthalten war. Als dies getan war, entfernte sie sich sofort nach Hause. 8 (1) Und Merkur unterließ es nicht, ihr Folge zu leisten. Denn er lief durch die Münder aller Völker weit und breit und führte so die Aufgabe der ihm aufgetragenen Bekanntmachung aus: (2) ›Wenn jemand zur Rückkehr von der Flucht zwingen oder als versteckt aufzeigen kann eine flüchtige Königstochter, eine Magd der Venus mit Namen Psyche, soll er sich hinter die Murtischen Wendepunkte zu dem Herold Merkur begeben, (3) um in Empfang zu nehmen als Lohn für die Anzeige von Venus persönlich sieben süße Küsse und einen durch die Berührung ihrer zärtlichen Zunge besonders honigsüßen.‹ (4) Als Merkur das auf diese Weise bekannt machte, hatte das Verlangen nach einer so hohen Belohnung den Wetteifer aller Sterblichen schon angefeuert. Dieser Umstand beseitigte nun mehr als alles andere jegliches Zögern Psyches. (5) Und als sie sich schon der Tür ihrer Herrin näherte, lief ihr eine von der Dienerschaft der Venus mit Namen Consuetudo entgegen und schrie sofort so laut,

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(6) “tandem, ancilla nequissima, dominam habere te scire coepisti? an pro cetera morum tuorum temeritate istud quoque nescire te fingis, quantos labores circa tuas inquisitiones sustinuerimus? (7) sed bene, quod meas potissimum manus incidisti et inter Orci cancros iam ipsos haesisti, datura scilicet actutum tantae contumaciae poenas.” 9 (1) Et audaciter in capillos eius immissa manu trahebat eam nequaquam renitentem. quam ubi primum inductam oblatamque sibi conspexit Venus, latissimum cachinnum extollit et qualem solent furenter irati, caputque quatiens et ascalpens aurem dexteram (2) “tandem” inquit “dignata es socrum tuam salutare? an potius maritum, qui tuo vulnere periclitatur, intervisere venisti? sed esto secura; iam enim excipiam te, ut bonam nurum condecet.” et “ubi sunt” inquit “Sollicitudo atque Tristities ancillae meae?” (3) Quibus intro vocatis torquendam tradidit eam. at illae sequentes erile praeceptum Psychen misellam flagellis afflictam et ceteris tormentis excruciatam iterum dominae conspectui reddunt. (4) tunc rursus sublato risu Venus “et ecce” inquit “nobis turgidi ventris sui lenocinio commovet miserationem, unde me praeclara subole aviam beatam scilicet faciat. (5) felix vero ego, quae in ipso aetatis meae flore vocabor avia et vilis ancillae filius nepos Veneris audiet. (6) quamquam inepta ego frustra filium dicam. impares

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wie sie konnte: (6) ›Endlich, du nichtswürdige Magd, hast du angefangen zu begreifen, dass du eine Herrin hast? Oder tust du entsprechend der übrigen Dreistigkeit deines Charakters so, als wüsstest du auch das nicht, wie viele Mühen wir bei den Nachforschungen nach dir ertragen mussten? (7) Aber gut, dass du speziell mir in die Hände gefallen und jetzt direkt zwischen den Gitterstäben des Orcus stecken geblieben bist, dafür bestimmt, natürlich auf der Stelle die Strafe für deine so große Widerspenstigkeit zu erleiden.‹ 9 (1) Und frech fuhr sie ihr mit den Händen in die Haare und schleppte sie fort, obwohl die sich keineswegs widersetzte. Sobald Venus sie hereingebracht und sich übergeben sah, erhob sie ein sehr lautes Gelächter, und zwar ein solches, wie es die rasend Erzürnten zu erheben pflegen, schüttelte den Kopf, kratzte sich am rechten Ohr und sagte: (2) ›Hast du es endlich für wert befunden, deine Schwiegermutter zu begrüßen? Oder bist du vielmehr gekommen, um deinen Gatten zu besuchen, der wegen der ihm von dir geschlagenen Wunde in Gefahr schwebt? Aber sei unbesorgt; ich werde dich nämlich jetzt empfangen, wie es einer guten Schwiegertochter gebührt.‹ Und sie sagte: ›Wo sind Sollicitudo und Tristities, meine Mägde?‹ (3) Als diese hereingerufen worden waren, übergab sie sie ihnen zur Folterung. Und in Befolgung des Befehls ihrer Gebieterin schlugen jene die arme Psyche mit Peitschen, marterten sie mit den übrigen Formen der Folterung und brachten sie wieder zurück vor die Augen ihrer Herrin. (4) Da erhob Venus wieder ein Gelächter und sagte: ›Und sieh mal an, sie versucht mich zu Mitleid zu bewegen durch das Lockmittel ihres geschwollenen Bauches, mit dessen prachtvollem Sprössling sie mich natürlich zu einer glücklichen Großmutter machen soll. (5) Ich wahrhaft Glückliche, dass ich gerade in der Blüte meiner Jahre Großmutter genannt sein werde und der Sohn einer billigen Magd Enkel der Venus heißen wird! (6) Doch wie dämlich von mir, wenn ich ihn fälschlich »Sohn« nennen werde! Denn eine nicht ebenbürtige und außerdem in

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enim nuptiae et praeterea in villa sine testibus et patre non consentiente factae legitimae non possunt videri ac per hoc spurius iste nascetur, si tamen partum omnino perferre te patiemur.” 10 (1) His editis involat eam vestemque plurifariam diloricat capilloque discisso et capite conquassato graviter affligit. et accepto frumento et hordeo et milio et papavere et cicere et lente et faba commixtisque acervatim confusis in unum grumulum sic ad illam (2) “videris enim mihi tam deformis ancilla nullo alio, sed tantum sedulo ministerio amatores tuos promereri. iam ergo et ipsa frugem tuam periclitabor. (3) discerne seminum istorum passivam congeriem singulisque granis rite dispositis atque seiugatis ante istam vesperam opus expeditum approbato mihi.” (4) Sic assignato tantorum seminum cumulo ipsa cenae nuptiali concessit. nec Psyche manus admolitur inconditae illi et inextricabili moli, sed immanitate praecepti consternata silens obstupescit. (5) tunc formicula illa parvula atque ruricola certa difficultatis tantae laborisque miserta contubernalis magni dei socrusque saevitiam execrata discurrens naviter convocat corrogatque cunctam formicarum accolarum classem: (6) “miseremini terrae omniparentis agiles alumnae, miseremini et Amoris uxori puellae lepidae periclitanti prompta velocitate succurrite.” (7) ruunt aliae superque aliae sepedum populorum undae summoque studio singulae granatim totum digerunt acervum separatimque distributis dissitisque generibus e conspectu perniciter abeunt.

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einem Landhaus ohne Zeugen sowie ohne Einwilligung des Vaters vollzogene Hochzeit kann nicht als rechtmäßig angesehen werden, und deswegen wird der da als Bastard geboren werden, wenn ich denn überhaupt dulden werde, dass du das Ungeborene austrägst.‹ 10 (1) Als sie dies von sich gegeben hatte, fuhr sie auf sie los, riss ihr Kleid in viele Fetzen, und nachdem sie ihr Haar zerzaust und sie auf den Kopf geschlagen hatte, misshandelte sie sie schwer. Und sie nahm Weizen, Gerste, Hirse, Mohn, Erbsen, Linsen und Bohnen in Empfang, vermischte sie häufchenweise, schüttete sie zu einem einzigen Haufen zusammen und sprach so zu ihr: (2) ›Mir scheint nämlich, dass du als eine so hässliche Magd durch nichts anderes als nur durch fleißigen Dienst deine Liebhaber gewinnst. Jetzt also werde auch ich selbst deine Tüchtigkeit auf die Probe stellen. (3) Sortiere den durcheinander gemischten Haufen dieser Samen da, und wenn du die einzelnen Körner richtig angeordnet und getrennt hast, lass mich vor heute Abend die vollendete Arbeit sehen.‹ (4) Nachdem sie ihr so den Haufen so vieler Samen zugewiesen hatte, ging sie selbst zu einem Hochzeitsessen. Aber Psyche legte nicht Hand an jene ungeordnete und unentwirrbare Masse, sondern erstarrte schweigend, bestürzt über die Ungeheuerlichkeit des Befehls. (5) Da erbarmte sich jenes winzige und auf dem Land wohnende Ameislein, gut vertraut mit der so großen Schwierigkeit und Arbeit, der Bettgenossin des großen Gottes, verwünschte die Grausamkeit der Schwiegermutter, lief eifrig hin und her und rief und bat das ganze Aufgebot der benachbarten Ameisen zusammen. (6) ›Habt Mitleid, ihr flinken Zöglinge der Allmutter Erde, habt Mitleid und kommt Amors Gemahlin, einem charmanten Mädchen in Gefahr, mit bereitwilliger Geschwindigkeit zu Hilfe!‹ (7) Herbei stürzte Welle auf Welle sechsfüßiger Völker, sie sortierten mit höchstem Eifer und jede für sich Korn für Korn den ganzen Haufen, und nachdem sie die verschiedenen Sorten geordnet und getrennt hatten, verschwanden sie schnell aus den Blicken.

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11 (1) Sed initio noctis e convivio nuptiali vino madens et fraglans balsama Venus remeat totumque revincta corpus rosis micantibus visaque diligentia miri laboris (2) “non tuum,” inquit “nequissima, nec tuarum manuum istud opus, sed illius, cui tuo, immo et ipsius malo placuisti”, et frusto cibarii panis ei proiecto cubitum facessit. (3) Interim Cupido solus interioris domus unici cubiculi custodia clausus coercebatur acriter, partim ne petulanti luxurie vulnus gravaret, partim ne cum sua cupita conveniret. sic ergo distentis et sub uno tecto separatis amatoribus taetra nox exanclata. (4) Sed Aurora commodum inequitante vocatae Psychae Venus infit talia: “videsne illud nemus, quod fluvio praeterluenti ripisque longis attenditur? (5) cuius ubi frutices vicinum fontem despiciunt, oves ibi nitentes aurique colore florentes incustodito pastu vagantur. (6) inde de coma pretiosi velleris floccum mihi confestim quoquo modo quaesitum afferas censeo.” 12 (1) Perrexit Psyche volenter non obsequium quidem illa functura, sed requiem malorum praecipitio fluvialis rupis habitura. sed inde de fluvio musicae suavis nutricula leni crepitu dulcis aurae divinitus inspirata sic vaticinatur harundo viridis: (2) “Psyche tantis aerumnis exercita, neque tua miserrima morte meas sanctas aquas polluas nec vero istud horae contra formidabiles oves feras aditum, (3) quoad de solis fraglantia mutuatae calorem truci rabie solent

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11 (1) Doch zu Beginn der Nacht kehrte Venus von dem Hochzeitsgelage zurück, triefend von Wein, nach Balsam duftend, den ganzen Körper mit glitzernden Rosen umwunden, und als sie die wundersame Sorgfalt sah, mit der die Arbeit ausgeführt war, sagte sie: (2) ›Nicht dein Werk ist dies, du Nichtswürdige, und nicht das deiner Hände, sondern desjenigen, dem du zu deinem, ja auch zu seinem Unglück gefallen hast‹, warf ihr ein Stück groben Brotes hin und machte sich zum Schlafen davon. (3) Unterdessen wurde Cupido, allein eingeschlossen im Gewahrsam eines einzigen Zimmers des inneren Hauses, streng festgehalten, teils, damit er nicht durch leichtfertige Zügellosigkeit seine Wunde verschlimmere, teils, damit er nicht mit der von ihm Begehrten zusammenkomme. Somit wurde also von den auseinandergehaltenen und unter ein und demselben Dach getrennten Liebenden eine schreckliche Nacht durchlitten. (4) Aber als Aurora gerade auf ihrem Gespann daherfuhr, rief Venus Psyche und sagte zu ihr Folgendes: ›Siehst du jenen Hain, der sich an dem vorbeiströmenden Fluss und seinen langen Ufern erstreckt? (5) Wo dessen Büsche auf die benachbarte Quelle hinabblicken, dort schweifen glänzende und in der Farbe des Goldes prangende Schafe auf einer unbewachten Weide umher. (6) Ich befehle dir, dass du mir von dort auf der Stelle eine Flocke von der Wolle des kostbaren Fells, die du dir auf welche Weise auch immer verschaffst, herbeibringst.‹ 12 (1) Psyche brach bereitwillig auf, freilich nicht, um Gehorsam zu leisten, sondern um Ruhe von ihren Leiden durch einen Sturz von einem Felsen nahe dem Fluss zu finden. Doch da prophezeite vom Fluss her die Pflegerin süßer Musik, vom sanften Säuseln lieblicher Lüfte göttlich inspiriert, ein grünes Schilfrohr, wie folgt: (2) ›Psyche, von so großen Leiden Geplagte, beflecke nicht mit deinem elenden Tod meine heiligen Wasser, versuche aber auch nicht in diesem Moment Zugang zu den schrecklichen Schafen zu bekommen, (3) solange sie sich vom Brennen der Sonne Hitze leihen,

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efferari cornuque acuto et fronte saxea et nonnumquam venenatis morsibus in exitium saevire mortalium. (4) sed dum meridies solis sedaverit vaporem et pecua spiritus fluvialis serenitate conquieverint, poteris sub illa procerissima platano, quae mecum simul unum fluentum bibit, latenter abscondere. (5) et cum primum mitigata furia laxaverint oves animum, percussis frondibus attigui nemoris lanosum aurum repperies, quod passim stirpibus conexis obhaerescit.” 13 (1) Sic harundo simplex et humana Psychen aegerrimam salutem suam docebat. nec auscultatu paenitendo diligenter instructa illa cessavit, sed observatis omnibus furatrina facili flaventis auri mollitie congestum gremium Veneri reportat. (2) nec tamen apud dominam saltem secundi laboris periculum secundum testimonium meruit, sed contortis superciliis subridens amarum sic inquit: (3) “nec me praeterit huius quoque facti auctor adulterinus. sed iam nunc ego sedulo periclitabor, an oppido forti animo singularique prudentia sis praedita. (4) videsne insistentem celsissimae illi rupi montis ardui verticem, de quo fontis atri fuscae defluunt undae proxumaeque conceptaculo vallis inclusae Stygias inrigant paludes et rauca Cocyti fluenta nutriunt? (5) indidem mihi de summi fontis penita scaturrigine rorem rigentem hauritum ista confestim defer urnula.” sic aiens crustallo dedolatum vasculum insuper ei graviora comminata tradidit.

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wie gewöhnlich von grimmiger Wut rasend gemacht werden und mit spitzen Hörnern, steinharten Stirnen und zuweilen mit giftigen Bissen zum Verderben der Sterblichen toben. (4) Doch bis die Mitte des Tages die Glut der Sonne gelindert und die Herde sich infolge der Heiterkeit der vom Fluss aufsteigenden Brise beruhigt hat, wirst du dich unter jener sehr hohen Platane, die zugleich mit mir aus ein und demselben Fluss trinkt, heimlich verstecken können. (5) Und sobald die Schafe ihre Raserei besänftigt und ihren heftigen Sinn entspannt haben, wirst du, wenn du das Laub des benachbarten Hains schüttelst, das wollene Gold finden, das überall an den gebogenen Zweigen hängt.‹ 13 (1) So lehrte das aufrichtige und menschliche Schilfrohr die sehr bekümmerte Psyche deren eigene Sicherheit. Und sorgfältig unterrichtet blieb sie nicht mit einem Gehorsam, den sie hätte bereuen müssen, untätig, sondern beachtete alles, belud ihren Schoß durch leichten Diebstahl mit der Weichheit des gelben Goldes und brachte es Venus heim. (2) Doch bei ihrer Herrin brachte ihr nicht einmal die Gefahr der zweiten Arbeit ein günstiges Zeugnis ein, sondern mit zusammengezogenen Augenbrauen sprach diese bitter lächelnd wie folgt: (3) ›Mir entgeht der falsche Urheber auch dieser Tat nicht. Jetzt aber werde ich sorgfältig auf die Probe stellen, ob du ganz und gar mit einem tapferen Sinn und einzigartiger Klugheit begabt bist. (4) Siehst du den über jenem sehr hohen Felsen sich erhebenden Gipfel des steil aufragenden Berges, von dem die dunklen Wellen einer schwarzen Quelle herabfließen und, wenn sie im Becken des nächstgelegenen Tals eingeschlossen sind, die stygischen Sümpfe bewässern und die dumpf tönenden Fluten des Cocytus speisen? (5) Genau von dort, von dem innersten Sprudeln der Quelle ganz oben, schöpfe eisiges Wasser und bringe es eilends in diesem kleinen Krug herab.‹ Mit diesen Worten übergab sie ihr ein aus Kristall angefertigtes Gefäß, nachdem sie ihr obendrein Schwereres angedroht hatte.

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14 (1) At illa studiose gradum celerans montis extremum petit tumulum certe vel illic in〈ventura〉 vitae pessimae finem. sed cum primum praedicti iugi conterminos locos appulit, videt rei vastae letalem difficultatem. (2) namque saxum immani magnitudine procerum et inaccessa salebritate lubricum mediis e faucibus lapidis fontes horridos evomebat, (3) qui statim proni foraminis lacunis editi perque proclive delapsi et angusti canalis exarato contecti tramite proxumam convallem latenter incidebant. (4) dextra laevaque cautibus cavatis proserpunt ecce longa colla porrecti saevi dracones inconivae vigiliae luminibus addictis et in perpetuam lucem pupulis excubantibus. (5) iamque et ipsae semet muniebant vocales aquae. nam et “discede!” et “quid facis? vide!” et “quid agis? cave!” et “fuge!” et “peribis!” subinde clamant. (6) sic impossibilitate ipsa mutata in lapidem Psyche quamvis praesenti corpore, sensibus tamen aberat et inextricabilis periculi mole prorsus obruta lacrimarum etiam extremo solacio carebat. 15 (1) Nec Providentiae bonae graves oculos innocentis animae latuit aerumna. nam supremi Iovis regalis ales illa repente propansis utrimque pinnis affuit rapax aquila (2) memorque veteris obsequii, quo ductu Cupidinis Iovi pocillatorem Phrygium sustulerat, opportunam ferens opem deique numen in uxoris laboribus percolens alti culminis diales vias deserit et ob os puellae praevolans incipit:

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14 (1) Doch sie strebte, indem sie eifrig ihren Schritt beschleunigte, zum höchsten Gipfel des Berges, um dort mit Sicherheit wenigstens das Ende ihres sehr elenden Lebens zu finden. Aber sobald sie auf den Plätzen, die an das zuvor genannte Bergjoch grenzten, angekommen war, sah sie die tödliche Schwierigkeit des gewaltigen Unternehmens. (2) Denn ein in gewaltiger Größe aufragender und durch unzugängliche Holprigkeit glitschiger Fels spie mitten aus seinem steinernen Schlund schaurige Fluten, (3) die sofort, wenn sie aus den Öffnungen des sich neigenden Spalts herausgekommen waren, über den Abhang herabströmten und, verdeckt im herausgepflügten Bett eines engen Kanals, sich unbemerkt in das nächstgelegene Tal ergossen. (4) Zur Rechten und zur Linken krochen, sieh da, aus den ausgehöhlten Felsen, die langen Hälse ausgestreckt, grimmige Drachen, nie schlafender Wachsamkeit die Augen geweiht und die Pupillen wach bleibend für immerwährendes Sehen. (5) Und jetzt versuchten sich sogar die Wasser zu schützen, indem sie sprachen. Denn sie riefen immer wieder: ›Geh weg!‹ und ›Was machst du? Pass auf!‹ und ›Was treibst du da? Sieh dich vor!‹ und ›Flieh!‹ und ›Du wirst sterben!‹ (6) So wurde aufgrund der Unmöglichkeit Psyche selbst in einen Stein verwandelt, war, obwohl körperlich anwesend, mit ihren Sinnen dennoch abwesend, und ganz zugeschüttet von der Masse der unentrinnbaren Gefahr hatte sie auch nicht den letzten Trost der Tränen. 15 (1) Aber den ernsten Augen der freundlichen Providentia blieb das Leid einer unschuldigen Seele nicht verborgen. Denn jener königliche Vogel des höchsten Jupiter, der räuberische Adler, war plötzlich mit auf beiden Seiten ausgebreiteten Flügeln da, (2) und in Erinnerung an seine frühere Willfährigkeit, bei der er unter der Führung Cupidos für Jupiter den phrygischen Mundschenk emporgetragen hatte, brachte er jetzt günstige Hilfe, und in Verehrung der Macht des Gottes bei den Leiden von dessen Gattin verließ er Jupiters Wege des hohen Himmels, flog vor das Gesicht des Mädchens und begann zu reden:

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(3) “At tu, simplex alioquin et expers rerum talium, sperasne te sanctissimi nec minus truculenti fontis vel unam stillam posse furari vel omnino contingere? (4) diis etiam ipsique Iovi formidabiles aquas istas Stygias vel fando comperisti quodque vos deieratis per numina deorum, deos per Stygis maiestatem solere? (5) sed cedo istam urnulam.” Et protinus adrepta complexaque festinat libratisque pinnarum nutantium molibus inter genas saevientium dentium et trisulca vibramina draconum remigium dextra laevaque porrigens (6) nolentes aquas et, ut abiret innoxius, praeminantes excipit commentus ob iussum Veneris petere eique se praeministrare, quare paulo facilior adeundi fuit copia. 16 (1) Sic acceptam cum gaudio plenam urnulam Psyche Veneri citata rettulit. nec tamen nutum deae saevientis vel tunc expiare potuit. (2) nam sic eam maiora atque peiora flagitia comminans appellat renidens exitiabile: “iam tu quidem magna videris quaedam mihi et alta prorsus malefica, quae talibus praeceptis meis obtemperasti naviter. (3) sed adhuc istud, mea pupula, ministrare debebis. sume istam pyxidem”, et dedit; “protinus usque ad inferos et ipsius Orci ferales penates te derige. (4) tunc conferens pyxidem Proserpinae ‘petit de te Venus’ dicito ‘modicum de tua mittas ei formonsitate vel ad unam saltem dieculam sufficiens. (5) nam quod habuit, dum filium curat aegrotum, consumpsit atque contrivit

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(3) ›Du also, naiv auch sonst und unerfahren in solchen Dingen, hoffst, du könntest auch nur einen einzigen Tropfen der heiligsten und nicht weniger grimmigen Quelle stehlen oder überhaupt berühren? (4) Dass auch für die Götter und selbst für Jupiter fürchterlich sind diese stygischen Wasser, hast du doch wenigstens vom Hörensagen erfahren, und dass das, was ihr bei der Macht der Götter schwört, die Götter bei der Majestät des Styx zu schwören pflegen? (5) Doch gib mir diesen kleinen Krug da!‹ Und sofort riss er den an sich, umfasste ihn und eilte los, und indem er die Masse seiner wippenden Flügel in der Schwebe hielt und sein Ruderwerk zwischen den Kiefern mit ihren rasenden Zähnen und den dreifach gespalteten Zitterbewegungen der Drachen rechts und links ausstreckte, nahm er die Wasser auf, (6) die unwillig waren und ihn drohend mahnten, er solle, solange er unversehrt sei, verschwinden, und behauptete fälschlich, er hole sie auf Befehl der Venus und diene ihr, weshalb die Möglichkeit des Zutritts ein wenig leichter war. 16 (1) So bekam Psyche mit Freuden den vollen kleinen Krug und brachte ihn schnell zu Venus zurück. Doch sie konnte die Macht der heftig zürnenden Göttin nicht einmal dann versöhnen. (2) Denn diese drohte ihr mit größeren und schlimmeren Grausamkeiten und redete sie tödlich lächelnd wie folgt an: ›Jetzt scheinst du jedenfalls mir eine große und ganz und gar perfekte Hexe zu sein, die du solchen von mir gegebenen Befehlen so eifrig gehorcht hast. (3) Aber dies, mein Püppchen, wirst du noch erledigen müssen. Nimm diese Büchse hier‹, und sie gab sie ihr, ›begib dich sofort zur Unterwelt und zum Totenhaus des Orcus selbst! (4) Dann bringe die Büchse Proserpina und sage: »Venus bittet dich, du mögest ihr ein wenig von deiner Schönheit schicken, das wenigstens für einen kleinen Tag ausreicht. (5) Denn was sie hatte, hat sie, während sie ihren kranken Sohn pflegte, alles verbraucht und aufgezehrt.« Aber komme nicht zu spät zurück, weil es notwendig ist,

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omne.’ sed haud immaturius redito, quia me necesse est indidem delitam theatrum deorum frequentare.” 17 (1) Tunc Psyche vel maxime sensit ultimas fortunas suas et velamento reiecto ad promptum exitium sese compelli manifeste comperit. quidni? quae suis pedibus ultro ad Tartarum manesque commeare cogeretur. (2) nec cunctata diutius pergit ad quampiam turrim praealtam indidem sese datura praecipitem. sic enim rebatur ad inferos recte atque pulcherrime se posse descendere. (3) sed turris prorumpit in vocem subitam et “quid te” inquit “praecipitio, misella, quaeris extinguere? quidque iam novissimo periculo laborique isto temere succumbis? (4) nam si spiritus corpore tuo semel fuerit seiugatus, ibis quidem profecto ad imum Tartarum, sed inde nullo pacto redire poteris. mihi ausculta. 18 (1) Lacedaemo Achaiae nobilis civitas non longe sita est. huius conterminam deviis abditam locis quaere Taenarum. (2) inibi spiraculum Ditis et per portas hiantes monstratur iter invium, cui te limine transmeato simul commiseris, iam canale directo perges ad ipsam Orci regiam. (3) sed non hactenus vacua debebis per illas tenebras incedere, sed offas polentae mulso concretas ambabus gestare manibus, at in ipso ore duas ferre stipes. (4) iamque confecta bona parte mortiferae viae continaberis claudum asinum lignorum gerulum cum agasone simili, qui te rogabit, decidentis sarcinae fusticulos aliquos porrigas ei, sed tu nulla voce deprompta tacita praeterito. (5) nec mora, cum ad flumen mortuum venies, cui praefectus Charon protinus expetens portorium sic ad ripam ulteriorem sutili

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dass ich, eben damit geschminkt, den Versammlungsort der Götter besuche.‹ 17 (1) Da fühlte Psyche mehr denn je, dass ihr Schicksal sich auf seinem Tiefpunkt befand, und sie erkannte deutlich, da der Schleier abgeworfen war, dass sie in den baldigen Tod getrieben werde. Wie auch anders? Wurde sie doch gezwungen, auf ihren eigenen Füßen sogar zum Tartarus und zu den Manen zu gehen. (2) Ohne länger zu zögern begab sie sich zu einem sehr hohen Turm, um sich von dort hinabzustürzen. So nämlich, glaubte sie, könne sie richtig und am besten zur Unterwelt hinabsteigen. (3) Doch der Turm brach plötzlich in Worte aus und sagte: ›Was, du Arme, suchst du dich durch einen Sturz von oben zu töten? Und was erliegst du nun unüberlegt dieser letzten Gefahr und dieser Aufgabe? (4) Denn wenn der Geist von deinem Körper einmal getrennt ist, wirst du zwar in der Tat in den tiefsten Tartarus gehen, aber von dort auf keine Weise zurückkehren können. Höre auf mich! 18 (1) Lakedämon, die berühmte Stadt Achaias, liegt nicht weit von hier. Den an ihrer Grenze in einer abgelegenen Gegend verborgene Tänarus suche auf! (2) Dort ist das Luftloch des Dis, und durch die aufklaffenden Tore wird eine unwegsame Straße gewiesen, und sobald du dich ihr nach Überschreiten der Schwelle anvertraut hast, wirst du bereits auf geradem Wege direkt zur Königsburg des Orcus gelangen. (3) Aber du wirst nicht so wie jetzt mit leeren Händen durch jene Finsternis schreiten dürfen, sondern wirst in jeder Hand einen mit Honigwein zusammengekneteten Gerstenkloß tragen und direkt im Mund zwei Münzen mitnehmen müssen. (4) Und wenn schon ein gutes Stück des todbringenden Weges zurückgelegt ist, wirst du einem lahmen Esel, der Holz trägt, zusammen mit einem ebenfalls lahmen Treiber begegnen, der dich bitten wird, ihm einige Scheite der herabfallenden Last zu reichen, aber du gehe, ohne ein einziges Wort hervorzubringen, schweigend vorüber. (5) Bald danach wirst du zum Fluss des Todes kommen, dessen Präfekt Charon sofort den Fährlohn verlangt und dann in

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cumba deducit commeantes. (6) ergo et inter mortuos avaritia vivit nec Charon ille Ditis sectator tantus deus quicquam gratuito facit et moriens pauper viaticum debet quaerere et aes si forte prae manu non fuerit, nemo eum expirare patietur. (7) huic squalido seni dabis nauli nomine de stipibus, quas feres, alteram, sic tamen, ut ipse sua manu de tuo sumat ore. (8) nec setius tibi pigrum fluentum transmeanti quidam supernatans senex mortuus putris adtollens manus orabit, ut eum intra navigium trahas, nec tu tamen inlicita adflectare pietate. 19 (1) Transito fluvio modicum te progressam textrices orabunt anus telam struentes, manus paulisper accommodes, nec id tamen tibi contingere fas est. nam haec omnia tibi et multa alia de Veneris insidiis orientur, ut vel unam de manibus omittas offulam. (2) nec putes futile istud polentarium damnum leve; altera enim perdita lux haec tibi prorsus denegabitur. (3) canis namque praegrandis teriugo et satis amplo capite praeditus immanis et formidabilis tonantibus oblatrans faucibus mortuos, quibus iam nil mali potest facere, frustra territando ante ipsum limen et atra atria Proserpinae semper excubans servat vacuam Ditis domum. (4) hunc offrenatum unius offulae praeda facile praeteribis ad ipsamque protinus Proserpinam introibis, quae te comiter excipiet ac benigne, ut et molliter assidere et prandium opipare suadeat sumere. (5) sed tu et humi reside et panem sordidum petitum esto. deinde nuntiato, quid adveneris,

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seinem zusammengenähten Kahn die Reisenden ans jenseitige Ufer führt. (6) Also lebt auch unter den Toten die Habsucht und nicht einmal Charon, jener Gefolgsmann des Dis, ein so mächtiger Gott, tut irgendetwas umsonst, und ein sterbender Armer muss sich das Reisegeld verschaffen, und wenn gerade keine Kupfermünze zur Hand ist, wird niemand dulden, dass er seinen letzten Atem aushaucht. (7) Diesem schmutzigen alten Mann wirst du als Fährgeld von den Münzen, die du mitnehmen wirst, die eine geben, aber so, dass er sie selbst mit eigener Hand aus deinem Mund nimmt. (8) Ebenso wird, wenn du den trägen Fluss überquerst, ein toter alter Mann, der auf der Oberfläche schwimmt, zu dir seine verwesten Hände erheben und dich bitten, ihn in das Boot zu ziehen, aber du lass dich nicht durch unerlaubtes Mitleid beeinflussen. 19 (1) Wenn du den Fluss überquert hast und ein bisschen vorangeschritten bist, werden dich alte Weberinnen, die gerade ein Gewebe anfertigen, bitten, ein Weilchen mit Hand anzulegen, doch auch das zu berühren ist dir nicht erlaubt. Denn all dies und vieles andere wird sich dir wegen der von Venus gelegten Fallen zeigen, damit du wenigstens einen von den Klößen fallen lässt. (2) Glaube nicht, dieser nichtige Verlust eines Gerstenkloßes sei unbedeutend; denn wenn du einen von beiden verlierst, wird dir dieses Licht ganz und gar verweigert werden. (3) Denn ein riesiger Hund, mit dreifachem und sehr großem Kopf ausgestattet, ungeheuer und furchterregend, der mit donnerndem Rachen die Toten anbellt und sie, denen er nichts Übles mehr antun kann, vergeblich erschreckt, hält stets Wache direkt vor der Schwelle und dem schwarzen Atrium der Proserpina und gibt Acht auf das leere Haus des Dis. (4) Wenn du ihn zum Preis eines Kloßes gezähmt hast, wirst du leicht an ihm vorbeikommen und sofort bei Proserpina eintreten, die dich freundlich und gütig aufnehmen wird, um dich zu überreden, dich weich hinzusetzen und ein reichliches Essen zu dir zu nehmen. (5) Aber du setze dich auf den Boden und bitte um grobes Brot und iss es. Wenn du dann verkündet hast, warum du hergekommen bist,

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susceptoque quod offeretur rursus remeans (6) canis saevitiam offula reliqua redime ac deinde avaro navitae data quam reservaveras, stipe transitoque eius fluvio recalcans priora vestigia ad istum caelestium siderum redies chorum. (7) sed inter omnia hoc observandum praecipue tibi censeo, ne velis aperire vel inspicere illam, quam feres, pyxidem vel omnino divinae formonsitatis abditum curare thensaurum.” 20 (1) Sic turris illa prospicua vaticinationis munus explicuit. nec morata Psyche pergit Taenarum sumptisque rite stipibus illis et offulis infernum decurrit meatum. (2) transitoque per silentium asinario debili et amnica stipe vectori data, neglecto supernatantis mortui desiderio et spretis textricum subdolis precibus et offulae cibo sopita canis horrenda rabie domum Proserpinae penetrat. (3) nec offerentis hospitae sedile delicatum vel cibum beatum amplexa, sed ante pedes eius residens humilis cibario pane contenta Veneriam pertulit legationem. (4) statimque secreto repletam conclusamque pyxidem suscipit et offulae sequentis fraude caninis latratibus obseratis residuaque navitae reddita stipe longe vegetior ab inferis recurrit. (5) et repetita atque adorata candida ista luce quamquam festinans obsequium terminare mentem capitur temeraria curiositate. (6) et “ecce” inquit “inepta ego divinae formonsitatis gerula, quae nec tantillum quidem indidem mihi delibo vel sic illi amatori meo formonso placitura.”

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und erhalten hast, was dir angeboten wird, gehe wieder zurück, (6) kauf dich mit dem übrigen Kloß von der Grausamkeit des Hundes los, gib dann dem habgierigen Fährmann die Münze, die du aufbewahrt hattest, und wenn du seinen Fluss überquert hast, tritt zurück in deine früheren Spuren, und du wirst zu diesem Chor der himmlischen Sterne zurückkehren. (7) Aber unter all den Dingen empfehle ich dir, dies besonders zu beachten, dass du jene Büchse, die du trägst, weder zu öffnen wünschst noch in sie hineinzuschauen oder dich überhaupt um den verborgenen Schatz göttlicher Schönheit zu kümmern.‹ 20 (1) So führte jener weit blickende Turm seine Funktion der Weissagung aus. Ohne zu verweilen begab Psyche sich zum Tänarus, nahm pflichtgemäß jene Münzen und Klöße und lief den Weg zur Unterwelt hinab. (2) Und sie ging schweigend an dem altersschwachen Eselstreiber vorbei, gab das Flussgeld dem Fährmann, ignorierte den Wunsch des auf der Oberfläche schwimmenden Toten, verschmähte die heimtückischen Bitten der Weberinnen, schläferte mit der Speise des Kloßes die schreckliche Wut des Hundes ein und drang in das Haus der Proserpina ein. (3) Sie griff nicht begierig nach dem feinen Sessel, den die Gastgeberin ihr anbot, oder nach dem reichen Essen, sondern saß zu ihren Füßen am Boden, zufrieden mit dem groben Brot, und führte den Auftrag der Venus aus. (4) Sofort nahm sie die Büchse, nachdem diese heimlich gefüllt und verschlossen worden war, und als sie das hündische Bellen mit dem Trick des zweiten Kloßes blockiert und die verbliebene Münze dem Fährmann gegeben hatte, lief sie aus der Unterwelt weit lebendiger zurück. (5) Und als sie dieses helle Tageslicht wiedergefunden und ehrfürchtig begrüßt hatte, wurde sie, obwohl sie ihre Aufgabe zu beenden in Eile war, in ihrem Sinn von leichtsinniger Neugier erfasst. (6) Und sie sagte: ›Sieh an, was für eine dumme Trägerin göttlicher Schönheit ich bin, die ich mir nicht einmal ein kleines Bisschen davon abschöpfe, um doch wenigstens so jenem meinem schönen Liebhaber zu gefallen.‹

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21 (1) Et cum dicto reserat pyxidem. nec quicquam ibi rerum nec formonsitas ulla, sed infernus somnus ac vere Stygius, qui statim coperculo relevatus invadit eam crassaque soporis nebula cunctis eius membris perfunditur et in ipso vestigio ipsaque semita conlapsam possidet. (2) et iacebat immobilis et nihil aliud quam dormiens cadaver. Sed Cupido iam cicatrice solida revalescens nec diutinam suae Psyches absentiam tolerans per altissimam cubiculi, quo cohibebatur, elapsus fenestram (3) refectisque pinnis aliquanta quiete longe velocius provolans Psychen accurrit suam detersoque somno curiose et rursum in pristinam pyxidis sedem recondito Psychen innoxio punctulo sagittae suae suscitat (4) et “ecce” inquit “rursum perieras, misella, simili curiositate. sed interim quidem tu provinciam, quae tibi matris meae praecepto mandata est, exsequere naviter; cetera egomet videro.” his dictis amator levis in pinnas se dedit, Psyche vero confestim Veneri munus reportat Proserpinae. 22 (1) Interea Cupido amore nimio peresus et aegra facie matris suae repentinam sobrietatem pertimescens ad armillum redit alisque pernicibus caeli penetrato vertice magno Iovi supplicat suamque causam probat. (2) tunc Iuppiter prehensa Cupidinis buccula manuque ad os suum relata consaviat atque sic ad illum (3) “licet tu,” inquit “domine fili, numquam mihi concessu deum decretum servaris honorem, sed istud pectus meum, quo leges elementorum et vices siderum disponuntur, convulneraris adsiduis ictibus crebrisque terrenae libidinis foedaveris casibus (4) contraque leges, et

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21 (1) Und mit diesen Worten öffnete sie die Büchse. Aber da war gar nichts und keine Schönheit, sondern ein unterirdischer und wahrhaft stygischer Schlaf, der, befreit von seinem Deckel, sie sofort überfiel, sich in einem dicken Nebel des Schlummers über all ihre Glieder ergoss und sich ihrer bemächtigte, während sie genau da, wo sie stand, direkt auf dem Weg zusammenbrach. (2) Und sie lag unbeweglich da, nichts anderes als ein schlafender Leichnam. Doch Cupido, der, weil seine Wunde vernarbt war und er wieder zu Kräften kam, die lange Abwesenheit seiner Psyche nicht ertrug, entschlüpfte durch das sehr hohe Fenster seines Schlafzimmers, in dem er festgehalten wurde, flog, (3) da seine Flügel sich durch die beträchtliche Ruhe erholt hatten, weit schneller vorwärts, eilte zu seiner Psyche, wischte ihr sorgfältig den Schlaf ab, legte ihn wieder an seinen vorherigen Platz in der Büchse, weckte Psyche mit einem harmlosen Stich seines Pfeils (4) und sagte: ›Schau, wieder wärest du Arme wegen der gleichen Neugier verloren gewesen. Doch führe einstweilen wenigstens die Aufgabe, welche dir durch den Befehl meiner Mutter aufgetragen wurde, tatkräftig aus; um das Übrige werde ich mich kümmern.‹ Nach diesen Worten warf ihr sich leicht bewegender Liebhaber sich in seine Flügel, Psyche aber trug eilends das Geschenk Proserpinas heim zu Venus. 22 (1) Unterdessen kehrte Cupido, von übergroßer Liebe verzehrt und mit ungesundem Aussehen in großer Angst vor dem plötzlichen Maßhalten seiner Mutter, zu seiner typischen Art zurück, drang auf schnellen Flügeln bis zur Höhe des Himmels vor, trat bittflehend vor den großen Jupiter und vertrat vor ihm seine Sache. (2) Da fasste Jupiter Cupido an der kleinen Wange, legte dessen Hand an seinen Mund, küsste sie und sprach wie folgt zu ihm: (3) ›Obwohl du, mein Herr und Sohn, mir niemals den für mich mit Einwilligung der Götter beschlossenen Respekt gezollt, sondern diese meine Brust, in der die Gesetze der Elemente und die Bewegungen der Gestirne bestimmt werden, durch ständige Wunden verletzt und durch zahlreiche Fälle irdischer Lust besudelt

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ipsam Iuliam, disciplinamque publicam turpibus adulteriis existimationem famamque meam laeseris, in serpentes, in ignes, in feras, in aves et gregalia pecua serenos vultus meos sordide reformando, (5) at tamen modestiae mea memor quodque inter istas meas manus creveris cuncta perficiam, dum tamen scias aemulos tuos cavere, ac si qua nunc in terris puella praepollet pulchritudine, praesentis beneficii vicem per eam mihi repensare te debere.” 23 (1) Sic fatus iubet Mercurium deos omnes ad contionem protinus convocare, ac si qui coetu caelestium defuisset, in poenam decem milium nummum conventum iri pronuntiare. quo metu statim completo caelesti theatro pro sede sublimi sedens procerus Iuppiter sic enuntiat: (2) “Dei conscripti Musarum albo, adolescentem istum quod manibus meis alumnatus sim, profecto scitis omnes. cuius primae iuventutis caloratos impetus freno quodam coercendos existimavi. sat est cotidianis eum fabulis ob adulteria cunctasque corruptelas infamatum. (3) tollenda est omnis occasio et luxuria puerilis nuptialibus pedicis alliganda. puellam elegit et virginitate privavit. teneat, possideat, amplexus Psychen semper suis amoribus perfruatur.” (4) Et ad Venerem conlata facie “nec tu,” inquit “filia, quicquam contristere nec prosapiae tantae tuae statuque de matrimonio

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(4) und gegen die Gesetze, sogar das julische, sowie die öffentliche Moral durch schändliche Liebesaffären meinen guten Ruf und mein Ansehen geschädigt hast, indem du in Schlangen, in Feuer, in wilde Tiere, in Vögel und Herdentiere mein heiteres Gesicht auf erniedrigende Weise verwandeltest, (5) werde ich aber dennoch, eingedenk meiner Selbstbeherrschung, und weil du unter diesen meinen Händen aufgewachsen bist, alles tun, wenn du nur gleichwohl weißt, dass du dich vor deinen Rivalen hüten und, falls jetzt irgendeine junge Frau auf Erden durch Schönheit hervorsticht, für meine gegenwärtige Wohltat durch sie mir eine Rückzahlung leisten musst.‹ 23 (1) Als er so gesprochen hatte, befahl er Merkur, sofort alle Götter zu einer Versammlung zusammenzurufen und zu verkünden, dass, wenn einer bei der Zusammenkunft der Himmlischen fehle, er auf eine Geldstrafe von zehntausend Sesterzen verklagt werden würde. Aufgrund dieser Drohung füllte sich sofort der himmlische Versammlungsort, und Jupiter, hochragend vorn auf seinem hohen Thron sitzend, verkündete Folgendes: (2) ›Ihr Götter, eingetragen im Verzeichnis der Musen, dass ich diesen jungen Mann da mit meinen eigenen Händen aufgezogen habe, wisst ihr in der Tat alle. Das hitzige Ungestüm seiner frühen Jugend muss durch eine Art Zügel gebändigt werden, habe ich mir gedacht. Es reicht jetzt, dass er durch das tägliche Gerede wegen seiner Liebesaffären und von Verführungen aller Art in einen schlechten Ruf geraten ist. (3) Jede Gelegenheit dazu muss beseitigt und seine jugendliche Ausgelassenheit durch die ehelichen Fesseln unterbunden werden. Er hat ein Mädchen gewählt und der Virginität beraubt. Er soll sie festhalten, besitzen und beim Umarmen Psyches immer seine Liebe genießen.‹ (4) Und das Gesicht zu Venus gewandt, sagte er: ›Und du, Tochter, sei nicht irgendwie betrübt und fürchte nicht für deinen so bedeutenden Stammbaum und deinen Status wegen der Ehe mit einer Sterblichen. Ich werde jetzt dafür sorgen, dass diese Ehe nicht

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mortali metuas. iam faxo nuptias non impares, sed legitimas et iure civili congruas.” (5) Et ilico per Mercurium arripi Psychen et in caelum perduci iubet. porrecto ambrosiae poculo “sume,” inquit “Psyche, et immortalis esto, nec umquam digredietur a tuo nexu Cupido, sed istae vobis erunt perpetuae nuptiae.” 24 (1) Nec mora, cum cena nuptialis affluens exhibetur. accumbebat summum torum maritus Psychen gremio suo complexus. sic et cum sua Iunone Iuppiter ac deinde per ordinem toti dei. (2) tunc poculum nectaris, quod vinum deorum est, Iovi quidem suus pocillator ille rusticus puer, ceteris vero Liber ministrabat, Vulcanus cenam coquebat, (3) Horae rosis et ceteris floribus purpurabant omnia, Gratiae spargebant balsama, Musae quoque canora personabant. Apollo cantavit ad citharam, Venus suavi musicae superingressa formonsa saltavit scaena sibi sic concinnata, ut Musae quidem chorum canerent, tibias inflaret Saturus et Paniscus ad fistulam diceret. (4) Sic rite Psyche convenit in manum Cupidinis et nascitur illis maturo partu filia, quam Voluptatem nominamus.’ 25 (1) Sic captivae puellae delira et temulenta illa narrabat anicula. sed astans ego non procul dolebam mehercules, quod pugillares et stilum non habebam, qui tam bellam fabellam praenotarem. (2) Ecce confecto nescio quo gravi proelio latrones adveniunt onusti. nonnulli tamen, immo promptiores, vulneratis domi relictis et plagas recurantibus ipsi ad reliquas occultatas in quadam spelun-

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sozial ungleich, sondern gesetzmäßig und mit dem bürgerlichen Recht übereinstimmend ist.‹ (5) Und sofort befahl er, dass Psyche durch Merkur in Gewahrsam genommen und in den Himmel geleitet werde. Er bot ihr einen Becher Ambrosia dar und sagte: ›Nimm, Psyche, und sei unsterblich, und niemals wird fortgehen aus deiner Umarmung Cupido, sondern diese eure Ehe wird für immer bestehen.‹ 24 (1) Und es gab keinen Verzug, bis ein üppiges Hochzeitsessen aufgetragen wurde. Auf dem obersten Speisesofa lagerte sich der Bräutigam, der Psyche in seinem Schoß umarmt hielt. So auch mit seiner Juno Jupiter und dann in der Rangordnung alle Götter. (2) Dann reichte den Becher mit Nektar, welcher der Wein der Götter ist, dem Jupiter sein Mundschenk, jener bäuerliche Junge, den übrigen aber Liber, Vulkan kochte das Essen, (3) die Horen machten alles mit Rosen und anderen Blumen purpur, die Grazien steuten Balsam, auch die Musen ließen Wohlklang ertönen. Apollo sang zur Kithara, Venus passte ihre Schritte dem Rhythmus der süßen Musik an und tanzte in all ihrer Schönheit, nachdem sie sich die Vorführung so eingerichtet hatte, dass die Musen den Chor sangen, ein Satyr Flöte blies und ein kleiner Pan zur Rohrpfeife vortrug. (4) So ging Psyche nach dem Brauch in die Hand von Cupido über, und zur richtigen Zeit der Niederkunft wurde ihnen eine Tochter geboren, die wir Voluptas nennen.« 25 (1) So erzählte dem gefangenen Mädchen die verrückte und betrunkene alte Frau. Doch ich, der ich nicht weit entfernt stand, bedauerte es, beim Herkules, dass ich keine Schreibtafel und keinen Griffel hatte, um eine so schöne Geschichte aufzuzeichnen. (2) Sieh da, nach irgendeinem schweren Gefecht kamen die Räuber beladen an. Doch einige, vielmehr die Entschlosseneren, waren, nachdem sie die Verwundeten zu Hause gelassen hatten und diese ihre Wunden behandelten, heftig bestrebt, selbst zu den übrigen Bündeln abzumarschieren, die, wie sie sagten, in einer Höhle

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ca sarcinas, ut aiebant, proficisci gestiunt. (3) prandioque raptim tuburcinato me et equum vectores rerum illarum futuros fustibus exinde tundentes producunt in viam (4) multisque clivis et anfractibus fatigatos prope ipsam vesperam perducunt ad quampiam speluncam, unde multis onustos rebus rursum ne breviculo quidem tempore refectos ociter reducunt. tantaque trepidatione festinabant, ut me plagis multis obtundentes propellentesque super lapidem propter viam positum deicerent, (5) unde crebris aeque ingestis ictibus crure dextero et ungula sinistra me debilitatum aegre ad exsurgendum compellunt. 26 (1) Et unus ‘quo usque’ inquit ‘ruptum istum asellum nunc etiam claudum frustra pascemus?’ et alius: ‘quid quod et pessumo pede domum nostram accessit nec quicquam idonei lucri exinde cepimus, sed vulnera et fortissimorum occisiones?’ (2) alius iterum: ‘certe ego, cum primum sarcinas istas quamquam invitus pertulerit, protinus eum vulturiis gratissimum pabulum futurum praecipitabo.’ (3) Dum secum mitissimi homines altercant de mea nece, iam et domum perveneramus, nam timor ungulas mihi alas fecerat. (4) tum quae ferebamus amoliti properiter nulla salutis nostrae cura ac ne meae quidem necis habita comitibus adscitis, qui vulnerati remanserant dudum, recurrunt relicto taedio, ut aiebant, nostrae tarditatis. (5) Nec me tamen mediocris carpebat scrupulus contemplatione comminatae mihi mortis. et ipse mecum: ‘quid stas, Luci, vel quid

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versteckt waren. (3) Und nachdem sie ihr Essen hastig hinuntergeschlungen hatten, führten sie mich und mein Pferd, zu Trägern jener Sachen bestimmt, hinaus auf die Straße, wobei sie uns fortwährend mit Knüppeln schlugen, (4) und als wir von den vielen Hügeln und Straßenbiegungen ermüdet waren, brachten sie uns schon fast gegen Abend zu irgendeiner Höhle, von wo sie uns wiederum, ohne dass wir uns auch nur eine sehr kurze Zeit hatten erholen können, mit vielen Sachen beladen schleunigst wieder zurückführten. Und sie drängten uns mit so großer Unruhe zur Eile, dass sie, während sie mich mit vielen Hieben prügelten und vorwärtstrieben, es dahin brachten, dass ich auf einen Stein nahe der Straße fiel, (5) von dem aufzustehen sie mich, nachdem sie mir wie zuvor häufige Schläge zugefügt hatten und ich am rechten Bein und am linken Huf gelähmt war, nur mit Mühe zwangen. 26 (1) Und einer sagte: »Wie lange noch werden wir diesen zusammengebrochenen, jetzt auch noch lahmen Esel sinnlos füttern?« Und ein anderer: »Was soll man dazu sagen, dass er auch mit Unglücksbeinen in unser Haus gekommen ist und wir seitdem keinen anständigen Gewinn zu fassen bekamen, sondern nur Wunden und den Tod unserer Tapfersten?« (2) Wieder ein anderer: »Jedenfalls werde ich ihn, sobald er die Bündel da, obwohl widerwillig, hingetragen hat, sofort als künftig den Geiern sehr willkommenes Futter in den Abgrund stürzen.« (3) Während die allersanftesten Menschen über meinen Tod ihren Wortwechsel führten, waren wir auch schon nach Hause gelangt, denn die Angst hatte mir die Hufe zu Flügeln gemacht. (4) Dann luden sie eilends ab, was wir trugen, liefen, ohne für unser Wohl und nicht einmal für meinen Tod Sorge getragen zu haben, zurück, nachdem sie die Kameraden hinzugezogen hatten, die vorher verwundet zurückgeblieben waren, und ließen den Ärger über unsere Langsamkeit, wie sie sagten, hinter sich. (5) Und doch quälte mich eine nicht geringe Besorgnis beim Gedanken an den mir drohenden Tod. Und bei mir sagte ich: »Was

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iam novissimum exspectas? mors et haec acerbissima decreto latronum tibi comparata est. (6) nec magno conatu res indiget. vides istas rupinas proximas et praeacutas in his prominentes silices, quae te penetrante〈s ante〉quam decideris membratim dissipabunt? (7) nam et illa ipsa praeclara magia tua vultum laboresque tibi tantum asini, verum corium non asini crassum, sed hirudinis tenue membranulum circumdedit. quin igitur masculum tandem sumis animum tuaeque saluti, dum licet, consulis? (8) habes summam opportunitatem fugae, dum latrones absunt. an custodiam anus semimortuae formidabis, quam licet claudi pedis tui calce unica finire poteris? sed quo gentium capessetur fuga vel hospitium quis dabit? (9) haec quidem inepta et prorsus asinina cogitatio. quis enim viantium vectorem suum non libenter auferat secum?’ 27 (1) Et alacri statim nisu lorum, quo fueram destinatus, abrumpo meque quadripedi cursu proripio. nec tamen astutulae anus milvinos oculos effugere potui. nam ubi me conspexit absolutum, capta super sexum et aetatem audacia lorum prehendit ac me deducere ac revocare contendit. (2) nec tamen ego memor exitiabilis propositi latronum pietate ulla commoveor, sed incussis in eam posteriorum pedum calcibus protinus adplodo terrae. (3) at illa quamvis humi prostrata, loro tamen tenaciter inhaerebat, ut me procurrentem aliquantisper tractu sui sequeretur. et occipit statim

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stehst du da, Lucius, oder was wartest du jetzt auf das Schlimmste? Der Tod, und zwar der grausamste, ist auf Beschluss der Räuber für dich geplant. (6) Das bedarf keiner großen Unternehmung. Siehst du diese Felsklüfte da in nächster Nähe und die auf ihnen hervorragenden spitzen Felszacken, die dich durchdringen und, bevor du hinabgefallen bist, Glied für Glied zerreißen werden? (7) Denn gerade jene deine prächtige Zauberei hat dir nur das Aussehen und die Mühen eines Esels verschafft, aber nicht das dicke Fell eines Esels, sondern dich mit dem dünnen Häutchen eines Blutegels umgeben. Warum also fasst du nicht endlich deinen männlichen Mut und sorgst für deine Rettung, solange es noch möglich ist? (8) Du hast eine optimale Gelegenheit zur Flucht, solange die Räuber weg sind. Oder wirst du die Aufsicht der halbtoten alten Frau fürchten, die du mit einem einzigen Hufschlag deines Fußes, mag er auch lahm sein, an ihr Ende bringen könntest? Aber wohin in aller Welt soll die Flucht ergriffen werden, oder wer wird mir eine Unterkunft geben? (9) Dies ist freilich eine dumme und gänzlich eselhafte Überlegung. Denn wer von denen, die unterwegs sind, würde wohl nicht gern ein Reittier als sein eigenes mit sich fortnehmen?« 27 (1) Und mit einem energischen Ruck riss ich auf der Stelle den Riemen los, mit dem ich festgebunden war, und versuchte, mich in einem vierfüßigen Lauf davonzumachen. Und doch konnte ich den Falkenaugen der schlauen alten Frau nicht entgehen. Denn sobald sie sah, dass ich los war, nahm sie eine über ihr Geschlecht und ihr Alter hinausgehende Kühnheit an, ergriff den Riemen und strengte sich an, mich wegzuziehen und zurückzurufen. (2) Und doch ließ ich mich, des tödlichen Vorsatzes der Räuber eingedenk, durch kein Mitleid bewegen, sondern stieß nach ihr mit den Hufen meiner hinteren Füße und ließ sie sofort auf den Boden klatschen. (3) Doch sie, obwohl am Boden hingestreckt, hing trotzdem zäh an dem Riemen, so dass sie, während ich vorwärts zu rennen versuchte, eine Weile folgte, weil sie mitgezogen wurde. Und sie fing auf der Stelle an, mit lautem Heulen die Hilfe einer stär-

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clamosis ululatibus auxilium validioris manus implorare. (4) sed frustra fletibus cassum tumultum commovebat, quippe cum nullus adforet, qui suppetias ei ferre posset, nisi sola illa virgo captiva. (5) quae vocis excitu procurrens videt hercules memorandi spectaculi scaenam, non tauro, sed asino dependentem Dircen aniculam, sumptaque constantia virili facinus audet pulcherrimum. (6) extorto etenim loro manibus eius me placidis gannitibus ab impetu revocatum naviter inscendit et sic ad cursum rursum incitat. 28 (1) Ego simul voluntariae fugae voto et liberandae virginis studio, sed et plagarum suasu, quae me saepicule commonebant, equestri celeritate quadripedi cursu solum replaudens virginis delicatas voculas adhinnire temptabam. (2) sed et scabendi dorsi mei simulatione nonnumquam obliquata cervice pedes decoros puellae basiabam. Tunc illa spirans altius caelumque sollicito nutu petens (3) ‘vos,’ inquit ‘Superi, tandem meis supremis periculis opem facite et tu, Fortuna durior, iam saevire desiste. sat tibi miseris istis cruciatibus meis litatum est. (4) tuque, praesidium meae libertatis meaeque salutis, si me domum pervexeris incolumem parentibusque et formonso proco reddideris, quas tibi gratias perhibebo, quos honores habebo, quos cibos exhibebo! (5) iam primum iubam istam tuam probe pectinatam meis virginalibus monilibus adornabo, frontem vero crispatam prius decoriter discriminabo caudaeque setas incuria [lavacri] congestas et horridas compta diligentia perpolibo (6) bul-

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keren Hand zu erflehen. (4) Doch sie versuchte vergeblich, mit ihrem Weinen einen nutzlosen Tumult zu erregen, da ja niemand da war, der ihr Hilfe hätte bringen können, außer allein jener gefangenen jungen Frau. (5) Diese kam, von der Stimme herausgerufen, herbeigerannt und sah, beim Herkules, die Szenerie eines denkwürdigen Schauspiels, nicht die an einem Stier, sondern an einem Esel hängende alte Frau Dirce, und sie nahm die Beherztheit eines Mannes an und wagte eine sehr herrliche Tat. (6) Sie entwand nämlich ihren Händen den Riemen, rief mich mit sanftem Zuraunen von meinem Ungestüm zurück, stieg rasch auf und trieb mich so wieder zum Galopp an. 28 (1) Zugleich in meinem Wunsch nach einer Flucht aus eigener Entscheidung und in meinem Drang, die junge Frau zu befreien, aber auch auf den Rat der Schläge hin, die mich oft mahnten, stampfte ich mit der Geschwindigkeit eines Pferds in vierfüßigem Galopp den Boden und versuchte, der jungen Frau zärtliche Laute zuzuwiehern. (2) Aber ich bog auch zuweilen unter dem Schein, ich würde mir den Rücken kratzen, den Hals zurück und versuchte, die hübschen Füße des Mädchens zu küssen. Da seufzte sie tief auf, richtete ihren besorgten Blick zum Himmel und sagte: (3) »Ihr oberen Götter, bringt mir endlich in meiner größten Gefahr Hilfe, und du, zu harte Fortuna, höre jetzt endlich auf zu wüten. Zur Genüge wurde dir durch diese meine elenden Qualen Sühne dargebracht. (4) Und du, Bollwerk meiner Freiheit und meiner Rettung, wenn du mich unversehrt bis nach Hause trägst und meinen Eltern und meinem schönen Freier wiedergibst, welchen Dank werde ich dir abstatten, welche Ehren erweisen, welche Speisen servieren! (5) Gleich als erstes werde ich dir diese deine Mähne richtig kämmen und mit meinem Mädchengeschmeide schmücken, deine Stirnhaare aber erst kräuseln und dann hübsch scheiteln und die Borsten deines Schwanzes, die wegen mangelnder Pflege durch Waschung zusammengeklebt und struppig sind, mit gründlicher Sorgfalt glätten, (6) und mit vielen goldenen Medail-

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lisque te multis aureis inoculatum veluti stellis sidereis relucentem et gaudiis popularium pomparum ovantem sinu serico progestans nucleos 〈et〉 edulia mitiora te meum sospitatorem cotidie saginabo. 29 (1) Sed nec inter cibos delicatos et otium profundum vitaeque totius beatitudinem deerit tibi dignitas gloriosa. (2) nam memoriam praesentis fortunae meae divinaeque providentiae perpetua testatione signabo et depictam in tabula fugae praesentis imaginem meae domus atrio dedicabo. (3) visetur et in fabulis audietur doctorumque stilis rudis perpetuabitur historia “Asino vectore virgo regia fugiens captivitatem”. (4) accedes antiquis et ipse miraculis et iam credemus exemplo tuae veritatis et Phrixum arieti supernatasse et Arionem delphinum gubernasse et Europam tauro supercubasse. (5) quodsi vere Iuppiter mugivit in bove, potest in asino meo latere aliqui vel vultus hominis vel facies deorum.’ (6) Dum haec identidem puella replicat votisque crebros intermiscet suspiratus, ad quoddam pervenimus trivium, unde me adrepto capistro dirigere dextrorsum magnopere gestiebat, quod ad parentes eius ea scilicet iretur via. (7) sed ego gnarus latrones illac ad reliquas commeasse praedas renitebar firmiter atque sic in animo meo tacitus expostulabam: ‘quid facis, infelix puella? quid agis? cur festinas ad Orcum? quid meis pedibus facere contendis? non enim te tantum, verum etiam me perditum ibis.’ (8) sic nos diversa ten-

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lons geschmückt, wirst du wie von himmlischen Sternen erstrahlen, im Jubel der Prozessionen des Volkes triumphieren, und ich werde dich, in meinem Seidengewand Kerne und weichere Leckerbissen tragend, täglich als meinen Retter füttern. 29 (1) Aber mitten in köstlichen Speisen, völliger Muße und Glückseligkeit während des ganzen Lebens wird dir ruhmreiches Ansehen nicht fehlen. (2) Denn ich werde die Erinnerung an mein gegenwärtiges gutes Geschick und an die göttliche Vorsehung durch permanente Bezeugung festhalten und ein auf eine Tafel gemaltes Bild der gegenwärtigen Flucht im Atrium meines Hauses weihen. (3) Angeschaut werden, in Erzählungen zu hören sein und durch die Griffel der Literaten verewigt werden wird die einfache Geschichte ›Auf einem Esel als Reittier die junge Prinzessin der Gefangenschaft entrinnend‹. (4) Du wirst auch selbst zu den Wundern der Vergangenheit hinzutreten, und nun werden wir aufgrund deines Beispiels aus der Realität glauben, dass Phrixus auf einem Widder über das Meer schwamm, Arion einen Delphin lenkte und Europa oben auf einem Stier lagerte. (5) Wenn aber Jupiter tatsächlich in einem Stier brüllte, kann in meinem Esel entweder irgendeine menschliche Gestalt oder eine göttliche Erscheinung versteckt sein.« (6) Während das Mädchen dies ständig wiederholte und in seine Gelübde häufige Seufzer mischte, gelangten wir zu einem Dreiweg, von wo aus sie, nachdem sie meinen Halfter ergriffen hatte, mich nach rechts zu lenken heftig bestrebt war, weil man natürlich auf diesem Wege zu ihren Eltern kommen würde. (7) Aber weil ich wusste, dass die Räuber dort zur übrigen Beute gegangen waren, widersetzte ich mich beharrlich und protestierte stillschweigend in meinem Sinn wie folgt: »Was tust du, unglückseliges Mädchen? Worauf willst du hinaus? Warum eilst du zum Orcus? Warum strengst du dich an, es auf meinen Füßen zu tun? Nicht nur dich nämlich, sondern auch mich wirst du ins Verderben bringen.« (8) Während wir so in verschiedene Richtungen strebten und bei

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dentes et in causa finali de proprietate soli, immo viae herciscundae contendentes rapinis suis onusti coram deprehendunt ipsi latrones et ad lunae splendorem iam inde longius cognitos risu maligno salutant. 30 (1) Et unus e numero sic appellat: ‘quorsum istam festinanti vestigio lucubratis viam nec noctis intempestae manes larvasque formidatis? (2) an tu, probissima puella, parentes tuos intervisere properas? sed nos et solitudini tuae praesidium perhibebimus et compendiosum ad tuos iter monstrabimus.’ (3) et verbum manu secutus prehenso loro retrorsum me circumtorquet nec baculi nodosi, quod gerebat, suetis ictibus temperat. (4) tunc ingratis ad promptum recurrens exitium reminiscor doloris ungulae et occipio nutanti capite claudicare. (5) sed ‘ecce’ inquit ille, qui me retraxerat, ‘rursum titubas et vacillas et putres isti tui pedes fugere possunt, ambulare nesciunt? at paulo ante pinnatam Pegasi vincebas celeritatem.’ (6) Dum sic mecum fustem quatiens benignus iocatur comes, iam domus eorum extremam loricam perveneramus. et ecce de quodam ramo procerae cupressus induta laqueum anus illa pendebat. (7) quam quidem detractam protinus cum suo sibi funiculo devinctam dedere praecipitem puellaque statim distenta vinculis cenam, quam postuma diligentia praeparaverat infelix anicula, ferinis invadunt animis. 31 (1) Ac dum avida voracitate cuncta contruncant, iam incipiunt de nostra poena suaque vindicta secum considerare. et utpote in coetu turbulento variae fuere sententiae, ut primus vivam

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diesem Grenzkonflikt über Besitzrecht an einem Boden, nein eher über den einzuschlagenden Weg stritten, ertappten uns, mit ihrem Raub beladen, auf frischer Tat die Räuber selbst, und sie begrüßten uns, nachdem sie uns beim Glanz des Mondes schon von Weitem erkannt hatten, mit einem boshaften Gelächter. 30 (1) Und einer aus ihrer Zahl redete uns wie folgt an: »Wohin geht ihr mit eilendem Schritt bei Mondschein diesen Weg da, und habt ihr keine Angst vor Manen und Gespenstern? (2) Hast du, bravstes Mädchen, eilig deinen Eltern einen heimlichen Besuch machen wollen? Aber wir werden deiner Einsamkeit Schutz darbieten und einen abgekürzten Weg zu den Deinen zeigen.« (3) Und er folgte seinen Worten mit der Hand, ergriff meinen Riemen, drehte mich um und sparte nicht mit den gewohnten Prügeln des Knotenstocks, den er trug. (4) Als ich dann widerwillig zu einem unmittelbar bevorstehenden Tod zurückkehrte, erinnerte ich mich an den Schmerz im Huf und begann mit hin und her wankendem Kopf zu hinken. (5) Aber der, welcher mich zurückgezerrt hatte, sagte: »Sieh da, du strauchelst und schwankst wieder, und diese deine verfaulten Füße da können fliehen, aber nicht gehen? Doch kurz zuvor hast du die geflügelte Schnelligkeit des Pegasus besiegt.« (6) Während so mit mir, den Knüppel schwingend, der liebevolle Kumpan seinen Spaß hatte, waren wir schon bei der äußersten Umzäunung ihres Hauses angelangt. Und sieh da, an einem Ast einer hohen Zypresse hing jene alte Frau, die sich eine Schlinge umgelegt hatte. (7) Die zogen sie gleich herab und warfen sie mit ihrem eigenen Strick gebunden in die Tiefe, legten sofort das Mädchen in einiger Entfernung in Fesseln und stürzten sich mit bestialischer Gier auf das Essen, das mit postum wirkender Sorgfalt die arme alte Frau vorbereitet hatte. 31 (1) Und während sie mit gieriger Gefräßigkeit alles verschlangen, fingen sie schon an, sich über unsere Bestrafung und ihre Rache miteinander zu beraten. Und wie üblich in einer turbulenten Versammlung waren die Meinungen verschieden, so dass der erste

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cremari censeret puellam, secundus bestiis obici suaderet, tertius patibulo suffigi iuberet, quartus tormentis excarnificari praeciperet. (2) certe calculo cunctorum utcumque mors ei fuerat destinata. tunc unus omnium sedato tumultu placido sermone sic orsus est: (3) ‘Nec sectae collegii nec mansuetudini singulorum ac ne meae quidem modestiae congruit pati vos ultra modum delictique saevire terminum nec feras nec cruces nec ignes nec tormenta ac ne mortis quidem maturatae festinas tenebras accersere. (4) meis itaque consiliis auscultantes vitam puellae, sed quam meretur, largimini. nec vos memoria deseruit utique, quid iam dudum decreveritis de isto asino semper pigro quidem, sed manducone summo, nunc etiam mendaci fictae debilitatis et virginalis fugae sequestro ministroque. (5) hunc igitur iugulare crastino placeat totisque vacuefacto praecordiis per mediam alvum nudam virginem, quam praetulit nobis, insuere, (6) ut sola facie praeminente ceterum corpus puellae nexu ferino coerceat, tunc super aliquod saxum scruposum insiciatum et fartilem asinum exponere et solis ardentis vaporibus tradere. 32 (1) Sic enim cuncta, quae recte statuistis, ambo sustinebunt, et mortem asinus, quam pridem meruit, et illa morsus ferarum, cum vermes membra laniabunt, et ignis flagrantiam, cum sol nimiis caloribus inflammarit uterum, et patibuli cruciatum, cum canes et vultures intima protrahent viscera. (2) sed et ceteras eius aerumnas

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dafür eintrat, das Mädchen solle lebendig verbrannt werden, ein zweiter riet, sie solle wilden Tieren vorgeworfen werden, ein dritter befahl, sie solle ans Kreuz genagelt werden, ein vierter gebot, sie solle zu Tode gemartert werden. (2) Auf jeden Fall war für sie nach dem Urteil aller ganz gewiss der Tod bestimmt. Da begann einer, nachdem der allgemeine Tumult sich gelegt hatte, mit ruhigen Worten wie folgt: (3) »Weder zu den Prinzipien unserer Gemeinschaft noch zu der Sanftmütigkeit der Einzelnen und auch nicht zu meiner Besonnenheit passt es, zu dulden, dass ihr über das Maß und die Grenzen des Vergehens hinaus wütet und wilde Tiere, Kreuze, Feuer, Folter, ja sogar das vorzeitige Dunkel eines rasch herbeigeführten Todes anführt. (4) Hört also auf meinen Rat und schenkt dem Mädchen das Leben, aber das, welches es verdient hat. Auch hat euch gewiss nicht die Erinnerung daran verlassen, was ihr schon längst bezüglich dieses Esels da beschlossen habt, der zwar immer faul ist, aber von größter Gefräßigkeit, jetzt auch noch ein Lügner mit seiner vorgegebenen Gebrechlichkeit und ein Vermittler und Diener bei der Flucht des Mädchens. (5) Mögen wir daher beschließen, ihn am morgigen Tag zu schlachten, ihn all seiner Innereien zu entleeren und mitten in seinen Bauch nackt das Mädchen, das er uns vorgezogen hat, einzunähen, (6) so dass allein ihr Gesicht hervorragt und er den übrigen Körper des Mädchens mit einer tierischen Umschlingung einschließt, dann oben auf irgendeinem schroffen Felsen den mit einem Füllsel versehenen und ausgestopften Esel auszusetzen und den Strahlen der glühenden Sonne preiszugeben. 32 (1) So nämlich werden beide alles, was ihr richtig beschlossen habt, aushalten müssen, der Esel den Tod, den er längst verdient hat, und sie die Bisse wilder Tiere, wenn Würmer ihre Glieder zerreißen, die Glut des Feuers, wenn die Sonne mit übergroßer Wärme den Unterleib erhitzt, und die Marter des Foltergeräts, wenn Hunde und Geier die innersten Eingeweide hervorzerren. (2) Aber zählt auch ihre übrigen Leiden und Qualen: Selbst lebendig, wird sie den

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et tormenta numerate: mortuae bestiae ipsa vivens ventrem habitabit, tum faetore nimio nares aestuabit, inediae diutinae letali fame tabescet nec suis saltem liberis manibus mortem sibi fabricare poterit.’ (3) Talibus dictis non pedibus, sed totis animis latrones in eius 5 vadunt sententiam. quam meis tam magnis auribus accipiens quid aliud quam meum crastinum deflebam cadaver?

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Bauch eines toten Tieres bewohnen, dann werden von dem übergroßen Gestank ihre Nasenlöcher brennen, durch den tödlichen Hunger infolge des langen Fastens wird sie dahinschwinden, und sie wird, weil sie nicht wenigstens die Hände frei hat, auch nicht ihren eigenen Tod herbeiführen können.« (3) Nach diesen Worten traten die Räuber nicht mit den Füßen, sondern mit ihrem ganzen Verlangen seinem Antrag bei. Als ich diesen mit meinen so großen Ohren hörte, was hätte ich da anders tun können, als meinen Leichnam von morgen zu beweinen?

LIBER VII 1 (1) Ut primum tenebris abiectis dies inalbebat et candidum solis curriculum cuncta conlustrabat, quidam de numero latronum pervenit; sic enim mutuae salutationis officium indicabat. (2) is in primo speluncae aditu residens et ex anhelitu recepto spiritu tale collegio suo nuntium fecit: (3) ‘Quod ad domum Milonis Hypatini, quam proxime diripuimus, pertinet, discussa sollicitudine iam possumus esse securi. postquam vos enim fortissimis viribus cunctis ablatis castra nostra remeastis, immixtus ego turbelis popularium (4) dolentique atque indignanti similis arbitrabar, super investigatione facti cuius modi consilium caperetur et an et quatenus latrones placeret inquiri, renuntiaturus vobis, uti mandaveratis, omnia. (5) nec argumentis dubiis, sed rationibus probabilibus congruo cunctae multitudinis consensu nescio qui Lucius auctor manifestus facinoris postulabatur, qui proximis diebus fictis commendaticiis litteris Miloni sese virum commentitus bonum artius conciliaverat, (6) ut etiam hospitio susceptus inter familiaris intimos haberetur, plusculisque ibidem diebus demoratus falsis amoribus ancillae Milonis animum inrepens ianuae claustra sedulo exploraverat et ipsa membra, in quis omne patrimonium condi solebat, curiose perspexerat. 2 (1) Nec exiguum scelerati monstrabatur indicium, quippe cum eadem nocte sub ipso flagitii momento idem profugisset nec exinde usquam compareret. nam et praesidium fugae, quo velocius

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Buch 7 1 (1) Sobald der Tag nach Abwerfen der Finsternis hell zu werden begann und der glänzende Sonnenwagen alles erleuchtete, traf einer aus der Zahl der Räuber ein; so nämlich zeigte es der Usus der gegenseitigen Begrüßung an. (2) Er setzte sich vorne am Eingang zu der Höhle hin, und als er nach dem Keuchen wieder Atem geschöpft hatte, machte er seiner Bande folgende Meldung: (3) »Was das Haus Milos von Hypata betrifft, das wir kürzlich ausgeraubt haben, können wir nun unsere Besorgnis abschütteln und uns sicher fühlen. Nachdem ihr nämlich mit stärkstem Einsatz alles davongetragen hattet und in unser Lager zurückgekehrt wart, mischte ich mich unter die Scharen der Leute, (4) und unter dem Vorwand, ich sei betrübt und entrüstet, achtete ich darauf, welche Art von Plan bezüglich einer Untersuchung der Tat gefasst würde und ob und inwieweit beschlossen würde, dass nach den Räubern gefahndet werde, um euch, wie ihr mir aufgetragen hattet, alles zu berichten. (5) Und nicht aufgrund von zweifelhaften Beweisen, sondern mit wahrscheinlichen Argumenten wurde mit einhelliger Zustimmung der ganzen Volksmenge ein gewisser Lucius als offenkundiger Urheber des Verbrechens angeklagt, der sich in den letzten Tagen mit einem gefälschten Empfehlungsschreiben bei Milo eingeschmeichelt hatte, indem er sich fälschlich als braver Mann ausgab, (6) so dass er sogar gastlich aufgenommen und unter seine engsten Freunde gerechnet wurde, und nachdem er sich ebendort einige Tage aufgehalten hatte, wobei er sich mit vorgetäuschten Liebesgefühlen in das Herz von Milos Magd schlich, hatte er eifrig die Schlösser an der Tür erkundet und genau die Räume, in denen das ganze Vermögen aufbewahrt zu werden pflegte, sorgsam inspiziert. 2 (1) Und es konnte ein nicht geringes Indiz dafür, dass er ein Verbrecher sei, aufgezeigt werden, da in derselben Nacht genau im Moment der Schandtat derselbe geflüchtet sei und sich seitdem nirgendwo zeige. Denn ein Hilfsmittel für die Flucht, mit dem er

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frustratis insecutoribus procul ac procul abderet sese, eidem facile suppeditasse; equum namque illum suum candidum vectorem futurum duxisse secum. (2) plane servum eius ibidem in hospitio repertum scelerum consiliorumque erilium futurum indicem per magistratus in publicam custodiam receptum et altera die tormentis vexatum pluribus ac paene ad ultimam mortem excarnificatum (3) nil quicquam rerum talium esse confessum, missos tamen in patriam Luci illis multos numero, qui reum poenas daturum sceleris inquirerent.’ (4) Haec eo narrante veteris fortunae et illius beati Lucii praesentisque aerumnae et infelicis asini facta comparatione medullitus ingemebam subibatque me non de nihilo veteris priscaeque doctrinae viros finxisse ac pronuntiasse caecam et prorsus exoculatam esse Fortunam, (5) quae semper suas opes ad malos et indignos conferat nec umquam iudicio quemquam mortalium eligat, immo vero cum is potissimum deversetur, quos procul, si videret, fugere deberet, (6) quodque cunctis est extremius, varias opiniones, immo contrarias nobis attribuat, ut et malus boni viri fama glorietur et innocentissimus contra noxio rumore plectatur. 3 (1) Ego denique, quem saevissimus eius impetus in bestiam et extremae sortis quadripedem deduxerat cuiusque casus etiam quovis iniquissimo dolendus atque miserandus merito videretur, crimine latrocinii in hospitem mihi carissimum postulabar. (2) quod crimen non modo latrocinium, verum etiam parricidium quisque rectius nominarit. nec mihi tamen licebat causam meam defendere

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schneller seine Verfolger täuschen und sich weiter und weiter weg verstecken konnte, habe ihm bequem zur Verfügung gestanden; denn jenes sein weißes Pferd habe er mit sich genommen, damit es sein Reittier sei. (2) Sein Sklave, der ebendort in seiner Unterkunft gefunden worden sei und sicherlich ein Informant der Verbrechen und Pläne seines Herrn sein würde, sei durch die Beamten im öffentlichen Gefängnis in Gewahrsam genommen, am anderen Tage mehrfach durch Folterung gepeinigt und beinahe zu Tode gefoltert worden, (3) und er habe nichts von solchen Dingen gestanden, es seien aber viele an Zahl in die Heimatstadt jenes Lucius gesandt worden, die den Angeklagten suchen sollten, damit er für sein Verbrechen bestraft würde.« (4) Während er dies erzählte, zog ich einen Vergleich zwischen dem früheren Schicksal jenes glückseligen Lucius und dem gegenwärtigen Leid des unglückseligen Esels und seufzte aus tiefster Seele auf, und es kam mir in den Sinn, dass nicht um nichts die gelehrten Männer alter, vergangener Zeiten erdichtet und verkündet hätten, Fortuna sei blind und ganz und gar augenlos, (5) sie, die stets ihre Schätze zu den Schlechten und Unwürdigen bringe und niemals irgendeinen der Sterblichen aufgrund einer Beurteilung auswähle, nein, vielmehr am liebsten bei denen verweile, vor denen sie, wenn sie sehen könnte, weit fort fliehen müsse, (6) und was das Schlimmste von allem ist, sie weise uns verschiedene, sogar gegensätzliche Meinungen über uns zu, so dass der Schlechte sich des Rufs eines guten Mannes rühme und der Unschuldigste aufgrund des Gerüchts, er sei ein Verbrecher, bestraft werde. 3 (1) Ich zum Beispiel, den ihr grausamster Schlag zu einem Tier, ja sogar zu einem Vierfüßler der übelsten Sorte degradiert hatte und dessen Unglück auch dem Böswilligsten mit Recht bedauerlich und bemitleidenswert erscheinen würde, war wegen des Raubüberfalls auf den mir sehr teuren Gastgeber angeklagt. (2) Dieses Verbrechen würde jeder nicht nur einen Raubzug, sondern richtiger sogar einen Mord nennen. Und doch war es mir nicht erlaubt, meine Sache zu

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vel unico verbo saltem denegare. (3) denique ne mala conscientia tam scelesto crimini praesens viderer silentio consentire, hoc tantum inpatientia productus volui dicere: ‘non feci.’ (4) et verbum quidem praecedens semel ac saepius inmodice clamitavi, sequens vero nullo pacto disserere potui, sed in prima remansi voce et identidem boavi ‘non non’, quamquam nimia rotunditate pendulas vibrassem labias. (5) sed quid ego pluribus de Fortunae saevitate conqueror, quam nec istud puduit me cum meo famulo meoque vectore illo equo factum conservum atque coniugem? 4 (1) Talibus cogitationibus fluctuantem subit me illa cura potior, qua statuto consilio latronum manibus virginis decretam me victimam recordabar, ventremque crebro suspiciens meum iam misellam puellam parturibam. (2) sed ille, qui commodum falsam de me notoriam pertulerat, expromptis mille aureum, quos insutu laciniae contexerat, quosque variis viatoribus detractos, ut aiebat, pro sua frugalitate communi conferebat arcae, infit etiam de salute commilitonum sollicite sciscitari. (3) cognitoque quosdam, immo vero fortissimum quemque variis quidem, sed inpigris casibus oppetisse suadet tantisper pacatis itineribus omniumque proeliorum servatis indutiis inquisitioni commilitonum potius insisteretur et tirocinio novae iuventutis ad pristinae manus numerum Martiae

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verteidigen oder auch nur mit einem einzigen Wort zu dementieren. (3) Schließlich wollte ich, damit es nicht so aussähe, als ob ich aufgrund eines schlechten Gewissens, obschon anwesend, stillschweigend einer so ruchlosen Anschuldigung zustimmen würde, von der Unfähigkeit, mich zu beherrschen, verleitet, nur dies sagen: »Nicht ich habe es getan.« (4) Und das vorausgehende Wort schrie ich einmal und öfter unmäßig laut, das nachfolgende aber konnte ich auf keine Weise aussprechen, sondern blieb beim ersten Wort und brüllte immer wieder »nicht, nicht«, obwohl ich meine hängenden Lippen mit übergroßer Rundung erbeben ließ. (5) Aber was jammere ich in noch mehr Worten über die Grausamkeit Fortunas, die sich nicht einmal dafür schämte, dass sie mich mit meinem Diener und meinem Reittier, jenem Pferd, zum Mitsklaven und Jochgenossen machte? 4 (1) Während ich in solchen Überlegungen hin und her wogte, kam mir jene größere Sorge in den Sinn, mit der ich mich erinnerte, dass ich nach dem festgesetzten Beschluss der Räuber als Opfertier für die Manen der jungen Frau bestimmt war, und indem ich wieder und wieder meinen Bauch anschaute, fühlte ich mich schon schwanger mit dem armen Mädchen. (2) Doch der, welcher gerade die verleumderische Meldung über mich gemacht hatte, holte tausend Goldstücke hervor, die er durch Einnähen in seinen Mantel verborgen hatte und die er verschiedenen Reisenden abgenommen hatte, wie er sagte, und entsprechend seiner Genügsamkeit zur gemeinsamen Kasse beitrug, und fing an, sich auch besorgt nach dem Wohl seiner Kameraden zu erkundigen. (3) Und als er erfahren hatte, dass einige, ja sogar gerade die tapfersten, bei verschiedenen, aber stets verwegenen Unternehmungen umgekommen waren, riet er, man solle sich eine Weile durch friedliche Expeditionen und, während sie an allen Fronten einen Waffenstillstand bewahrten, eher auf das Anwerben von Kameraden konzentrieren und durch das Ausheben neuer junger Männer die äußere Erscheinung der von Mars abstammenden Truppe auf die Zahl der früheren Mannschaft

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cohortis facies integraretur. (4) nam et invitos terrore compelli et volentes praemio provocari posse nec paucos humili servilique vitae renuntiantes ad instar tyrannicae potestatis sectam suam conferre malle. (5) se quoque iam dudum pro sua parte quendam convenisse hominem et statu procerum et aetate iuvenem et corpore vastum et manu strenuum, eique suasisse ac denique persuasisse, ut manus hebetatas diutina pigritia tandem referret ad frugem meliorem bonoque secundae, dum posset, frueretur valetudinis (6) nec manum validam erogandae stipi porrigeret, sed hauriendo potuit exerceret auro. 5 (1) Talibus dictis universi omnes adsensere et illum, qui iam comprobatus videretur, adscisci et alios ad supplendum numerum vestigari statuunt. (2) tunc profectus et paululum commoratus ille perducit immanem quendam iuvenem, uti fuerat pollicitus, nescio an ulli praesentium comparandum – nam praeter ceteram corporis molem toto vertice cunctos antepollebat et ei commodum lanugo malis inserpebat – (3) sed plane centunculis disparibus et male consarcinatis semiamictum, inter quos pectus et venter crustata crassitie reluctabant. (4) Sic introgressus ‘havete,’ inquit ‘fortissimo deo Marti clientes mihique iam fidi commilitones, et virum magnanimae vivacitatis volentem volentes accipite libentius vulnera corpore excipientem quam aurum manu suscipientem ipsaque morte, quam formidant alii, meliorem. (5) nec me putetis egenum vel abiectum neve de pannulis istis virtutes meas aestimetis. nam praefui validissimae manui

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zurückbringen. (4) Denn die Unwilligen könnten durch Einschüchterung gezwungen und die Willigen durch eine Belohnung verlockt werden, und nicht wenige würden auf ihr demütiges Leben als Sklaven verzichten und ihre Lebensweise lieber auf so etwas wie die Machtstellung eines Herrschers ausrichten wollen. (5) Seinerseits sei auch er erst kürzlich mit einem Mann von hohem Wuchs, jugendlichem Alter, gewaltigem Körperbau und mit schnellen Fäusten zusammengetroffen, habe ihn gedrängt und schließlich überredet, seine von langer Trägheit geschwächten Hände endlich zu einem besseren Ertrag hinzulenken, den Vorteil einer guten Gesundheit, solange er könne, zu genießen (6) und seine starke Hand nicht zum Erbitten von Almosen auszustrecken, sondern lieber im Einsacken von Gold zu üben. 5 (1) Solchen Worten stimmten alle insgesamt zu, und sie beschlossen, jenen, der schon anerkannt worden zu sein schien, aufzunehmen und andere zu suchen, um die Zahl zu ergänzen. (2) Dann ging er davon, blieb eine Weile weg und brachte einen riesigen jungen Mann, wie er versprochen hatte, der wohl mit keinem der Anwesenden verglichen werden konnte – denn abgesehen von der übrigen Masse seines Körpers überragte er alle mit seinem ganzen Kopf, und ihm kroch gerade erst der Bartflaum auf die Wangen –, (3) aber sichtlich nur halb bedeckt war durch ihm nicht passende und schlecht zusammengenähte Flicken, zwischen denen seine Brust und sein Bauch, mit Muskeln ausgewuchtet, ein Gerangel austrugen. (4) Als er so eingetreten war, sagte er: »Seid gegrüßt, ihr Gefolgsleute des Mars, des tapfersten Gottes, und nun schon meine treuen Mitstreiter, und nehmt einen Mann von hochherzigem Mut als Willigen willig an, einen, der lieber Wunden mit seinem Körper aufnimmt, als ein Goldstück mit der Hand aufzuheben, und der selbst über den Tod, den andere fürchten, erhaben ist. (5) Haltet mich nicht für bedürftig oder verächtlich und schätzt meine Mannestugenden nicht aufgrund dieser Lumpen hier ein. Denn ich

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totamque prorsus devastavi Macedoniam. (6) ego sum praedo famosus Haemus ille Thracius, cuius totae provinciae nomen horrescunt, patre Therone aeque latrone inclito prognatus, humano sanguine nutritus interque ipsos manipulos factionis educatus heres et aemulus virtutis paternae. 6 (1) Sed omnem pristinam sociorum fortium multitudinem magnasque illas opes exiguo temporis amisi spatio. nam procuratorem principis ducenaria perfunctum, dehinc fortuna tristiore decussum praetereuntem meo fato fueram adgressus. sed rei noscendae carpo ordinem. (2) Fuit quidam multis officiis in aula Caesaris clarus atque conspicuus, ipsi etiam probe spectatus. (3) hunc insimulatum quorundam astu proiecit extorrem saeviens invidia. sed uxor eius Plotina quaedam rarae fidei atque singularis pudicitiae femina, quae decimo partus stipendio viri familiam fundaverat, spretis atque contemptis urbicae luxuriae deliciis fugientis comes et infortunii socia (4) tonso capillo in masculinam faciem reformato habitu, pretiosissimis monilium et auro monetali zonis refertis incincta inter ipsas custodientium militum manus et gladios nudos intrepida cunctorum periculorum particeps et pro mariti salute pervigilem curam sustinens aerumnas adsiduas ingenio masculo sustinebat. (5) iamque plurimis itineris difficultatibus marisque terroribus

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stand an der Spitze einer sehr starken Truppe und habe Makedonien vollkommen verwüstet. (6) Ich bin jener berüchtigte Räuber Hämus aus Thrakien, bei dessen Namen ganze Provinzen schaudern, von meinem Vater Theron, gleichfalls einem berühmten Räuber, gezeugt, mit menschlichem Blut ernährt, und direkt unter den Manipeln unserer Truppe aufgezogen, bin ich Erbe und Nachahmer der Mannhaftigkeit meines Vaters. 6 (1) Aber die ganze ursprüngliche Menge tapferer Gefährten und jene großen Reichtümer habe ich innerhalb eines kurzen Zeitraums verloren. Denn ich hatte einen Prokurator des Prinzeps, der den Rang eines Ducenarius innehatte, aber dann durch ein ziemlich trauriges Geschick gestürzt worden war, als er vorbeiging, zu meinem eigenen Unheil angegriffen. Doch damit die Sache klar erkennbar wird, nehme ich sie der Reihe nach her. (2) Es war einmal einer, der durch viele Ämter berühmt und hervorstechend an Caesars Hof war, auch von diesem selbst sehr hoch geschätzt. (3) Ihn trieb, als er durch die Arglist gewisser Leute falsch beschuldigt worden war, rasender Neid aus dem Land. Doch seine Gattin Plotina, eine Frau von seltener Treue und einzigartiger Sittsamkeit, die durch die zehnmalige Dienstleistung einer Geburt die Familie ihres Mannes begründet hatte, verschmähte und verachtete die Freuden des hauptstädtischen Luxus und wurde die Begleiterin des Verbannten und Gefährtin seines Unglücks, (4) und mit geschorenem Haar, Kleidung, die in männliches Aussehen verwandelt worden war, umwunden mit einem Gürtel, der vollgestopft war mit den kostbarsten ihrer Halsketten, und einem mit Goldmünzen, nahm sie mitten unter den Truppen der Wache haltenden Soldaten und bloßen Schwertern furchtlos an allen Gefahren teil, erhielt für das Wohlergehen ihres Gatten die wachsame Fürsorge aufrecht und ertrug die ständigen Leiden mit einem männlichen Geist. (5) Und als er nun die meisten Beschwerden der Reise und die Schrecken des Meeres ausgehalten hatte, strebte er auf Zacyn-

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exanclatis Zacynthum petebat, quam sors ei fatalis decreverat temporariam sedem. 7 (1) Sed cum primum litus Actiacum, quo tunc Macedonia delapsi grassabamur, appulisset, nocte promota – tabernulam quandam litori navique proximam vitatis maris fluctibus incubabant – invadimus et diripimus omnia. nec tamen periculo levi temptati discessimus. (2) simul namque primum sonum ianuae matrona percepit, procurrens in cubiculum clamoribus inquietis cuncta miscuit milites suosque famulos nominatim, sed et omnem viciniam suppetiatum convocans, nisi quod pavore cunctorum, qui sibi quisque metuentes delitiscebant, effectum est, ut impune discederemus. (3) sed protinus sanctissima – vera enim dicenda sunt – et unicae fidei femina bonis artibus gratiosa precibus ad Caesaris numen porrectis et marito reditum celerem et adgressurae plenam vindictam impetravit. (4) denique noluit esse Caesar Haemi latronis collegium et confestim interivit: tantum potest nutus etiam magni principis. tota denique factione militarium vexillationum indagatu confecta atque concisa ipse me furatus aegre solus mediis Orci faucibus ad hunc evasi modum: 8 (1) Sumpta veste muliebri florida in sinus flaccidos abundante, mitellaque textili contecto capite, calceis femininis albis illis et tenuibus indutus et in sequiorem sexum insertus atque absconditus asello spicas hordeacias gerenti residens per medias acies infesti militis transabivi. nam mulierem putantes asinariam concedebant

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thos zu, das ihm das vom Schicksal bestimmte Los als zeitweiligen Sitz zugeteilt hatte. 7 (1) Aber sobald er an der Küste von Actium gelandet war, an der wir damals, von Makedonien herabgerutscht, herumschwärmten, drangen wir in vorgerückter Nacht – sie schliefen in einem kleinen Wirtshaus nahe der Küste und dem Schiff, weil sie die Fluten des Meers zu vermeiden suchten – dort ein und plünderten alles aus. Doch von einer nicht geringen Gefahr in Bedrängnis gebracht, machten wir uns davon. (2) Denn sobald die Dame das erste Geräusch an der Tür wahrgenommen hatte, lief sie in einen Schlafraum und erfüllte alles mit ihren hektischen Schreien, indem sie die Soldaten und ihre Diener mit ihren Namen, aber auch die ganze Nachbarschaft anrief, man solle zu Hilfe kommen, und nur durch die Angst aller, die, weil jeder für sich fürchtete, sich versteckten, wurde bewirkt, dass wir uns ungestraft davonmachen konnten. (3) Aber die Frau, höchst tugendhaft – denn die Wahrheit muss gesagt werden – und von einzigartiger Treue, war durch ihre feine Wesensart einflussreich, und sie richtete unverzüglich eine Bittschrift an Caesars göttliche Macht und erreichte für ihren Gemahl eine schnelle Rückkehr sowie für den Angriff eine umfassende Racheaktion. (4) Kurz, Caesar wünschte nicht, dass die Truppe des Räubers Hämus existiere, und sofort ging sie zugrunde: So viel vermag sogar der Wink eines großen Prinzeps. Als schließlich die ganze Bande, von militärischen Abteilungen aufgespürt, aufgerieben und niedergehauen war, stahl ich selbst mich mit Mühe allein mitten aus dem Rachen des Orcus davon und entkam auf folgende Weise: 8 (1) Ich zog ein blumiges Frauengewand an, das in weiten Falten herabfiel, bedeckte meinen Kopf mit einer gewobenen Mitra, schlüpfte in jene weiblichen weißen, zierlichen Schuhe, drängte mich beim schwachen Geschlecht ein und versteckte mich dort, saß dann auf einem Esel, der Gerstenähren trug, und entkam mitten durch die Reihen der feindlichen Soldaten. Denn da sie mich für

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liberos aditus, quippe cum mihi etiam tunc depiles genae levi pueritia splendicarent. (2) nec ab illa tamen paterna gloria vel mea virtute descivi, quamquam semitrepidus iuxta mucrones Martios constitutus, sed habitus alieni fallacia tectus villas seu castella solus adgrediens viaticulum mihi conrasi.’ et diloricatis statim pannulis in medium duo milia profudit aureorum et (3) ‘en’ inquit ‘istam sportulam, immo vero dotem collegio vestro libens meque vobis ducem fidissimum, si tamen non recusatis, offero brevi temporis spatio lapideam istam domum vestram facturus auream.’ 9 (1) Nec mora nec cunctatio, sed calculis omnibus ducatum latrones unanimes ei deferunt vestemque lautiusculam proferunt, sumeret abiecto centunculo divite. sic reformatus singulos exosculatus et in summo pulvinari locatus cena poculisque magnis inauguratur. (2) tunc sermonibus mutuis de virginis fuga deque mea vectura et utrique destinata monstruosa morte cognoscit et ubi locorum esset illa percontatus deductusque, visa ea, ut erat vinculis onusta, contorta et vituperanti nare discessit. Et ‘non sum quidem tam brutus vel certe temerarius’ inquit ‘ut scitum vestrum inhibeam, sed malae conscientiae reatum intra me sustinebo, si, quod bonum mihi videtur, dissimulavero. (3) sed prius fiduciam vestri causa sollicito mihi tribuite, cum praesertim vobis, si sententia haec mea displicuerit, liceat rursus ad asinum redire. (4) nam ego arbitror latrones, quique eorum recte sapiunt, nihil

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eine Eseltreiberin hielten, gestatteten sie mir freien Abzug, zumal meine Wangen damals noch unbehaart waren und mit ihrer glatten Jugendlichkeit glänzten. (2) Und ich sagte mich dennoch nicht von dem väterlichen Ruhm und der eigenen Mannhaftigkeit los, obwohl ich ein wenig zitterte, weil ich in der Nähe der martialischen Schwerter war, aber durch die Täuschung mit dem fremden Gewand geschützt, machte ich mich allein an Landhäuser und Schlösser heran und kratzte mir ein wenig Reisegeld zusammen.« Und auf der Stelle riss er seine Lumpen auseinander und schüttete zweitausend Goldstücke in ihre Mitte. (3) Und er sagte: »Seht, dieses Eintrittsgeld, nein vielmehr diese Mitgift biete ich gerne eurer Truppe und mich euch als sehr treuen Anführer an, wenn ihr es denn nicht ablehnt, und in einem kurzen Zeitraum werde ich dieses euer Steinhaus zu einem goldenen machen.« 9 (1) Es gab kein Verweilen und kein Zögern, sondern mit allen Stimmsteinen übertrugen ihm die miteinander einigen Räuber die Führung und brachten ihm ein etwas besser aussehendes Gewand, damit er es nach Abwerfen seines reichen Lumpengewands anziehe. So verwandelt, küsste er sie einen nach dem anderen, wurde auf den obersten Platz gesetzt und mit einem Essen und großen Pokalen inauguriert. (2) Dann erfuhr er bei den Wechselreden von der Flucht der jungen Frau, davon, dass ich sie trug, und von dem für beide bestimmten ungeheuerlichen Tod, erkundigte sich, wo sie sei, und ging, als er hingeführt worden war und sie gesehen hatte, mit Fesseln beladen, wie sie war, von dort mit gerümpfter und missbilligender Nase weg. Und er sagte: »Ich bin zwar nicht so dumm oder gewiss nicht so leichtsinnig, euren Beschluss zu durchkreuzen, aber ich werde in mir den Zustand eines Angeklagten meines schlechten Gewissens ertragen müssen, wenn ich verhehle, was mir gut scheint. (3) Aber schenkt mir, der ich um euretwillen in Sorge bin, erst euer Vertrauen, zumal es euch, wenn euch dieser mein Vorschlag missfällt, freisteht, wieder zu dem Esel zurückzukehren. (4) Denn ich glaube,

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anteferre lucro suo debere ac ne ipsam quidem saepe et aliis damnosam ultionem. ergo igitur si perdideritis in asino virginem, nihil amplius quam sine ullo compendio indignationem vestram exercueritis. (5) quin ego censeo deducendam eam ad quampiam civitatem ibique venundandam. nec enim levi pretio distrahi poterit talis aetatula. (6) nam et ipse quosdam lenones pridem cognitos habeo, quorum poterit unus magnis equidem talentis, ut arbitror, puellam istam praestinare condigne natalibus suis fornicem processuram nec in similem fugam discursuram, non nihil etiam, cum lupanari servierit, vindictae vobis depensuram. hanc ex animo quidem meo sententiam conducibilem protuli; sed vos vestrorum estis consiliorum rerumque domini.’ 10 (1) Sic ille latronum fisci advocatus nostram causam pertulerat virginis et asini sospitator egregius. (2) sed in diutina deliberatione ceteri cruciantes mora consilii mea praecordia, immo miserum spiritum libentes tandem novicii latronis accedunt sententiae et protinus vinculis exsolvunt virginem. (3) quae quidem simul viderat illum iuvenem fornicisque et lenonis audierat mentionem, coepit risu laetissimo gestire, ut mihi merito subiret vituperatio totius sexus, cum viderem puellam proci iuvenis amore nuptiarumque castarum desiderio simulato lupanaris spurci sordidique subito delectari nomine. (4) et tunc quidem totarum mulierum secta moresque de asini pendebant iudicio. Sed ille iuvenis sermone repetito ‘quin igitur’ inquit ‘supplicatum Marti Comiti pergimus et puellam simul vendituri et socios

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dass Räuber, und zwar die unter ihnen, welche richtig ihren Verstand gebrauchen, ihrem Gewinn nichts vorziehen dürfen, nicht einmal die Rache, die oft sogar für andere verderblich ist. Wenn ihr also die junge Frau in dem Esel sterben lasst, werdet ihr nichts weiter tun, als dass ihr ohne jeden Gewinn eurem Ärger Luft macht. (5) Nein, eher meine ich, dass sie in irgendeine Stadt gebracht und dort verkauft werden muss. Man wird nämlich etwas so Junges für einen nicht geringen Preis losschlagen können. (6) Denn ich selbst kenne gewisse Zuhälter von früher her, von denen einer in der Lage sein wird, für viele Talente, wie ich glaube, dieses Mädchen da zu kaufen, das in einer seiner Herkunft ebenbürtigen Weise in ein Bordell gehen, nicht in gleicher Weise die Flucht ergreifen und auch euch, wenn sie in einem Freudenhaus Dienste leistet, in nicht geringem Maße eure Rache verschaffen wird. Diesen meiner Meinung nach nützlichen Vorschlag habe ich vorgetragen; aber ihr seid die Herren über eure Beschlüsse und eure Angelegenheiten.« 10 (1) So hatte jener Finanzprokurator der Räuber unsere Sache als ein hervorragender Retter der jungen Frau und des Esels unterstützt. (2) Aber in einer langen Überlegung quälten die übrigen durch ihre Verzögerung des Beschlusses mein Herz, nein vielmehr meinen armen Geist, traten aber endlich gerne dem Vorschlag des neu angekommenen Räubers bei und befreiten die junge Frau sofort von ihren Fesseln. (3) Sobald sie jenen jungen Mann erblickt und die Erwähnung des Bordells und des Zuhälters gehört hatte, geriet sie unter fröhlichstem Gelächter in Bewegung, so dass mir mit Recht ein Tadel des ganzen Geschlechtes in den Sinn kam, weil ich sah, dass eine junge Frau ihre Liebe zu einem jungen Freier und die Sehnsucht nach einer anständigen Ehe vorgetäuscht und an der plötzlichen Nennung eines schmutzigen und schmierigen Freudenhauses ihre Freude hatte. (4) Und damals hingen die ganze Rasse der Frauen und deren Moral von dem Urteil eines Esels ab. Doch jener junge Mann sprach wieder und sagte: »Warum also gehen wir nicht dazu über, Mars Comes anzuflehen, um dann zu-

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indagaturi? sed, ut video, nullum uspiam pecus sacrificatui ac ne vinum quidem potatui adfatim vel sufficiens habemus. (5) decem mihi itaque legate comites, quis contentus proximum castellum petam inde vobis epulas saliares comparaturus.’ Sic eo profecto ceteri copiosum instruunt ignem aramque cespite virenti Marti deo faciunt. 11 (1) Nec multo post adveniunt illi vinarios utres ferentes et gregatim pecua comminantes. unde praelectum grandem hircum annosum et horricomem Marti Secutori Comitique victimant. et ilico prandium fabricatur opipare. (2) tunc hospes ille ‘non modo’ inquit ‘expeditionum praedarumque, verum etiam voluptatum vestrarum ducem me strenuum sentire debetis.’ et adgressus insigni facilitate naviter cuncta praeministrat. (3) verrit, sternit, coquit, tucceta concinnat, adponit scitule, sed praecipue poculis crebris grandibusque singulos ingurgitat. interdum tamen simulatione promendi, quae poscebat usus, ad puellam commeabat adsidue partisque subreptas clanculo et praegustatas a se potiones offerebat hilaris. (4) at illa sumebat adpetenter et nonnumquam basiare volenti promptis saviolis adlubescebat. quae res oppido mihi displicebat. (5) ‘Hem oblita es nuptiarum tuique mutui cupitoris, puella virgo, et illi nescio cui recenti marito, quem tibi parentes iunxerunt, hunc advenam cruentumque percussorem praeponis? (6) nec te conscientia stimulat, sed adfectione calcata inter lanceas et gladios istos scortari tibi libet? quid, si quo modo latrones ceteri persen-

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gleich das Mädchen zu verkaufen und nach Kameraden zu suchen? Doch, wie ich sehe, haben wir nirgendwo ein Tier zum Opfern und nicht einmal viel oder ausreichend Wein zum Trinken. (5) Gebt mir also zehn Begleiter, mit denen mich begnügend ich das nächste Dorf angreifen und von dort euch ein Festmahl verschaffen werde.« Als er so unterstützt aufgebrochen war, machten die Übrigen ein gewaltiges Feuer und errichteten auf einem grünen Rasen dem Gott Mars einen Altar. 11 (1) Nicht viel später kamen die an, welche Weinschläuche brachten und scharenweise Vieh zusammentrieben. Daraus wählten sie einen bejahrten und struppigen Bock für Mars Secutor Comes und opferten ihn. Und sofort wurde ein reichliches Mahl bereitet. (2) Dann sagte jener Fremde: »Ihr müsst mich nicht nur als tatkräftigen Anführer bei Unternehmungen und Beutezügen, sondern auch bei euren Vergnügungen wahrnehmen.« Und er ging alles mit bemerkenswerter Geschicklichkeit eifrig an. (3) Er fegte, deckte den Tisch, kochte, stopfte Würste aus, servierte geschickt, doch vor allem ließ er jeden einzelnen sich mit zahlreichen und großen Pokalen betrinken. Dazwischen aber ging er unter dem Vorwand, er hole etwas, das er brauche, ständig zu der jungen Frau und bot ihr freudig Stücke, die er heimlich entwendet, und Getränke, die er vorgekostet hatte. (4) Und sie nahm das begierig, und manchmal, wenn er sie küssen wollte, kam sie seinem Verlangen mit bereitwilligen Küssen entgegen. Das missfiel mir sehr. (5) »He, hast du deine Hochzeit und deinen geliebten Freier vergessen, du, ein jungfräuliches Mädchen, und ziehst du jenem dir frisch Vermählten (wer immer es ist), den deine Eltern mit dir verbunden haben, diesen Neuankömmling und blutbefleckten Mörder vor? (6) Stachelt dein Gewissen dich nicht, sondern gefällt es dir, deine Liebe mit Füßen zu treten und zwischen Lanzen und Schwertern herumzuhuren? Was, wenn auf irgendeine Weise die anderen Räuber das merken? Wirst du dann nicht wieder zu dem

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serint? non rursum recurres ad asinum et rursum exitium mihi parabis? re vera ludis de alieno corio.’ 12 (1) Dum ista sycophanta ego mecum maxima cum indignatione disputo, de verbis eorum quibusdam dubiis, sed non obscuris prudenti asino cognosco non Haemum illum praedonem famosum, sed Tlepolemum sponsum puellae ipsius. (2) nam procedente sermone paulo iam clarius contempta mea praesentia (quasi vere mortui) ‘bono animo es,’ inquit ‘Charite dulcissima; nam totos istos hostes tuos statim captivos habebis.’ (3) et instantia validiore vinum iam immixtum, sed modico tepefactum vapore sauciis illis et crapula vinolentiaque madidis ipse abstemius non cessat inpingere. (4) et hercules suspicionem mihi fecit, quasi soporiferum quoddam venenum cantharis immisceret illis. cuncti denique, sed prorsus omnes 〈pariter mortui〉 vino sepulti iacebant [omnes partim mortui]. (5) tunc nullo negotio artissimis vinculis impeditis ac pro arbitrio suo constrictis illis, imposita dorso meo puella, dirigit gressum ad suam patriam. 13 (1) Quam simul accessimus, tota civitas ad votivum conspectum effunditur. procurrunt parentes, affines, clientes, alumni, famuli laeti faciem, gaudio delibuti. (2) pompam cerneres omnis sexus et omnis aetatis novumque et hercules memorandum spectamen, virginem asino triumphantem. (3) denique ipse etiam hilarior pro virili parte, ne praesenti negotio ut alienus discreparem, porrectis auribus proflatisque naribus rudivi fortiter, immo tonanti clamore personui. (4) et illam thalamo receptam commode parentes sui fove-

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Esel zurücklaufen und wieder mir Verderben bereiten? Du spielst wahrhaftig mit der Haut eines anderen.« 12 (1) Während ich Sykophant dies hier mit der größten Entrüstung mit mir selbst diskutierte, erkannte ich aus einigen ihrer Worte, die zweideutig, aber für einen klugen Esel nicht dunkel waren, dass jener nicht der berühmte Räuber Hämus, sondern der Verlobte des Mädchens selbst, Tlepolemus, war. (2) Denn im Verlauf des Gesprächs sagte er schon etwas deutlicher, ohne auf meine Gegenwart zu achten (als ob ich wahrhaftig tot wäre): »Sei guten Muts, meine süßeste Charite! Denn diese ganzen Feinde da wirst du auf der Stelle als Gefangene haben.« (3) Und mit immer stärkerem Drängen hörte er nicht auf, jetzt ungemischten, aber durch ein wenig Dampf gewärmten Wein ihnen, die stark angeschlagen und von Rausch und Weinseligkeit durchtränkt waren, einzuflößen, selbst enthaltsam. (4) Und beim Herkules, er weckte mir den Verdacht, dass er ihnen irgendeine einschläfernde Droge in die Humpen mischte. Alle lagen schließlich, aber auch ganz und gar alle, gleichermaßen wie Tote vom Wein begraben da. (5) Dann fesselte er sie ohne Mühe mit engsten Banden, schnürte sie nach Belieben zusammen, setzte das Mädchen auf meinen Rücken und lenkte den Schritt zu seiner Vaterstadt. 13 (1) Sobald wir sie erreichten, strömte die gesamte Bürgerschaft zu dem Anblick, für den sie gebetet hatte, heraus. Es liefen Eltern, Verwandte, Klienten, Schutzbefohlene und Diener mit fröhlichem Gesicht und vor Freude trunken heraus. (2) Du hättest eine Prozession beider Geschlechter und jedes Alters und ein neues und, beim Herkules, denkwürdiges Schauspiel gesehen, eine junge Frau, die im Triumph einen Esel ritt. (3) Schließlich habe ich selbst, sogar heiterer gestimmt, nach Kräften, um nicht beim gegenwärtigen Vorgang wie ein Fremder abzuweichen, mit aufgereckten Ohren und aufgeblasenen Nüstern tapfer gebrüllt, nein vielmehr mit donnerndem Lärm mich ertönen lassen. (4) Und jene nahmen die Eltern in ihr Gemach auf und pflegten sie sorgfältig. Mich aber

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bant. me vero cum ingenti iumentorum civiumque multitudine confestim retro Tlepolemus agebat non invitum. (5) nam et alias curiosus et tunc latronum captivitatis spectator optabam fieri. quos quidem colligatos adhuc vino magis quam vinculis deprehendimus. (6) totis ergo prolatis erutisque rebus et nobis auro argentoque et ceteris onustis ipsos partim constrictos, uti fuerant, provolutosque in proximas rupinas praecipites dedere, alios vero suis sibi gladiis obtruncatos reliquere. (7) Tali vindicta laeti et gaudentes civitatem revenimus. et illas quidem divitias publicae custodelae commisere, Tlepolemo puellam repetitam lege tradidere. 14 (1) Exin me suum sospitatorem nuncupatum matrona prolixe curitabat ipsoque nuptiarum die praesepium meum hordeo passim repleri iubet faenumque camelo Bactrinae sufficiens apponi. (2) sed quas ego condignas Photidi diras devotiones imprecer, quae me formavit non canem, sed asinum, quippe cum viderem largissimae cenae reliquiis rapinisque canes omnes inescatos atque distentos. (3) Post noctem unicam et rudimenta Veneris recens nupta gratias summas apud suos parentes ac maritum mihi meminisse non destitit, quoad summos illi promitterent honores habituri mihi. (4) convocatis denique gravioribus amicis consilium datur, quo potissimum facto digne remunerarer. placuerat uni domi me conclusum et otiosum hordeo lecto fabaque et vicia saginari. (5) sed

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führte Tlepolemus mit einer gewaltigen Menge von Lasttieren und Bürgern nicht gegen meinen Willen eilig zurück. (5) Denn auch sonst neugierig, wünschte ich auch jetzt, Zuschauer bei der Gefangennahme der Räuber zu sein. Wir fanden sie noch gebunden vor, mehr durch den Wein als durch die Fesseln. (6) Als alles herausgetragen und aufgestöbert war und wir mit Gold und Silber und dem Übrigen beladen waren, rollte man sie selber heraus, teils gebunden, wie sie waren, und warf sie kopfüber in die nächsten Schluchten, andere aber schlachtete man mit ihren eigenen Schwertern und ließ sie liegen. (7) Über eine solche Rache entzückt und voll Freude kamen wir in die Stadt zurück. Und jenen Reichtum vertraute man der öffentlichen Obhut an, Tlepolemus übergab man die wiedergewonnene junge Frau nach dem Gesetz. 14 (1) Von nun an sorgte die Dame für mich, den von ihr Retter genannten, verschwenderisch, und am Hochzeitstag selbst befahl sie, dass meine Krippe ganz und gar mit Gerste gefüllt und Heu dazu gelegt werde, das für ein baktrisches Kamel ausreichend gewesen wäre. (2) Doch was für grässliche Verwünschungen gegen Photis, die sie verdienen würde, soll ich von mir geben, die mich nicht in einen Hund, sondern in einen Esel umformte, da ich ja mit Resten und Raubgut eines sehr üppigen Essens alle Hunde gesättigt und bis zum Bersten voll sah. (3) Nach der einzigartigen Nacht und dem ersten Unterricht im Liebesspiel hörte die frisch Vermählte nicht auf, bei ihren Eltern und ihrem Ehemann ihren höchsten Dank an mich zu erwähnen, bis sie ihr versprachen, mir die höchsten Ehren zu erweisen. (4) Schließlich wurden die Gewichtigeren unter ihren Freunden zusammengerufen, und zur Beratung wurde ihnen aufgegeben, durch welche Aktion ich am besten würdig belohnt werden könne. Einer hatte dafür gestimmt, ich solle im Haus eingeschlossen und frei von Arbeit mit erlesener Gerste, Bohnen und Wicken gemästet werden. (5) Doch ein anderer setzte sich durch, der auf meine

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optinuit alius, qui meae libertati prospexerat, suadens, ut rurestribus potius campis in greges equinos lasciviens discurrerem daturus dominis equarum inscensu generoso multas mulas alumnas. 15 (1) Ergo igitur evocato statim armentario equisone magna cum praefatione deducendus adsignor. et sane gaudens laetusque praecurrebam sarcinis et ceteris oneribus iam nunc renuntiaturus nanctaque libertate veris initio pratis herbantibus rosas utique reperturus aliquas. (2) subibat me tamen illa etiam sequens cogitatio, quod tantis actis gratiis honoribusque plurimis asino meo tributis humana facie recepta multo tanta pluribus beneficiis honestarer. (3) Sed ubi me procul a civitate gregarius ille perduxerat, nullae deliciae ac ne ulla quidem libertas excipit. nam protinus uxor eius, avara equidem nequissimaque illa mulier, molae machinariae subiugum me dedit frondosoque baculo subinde castigans panem sibi suisque de meo parabat corio. (4) nec tantum sui cibi gratia me fatigare contenta vicinorum etiam frumenta mercennariis discursibus meis conterebat, nec mihi misero statuta saltem cibaria pro tantis praestabantur laboribus. (5) namque hordeum meum frictum et sub eadem mola meis quassatum ambagibus colonis proximis venditabat, mihi vero per diem laboriosae machinae adtento sub ipsa vespera furfures apponebat incretos ac sordidos multoque lapide salebrosos. 16 (1) Talibus aerumnis edomitum novis Fortuna saeva tradidit cruciatibus, scilicet ut, quod aiunt, domi forisque fortibus factis

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Freiheit vorausgeschaut hatte, indem er riet, ich solle lieber auf ländlichen Feldern herumlaufen und mein ausgelassenes Spiel auf Pferdeherden ausrichten, um meinen Herren durch edelrassiges Bespringen von Stuten viele Maultierfohlen zu schenken. 15 (1) Also wurde auf der Stelle der Pferdestallmeister gerufen, und mit einer großen Vorrede wurde ich ihm zum Wegführen zugewiesen. Und wirklich voller Freude und vergnügt lief ich schon voraus, würde jetzt auf Gepäck und andere Lasten verzichten können, und, da ich die Freiheit erlangt hatte, zu Beginn des Frühlings, wenn die Wiesen grünten, sicher irgendwelche Rosen finden. (2) Mir kam freilich auch jener weitere Gedanke, dass, weil meinem Esel so großer Dank abgestattet und sehr viele Ehren erwiesen worden waren, ich, wenn ich einmal wieder menschliche Gestalt erlangt hätte, mit umso mehr Wohltaten geehrt werden würde. (3) Doch sobald jener Aufseher der Herden mich von der Stadt weit weg geführt hatte, erwartete mich kein Vergnügen und nicht einmal irgendwelche Freiheit. Denn sogleich gab mich seine Gemahlin, eine wahrhaftig habgierige und nichtsnutzige Frau, unter das Joch einer Drehmühle, und indem sie mich immer wieder mit einem belaubten Stock prügelte, versuchte sie ihr Brot für sich und die Ihren auf Kosten meiner Haut zu erwerben. (4) Und nicht damit zufrieden, mich nur ihrer eigenen Nahrung wegen zu quälen, zermahlte sie auch das Getreide der Nachbarn, indem sie ihnen mein ständiges Herumlaufen auslieh, und mir Armem wurde nicht wenigstens die vorgeschriebene Nahrung für so große Mühen gewährt. (5) Denn meine Gerste, die geröstet und in derselben Mühle durch mein Herumlaufen zerstoßen wurde, pflegte sie den benachbarten Bauern zu verkaufen, mir aber, der ich tagsüber an die arbeitsame Maschine angespannt war, warf sie erst gegen Abend ungesiebte, schmutzige und von vielen Steinchen raue Kleie vor. 16 (1) Als ich von solchen Leiden ganz und gar überwältigt war, lieferte mich die grimmige Fortuna neuen Martern aus, natürlich damit, wie man sagt, ich mich zu Hause und draußen wegen meiner

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adoriae plenae gloriarer. equinis armentis namque me congregem pastor egregius mandati dominici serus auscultator aliquando permisit. (2) at ego tandem liber asinus laetus et tripudians graduque molli gestiens equas opportunissimas iam mihi concubinas futuras deligebam. sed haec etiam spes hilarior in capitale processit exitium. (3) mares enim ob amissuram veterem pasti satianter ac diu saginati, terribiles alioquin et utique quovis asino fortiores, de me metuentes sibi et adulterio degeneri praecaventes nec hospitalis Iovis servato foedere rivalem summo furentes persecuntur odio. (4) hic elatis in altum vastis pectoribus arduus capite et sublimis vertice primoribus in me pugillatur ungulis, ille terga pulposis torulis obesa convertens postremis velitatur calcibus, alius hinnitu maligno comminatus, remulsis auribus dentiumque candentium renudatis asceis totum me commorsicat. (5) sic apud historiam de rege Thracio legeram, qui miseros hospites ferinis equis suis lacerandos devorandosque porrigebat. adeo ille praepotens tyrannus sic parcus hordei fuit, ut edacium iumentorum famem corporum humanorum largitione sedaret. 17 (1) At eundem modum distractus et ipse variis equorum incursibus rursus molares illos circuitus requirebam. verum Fortuna meis cruciatibus insatiabilis aliam mihi denuo pestem instruxit. (2) delegor enim ligno monte devehundo puerque mihi praefectus imponitur omnibus ille quidem puer deterrimus. (3) nec me

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tapferen Taten eines kompletten Triumphes rühmen könne. Denn der hervorragende Hirte, der spät dem Befehl seines Herren gehorchte, erlaubte mir dann doch einmal, Herdengenosse bei den Pferdeherden zu sein. (2) Doch ich, endlich ein freier Esel, vergnügt und herumhüpfend und mit weichem Schritt tänzelnd, war schon bereit, mir die geeignetsten Stuten als meine künftigen Beischläferinnen auszuwählen. Aber auch diese erfreulichere Erwartung entwickelte sich zu einer tödlichen Katastrophe. (3) Die Hengste nämlich, während der üblichen Zeit der Zulassung zur Bespringung sattsam gefüttert und lange gemästet, auf jeden Fall schrecklich und natürlich stärker als jeder Esel, fürchteten, was mich betrifft, für sich, versuchten Vorsorge gegen einen entarteten Seitensprung zu treffen und verfolgten, ohne den Pakt mit dem gastlichen Jupiter zu bewahren, rasend den Rivalen mit größtem Hass. (4) Einer hob seine gewaltige Brust in die Höhe, steil aufgerichtet den Kopf und die Mähne emporgehoben, schlug mit den Vorderhufen nach mir aus, ein zweiter drehte mir seinen feisten, muskelbepackten Rücken zu und plänkelte mit den hinteren Hufen, ein anderer drohte mir mit bösartigem Wiehern, legte die Ohren zurück, entblößte die Beile seiner weiß schimmernden Zähne und biss mich überall. (5) So hatte ich es in der Geschichte über den thrakischen König gelesen, der seine armen Gäste seinen wilden Pferden zum Zerfleischen und Verschlingen vorwarf. Tatsächlich war dieser mächtige Tyrann so sparsam mit seiner Gerste, dass er den Hunger der gefräßigen Tiere durch reichliche Beschenkung mit menschlichen Körpern stillte. 17 (1) Auf dieselbe Weise wurde auch ich selbst durch die wiederholten Angriffe der Pferde zerrissen und sehnte mich wieder danach zurück, in jener Mühle im Kreis zu laufen. Aber Fortuna, durch meine Qualen nicht zu sättigen, arrangierte von Neuem ein Unheil für mich. (2) Ich wurde nämlich damit beauftragt, Holz von den Bergen herabzutragen, ein Sklavenjunge wurde über mich als Aufseher gestellt, und jener Sklavenjunge war der schlimmste auf

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montis excelsi tantum arduum fatigabat iugum nec saxeas tantum sudes incursando contribam ungulas, verum fustium quoque crebris ictibus perdite dedolabar, ut usque plagarum mihi medullaris insideret dolor. (4) coxaeque dexterae semper ictus incutiens et unum feriendo locum dissipato corio et ulceris latissimi facto foramine, immo fovea vel etiam fenestra nullus tamen desinebat identidem vulnus sanguine delibutum obtundere. lignorum vero tanto me premebat pondere, ut fascium molem elephanto, non asino paratam putares. (5) ille vero etiam, quotiens in alterum latus praeponderans declinarat sarcina, cum deberet potius gravantis ruinae fustes demere et levata paulisper pressura sanare me vel certe in alterum latus translatis peraequare, contra lapidibus additis insuper sic iniquitati ponderis medebatur. 18 (1) Nec tamen post tantas meas clades inmodico sarcinae pondere contentus, cum fluvium transcenderemus, qui forte praeter viam defluebat, peronibus suis ab aquae madore consulens ipse quoque insuper lumbos meos insiliens residebat, exiguum scilicet et illud tantae molis superpondium. (2) ac si quo casu limo caenoso ripae supercilio lubricante oneris inpatientia prolapsus deruissem, cum deberet egregius agaso manum porrigere, capistro suspendere, cauda sublevare, certe partem tanti oneris, quoad resurgerem saltem, detrahere, (3) nullum quidem defesso mihi ferebat auxilium,

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der ganzen Welt. (3) Nicht nur ermüdete mich die steile Höhe des Berges, nicht nur rieb ich mir dadurch die Hufe ab, dass ich damit gegen Felsspitzen stieß, sondern ich wurde auch durch zahlreiche Schläge mit Knüppeln hemmungslos verprügelt, so dass der Schmerz von den Hieben mir bis tief im Mark saß. (4) Und da er mir die Schläge immer auf die rechte Hüfte versetzte und ein und dieselbe Stelle traf, war die Haut auseinandergerissen, und entstanden war ein breites Geschwür mit einem Loch, nein vielmehr einer Grube oder sogar einem Fenster, doch hörte er nicht auf, wieder und wieder auf die von Blut getränkte Wunde zu prügeln. Er belastete mich aber mit einem so großen Gewicht von Holz, dass du geglaubt hättest, die Masse der Bündel sei für einen Elefanten, nicht für einen Esel bestimmt. (5) Wann immer aber jene übergewichtige Last auf eine Seite herabgerutscht war, wo er dann doch eher Knüppel von der schwer herabfallenden Seite hätte wegnehmen und mir durch Erleichterung des Drucks für eine Weile Abhilfe hätte schaffen oder wenigstens durch Verschieben auf die andere Seite das Gleichgewicht hätte wiederherstellen sollen, fügte er im Gegenteil obendrein Steine hinzu und versuchte so die Ungleichheit des Gewichts zu beheben. 18 (1) Und dennoch war er nach meinen so großen Leiden nicht mit dem unmäßigen Gewicht der Last zufrieden, sondern sprang immer dann, wenn wir einen Fluss überquerten, der zufällig den Weg entlang floss, sogar selbst auf mein Hinterteil, um seine Stiefel vor der Feuchtigkeit des Wassers zu schützen, und saß da als ein an sich natürlich geringes Zusatzgewicht der so großen Masse. (2) Und wenn ich durch irgendeinen Zufall an dem durch schlammigen Lehm glitschigen Uferrand die Last nicht ertrug, ausglitt und niederstürzte, wo dann ein hervorragender Eselstreiber die Hand hätte hinstrecken, mich mit dem Halfter hochheben, am Schwanz hochziehen, jedenfalls einen Teil der so großen Last, bis ich wenigstens aufgestanden wäre, hätte herabziehen müssen, (3) brachte er mir, obwohl ich erschöpft war, keine Hilfe, sondern prügelte mich, am

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sed occipiens a capite, immo vero et ipsis auribus totum me compilabat [cidit] fusti grandissimo, donec fomenti vice ipsae me plagae suscitarent. (4) Idem mihi talem etiam excogitavit perniciem: spinas acerrumas et punctu venenato virosas in fascem tortili nodo constrictas caudae meae pensilem deligavit cruciatum, ut incessu meo commotae incitataeque funestis aculeis infeste me convulnerarent. 19 (1) Ergo igitur ancipiti malo laborabam. nam cum me cursu proripueram fugiens acerbissimos incursus, vehementiore nisu spinarum feriebar. si dolori parcens paululum restitissem, plagis compellebar ad cursum. (2) nec quicquam videbatur aliud excogitare puer ille nequissimus quam ut me quoquo modo perditum iret, idque iurans etiam nonnumquam comminabatur. (3) Et plane fuit, quod eius detestabilem malitiam ad peiores conatus stimularet. nam quadam die nimia eius insolentia expugnata patientia mea calces in eum validas extuleram. denique tale facinus in me comminiscitur. (4) stuppae sarcina me satis onustum probeque funiculis constrictum producit in viam deque proxima villula spirantem carbunculum furatus oneris in ipso meditullio reponit. (5) iamque fomento tenui calescens et enutritus ignis surgebat in flammas et totum me funestus ardor invaserat nec ullum pestis extremae suffugium nec salutis aliquod apparet solacium et ustrina talis moras non sustinet et meliora consilia praevertitur.

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Kopf beginnend, nein vielmehr direkt an den Ohren, ganz und gar mit einem riesigen Knüppel durch, bis die Schläge selbst mich hochbrachten, als ob sie eine Heilsalbe wären. (4) Er auch dachte sich sogar folgende Peinigung für mich aus: Er schnürte sehr scharfe und durch ihren giftigen Stich schädliche Dornen mit einer zugeknoteten Schnur zu einem Bündel zusammen und band sie mir an den Schwanz als herabhängendes Foltermittel, so dass sie, wenn ich ging, in Bewegung und Schwung gebracht wurden und mich mit ihren tödlichen Stacheln grausam verwundeten. 19 (1) Also litt ich an einer doppelten Qual. Denn wenn ich im Lauf dahineilte, um den harten Attacken zu entkommen, wurde ich von einem umso heftigeren Schwung der Dornen getroffen. Wenn ich, um den Schmerz zu vermeiden, ein wenig stehen blieb, wurde ich durch Schläge zum Lauf gezwungen. (2) Und nichts anderes schien jener nichtsnutzige Sklavenjunge sich auszudenken, als mich auf welche Weise auch immer umzubringen, und damit drohte er zuweilen unter Schwüren. (3) Und da war deutlich etwas, das seine verabscheuenswerte Bosheit zu schlimmeren Anschlägen anstachelte. Denn eines Tages, als meine Geduld durch seine übergroße Unverschämtheit erschöpft war, hatte ich mit meinen Hufen kräftig nach ihm ausgeschlagen. Also dachte er sich folgende gegen mich gerichtete Schandtat aus: (4) Als ich mit einer Last Werg reichlich beladen und sicher mit Stricken eingeschnürt war, führte er mich hinaus auf die Straße, stahl aus dem nächstgelegenen Bauernhof eine glühende Kohle und legte sie genau in die Mitte der Traglast. (5) Und schon erhob sich, durch den kleinen Zündstoff entbrennend und genährt, ein Feuer zur Flamme, eine tödliche Hitze hatte mich schon ganz durchdrungen, und es zeigte sich keine Zuflucht vor der äußersten Katastrophe, auch nicht irgendeine tröstliche Hoffnung auf Rettung, und ein solcher Brand duldet keinen Verzug und kommt besseren Plänen zuvor.

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20 (1) Sed in rebus scaevis adfulsit Fortunae nutus hilarior, nescio an futuris periculis me reservans, certe praesente statutaque morte liberans. (2) nam forte pluviae pridianae recens conceptaculum aquae lutulentae proximum conspicatus ibi memet inprovido saltu totum abicio flammaque prorsus extincta tandem et pondere levatus et exitio liberatus evado. (3) sed ille deterrimus ac temerarius puer hoc quoque suum nequissimum factum in me retorsit gregariisque omnibus adfirmavit me sponte vicinorum foculos transeuntem titubanti gradu prolapsum ignem ultroneum accersisse mihi et arridens addidit: ‘quo usque ergo frustra pascemus inigninum istum?’ (4) Nec multis interiectis diebus longe peioribus me dolis petivit. ligno enim, quod gerebam, in proximam casulam vendito vacuum me ducens iam se nequitiae meae proclamans imparem miserrimumque istud magisterium rennuens querelas huius modi concinnat: 21 (1) ‘Videtis istum pigrum tardissimumque et nimis asinum? me praeter cetera flagitia nunc novis periculis etiam angit. (2) ut quemque enim viatorem prospexerit, sive illa scitula mulier seu virgo nubilis seu tener puellus est, ilico disturbato gestamine, nonnumquam etiam ipsis stramentis abiectis furens incurrit et homines amator talis appetit et humi prostratis illis inhians illicitas atque incognitas temptat libidines et ferinas voluptates aversa〈que〉 Venere invitat ad nuptias. (3) nam imaginem etiam savii mentiendo ore improbo compulsat ac morsicat. quae res nobis non mediocris lites

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20 (1) Aber in meiner prekären Situation leuchtete ein freundlicherer Blick Fortunas, der mich vielleicht für künftige Gefahren aufsparte, auf jeden Fall vom momentanen mir bestimmten Tod befreite. (2) Denn zufällig erblickte ich eine kürzlich vom vorherigen Tag geformte Ansammlung von schlammigem Wasser in nächster Nähe, warf mich dort mit einem unvorhergesehenen Sprung ganz hinein und kam, als die Flammen vollständig gelöscht waren, endlich heraus, von der Bürde erleichtert und vom Untergang befreit. (3) Aber jener bitterböse und freche Sklavenjunge kehrte auch diese seine schändliche Tat gegen mich, versicherte allen Hirten, ich sei vorsätzlich an den Kohlenpfannen der Nachbarn mit schwankendem Schritt vorbeigegangen und ausgeglitten und hätte mir das Feuer absichtlich geholt, und grinsend fügte er hinzu: »Wie lange noch werden wir dieses Feuertier nutzlos füttern?« (4) Als noch nicht viele Tage vergangen waren, griff er mich mit weit übleren Tricks an. Als er nämlich das Holz, das ich trug, in einer nahegelegenen Hütte verkauft hatte und mich ohne Ladung mit sich führte, schrie er, er sei meiner Ruchlosigkeit nicht mehr gewachsen, kündigte seine elende Tätigkeit als Viehtreiber auf und machte sich Beschwerden folgender Art zurecht: 21 (1) »Seht ihr den da, faul und extrem langsam und allzu sehr ein Esel? Sieht man ab von seinen übrigen Schandtaten, ängstigt er mich jetzt auch noch mit neuen Gefahren. (2) Sobald er nämlich irgendeinen Passanten erblickt, ob es eine hübsche Frau oder ein heiratsfähiges Mädchen oder ein zarter Junge ist, bringt er sofort seine Fracht in Unordnung, wirft zuweilen auch sogar den Packsattel ab, läuft rasend auf sie los, stürzt sich als ein solcher Liebhaber auf die Menschen, und wenn er sie zu Boden geworfen hat, versucht er, geil auf sie, ihnen seine unerlaubten und unerhörten Lüste aufzuzwingen, und spornt seine viehischen Begierden zu einem Geschlechtsakt an, von dem Venus sich abwendet. (3) Denn indem er auch den Schein des Küssens vortäuscht, stößt und beißt er mit seinem schamlosen Maul. Diese Sache wird uns nicht geringfügige

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atque iurgia, immo forsitan et crimina pariet. (4) nunc etiam visa quadam honesta iuvene ligno, quod devehebat, abiecto dispersoque in eam furiosos direxit impetus et festivus hic amasio humo sordida prostratam mulierem ibidem incoram omnium gestiebat inscendere. (5) quod nisi ploratu questuque femineo conclamatum viatorum praesidium accurrisset ac de mediis ungulis ipsius esset erepta liberataque, misera illa compavita atque dirupta ipsa quidem cruciabilem cladem sustinuisset, nobis vero poenale reliquisset exitium.’ 22 (1) Talibus mendaciis admiscendo sermones alios, qui meum verecundum silentium vehementius premerent, animos pastorum in meam perniciem atrociter suscitavit. (2) denique unus ex illis ‘quin igitur publicum istum maritum,’ inquit ‘immo communem omnium adulterum illis suis monstruosis nuptiis condignam victimamus hostiam?’ (3) et ‘heus tu, puer,’ ait ‘obtruncato protinus eo intestina quidem canibus nostris iacta, ceteram vero carnem omnem operariorum cenae reserva. nam corium adfirmatum cineris inspersu dominis referemus eiusque mortem de lupo facile mentiemur.’ (4) Sublata cunctatione accusator ille meus noxius, ipse etiam pastoralis exsecutor sententiae, laetus et meis insultans malis calcisque illius admonitus, quam inefficacem fuisse mehercules doleo, protinus gladium cotis adtritu parabat. 23 (1) Sed quidam de coetu illo rusticorum ‘nefas’ ait ‘tam bellum asinum sic enecare et propter luxuriem lasciviamque amatoriam criminatum opera servitioque tam necessario carere, (2) cum

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Streitereien und Zankereien, ja vielleicht sogar Anklagen verursachen. (4) Auch jetzt erst hat er, als er eine ehrbare junge Frau erblickt hatte, das Holz, das er trug, abgeworfen und verstreut, gegen sie sein wahnsinniges Ungestüm gerichtet, und dieser hübsche Liebhaber streckte die Frau auf den dreckigen Erdboden nieder und begehrte heftig, sie ebendort vor den Augen aller zu besteigen. (5) Und wenn nicht, vom Weinen und Klagen der Frau zusammengerufen, eine Schutztruppe von Passanten herbeigerannt und sie nicht mitten aus seinen Hufen gezerrt und befreit worden wäre, hätte jene Arme, zertreten und in Stücke gerissen, selbst qualvolles Leid ertragen müssen, uns aber die Todesstrafe hinterlassen.« 22 (1) Indem er solchen Lügen andere Geschichten hinzufügte, die auf mein bescheidenes Schweigen einen noch heftigeren Druck ausübten, stachelte er die Gemüter der Hirten grausam zu meiner Vernichtung an. (2) Schließlich sagte einer von ihnen: »Warum schlachten wir nicht diesen öffentlichen Ehegatten, nein vielmehr diesen keinen Unterschied machenden Ehebrecher, als Opfertier, wie seine ungeheuerlichen Geschlechtsakte es verdienen?« (3) Und er sprach: »Du da, Junge, hau ihn sofort in Stücke und wirf seine Innereien unseren Hunden vor, das ganze übrige Fleisch aber spare für das Essen der Taglöhner auf. Denn das Fell wollen wir durch Bestreuen mit Asche härten und unseren Herren bringen, und wir werden ihnen leicht vorlügen, sein Tod sei von einem Wolf verursacht.« (4) Ohne Zögern bereitete jener mein verbrecherischer Ankläger, selbst auch Vollstrecker des Hirtenurteils, froh und jubelnd über mein Unglück und in Erinnerung an jenen Tritt, der, wie ich, beim Herkules, bedaure, unwirksam war, sofort das Schwert durch Schleifen mit dem Wetzstein vor. 23 (1) Doch einer von der Gruppe der Landleute sagte: »Was für eine Schande, einen so schönen Esel so zu töten und, weil wir ihn wegen seiner Zügellosigkeit und seiner sexuellen Ausschweifungen anklagen, auf seine Arbeit und seine so notwendigen Dienste zu

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alioquin exsectis genitalibus possit neque in venerem nullo modo surgere vosque omni metu periculi liberare, insuper etiam longe crassior atque corpulentior effici. (3) multos ego scio non modo asinos inertes, verum etiam ferocissimos equos nimio libidinis laborantes atque ob id truces vesanosque adhibita tali detestatione mansuetos ac mansues exinde factos et oneri ferundo non inhabiles et cetero ministerio patientes. (4) denique, nisi vobis suadeo nolentibus, possum spatio modico interiecto, quo mercatum proximum obire statui, petitis e domo ferramentis huic curae praeparatis ad vos actutum redire trucemque amatorem istum atque insuavem dissitis femoribus emasculare et quovis vervece mitiorem efficere.’ 24 (1) Tali sententia mediis Orci manibus extractus, sed extremae poenae reservatus maerebam et in novissima parte corporis totum me periturum deflebam. (2) inedia denique continua vel praecipiti ruina memet ipse quaerebam extinguere moriturus quidem nihilo minus, sed moriturus integer. (3) dumque in ista necis meae decunctor electione, matutino me rursum puer ille peremptor meus contra montis suetum ducit vestigium. (4) iamque me de cuiusdam vastissimae ilicis ramo pendulo destinato paululum viam supergressus ipse securi lignum, quod deveheret, recidebat. et ecce de proximo specu vastum attollens caput funesta proserpit ursa. (5) quam simul conspexi, pavidus et repentina facie conterritus totum corporis pondus in postremos poplites recello

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verzichten, (2) wo er doch ansonsten, wenn seine Geschlechtsteile abgeschnitten sind, sich auf keine Weise zum Sex versteigen und euch von jeder Furcht vor Gefahr befreien, obendrein auch noch weit dicker und fetter werden könnte. (3) Viele, von denen ich weiß, nicht nur träge Esel, sondern auch die hitzigsten Pferde, die an einem Übermaß an Brunst litten und deshalb wild und rasend waren, wurden, nachdem eine solche Kastration angewandt worden war, von da an zahm und sanft, zum Tragen einer Last sehr geeignet und zu anderen Diensten geduldig. (4) Kurz, ich könnte, wenn ich euch das nicht gegen euren Willen rate, nachdem ich eine kurze Zeitspanne dazwischen gelegt habe, in der ich, wie ich beschlossen habe, zum nächsten Markt gehe, von zu Hause die für diese Behandlung vorbereiteten Instrumente holen, zu euch sofort zurückkehren und diesen wilden und unangenehmen Liebhaber, nachdem ich ihm die Schenkel auseinandergespreizt habe, entmannen und dadurch sanfter machen als jeden Hammel.« 24 (1) Durch diesen Vorschlag direkt aus den Händen des Orcus herausgezogen, aber für die strengste Strafe aufgespart, war ich betrübt und weinte bitterlich, weil mit dem hintersten Teil meines Körpers ich ganz und gar zugrunde gehen würde. (2) Also wollte ich mich durch kontinuierliches Fasten oder einen Sturz kopfüber in die Tiefe auslöschen und würde zwar dann nichtsdestoweniger sterben, aber intakt sterben. (3) Und während ich bei dieser Wahl meines Todes noch zögerte, führte mich wieder am frühen Morgen jener Sklavenjunge, mein Henker, zu dem gewohnten Bergpfad. (4) Und nun war er, nachdem er mich an den herabhängenden Ast einer riesigen Steineiche gebunden hatte, selbst ein wenig über den Weg hinaus gegangen und war dabei, mit seiner Axt Holz zu fällen, das er hinunterbringen wollte. Und sieh da, aus einer benachbarten Höhle kroch, den riesigen Kopf erhebend, eine todbringende Bärin hervor. (5) Sobald ich sie erblickt hatte, legte ich, in Angst und durch den plötzlichen Anblick erschreckt, das ganze Gewicht meines Körpers auf die hinteren Kniegelenke, hob den Hals steil in die

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arduaque cervice sublimiter elevata lorum, quo tenebar, rumpo meque protinus pernici fugae committo perque prona non tantum pedibus, (6) verum etiam toto proiecto corpore propere devolutus immitto me campis subpatentibus ex summo studio fugiens immanem ursam ursaque peiorem illum puerum. 25 (1) Tunc quidam viator solitarium vagumque me respiciens invadit et properiter inscensum baculo, quod gerebat, obverberans per obliquam ignaramque me ducebat viam. (2) nec invitus ego cursui me commodabam relinquens atrocissimam virilitatis lanienam. ceterum plagis non magnopere commovebar quippe consuetus ex forma concidi fustibus. (3) Sed illa Fortuna meis casibus pervicax tam opportunum latibulum misera celeritate praeversa novas instruxit insidias. (4) pastores enim mei perditam sibi requirentes vacculam variasque regiones peragrantes occurrunt nobis fortuito statimque me cognitum capistro prehensum attrahere gestiunt. (5) sed audacia valida resistens ille fidem hominum deumque testabatur: ‘quid me raptatis violenter? quid invaditis?’ (6) ‘ain, te nos tractamus inciviliter, qui nostrum asinum furatus abducis? quin potius effaris, ubi puerum eiusdem agasonem necatum scilicet occultaris?’ (7) et ilico detractus ad terram pugnisque pulsatus et calcibus contusus infit deierans nullum semet vidisse ductorem, sed plane continatum solutum et solitarium ob indicivae praemium occupasse domino tamen suo

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Höhe, zerriss den Riemen, von dem ich festgehalten wurde, vertraute mich sofort einer schnellen Flucht an, ließ mich über den Abhang nicht nur mit den Füßen, (6) sondern auch mit meinem ganzen vorwärts gestreckten Köper eilends herabrollen, stürzte mich auf die darunter liegenden Felder und floh so mit höchster Energie vor der gewaltigen Bärin und jenem Sklavenjungen, der noch schlimmer war als die Bärin. 25 (1) Da erblickte mich einer, der vorüberging, wie ich allein umherstreifte, bekam mich zu fassen, stieg eilends auf und lenkte mich, während er mit seinem Stock, den er trug, mich prügelte, auf einen mir unbekannten Seitenweg. (2) Und nicht ungern bequemte ich mich zu einem Galopp, da ich die höchst grässliche Zerfleischung meiner Mannheit hinter mir ließ. Im Übrigen machten mir die Schläge nicht sehr viel aus, da ich ja gewohnt war, mit Knüppeln, wie es sich gehörte, verhauen zu werden. (3) Doch jene Fortuna, die auf meinem Missgeschick beharrte, kam der so günstigen Gelegenheit zum Verschwinden mit bejammernswerter Geschwindigkeit zuvor und legte einen neuen Hinterhalt. (4) Meine Hirten nämlich, die eine ihnen verloren gegangene kleine Kuh suchten und verschiedene Gebiete durchstreiften, begegneten uns zufällig, erkannten mich auf der Stelle, ergriffen mich am Halfter und bemühten sich heftig, mich an sich zu ziehen. (5) Doch jener widersetzte sich ihnen kühn und kräftig und rief Menschen und Götter zu Zeugen an: »Was zerrt ihr an mir gewaltsam? Was dringt ihr auf mich ein?« (6) »Wie bitte? Wir behandeln dich unhöflich, der du unseren Esel gestohlen hast und wegführst? Warum sagst du nicht lieber, wo du den Sklavenjungen, seinen Treiber, versteckt hast, nachdem er sicherlich von dir ermordet worden ist?« (7) Und als er sofort zur Erde herab gezerrt, mit Fäusten geschlagen und mit Füßen getreten wurde, fing er an zu sprechen und schwor, er habe keinen Treiber gesehen, sondern 〈den Esel〉 ganz gewiss unangebunden und allein getroffen und wegen der Belohnung für die Meldung festgehalten, werde ihn aber seinem

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restituturum. (8) ‘atque utinam ipse asinus,’ inquit ‘quem numquam profecto vidissem, vocem quiret humanam dare meaeque testimonium innocentiae perhibere posset: profecto vos huius iniuriae pigeret.’ (9) Sic adseverans nihil quicquam promovebat. nam collo constrictum reducunt eum pastores molesti contra montis illius silvosa nemora, unde lignum puer solebat egerere. 26 (1) Nec uspiam ruris aperitur ille, sed plane corpus eius membratim laceratum multisque dispersum locis conspicitur. (2) quam rem procul dubio sentiebam ego illius ursae dentibus esse perfectam et hercules dicerem quod sciebam, si loquendi copia suppeditaret. sed, quod solum poteram, tacitus licet serae vindictae gratulabar. (3) et cadaver quidem disiectis partibus tandem totum repertum aegreque concinnatum ibidem terrae dedere, meum vero Bellerophontem abactorem indubitatum cruentumque percussorem criminantes ad casas interim suas vinctum perducunt, quoad renascenti die sequenti deductus ad magistratus, ut aiebant, poenas redderetur. (4) Interimdum puerum illum parentes sui plangoribus fletibusque querebantur, et adveniens ecce rusticus nequaquam promissum suum frustratus destinatam sectionem meam flagitat. (5) ‘non est’ in his inquit unus ‘indidem praesens iactura nostra, sed plane crastino libet non tantum naturam, verum etiam caput quoque ipsum pessimo isto asino demere. nec tibi ministerium deerit istorum.’

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Herrn zurückerstatten. (8) »Und wenn doch nur der Esel selbst,« sagte er, »den ich wahrlich nie gesehen zu haben wünschte, eine menschliche Stimme von sich geben und ein Zeugnis meiner Unschuld leisten könnte: Ihr würdet euch wahrlich für diese Ungerechtigkeit schämen.« (9) So versicherte er, konnte aber nichts vorwärts bewegen. Denn am Hals gefesselt führten ihn die aggressiven Hirten zu dem waldreichen Abhang des Berges, von wo der Sklavenjunge Holz fortzuschaffen pflegte. 26 (1) Er konnte nirgendwo auf dem Feld gefunden werden, wohl aber wurde sein Glied für Glied zerrissener und über viele Stellen verstreuter Körper erblickt. (2) Das, so erkannte ich, ohne zu zweifeln, war von den Zähnen jener Bärin vollbracht worden, und, beim Herkules, ich hätte gesagt, was ich wusste, wenn mir die Möglichkeit zu sprechen zur Verfügung gestanden hätte. Doch was ich allein konnte, ich beglückwünschte mich im Stillen zu meiner Rache, wenn sie auch spät war. (3) Und die Leiche übergaben sie, als sie ihn, obwohl die Teile zerstreut waren, endlich in seiner Gesamtheit gefunden und mit Mühe zusammengesetzt hatten, ebendort der Erde, meinen Bellerophontes aber, den sie als unbezweifelbaren Viehräuber und blutrünstigen Mörder beschuldigten, brachten sie in Fesseln vorerst zu ihren Hütten, bis er bei Morgengrauen des folgenden Tages zu den Beamten abgeführt und, wie sie sagten, seiner Strafe ausgeliefert werden sollte. (4) Während unterdessen jenen Sklavenjungen seine Eltern mit Jammern und Weinen beklagten, sieh da, kam der Bauer an, der keineswegs sein Versprechen nicht einhielt, und verlangte die für mich bestimmte Operation. (5) »Nein«, sagte einer unter ihnen, »unser heutiger Verlust hat nichts damit zu tun, aber morgen magst du gewiss nicht nur die Geschlechtsteile, sondern auch sogar den Kopf diesem äußerst üblen Esel wegnehmen. Und es wird dir nicht an der Hilfe dieser Leute hier fehlen.«

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27 (1) Sic effectum est, ut in alterum diem clades differetur mea. at ego gratias agebam bono puero, quod saltem mortuus unam carnificinae meae dieculam donasset. (2) nec tamen tantillum saltem gratulationi meae quietive spatium datum. nam mater pueri, mortem deplorans acerbam filii, fleta et lacrimosa fuscaque veste contecta, ambabus manibus trahens cinerosam canitiem, eiulans et exinde proclamans stabulum inrumpit meum tunsisque ac diverberatis vehementer uberibus incipit: (3) ‘Et nunc iste securus incumbens praesepio voracitati suae deservit et insatiabilem profundumque ventrem semper esitando distendit nec aerumnae meae miseretur vel detestabilem casum defuncti magistri recordatur. (4) sed scilicet senectam infirmitatemque meam contemnit ac despicit et impune se laturum tantum scelus credit. at utcumque se praesumit innocentem; est enim congruens pessimis conatibus contra noxiam conscientiam sperare securitatem. (5) nam pro deum fidem, quadrupes nequissime, licet precariam vocis usuram sumeres, cui tandem vel ineptissimo persuadere possis atrocitatem istam culpa carere, cum propugnare pedibus et arcere morsibus misello puero potueris? (6) an ipsum quidem saepius incursare calcibus potuisti, morituram vero defendere alacritate simili nequisti? (7) certe dorso receptum auferres protinus et infesti latronis cruentis manibus eriperes, postremum deserto derelictoque illo conservo, magistro, comite, pastore non solus aufugeres. (8) an ignoras eos etiam, qui morituris auxilium

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27 (1) So wurde bewirkt, dass meine Katastrophe auf den nächsten Tag verschoben wurde. Und ich wusste dem guten Sklavenjungen Dank dafür, dass er mir wenigstens als Toter einen einzigen kleinen Tag vor meiner Exekution geschenkt hatte. (2) Freilich wurde meiner Freude und Ruhe nicht einmal ein so geringer Zeitraum gegeben. Denn die Mutter des Sklavenjungen, die den bitteren Tod ihres Sohnes beklagte, drang weinend und tränenüberströmt, bedeckt von einem schwarzen Gewand, mit beiden Händen ihr mit Asche bestreutes graues Haar raufend, heulend und unaufhörlich schreiend in meinen Stall ein, schlug und durchbläute heftig ihre Brüste und begann zu sprechen: (3) »Und jetzt beugt sich der da unbekümmert über seine Krippe, dient eifrig seiner Gefräßigkeit und weitet seinen unersättlichen und tiefen Bauch durch ständiges Fressen, ohne Mitleid mit meiner elenden Qual zu haben oder an das abscheuliche Unglück seines toten Meisters zu denken. (4) Aber natürlich verachtet er mein hohes Alter und meine Schwäche und sieht darauf herab und glaubt, er bleibe unbestraft nach so einem Verbrechen. Doch zweifellos hält er sich für unschuldig; das nämlich passt zu bösen Unternehmungen, trotz eines schuldigen Gewissens auf Sicherheit zu hoffen. (5) Denn bei den Göttern, du nichtsnutziger Vierbeiner, selbst wenn du den Gebrauch der Sprache nur kurz geliehen erhalten könntest, wen in aller Welt, wie dumm er auch ist, könntest du davon überzeugen, dass diese Abscheulichkeit ohne Schuld ist, wo du doch dem armen Jungen mit deinen Füßen Schutz hättest bieten und ihm mit Bissen hättest beistehen können? (6) Oder warst du zwar fähig, ihn, als er noch lebte, öfter mit deinen Hufen zu attackieren, aber als ihm der Tod drohte, ihn nicht mit ähnlichem Eifer zu verteidigen? (7) Sicher hättest du ihn auf den Rücken nehmen, sofort wegtragen und den blutigen Händen des gefährlichen Räubers entreißen sollen, und schließlich hättest du jenen deinen Mitsklaven, Meister, Begleiter und Hirten nicht im Stich lassen und aufgeben und allein entfliehen sollen. (8) Oder weißt du nicht, dass auch die-

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salutare denegarint, quod contra bonos mores id ipsum fecerint, solere puniri? (9) sed non diutius meis cladibus laetaberis, homicida. senties, efficiam, misero dolori naturales vires adesse.’ 28 (1) Et cum dicto subsertis manibus exsolvit suam sibi fasciam pedesque meos singillatim inligans indidem constringit artissime, 5 scilicet ne quod vindictae meae superesset praesidium, (2) et pertica, qua stabuli fores offirmari solebant, adrepta non prius me desiit obtundere quam victis fessisque viribus suopte pondere degravatus manibus eius fustis esset elapsus. (3) tunc de brachiorum suorum cita fatigatione conquesta procurrit ad focum ardentemque titio- 10 nem gerens mediis inguinibus obtrudit, donec solo, quod restabat, nisus praesidio liquida fimo strictim egesta faciem atque oculos eius confoedassem. (4) qua caecitate atque faetore tandem fugata est a me pernicies: ceterum titione delirantis Althaeae Meleager asinus 15 interisset.

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jenigen, die denen, welchen der Tod droht, rettende Hilfe verweigern, bestraft zu werden pflegen, einfach weil sie gerade damit gegen die guten Sitten gehandelt haben? (9) Aber du wirst dich nicht länger über mein Unglück freuen, du Mörder. Du wirst zu spüren bekommen, dafür sorge ich, dass bitterer Schmerz natürliche Kräfte hat.« 28 (1) Und mit diesen Worten steckte sie die Hände unter ihr Gewand, löste ihr Brustband, fesselte damit meine Beine, eines nach dem anderen, und schnürte sie sehr eng zusammen, natürlich damit mir nicht irgendein Mittel zur Rache bleibe, (2) packte die Stange, mit der die Stalltür fest verschlossen zu werden pflegte, und hörte nicht eher auf, mich zu verprügeln, als ihre Kräfte erledigt und erschöpft waren und der Knüppel, durch sein eigenes Gewicht zu Boden gedrückt, ihren Händen entglitt. (3) Dann beklagte sie sich über die schnelle Ermüdung ihrer Arme, rannte zum Herd, holte ein brennendes Holzscheit und stieß es zwischen meine Hinterbacken, bis ich mich auf das einzige Mittel, das mir blieb, verließ und mit flüssigem Kot, den ich aus der Nähe von mir gab, ihr Gesicht und ihre Augen besudelte. (4) Durch die so bewirkte Blindheit und den Gestank wurde von mir endlich das Verderben in die Flucht geschlagen: Sonst wäre der Esel durch das Holzscheit der wahnwitzigen Althäa als Meleager zu Grunde gegangen.

LIBER VIII 1 (1) Noctis gallicinio venit quidam iuvenis de proxima civitate, ut quidem mihi videbatur, unus ex famulis Charites, puellae illius, quae mecum apud latrones pares aerumnas exanclaverat. (2) is de eius exitio et domus totius infortunio mira ac nefanda ignem propter adsidens inter conservorum frequentiam sic annuntiabat: (3) ‘Equisones opilionesque, etiam busequae, fuit Charite nobisque misella et quidem casu gravissimo nec vero incomitata manis adivit. (4) sed ut cuncta noritis, referam vobis a capite quae gesta sunt quaeque possint merito doctiores, quibus stilos Fortuna subministrat, in historiae speciem chartis involvere. (5) Erat in proxima civitate iuvenis natalibus praenobilis, quo clarus eo pecuniae [fuit] satis locuples, sed luxuriae popinalis scortisque et diurnis potationibus exercitatus atque ob id factionibus latronum male sociatus nec non etiam manus infectus humano cruore, Thrasyllus nomine. idque sic erat et fama dicebat. 2 (1) Hic, cum primum Charite nubendo maturuisset, inter praecipuos procos summo studio petitionis eius munus obierat et quamquam ceteris omnibus id genus viris antistaret eximiisque muneribus parentum invitaret iudicium, morum tamen improbatus repulsae contumelia fuerat aspersus. (2) ac dum erilis puella in boni Tlepolemi manum venerat, firmiter deorsus delapsum nutriens amorem et denegati thalami permiscens indignationem cruento

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Buch 8 1 (1) Während der Nacht beim Hahnenschrei kam ein junger Mann aus der nächsten Stadt, einer von der Dienerschaft Charites, wie mir jedenfalls schien, jener jungen Frau, die mit mir bei den Räubern gleiche Leiden durchgemacht hatte. (2) Dieser meldete Seltsames und Ruchloses über ihr Ende und das Unglück des ganzen Hauses, während er am Feuer mitten in der großen Zahl von Mitsklaven saß, das Folgende: (3) »Ihr Pferdeknechte und Schafhirten, auch ihr Rinderhirten, Charite ist nicht mehr, die Arme ist uns zu den Manen gegangen, und zwar durch eine höchst tragische Katastrophe, aber nicht unbegleitet. (4) Aber damit ihr alles wisst, werde ich euch von Anfang an berichten, was geschehen ist und was Gelehrtere, denen Fortuna Griffel in die Hand gibt, mit Recht als beispielhafte Geschichte in Papyrusblätter aufnehmen könnten. (5) Es war in einer nächstgelegenen Stadt ein junger Mann, sehr vornehm von Geburt, dadurch berühmt und sehr reich, aber ständig in Aktion bei Ausschweifungen in Wirtshäusern, mit Huren und Saufereien schon tagsüber und deshalb in schlechte Gesellschaft mit Räuberbanden geraten, sogar an den Händen mit Menschenblut befleckt, mit Namen Thrasyllus. Und das war so, und das sagte das Gerücht über ihn. 2 (1) Dieser hatte sich, sobald Charite reif für die Ehe geworden war, unter den herausragenden Freiern mit größtem Eifer der Aufgabe, um sie zu werben, unterzogen, und obwohl er unter allen übrigen Männern dieser Art den höchsten Rang hatte und durch außerordentliche Geschenke ein günstiges Urteil ihrer Eltern zu gewinnen suchte, war er dennoch wegen seiner Lebensweise zurückgewiesen und durch die Schande der Ablehnung befleckt worden. (2) Und während die Tochter unseres Herrn in die Obhut des guten Tlepolemus gekommen war, nährte er hartnäckig seine in die Tiefe abgestürzte Liebe, mischte damit seine Empörung über die Verwei-

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facinori quaerebat accessum. (3) nanctus denique praesentiae suae tempestivam occasionem sceleri, quod diu cogitarat, accingitur. (4) ac die, quo praedonum infestis mucronibus puella fuerat astu virtutibusque sponsi sui liberata, turbae gratulantium exultans insigniter permiscuit sese (5) salutique praesenti ac futurae suboli novorum maritorum gaudibundus, ad honorem splendidae prosapiae inter praecipuos hospites domum nostram receptus occultato consilio sceleris amici fidelissimi personam mentiebatur. (6) iamque sermonibus assiduis et conversatione frequenti, nonnumquam etiam cena poculoque communi carior cariorque factus in profundam ruinam cupidinis sese paulatim nescius praecipitaverat. (7) quidni, cum flamma saevi amoris parva quidem primo vapore delectet, sed fomento consuetudinis exaestuans inmodicis ardoribus totos comburat homines? 3 (1) Diu denique deliberaverat secum Thrasyllus, quod nec clandestinis colloquiis opportunum repperiret locum et adulterinae veneris magis magisque praeclusos aditus copia custodientium cerneret novaeque atque gliscentis affectionis firmissimum vinculum non posse dissociari perspiceret et puellae, si vellet, quamquam velle non posset, furatrinae coniugalis incommodaret rudimentum. (2) et tamen ad hoc ipsum, quod non potest, contentiosa pernicie, quasi posset, impellitur. (3) quod nunc arduum factu putatur, amore per dies roborato facile videtur effectu. spectate denique, sed,

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gerung der Ehe und suchte nach einem Weg zu einer blutigen Tat. (3) Als er endlich eine passende Gelegenheit für seine Anwesenheit gefunden hatte, machte er sich für das Verbrechen bereit, das er lange geplant hatte. (4) Und an dem Tag, an dem die junge Frau von den tödlichen Schwertern der Räuber durch die List und die Mannhaftigkeit ihres Bräutigams befreit worden war, mischte er sich auffällig jubelnd unter die Schar der Gratulanten, (5) und da er seine Freude über die gegenwärtige Rettung und die künftige Nachkommenschaft der jung Verheirateten zum Ausdruck brachte, wurde er zu Ehren seiner glänzenden Herkunft unter die vornehmsten Gäste in unser Haus aufgenommen, und er verbarg seinen verbrecherischen Plan und spielte betrügerisch die Rolle eines sehr treuen Freundes. (6) Und durch ständige Gespräche und häufige Unterhaltungen, manchmal auch durch gemeinsames Essen und Trinken, war er bereits beliebter und noch beliebter geworden und hatte sich, allmählich, ohne es zu wissen, in den tiefen Abgrund der Leidenschaft gestürzt. (7) Warum auch nicht? Wo doch die Flamme heftiger Liebe, während sie noch klein ist, uns mit der ersten Hitze erfreut, aber dann, wenn sie durch den Brennstoff der Gewohnheit in Flammen aufgeht, durch ihre unmäßige Hitze alle Menschen verbrennt. 3 (1) Lange also hatte Thrasyllus für sich überlegt, weil er für geheime Gespräche keinen günstigen Ort fand, mehr und mehr sah, dass der Zugang zu ehebrecherischer Liebe durch die Menge der Wache Haltenden versperrt war, auch bemerkte, dass das sehr feste Band der neuen und sich steigernden Zuneigung nicht getrennt werden könne, und der jungen Frau, wenn sie willig war, obwohl sie gar nicht willig sein konnte, ihre mangelnde Erfahrung im Betrügen eines Ehemannes hinderlich war. (2) Und doch wurde er gerade zu dem, was er nicht konnte, durch seine verderbliche Hartnäckigkeit getrieben, als ob er könnte. (3) Was jetzt für schwer zu tun gehalten wird, scheint leicht durchzuführen, wenn die Liebe von Tag zu Tag stärker geworden ist. Seht also, aber passt bitte mit

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oro, sollicitis animis intendite, quorsum furiosae libidinis proruperit impetus. 4 (1) Die quadam venatum Tlepolemus assumpto Thrasyllo petebat indagaturus feras, si quid tamen in capreis feritatis est; nec enim Charite maritum suum quaerere patiebatur bestias armatas dente vel cornu. (2) iamque apud frondosum tumulum ramorumque densis tegminibus umbrosum prospectu vestigatorum obseptis capreis (3) canes venationis indagini generosae, mandato cubili residentes invaderent bestias, immittuntur statimque sollertis disciplinae memores partitae totos praecingunt aditus tacitaque prius servata mussitatione, signo sibi repentino reddito, latratibus fervidis dissonisque miscent omnia. (4) nec ulla caprea nec pavens dammula nec prae ceteris feris mitior cerva, sed aper immanis atque invisitatus exsurgit toris callosae cutis obesus, pilis inhorrentibus corio squalidus, setis insurgentibus spinae hispidus, dentibus attritu sonaci spumeus, oculis aspectu minaci flammeus, impetu saevo frementis oris totus fulmineus. (5) et primum quidem canum procaciores, quae comminus contulerant vestigium, genis hac illac iactatis consectas interficit, dein calcata retiola, qua primos impetus reduxerat, transabiit. 5 (1) Et nos quidem cuncti pavore deterriti et alioquin innoxiis venationibus consueti, tunc etiam inermes atque inmuniti tegumentis frondis vel arboribus latenter abscondimus, (2) Thrasyllus

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aufmerksamen Sinnen auf, bis wohin die Stürme rasender Leidenschaft durchbrachen. 4 (1) Eines Tages machte Tlepolemus sich in Begleitung des Thrasyllus auf den Weg zur Jagd, um wilde Tiere aufzuspüren, sofern etwas von Wildheit in Rehen steckt; denn Charite duldete nicht, dass ihr Mann auf Tiere pirschte, die mit Hauern oder Hörnern bewaffnet sind. (2) Und schon waren bei einem laubreichen, durch das dichte Dach der Zweige schattigen Hügel dank der Vorsorge der Treiber die Rehe eingeschlossen, (3) die für das Aufspüren der Jagdbeute gezüchteten Hündinnen wurden mit dem Auftrag losgelassen, die auf ihren Lagerstätten ruhenden Tiere zu packen, und des geschickten Trainings eingedenk verteilten sie sich sofort und blockierten sämtliche Zugänge, und nachdem sie sich zuerst auf ein leises Knurren beschränkt hatten, erfüllten sie, als ihnen ein plötzliches Zeichen gegeben worden war, alles mit hitzigem und misstönendem Gebell. (4) Doch kein Reh, keine ängstliche Antilope und keine Hirschkuh, zahmer als alles übrige Wild, sondern ein ungeheurer und noch nie gesehener Eber erhob sich, mit dicken Muskeln unter der schwartigen Haut, das Fell rau von struppigen Haaren, der Rückenkamm stachlig von den sich darauf erhebenden Borsten, die Hauer voll Schaum von dem krachenden Wetzen, die Augen flammend vom drohenden Blick, ganz wie ein Blitz durch den wilden Ansturm seines grunzenden Rachens. (5) Und zuerst zerriss und tötete er die dreisteren von den Hündinnen, die ihn aus der Nähe angegriffen hatten, indem er die Hauer hier und dort hervorschnellen ließ, dann trat er auf das schwächliche Netz, wo er seinen ersten Ansturm abgebremst hatte, und machte sich durch sie hindurch davon. 5 (1) Und wir alle, von Angst übermannt und im Übrigen an ungefährliche Jagden gewöhnt, auch damals unbewaffnet und ungeschützt, versteckten uns im Verborgenen unter dem Schutz des Laubs oder auf Bäumen. (2) Thrasyllus aber, der eine für seine

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vero nactus fraudium opportunum decipulum sic Tlepolemum captiose compellat: (3) “Quid stupore confusi vel etiam cassa formidine similes humilitati servorum istorum vel in modum pavoris feminei deiecti tam opimam praedam mediis manibus amittimus? (4) quin equos inscendimus? quin ocius indipiscimur? tu cape venabulum et ego sumo lanceam.” (5) Nec tantillum morati protinus insiliunt equos ex summo studio bestiam insequentes. (6) nec tamen illa genuini vigoris oblita retorquet impetum et incendio feritatis ardescens dentium compulso quem primum insiliat cunctabunda rimatur. (7) sed prior Tlepolemus iaculum, quod gerebat, insuper dorsum bestiae contorsit. at Thrasyllus ferae quidem pepercit, sed equi, quo vehebatur Tlepolemus, postremos poplites lancea feriens amputat. (8) quadrupes recidens, qua sanguis effluxerat, toto tergo supinatus invitus dominum suum devolvit ad terram. (9) nec diu, sed eum furens aper invadit iacentem ac primo lacinias eius, mox ipsum resurgentem multo dente laniavit. nec coepti nefarii bonum piguit amicum vel suae saevitiae litatum saltem tanto periculo cernens potuit expleri, (10) sed percito atque plagosa crura [vulnera] contegenti suumque auxilium miseriter roganti per femus dexterum dimisit lanceam tanto ille quidem fidentius, quanto crederet ferri vulnera similia futura prosectu dentium. nec non tamen ipsam quoque bestiam facili manu transadigit. 6 (1) Ad hunc modum definito iuvene exciti latibulo suo quis-

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Heimtücke geeignete Falle gefunden hatte, redete Tlepolemus verfänglich so an: (3) ›Wieso lassen wir, von unserer Betroffenheit verwirrt, oder auch in grundloser Furcht, ähnlich der Niedrigkeit dieser Sklaven da oder in der Art weiblicher Angst verzagt, eine so fette Beute direkt aus unseren Händen entschlüpfen? (4) Warum besteigen wir nicht unsere Pferde? Warum holen wir sie nicht schnell ein? Nimm du einen Jagdspieß, und ich nehme eine Lanze.‹ (5) Ohne ein bisschen zu säumen, sprangen sie sofort auf ihre Pferde und verfolgten mit größtem Eifer die Bestie. (6) Doch die vergaß nicht ihre angeborene Kraft, wandte ihren rasenden Lauf zurück, knirschte brennend vom Feuer ihrer Wildheit mit den Hauern und suchte zögernd zu erspähen, wen sie zuerst anspringen sollte. (7) Doch als erster schleuderte Tlepolemus den Wurfspieß, den er trug, auf den Rücken der Bestie. Thrasyllus dagegen schonte das wilde Tier, aber er stieß mit der Lanze gegen die hinteren Kniegelenke des Pferds, auf dem Tlepolemus ritt, und schnitt sie durch. (8) Der Vierbeiner fiel nach hinten über, wo sein Blut geflossen war, kam mit dem ganzen Rücken auf und wälzte unfreiwillig seinen Herrn auf die Erde. (9) Und es dauerte nicht lange, bis sich der rasende Eber auf diesen stürzte, wie er da lag, zuerst seine Kleidung, dann ihn selbst, als er aufzustehen versuchte, vielfach mit den Hauern zerfetzte. Weder bereute sein guter Freund sein ruchloses Beginnen noch konnte er, obwohl er sah, dass seiner Grausamkeit durch diese so große Gefahr wenigstens geopfert worden war, sich zufriedengeben, (10) sondern er warf ihm, der in Panik versetzt war, seine verwundeten Beine zu schützen versuchte und ihn jämmerlich um Hilfe bat, durch den rechten Oberschenkel die Lanze, insofern umso zuversichtlicher, als er glaubte, die Wunde des Eisens werde den von Hauern verursachten Schnitten ähnlich sein. Doch auch die Bestie selbst durchbohrte er mit geschickter Hand. 6 (1) Als auf diese Weise dem jungen Mann sein Ende bereitet war, liefen wir, die traurige Dienerschaft, aufgeregt zusammen,

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que familia maesta concurrimus. (2) at ille, quamquam perfecto voto, prostrato inimico laetus ageret, vultu tamen gaudium tegit et frontem adseverat et dolorem simulat et cadaver, quod ipse fecerat, avide circumplexus omnia quidem lugentium officia sollerter adfinxit, sed solae lacrimae procedere noluerunt. (3) sic ad nostri similitudinem, qui vere lamentabamur, conformatus manus suae culpam bestiae dabat. (4) Necdum satis scelere transacto Fama dilabitur et cursus primos ad domum Tlepolemi detorquet et aures infelicis nuptae percutit. (5) quae quidem simul percepit tale nuntium, quale non audiet aliud, amens et vecordia percita cursuque bacchata furibundo per plateas populosas et arva rurestria fertur insana voce casum mariti quiritans. (6) confluunt civium maestae catervae, secuntur obvii dolore sociato, civitas cuncta vacuatur studio visionis. et ecce mariti cadaver accurrit labantique spiritu totam se super corpus effudit ac paenissime ibidem, quam devoverat, ei reddidit animam. (7) sed aegre manibus erepta suorum invita remansit in vita, funus vero toto feralem pompam prosequente populo deducitur ad sepulturam. 7 (1) Sed Thrasyllus nimium nimius clamare, plangere et quas in primo maerore lacrimas non habebat iam scilicet crescente gaudio reddere et multis caritatis nominibus Veritatem ipsam fallere. (2) illum amicum, coaetaneum, contubernalem, fratrem denique addito nomine lugubri ciere, nec non interdum manus Charites a pulsandis uberibus amovere, luctum sedare, eiulatum coercere,

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jeder aus seinem Versteck aufgescheucht. (2) Doch obwohl jener, weil sein Wunsch erfüllt, sein Feind niedergestreckt war, froh war, verbarg er dennoch die Freude in seinem Gesicht, verfinsterte seine Stirn, täuschte Kummer vor, umfing innig den Leichnam, der doch sein eigenes Werk war, und simulierte geschickt die Erfüllung aller Pflichten der Trauernden, aber allein die Tränen wollten nicht hervortreten. (3) So passte er sich uns, die wir wirklich klagten, im Erscheinungsbild an und gab die Schuld seiner Hand der Bestie. (4) Das Verbrechen war noch kaum begangen worden, da glitt Fama davon, lenkte ihren ersten Lauf zum Haus des Tlepolemus und traf die Ohren der unglücklichen Ehefrau. (5) Sobald diese eine solche Nachricht vernommen hatte, wie sie sie kein zweites Mal hören würde, war sie von Sinnen und stürzte, von Wahnsinn getrieben und in rasendem Lauf wie eine Bacchantin tobend, durch die bevölkerten Straßen und die Felder auf dem Land, wobei sie mit irrwitzigen Lauten über das Unglück ihres Gatten jammerte. (6) Es strömten traurige Scharen von Bürgern zusammen, es folgten ihr die, welche ihr begegneten, mit teilnehmendem Schmerz, die ganze Stadt leerte sich aus dem Verlangen nach ihrem Anblick. Und sieh da, sie lief zum Leichnam ihres Gemahls, warf sich mit schwächer werdendem Atem ganz über seinen Körper, und beinahe hätte sie ihm ebendort ihr Leben, das sie ihm geweiht hatte, hingegeben. (7) Doch mit Mühe von den Händen der Ihren weggerissen, blieb sie gegen ihren Willen am Leben; der Tote aber wurde, während das ganze Volk dem Trauerzug folgte, zur Bestattung hinausgeführt. 7 (1) Aber Thrasyllus schrie übermäßig laut, schlug sich die Brust, vergoss jetzt die Tränen, die er bei der ersten Trauer nicht hatte – jetzt natürlich, weil seine Freude größer wurde –, und mit seinen Ausdrücken für seine Zuneigung täuschte er sogar Veritas. (2) Er rief nach ihm als seinem Freund, seinem Altersgenossen, seinem Kameraden, schließlich seinem Bruder und fügte seinen traurigen Namen hinzu, versuchte auch bisweilen, Charites Hände vom Schlagen ihrer Brüste wegzubringen, ihr Trauern zu besänftigen, ihr

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(3) verbis palpantibus stimulum doloris obtundere, variis exemplis multivagi casus solacia nectere, cunctis tamen mentitae pietatis officiis studium contrectandae mulieris adhibere odiosumque amorem suum perperam delectando nutrire. (4) Sed officiis inferialibus statim peractis puella protinus festinat ad maritum suum demeare cunctasque prorsus pertemptat vias, certe illam lenem otiosamque nec telis ullis indigentem, sed placidae quieti consimilem: (5) inedia denique misera et incuria squalida, tenebris imis abscondita iam cum luce transegerat. (6) sed Thrasyllus instantia pervicaci partim per semet ipsum, partim per ceteros familiares ac necessarios, ipsos denique puellae parentes extorquet tandem, iam lurore et inluvie paene conlapsa membra lavacro, cibo denique confoveret. (7) at illa parentum suorum alioquin reverens invita quidem, verum religiosae necessitati subcumbens vultu non quidem hilaro verum paulo sereniore obiens, ut iubebatur, viventium munia prorsus in pectore, immo vero penitus in medullis luctu ac maerore carpebat animum. diesque totos totasque noctes insumebat luctuoso desiderio et imagines defuncti, quas ad habitum dei Liberi formaverat, adfixo servitio divinis percolens honoribus ipso se solacio cruciabat. 8 (1) Sed Thrasyllus, praeceps alioquin et de ipso nomine temerarius, priusquam dolorem lacrimae satiarent et percitae mentis resideret furor et in sese nimietatis senio lassesceret luctus, (2) adhuc

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Wehklagen einzudämmen, (3) mit besänftigenden Worten den Stachel des Schmerzes abzustumpfen, aus verschiedenen Beispielen von Todesfällen, die viele betrafen, eine Reihe von Tröstungen zu knüpfen, fügte aber zu seinen Pflichtübungen einer erlogenen Freundestreue das Bemühen hinzu, die Frau zu berühren, und nährte seine verhasste Liebe, indem er jene auf falsche Weise an sich zu ziehen versuchte. (4) Doch sobald die Rituale für den Toten vollbracht waren, eilte die junge Frau sofort, zu ihrem Gatten hinabzugehen, und sie prüfte wirklich alle Wege, auf jeden Fall den sanften und ruhigen, der nicht irgendwelcher Waffen bedarf, sondern friedlicher Ruhe ähnlich ist. (5) Kurz, durch elendes Fasten und schmutzige Vernachlässigung hatte sie, verborgen in tiefster Dunkelheit, schon mit dem Licht abgeschlossen. (6) Doch Thrasyllus entrang ihr durch hartnäckige Zudringlichkeit, teils in eigener Person, teils durch die anderen Angehörigen des Haushalts und durch Verwandte, schließlich durch die Eltern der jungen Frau, dass diese die schon in ihre Blässe und ihrem Schmutz fast zusammengebrochenen Glieder durch ein Bad und schließlich mit Speise stärkte. (7) Doch weil sie ihren Eltern gegenüber auch sonst respektvoll war, fügte sie sich zwar unwillig, aber doch der Notwendigkeit der Pflichterfüllung und unterzog sich zwar nicht mit heiterer, aber etwas freudigerer Miene den Aufgaben der Lebenden, wie ihr befohlen wurde, doch tief in ihrem Herzen, nein vielmehr im innersten Mark, verzehrte sie ihren Sinn durch Trauer und Kummer, verbrachte ganze Tage und ganze Nächte in trauervoller Sehnsucht, ließ den Porträts des Verstorbenen, die sie nach dem Aussehen des Gottes Liber hatte verfertigen lassen, durch eine damit beauftragte Gruppe von Sklaven göttliche Ehren erweisen und quälte sich gerade durch Trost. 8 (1) Aber Thrasyllus, voreilig, wie er war, und von seinem Namen her verwegen, hatte, bevor die Tränen ihren Schmerz stillten, das Toben ihrer aufgewühlten Seele zur Ruhe kam und die Trauer infolge der Entkräftung durch das Exzessive in sich zusammensank,

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flentem maritum, adhuc vestes lacerantem, adhuc capillos distrahentem non dubitavit de nuptiis convenire (3) et imprudentiae labe tacita pectoris sui secreta fraudesque ineffabiles detegere. (4) sed Charite vocem nefandam et horruit et detestata est et velut gravi tonitru procellaque sideris vel etiam ipso diali fulmine percussa corruit corpus et obnubilavit animam. (5) sed intervallo revalescente paulatim spiritu ferinos mugitus iterans et iam scaenam pessimi Thrasylli perspiciens ad limam consilii desiderium petitoris distulit. (6) tunc inter moras umbra illa misere trucidati Tlepolemi sanie cruentam et pallore deformem attollens faciem quietem pudicam interpellat uxoris: (7) “Mi coniux, quod tibi prorsus ab alio dici non licebit: etsi pectori tuo iam permaneat nostri memoria vel acerbae mortis meae casus foedus caritatis intercidit. (8) quovis alio felicius maritare, modo ne in Thrasylli manum sacrilegam convenias neve sermonem conferas nec mensam accumbas nec toro adquiescas. (9) fuge mei percussoris cruentam dexteram. noli parricidio nuptias auspicari. vulnera illa, quorum sanguinem tuae lacrimae perluerunt, non sunt tota dentium vulnera: lancea mali Thrasylli me tibi fecit alienum.” et addidit cetera omnemque scaenam sceleris inluminat. 9 (1) At illa, ut primum maesta quieverat, toro faciem impressa etiam nunc dormiens lacrimis emanantibus genas cohumidat (2) et velut quodam tormento inquieta quiete excussa luctu redintegrato

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(2) keine Bedenken, an sie, während sie noch ihren Gatten beweinte, noch ihre Kleider zerriss, noch sich die Haare raufte, wegen der Ehe heranzutreten und, (3) dahingleitend in seiner Unbedachtsamkeit, die verschwiegenen Geheimnisse seiner Brust und seine unaussprechlichen Betrügereien aufzudecken. (4) Aber Charite schauderte vor den ruchlosen Worten und verabscheute sie, und wie von einem schweren Donnerschlag und einem von einem Stern geschickten Sturm oder sogar vom Blitz des Himmels selbst getroffen brach sie körperlich zusammen und ihre Sinne wurden umwölkt. (5) Aber nach einer Weile erholte sich allmählich ihr Geist, sie gab wieder und wieder ein tierisches Brüllen von sich und durchschaute nun das Intrigenspiel des üblen Thrasyllus, und um einen Plan auszufeilen, hielt sie das Begehren des Freiers hin. (6) Da erhob während des Aufschubs der Schatten des elend niedergemetzelten Tlepolemus sein von Blut besudeltes und von Blässe entstelltes Gesicht und unterbrach den keuschen Schlaf seiner Gattin: (7) ›Meine Gemahlin, was dir ganz und gar nicht von einem anderen gesagt werden darf: Obwohl in deinem Herzen noch die Erinnerung an mich fortbesteht, hat doch das Ereignis meines bitteren Todes das Band der Liebe durchschnitten. (8) Sei mit irgendeinem anderen mit mehr Glück verheiratet, wenn du dich nur nicht in die ruchlose Hand des Thrasyllus begibst, nicht das Wort an ihn richtest, nicht an seinem Tisch liegst und nicht in seinem Bett ruhst. (9) Meide die blutige Rechte meines Mörders. Beginn nicht eine Ehe unter den Vorzeichen eines Mordes. Jene Wunden, deren Blut deine Tränen wegwuschen, sind nicht alles Wunden von Zähnen: Die Lanze des bösen Thrasyllus hat mich von dir weggenommen.‹ Und er fügte das Übrige hinzu und klärte das ganze Intrigenspiel des Verbrechens auf. 9 (1) Doch wie sie zuerst traurig eingeschlafen war, ihr Gesicht in das Kissen gedrückt, netzte sie sogar jetzt im Schlaf mit herausfließenden Tränen ihre Wangen, (2) fuhr, wie durch die Kraft einer Wurfmaschine, ruhelos von ihrer Ruhe auf, erneuerte ihre Trauer,

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prolixum eiulat discissaque interula decora bracchia saevientibus palmulis converberat. (3) nec tamen cum quoquam participatis nocturnis imaginibus, sed indicio facinoris prorsus dissimulato et nequissimum percussorem punire et aerumnabili vitate sese subtrahere tacita decernit. (4) Ecce rursus inprovidae voluptatis detestabilis petitor aures obseratas de nuptiis obtundens aderat. (5) sed illa clementer aspernata sermonem Thrasylli astuque miro personata instanter garrienti summisseque deprecanti (6) “adhuc” inquit “tui fratris meique carissimi mariti facies pulchra illa in meis deversatur oculis, adhuc odor cinnameus ambrosei corporis per nares meas percurrit, adhuc formonsus Tlepolemus in meo vivit pectore. (7) boni ergo et optimi consules, si luctui legitimo miserrimae feminae necessarium concesseris tempus, quoad residuis mensibus spatium reliquum compleatur anni, (8) quae res cum meum pudorem, tum etiam tuum salutare commodum respicit, ne forte inmaturitate nuptiarum indignatione iusta manes acerbos mariti ad exitium salutis tuae suscitemus.” 10 (1) Nec isto sermone Thrasyllus sobriefactus vel saltem tempestiva pollicitatione recreatus identidem pergit linguae sauciantis susurros improbos inurguere, (2) quoad simulanter revicta Charite suscipit: “istud equidem certe magnopere deprecanti concedas necesse est mihi, Thrasylle, ut interdum taciti clandestinos coitus obeamus (3) nec quisquam persentiscat familiarium, quoad reliquos dies metiatur annus.”

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heulte ausgiebig, zerriss ihr Untergewand und schlug ihre schönen Arme mit ihren rasenden kleinen Händen. (3) Dennoch teilte sie niemandem ihre nächtlichen Visionen mit, sondern hielt den Hinweis auf die Tat ganz geheim und beschloss stillschweigend, den verruchten Mörder zu bestrafen und sich dem kummervollen Leben zu entziehen. (4) Sieh da, wieder war der verabscheuungswürdige Sucher blinder Lust da, um an ihre verschlossenen Ohren wegen der Hochzeit zu klopfen. (5) Doch sie wies die Worte des Thrasyllus milde ab, und ihre Rolle mit wunderbarer Gerissenheit spielend, sagte sie zu ihm, als er eindringlich schwätzte und demütig flehte: (6) ›Noch wohnt das schöne Gesicht deines Bruders und meines allerliebsten Gemahls in meinen Augen, noch durchzieht der Zimtduft seines ambrosischen Körpers meine Nase, noch lebt der wohlgestaltete Tlepolemus in meinem Herzen. (7) Du wirst also gut, ja sehr gut daran tun, wenn du der gesetzmäßigen Trauer einer todunglücklichen Frau die notwendige Zeit zugestehst, bis mit den verbleibenden Monaten der übrige Zeitraum des Jahres ausgefüllt ist, (8) was nicht nur meine Ehre, sondern auch besonders die Bewahrung deines Wohlergehens berücksichtigt, damit wir nicht durch ein unzeitgemäßes Datum der Hochzeit die aus berechtigter Empörung verbitterten Manen meines Gatten zur Vernichtung deines Lebens treiben.‹ 10 (1) Auch durch diese Worte nicht ernüchtert oder wenigstens durch das Versprechen des richtigen Zeitpunkts wiederbelebt, fuhr er immer wieder damit fort, ihr das schamlose Geflüster seiner verletzenden Zunge aufzudrängen, (2) bis Charite, vorgeblich besiegt, antwortete: ›Dies wenigstens musst du mir auf meine dringende Bitte zugestehen, Thrasyllus, dass wir uns in der Zwischenzeit leise und heimlich miteinander vereinen (3) und dass niemand von denen, die zum Haus gehören, es bemerkt, bis das Jahr die übrigen Tage durchmisst.‹

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(4) Promissioni fallaciosae mulieris oppressus subcubuit Thrasyllus et prolixe consentit de furtivo concubitu noctemque et opertas exoptat ultro tenebras uno potiundi studio postponens omnia. (5) “Sed heus tu,” inquit Charite “quam probe veste contectus omnique comite viduatus prima vigilia tacitus fores meas accedas unoque sibilo contentus nutricem istam meam opperiare, quae claustris adhaerens excubabit adventui tuo. (6) nec setius patefactis aedibus acceptum te nullo lumine conscio ad meum perducet cubiculum.” 11 (1) Placuit Thrasyllo scaena feralium nuptiarum. nec sequius aliquid suspicatus, sed exspectatione turbidus de diei tantum spatio et vesperae mora querebatur. (2) sed ubi sol tandem nocti decessit, ex imperio Charites adornatus et nutricis captiosa vigilia deceptus inrepit cubiculum pronus spei. (3) tunc anus de iussu dominae blandiens ei furtim depromptis calcibus et oenophoro, quod inmixtum vino soporiferum gerebat venenum, crebris potionibus avide ac secure haurientem mentita dominae tarditatem, quasi parentem adsideret aegrotum, facile sepelivit ad somnum. (4) iamque eo ad omnes iniurias exposito ac supinato introvocata Charite masculis animis impetuque diro fremens invadit ac supersistit sicarium. 12 (1) “En” inquit “fidus coniugis mei comes, en venator egregius, en carus maritus. haec est illa dextera, quae meum sanguinem

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(4) Überwältigt erlag Thrasyllus dem trügerischen Versprechen der Frau, stimmte bereitwillig einer heimlichen Liebesvereinigung zu und wünschte von sich aus die Nacht und die dunkle Finsternis herbei, da er hinter dem einen Drang, sie in Besitz zu nehmen, alles andere zurücksetzte. (5) ›Aber pass auf‹, sagte Charite, ›du sollst sehr gut von deinem Gewand verhüllt und ohne jeden Begleiter in der ersten Nachtwache schweigend zu meiner Tür kommen, dich mit einem einzigen Pfiff begnügen und auf die bewusste Amme warten, die mit ihrer Hand am Riegel bis zu deiner Ankunft Wache halten wird. (6) Ebenso wird sie, wenn sie das Haus geöffnet hat, dich einlassen und, ohne dass ein Licht Zeuge ist, zu meinem Schlafzimmer führen.‹ 11 (1) Thrasyllus gefiel die Inszenierung der tödlichen Liebesvereinigung. Er argwöhnte nichts anderes, sondern klagte, aufgeregt vor Erwartung, über den so großen Zeitraum des Tages und die Säumigkeit des Abends. (2) Doch sobald die Sonne der Nacht endlich gewichen war, schlich er sich, entsprechend dem Befehl Charites gekleidet und von der verführerischen Nachtwache der Amme getäuscht in das Schlafzimmer, von Hoffnung besessen. (3) Dann redete die Amme entsprechend dem Befehl ihrer Herrin freundlich mit ihm und holte Becher und einen Weinkrug hervor, der eine in den Wein gemischte schlafbringende Droge enthielt, und konnte ihn, da er bei häufigem Trinken gierig und sorglos schlürfte und sie die Verspätung ihrer Herrin mit der Lüge erklärte, diese sitze bei ihrem kranken Vater, leicht in tiefen Schlaf versenken. (4) Und als er nun allen Arten von Gewalttätigkeit ausgesetzt war und auf dem Rücken lag, wurde Charite hereingerufen, und mit männlichem Mut und fürchterlichem Ungestüm fuhr sie auf den Attentäter los und stand an seinem Kopfende, wutschnaubend. 12 (1) ›Sieh da,‹ sagte sie, ›der treue Gefährte meines Gatten, sieh da, der hervorragende Jäger, sieh da, der liebe Ehemann! Dies ist jene Rechte, die mein Blut vergossen hat, dies die Brust, die sich

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fudit, hoc pectus, quod fraudulentas ambages in meum concinnavit exitium, oculi isti, quibus male placui, qui quodam modo tamen iam futuras tenebras auspicantes venientes poenas antecedunt. (2) quiesce securus, beate somniare! non ego gladio, non ferro petam; absit, ut simili mortis genere cum marito meo coaequeris. vivo tibi morientur oculi nec quicquam videbis nisi dormiens. faxo, feliciorem necem inimici tui quam vitam tuam sentias. (3) lumen certe non videbis, manu comitis indigebis, Chariten non tenebis, nuptias non frueris nec mortis quiete recreaberis nec vitae voluptate laetaberis, sed incertum simulacrum errabis inter Orcum et solem et diu quaeres dexteram, quae tuas expugnavit pupulas, quodque est in aerumna miserrimum, nescies de quo queraris. (4) at ego sepulcrum mei Tlepolemi tuo luminum cruore libabo et sanctis manibus eius istis oculis parentabo. (5) sed quid mora temporis dignum cruciatum lucraris et meos forsitan tibi pestiferos imaginaris amplexus? relictis somnolentis tenebris ad aliam poenalem evigila caliginem! (6) attolle vacuam faciem, vindictam recognosce, infortunium intellege, aerumnas computa! sic pudicae mulieri tui placuerunt oculi, sic faces nuptiales tuos illuminarunt thalamos. ultrices habebis pronubas et orbitatem comitem et perpetuae conscientiae stimulum.” 13 (1) Ad hunc modum vaticinata mulier acu crinali capite deprompta Thrasylli convulnerat tota lumina eumque prorsus exoculatum relinquens, dum dolore nescio crapulam cum somno discu-

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betrügerische Pläne zu meinem Verderben ausdachte, das da sind die Augen, denen ich üblerweise gefiel, die doch in gewisser Weise schon die künftige Dunkelheit beginnen und die kommende Strafe vorwegnehmen. (2) Ruhe sorglos, träume glückselig! Nicht mit einem Schwert, nicht mit Eisen werde ich auf dich losgehen; fern sei, dass du durch eine ähnliche Art des Todes mit meinem Ehemann gleichgestellt wirst. Während du lebst, werden deine Augen sterben, und du wirst nichts sehen außer im Schlaf. Ich werde dafür sorgen, dass du den Tod deines Feindes als glücklicher empfindest als dein Leben. (3) Das Licht wirst du gewiss nicht sehen, du wirst der Hand eines Begleiters bedürfen, Charite wirst du nicht besitzen, du wirst keine Hochzeit genießen; du wirst dich weder durch die Ruhe des Todes erholen noch dich der Wonne des Lebens erfreuen, sondern wirst als ein undeutlicher Schatten zwischen dem Orcus und der Sonne umherirren, und lange wirst du die Rechte suchen, die deine Pupillen zerstört hat, und was im Leid das Schlimmste ist, du wirst nicht wissen, über wen du dich beklagen kannst. (4) Doch ich werde auf das Grab meines Tlepolemus mit dem Blut deiner Augen ein Trankopfer gießen und seinen heiligen Manen ein Opfer mit diesen Augen da bringen. (5) Aber warum sollst du durch eine zeitliche Verzögerung von der verdienten Marter verschont werden und vielleicht von meinen für dich verderbenbringenden Umarmungen träumen? Verlass die Finsternis deines Schlafs und wach auf zu einer anderen Dunkelheit, deiner Strafe! (6) Erhebe dein leeres Gesicht, erkenne die Rache, begreife dein Unglück, ermiss dein Leid! So haben einer ehrbaren Frau deine Augen gefallen, so haben die Hochzeitsfackeln dein eheliches Schlafzimmer erleuchtet. Rächende Brautführerinnen wirst du haben, die Blindheit als Begleiterin und den Stachel des Gewissens für immer.‹ 13 (1) Als die Frau in dieser Weise geweissagt hatte, nahm sie eine Haarnadel von ihrem Kopf, stach Thrasyllus die Augen vollständig aus und ließ ihn ganz und gar blind liegen, und während er infolge des ihm unerklärlichen Schmerzes seinen Rausch zusammen mit

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tit, (2) arrepto nudo gladio, quo se Tlepolemus solebat incingere, per mediam civitatem cursu furioso proripit se procul dubio nescio quod scelus gestiens recta monimentum mariti contendit. (3) at nos et omnis populus nudatis totis aedibus studiose consequimur hortati mutuo ferrum vaesanis extorquere manibus. (4) sed Charite capulum Tlepolemi propter assistens gladioque fulgenti singulos abigens, ubi fletus uberes et lamentationes varias cunctorum intuetur, “abicite” inquit “importunas lacrimas, abicite luctum meis virtutibus alienum. (5) vindicavi in mei mariti cruentum peremptorem, punita sum funestum mearum nuptiarum praedonem. iam tempus est, ut isto gladio deorsus ad meum Tlepolemum viam quaeram.” 14 (1) Et enarratis ordine singulis, quae sibi per somnium nuntiaverat maritus quoque astu Thrasyllum inductum petisset, ferro sub papillam dexteram transadacto corruit (2) et in suo sibi pervolutata sanguine postremo balbuttiens incerto sermone perefflavit animam virilem. (3) tunc propere familiares miserae Charites accuratissime corpus ablutum inunita sepultura ibidem marito perpetuam coniugem reddidere. (4) Thrasyllus vero cognitis omnibus nequiens idoneum exitium praesenti cladi reddere certusque tanto facinori nec gladium sufficere sponte delatus ibidem ad sepulcrum (5) “ultronea vobis, infesti manes, en adest victima” saepe clamitans valvis super sese

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dem Schlaf abschüttelte, (2) ergriff sie das bloße Schwert, mit dem Tlepolemus sich zu umgürten pflegte, raste mitten durch die Stadt in wahnsinnigem Lauf, wobei sie zweifellos heftiges Verlangen nach irgendeiner Gewalttat hatte, und eilte geradewegs zum Grabmal ihres Mannes. (3) Doch wir und das ganze Volk ließen alle unsere Häuser leer zurück und folgten ihr sehr besorgt, wobei wir uns gegenseitig ermahnten, das Schwert ihren wahnsinnigen Händen zu entwinden. (4) Aber Charite stellte sich neben den Sarg des Tlepolemus, wehrte jeden einzelnen mit dem funkelnden Schwert ab und sagte, als sie die reichlich fließenden Tränen und die verschiedenen Klagen aller sah: ›Lasst eure unangemessenen Tränen, lasst eure Trauer, die nicht zu meinem mannhaften Verhalten passt. (5) Ich habe an dem blutbefleckten Mörder meines Ehegatten Rache genommen, habe bestraft den todbringenden Räuber meiner Ehe. Jetzt ist es Zeit, dass ich mit diesem Schwert hier den Weg nach unten zu meinem Tlepolemus suche.‹ 14 (1) Und als sie der Reihe nach alles im Einzelnen erzählt hatte, was ihr im Traum ihr Ehemann verkündet hatte und mit welcher List sie Thrasyllus angelockt habe und auf ihn losgegangen sei, stieß sie sich das Schwert unter ihrer rechten Brustwarze hindurch und brach zusammen, (2) und während sie sich in ihrem eigenen Blut wälzte, hauchte sie schließlich, unverständliche Worte stammelnd, ihre mannhafte Seele aus. (3) Dann wuschen die Freunde eilends, aber mit größter Sorgfalt den Leib der armen Charite und gaben sie in ein und demselben Grab ebendort ihrem Ehemann für immer als seine Gemahlin zurück. (4) Thrasyllus hatte alles erfahren, aber weil er sich außerstande sah, eine angemessene Strafe durch einen augenblicklichen Tod zu zahlen, und sich sicher war, dass für eine so große Schandtat nicht einmal das Schwert ausreiche, wurde er auf eigenen Wunsch zu dem Grabmal geführt, rief ebendort mehrfach: (5) ›Ein freiwilliges Opfer für euch, feindliche Manen, ist hier‹, verschloss sorgfältig die Türflügel über sich und beschloss, durch Verzicht auf Nahrung den

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diligenter obseratis inedia statuit elidere sua sententia damnatum spiritum.’ 15 (1) Haec ille longos trahens suspiritus et nonnumquam inlacrimans graviter adfectis rusticis adnuntiabat. tunc illi mutati dominii novitatem metuentes et infortunium domus erilis altius miserantes fugere conparant. (2) sed equorum magister, qui me curandum magna ille quidem commendatione susceperat, quidquid in casula pretiosum conditumque servabat, meo atque aliorum iumentorum dorso repositum asportans sedes pristinas deserit. (3) gerebamus infantulos et mulieres, gerebamus pullos, passeres, haedos, catellos, et quidquid infirmo gradu fugam morabatur, nostris quoque pedibus ambulabat. (4) nec me pondus sarcinae quamquam enormis urgebat, quippe gaudiali fuga detestabilem illum exsectorem virilitatis meae relinquentem. (5) Silvosi montis asperum permensi iugum rursusque reposita camporum spatia pervecti iam vespera semitam tenebrante pervenimus ad quoddam castellum frequens et opulens, unde nos incolae nocturna, immo vero matutina etiam prohibebant egressione: (6) lupos enim numerosos grandes et vastis corporibus sarcinosos ac nimia ferocitate saevientes passim rapinis adsuetos infestare cunctam illam regionem iamque ipsas vias obsidere et in modum latronum praetereuntes adgredi, immo etiam vaesana fame rabidos finitimas expugnare villas, exitiumque inertissimorum pecudum ipsis iam humanis capitibus imminere. (7) denique ob iter illud, qua nobis erat commeandum, iacere semesa hominum corpora suisque

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Geist auszutreiben, den er durch seinen eigenen Urteilsspruch verurteilt hatte.« 15 (1) Dies vermeldete er, wobei er tief seufzte und manchmal weinte, den heftig bewegten Landleuten. Dann bereiteten diese, weil sie sich vor der neuen Situation einer veränderten Herrschaft fürchteten und tiefes Mitleid mit dem Unglück des Hauses ihres Gebieters hatten, sich darauf vor zu fliehen. (2) Der Stallmeister, jener, der es aufgrund der dringenden Empfehlung übernommen hatte, für mich zu sorgen, lud auf meinen Rücken und den der anderen Lasttiere alles Kostbare und Eingelagerte, was er in seiner Hütte verwahrte, und das nun davonschaffend verließ er seinen alten Wohnsitz. (3) Wir trugen kleine Kinder und Frauen, wir trugen Hühnchen, kleine Singvögel, Böckchen, Hündchen, und alles, was durch schwachen Schritt die Flucht verlangsamte, ging auch auf unseren Füßen. (4) Aber mich drückte das Gewicht der Last nicht, obwohl es übermäßig groß war, weil ich ja durch diese erfreuliche Flucht jenen verabscheuenswerten Abschneider meiner Mannheit hinter mir ließ. (5) Nachdem wir die raue Höhe eines waldreichen Berges überquert und wieder weiträumige, entlegene Felder durchzogen hatten, gelangten wir, als schon der Abend den Pfad in Dunkelheit hüllte, zu einem dichtbevölkerten und wohlhabenden Dorf, wo uns die Einwohner vom nächtlichen, ja sogar noch vom frühmorgendlichen Abmarsch abzuhalten versuchten. (6) Denn es würden zahlreiche große Wölfe, Schwergewichte mit ihrem riesigen Körperbau und mit übermäßiger Wildheit überall umher wütend, jene ganze Gegend, da sie an Raubzüge gewöhnt seien, unsicher machen, bereits selbst die Straßen besetzen und nach Art von Räubern Vorüberziehende angreifen, ja sogar rasend vor wahnsinnigem Hunger benachbarte Landhäuser erstürmen, und der Untergang drohe bereits selbst Menschen, als wären sie passives Vieh. (7) Also lägen entlang jenes Weges, auf dem wir marschieren müssten, halb gefressene Leiber von Menschen, alles sei weiß schimmernd von den ihrer Ein-

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visceribus nudatis ossibus cuncta candere ac per hoc nos quoque summa cautione viae reddi debere, (8) idque vel in primis observitare, ut luce clara et die iam provecto et sole florido vitantes undique latentes insidias, cum et ipso lumine dirarum bestiarum repigratur impetus, non laciniatim disperso, sed cuneatim stipato commeatu difficultates illa transabiremus. 16 (1) Sed nequissimi fugitivi ductores illi nostri caecae festinationis temeritate ac metu incertae insecutionis spreta salubri monitione nec exspectata luce proxuma circa tertiam ferme vigiliam noctis onustos nos ad viam propellunt. (2) tunc ego metu praedicti periculi, quantum pote, turbae medius et inter conferta iumenta latenter absconditus clunibus meis ab adgressionibus ferinis consulebam iamque me cursu celeri ceteros equos antecellentem mirabantur omnes. (3) sed illa pernicitas non erat alacritatis meae, sed formidinis indicium. denique mecum ipse reputabam Pegasum inclutum illum metu magis volaticum fuisse ac per hoc merito pinnatum proditum, dum in altum et adusque caelum sussilit ac resultat formidans scilicet igniferae morsum Chimaerae. (4) nam et illi pastores, qui nos agebant, in speciem proelii manus obarmaverant: hic lanceam, ille venabulum, alius gerebat spicula, fustem alius, sed et saxa, quae salebrosa semita largiter subministrabat. (5) erant, qui sudes praeacutas attollerent; plerique tamen ardentibus facibus proterrebant feras. (6) nec quicquam praeter unicam tubam deerat, quin acies esset proeliaris.

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geweide entblößten Knochen, und deshalb müssten auch wir mit höchster Vorsicht unsere Reise wieder aufnehmen (8) und darauf sogar besonders aufpassen, dass wir bei hellem Licht, bereits vorgerücktem Tag und strahlender Sonne zur Vermeidung der auf allen Seiten verborgenen Hinterhalte während der Zeit, wenn gerade durch das Licht der Ansturm der grässlichen Bestien gehemmt sei, nicht in gruppenweise zerstreutem, sondern in keilförmig zusammengedrängtem Zug jene Schwierigkeiten überwänden. 16 (1) Doch die nichtsnutzigen Ausreißer, jene unsere Treiber, missachteten in der Unbesonnenheit ihrer blinden Eile und in der Angst vor einer möglichen Verfolgung die heilsame Ermahnung, warteten nicht auf das nächste Tageslicht und trieben uns um die dritte Nachtwache mit unserer Ladung zur Straße. (2) Da versuchte ich in meiner Angst vor der vorausgesagten Gefahr, so weit wie möglich mitten in der Schar und unter den dichtgedrängten Lasttieren heimlich versteckt, meine Hinterbacken vor den Angriffen der wilden Tiere zu bewahren, und wie ich nun bald in schnellem Lauf die Pferde der Gruppe überholte, sahen alle mit Verwunderung. (3) Aber diese Geschwindigkeit war nicht ein Zeichen meines Feuereifers, sondern meiner Furcht. Also dachte ich bei mir selbst, dass jener berühmte Pegasus mehr aus Angst zum Fliegen fähig gewesen sei und deshalb mit Recht in der Überlieferung geflügelt dargestellt ist, wenn er in die Höhe und bis zum Himmel springt und hüpft, weil er natürlich den Biss der feuerspeienden Chimäre fürchtet. (4) Nun hatten die Hirten, die uns trieben, wie zum Gefecht ihre Hände bewaffnet: Einer trug eine Lanze, ein anderer einen Jagdspeer, wieder ein anderer Pfeile, noch ein anderer einen Knüppel, aber sie trugen auch Steine, welche die holprige Straße reichlich zur Verfügung stellte. (5) Es gab solche, die spitze Pfähle in die Höhe hielten; die meisten jedoch versuchten die wilden Tiere mit brennenden Fackeln abzuschrecken. (6) Und nichts außer einzig einer Trompete fehlte dazu, dass es eine Schlachtreihe gewesen wäre.

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Sed nequiquam [frustra] timorem illum satis inanem perfuncti longe peiores inhaesimus laqueos. (7) nam lupi forsitan confertae iuventutis strepitu vel certe nimia luce flammarum deterriti vel etiam aliorsum grassantes nulli contra nos aditum tulerunt ac ne procul saltem ulli comparuerant. 17 (1) Villae vero, quam tunc forte praeteribamus, coloni multitudinem nostram latrones rati satis agentes rerum suarum eximieque trepidi canes rabidos et immanes et quibusvis lupis et ursis saeviores, (2) quos ad tutelae praesidia curiose fuerant alumnati, iubilationibus solitis et cuiusce modi vocibus nobis inhortantur, qui praeter genuinam ferocitatem tumultu suorum exasperati contra nos ruunt et undique laterum circumfusi passim insiliunt ac sine ullo dilectu iumenta simul et homines lacerant diuque grassati plerosque prosternunt. (3) cerneres non tam hercules memorandum quam miserandum etiam spectaculum: canes copiosos ardentibus animis alios fugientes arripere, alios stantibus inhaerere, quosdam iacentes inscendere et per omnem nostrum commeatum morsibus ambulare. (4) Ecce tanto periculo malum maius insequitur. de summis enim tectis ac de proxumo colle rusticani illi saxa super nos raptim devolvunt, ut discernere prorsus nequiremus, qua potissimum caveremus clade, comminus canum an eminus lapidum. (5) quorum quidem unus caput mulieris, quae meum dorsum residebat, repente percussit. quo dolore commota statim fletu cum clamore sublato maritum suum pastorem illum suppetiatum ciet.

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Aber nachdem wir ganz umsonst jene höchst grundlose Angst ausgestanden hatten, blieben wir in weit schlimmeren Fallstricken hängen. (7) Denn die Wölfe führten, vielleicht vom Lärm der dichtgedrängten jungen Truppe oder zumindest durch das allzu helle Licht der Flammen abgeschreckt, oder auch weil sie anderswohin streiften, keinen Angriff gegen uns, und nicht einmal in der Ferne zeigten sich irgendwelche. 17 (1) Doch die Bauern des Landgutes, an dem wir dann zufällig vorbeizogen, hielten unsere Schar für Räuber und hetzten, sehr besorgt um ihren Besitz und äußerst ängstlich, reißende, riesige und jede Art von Wölfen und Bären an Grausamkeit übertreffende Hunde, (2) die sie zu ihrem Schutz sorgfältig aufgezogen hatten, mit dem üblichen Geschrei und Rufen aller Art auf uns, und die – sieht man ab von der angeborenen Wildheit –, vom Lärm der Ihren aufgereizt, stürzten sich auf uns, umgaben unsere Flanken von allen Seiten, sprangen uns überall an, zerfleischten wahllos Lasttiere und Menschen zugleich und streckten, da sie lange wüteten, die meisten zu Boden. (3) Du hättest, beim Herkules, ein nicht so sehr erinnerungswürdiges wie erbarmungswürdiges Schauspiel sehen können: eine große Menge Hunde, die einen, wie sie in glühender Wut Flüchtende packten, andere, wie sie sich an die Stehenden hängten, einige, wie sie auf Liegende stiegen und wie sie beißend um unseren Zug herumliefen. (4) Sieh da, einer so großen Gefahr folgte ein größeres Übel! Hoch oben von den Dächern nämlich und vom nächsten Hügel rollten jene Bauern in Eile Steine auf uns herab, so dass wir gar nicht unterscheiden konnten, vor welcher Katastrophe wir uns am meisten in Acht nehmen sollten, vor den Hunden in der Nähe oder den Steinen aus der Ferne. (5) Von diesen traf einer plötzlich den Kopf einer Frau, die auf meinem Rücken saß. Vor Schmerz außer sich begann sie sofort mit Weinen und Schreien und rief ihren Mann, jenen Hirten, zu Hilfe.

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18 (1) At ille deum fidem clamitans et cruorem uxoris abstergens altius quiritabat: ‘quid miseros homines et laboriosos viatores tam crudelibus animis invaditis atque obteritis? (2) quas praedas munitis? quae damna vindicatis? at non speluncas ferarum vel cautes incolitis barbarorum, ut humano sanguine profuso gaudeatis.’ (3) Vix haec dicta, et statim lapidum congestus cessavit imber et infestorum canum revocata conquievit procella. (4) unus illinc denique de summo cupressus cacumine ‘at nos’ inquit ‘non vestrorum spoliorum cupidine latrocinamur, sed hanc ipsam cladem de vestris protelamus manibus. iam denique pace tranquilla securi potestis incedere.’ (5) Sic ille, sed nos plurifariam vulnerati reliquam viam capessimus, alius lapidis, alius morsus vulnera referentes, universi tamen saucii. (6) aliquanto denique viae permenso spatio pervenimus ad nemus quoddam proceris arboribus consitum et pratentibus virectis amoenum, ubi placuit illis ductoribus nostris refectui paululum conquiescere corporaque sua diverse laniata sedulo recurare. (7) ergo passim prostrati solo primum fatigatos animos recuperare ac dehinc vulneribus medelas varias adhibere festinant, hic cruorem praeterfluentis aquae rore deluere, ille spongeis inacidatis tumores comprimere, alius fasciolis hiantes vincire plagas. ad istum modum saluti suae quisque consulebat. 19 (1) Interea quidam senex de summo colle prospectat, quem circum capellae pascentes opilionem esse profecto clamabant. eum rogavit unus e nostris, haberetne venui lactem vel adhuc liquidum

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18 (1) Und der rief die Götter um ihren Beistand an, wischte das Blut seiner Frau ab und schrie noch lauter: »Was greift ihr uns arme Menschen und mühselige Reisende mit so grausamer Wut an und versucht uns zu vernichten? (2) Welche Beute beschützt ihr? Welchen Verlust rächt ihr an uns? Aber ihr bewohnt nicht Höhlen wilder Tiere oder Felsen von Barbaren, so dass ihr euch über vergossenes menschliches Blut freuen würdet.« (3) Kaum war dies gesagt, da hörte auf der Stelle der dichte Regen der Steine auf, der Sturm der angriffslustigen Hunde wurde zurückgerufen und kam zur Ruhe. (4) Einer von ihnen sagte schließlich ganz oben vom Gipfel einer Zypresse: »Aber wir sind keine Räuber voller Begierde nach Beute von euch, sondern halten eben diese Katastrophe vonseiten eurer Hände fern. Nun könnt ihr also in Frieden und Ruhe sorglos weiterziehen.« (5) So jener, doch wir machten uns vielfach verletzt auf den übrigen Weg, der eine Wunden von einem Stein tragend, der andere von einem Biss, alle aber stark lädiert. (6) Als wir also eine beträchtliche Wegstrecke durchmessen hatten, gelangten wir zu einem von hohen Bäumen bestandenen und mit seinen grünen Wiesen lieblichen Hain, wo jene unsere Anführer beschlossen, zur Erholung ein wenig auszuruhen und ihre auf verschiedene Weise zerfleischten Körper sorgfältig zu behandeln. (7) Also streckten sie sich überall am Boden aus und versuchten eilig, zunächst ihre erschöpften Geister wiederzubeleben und dann verschiedene Heilmittel für ihre Wunden anzuwenden, der eine Blut mit dem Nass eines vorüberfließenden Wassers abzuwaschen, der andere mit einem in Essig getränkten Schwamm Geschwülste abschwellen zu lassen, und wieder ein anderer klaffende Wunden mit Binden zu umwickeln. Auf diese Weise sorgte jeder für sein Wohlergehen. 19 (1) Inzwischen hielt von einem Hügel oben ein alter Mann Ausschau, um den herum weidende Ziegen wahrhaft deutlich machten, dass er ein Hirte war. Ihn fragte einer von den Unsrigen, ob er Milch zu verkaufen habe, entweder noch flüssige oder zu

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vel in caseum recentem inchoatum. (2) at ille diu capite quassanti ‘vos autem’ inquit ‘de cibo vel poculo vel omnino ulla refectione nunc cogitatis? an nulli scitis, quo loco consederitis?’ et cum dicto conductis oviculis conversus longe recessit. quae vox eius et fuga pastoribus nostris non mediocrem pavorem incussit. (3) ac dum perterriti de loci qualitate sciscitari gestiunt nec est qui doceat, senex alius, magnus ille quidem, gravatus annis, totus in baculum pronus et lassum trahens vestigium ubertim lacrimans per viam proximat visisque nobis cum fletu maximo singulorum iuvenum genua contingens sic adorabat: 20 (1) ‘Per Fortunas 〈vestras〉 vestrosque Genios, sic ad meae senectutis spatia validi laetique veniatis, decepto seni subsistite meumque parvulum ab inferis ereptum canis meis reddite. (2) nepos namque meus et itineris huius suavis comes, dum forte passerem incantantem sepiculae consectatur arripere, delapsus in proximam foveam, quae fruticibus imis subpatet, in extremo iam vitae consistit periculo, (3) quippe cum de fletu ac voce ipsius auxilium sibi saepicule clamitantis vivere illum quidem sentiam, sed per corporis, ut videtis, mei defectam valetudinem opitulari nequeam. (4) at vobis aetatis et robori beneficio facile est subpetiari miserrimo seni puerumque illum novissimum successionis meae atque unicam stirpem sospitem mihi facere.’ 21 (1) Sic deprecantis suamque canitiem distrahentis totos quidem miseruit. sed unus, prae ceteris et animo fortior et aetate iuvenior et corpore validior quique solus praeter alios incolumis

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frischem Käse geronnene. (2) Doch der schüttelte lange seinen Kopf und sagte: »Was, ihr denkt jetzt an Speise oder Trank oder überhaupt an irgendeine Erfrischung? Wisst ihr gar nicht, an was für einem Platz ihr euch niedergelassen habt?« Und mit diesen Worten trieb er seine Schafe zusammen, drehte sich um und ging weit fort. Diese seine Worte und seine Flucht jagte unseren Hirten einen nicht geringen Schrecken ein. (3) Und während sie, heftig erschreckt, sich zu erkundigen bemühten, was es mit dem Platz auf sich habe, und keiner da war, der sie hätte informieren können, näherte sich auf dem Weg ein anderer alter Mann, groß, von den Jahren beschwert, ganz auf einen Stock gebückt, seinen müden Schritt dahinschleppend und reichlich Tränen vergießend, und als er uns sah, berührte er unter heftigstem Weinen die Knie jedes einzelnen der jungen Männer und sprach sie bittflehend wie folgt an: 20 (1) »Bei euren Fortunen und euren Genien, so wahr ihr bis zu meinem hohen Alter gesund und froh kommen mögt, helft einem beraubten alten Mann und gebt meinen Kleinen, der mir von den Unterirdischen entrissen wurde, meinen grauen Haaren zurück! (2) Mein Enkel und süßer Gefährte dieser Reise ist nämlich, während er zufällig einen kleinen Vogel, der bezaubernd in einer Hecke sang, zu ergreifen versuchte, in eine nahegelegene Grube gefallen, die sich unter einem Gebüsch ausdehnt, und ist nun in äußerster Lebensgefahr, (3) da ich an seinem Weinen und Schreien, womit er oft nach Hilfe für sich ruft, merke, dass er sicherlich noch lebt, aber ich ihm wegen der verminderten Kraft meines Körpers, wie ihr seht, nicht helfen kann. (4) Doch für euch ist es dank eures Jugendalters und eurer Stärke leicht, einem sehr unglücklichen alten Mann zu Hilfe zu kommen und mir jenen Jungen, den letzten meiner Nachkommenschaft und einzigen Stammhalter, am Leben zu erhalten.« 21 (1) Wie er da so flehte und seine grauen Haare raufte, hatten wir alle wahrhaft Mitleid mit ihm. Aber einer, der tapferer im Herzen, altersmäßig jünger und körperlich stärker war als die Übrigen

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proelium superius evaserat, exurgit alacer et percontatus, quonam loci puer ille decidisset, monstrantem digito non longe frutices horridos senem illum inpigre comitatur. (2) ac dum pabulo nostro suaque cura refecti sarcinulis quisque sumptis suis viam capessunt, clamore primum nominatim cientes illum iuvenem frequenter inclamant, mox mora diutina commoti mittunt e suis arcessitorem unum, qui requisitum comitem tempestivae viae commonefactum reduceret. (3) at ille modicum commoratus refert sese, buxanti pallore trepidus mira super conservo suo renuntiat: conspicatum se quippe supinato illi et iam ex maxima parte consumpto immanem draconem mandentem insistere nec ullum usquam miserinum senem comparere illum. (4) qua re cognita et cum pastoris sermone conlata, qui saevum prorsus hunc illum nec alium locorum inquilinum praeminabatur, pestilenti deserta regione velociori se fuga proripiunt nosque pellunt crebris tundentes fustibus. 22 (1) Celerrime denique longo itinere confecto pagum quendam accedimus ibique totam perquiescimus noctem. ibi inceptum facinus oppido memorabile narrare cupio. (2) Servus quidam, cui cunctam familiae tutelam dominus permiserat suus quique possessionem maximam illam, in quam deverteramus, villicabat, habens ex eodem famulitio conservam coniugam liberae cuiusdam extrariaeque mulieris flagrabat cupidine. (3) quo dolore paelicatus uxor eius instricta cunctas mariti rationes et quicquid horreo reconditum continebatur admoto combussit

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und allein unter den anderen unversehrt aus dem vorherigen Kampf hervorgegangen war, stand munter auf, fragte, wo genau der Junge hinuntergefallen sei, und begleitete unverdrossen jenen alten Mann, der mit dem Finger auf nicht weit entfernte schreckliche Büsche zeigte. (2) Und während jeder, nachdem wir durch unser Futter und sie durch Fürsorge für die eigene Person wiederhergestellt waren, sein eigenes Bündel nahm und sie sich auf den Weg machten, schrien sie erst wiederholt nach jenem jungen Mann, indem sie ihn laut beim Namen riefen, schickten dann, durch sein langes Verweilen beunruhigt, einen von den Ihren als Herbeiholer, der den gesuchten Gefährten an den rechtzeitigen Aufbruch erinnern und ihn zurückbringen sollte. (3) Doch der kam nach einer kurzen Weile zurück, zitternd und blass wie Buchsbaumholz, und meldete Wundersames über seinen Mitsklaven: Er habe erblickt, dass über jenem, der auf dem Rücken lag und zum größten Teil aufgefressen war, ein ungeheurer Drachen kauend saß, aber nirgendwo sei jener unglückselige alte Mann zu sehen gewesen. (4) Als sie dies erfahren und mit den Worten des Hirten verglichen hatten, der ganz genau diesen seinen Altersgenossen und keinen anderen Bewohner der Gegend drohend ankündigte, verließen sie die verderbliche Gegend, eilten in schnellerer Flucht vorwärts und trieben uns an, indem sie uns häufig mit Knüppeln schlugen. 22 (1) Nachdem wir also sehr schnell eine lange Wegstrecke zurückgelegt hatten, kamen wir zu einem Dorf, und dort ruhten wir die ganze Nacht. Ein dort begangenes, sehr denkwürdiges Verbrechen möchte ich erzählen. (2) Ein Sklave, dem sein Herr die ganze Aufsicht über das Hauswesen anvertraut hatte und der das riesige Landgut, bei dem wir eingekehrt waren, bewirtschaftete und eine Mitsklavin aus derselben Dienerschaft zur Frau hatte, glühte vor Verlangen nach einer freien, auswärtigen Frau. (3) Vom Kummer über das ehebrecherische Verhältnis bewegt, legte seine Ehefrau Feuer an alle Rechnungsbücher ihres Mannes sowie alles, was im Speicher verborgen gehalten

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igne. (4) nec tali damno tori sui contumeliam vindicasse contenta iam contra sua saeviens viscera laqueum sibi nectit infantulumque, quem de eodem marito iam dudum susceperat, eodem funiculo nectit seque per altissimum puteum adpendicem parvulum trahens praecipitat. (5) quam mortem dominus eorum aegerrime sustinens adreptum servulum, qui causam tanti sceleris luxurie sua praestiterat, nudum ac totum melle perlitum firmiter alligavit arbori ficulneae, (6) cuius in ipso carioso stipite inhabitantium formicarum nidificia borriebant et ultro citro commeabant multiiuga scaturrigine. (7) quae simul dulcem ac mellitum corporis nidorem persentiscunt, parvis quidem, sed numerosis et continuis morsiunculis penitus inhaerentes per longi temporis cruciatum ita carnibus atque ipsis visceribus adesis homine consumpto membra nudarunt, ut ossa tantum viduata pulpis nitore nimio candentia funestae cohaererent arbori. 23 (1) Hac quoque detestabili deserta mansione paganos in summo luctu relinquentes rursum pergimus dieque tota campestres emensi vias civitatem quandam populosam et nobilem iam fessi pervenimus. (2) inibi larem sedesque perpetuas pastores illi statuere decernunt, quod et longe 〈a〉 quaesituris firmae latebrae viderentur et annonae copiosae beata celebritas invitabat. (3) triduo denique iumentorum refectis corporibus, quo vendibiliores videremur, ad mercatum producimur magnaque voce praeconis pretia singulis nuntiantis equi atque alii asini opulentis emptoribus praestinantur.

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wurde, und verbrannte es. (4) Und nicht zufrieden damit, durch einen solchen Schaden die Schande ihres Ehebetts gerächt zu haben, wütete sie nun gegen ihr eigenes Fleisch und Blut, knüpfte für sich eine Schlinge, knüpfte das kleine Kind, das sie von diesem Ehemann schon einige Zeit vorher empfangen hatte, mit demselben Strick fest und stürzte sich in einen sehr tiefen Brunnen, wobei sie den Kleinen als Anhängsel mit sich riss. (5) Diesen Tod nahm ihr Herr sehr schwer, ließ den Sklaven ergreifen, der den Grund für ein so großes Verbrechen durch seine Geilheit geliefert hatte, und ihn nackt und ganz mit Honig beschmiert fest an einen Feigenbaum binden, (6) in dessen morschem Stamm die Nester von darin wohnenden Ameisen wimmelten und diese in einem ständigen Strom hin und her liefen. (7) Sobald sie den honigsüßen Duft des Körpers wahrnahmen, hängten sie sich mit zwar kleinen, aber zahlreichen und ständigen Bissen ganz und gar an ihn, fraßen während einer lange Zeit dauernden Marter das Fleisch und selbst die Eingeweide, und als der Mensch verzehrt war, legten sie die Glieder so weit frei, dass nur noch seine vom Fleisch entblößten Knochen, die in einem sehr hellen Glanz weiß schimmerten, an dem todbringenden Baum hingen. 23 (1) Nachdem wir auch diese verabscheuungswürdige Haltestation verlassen und die Dorfbewohner in tiefster Trauer zurückgelassen hatten, zogen wir wieder weiter, und als wir den ganzen Tag lang ländliche Straßen durchmessen hatten, gelangten wir, schon müde, zu einer bevölkerten und berühmten Stadt. (2) Jene Hirten beschlossen, dort ihr Heim und ihren ständigen Wohnsitz zu errichten, weil das Versteck ihnen sicher schien, weit weg von Leuten, die nach ihnen suchen würden, und ein gesegneter Überfluss an reichlicher Nahrung sie einlud. (3) Nachdem nun drei Tage lang die Leiber der Lasttiere aufgefüttert worden waren, damit wir besser verkäuflich schienen, wurden wir zum Markt gebracht, und unter dem lauten Geschrei des Ausrufers, der den Preis für jedes Einzelne verkündete, wurden die Pferde und andere Esel von wohl-

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at me relictum solum ac subsicivum cum fastidio plerique praeteribant. (4) iamque taedio contrectationis eorum, qui de dentibus meis aetatem computabant, manum cuiusdam faetore sordentem, qui gingivas identidem meas putidis scalpebat digitis, mordicus adreptam plenissime conterui. (5) quae res circumstantium ab emptione mea utpote ferocissimi deterruit animos. tunc praeco dirruptis faucibus et rauca voce saucius in meas fortunas ridiculos construebat iocos: (6) ‘quem ad finem cantherium istum venui frustra subiciemus et vetulum 〈et〉 extritis ungulis debilem et dolore deformem et in hebeti pigritia ferocem nec quicquam amplius quam ruderarium cribrum? atque adeo vel donemus eum cuipiam, si qui tamen faenum suum perdere non gravatur.’ 24 (1) Ad istum modum praeco ille cachinnos circumstantibus commovebat. sed illa Fortuna mea saevissima, quam per tot regiones iam fugiens effugere vel praecedentibus malis placare non potui, rursum in me caecos detorsit oculos et emptorem aptissimum duris meis casibus mire repertum obiecit. (2) scitote qualem: cinaedum et senem cinaedum, calvum quidem, sed cincinnis semicanis et pendulis capillatum, unum de triviali popularium faece, qui per plateas et oppida cymbalis et crotalis personantes deamque Syriam circumferentes mendicare compellunt. (3) is nimio praestinandi studio praeconem rogat, cuiatis essem. at ille Cappadocum me et satis forticulum denuntiat. rursum requirit annos aetatis meae.

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habenden Käufern erstanden. Doch an mir, der ich allein stehen gelassen wurde und übrig blieb, gingen die meisten mit Verachtung vorbei. (4) Und schließlich habe ich aus Ekel über die Berührung durch die, welche anhand meiner Zähne mein Alter berechneten, die dreckige, stinkende Hand von einem, der wieder und wieder an meinem Zahnfleisch mit ekligen Fingern kratzte, beißend gepackt und vollständig zermalmt. (5) Das schreckte die Gemüter der Umstehenden davon ab, mich zu kaufen, da ich sehr wild sei. Da begann der Ausrufer mit seiner vom weiten Auseinanderreißen seines Mundes und den heiseren Schreien schmerzhaften Kehle Witze über mein Schicksal zu machen, die Gelächter erregten: (6) »Wie lange noch wollen wir diesen Klepper da vergeblich zum Verkauf anbieten, alt, wie er ist, von abgetretenen Hufen schwach, vom Schmerz entstellt, trotz seiner stumpfen Trägheit wild und nichts weiter als ein zerbrochenes Sieb? Lasst uns ihn also stattdessen jemandem schenken, falls der dann doch nichts dagegen hat, sein Heu zu verschwenden.« 24 (1) Auf diese Weise erregte jener Ausrufer dröhnendes Gelächter der Herumstehenden. Doch jene meine höchst grausame Fortuna, der ich jetzt durch so viele Gegenden fliehend zu entkommen oder die durch vorausgegangenes Unglück zu versöhnen ich nicht vermochte, wandte mir wieder ihre blinden Augen zu, und sie fand auf wundersame Weise einen bestens zu meinen harten Schicksalsschlägen passenden Käufer und ließ ihn meinen Weg kreuzen. (2) Ihr sollt wissen, was für einen: einen Kinäden, einen alten Kinäden, kahlköpfig zwar, aber doch mit grauen, herabhängenden Löckchen behaart, einen aus der ordinären Hefe des Volkes, wie sie durch die Straßen und Städte mit Zimbeln und Kastagnetten Lärm machen und die Syrische Göttin, die sie herumtragen, zum Betteln zwingen. (3) Dieser fragte in seinem übergroßen Eifer, mich zu kaufen, den Ausrufer, woher ich sei. Und der behauptete, ich sei ein Kappadokier und sehr stark. Wiederum fragte er nach meinen Lebensjahren.

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Sed praeco lasciviens: ‘mathematicus quidem, qui stellas eius disposuit, quintum ei numeravit annum, sed ipse scilicet melius istud de suis novit professionibus. (4) quamquam enim prudens crimen Corneliae legis incurram, si civem Romanum pro servo tibi vendidero, quin emis bonum et frugi mancipium, quod te et foris et domi poterit iuvare?’ Sed exinde odiosus emptor aliud de alio non desinit quaerere, denique de mansuetudine etiam mea percontatur anxie. 25 (1) At praeco ‘vervecem’ inquit ‘non asinum vides, ad usus omnes quietum, non mordacem nec calcitronem quidem, sed prorsus ut in asini corio modestum hominem inhabitare credas. (2) quae res cognitu non ardua. nam si faciem tuam mediis eius feminibus immiseris, facile periclitaberis quam grandem tibi demonstret patientiam.’ (3) Sic praeco lurchonem tractabat dicacule, sed ille cognito cavillatu similis indignanti ‘at te’ inquit ‘cadaver surdum et mutum delirumque praeconem omnipotens et omniparens dea Syria et sanctus Sabadius et Bellona et mater Idaea et cum suo Adone Venus domina caecum reddant, qui scurrilibus iam dudum contra me velitaris iocis. (4) an me putas, inepte, iumento fero posse deam committere, ut turbatum repente divinum deiciat simulacrum egoque misera cogar crinibus solutis discurrere et deae meae humi iacenti aliquem medicum quaerere?’ (5) Accepto tali sermone cogitabam subito velut lymphaticus exsilire, ut me ferocitate cernens exasperatum emptionem desineret. (6) sed praevenit cogitatum meum emptor anxius pretio depenso

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Aber der Ausrufer sagte frech: »Ein Astrologe, der ihm das Horoskop stellte, berechnete ihm das fünfte Jahr, aber er selbst weiß es natürlich besser von seinen Steuererklärungen. (4) Obwohl ich nämlich wissentlich eine Anklage nach dem Cornelischen Gesetz riskiere, wenn ich dir einen römischen Bürger als Sklaven verkaufe, warum kaufst du nicht diesen guten und braven Sklaven, der dir sowohl außer Haus als auch im Haus wird nützen können?« Aber der hassenswerte Käufer hörte nicht auf, unaufhörlich eines nach dem anderen zu fragen, und schließlich erkundigte er sich sogar ängstlich, ob ich zahm sei. 25 (1) Doch der Ausrufer sagte: »Du siehst einen Hammel, keinen Esel, zu jedem Gebrauch ruhig, nicht bissig, nicht einmal ausschlagend, sondern ganz und gar so, dass du glauben könntest, in der Eselshaut wohne ein sanftmütiger Mensch. (2) Das zu erkennen ist nicht schwer. Denn wenn du dein Gesicht mitten zwischen seine Schenkel steckst, wirst du leicht erfahren, was er dir für eine große Geduld zeigt.« (3) So behandelte der Ausrufer den Lustmolch witzig, aber der erkannte die Verspottung, sagte wie in Entrüstung: »Mögen dich doch, du taube und stumme Leiche, du irrer Ausrufer, die allmächtige Allmutter, die syrische Göttin und der heilige Sabadius und Bellona und die idäische Mutter und mit ihrem Adonis die Herrin Venus blind machen, da du schon die ganze Zeit mit deinen groben Witzen gegen mich herumplänkelst. (4) Oder glaubst du, du Dummkopf, ich könne einem wilden Lasttier die Göttin anvertrauen, damit es in plötzlicher Panik das Götterbild zu Boden wirft und ich Arme gezwungen werde, mit aufgelösten Haaren herumzulaufen und für meine am Boden liegende Göttin irgendeinen Arzt zu suchen?« (5) Als ich diese Worte vernommen hatte, beabsichtigte ich sofort, wie ein Verrückter davonzuspringen, damit er, wenn er mich wild vor Grimm sähe, den Kauf sein ließe. (6) Aber der ängstliche Käufer kam meiner Absicht zuvor und zahlte auf der Stelle den

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statim, quod quidem gaudens dominus scilicet taedio mei facile suscepit, septemdecim denarium, et ilico me stomida spartea deligatum tradidit Philebo; hoc enim nomine censebatur iam meus dominus. 26 (1) At ille susceptum novicium famulum trahebat ad domum statimque illinc de primo limine proclamat: ‘puellae, servum vobis pulchellum en ecce mercata perduxi.’ (2) sed illae puellae chorus erat cinaedorum, quae statim exultantes in gaudium fracta et rauca et effeminata voce clamores absonos intollunt rati scilicet vere quempiam hominem servulum ministerio suo paratum. (3) sed postquam non cervam pro virgine, sed asinum pro homine succidaneum videre, nare detorta magistrum suum varie cavillantur: non enim servum, sed maritum illum scilicet sibi perduxisse. (4) et ‘heus,’ aiunt ‘cave, ne solus exedas tam bellum scilicet pullulum, sed nobis quoque tuis palumbulis nonnumquam inpertias.’ (5) Haec et huius modi mutuo blaterantes praesepio me proximum deligant. erat quidam iuvenis satis corpulentus, choraula doctissimus, conlaticia stipe de mensa paratus, qui foris quidem circumgestantibus deam cornu canens adambulabat, domi vero promiscuis operis partiarius agebat concubinus. (6) hic me simul domi conspexit, libenter adpositis largiter cibariis gaudens adloquitur: ‘venisti tandem miserrimi laboris vicarius. sed diu vivas et do-

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Preis, den mein Herr voller Freude, offensichtlich aus Überdruss an mir, leicht annahm, siebzehn Denare, und nachdem er sofort einen Strick aus Hanf um das Maul gebunden hatte, übergab er mich Philebus; mit diesem Namen nämlich wurde mein jetziger Herr benannt. 26 (1) Der übernahm nun seinen neu erworbenen Diener, zog ihn zu seinem Haus und rief gleich vorne von der Schwelle aus laut: »Ihr Mädchen, schaut hier, ich habe euch ein Sklavenknäblein, das ich gekauft habe, mitgebracht.« (2) Aber diese Mädchen waren der Chor der Kinäden, die auf der Stelle vor Freude jubelten und mit gebrochener, heiserer und femininer Stimme ein misstönendes Geschrei erhoben, weil sie natürlich glaubten, es sei wahrhaftig ein Mensch als kleiner Sklave für ihre Bedienung gekauft worden. (3) Aber nachdem sie nicht eine Hirschkuh anstelle einer Jungfrau, sondern einen Esel anstelle eines Menschen als Stellvertreter erblickt hatten, rümpften sie die Nase und verspotteten ihren Meister auf verschiedene Weise: Er habe ihn ja nicht als Sklaven, sondern natürlich als Ehemann für sich hergebracht. (4) Und sie sagten: »He, pass auf, dass du nicht allein ein natürlich so schönes Hühnchen verschlingst, sondern auch uns, deinen Täubchen, manchmal etwas davon abgibst!« (5) Während sie dies und Derartiges miteinander plapperten, banden sie mich an eine Krippe in der Nähe. Da war ein sehr beleibter junger Bursche, ein höchst begabter Rohrpfeifenbläser, mit zusammengetragenem Almosen vom Brettergerüst gekauft, der draußen, wenn sie die Göttin herumtrugen, seine Pfeife blasend, neben ihnen ging, aber zu Hause als von ihnen geteilter Beischläfer fungierte, weil seine Dienste für alle gemeinsam da waren. (6) Sobald dieser mich im Haus erblickt hatte, legte er mir bereitwillig reichliches Futter vor und redete mich voller Freude an: »Endlich bist du als mein Ersatzmann bei elendester Arbeit gekommen! Aber mögest du lange leben und deinen Herren gefallen und meinem

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minis placeas et meis defectis iam lateribus consulas.’ haec audiens iam meas futuras novas cogitabam aerumnas. 27 (1) Die sequenti variis coloribus indusiati et deformiter quisque formati, facie caenoso pigmento delita et oculis obunctis graphice prodeunt mitellis et crocotis et carbasinis et bombycinis iniecti, (2) quidam tunicas albas in modum lanciolarum quoquoversum fluente purpura depictas cingulo subligati, pedes luteis induti calceis. (3) deamque serico contectam amiculo mihi gerendam imponunt bracchiisque suis umero tenus renudatis adtollentes immanes gladios ac secures euantes exsiliunt incitante tibiae cantu lymphaticum tripudium. (4) Nec paucis pererratis casulis ad quandam villam possessoris beati perveniunt et ab ingressu primo statim absonis ululatibus constrepentes fanatice provolant (5) diuque capite demisso cervices lubricis intorquentes motibus crinesque pendulos in circulum rotantes et nonnumquam morsibus suos incursantes musculos ad postremum ancipiti ferro, quod gerebant, sua quisque bracchia dissicant. (6) inter haec unus ex illis bacchatur effusius ac de imis praecordiis anhelitus crebros referens velut numinis divino spiritu repletus simulabat sauciam vecordiam, prorsus quasi deum praesentia soleant homines non sui fieri meliores, sed debiles effici vel aegroti. 28 (1) Specta denique, quale caelesti providentia meritum reportaverit. infit vaticinatione clamosa conficto mendacio semet ipsum incessere atque criminari, quasi contra fas sanctae religionis dissignasset aliquid, et insuper iustas poenas noxii facinoris ipse de

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schon erschöpften Unterleib Entlastung bringen.« Während ich zuhörte, konnte ich mir meine zukünftigen neuen Leiden denken. 27 (1) Am folgenden Tag zogen sie hinaus, bedeckt mit bunten Gewändern, jeder hässlich hübsch aufgemacht, das Gesicht mit schlammigem Farbstoff beschmiert, die Augen wie von einem Maler geschminkt, mit Mitren, safranfarbenen, leinenen und seidenen Gewändern bekleidet, (2) einige in weißen Tuniken, bemalt mit Purpurstreifen, die nach Art von Lanzenspitzen in alle Richtungen liefen, und mit einem Gürtel hochgeschürzt, die Füße mit goldgelben Schuhen bedeckt. (3) Und die Göttin, die mit einem seidenen Umhang umhüllt war, setzten sie zum Tragen auf mich, und ihre Arme bis zur Schulter entblößt, gewaltige Schwerter und Äxte erhebend, sprangen sie mit dem Ruf »Euan« in die Höhe, während die Töne der Pfeife sie zu einem wahnsinnigen Tanz antrieben. (4) Nachdem sie auf ihrem Marsch in nicht wenige Hütten gekommen waren, gelangten sie zu dem Landgut eines wohlhabenden Besitzers, und gleich beim ersten Eintreten rannten sie sofort, mit misstönendem Geheul lärmend, rasend dahin, (5) drehten lange mit gesenktem Kopf ihre Nacken in schlüpfrigen Bewegungen, schwangen ihre herabhängenden Haare im Kreis, fielen ab und zu mit Bissen über ihre Muskeln her und schlitzten sich schließlich mit einem zweischneidigen Schwert, das sie trugen, jeder die eigenen Arme auf. (6) Währenddessen trieb es einer von ihnen nach Art der Bacchantinnen noch exzessiver, gab aus tiefster Brust häufige Seufzer von sich wie vom himmlischen Geist einer Gottheit erfüllt, und simulierte einen vom Wahnsinn Getroffenen, als ob durch die Anwesenheit der Götter die Menschen nicht besser als vorher, sondern schwach und krank gemacht zu werden pflegten. 28 (1) Nun sieh, welchen Lohn er dank der göttlichen Fürsorge davontrug. Er begann in lauter prophetischer Ekstase sich selbst mit ausgeklügelten Lügen anzugreifen und zu beschuldigen, als hätte er entgegen einem Gebot der heiligen Religion etwas angestiftet, und darüber hinaus forderte er selbst eine gerechte Bestrafung für seine

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se suis manibus exposcere. (2) arrepto denique flagro, quod semiviris illis proprium gestamen est contortis taeniis lanosi velleris prolixe fimbriatum et multiiugis talis ovium tesseratum, indidem sese multinodis commulcat ictibus mire contra plagarum dolores praesumptione munitus. (3) cerneres prosectu gladiorum ictuque flagrorum solum spurcitia sanguinis effeminati madescere. (4) quae res incutiebat mihi non parvam sollicitudinem videnti tot vulneribus largiter profusum cruorem, ne quo casu deae peregrinae stomachus, ut quorundam hominum lactem, sic illa sanguinem concupisceret asininum. (5) Sed ubi tandem fatigati vel certe suo laniatu satiati pausam carnificinae dedere, stipes aereas, immo vero et argenteas multis certatim offerentibus sinu recepere patulo nec non et vini cadum et lactem et caseos et farris et siliginis aliquid et nonnullis hordeum deae gerulo donantibus (6) avidis animis conradentes omnia et in sacculos huic quaestui de industria praeparatos farcientes dorso meo congerunt, ut duplici scilicet sarcinae pondere gravatus et horreum simul et templum incederem. 29 (1) Ad istum modum palantes omnem illam depraedabantur regionem. sed in quodam castello copia laetati largioris quaesticuli gaudiales instruunt dapes. (2) a quodam colono fictae vaticinationis mendacio pinguissimum deposcunt arietem, qui deam Syriam esurientem suo satiaret sacrificio probeque disposita cenula balneas obeunt (3) ac dehinc lauti quendam fortissimum rusticanum indus-

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böse Tat von seinen eigenen Händen. (2) Schließlich ergriff er die Peitsche, welche für diese Halbmänner ein charakteristisches Attribut ist, die mit geflochtenen Schnüren aus wolligem Fell lang befasert und mit zahlreichen viereckigen Schafsknöcheln wie mit Steinchen besetzt war, und schlug sich selbst wieder und wieder mit den Knotenhieben, auf wundersame Weise gegen die Schmerzen von den Schlägen durch seine sture Selbstsicherheit geschützt. (3) Du hättest sehen können, wie der Boden infolge des Schneidens der Schwerter und des Schlagens der Peitschen von dem Unflat des femininen Blutes nass wurde. (4) Dies begann mir eine nicht geringe Sorge einzuflößen, als ich Blut aus so vielen Wunden reichlich vergossen sah, dass vielleicht der Magen der ausländischen Göttin, wie der mancher Menschen nach der Milch, so sie nach dem Blut eines Esels Begierde empfindet. (5) Doch als sie endlich erschöpft waren oder jedenfalls die eigene Zerfleischung satt hatten und der Marter ein Ende setzten, brachten viele ihnen um die Wette kupferne Münzen, ja sogar silberne als Almosen dar, und sie nahmen sie in ihrem weit geöffneten Gewandbausch entgegen, ebenso einen Krug Wein, Milch, Käse, etwas Spelt und Weizen, einige gaben Gerste für den Träger der Göttin, (6) sie kratzten alles mit habgierigen Sinnen zusammen, stopften es in eigens für diesen Erwerb vorbereitete Säckchen und häuften es auf meinem Rücken auf, so dass ich, natürlich mit dem doppelten Gewicht des Gepäcks beladen, sowohl als Speicher als auch als Tempel dahinschritt. 29 (1) Indem sie auf diese Weise umherstreiften, plünderten sie jene ganz Gegend aus. Und in einem Dorf bereiteten sie, erfreut über die Menge eines größeren Profitchens, ein Freudenmahl vor. (2) Von einem Bauern forderten sie durch die Lügengeschichte einer erfundenen Prophezeiung einen sehr fetten Widder, der die hungernde syrische Göttin durch seine Opferung sättigen sollte, und nachdem sie das Essen fein arrangiert hatten, gingen sie, um ein Bad zu nehmen, (3) und darauf, nachdem sie gebadet hatten, brach-

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tria laterum atque imis ventris bene praeparatum comitem cenae secum adducunt. paucisque admodum praegustatis holusculis (4) ante ipsam mensam spurcissima illa propudia ad inlicitae libidinis extrema flagitia infandis uriginibus efferantur passimque circumfusi nudatum supinatumque iuvenem execrandis oribus flagitabant. (5) nec diu tale facinus meis oculis tolerantibus ‘porro Quirites’ proclamare gestivi, sed viduatum ceteris syllabis ac litteris processit ‘o’ tantum, sane clarum ac validum et asino proprium, sed inopportuno plane tempore. (6) namque de pago proximo complures iuvenes abactum sibi noctu perquirentes asellum nimioque studio cuncta devorsoria scrutantes intus aedium audito ruditu meo praedam absconditam latibulis aedium rati coram rem invasuri suam inprovisi conferto gradu se penetrant palamque illos execrandas foeditates obeuntes deprehendunt. iamiamque vicinos undique percientes turpissimam scaenam patefaciunt insuper ridicule sacerdotum purissimam laudantes castimoniam. 30 (1) Hac infamia consternati, quae per ora populi facile dilapsa merito invisos ac detestabiles eos cunctis effecerat, noctem ferme circa mediam collectis omnibus furtim castello facessunt (2) bonaque itineris parte ante iubaris exortum transacta iam die claro solitudines avias nancti multa secum prius conlocuti accingunt se meo funeri deaque vehiculo meo sublata et humi reposita

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ten sie einen robusten Landmann, der bezüglich der Kraft seines Unterleibes und des untersten Teils seines Bauches gut ausgerüstet war, als Gast beim Mahl mit sich herbei. Als sie ein wenig Gemüse als Vorspeise (4) vor dem Hauptgang gekostet hatten, da ließen sich diese höchst unflätigen Dreckskerle durch unerhörte Geilheit zu den schlimmsten Schandtaten unerlaubter Lust hinreißen, und auf allen Seiten umdrängten sie den nackt ausgezogenen und auf dem Rücken liegenden jungen Burschen und verlangten es heftig mit ihren fluchwürdigen Mündern. (5) Weil meine Augen nicht lange eine solche Untat ertrugen, bemühte ich mich sehr, »Zu Hilfe, Quiriten!« zu schreien, aber der übrigen Silben und Buchstaben beraubt, kam nur »I« hervor, gewiss klar und kräftig und einem Esel eigentümlich, aber zu einer ganz unpassenden Zeit. (6) Denn mehrere junge Männer vom nächsten Dorf suchten gerade überall nach einem Esel, der ihnen in der Nacht fortgetrieben worden war, und durchstöberten in ihrem übergroßen Eifer alle Herbergen, und als sie innerhalb des Hauses mein Brüllen gehört hatten, glaubten sie, die Beute sei in einem Versteck des Hauses verborgen, drangen, um persönlich ihr Eigentum in Besitz zu nehmen, unvorhergesehen in dichtem Trupp ein und ertappten ganz offen jene, wie sie die fluchwürdigen Scheußlichkeiten begingen. Sofort alarmierten sie die Nachbarn auf allen Seiten und führten ihnen das allerschändlichste Szenario vor Augen, wobei sie obendrein scherzhaft die höchst reine Keuschheit der Priester lobten. 30 (1) Schockiert von diesem Skandal, der sich im Volk leicht von Mund zu Mund verbreitet und sie mit Recht allen verhasst und verabscheuungswürdig gemacht hatte, sammelten sie etwa um Mitternacht alles zusammen und machten sich verstohlen aus dem Dorf davon. (2) Und als sie einen guten Teil des Weges noch vor Sonnenaufgang zurückgelegt hatten, erreichten sie bei schon hellem Tageslicht ein abgelegenes einsames Gebiet, führten erst ein langes Gespräch miteinander, machten sich zu meiner Tötung bereit, hoben die Göttin von mir, ihrem Transportmittel, herunter, setzten

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cunctis stramentis me renudatum ac de quadam quercu destinatum flagro illo pecuinis ossibus catenato verberantes paene ad extremam confecerant mortem. (3) fuit unus, qui poplites meos enervare secure sua comminaretur, quod de pudore illo candido scilicet suo tam deformiter triumphassem. sed ceteri non meae salutis, sed simulacri iacentis contemplatione in vita me retinendum censuere. (4) rursum itaque me refertum sarcinis planis gladiis minantes perveniunt ad quandam nobilem civitatem. (5) inibi vir principalis et alias religiosus et eximie deam reverens tinnitu cymbalorum et sonu tympanorum cantusque Phrygii mulcentibus modulis excitus procurrit obviam deamque votivo suscipiens hospitio nos omnis intra conseptum domus amplissimae constituit numenque summa veneratione atque hostiis opimis placare contendit. 31 (1) Hic ego me potissimum capitis periclitatum memini. nam quidam colonus partem venationis, immanis cervi pinguissimum femus, domino illi suo muneri miserat, quod incuriose pone culinae fores non altiuscule suspensum canis adaeque venaticus latenter invaserat laetusque praeda propere custodientes oculos evaserat. (2) quo damno cognito suaque reprehensa neglegentia cocus diu lamentatus lacrimis inefficacibus iamiamque domino cenam flagitante maerens et utcumque metuens altius, filio suo parvulo consalutato adreptoque funiculo, mortem sibi nexu laquei comparabat. (3) nec tamen latuit fidam uxorem eius casus extremus mariti, sed

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sie auf den Erdboden, entblößten mich von allen meinen Decken, banden mich an einer Eiche fest und verprügelten mich mit jener Peitsche, die mit Schafsknochen verkettet war, und hätten mich fast ganz getötet. (3) Da war einer, der meine Kniesehnen mit seinem Beil durchzuschneiden drohte, weil ich über seine selbstverständlich blütenweiße Schamhaftigkeit so schmachvoll triumphiert hatte. Aber die Übrigen waren – nicht aus Rücksicht auf mein Wohl, sondern auf das daliegende Götterbild – der Meinung, ich müsse am Leben erhalten werden. (4) Sie beluden mich also wieder mit dem Gepäck und gelangten, während sie mich mit der flachen Seite ihrer Schwerter bedrohten, zu einer berühmten Stadt. (5) Dort lief ein vornehmer Mann, der ansonsten religiös war und die Göttin außerordentlich verehrte, durch das Klingen der Zimbeln, den Klang der Tamburine und die betörenden Melodien des phrygischen Gesangs hervorgelockt, uns entgegen, nahm die Göttin in Gastfreundschaft auf, durch die sein Gebet erhört wurde, brachte uns innerhalb des Bezirks seines sehr geräumigen Hauses unter und eilte, die Gottheit durch höchste Verehrung und fette Opfertiere gnädig zu stimmen. 31 (1) Hier geriet ich in die größte Lebensgefahr, wie ich mich erinnere. Denn ein Bauer hatte als Anteil seiner Jagdbeute die sehr fette Keule eines gewaltigen Hirschs jenem seinem Herrn als Geschenk gesandt, die, da sie sorglos hinter der Küchentür nicht sehr hoch aufgehängt war, ein Hund, gleichfalls vom Jagdfach, sich heimlich geschnappt hatte, und froh über seine Beute war er eilig den aufpassenden Augen entwischt. (2) Als der Koch diesen Verlust bemerkt hatte, tadelte er seine Nachlässigkeit und jammerte lange mit nutzlosen Tränen, und als der Herr sein Abendessen augenblicklich verlangte, nahm er traurig und vor allem in großer Angst von seinem kleinen Sohn Abschied, ergriff einen Strick und wollte sich durch Knüpfung einer Schlinge den Tod bereiten. (3) Nicht jedoch entging seiner treuen Frau die lebensgefährliche Situation ihres Mannes, sondern sie packte ungestüm den tödlichen Knoten

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funestum nodum violenter invadens manibus ambabus ‘adeone’ inquit ‘praesenti malo perterritus mente excidisti tua nec fortuitum istud remedium, quod deum providentia subministrat, intueris? (4) nam si quid in ultimo fortunae turbine resipiscis, expergite mi ausculta et advenam istum asinum remoto quodam loco deductum 5 iugula femusque eius ad similitudinem perditi detractum et accuratius in protrimentis sapidissime percoctum adpone domino cervini vicem.’ (5) Nequissimo verberoni sua placuit salus de mea morte et multum conservae laudata sagacitate destinatae iam lanienae cultros 10 acuebat.

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mit beiden Händen und sagte: »Bist du so sehr durch das gegenwärtige Unglück in Panik versetzt, dass du deinen Verstand verloren hast, und siehst du nicht jenes zufällige Mittel zur Rettung, welches die Vorsehung der Götter dir darreicht? (4) Denn wenn du in diesem schlimmsten Wirbelsturm des Schicksals wieder etwas zu Verstand kommst, hör mir wachsam zu und führ diesen Fremden da, den Esel, an einen entlegenen Platz, schneide ihm die Kehle durch, reiß ihm eine Keule ab, die der verlorenen ähnlich sieht, koche sie mit viel Sorgfalt sehr schmackhaft in einer Brühe und setze sie dem Herrn anstelle derjenigen des Hirschs vor.« (5) Dem nichtsnutzigen Schurken gefiel seine Rettung mithilfe meines Todes, er lobte sehr den Scharfsinn seiner Mitsklavin und fing an, die Messer zu der nun für mich bestimmten Schlachtung zu wetzen.

LIBER IX 1 (1) Sic ille nequissimus carnifex contra me manus impias obarmabat. at ego praecipitante consilium periculi tanti praesentia nec exspectata diutina cogitatione lanienam imminentem fuga vitare statui (2) protinusque vinculo, quo fueram deligatus, abrupto cursu me proripio totis pedibus ad tutelam salutis crebris calcibus velitatus ilicoque me raptim transcursa proxima porticu triclinio, in quo dominus aedium sacrificales epulas cum sacerdotibus deae cenitabat, incunctanter immitto nec pauca rerum adparatus cibarii, mensas etiam et ignes impetu meo collido atque disturbo. (3) qua rerum deformi strage paterfamilias commotus ut importunum atque lascivum me cuidam famulo curiose traditum certo aliquo loco clausum 〈iussit〉 cohiberi, ne rursum convivium placidum simili petulantia dissiparem. (4) hoc astutulo commento scitule munitus et mediis lanii manibus ereptus custodela salutaris mihi gaudebam carceris. (5) Sed nimirum nihil Fortuna rennuente licet homini nato dexterum provenire nec consilio prudenti vel remedio sagaci divinae providentiae fatalis dispositio subverti vel reformari potest. (6) mihi denique id ipsum commentum, quod momentariam salutem repperisse videbatur, periculum grande, immo praesens exitium conflavit aliud. 2 (1) Nam quidam subito puer mobili ac trepida facie percitus, ut familiares inter se susurrabant, inrumpit triclinium suoque annuntiat domino de proximo angiportu canem rabidam paulo

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Buch 9 1 (1) So bewaffnete jener niederträchtige Henker seine ruchlosen Hände gegen mich. Doch die unmittelbare Gegenwart der so großen Gefahr drängte zu einem Plan, ich wartete nicht auf eine lange Überlegung, beschloss, der drohenden Schlachtung durch die Flucht zu entrinnen, (2) zerriss auf der Stelle den Riemen, mit dem ich festgebunden war, raste los auf allen meinen Füßen, wobei ich zum Schutz meines Lebens häufig mit meinen Hufen herumplänkelte, durchlief sofort im Eiltempo die nächste Säulenhalle, stürzte mich, ohne zu zögern, in das Triklinium, worin der Hausherr das Opfermahl mit den Priestern der Göttin aß, schlug gegen nicht wenige Speisegeräte, sogar gegen die Tische und Fackeln bei meinem Hineinstürzen und warf sie durcheinander. (3) Über diese hässliche Verwüstung entsetzt, übergab der Hausherr mich, ungestüm und außer Rand und Band, wie ich war, sorgfältig einem Diener und befahl, mich an irgendeinem sicheren Ort eingeschlossen zu halten, damit ich nicht wieder das friedliche Mahl mit ähnlicher Frechheit stören könne. (4) Aufgrund dieses pfiffigen Einfalls fein geschützt und direkt den Händen des Schlächters entrissen, freute ich mich über die Obhut des für mich rettenden Kerkers. (5) Doch natürlich kann nichts, wenn Fortuna ablehnt, für einen als Mensch Geborenen günstig ausgehen, und weder durch einen klugen Plan noch durch eine scharfsinnige Gegenmaßnahme kann die vom Schicksal bestimmte Ordnung der göttlichen Vorsehung umgestürzt oder verändert werden. (6) Mir zum Beispiel verschaffte eben der Einfall, der momentane Rettung gefunden zu haben schien, eine andere große Gefahr, ja sogar den unmittelbar bevorstehenden Untergang. 2 (1) Denn plötzlich platzte mit einem vor Aufregung bewegten und ängstlichem Gesicht ein Junge, während die Sklaven untereinander flüsterten, in das Triklinium herein und meldete seinem Herrn, dass von der angrenzenden Straße eine tollwütige Hündin kurz zu-

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ante per posticam impetu miro sese direxisse (2) ardentique prorsus furore venaticos canes invasisse ac dehinc proximum petisse stabulum atque ibi pleraque iumenta incurrisse pari saevitia nec postremum saltem ipsis hominibus pepercisse; (3) nam Myrtilum mulionem et Hephaestionem cocum et Hypataphium cubicularium et Apollonium medicum, immo vero et plures alios ex familia abigere temptantes variis morsibus quemque lacerasse, certe venenatis morsibus contacta non nulla iumenta efferari simili rabie. (4) quae res omnium statim percussit animos ratique me etiam eadem peste infectum ferocire arreptis cuiusce modi telis mutuoque, ut exitium commune protelarent, cohortati ipsi potius eodem vaesaniae morbo laborantes persecuntur. (5) nec dubio me lanceis illis vel venabulis, immo vero et bipennibus, quae facile famuli subministraverant, membratim compilassent, ni respecto subiti periculi turbine cubiculum, in quo mei domini devertebant, protinus inrupissem. (6) tunc clausis obseratisque super me foribus obsidebant locum, quoad sine ullo congressionis suae periculo pestilentiae letalis pervicaci rabie possessus ac peresus absumerer. quo facto tandem libertatem nanctus, solitariae fortunae munus amplexus, super constratum lectum abiectus post multum equidem temporis somnum humanum quievi. 3 (1) Iamque clara die mollitie cubilis refota lassitudine vegetus exurgo atque illos, qui meae tutelae pervigiles excubias agitaverant, ausculto de meis sic altercare fortunis: ‘adhucine miserum istum

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vor durch die Hintertür ihren Weg mit erstaunlichem Ungestüm herein gefunden (2) und in wahrhaft hitziger Raserei die Jagdhunde angegriffen habe, dann auf den nächsten Stall losgegangen sei, dort sehr viele Lasttiere mit der gleichen Wut attackiert und schließlich nicht einmal die Menschen selbst verschont habe; (3) denn den Maultiertreiber Myrtilus, den Koch Hephaestio, den Kammerdiener Hypataphius und den Arzt Apollonius, ja sogar andere mehr aus der Dienerschaft, die sie wegzujagen versuchten, habe sie einen nach dem anderen mit verschiedenen Bissen zerfleischt, und sicherlich seien einige durch ihre giftigen Bisse infizierte Lasttiere von derselben Tollwut wild geworden. (4) Das versetzte sofort die Gemüter aller in Panik, und da sie glaubten, auch ich würde toben, weil ich von derselben Krankheit infiziert sei, ergriffen sie Waffen jeder Art, ermahnten sich gegenseitig, den gemeinsamen Untergang abzuwehren, und verfolgten mich, eher selbst an derselben Krankheit des Wahnsinns leidend. (5) Und zweifellos hätten sie mich mit jenen Lanzen und Jagdspießen, ja sogar mit Äxten, die ihnen die Diener bereitwillig darreichten, Glied für Glied zerhauen, wenn ich nicht diesen Sturmwind plötzlicher Gefahr erkannt und sofort in das Schlafzimmer, in dem meine Herren logierten, hineingeplatzt wäre. (6) Da verschlossen sie die Tür hinter mir, riegelten sie ab und belagerten den Raum, bis ohne irgendeine für sie bestehende Gefahr des Zusammentreffens ich, von der permanenten Wut der tödlichen Krankheit in Besitz genommen und aufgezehrt, dahingerafft würde. Aufgrund dieser Tatsache erlangte ich endlich meine Freiheit, begrüßte freudig das Geschenk des Schicksals, das mir allein zu sein erlaubte, warf mich über das gemachte Bett und ruhte nach wahrhaft langer Zeit im Schlaf wie ein Mensch. 3 (1) Als es schon heller Tag und durch den Luxus des Schlafzimmers meine Müdigkeit wiederbelebt war, erhob ich mich munter und hörte die, welche zu meinem Schutz die Nacht durch Wache gehalten hatten, sich über mein Geschick wie folgt unterhalten: »Sollen wir glauben, dass dieser arme Esel da immer noch von

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asinum iugi furore iactari credimus?’ ‘immo vero iam virus increscente saevitia prorsus extinctum.’ (2) sic opinionis variae terminum ad explorationem conferunt ac de rima quadam prospiciunt sanum me atque sobrium otiose consistere. iamque ultro foribus patefactis plenius, an iam sim mansuetus, periclitantur. (3) sed unus ex his, de caelo scilicet missus mihi sospitator, argumentum explorandae sanitatis meae tale commonstrat ceteris, ut aquae recentis completam pelvem offerent potui meo, ac si intrepidus et more solito sumens aquis adlibescerem, sanum me atque omni morbo scirent expeditum. (4) contra vero, si visum contactumque laticis vitarem ac perhorrescerem, pro conperto noxiam rabiem pertinaciter durare. hoc enim libris etiam pristinis proditum observari solere. 4 (1) Isto placito vas immane confestim aquae perlucidae de proximo petitae fonte cunctantes adhoc offerunt mihi. at ego sine ulla mora progressus etiam obvio gradu, satis sitienter pronus et totum caput immergens salutares vere equidem illas aquas hauriebam. (2) iamque et plausus manum et aurium flexus et ductum capistri et quidvis aliud periclitantium placide patiebar, quoad contra vesanam eorum praesumptionem modestiam meam liquido cunctis adprobarem. (3) Ad istum modum vitato duplici periculo die sequenti rursum divinis exuviis onustus cum crotalis et cymbalis circumforaneum mendicabulum producor ad viam. (4) nec paucis casulis atque castellis oberratis devertimus ad quempiam pagum urbis opulentae

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ständiger Raserei hin und her geworfen wird?« »Überhaupt nicht, weil er durch die wachsende Wut des Giftes schon ganz und gar ausgelöscht ist.« (2) So machten sie die endgültige Entscheidung über ihre verschiedenen Meinungen von einer Erkundung abhängig und sahen durch einen Spalt, dass ich friedlich dastand, gesund an Leib und Verstand. Und nun machten sie von sich aus die Tür weiter auf und prüften, ob ich nun zahm sei. (3) Aber einer von ihnen, offensichtlich vom Himmel als mein Retter geschickt, zeigte den Übrigen folgendes Mittel zur Erkundung meines Gesundheitszustands, dass sie mir ein mit frischem Wasser gefülltes Becken als Trank anbieten sollten, und wenn ich es ohne Furcht und nach gewohnter Weise annähme und Geschmack am Wasser fände, wüssten sie, dass ich gesund und von jeder Krankheit befreit sei. (4) Vermiede ich aber auf der anderen Seite das Ansehen und Berühren des Wassers und zeigte Abneigung dagegen, daure mit Sicherheit die schädliche Tollwut hartnäckig an. Dies nämlich sei auch in alten Büchern überliefert und pflege beobachtet zu werden. 4 (1) Weil dies Anklang fand, boten sie mir sofort ein gewaltiges Gefäß mit kristallklarem, von der nächsten Quelle geholtem Wasser an, wobei sie noch zögerten. Doch ohne jeden Verzug machte ich einen Schritt vorwärts, sogar ihnen entgegen, und begann sehr durstig, vornübergebeugt und den ganzen Kopf eintauchend, dieses wahrhaft heilsame Wasser zu schlürfen. (2) Und schon duldete ich friedlich auch das Beklatschen mit den Händen, das Umbiegen meiner Ohren, das Ziehen am Halfter und was auch immer sonst sie ausprobierten, bis ich entgegen ihrem wahnwitzigen Vorurteil meine Sanftheit allen klar bewies. (3) Auf diese Weise wurde die doppelte Gefahr vermieden, und am darauffolgenden Tag wurde ich wieder, mit den göttlichen Geräten beladen, mit Klappern und Zimbeln als herumziehendes Bettelgerät zur Straße hinausgeführt. (4) Nachdem wir nicht wenige kleine Häuser und kleine Dörfer auf unserer Wanderung besucht hatten, kehrten wir in einem Dorf ein, das, wie die Einwohner er-

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quondam, ut memorabant incolae, inter semiruta vestigia conditum et hospitio proxumi stabuli recepti cognoscimus lepidam de adulterio cuiusdam pauperis fabulam, quam vos etiam cognoscatis volo. 5 (1) Is gracili pauperie laborans fabriles operas praebendo parvis illis mercedibus vitam tenebat. erat ei tamen uxorcula etiam satis quidem tenuis et ipsa, verum tamen postrema lascivia famigerabilis. (2) sed die quadam, dum matutino ille ad opus susceptum proficiscitur, statim latenter inrepit eius hospitium temerarius adulter. ac dum Veneris conluctationibus securius operantur, maritus ignarus rerum ac nihil etiam tum tale suspicans inprovisus hospitium repetit. (3) iamque clausis et obseratis foribus uxoris laudata continentia ianuam pulsat sibilo etiam praesentiam suam denuntiante. (4) tunc mulier callida et ad huius modi flagitia perastutula tenacissimis amplexibus expeditum hominem dolio, quod erat in angulo semiobrutum, sed alias vacuum, dissimulanter abscondit et patefactis aedibus adhuc introeuntem maritum aspero sermone accipit: (5) ‘Sicine vacuus et otiosus insinuatis manibus ambulabis mihi nec obito consueto labore vitae nostrae prospicies et aliquid cibatui parabis? at ego misera pernox et perdia lanificio nervos meos contorqueo, ut intra cellulam nostram saltem lucerna luceat. (6) quanto me felicior Daphne vicina, quae mero et prandio matutino saucia cum suis adulteris volutatur!’

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zählten, zwischen den halb eingestürzten Resten einer einst wohlhabenden Stadt erbaut worden war, und als wir gastfreundlich in der nächsten Herberge aufgenommen worden waren, hörten wir die charmante Geschichte über den ehebrecherischen Betrug an einem Armen, die auch ihr, wie ich möchte, hören sollt. 5 (1) Dieser litt an magerer Armut und verdiente durch Anbieten von Zimmermannsarbeit für den entsprechend geringen Lohn seinen Lebensunterhalt. Er hatte aber ein Frauchen, das auch selbst zwar sehr arm, aber doch wegen äußerster Geilheit berüchtigt war. (2) Eines Tages nun schlich, während jener früh am Morgen zu einer Arbeit unterwegs war, die er übernommen hatte, sofort heimlich in seine Behausung ein waghalsiger Ehebrecher. Und während sie sich zu sorglos mit den Ringkämpfen im Dienst der Venus betätigten, kehrte der Ehemann, der über seine Situation nichts wusste und auch jetzt nichts dergleichen argwöhnte, unerwartet zu seiner Behausung zurück. (3) Und weil schon verschlossen und verriegelt war sein Tor, lobte er die Disziplin seiner Frau und klopfte an die Tür, wobei auch sein Pfeifen seine Anwesenheit vermeldete. (4) Da löste die kluge und bei solchen schändlichen Tätigkeiten sehr pfiffige Frau den Mann aus ihren sehr engen Umarmungen, versteckte ihn heimlich in einem Fass, das in einem Winkel halb eingegraben stand, aber ansonsten leer war, öffnete das Haus und empfing ihren Mann, während er noch eintrat, mit rauen Worten: (5) »Musst du mir so frei und untätig herumspazieren, die Hände in den Gewandbausch gesteckt, ohne deiner gewohnten Arbeit nachzugehen, für unseren Lebensunterhalt zu sorgen und irgendetwas zum Essen zu besorgen? Doch ich Arme verrenke meine Muskeln bei Nacht und tagsüber mit Wollarbeit, damit in unserem Kämmerchen wenigstens eine Lampe leuchtet. (6) Um wie viel glücklicher ist Nachbarin Daphne, die, von purem Wein und frühem Mittagsmahl angeschlagen, sich mit ihren ehebrecherischen Liebhabern herumwälzt!«

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6 (1) Sic confutatus maritus ‘et quid istic est?’ ait ‘nam licet forensi negotio officinator noster attentus ferias nobis fecerit, tamen hodiernae cenulae nostrae prospexi. (2) vide sis, ut dolium, quod semper vacuum, frustra locum detinet tantum et re vera praeter impedimentum conversationis nostrae nihil praestat amplius. (3) istud ego quinque denariis cuidam venditavi, et adest, ut dato pretio secum rem suam ferat. quin itaque praecingeris mihique manum tantisper accommodas, ut exobrutum protinus tradatur emptori?’ (4) E re nata fallacia mulier temerarium tollens cachinnum ‘magnum’ inquit ‘istum virum ac strenuum negotiatorem nacta sum, qui rem, quam ego mulier et intra hospitium contenta iam dudum septem denariis vendidi, minoris distraxit.’ (5) Additamento pretii laetus maritus ‘et quis est ille’ ait ‘qui tanto praestinavit?’ At illa ‘olim, inepte,’ inquit ‘descendit in dolium sedulo soliditatem eius probaturus.’ 7 (1) Nec ille sermoni mulieris defuit, sed exurgens alacriter ‘vis’ inquit ‘verum scire, mater familias? hoc tibi dolium nimis vetustum est et multifariam rimis hiantibus quassum.’ ad maritumque eius dissimulanter conversus (2) ‘quin tu, quicumque es, homuncio, lucernam’ ait ‘actutum mihi expedis, ut erasis intrinsecus sordibus diligenter, aptum〈ne〉 usui possim dinoscere, nisi nos putas aes de malo habere?’ (3) Nec quicquam moratus ac suspicatus acer et egregius ille

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6 (1) Auf diese Weise in Verwirrung gebracht, sagte der Ehemann: »Und was ist das hier? Denn mag auch unser Manager, weil er sich einem Geschäft auf dem Forum widmete, uns einen Tag frei gegeben haben, so habe ich dennoch für unser heutiges kleines Abendessen gesorgt. (2) Schau doch bitte, wie das Fass, weil ständig leer, nutzlos nur Platz wegnimmt und in der Tat außer der Behinderung unserer Bewegung nichts weiter bietet. (3) Das habe ich für fünf Denare jemandem verkauft, und der ist da, um den Preis zu bezahlen und sein Eigentum mit sich zu nehmen. Warum also raffst du dein Kleid nicht hoch und gehst mir für einen Moment zur Hand, damit es ausgegraben und sofort dem Käufer übergeben werden kann?« (4) Ein Betrug war aus der Situation geboren, die Frau erhob ein verwegenes lautes Gelächter und sagte: »Einen großartigen Mann und einen energischen Händler habe ich da erwischt, der etwas, das ich, eine Frau und ans Haus gebunden, schon längst für sieben Denare verkauft habe, für weniger veräußert hat!« (5) Über die Zugabe zum Preis erfreut sagte der Ehemann: »Und wer ist der, welcher es für so viel erstanden hat?« Und sie sagte: »Schon vor einiger Zeit, du Dummkopf, ist er in das Fass hinabgestiegen, um es sorgfältig auf seine Festigkeit hin zu überprüfen.« 7 (1) Und der ließ es an Unterstützung für die Worte der Frau nicht fehlen, sondern, schnell von Begriff, erhob er sich und sagte: »Willst du die Wahrheit wissen, Dame des Hauses? Dieses dein Fass ist überaltert und an vielen Stellen von klaffenden Rissen gespalten.« Verschlagen zu ihrem Mann gewandt sagte er: (2) »Warum besorgst du, wer du auch bist, Männchen, mir nicht sofort eine Lampe, damit ich innen den Dreck sorgfältig wegkratzen und erkennen kann, ob es noch für den Gebrauch geeignet ist, es sei denn, du glaubst, ich würde Geld für etwas Schlechtes halten?« (3) Und ohne irgendeine Verzögerung oder einen Verdacht zündete jener eifrige und hervorragende Ehemann eine Lampe an und

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maritus accensa lucerna ‘discede,’ inquit ‘frater, et otiosus adsiste, donec probe percuratum istud tibi repraesentem.’ (4) et cum dicto nudatus ipse delato lumine scabiem vetustam cariosae testae occipit exsculpere. (5) At vero adulter, bellissimus ille pusio, inclinatam dolio 5 pronam uxorem fabri superincurvatus secure dedolabat. (6) at illa capite in dolium demisso maritum suum astu meretricio tractabat ludicre. hoc et illud et aliud et rursus aliud purgandum demonstrat digito suo, donec utroque opere perfecto acceptis septem denariis calamitosus faber collo suo gerens dolium coactus est ad hospitium 10 adulteri perferre 8 (1) Pauculis ibi diebus commorati et munificentia publica saginati vaticinationisque crebris mercedibus suffarcinati purissimi illi sacerdotes novum quaestus genus sibi comminiscuntur. (2) sorte unica pro casulis pluribus enotata consulentes de rebus variis pluri- 15 mos ad hunc modum cavillantur. sors haec erat: ‘ideo coniuncti terram proscindunt boves, ut in futurum laeta germinent sata.’ (3) Tum si qui matrimonium forte coaptantes interrogarent, rem ipsam responderi aiebant: iungendos conubio et satis liberum pro- 20 creandis. si possessiones praestinaturus quaereret, merito boves [ut] et iugum et arva sementis florentia pronuntiari. (4) si qui de profectione sollicitus divinum caperet auspicium, iunctos iam para-

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sagte: »Geh beiseite, Bruder, und stehe ruhig dabei, bis ich es fein repariert habe und dir präsentieren kann.« (4) Und mit diesen Worten entkleidete er sich, nahm die Lampe hinab und fing an, die alte Kruste des morschen Tongefäßes abzuschaben. (5) Aber der Ehebrecher, dieses bildschöne Bürschlein, krümmte sich über die Frau des Zimmermanns, die nach vorne über das Fass gebeugt war, und hobelte sie seelenruhig ab. (6) Doch sie steckte ihren Kopf in das Fass und trieb mit ihrem Mann mit hurenhafter Schlauheit ihren Spaß. Auf dies und jenes und anderes und wieder anderes zu Säuberndes zeigte sie mit ihrem Finger, bis beide Jobs beendet waren, der unglückselige Zimmermann seine sieben Denare erhielt und gezwungen wurde, das Fass auf seinem Rücken zu tragen und zum Hause des Ehebrechers zu bringen. 8 (1) Als sie sich dort wenige Tage aufgehalten hatten und durch die kommunale Freigebigkeit gemästet sowie mit den zahlreichen Belohnungen für ihre Prophezeiungen vollgestopft waren, dachten sich jene blitzsauberen Priester eine neue Art des Erwerbs aus. (2) Sie schrieben einen einzigen für viele Problemchen passenden Orakelspruch auf und hielten auf diese Weise sehr viele, die sie über verschiedene Dinge um Rat fragten, zum Besten. Der Spruch war folgender: »Verbund’ne Ochsen brechen deshalb auf das Feld, damit in Zukunft üppig sprossen kann die Saat.« (3) Wenn nun Leute, die gerade eine Ehe schließen wollten, sie befragten, sagten sie, dass genau dies beantwortet werde: Sie müssten für die Ehe und dafür verbunden werden, dass sie Saaten von Kindern erzeugten. Wenn einer, der Besitz erwerben wollte, sie konsultierte, sagten sie, aus gutem Grund würden Ochsen und Joch und von den Saaten blühende Felder genannt. (4) Wenn einer, der wegen einer Reise besorgt war, ein göttliches Zeichen zu erhalten begehrte, sagten sie, bereits verbunden und bereitgestellt seien die

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tosque quadripedum cunctorum mansuetissimos et lucrum promitti de glebae germine. (5) si proelium capessiturus vel latronum factionem persecuturus, utiles necne processus, sciscitaretur, addictam victoriam forti praesagio contendebant, quippe cervices hostium iugo subacturi et praedam de rapinis uberrimam fructuosamque capturi. (6) Ad istum modum divinationis astu captioso conraserant non parvas pecunias. 9 (1) Sed adsiduis interrogationibus argumenti satietate iam defecti rursum ad viam prodeunt via tota, quam nocte confeceramus, longe peiorem. quidni? lacunosis incilibus voraginosam, partim stagnanti palude fluidam et alibi subluvie caenosa lubricam. (2) crebris denique offensaculis et assiduis lapsibus iam contusis cruribus meis vix tandem ad campestres semitas fessus evadere potui. (3) et ecce nobis repente de tergo manipulus armati supercurrit equitis aegreque cohibita equorum curruli rabie Philebum ceterosque comites eius involant avidi (4) colloque constricto et sacrilegos impurosque compellantes interdum pugnis obverberant nec non manicis etiam cunctos coartant et identidem urgenti sermone comprimunt, (5) promerent potius aureum cantharum, promerent auctoramentum illud sui sceleris, quod simulatione sollemnium, quae in operto factitaverant, ab ipsis pulvinaribus matris deum clanculo furati, prorsus quasi possent tanti facinoris evadere supplicium tacita profectione, adhuc luce dubia pomerium pervaserint.

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sanftmütigsten aller Vierbeiner, und Gewinn werde von dem Sprießen des Ackerbodens in Aussicht gestellt. (5) Wenn jemand, der ein Gefecht beginnen oder einer Bande von Räubern folgen wollte, sich erkundigte, ob der Ausgang Nutzen bringen werde oder nicht, behaupteten sie, der Sieg sei durch die überzeugende Voraussage zugesprochen, da sie ja die Nacken der Feinde unter das Joch bringen und aus den Raubzügen sehr reichliche und ersprießliche Beute gewinnen würden. (6) Auf diese Weise hatten sie durch den listigen Trick ihrer Weissagung nicht geringe Geldsummen zusammengekratzt. 9 (1) Doch aufgrund der ständigen Befragungen bekamen sie ihre Geschichte satt, und schließlich davon erschöpft, machten sie sich wieder auf den Weg, einen weit schlimmeren als der ganze Weg, den wir nachts zurückgelegt hatten. Wie auch nicht? Er war ja schlammig durch die mit Pfützen gefüllten Rinnen, zum Teil unter Wasser gesetzt durch stehende Sümpfe und anderswo glitschig von dem kotigen Matsch. (2) Also waren durch die häufigen Hindernisse und das ständige Ausrutschen meine Beine nun zerschunden, und ich konnte schließlich kaum noch, ermüdet, wie ich war, zu Feldwegen entkommen. (3) Und sieh da, uns holte plötzlich von hinten ein Manipel bewaffneter Reiter ein, diese fielen, nachdem sie nur mit Mühe den rasenden Galopp ihrer Pferde angehalten hatten, hitzig über Philebus und dessen Gefährten her, (4) fesselten sie am Hals, nannten sie Tempelräuber und Perverse, schlugen sie ab und zu mit Fäusten, legten auch allen Handschellen an und setzten ihnen immer wieder mit drängenden Worten zu, (5) sie sollten den goldenen Kelch lieber hervorholen, sollten jene Ausbeute ihres Verbrechens hervorholen, die sie unter Vortäuschung religiöser Zeremonien, die sie im Verborgenen durchgeführt hätten, direkt vom Polster der Göttermutter heimlich gestohlen hätten, und, gerade als ob sie durch einen Aufbruch im Stillen der Strafe für ein so großes Verbrechen hätten entrinnen können, hätten sie sich noch bei Dämmerlicht über die Stadtgrenze davongemacht.

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10 (1) Nec defuit qui manu super dorsum meum iniecta in ipso deae, quam gerebam, gremio scrutatus repperiret atque incoram omnium aureum depromeret cantharum. (2) nec isto saltem tam nefario scelere impuratissima illa capita confutari terrerive potuere, sed mendoso risu cavillantes ‘en’ inquiunt ‘indignae rei scaevitatem! quam plerumque insontes periclitantur homines! (3) propter unicum caliculum, quem deum mater sorori suae deae Syriae hospitale munus optulit, 〈ut〉 noxios religionis antistites ad discrimen vocari capitis.’ (4) Haec et alias similis afannas frustra blaterantis eos retrorsus abducunt pagani statimque vinctos in Tullianum conpingunt cantharoque et ipso simulacro, quod gerebam, apud fani donarium redditis ac consecratis altera die productum me rursum voce praeconis venui subiciunt, (5) septemque nummis carius quam prius me comparaverat Philebus quidam pistor de proximo castello praestinavit protinusque frumento etiam coemto adfatim onustum per iter arduum scrupis et cuiusce modi stirpibus infestum ad pistrinum, quod exercebat, perducit. 11 (1) Ibi complurium iumentorum multivii circuitus intorquebant molas ambage varia nec die tantum, verum perpeti etiam nocte prorsus instabili machinarum vertigine lucubrabant pervigilem farinam. (2) sed mihi, 〈n〉e rudimentum servitii perhorrescerem scilicet, novus dominus loca lautia prolixe praebuit. nam et diem primum illum feriatum dedit et cibariis abundanter instruxit praesepium. (3) nec tamen illa otii saginaeque beatitudo duravit ulterius, sed die

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10 (1) Da war sogar einer, der seine Hand auf meinen Rücken legte, direkt im Schoß der Göttin, die ich trug, stöberte, den goldenen Kelch fand und ihn vor den Augen aller hervorholte. (2) Aber nicht einmal durch das so ruchlose Verbrechen konnten diese perversen Typen zum Schweigen gebracht oder erschreckt werden, sondern mit gekünsteltem Lachen spitzfindig argumentierend sagten sie: »Sieh an, welche Verkehrtheit bei einer empörenden Sache! Wie oft geraten unschuldige Menschen in Gefahr! (3) Wegen eines einzigen kleinen Bechers, den die Göttermutter ihrer Schwester, der Syrischen Göttin, als Gastgeschenk dargebracht hat, werden ihre Priester als schuldig eines Religionsfrevels tödlicher Gefahr ausgesetzt!« (4) Während sie diesen und anderen ähnlichen Unsinn vergeblich schwätzten, führten die Dorfbewohner sie zurück und warfen sie auf der Stelle gefesselt in ihr Tullianum, gaben den Kelch und die Statue selbst, die ich trug, in der Schatzkammer des Tempels ab und weihten sie, und am nächsten Tag führten sie mich hinaus, boten mich wieder durch die Stimme des Ausrufers zum Verkauf an, (5) für sieben Münzen mehr, als zuvor Philebus mich erworben hatte, erstand mich ein Müller aus dem nächsten kleinen Dorf und führte mich, den sofort mit gleichfalls gekauftem Getreide reichlich Beladenen, auf einem steilen, wegen der Steine und Baumstümpfe aller Art gefährlichen Weg zu der Mühle, die er betrieb. 11 (1) Dort drehte das vielwegige Herumgehen mehrerer Lasttiere Mühlen mit verschieden großem Umlauf, und nicht nur am Tag, sondern auch während der ganzen Nacht bewerkstelligten diese, während die Rotation der Maschinen nie stillstand, durchgehend wach die Produktion von Mehl. (2) Doch mir gewährte mein neuer Herr, offenbar damit ich mich nicht vor dem ersten Versuch der Dienstleistung entsetzte, großzügig ein luxuriöses Logis. Denn er gab mir auch diesen ersten Tag frei und versah meine Krippe reichlich mit Futter. (3) Doch diese Glückseligkeit der Ruhe und der Mast dauerte nicht länger, sondern am folgenden Tag wurde ich

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sequenti molae, quae maxima videbatur, matutinus adstituor et ilico velata facie propellor ad incurva spatia flexuosi canalis, ut in orbe termini circumfluentis reciproco gressu mea recalcans vestigia vagarer errore certo. (4) nec tamen sagacitatis ac prudentiae meae prorsus oblitus facilem me tirocinio disciplinae praebui; sed quamquam frequenter, cum inter homines agerem, machinas similiter circumrotari vidissem, (5) tamen ut expers et ignarus operis stupore mentito defixus haerebam, quod enim rebar ut minus aptum et huius modi ministerio satis inutilem me ad alium quempiam utique leviorem laborem legatum iri vel otiosum certe cibatum iri. (6) sed frustra sollertiam damnosam exercui. complures enim protinus baculis armati me circumsteterunt atque, ut eram luminibus obtectis securus etiamnunc, repente signo dato et clamore conferto plagas ingerentes acervatim adeo me strepitu turbulentant, ut cunctis consiliis abiectis ilico scitissime taeniae sparteae totus innixus discursus alacres obirem. 12 (1) At subita sectae commutatione risum toto coetu commoveram. Iamque maxima diei parte transacta defectum alioquin me helcio sparteo dimoto nexu machinae liberatum adplicant praesepio. (2) at ego, quamquam eximie fatigatus et refectione virium vehementer indiguus et prorsus fame perditus, tamen familiari curiositate attonitus et satis anxius postposito cibo, qui copiosus aderat,

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frühmorgens an den Mühlstein gestellt, welcher der größte zu sein schien, und sogleich wurde ich mit verhülltem Gesicht zu der gekrümmten Bahn der rundherum laufenden Rinne getrieben, damit ich dort im rings abgegrenzten Kreis ging, wobei ich mit stets wiederkehrendem Schritt in meine eigenen Spuren trat in festgelegtem Lauf ohne Ziel. (4) Doch ich vergaß meine Schlauheit und Voraussicht nicht ganz und gar und zeigte mich nicht geschickt bei der ersten Dienstleistung in dem Betrieb; und obwohl ich häufig, als ich unter den Menschen lebte, gesehen hatte, wie Maschinen in ähnlicher Weise gedreht wurden, (5) blieb ich dennoch so, als wäre ich unerfahren und unkundig in der Tätigkeit, mit vorgetäuschter Dummheit bewegungslos, weil ich nämlich glaubte, ich würde als weniger tauglich und für eine Dienstleistung dieser Art ziemlich nutzlos zu irgendeiner anderen, jedenfalls leichteren Arbeit geschickt oder als Müßiggänger gewiss gefüttert werden. (6) Aber ich übte mich vergeblich in einer Schlauheit, die verderblich war. Denn sofort stellten sich mehrere mit Stöcken Bewaffnete um mich herum und verpassten mir, unbekümmert, wie ich noch war mit meinen verdeckten Augen, plötzlich auf ein gegebenes Zeichen und unter gemeinsamem Gebrüll haufenweise Schläge und versetzten mich mit ihrem Lärm so sehr in Unruhe, dass ich alle Pläne über Bord warf, mich auf der Stelle sehr geschickt mit meinem ganzen Gewicht in den Gurt aus Pfriemengras legte und mit eifrigem Herumlaufen begann. 12 (1) Nun, mit der plötzlichen Änderung meiner Überzeugung hatte ich bei der ganzen Gesellschaft Gelächter erregt. Und schon war der größte Teil des Tages vergangen, ich war ohnehin erledigt, und sie entfernten mir das Halsjoch aus Pfriemengras, befreiten mich von der Anknüpfung an die Maschine und brachten mich zu der Krippe. (2) Doch obwohl ich außerordentlich müde, der Wiederherstellung meiner Kräfte heftig bedürftig und vor Hunger ganz und gar am Ende war, sparte ich dennoch, aufgrund meiner üblichen Neugier gespannt und sehr unruhig, das

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inoptabilis officinae disciplinam cum delectatione quadam arbitrabar. (3) Dii boni, quales illic homunculi vibicibus lividis totam cutem depicti dorsumque plagosum scissili centunculo magis inumbrati quam obtecti, nonnulli exiguo tegili tantum modo pubem iniecti, (4) cuncti tamen sic tunicati, ut essent per pannulos manifesti, frontes litterati et capillum semirasi et pedes anulati, tum lurore deformes et fumosis tenebris vaporosae caliginis palpebras adesi atque adeo male luminati et in modum pugilum, qui pulvisculo perspersi dimicant, farinulenta cinere sordide candidati. 13 (1) Iam de meo iumentario contubernio quid vel ad quem modum memorem? quales illi muli senes vel cantherii debiles! (2) circa praesepium capita demersi contruncabant moles palearum cervices cariosa vulnerum putredine follicantes, nares languidas adsiduo pulsu tussedinis hiulci, pectora copulae sparteae tritura continua exulcerati, costas perpetua castigatione ossium tenus renudati, ungulas multivia circumcursione in enorme vestigium porrecti totumque corium veterno atque scabiosa macie exasperati. (3) Talis familiae funestum mihi etiam metuens exemplum veterisque Lucii fortunam recordatus et ad ultimam salutis metam detrusus summisso capite maerebam. nec ullum uspiam cruciabilis vitae solacium aderat, nisi quod ingenita mihi curiositate recreabar, dum praesentiam meam parvi facientes libere, quae volunt, omnes et agunt et loquuntur. (4) nec inmerito priscae poeticae divinus

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Futter, das reichlich vorhanden war, für später auf und betrachtete den Betrieb der unerwünschten Fabrik mit einem gewissen Vergnügen. (3) Ihr guten Götter, was für Menschlein waren dort, mit bläulichen Striemen die ganze Haut gestreift, den vielgeschlagenen Rücken mit zerschlissenen Lumpen mehr beschattet als bedeckt, manche gerade noch mit einem kleinen Schurz die Scham verhüllt, (4) alle aber nur in der Weise bekleidet, dass sie durch die Fetzen sichtbar waren, in die Stirn Schrift eingebrannt, das Kopfhaar halb abgeschoren, die Füße in Ringe geschlossen, ferner entstellt durch Blässe, in der rauchigen Finsternis eines dampfenden Dunstes die Augenlider entzündet, sie deshalb in ihrer Sehkraft übel geschwächt und in der Art der Faustkämpfer, die mit Staub bestreut kämpfen, vom Mehlstaub schmutzig weiß. 13 (1) Und nun von der Lasttier-Genossenschaft – was oder auf welche Weise soll ich davon erzählen? Was für alte Maultiere oder schwache Klepper waren die! (2) Um die Krippe herum, die Köpfe hinabgetaucht, zerkauten sie einen Haufen Spreu, die Nacken von der morschen Fäulnis der Wunden geschwollen, die schlaffen Nüstern vom ständigen Stoß des Hustens geweitet, die Brust durch das fortwährende Reiben des Riemens aus Pfriemengras vereitert, die Rippen durch das ewige Geprügel bis zu den Knochen bloßgelegt, die Hufe durch das vielwegige Herumgehen zu übergroßen Fußsohlen ausgebreitet und die ganze Haut von vernachlässigter und räudiger Magerkeit rau geworden. (3) Das tödliche Beispiel einer solchen Familie fürchtete ich auch für mich, dachte zurück an das Glück des alten Lucius, und weil ich zum letzten Grenzzeichen des Lebens hinabgestoßen war, ließ ich den Kopf hängen und trauerte. Auch nicht irgendein Trost in meinem qualvollen Leben war da, außer dass ich durch die mir angeborene Neugier erquickt wurde, während alle, von meiner Gegenwart wenig Notiz nehmend, frei das, was sie wollten, taten und sagten. (4) Nicht zu Unrecht hat der göttliche Urheber der alten Dichtung

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auctor apud Graios summae prudentiae virum monstrare cupiens multarum civitatium obitu et variorum populorum cognitu summas adeptum virtutes cecinit. (5) nam et ipse gratas gratias asino meo memini, quod me suo celatum tegmine variisque fortunis exercitatum, etsi minus prudentem, multiscium reddidit. 14 (1) Fabulam denique bonam, prae ceteris suavem, compertam ad auris vestras adferre decrevi, et en occipio. (2) Pistor ille, qui me pretio suum fecerat, bonus alioquin vir et adprime modestus, pessimam et ante cunctas mulieres longe deterrimam sortitus coniugam poenas extremas tori larisque sustinebat, ut hercules eius vicem ego quoque tacitus frequenter ingemescerem. (3) nec enim vel unum vitium nequissimae illi feminae deerat, sed omnia prorsus, ut in quandam caenosam latrinam, in eius animum flagitia confluxerant: (4) saeva scaeva, virosa ebriosa, pervicax pertinax, in rapinis turpibus avara, in sumptibus foedis profusa, inimica fidei, hostis pudicitiae. (5) tunc spretis atque calcatis divinis numinibus in vicem certae religionis mentita sacrilega praesumptione dei, quem praedicaret unicum, confictis observationibus vacuis fallens omnis homines et miserum maritum decipiens matutino mero et continuo stupro corpus manciparat. 15 (1) Talis illa mulier miro me persequebatur odio. nam et antelucio recubans adhuc subiungi machinae novicium clamabat asinum (2) et statim, ut cubiculo primum processerat, insistens

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bei den Grajern in seinem Wunsch, einen Mann von höchster Klugheit zu zeigen, gesungen, durch den Besuch vieler Städte und das Kennenlernen verschiedener Völker habe dieser die höchsten Tugenden erlangt. (5) Denn auch ich selbst weiß meinem Esel großen Dank dafür, dass er mich, der ich in seiner Hülle verborgen und durch verschiedene Schicksalsschläge heimgesucht worden bin, wenn auch nicht gerade klug, so doch vielwissend gemacht hat. 14 (1) Also habe ich beschlossen, eine gute, vor allen anderen reizende Geschichte, die ich erfahren habe, vor eure Ohren zu bringen, und sieh da, ich beginne. (2) Jener Müller, der mich für einen Kaufpreis zu seinem Eigentum gemacht hatte, im Übrigen ein anständiger und überaus bescheidener Mann, hatte die böseste und vor allen anderen Frauen mit Abstand übelste Gattin bekommen und litt äußerste Qualen in Bett und Haus, so dass, beim Herkules, über sein Los auch ich im Stillen häufig seufzte. (3) Denn auch nicht ein einziges Laster fehlte jener nichtsnutzigen Frau, sondern alle Untugenden waren ganz und gar wie in einer kotbeschmutzten Kloake in ihrer Seele zusammengeströmt: (4) Sie war wild und pervers, mannstoll und weinsüchtig, eigensinnig und rechthaberisch, bei ihren schändlichen Räubereien habgierig, bei lasterhaften Ausgaben verschwenderisch, eine Gegnerin der Treue, eine Feindin der Sittsamkeit. (5) Überdies verachtete sie die göttlichen Mächte und trat sie mit Füßen, erlog anstelle einer unbestreitbaren Religion die frevelhafte Annahme eines Gottes, über den sie predigte, er sei der einzige, täuschte durch Erdichten leerer Beobachtungen alle Menschen, betrog ihren armen Ehemann und hatte ihren Körper dem puren Wein am frühen Morgen und ständiger Unzucht hingegeben. 15 (1) So eine Frau war sie, und sie verfolgte mich mit erstaunlichem Hass. Denn vor Tagesanbruch, während sie noch im Bett lag, pflegte sie zu schreien, der neue Esel solle an die Maschine gespannt werden, (2) und sobald sie aus dem Schlafzimmer hervorgetreten war, stellte sie sich sofort neben mich und befahl, dass mir in ihrer

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iubebat incoram sui plagas mihi quam plurimas inurgeri, et cum tempestivo prandio laxarentur iumenta cetera, longe tardius applicari praesepio iubebat. (3) quae saevitia multo mihi magis genuinam curiositatem in suos mores ampliaverat. nam et adsiduo plane commeantem in eius cubiculum quendam sentiebam iuvenem, cuius et faciem videre cupiebam ex summo studio, si tamen velamentum capitis libertatem tribuisset meis aliquando luminibus. (4) nec enim mihi sollertia defuisset ad detegenda quoquo modo pessimae feminae flagitia. sed anus quaedam stupri sequestra et adulterorum internuntia de die cotidie inseparabilis aderat. (5) cum qua protinus ientaculo ac dehinc vino mero mutuis vicibus velitata scaenas fraudulentas in exitium miserrimi mariti subdolis ambagibus construebat. (6) at ego, quamquam graviter suscensens errori Photidis, quae me, dum avem fabricat, perfecit asinum, isto tamen vel unico solacio aerumnabilis deformitatis meae recreabar, quod auribus grandissimis praeditus cuncta, longule etiam dissita facillime sentiebam. 16 (1) Denique die quadam timidae illius aniculae sermo talis meas adfertur auris: ‘De isto quidem, mi erilis, tecum ipsa videris, quem sine meo consilio pigrum et formidolosum familiarem istum sortita es, qui insuavis et odiosi mariti tui caperratum supercilium ignaviter perhorrescit ac per hoc amoris languidi desidia tuos volentes amplexus discruciat. (2) quanto melior Philesitherus adulescens et formonsus et liberalis et strenuus et contra maritorum inefficaces diligentias constantissimus! (3) dignus hercules solus omnium matronarum

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Gegenwart so viel Schläge wie möglich verpasst würden, und während die übrigen Lasttiere zur rechten Zeit zum Fressen abgespannt wurden, befahl sie, dass ich weit später zur Krippe gebracht werden sollte. (3) Diese Grausamkeit hatte mir die angeborene Neugier bezüglich ihres Verhaltens noch erheblich vergrößert. Denn ich bemerkte, dass regelmäßig in ihrem Schlafzimmer ein junger Mann offen aus und ein ging, dessen Gesicht ich auch mit größtem Eifer zu sehen begehrte, wenn nur meine Kopfbedeckung meinen Augen jemals ihre Freiheit gegeben hätte. (4) Mir hätte nämlich die Geschicklichkeit, die Schandtaten der bösen Frau in irgendeiner Weise aufzudecken, nicht gefehlt. Aber eine alte Frau, eine Vertraute ihres unerlaubten Sex und Vermittlerin von Ehebrechern, war täglich tagsüber untrennbar von ihr anwesend. (5) Mit der plänkelte sie gleich beim Frühstück und dann bei purem Wein, und sie wechselten sich dabei ab, betrügerische Machenschaften zum Verderben des armen Ehemannes mit listigen Winkelzügen zu planen. (6) Aber ich konnte, obwohl ich schwer erzürnt war über den Irrtum der Photis, die, während sie einen Vogel zu kreieren versuchte, einen Esel aus mir machte, mich dennoch wenigstens durch diesen einzigen Trost in meiner jammervollen Missgestalt erquicken, dass ich, mit sehr großen Ohren ausgestattet, alles sogar weit Entfernte sehr leicht wahrnehmen konnte. 16 (1) Schließlich drang eines Tages die folgende Rede jenes schüchternen alten Weibchens an mein Ohr: »Was den da betrifft, meine Herrin, magst du selbst sehen, diesen faulen und furchtsamen Gesellen da, den du dir ohne meinen Rat erkoren hast, der vor der gerunzelten Stirn deines sauertöpfischen und hassenswerten Mannes feige in Angst gerät und durch diese Trägheit schlaffer Liebe deine begehrenden Umarmungen zur Qual macht. (2) Wie viel besser ist Philesitherus, jung und hübsch und freigiebig und tatkräftig und äußerst standhaft gegenüber den vorsichtigen, aber wirkungslosen Maßnahmen der Ehemänner! (3) Der ist es wert, beim Herkules, allein den Sex aller verheirateten

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deliciis perfrui, dignus solus coronam auream capite gestare vel ob unicum istud, quod nunc nuper in quendam zelotypum maritum eximio studio commentus est. audi denique et amatorum diversum ingenium compara. 17 (1) Nosti quendam Barbarum nostrae civitatis decurionem, quem Scorpionem prae morum acritudine vulgus appellat? hic uxorem generosam et eximia formonsitate praeditam mira custodela munitam domi suae quam cautissime cohibebat.’ (2) Ad haec ultima pistoris illa uxor subiciens ‘quidni?’ inquit ‘novi diligenter. Areten meam condiscipulam memoras.’ ‘ergo’ inquit anus ‘nosti totam Philesitheri et ipsius fabulam?’ ‘minime gentium,’ inquit ‘sed nosse valde cupio et oro, mater, ordine mihi singula retexe.’ (3) Nec commorata illa sermocinatrix inmodica sic [anus] incipit: ‘Barbarus iste cum necessariam profectionem pararet pudicitiamque carae coniugis conservare summa diligentia cuperet, servulum suum Myrmecem fidelitate praecipua cognitum secreto commonet suaeque dominae custodelam omnem permittit (4) carcerem et perpetua vincula, mortem denique violentam defamem comminatus, si quisquam hominum vel in transitu digito tenus eam contigisset, idque deierans etiam confirmat per omnia divina numina. (5) ergo igitur summo pavore perculsum Myrmecem acerrimum relinquens uxori secutorem securam dirigit profectionem. Tunc obstinato animo vehementer anxius Myrmex nec usquam dominam suam progredi sinebat et lanificio domestico destrictam inseparabilis adsidebat ac tantum necessario vespertini lavacri pro-

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Frauen zu genießen, ist es wert, allein einen goldenen Kranz auf dem Kopf zu tragen, schon wegen dieses so einzigartigen Dings, das er sich erst jetzt für einen eifersüchtigen Ehemann mit außerordentlichem Bemühen ausgedacht hat. Höre also und vergleiche die verschiedenen Charaktere von Liebhabern. 17 (1) Kennst du einen gewissen Barbarus, einen Decurio unserer Stadt, den das Volk wegen der Wildheit seines Charakters Scorpio nennt? Der pflegte seine edle und mit außerordentlicher Schönheit begabte Frau unter erstaunlicher Bewachung in seinem Haus so vorsichtig wie möglich geschützt zu halten.« (2) Darauf erwidernd sagte jene schreckliche Frau des Müllers: »Natürlich, ich kenne sie sehr genau. Du sprichst von meiner Mitschülerin Arete.« »Also«, sagte die alte Frau, »kennst du die ganze Geschichte von Philesitherus selbst auch?« »Überhaupt nicht«, sagte sie, »aber ich wünsche sehr, sie zu kennen, und bitte dich, Mutter, entfalte sie mir im Einzelnen der Reihe nach.« (3) Unverzüglich begann jene maßlose Schwätzerin wie folgt: »Als dieser Barbarus Vorbereitungen für eine notwendige Reise traf und die Keuschheit seiner teuren Gattin mit größter Sorgfalt zu bewahren wünschte, instruierte er heimlich seinen Sklaven Myrmex, der ihm durch seine hervorragende Treue bekannt war, und überließ ihm die ganze Bewachung seiner Herrin, (4) wobei er ihm Kerker und ewige Fesseln, ja sogar einen gewaltsamen, unehrenhaften Tod für den Fall androhte, dass irgendein Mann sie auch nur beim Vorbeigehen mit der Fingerspitze berühre, und das bekräftigte er auch durch einen Schwur bei allen göttlichen Mächten. (5) So ließ er denn den von größter Angst erschütterten Myrmex als einen sehr wachsamen Begleiter seiner Gattin zurück und begann eine sorglose Reise. Da ließ Myrmex mit fest entschlossenem Sinn in seiner heftigen Angst seine Herrin nirgendwo hingehen, saß, wenn sie mit ihrer häuslichen Wollarbeit beschäftigt war, untrennbar von ihr dabei, hing bei ihrem allein notwendigen Gang zum abendlichen Bad wie

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gressu adfixus atque conglutinatus extremas manu prendens lacinias mira sagacitate commissae provinciae fidem tuebatur. 18 (1) Sed ardentem Philesitheri vigilantiam matronae nobilis pulchritudo latere non potuit. atque hac ipsa potissimum famosa castitate et insignis tutelae nimietate instinctus atque inflammatus quidvis facere, quidvis pati paratus ad expugnandam tenacem domus disciplinam totis accingitur viribus. (2) certusque fragilitatis humanae fidei et quod pecuniae cunctae sint difficultates perviae auroque soleant adamantinae etiam perfringi fores, opportune nanctus Myrmecis solitatem ei amorem suum aperit et supplex eum medellam cruciatui deprecatur: (3) nam sibi statutam decretamque mortem proximare, ni maturius cupito potiatur; nec eum tamen quicquam in re facili formidare debere, quippe cum vespera solus fide tenebrarum contectus atque absconditus introrepere et intra momentum temporis remeare posset. (4) his et huiusce modi suadelis validum addebat cuneum, qui rigentem prorsus servi tenacitatem violenter diffinderet; porrecta enim manu sua demonstrat ei novitate nimia candentes solidos aureos, quorum viginti quidem puellae destinasset, ipsi vero decem libenter offerret. 19 (1) Exhorruit Myrmex inauditum facinus et occlusis auribus effugit protinus. nec auri tamen splendor flammeus oculos ipsius exire potuit, sed quam procul semotus et domum celeri gradu pervectus videbat tamen decora illa monetae lumina et opulentam praedam iam tenebat animo miroque mentis salo et cogitationum

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festgeklebt an ihr, wobei er die Zipfel ihres Gewandes mit der Hand hielt, und achtete mit erstaunlichem Scharfsinn auf Zuverlässigkeit bei der ihm anvertrauten Aufgabe. 18 (1) Aber der glühenden Wachsamkeit des Philesitherus konnte die edle Schönheit der Frau nicht verborgen bleiben. Und vor allem durch diese vielbesprochene Keuschheit selbst und das Übermaß an auffallenden Schutzmaßnahmen angestachelt und entflammt, rüstete er sich, was auch immer zu tun, was auch immer zu erleiden bereit, mit allen Kräften dazu, die hartnäckige Disziplin des Hauses zu brechen. (2) Und da er sich der Fragilität menschlicher Treue und dessen sicher war, dass dem Geld alle Schwierigkeiten frei zugänglich sind und durch Gold sogar stählerne Tore aufgebrochen zu werden pflegen, eröffnete er, als er Myrmex günstigerweise beim Alleinsein traf, diesem seine Liebe und bat ihn flehend um ein Heilmittel für seine Qual. (3) Denn ihm nahe sich der festgesetzte und beschlossene Tod, wenn er nicht bald das von ihm Begehrte erlangen könne; jener müsse jedoch angesichts einer leichten Sache nichts befürchten, da er sich ja am Abend, durch den Schutz der Dunkelheit bedeckt und verborgen, allein hineinschleichen und innerhalb eines Augenblicks zurückkommen könne. (4) Diesen und ähnlichen Überredungsargumenten fügte er einen kräftigen Keil hinzu, der die äußerst starre Hartnäckigkeit des Sklaven gewaltsam spaltete; er streckte nämlich seine Hand aus und zeigte ihm die, weil sie brandneu waren, glänzenden Goldstücke, von denen er zwanzig zwar für die junge Frau bestimmt habe, ihm selbst aber gerne zehn anbiete. 19 (1) Myrmex schauderte vor der unerhörten Tat, verschloss seine Ohren und floh auf der Stelle. Doch der flammende Glanz des Goldes vermochte nicht aus seinen Augen herauszugehen, sondern er sah, obwohl er sich so weit wie möglich entfernt hatte und mit schnellem Schritt nach Hause gelangt war, trotzdem jenen herrlichen Schein der Münzen, besaß in seiner Vorstellung schon die reiche Beute, und durch sonderbares seelisches Schwanken und im

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dissentione misellus in diversas sententias carpebatur ac distrahebatur: illic fides, hic lucrum, illic cruciatus, hic voluptas. (2) ad postremum tamen formidinem mortis vicit aurum. nec saltem spatio cupido formonsae pecuniae leniebatur, sed nocturnas etiam curas invaserat pestilens avaritia, ut, quamvis erilis eum comminatio domi cohiberet, aurum tamen foras evocaret. (3) tunc devorato pudore et dimota cunctatione sic ad aures dominae mandatum perfert. nec a genuina levitate descivit mulier, sed execrando metallo pudicitiam suam protinus auctorata est. (4) ita gaudio perfusus 〈advolat〉 ad suae fidei praecipitium Myrmex non modo capere, verum saltem contingere, quam exitio suo viderat pecuniam cupiens et magnis suis laboribus perfectum desiderium Philesithero laetitia percitus nuntiat statimque destinatum praemium reposcit et tenet nummos aureos manus Myrmecis, quae nec aereos norat. 20 (1) Iamque nocte promota solum perducit ad domum probeque capite contectum amatorem strenuum infert adusque dominae cubiculum. (2) commodum novis amplexibus Amori rudi litabant, commodum prima stipendia Veneri militabant nudi milites, et contra omnium opinionem captata noctis opportunitate inprovisus maritus adsistit suae domus ianuam. (3) iam pulsat, iam clamat, iam saxo fores verberat et ipsa tarditate magis magisque suspectus dira comminatur Myrmeci supplicia. at ille repentino malo perturbatus et misera trepidatione ad inopiam consilii deductus, quod solum poterat, nocturnas tenebras sibi causabatur obsis-

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Streit der Gedanken wurde der Arme zwischen einander widersprechenden Meinungen zerpflückt und auseinandergerissen: dort die Treue, hier der Gewinn, dort die Folter, hier das Vergnügen. (2) Am Ende jedoch besiegte das Gold die Angst vor dem Tode. Nicht einmal durch die räumliche Entfernung wurde das Verlangen nach dem schönen Geld gelindert, sondern die verderbliche Habgier hatte auch von den nächtlichen Sorgen Besitz ergriffen, so dass ihn, obwohl ihn die Drohung des Herrn im Haus festhielt, das Gold dennoch nach draußen rief. (3) Da schluckte er seine Scheu hinunter, legte das Zögern beiseite und brachte das ihm Aufgetragene der Herrin zu Ohren. Und die Frau verleugnete nicht die ihr angeborene Unbeständigkeit und vermietete für das fluchwürdige Metall sofort ihre Keuschheit. (4) So eilte Myrmex, von Freude übergossen, zum Absturz seiner Treue, weil er nicht nur zu ergreifen, sondern auch wenigstens zu berühren begehrte das Geld, das er zu seinem Unheil gesehen hatte, meldete vor Freude ganz aufgeregt dem Philesitherus, dass durch seine großen Mühen dessen Wunsch erfüllt sei, forderte auf der Stelle den ihm bestimmten Lohn, und es hielt Münzen aus Gold die Hand des Myrmex, die nicht einmal kupferne kannte. 20 (1) Und als die Nacht schon vorgerückt war, führte er den kräftigen Liebhaber, ihn allein mit gut verhülltem Kopf, zu dem Haus und brachte ihn hinein bis zum Schlafzimmer der Herrin. (2) Gerade opferten sie in ihren ersten Umarmungen dem unerfahrenen Amor, gerade leisteten die nackten Krieger der Venus ihren ersten Kriegsdienst, als entgegen der Erwartung aller der Ehemann, der die günstige Gelegenheit der Nacht ergriffen hatte, unvorhergesehen an der Tür seines Hauses stand. (3) Schon klopfte er, schon schrie er, schon schlug er mit einem Stein an die Tür und drohte, gerade durch die Verzögerung mehr und mehr argwöhnisch geworden, Myrmex grässliche Strafen an. Doch der, durch das plötzliche Unheil verwirrt und durch jämmerliche Furcht in Ratlosigkeit gestürzt, brachte, was er allein konnte, als Entschuldigung vor, die

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tere, quin clavem curiose absconditam repperiret. (4) interdum Philesitherus cognito strepitu raptim tunicas iniectus, sed plane prae turbatione pedibus intectis procurrit cubiculo. tunc Myrmex tandem clave pessulis subiecta repandit fores et recepit etiam tunc fidem deum boantem dominum eoque propere cubiculum petente clandestino transcursu dimittit Philesitherum. quo iam pro limite liberato securus sui clausa domo rursum se reddidit quieti. 21 (1) Sed dum prima luce Barbarus procedit cubiculo, videt sub lectulo soleas incognitas, quibus inductus Philesitherus inrepserat, suspectisque e re nata quae gesta sunt, (2) non uxori, non ulli familiarum cordolio patefacto, sublatis iis et in sinum furtim absconditis, iusso tantum Myrmece per conservos vincto forum versus adtrahi, tacitos secum mugitus iterans rapidum dirigit gressum, certus solearum indicio vestigium adulteri posse se perfacile indipisci. (3) sed ecce per plateam dum Barbarus vultu turgido subductisque superciliis incedit iratus ac pone eum Myrmex vinculis obrutus, non quidem coram noxae prehensus, conscientia tamen pessima permixtus lacrimis uberibus ac postremis lamentationibus inefficacem commovet miserationem, (4) opportune Philesitherus occurrens, quamquam diverso quodam negotio destinatus, repentina tamen facie permotus, non enim deterritus, (5) recolens festinationis suae delictum et cetera consequenter suspicatus sagaciter extemplo sumpta familiari constantia dimotis servulis invadit cum summo

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nächtliche Dunkelheit habe ihn darin behindert, den sorgfältig versteckten Schlüssel zu finden. (4) Unterdessen rannte Philesitherus, nachdem er den Lärm gehört und hastig seine Tunika übergeworfen hatte, aus dem Schlafzimmer, aber, eindeutig vor Verwirrung, mit unbedeckten Füßen. Dann schob Myrmex endlich den Schlüssel in den Riegel, machte die Tür auf und ließ den Herrn ein, der auch dann noch Flüche blökte, und während dieser eilends dem Schlafzimmer zustrebte, ließ er Philesitherus heimlich in seinem Rücken an sich vorbei und weglaufen. Als er diesen nun zu dessen Sicherheit nach draußen gebracht hatte, verschloss er, um sich selbst unbesorgt, das Haus und wandte sich wieder dem Schlaf zu. 21 (1) Doch während Barbarus bei Tagesanbruch aus dem Schlafzimmer hervortrat, sah er unter dem Bett die ihm unbekannten Sandalen, mit denen angetan Philesitherus sich hereingeschlichen hatte, argwöhnte angesichts der Situation, was geschehen war, und hob, (2) ohne seiner Frau, ohne irgendeinem von den Hausgenossen sein Herzeleid zu enthüllen, sie auf, verbarg sie verstohlen im Gewandbausch, befahl nur, dass Myrmex, durch die Mitsklaven gefesselt, zum Forum geschleppt werde, und lenkte, still bei sich sein Geblöke wiederholend, hastig den Schritt dorthin, dessen gewiss, dass er durch einen Hinweis der Sandalen die Spur des Ehebrechers sehr leicht finde könne. (3) Und sieh da, während Barbarus mit angeschwollenem Gesicht und hochgezogenen Augenbrauen zornig dahinschritt und hinter ihm Myrmex, durch Fesseln beschwert, zwar nicht auf frischer Tat ertappt, jedoch durch sein sehr schlechtes Gewissen verwirrt, mit reichlichen Tränen und hemmungslosen Klagen Mitleid zu erwecken versuchte, wenn auch erfolglos, (4) begegnete ihnen günstigerweise Philesitherus, der, obwohl er mit einer ganz anderen Angelegenheit beschäftigt war, dennoch durch den plötzlichen Anblick beunruhigt, aber nicht verschreckt, (5) sich an das Versehen bei seinem Davoneilen erinnerte, das Übrige folgerichtig mit Scharfsinn erahnte, seine gewohnte Selbstbeherrschung sofort zu Hilfe nahm, die Sklaven beiseiteschob, mit lautem Geschrei

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clamore Myrmecem pugnisque malas eius clementer obtundens (6) “at te,” inquit “nequissimum et periurum caput, dominus iste tuus et cuncta caeli numina, quae deierando temere devotasti, pessimum pessime perduint, qui de balneis soleas hesterna die mihi furatus es. dignus, hercules, dignus, qui et ista vincula conteras et insuper carceris etiam tenebras perferas.” (7) Hac opportuna fallacia vigorati iuvenis inductus, immo sublatus et ad credulitatem delapsus Barbarus postliminio domum regressus vocato Myrmece, soleas illas offerens et ignovit ex animo et, uti domino redderet, cui surripuerat, suasit.’ 22 (1) Hactenus adhuc anicula garriente suscipit mulier: ‘beatam illam, quae tam constantis sodalis libertate fruitur! at ego misella molae etiam sonum et ecce illius scabiosi asini faciem timentem familiarem incidi.’ (2) ad haec anus: ‘iam tibi ego probe suasum et confirmatum animi amatorem illum alacrem vadimonium sistam’ et insuper condicta vespertina regressione cubiculo facessit. (3) at pudica uxor statim cenas saliares comparat, vina pretiosa defaecat, pulmenta recentia tuccetis temperat, mensam largiter instruit. denique, ut dei cuiusdam adventus, sic exspectatur adulteri. nam et opportune maritus foris apud naccam proximum cenitabat. (4) Ergo igitur metis die propinquante helcio tandem absolutus refectuique secure redditus non tam hercules laboris libertatem gratulabar quam quod revelatis luminibus libere iam cunctas

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auf Myrmex losging, auf dessen Wangen sanft mit Fäusten schlug und sagte: (6) ›Doch dich, du nichtsnutziger und meineidiger Kopf, mögen dieser dein Herr da und alle Himmelsmächte, die du mit Schwüren dreist gelobend angerufen hast, Schändlicher, auf das Schändlichste vernichten, der du mir am gestrigen Tage aus dem Bad die Sandalen gestohlen hast. Du verdienst es, beim Herkules, verdienst es, dass du diese Ketten abreibst und obendrein auch die Finsternis des Kerkers erduldest.‹ (7) Durch diesen günstig erfolgenden Trick des tüchtigen jungen Mannes verleitet, ja sogar wieder aufgerichtet, verfiel Barbarus in Leichtgläubigkeit, kehrte nach Hause zurück, rief Myrmex, verzieh ihm von Herzen, während er ihm jene Sandalen übergab, und riet ihm, sie dem Besitzer zurückzugeben, dem er sie geraubt hatte.« 22 (1) Während das alte Weibchen soweit noch schwätzte, versetzte die Frau: »Glücklich die, welche sich der Verwegenheit eines so standhaften Gefährten erfreut! Doch ich Arme bin an einen Hausfreund geraten, der sogar vor dem Geräusch der Mühle und, schau hin, dem Gesicht des räudigen Esels da Angst hat.« (2) Darauf die alte Frau: »Ich werde dir bald jenen munteren Liebhaber tüchtig überreden, ihn in seinem Mut bestärken und sicherstellen, dass er vor Gericht erscheint«, und als sie obendrein versprochen hatte, am Abend zurückzukommen, machte sie sich aus dem Schlafzimmer davon. (3) Und die keusche Gattin bereitete sofort ein üppiges Mahl, klärte kostbare Weine, mischte einem frisch gekochten Ragoutgericht Gewürze bei, stattete die Tafel reichlich aus. Schließlich wurde die Ankunft des Ehebrechers so erwartet, als wäre es die eines Gottes. Denn günstigerweise speiste der Ehemann auswärts bei einem benachbarten Walker. (4) Als also der Tag sich seinem Ziel näherte, da beglückwünschte ich mich, nachdem ich endlich vom Halsjoch befreit und der Erholung ohne Sorgen zurückgegeben war, nicht so sehr, beim Herkules, wegen der Befreiung von der Plackerei wie deshalb, weil ich mit enthüllten Augen nun frei alle Künste der verbrecherischen Frau

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facinorosae mulieris artes prospectare poteram. (5) sol ipsum quidem delapsus Oceanum subterrenas orbis plagas inluminabat, et ecce nequissimae anus adhaerens lateri temerarius adulter adventat, (6) puer admodum et adhuc lubrico genarum splendore conspicuus, adhuc adulteros ipse delectans. hunc multis admodum saviis exceptum mulier cenam iubet paratam accumbere. 23 (1) Sed ut primum occursoriam potionem et inchoatum gustum extremis labiis contingebat adulescens, multo celerius opinione rediens maritus adventat. (2) tunc uxor egregia diras devotiones in eum deprecata et crurum ei fragium a〈m〉b〈orum〉 ominata exsangui formidine trepidantem adulterum alveo ligneo, quo frumenta confusa purgari consuerant, temere propter iacenti suppositum abscondit, (3) ingenitaque astutia dissimulato tanto flagitio intrepidum mentita vultum percontatur de marito, cur utique contubernalis artissimi deserta cenula praematurus adforet. (4) At ille dolenti prorsus animo suspirans adsidue ‘nefarium’ inquit ‘et extremum facinus perditae feminae tolerare nequiens fuga me proripui. hem, qualis, dii boni, matrona, quam fida quamque sobria turpissimo se dedecore foedavit! iuro per istam ego sanctam Cererem me nunc etiam meis oculis de tali muliere minus credere.’ (5) His instincta verbis mariti audacissima uxor noscendae rei cupiens non cessat optundere, totam prorsus a principio fabulam

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beobachten konnte. (5) Die Sonne war ganz in den Ozean hinabgeglitten und erleuchtete die unterirdischen Gebiete der Welt, und sieh da, es erschien, an der Seite der nichtsnutzigen alten Frau hängend, der verwegene Ehebrecher, (6) noch ganz ein Junge und auffallend durch den noch glatten Glanz seiner Wangen, noch selbst eine Freude für Ehebrecher. Ihn empfing die Frau mit sehr vielen Küssen und bat ihn, sich zu dem von ihr bereiteten Mahl niederzulassen. 23 (1) Aber sobald der junge Mann den Willkommenstrunk und die angefangene Vorspeise mit dem Rand seiner Lippen berührte, erschien, viel schneller als erwartet zurückkehrend, der Ehemann. (2) Da schleuderte die hervorragende Gattin grässliche Flüche gegen ihn, wünschte ihm, dass er beide Beine breche, legte den in blutloser Angst zitternden Ehebrecher unter einen hölzernen Trog, in dem das zusammengeschüttete Getreide gereinigt zu werden pflegte und der zufällig nahebei lag, um ihn zu verstecken, (3) und indem sie mit der ihr angeborenen Verschlagenheit ihr so großes Verbrechen durch Vortäuschen eines unbefangenen Gesichtes verheimlichte, fragte sie ihren Mann, warum in aller Welt er das Mahl seines sehr engen Freundes verlassen habe und so früh da sei. (4) Doch der seufzte fortwährend aus schwer bekümmertem Herzen und sagte: »Weil ich das ruchlose und schreckliche Verbrechen der verworfenen Frau nicht ertragen konnte, habe ich mich schnell auf die Flucht begeben. O ihr guten Götter, was für eine ehrbare Dame, wie treu und wie enthaltsam, hat sich mit der schimpflichsten Schande befleckt! Ich schwöre bei dieser heiligen Ceres da, dass ich auch jetzt meinen eigenen Augen das bei einer solchen Frau nicht glauben kann.« (5) Durch diese Worte ihres Mannes angestachelt, hörte die höchst dreiste Frau in ihrem Verlangen, die Sache zu erfahren, nicht auf, ihn zu bedrängen, er solle die ganze Geschichte direkt von Anfang an von sich geben, und sie ließ nicht ab, bis der Mann ihrem

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promeret, nec destitit, donec eius voluntati succubuit maritus et sic ignarus suorum domus alienae percenset infortunium: 24 (1) ‘Contubernalis mei fullonis uxor alioquin servati pudoris, ut videbatur, femina, quae semper secundo rumore gloriosa larem mariti pudice gubernabat, occulta libidine prorumpit in adulterum quempiam. cumque furtivos amplexus obiret adsidue, ipso illo denique momento, quo nos lauti cenam petebamus, cum eodem illo iuvene miscebatur in venerem. (2) ergo nostra repente turbata praesentia, subitario ducta consilio eundem illum subiectum contegit viminea cavea, quae fustium flexu tereti in rectum aggerata cumulum lacinias circumdatas suffusa candido fumo sulpuris inalbabat eoque iam. ut sibi videbatur, tutissime celato mensam nobiscum secura participat. (3) interdum acerrimo gravique odore sulpuris iuvenis inescatus atque obnubilatus intercluso spiritu diffluebat, utque est ingenium vivacis metalli, crebras ei sternutationes commovebat. 25 (1) Atque ut primum e regione mulieris pone tergum eius maritus acceperat sonum sternutationis, quod enim putaret ab ea profectum, solito sermone salutem ei fuerat imprecatus et iterato rursum et frequentato saepius, donec rei nimietate commotus, quod res erat, tandem suspicatur. (2) et impulsa mensa protinus remotaque cavea producit hominem crebros anhelitus aegre reflantem inflammatusque indignatione contumeliae gladium flagitans iugulare moriturum gestiebat, (3) ni respecto communi periculo vix

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Wunsch nachgab und so in Unkenntnis seines eigenen Missgeschicks über das eines fremden Hauses vollständig berichtete: 24 (1) »Die Frau meines Kameraden, des Walkers, sonst, wie es schien, eine Frau von wohlbewahrter Keuschheit, die, stets glorreich durch einen guten Ruf, das Hauswesen ihres Mannes keusch leitete, stürzte sich in heimlicher Leidenschaft auf einen Ehebrecher. Und da sie sich ständig den verstohlenen Umarmungen hingab, war sie folglich in eben jenem Augenblick, als wir nach dem Bad dem Mahl zustrebten, mit jenem selben jungen Mann beim Liebesspiel verflochten. (2) Also wurde sie durch unsere plötzliche Anwesenheit in Panik versetzt, steckte ihn, von einer plötzlichen Eingebung geleitet, um ihn zu verhüllen, unter einen Käfig aus Weidengeflecht, der, aus gebogenen, glatten Ruten gefertigt, die so aufgebaut waren, dass sie oben in eine Spitze mündeten, und von weißem Schwefeldampf durchdrungen, zur Bleichung herumgehängter Gewänder diente, und als sie ihn, wie ihr schien, sehr sicher versteckt hatte, nahm sie unbekümmert mit uns am Mahl teil. (3) Unterdessen wurde der junge Mann von dem sehr scharfen und schweren Schwefeldunst verschlungen und benebelt und war dabei, dahinzuschwinden, weil ihm der Atem blockiert wurde, und wie die Eigenschaft des lebenskräftigen Minerals ist, bewegte es ihn zu häufigem Niesen. 25 (1) Und als aus der Richtung der Frau, hinter ihrem Rücken, ihr Mann erstmals den Klang des Niesens vernommen hatte, da hatte er ihr, weil er natürlich glaubte, es sei von ihr gekommen, mit der üblichen Wendung Gesundheit gewünscht und nach der Wiederholung wieder und nach häufigen Malen öfter, bis er, durch die allzu große Häufigkeit beunruhigt, endlich vermutete, was tatsächlich los war. (2) Und sofort stieß er den Tisch weg, entfernte den Käfig, zog den Menschen hervor, der die Atemluft, nach der er in einem fort japste, kaum ausatmete, verlangte, von der Empörung über die Schmach entflammt, ein Schwert und war entschlossen, ihm, der dem Tod nahe war, die Kehle durchzuschneiden, (3) wenn

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eum ab impetu furioso cohibuissem adseverans brevi absque noxa nostri suapte inimicum eius violentia sulpuris periturum. (4) nec suadela mea, sed ipsius rei necessitate lenitus quippe iam semivivum illum in proximum deportat angiportum. (5) tum uxorem eius tacite suasi ac denique persuasi, secederet paululum atque ultra limen tabernae ad quampiam tantisper familiarem sibi 〈deverteret〉 mulierem, quoad spatio fervens mariti sedaretur animus, (6) qui tanto calore tantaque rabie perculsus non erat dubius aliquid etiam de se suaque coniuge tristius profecto cogitare. talium contubernalis epularum taedio fugatus larem reveni meum.’ 26 (1) Haec recensente pistore iam dudum procax et temeraria mulier verbis execrantibus fullonis illius detestabatur uxorem: illam perfidam, illam impudicam, denique universi sexus grande dedecus, quae suo pudore postposito torique genialis calcato foedere larem mariti lupanari maculasset infamia iamque perdita nuptae dignitate prostitutae sibi nomen adsciverit; addebat et tales oportere vivas exuri feminas. (2) et tamen taciti vulneris et suae sordidae conscientiae commonita, quo maturius stupratorem suum tegminis cruciatu liberaret, identidem suadebat maritum temperius quieti decedere. (3) at ille utpote intercepta cena, profugus et prorsus ieiunus, mensam potius comiter postulabat. adponebat ei propere quamvis invita mulier quippini destinatam alii.

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ich ihn nicht mit Rücksicht auf die Gefahr für uns beide mit Mühe von seiner wahnwitzigen Attacke abgehalten hätte, indem ich versicherte, dass in Kürze und ohne unsere Schuld sein Feind von selbst durch die Gewalt des Schwefels umkommen werde. (4) Und nicht durch meine Überzeugungskraft, sondern durch die Not der Umstände selbst besänftigt, trug er ihn, da er ja schon halbtot war, in die nächste Gasse. (5) Dann riet ich heimlich seiner Frau und überredete sie schließlich, sich für eine Weile zurückzuziehen und fern von der Schwelle seines Ladens so lange bei einer mit ihr befreundeten Frau zu wohnen, bis mit der Zeit der flammende Zorn ihres Mannes sich lege, (6) der mit seiner so großen Hitze und seiner so großen Wut keinen Zweifel ließ, dass er wahrhaftig auch in Bezug auf sich und seine Frau etwas Unheilvolles im Sinn habe. Vom Widerwillen gegen ein solches Mahl bei meinem Kameraden vertrieben, kehrte ich zu meinem eigenen Heim zurück.« 26 (1) Während der Müller dies berichtete, äußerte seine schon seit langer Zeit unverschämte und dreiste Frau immer wieder unter Verwünschungen ihren Abscheu gegen die Frau jenes Walkers: Jene Treulose, jene Schamlose, kurz, eine große Schande für das gesamte Geschlecht, die dadurch, dass sie ihre Keuschheit hintansetzte und den Bund des Hochzeitsbettes mit Füßen trat, das Haus ihres Mannes mit der Schmach eines Bordells befleckt und nun nach dem Verlust der Würde einer verheirateten Frau sich den Namen einer Hure zugezogen habe; sie fügte sogar hinzu, solche Frauen müssten lebendig verbrannt werden. (2) Und doch dachte sie an ihre heimliche Wunde und ihr schmutziges Gewissen, und um eher ihren Sextäter von der Qual seiner Bedeckung zu befreien, riet sie wiederholt ihrem Mann, sich früher zum Schlaf zurückzuziehen. (3) Aber der verlangte, da er ja nach der Unterbrechung des Abendessens geflohen und vollkommen nüchtern war, vielmehr höflich nach einem Mahl. Die Frau begann eilends, wenn auch widerwillig, ihm vorzusetzen, was für jemand anders bestimmt war.

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(4) Sed mihi penita carpebantur praecordia et praecedens facinus et praesentem deterrimae feminae constantiam cogitanti mecumque sedulo deliberabam, si quo modo possem detectis ac revelatis fraudibus auxilium meo perhibere domino illumque, qui ad instar testudinis alveum succubabat, depulso tegmine cunctis palam facere. 27 (1) Sic erili contumelia me cruciatum tandem caelestis respexit Providentia. nam senex claudus, cui nostra tutela permissa fuerat, universa nos iumenta id hora iam postulante ad lacum proximum bibendi causa gregatim prominabat. quae res optatissimam mihi vindictae subministravit occasionem. (2) namque praetergrediens observatos extremos adulteri digitos, qui per angustias cavi tegminis prominebant, obliquata atque infesta ungula compressos usque ad summam minutiem contero, donec intolerabili dolore commotus sublato flebili clamore repulsoque et abiecto alveo conspectui profano redditus scaenam propudiosae mulieris patefecit. (3) nec tamen pistor damno pudicitiae magnopere commotus exsangui pallore trepidantem puerum serena fronte et propitiata facie commulcens incipit: (4) ‘Nihil triste de me tibi, fili, metuas. non sum barbarus nec agresti morum squalore praeditus nec ad exemplum naccinae truculentiae sulpuris te letali fumo necabo ac ne iuris quidem severitate lege de adulteriis ad discrimen vocabo capitis tam venustum tamque pulchellum puellum, sed plane cum uxore mea partiario tractabo. (5) nec herciscundae familiae, sed communi dividundo formula

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(4) Doch von mir wurde tief innen mein Herz zerfressen, da ich an die vorausgegangene Untat und die gegenwärtige Unbeirrbarkeit der höchst üblen Frau dachte, und ich überlegte eifrig bei mir, ob ich auf irgendeine Weise ihre Betrügereien aufdecken und enthüllen, meinem Herrn Hilfe leisten und den, der wie eine Schildkröte unter dem Trog lag, durch Wegstoßen seiner Bedeckung allen offenbar machen könnte. 27 (1) Während ich auf solche Weise wegen der meinem Herrn angetanen Schmach gequält war, blickte endlich die himmlische Providentia auf mich. Denn der lahme alte Mann, dem die Aufsicht über uns anvertraut war, trieb uns Lasttiere alle, als jetzt die Stunde es forderte, in einer Herde zu einem See in der Nähe zum Trinken. Das verschaffte mir die höchst erwünschte Gelegenheit zur Rache. (2) Denn im Vorbeigehen bemerkte ich die Zehenspitzen des Ehebrechers, die wegen der Enge der ihn umschließenden Bedeckung hervortraten, und mit einem seitlichen und wütenden Huftritt quetschte ich sie zusammen und zermalmte sie gänzlich zu Brei, bis er, von dem unerträglichen Schmerz dazu getrieben, ein jämmerliches Geschrei erhob, den Trog zurückstieß und wegschob und, dem Blick der Uneingeweihten ausgesetzt, die Intrigen der schändlichen Frau offenbarte. (3) Der Müller ließ sich jedoch durch den Verlust der Keuschheit nicht sehr aufregen, streichelte den totenblassen und zitternden Jungen mit heiterer Stirn und wohlwollendem Gesicht und begann zu sprechen: (4) »Du sollst nichts Unheilvolles von mir befürchten, mein Sohn. Ich bin kein Barbar, auch nicht mit der bäurischen Rauheit des Charakters ausgestattet, werde dich nicht nach dem Beispiel des grimmigen Walkers mit tödlichem Schwefeldampf umbringen und nicht einmal mit der Strenge des Rechts auf der Basis des Gesetzes über Ehebruch mit einer Anklage auf Leben und Tod ein so hübsches Jüngelchen vor Gericht bringen, sondern in Ehren ganz und gar als gemeinsamen Besitz mit meiner Frau behandeln. (5) Ich werde nicht nach dem Verfahren bei einer Erbschaftsteilung, son-

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dimicabo, ut sine ulla controversia vel dissensione tribus nobis in uno conveniat lectulo. nam et ipse semper cum mea coniuge tam concorditer vixi, ut ex secta prudentium eadem nobis ambobus placerent. sed nec aequitas ipsa patitur habere plus auctoritatis uxorem quam maritum.’ 28 (1) Talis sermonis blanditie cavillatum deducebat ad torum nolentem puerum, sequentem tamen. et pudicissima illa uxore alterorsus disclusa solus ipse cum puero cubans gratissima corruptarum nuptiarum vindicta perfruebatur. (2) sed cum primum rota solis lucida diem peperit, vocatis duobus e familia validissimis quam altissime sublato puero ferula nates eius obverberans (3) ‘tu autem,’ inquit ‘tam mollis ac tener et admodum puer, defraudatis amatoribus aetatis tuae flore mulieres adpetis atque eas liberas et conubia lege sociata conrumpis et intempestivum tibi nomen adulteri vindicas?’ (4) His et pluribus verbis compellatum et insuper adfatim plagis castigatum forinsecus abicit. at ille adulterorum omnium fortissimus insperata potitus salute, tamen nates candidas illas noctu diuque dirruptus maerens profugit. nec setius pistor ille nuntium remisit uxori eamque protinus de sua proturbavit domo. 29 (1) At illa praeter genuinam nequitiam contumelia etiam, quamvis iusta, tamen altius commota atque exasperata ad armillum revertit et ad familiares feminarum artes accenditur (2) magnaque cura requisitam veteratricem quandam feminam, quae devotionibus ac maleficiis quidvis efficere posse credebatur, multis exorat

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dern bei der Nutzung von gemeinsamem Besitz vorgehen, so dass wir drei uns ohne Streitgespräch oder Meinungsverschiedenheit in einem Bett einigen. Denn auch ich selbst habe mit meiner Gattin stets so einträchtig gelebt, dass gemäß der Schulmeinung der Gelehrten uns beiden dasselbe gefiel. Aber andererseits gestattet das Prinzip der Gleichheit nicht, dass die Gattin mehr Recht auf Eigentum hat als der Gatte.« 28 (1) Nachdem er ihn mit der Nettigkeit solch einer Rede verspottet hatte, führte er den Jungen, der nicht wollte, doch folgte, zum Bett. Und er schloss jene allerkeuscheste Gattin anderswo ein, schlief selbst allein mit dem Jungen und genoss eine höchst angenehme Rache für die Schändung seiner Ehe. (2) Aber sobald das leuchtende Rad der Sonne den Tag geboren hatte, rief er zwei sehr Starke aus der Dienerschaft, ließ sie den Jungen möglichst hoch heben und sagte, während er ihm mit einer Rute die Pobacken verprügelte: (3) »Du also, so weich und zart und noch ein Junge, betrügst Liebhaber um die Blüte deiner Jugend, jagst Frauen hinterher, noch dazu freigeborenen, zerstörst gesetzlich geschlossene Ehen und beanspruchst vor der Zeit die Bezeichnung als Ehebrecher?« (4) Nachdem er ihn mit diesen und mehr Worten angeredet und überdies reichlich mit Schlägen gezüchtigt hatte, warf er ihn zur Tür hinaus. Und dieser Tapferste aller Ehebrecher, der unverhofft sein Leben behalten hatte, floh dennoch traurig, da jene seine weißen Pobacken in der Nacht und am Tag zerfetzt worden waren. Ebenso ließ jener Müller seiner Frau die Mitteilung der Scheidung übermitteln und jagte sie sofort aus dem Haus. 29 (1) Doch die war, abgesehen von der ihr angeborenen Schlechtigkeit, auch von der Schmach, so gerecht die war, dennoch recht tief erschüttert und erbittert, kehrte wieder zu ihren alten Methoden zurück, ließ sich zu den üblichen Künsten der Frauen entflammen, (2) suchte mit großer Sorgfalt und fand eine gerissene alte Frau, von der man glaubte, sie könne durch Verwünschungen und böse Künste alles, was man nur wünsche, bewirken, flehte sie

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precibus multisque suffarcinat muneribus (3) alterum de duobus postulans, vel rursum mitigato conciliari marito vel, si id nequiverit, certe larva vel aliquo diro numine immisso violenter eius expugnari spiritum. (4) tunc saga illa et divini potens primis adhuc armis facinerosae disciplinae suae velitatur et vehementer offensum mariti flectere atque in amorem impellere conatur animum. quae res cum ei sequius ac rata fuerat proveniret, indignata numinibus et praeter praemii destinatum compendium contemptione etiam stimulata ipsi iam miserrimi mariti incipit imminere capiti umbramque violenter peremptae mulieris ad exitium eius instigare. 30 (1) Sed forsitan lector scrupulosus reprehendens narratum meum sic argumentaberis: ‘unde autem tu, astutule asine, intra terminos pistrini contentus, quid secreto, ut adfirmas, mulieres gesserint, scire potuisti?’ (2) accipe igitur, quem ad modum homo curiosus iumenti faciem sustinens cuncta, quae in perniciem pistoris mei gesta sunt, cognovi. (3) Diem ferme circa mediam repente intra pistrinum mulier reatu miraque tristitie deformis apparuit, flebili centunculo semiamicta, nudis et intectis pedibus, lurore buxeo macieque foedata, et discerptae comae semicanae sordentes inspersu cineris pleramque eius anteventulae contegebant faciem. (4) haec talis manu pistori clementer iniecta quasi quippiam secreto conlocutura in suum cubiculum deducit eum et adducta fore quam diutissime demora-

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mit vielen Bitten an und stopfte sie mit vielen Geschenken voll, (3) wobei sie eines von beiden forderte, entweder ihr Mann solle wieder besänftigt werden und sich mit ihr versöhnen, oder ihm solle, wenn jene dazu nicht imstande sei, wenigstens ein Gespenst oder ein böser Dämon geschickt und sein Geist gewaltsam erobert werden. (4) Da plänkelte jene Hexe, die über das Göttliche Macht hatte, zunächst noch mit den erst einmal verfügbaren Waffen ihres verbrecherischen Handwerks und versuchte, die heftig gekränkte Seele des Ehemannes umzustimmen und sie zur Liebe zu zwingen. Als das anders für sie ausging, als sie geglaubt hatte, war sie verärgert über die Mächte und fing nun an, außer von dem Profit der vereinbarten Belohnung auch durch die Verachtung angestachelt, direkt das Leben des Ärmsten der Ehemänner zu bedrohen und den Schatten einer gewaltsam getöteten Frau zu seinem Verderben aufzuhetzen. 30 (1) Aber vielleicht wirst du als auf Genauigkeit bedachter Leser meine Erzählung tadeln und so argumentieren: »Aber woher konntest du, schlauer Esel, wo du doch innerhalb der Grenzen der Mühle festgehalten wurdest, das wissen, was, wie du behauptest, die Frauen insgeheim getrieben haben?« (2) Vernimm also, auf welche Weise ich als ein neugieriger Mensch, der die Gestalt eines Lasttiers ertrug, alles, was zum Verderben meines Müllers getrieben wurde, erfahren habe. (3) Ungefähr um die Mitte des Tages erschien plötzlich auf dem Grundstück der Mühle eine Frau, hässlich in ihrer Erscheinung als Angeklagte und in ihrer erstaunlichen Traurigkeit, halb umhüllt durch einen jämmerlichen Fetzen, mit nackten und unbedeckten Füßen, durch ihre buchsbaumfarbene Blässe und ihre Magerkeit entstellt, und ihre zerzausten, halbgrauen, und von der Besprenkelung mit Asche schmutzigen Haare bedeckten, vorne herunterhängend, das Meiste von ihrem Gesicht. (4) So aussehend legte sie dem Müller sanft die Hand auf, offenbar um insgeheim etwas mit ihm zu besprechen, führte ihn in sein Schlafzimmer, schloss die Tür

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tur. (5) sed cum esset iam confectum omne frumentum, quod inter manus opifices tractaverant, necessarioque peti deberet aliud, servuli cubiculum propter adstantes dominum vocabant operique supplementum postulabant. (6) atque ut illis saepicule et [inter-] vocaliter clamantibus nullus respondit dominus, iam forem pulsare validius et, quod diligentissime fuerat oppessulata, maius peiusque aliquid opinantes, nisu valido reducto vel diffracto cardine, tandem patefaciunt aditum. (7) nec uspiam reperta illa muliere vident e quodam tigillo constrictum iamque exanimem pendere dominum eumque nodo cervicis absolutum detractumque summis plangoribus summisque lamentationibus atque ultimo lavacro procurant peractisque feralibus officiis frequenti prosequente comitatu tradunt sepulturae. 31 (1) Die sequenti filia eius accurrit e proxumo castello, in quod pridem denupserat, maesta atque crines pendulos quatiens et interdum pugnis obtundens ubera. quae nullo quidem domus infortunium nuntiante cuncta cognorat, sed ei per quietem obtulit sese flebilis patris sui facies adhuc nodo revincta cervice eique totum novercae scelus aperuit de adulterio, de maleficio et quem ad modum larvatus ad inferos demeasset. (2) ea cum se diutino plangore cruciasset, concursu familiarum cohibita tandem pausam luctui fecit. iamque nono die rite completis apud tumulum sollemnibus familiam supellectilemque et omnia iumenta ad hereditariam deducit auctionem. (3) tunc unum larem varie dispergit venditionis incertae licentiosa Fortuna. me denique ipsum pauperculus quidam

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und verweilte dort denkbar lange. (5) Aber als nun alles Getreide fertig gemacht war, das die Arbeiter in der Hand gehabt hatten, und notwendigerweise um Weiteres gebeten werden musste, standen die Sklaven vor dem Schlafzimmer, riefen ihren Herrn und verlangten für ihre Arbeit Nachschub. (6) Und als ihnen, obwohl sie oft und laut riefen, kein Herr antwortete, klopften sie nun kräftiger an die Tür, und weil sie sehr sorgfältig verriegelt war, vermuteten sie etwas Größeres und Schlimmeres, stießen oder brachen mit einem kräftigen Ruck den Türzapfen weg und öffneten endlich den Eingang. (7) Und jene Frau fand sich nirgendwo, aber sie sahen an einen Balken gebunden und schon entseelt ihren Herrn hängen, lösten die Schlinge von seinem Hals, zogen ihn unter lautem Trauern und lautem Jammern herab, versorgten ihn mit dem letzten Bad, und brachten ihn nach Beendigung der Totenrituale zur Bestattung, wobei ein großes Gefolge ihm das Geleit gab. 31 (1) Am folgenden Tag kam seine Tochter vom nächsten kleinen Dorf, wohin sie einige Zeit vorher zum Heiraten gegangen war, herbeigeeilt, wobei sie traurig ihr herabhängendes Haar schüttelte und dazwischen ihre Brüste mit den Fäusten schlug. Sie hatte, ohne dass jemand das Missgeschick des Hauses meldete, alles erfahren, aber ihr zeigte sich im Schlaf die bejammernswerte Gestalt ihres Vaters, die Schlinge noch um den Hals gebunden, und eröffnete ihr das ganze Verbrechen ihrer Stiefmutter bezüglich des Ehebruchs, der bösen Künste und auf welche Weise er von einem Gespenst bezwungen worden und in die Unterwelt hinabgegangen sei. (2) Als sie sich durch eine lange Klage gequält hatte, setzte sie, durch das Zusammenströmen der Haussklaven zurückgehalten, der Trauer schließlich ein Ende. Und als nun am neunten Tag die gebräuchlichen Riten am Grabhügel vollbracht waren, führte sie die Sklavenschaft, den Hausrat und alle Lasttiere zur Versteigerung der Erbschaft. (3) Damals verstreute einen einzigen Haushalt in verschiedene Richtungen die willkürliche Fortuna der ungewissen Versteigerung. Mich selbst erwarb schließlich ein sehr ärmlicher Gärtner für

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hortulanus comparat quinquaginta nummis, magno, ut aiebat, sed ut communi labore victum sibi quaereret. 32 (1) Res ipsa mihi poscere videtur, ut huius quoque servitii mei disciplinam exponam. matutino me multis holeribus onustum proxumam civitatem deducere consuerat dominus atque ibi venditoribus tradita merce dorsum insidens meum sic hortum redire. (2) ac dum fodiens, dum irrigans ceteroque incurvus labore deservit, ego tantisper otiosus placida quiete recreabar. sed ecce siderum ordinatis ambagibus per numeros dierum ac mensuum remeans annus post mustulentas autumni delicias ad hibernas Capricorni pruinas deflexerat, (3) et adsiduis pluviis nocturnisque rorationibus sub dio et intecto conclusus stabulo continuo discruciabar frigore, quippe cum meus dominus prae nimia paupertate ne sibi quidem, nedum mihi posset stramen aliquod vel exiguum tegimen parare, sed frondoso casulae contentus umbraculo degeret. (4) ad hoc matutino lutum nimis frigidum gelusque praeacuta frusta nudis invadens pedibus enicabar ac ne suetis saltem cibariis ventrem meum replere poteram. namque et mihi et ipsi domino cena par ac similis, oppido tamen tenuis aderat, lactucae veteres et insuaves illae, quae seminis enormi senecta ad instar scoparum in amaram caenosi sucus cariem exolescunt. 33 (1) Nocte quadam paterfamilias quidam de pago proximo tenebris inluniae caliginis impeditus et imbre nimio madefactus

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fünfzig Sesterzen, eine hohe Summe, wie er zu sagen pflegte, aber ausgegeben, damit er sich durch unsere gemeinsame Arbeit einen Lebensunterhalt verschaffen könne. 32 (1) Die Situation selbst scheint mir zu fordern, dass ich die strenge Organisation auch dieses meines Dienstes darlege. Am frühen Morgen pflegte mich mein Herr mit viel Gemüse beladen in die Stadt in der Nähe zu führen, und wenn er dort den Käufern die Ware übergeben hatte, auf meinem Rücken sitzend zu seinem Garten zurückzukehren. (2) Und während er grub, während er bewässerte und gekrümmt von all seiner übrigen Arbeit sich abrackerte, war ich die ganze Zeit müßig und erholte mich in friedlicher Ruhe. Doch sieh da, das nach den geordneten Runden der Gestirne und durch die festgelegte Zahl der Tage und Monate zurückkehrende Jahr war nach den mostreichen Freuden des Herbstes auf seinem gekrümmten Weg bei dem winterlichen Raureif des Steinbocks angekommen, (3) und durch die ständigen Regenfälle und den nächtlichen Tau wurde ich, unter freiem Himmel und in einem unbedachten Stall eingeschlossen, von fortwährender Kälte gequält, da ja mein Herr wegen seiner übergroßen Armut nicht einmal für sich, geschweige denn für mich etwas Stroh oder eine winzige Decke herbeischaffen konnte, sondern zufrieden mit dem Schutz des Blätterdachs seiner kleinen Hütte seine Zeit verbrachte. (4) Zudem war ich, wenn ich am frühen Morgen auf dem allzu kalten Lehm und spitzigen Eisstücken mit nackten Füßen ging, dem Tod nahe, und ich konnte nicht einmal mit der gewohnten Speise meinen Bauch füllen. Denn ich und selbst mein Herr hatten gleiches und ähnliches, doch sehr kärgliches Essen, jene alten und unschmackhaften Lattichköpfe, die infolge des enorm hohen Alters ihres Samens wie Besen zu einer bitteren fauligen Masse mit sumpfigem Saft emporschießen. 33 (1) Eines Nachts war ein vermögender Mann aus einem benachbarten Dorf, der, von der Finsternis eines mondlosen Dunkels behindert und von übermäßig viel Regen durchnässt und deshalb

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atque ob id ab itinere directo cohibitus ad hortulum nostrum iam fesso equo deverterat (2) receptusque comiter pro tempore licet non delicato necessario tamen quietis subsidio remunerari benignum hospitem cupiens promittit ei de praediis suis sese daturum et frumenti et olivi aliquid et amplius duos vini cados. (3) nec moratus meus sacculo et utribus vacuis secum adportatis nudae spinae meae residens ad sexagesimum stadium profectionem comparat. eo iam confecto viae spatio pervenimus ad praedictos agros ibique statim meum dominum comis hospes opipari prandio participat. (4) Iamque iis poculis mutuis altercantibus mirabile prorsus evenit ostentum. una de cetera cohorte gallina per mediam cursitans aream clangore genuino velut ovum parere gestiens personabat. (5) eam suus dominus intuens ‘o bona’ inquit ‘ancilla et satis fecunda, quae multo iam tempore cotidianis nos partubus saginasti! nunc etiam cogitas, ut video, gustulum nobis praeparare.’ et ‘heus,’ inquit ‘puer, calathum fetui gallinaceo destinatum angulo solito collocato.’ (6) ita, uti fuerat iussum, procurante puero gallina consuetae lecticulae spreto cubili ante ipsos pedes domini praematurum, sed magno prorsus futurum scrupulo prodidit partum. non enim ovum, quod scimus, illud; sed pinnis et unguibus et oculis et voce etiam perfectum edidit pullum, qui matrem suam coepit continuo comitari. 34 (1) Nec eo setius longe maius ostentum et quod omnes merito perhorrescerent, exoritur. sub ipsa enim mensa, quae reli-

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vom geraden Wege abgekommen war, in unserem Garten, weil sein Pferd schon ermüdet war, eingekehrt (2) und den Umständen entsprechend freundlich mit der wenn auch nicht luxuriösen, so doch notwendigen Möglichkeit zum Schlaf empfangen worden, und weil er seinen freigebigen Gastgeber zu belohnen wünschte, versprach er, ihm von seinem Landgut etwas Getreide und Öl und zusätzlich zwei Krüge Wein zu geben. (3) Unverzüglich setzte sich mein Herr, der einen Sack und leere Schläuche mitnahm, auf meinen nackten Rücken und begab sich auf eine Reise von sechzig Stadien. Als wir nun diese Wegstrecke zurückgelegt hatten, gelangten wir zu dem genannten Anwesen, und dort ließ der freundliche Gastgeber meinen Herrn sofort an einem reichlichen Mittagessen teilnehmen. (4) Und während sie sich schon dabei abwechselten, einer dem anderen zuzuprosten, geschah ein höchst erstaunliches Wunder. Eine Henne aus der übrigen Schar rannte vorwärts und rückwärts mitten über den Hof und machte lauten Lärm mit dem für die Art typischen Gackern, als wollte sie ein Ei legen. (5) Als ihr Herr sie sah, sagte er: »O du gute und sehr fruchtbare Magd, die du uns schon lange Zeit durch tägliches Legen reichlich ernährt hast! Auch jetzt hast du vor, wie ich sehe, einen Leckerbissen für uns vorzubereiten.« Und er sagte: »He du, Junge, stell den für die Hühnernachkommenschaft bestimmten Korb in die gewohnte Ecke.« (6) Wie es befohlen war, so führte der Junge es aus, aber die Henne wies das Bett ihres vertrauten kleinen Nests zurück und brachte direkt vor den Füßen des Herrn eine Leibesfrucht hervor, die früh gereift war, aber Anlass zu sehr großer Besorgnis sein würde. Denn sie brachte nicht das Ei, das wir kennen, zur Welt, sondern ein fertiges Küken mit Federn, Krallen, Augen und sogar Stimme, das auf der Stelle seine Mutter zu begleiten begann. 34 (1) Und es fand, als wäre das noch nicht genug gewesen, ein weit größeres Wunder statt, vor dem alle mit gutem Grund erschauerten. Denn direkt unter dem Tisch, der die Reste des Mittagessens

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quias prandii gerebat, terra dehiscens imitus largissimum emicuit sanguinis fontem. hinc resultantes uberrimae guttae mensam cruore perspergunt. (2) ipsoque illo momento, quo stupore defixi mirantur ac trepidant divina praesagia, concurrit unus e cella vinaria nuntians omne vinum, quod olim diffusum fuerat, in omnibus doliis ferventi calore et prorsus ut igne copioso subdito rebullire. (3) visa est interea mustela etiam mortuum serpentem forinsecus mordicus adtrahens et de ore pastoricii canis virens exsiluit ranula ipsumque canem, qui proximus consistebat, aries adpetitum unico morsu strangulavit. (4) haec tot ac talia ingenti pavore domini illius et familiae totius ad extremum stuporem deiecerant animos, quid prius quidve posterius, quid magis quid minus numinum caelestium leniendis minis quot et qualibus procuraretur hostiis. 35 (1) Adhoc omnibus exspectatione taeterrimae formidinis torpidis accurrit quidam servulus magnas et postremas domino illi fundorum clades adnuntians. (2) Namque is adultis iam tribus liberis doctrina instructis et verecundia praeditis vivebat gloriosus. his adulescentibus erat cum quodam paupere modicae casulae domino vetus familiaritas. (3) at enim casulae parvulae conterminos magnos et beatos agros possidebat vicinus potens et dives et iuvenis. 〈is〉 et prosapiae maiorum gloria male utens pollensque factionibus et cuncta facile faciens in civitate, (4) hostili modo vicini tenuis incursabat pauperiem pecua

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trug, spaltete sich die Erde und spritzte aus der Tiefe eine riesige Blutfontäne hervor. Zahlreiche Tropfen sprangen aus ihr und besprengten den Tisch mit Blut. (2) Und gerade in dem Moment, in dem man sich vor Bestürzung wie angewurzelt wunderte und vor den göttlichen Vorzeichen erzitterte, kam einer aus dem Weinkeller mit der Meldung gerannt, der ganze Wein, der vor langer Zeit eingefüllt worden war, brodele in allen Fässern vor glühender Hitze nach oben, gerade so, als wäre ein reichliches Feuer daruntergelegt worden. (3) Gesehen wurde unterdessen auch ein Wiesel, das eine tote Schlange in den Zähnen aus dem Haus heranschleppte, aus dem Maul eines Hirtenhundes sprang ein grüner kleiner Frosch, und den Hund selbst, der neben ihm stand, griff ein Widder an und erwürgte ihn mit einem einzigen Biss. (4) All dies viele und anderes Derartiges hatten mit ungeheurer Angst die Herzen jenes Herrn und seiner ganzen Dienerschaft in äußerste Bestürzung versetzt, was zuerst und was später zu tun sei, was mehr, was weniger, damit die Drohungen der himmlischen Mächte beschwichtigt würden, und mit wie vielen und welchen Opfertieren gesühnt werden solle. 35 (1) Als alle noch in Erwartung eines entsetzlichen und ganz furchtbaren Ereignisses erstarrt waren, kam ein Sklave herbeigelaufen, der jenem Besitzer des Landgutes eine große, ja die äußerste Katastrophe meldete. (2) Denn der lebte wegen seiner drei schon erwachsenen Kinder, die in der Gelehrsamkeit unterrichtet und mit ehrfürchtiger sittlicher Haltung begabt waren, in hohem Ansehen. Diese jungen Männer hatten mit dem armen Besitzer eines bescheidenen Häuschens eine alte Freundschaft. (3) Andererseits besaß an das kleine Häuschen angrenzende große und fruchtbare Ländereien ein mächtiger, reicher und junger Nachbar. Abgesehen davon, dass dieser in seiner Stadt schlechten Gebrauch von dem Ruhm des Stammbaums seiner Ahnen machte, mächtig durch Parteimachenschaften war und alles leicht durchsetzte, (4) machte er wie ein Feind Überfälle auf die Armut seines bescheidenen Nachbarn, indem er dessen Vieh

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trucidando, boves abigendo, fruges adhuc immaturas obterendo. iamque tota frugalitate spoliatum ipsis etiam glebulis exterminare gestiebat finiumque inani commota quaestione terram totam sibi vindicabat. (5) tunc agrestis, verecundus alioquin, avaritia divitis iam spoliatus, ut suo saltem sepulcro paternum retineret solum, amicos plurimos ad demonstrationem finium trepidans eximie corrogarat. (6) aderant inter alios tres illi fratres cladibus amici quantulum quantulum ferentes auxilium. 36 (1) Nec tamen ille vaesanus tantillum praesentia multorum civium territus vel etiam confusus, licet non rapinis, saltem verbis temperare voluit, sed illis clementer expostulantibus fervidosque eius mores blanditiis permulcentibus repente suam suorumque carorum salutem quam sanctissime adiurans adseverat parvi se pendere tot mediatorum praesentiam, denique vicinum illum auriculis per suos servulos sublatum de casula longissime statimque proiectum iri. (2) quo dicto insignis indignatio totos audientium pertemptavit animos. tunc unus e tribus fratribus incunctanter et paulo liberius respondit frustra eum suis opibus confisum tyrannica superbia comminari, cum alioquin pauperes etiam liberali legum praesidio de insolentia locupletium consueverint vindicari. (3) Quod oleum flammae, quod sulpur incendio, quod flagellum Furiae, hoc et iste sermo truculentiae hominis nutrimento fuit. (4) iamque ad extremam insaniam vecors, suspendium sese et totis

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schlachtete, die Rinder wegtrieb, die noch unreifen Feldfrüchte niedertrampelte. Und nachdem er ihn schon seines ganzen Ertrages beraubt hatte, begehrte er heftig, ihn auch von seinem kleinen Ackerland selbst zu vertreiben, setzte einen nichtigen Grenzstreit in Gang und beanspruchte das ganze Land für sich. (5) Da hatte der ansonsten bescheidene Bauer, weil er durch die Habsucht des Reichen schon beraubt war, mit dem Ziel, wenigstens für sein Grab den vom Vater ererbten Grund zu behalten, sehr viele Freunde zum Nachweis seiner Grenzen in größter Angst zusammengerufen. (6) Anwesend unter anderen waren jene drei Brüder, um dem Freund in seiner katastrophalen Situation Hilfe zu bringen, wie gering sie auch war. 36 (1) Doch jener Wahnsinnige wurde nicht im Geringsten durch die Anwesenheit vieler Mitbürger erschreckt oder auch nur aus der Fassung gebracht und wollte nicht, wenn schon nicht seine Räubereien, doch wenigstens seine Worte mäßigen, sondern versicherte, als die anderen milde protestierten und sein hitziges Wesen durch Schmeicheleien zu besänftigen versuchten, ganz plötzlich, wobei er so feierlich wie möglich einen Eid bei seinem Leben und dem seiner Lieben schwor, er mache sich wenig aus der Anwesenheit so vieler Vermittler, kurz, jener Nachbar werde durch seine Sklaven an den Ohren hochgehoben und aus seinem kleinen Haus sehr weit hinausgeworfen werden, und das sofort. (2) Als er das gesagt hatte, erregte helle Entrüstung die Herzen aller Zuhörer. Da antwortete einer von den drei Brüdern ohne Zögern und etwas freimütiger, jener drohe im Vertrauen auf seinen Reichtum mit dem Hochmut eines Tyrannen vergeblich, da auf jeden Fall sogar die Armen durch die Protektion der Gesetze, die jedem Freien zustehe, gewöhnlich gegen die Überheblichkeit der Reichen geschützt würden. (3) Entsprechend dem, was Öl für die Flamme, was Schwefel für das Feuer, was die Peitsche für die Furie ist, waren auch diese Worte Nahrung für die Wildheit des Mannes. (4) Und jetzt bis zum äußersten Wahnsinn ganz außer sich, schrie er, sie alle mitsamt ihren

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illis et ipsis legibus mandare proclamans canes pastoricios villaticos feros atque immanes, adsuetos abiecta per agros essitare cadavera, praeterea etiam transeuntium viatorum passivis morsibus alumnatos laxari atque in eorum exitium inhortatos immitti praecepit. (5) qui simul signo solito pastorum incensi atque inflammati sunt, furiosa rabie conciti et latratibus etiam absonis horribiles eunt in homines eosque variis adgressi vulneribus distrahunt ac lacerant nec fugientibus saltem compercunt, sed eo magis inritatiores secuntur. 37 (1) Tunc inter confertam trepidae multitudinis stragem e tribus iunior offenso lapide atque obtunsis digitis terrae prosternitur saevisque illis et ferocissimis canibus instruit nefariam dapem; protinus enim nancti praedam iacentem miserum illum adolescentem frustatim discerpunt. (2) atque ut eius letalem ululatum cognovere ceteri fratres, accurrunt maesti suppetias obvolutisque lacinia laevis manibus lapidum crebris iactibus propugnare fratri atque abigere canes adgrediuntur. (3) nec tamen eorum ferociam vel conterere vel expugnare potuere, quippe cum miserrimus adulescens ultima voce prolata, vindicarent de pollutissimo divite mortem fratris iunioris, ilico laniatus interisset. (4) Tunc reliqui fratres non tam hercules desperata quam ultro neglecta sua salute contendunt ad divitem atque ardentibus animis impetuque vaesano lapidibus crebris in eum velitantur. (5) at ille cruentus et multis ante flagitiis similibus exercitatus percussor iniecta lancea duorum alterum per pectus medium transadegit. (6) nec

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Gesetzen sollten sich aufhängen, und befahl, dass die wilden und riesigen Hirtenhunde seines Landguts, die gewohnt waren, die auf die Felder geworfenen Kadaver zu fressen, überdies auch zum wahllosen Beißen vorbeiziehender Reisender abgerichtet waren, losgelassen und, aufgehetzt, zu ihrer Vernichtung auf sie angesetzt würden. (5) Sobald diese durch das gewohnte Signal der Hirten hitzig gemacht und entflammt worden waren, gingen sie, von rasender Wut angestachelt und entsetzlich durch ihr hässlich tönendes Gebell auf die Menschen los, versetzten ihnen bei ihrem Angriff verschiedene Wunden, zerrissen und zerfleischten sie und schonten nicht einmal die Fliehenden, sondern verfolgten sie umso erregter. 37 (1) Da prellte während des Blutbads in der Menge der Leute, die sich in ihrer Angst gegenseitig bedrängten, der Jüngste von den dreien gegen einen Stein, stieß sich die Zehen an, fiel vornüber zu Boden und bereitete jenen grausamen und höchst wilden Hunden ein Mahl; sofort nämlich ergriffen sie die am Boden liegende Beute und rissen jenen armen Jüngling in Stücke. (2) Und sobald die anderen Brüder seine Todesschreie gehört hatten, rannten sie traurig zu seiner Rettung herbei und machten, die linke Hand mit dem Gewandzipfel umhüllt, sich daran, durch häufige Steinwürfe den Bruder zu verteidigen und die Hunde abzuwehren. (3) Doch sie konnten deren Wildheit weder niederringen noch bezwingen, da der arme junge Mann, nachdem er mit seinen letzten Worten noch hervorgebracht hatte, sie sollten den Tod ihres jüngsten Bruders an dem verworfenen Reichen rächen, auf der Stelle gestorben war, gänzlich zerfleischt. (4) Da stürzten sich die übrig gebliebenen Brüder auf den Reichen, nicht, beim Herkules, weil sie an ihrem Leben verzweifelten, sondern im Gegenteil, weil sie es gering achteten, und griffen ihn in ihrem brennenden Zorn und in einem wahnwitzigen Ansturm mit vielen Steinen an. (5) Doch jener blutrünstige und vorher in vielen ähnlichen Schandtaten geübte Mörder schleuderte seine Lanze und durchbohrte den einen der beiden in der Mitte der Brust. (6) Und

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tamen peremptus ac prorsum exanimatus adulescens ille terrae concidit; nam telum transvectum atque ex maxima parte pone tergum elapsum soloque nisus violentia defixum rigore librato suspenderat corpus. (7) Sed et quidam de servulis procerus et validus sicario illi ferens auxilium lapide contorto tertii illius iuvenis dexterum bracchium longo iactu petierat, sed impetu casso per extremos digitos transcurrens lapis contra omnium opinionem deciderat innoxius. 38 (1) Nonnullam tamen sagacissimo iuveni proventus humanior vindictae speculam subministravit. ficta namque manus suae debilitate sic crudelissimum iuvenem compellat: (2) ‘fruere exitio totius nostrae familiae et sanguine trium fratrum insatiabilem tuam crudelitatem pasce et de prostratis tuis civibus gloriose triumpha, dum scias, (3) licet privato suis possessionibus paupere fines usque et usque proterminaveris, habiturum te tamen vicinum aliquem. (4) nam haec etiam dextera, quae tuum prorsus amputasset caput, iniquitate fati contusa decidit.’ (5) Quo sermone alioquin exasperatus furiosus latro rapto gladio sua miserrimum iuvenem manu perempturus invadit avidus. nec tamen sui molliorem provocarat; (6) quippe insperato et longe contra eius opinionem resistens iuvenis complexu fortissimo arripit eius dexteram magnoque nisu ferro librato multis et crebris ictibus

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dennoch fiel jener junge Mann, obwohl er getötet und ganz entseelt worden war, nicht zur Erde; denn die Waffe, die durch ihn hindurch gedrungen und zum größten Teil hinter dem Rücken herausgekommen war, steckte aufgrund der Gewalt des Schwungs fest im Boden und hielt den Körper aufrecht, so dass er starr in der Schwebe blieb. (7) Aber einer von den Sklaven, ein großer und starker, war jenem Meuchelmörder zu Hilfe gekommen, hatte einen Stein geschleudert und auf den rechten Arm jenes dritten jungen Mannes mit einem Wurf aus der Ferne gezielt, doch der Schuss war vergeblich gewesen, der Stein durch die Fingerspitzen gesaust und entgegen der Erwartung aller hinuntergefallen, ohne Schaden anzurichten. 38 (1) Der verhältnismäßig günstige Ausgang verschaffte dem höchst scharfsinnigen jungen Mann schließlich eine gewisse Hoffnung. Er täuschte nämlich eine Lähmung seiner Hand vor und redete den höchst grausamen jungen Mann wie folgt an: (2) »Genieße den Untergang unserer ganzen Familie, nähre mit dem Blut von drei Brüdern deine unersättliche Grausamkeit und triumphiere ruhmreich über deine niedergestreckten Mitbürger, solange du weißt, dass, (3) selbst wenn du einen Armen seiner Besitzungen beraubst und die Grenzen deines Gebietes weiter und weiter ausdehnst, du dennoch irgendeinen Nachbarn haben wirst. (4) Denn auch diese Rechte, die dir ganz sicher den Kopf abgeschnitten hätte, wurde infolge der Ungerechtigkeit des Schicksals zerschmettert und hängt herab.« (5) Wegen dieser Worte rasend, packte der Räuber, ohnehin schon erbittert, sein Schwert und stürzte sich begierig auf den armen jungen Mann, um ihn eigenhändig zu töten. Doch er hatte jemanden herausgefordert, der nicht schwächer war als er; (6) denn unverhofft und ganz gegen seine Erwartung setzte sich der junge Mann zur Wehr, packte mit sehr starkem Griff dessen Rechte, schwang mit gewaltiger Wucht das Schwert und trieb mit vielen und dicht auf-

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inpuram elidit divitis animam (7) et, ut accurrentium etiam familiarium manu se liberaret, confestim adhuc inimici sanguine delibuto mucrone gulam sibi prorsus exsecuit. (8) Haec erant, quae prodigiosa praesagaverant ostenta, haec, quae miserrimo domino fuerant nuntiata. nec ullum verbum ac ne tacitum quidem fletum tot malis circumventus senex quivit emittere, (9) sed adrepto ferro, quo commodum inter suos epulones caseum atque alias prandii partes diviserat, (10) ipse quoque ad instar infelicissimi sui filii iugulum sibi multis ictibus contrucidat, quoad super mensam cernulus corruens portentuosi cruoris maculas novi sanguinis fluvio proluit. 39 (1) Ad istum modum puncto brevissimo dilapsae domus fortunam hortulanus ille miseratus suosque casus graviter ingemescens deprensis pro prandio lacrimis vacuasque manus complodens saepicule protinus inscenso me retro, quam veneramus, viam capessit. (2) nec innoxius ei saltem regressus evenit. Nam quidam procerus et, ut indicabat habitus atque habitudo, miles e legione factus nobis obvius superbo atque adroganti sermone percontatur, quorsum vacuum duceret asinum. (3) at meus adhuc maerore permixtus et alias Latini sermonis ignarus tacitus praeteribat. nec miles ille familiarem cohibere quivit insolentiam, sed indignatus silentio eius ut convicio viti, quam tenebat, obtundens eum dorso meo proturbat. (4) tunc hortulanus subplicue respondit sermonis ignorantia se, quid ille diceret, scire non posse.

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einander folgenden Hieben die unreine Seele des Reichen aus, (7) und um sich auch aus den Händen der herbeirennenden Sklaven zu befreien, schnitt er sich rasch mit dem noch vom Blut seines Feindes feuchten Schwert die Kehle durch. (8) Dies war es, wovor die Unheil verkündenden Wunderzeichen vorher gewarnt hatten, dies, was dem armen Herrn gemeldet worden war. Nicht ein einziges Wort, nicht einmal stille Tränen konnte der von so vielen Unglücksfällen heimgesuchte alte Mann hervorbringen, (9) sondern er ergriff das Messer, mit dem er gerade noch unter seinen Tischgenossen Käse und andere Bestandteile des Mittagsmahls verteilt hatte, (10) und schnitt sich auch selbst nach dem Beispiel seines höchst unglücklichen Sohns mit vielen Hieben die Kehle durch, bis er über den Tisch hin kopfüber zusammenbrach und die Flecken des Unheil verkündenden Blutes mit dem Strom seines frischen Blutes abwusch. 39 (1) Das Schicksal des auf diese Weise in einem sehr kurzen Moment auseinandergefallenen Hauses bejammerte jener Gärtner, seufzte schwer über sein eigenes Los, da er anstelle eines Mittagsmahls Tränen gefunden hatte, klatschte mehrfach seine leeren Hände zusammen, bestieg sogleich mich und kehrte auf der Straße zurück, auf der wir gekommen waren. (2) Doch nicht einmal der Rückweg stellte sich als einer ohne Schaden für ihn heraus. Denn ein hochgewachsener Mann, und zwar, wie Kleidung und Körperhaltung anzeigten, ein Soldat aus einer Legion, begegnete uns unterwegs und fragte in hochmütigen und anmaßenden Worten, wohin er den unbeladenen Esel führe. (3) Doch mein Herr, noch von der Trauer verwirrt und im Übrigen der lateinischen Sprache nicht kundig, versuchte schweigend an ihm vorbeizuziehen. Aber jener Soldat vermochte nicht, die übliche Unverschämtheit zu unterdrücken, sondern empörte sich über dessen Schweigen, als wäre es eine Beleidigung, schlug ihn mit dem Stab, den er trug, und warf ihn von meinem Rücken herab. (4) Da antwortete der Gärtner in unterwürfigem Ton, aus Unkenntnis der Sprache könne er, was

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ergo igitur Graece subiciens miles ‘ubi’ inquit ‘ducis asinum istum?’ respondit hortulanus petere se civitatem proximam. (5) ‘sed mihi’ inquit ‘opera eius opus est; nam de proximo castello sarcinas praesidis nostri cum ceteris iumentis debet advehere.’ et iniecta statim manu loro me, quo ducebar, arreptum incipit trahere. (6) sed hortulanus prioris plagae vulnere prolapsum capite sanguinem detergens rursus deprecatur civilius atque mansuetius versari commilitonem idque per spes prosperas eius orabat adiurans. (7) ‘nam et hic ipse’ aiebat ‘iners asellus et nihilo minus morboque detestabili caducus vix etiam paucos holerum maniculos de proximo hortulo solet anhelitu languido fatigatus subvehere, nedum ut rebus amplioribus idoneus videatur gerulus.’ 40 (1) Sed ubi nullis precibus mitigari militem magisque in suam perniciem advertit efferari iamque inversa vite de vastiore nodulo cerebrum suum diffindere, currit ad extrema subsidia (2) simulansque sese ad commovendam miserationem genua eius velle contigere, summissus atque incurvatus arreptis eius utrisque pedibus sublimem elatum terrae graviter adplodit et statim qua pugnis, qua cubitis, qua morsibus, etiam de via lapide correpto totam faciem manusque eius et latera converberat. (3) nec ille, ut primum humi supinatus est, vel repugnare vel omnino munire se potuit, sed plane identidem comminabatur, si surrexisset, sese concisurum eum machaera sua frustatim. quo sermone eius commonefactus hortulanus eripit ei spatham eaque longissime abiecta rursum saevioribus eum plagis adgreditur. (4) nec ille prostratus et praeventus vul-

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jener sage, nicht verstehen. Also erwiderte der Soldat auf Griechisch und sagte: »Wohin führst du diesen Esel da?« Der Gärtner antwortete, er sei auf dem Weg zur nächsten Stadt. (5) »Aber ich«, sagte der, »benötige seine Hilfe, denn er muss aus dem nahegelegenen Kastell das Gepäck unseres Kommandeurs zusammen mit den übrigen Lasttieren herbringen.« Und er legte auf der Stelle Hand an mich, packte mich an dem Zügel, an dem ich geführt wurde, und fing an zu ziehen. (6) Aber der Gärtner wischte sich das Blut, das aus der Wunde von dem vorausgegangenen Schlag herabfloss, vom Kopf und flehte, der Kamerad möge sich höflicher und freundlicher verhalten, und er bat dies unter Schwüren bei dessen Hoffnungen auf Wohlergehen. (7) »Denn der hier ist ein fauler Esel und weniger als nichts und, zum Hinfallen infolge der abscheulichen Krankheit neigend, pflegt er kaum auch nur wenige Handvoll Gemüse vom nahegelegenen Garten, erschöpft vom schwachen Atem, zu tragen, geschweige denn, dass er als Träger für größere Sachen geeignet erschiene.« 40 (1) Doch als er bemerkte, dass der Soldat durch keine Bitten besänftigt, noch mehr zu seinem Verderben wild wurde und jetzt, nachdem er den Stab umgedreht hatte, dabei war, ihm mit dem dickeren Knopf das Hirn zu spalten, nahm er Zuflucht zu den äußersten Mitteln, (2) täuschte vor, er wolle, um Mitleid zu erregen, dessen Knie berühren, hockte sich nieder, bückte sich, packte ihn an seinen beiden Füßen, hob ihn in die Höhe, ließ ihn schwer auf die Erde klatschen und misshandelte ihm sofort mit Fäusten, mit Ellenbogen, mit Bissen, sogar mit einem von der Straße gegriffenen Stein sein ganzes Gesicht, seine Hände und seine Seiten. (3) Doch der konnte, sobald er mit dem Rücken auf dem Boden lag, weder zurückschlagen noch überhaupt sich schützen, aber er drohte wiederholt deutlich, wenn er aufstehen würde, werde er ihn mit seinem Schlachtschwert in Stücke zerhauen. Durch diese seine Worte gewarnt, entriss der Gärtner ihm das Schwert, warf es weit weg und attackierte ihn erneut mit noch grimmigeren Schlägen. (4) Aber

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neribus ullum repperire saluti quiens subsidium, quod solum restabat, simulat sese mortuum. Tunc spatham illam secum asportans hortulanus inscenso me concito gradu recta festinat ad civitatem nec hortulum suum saltem curans invisere ad quempiam sibi devertit familiarem. cunctisque narratis deprecatur, periclitanti sibi ferret auxilium seque cum suo sibi asino tantisper occultaret, quoad celatus spatio bidui triduive capitalem causam evaderet. (5) nec oblitus ille veteris amicitiae prompte suscipit meque per scalas complicitis pedibus in superius cenaculum adtracto hortulanus deorsus in ipsa tabernula derepit in quandam cistulam et supergesto delitiscit orificio. 41 (1) At miles ille, ut postea didici, tandem velut emersus gravi crapula, nutabundus tamen et tot plagarum dolore saucius baculoque se vix sustinens civitatem adventat confususque de impotentia deque inertia sua quicquam ad quemquam referre popularium, sed tacitus iniuriam devorans quosdam commilitones nanctus his tantum clades enarrat suas. (2) placuit, ut ipse quidem contubernio se tantisper absconderet – nam praeter propriam contumeliam militaris etiam sacramenti genium ob amissam spatham verebatur –, ipsi autem signis nostris enotatis investigationi vindictaeque sedulam darent operam. (3) Nec defuit vicinus perfidus, qui nos ilico occultari nuntiaret. tum commilitones accersitis magistratibus mentiuntur sese multi pretii vasculum argenteum praesidis in via perdidisse idque hortulanum quendam repperisse nec velle restituere, sed apud familiarem

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der, zu Boden gestreckt und behindert durch seine Wunden, wie er war, vermochte kein Mittel für seine Rettung zu finden und stellte sich – das allein blieb ihm übrig – tot. Darauf nahm der Gärtner jenes Schwert mit sich, bestieg mich, eilte in schnellem Tempo geradewegs zur Stadt, kehrte, ohne auch nur daran zu denken, seinen Garten aufzusuchen, bei einem Freund ein. Und er erzählte ihm alles, bat ihn, ihm in seiner gefährlichen Lage Hilfe zu leisten und ihn mit seinem Esel ein Weilchen zu verstecken, bis er im Verborgenen während des Zeitraums von zwei oder drei Tagen einer Anklage auf Leben und Tod entgehe. (5) Und der hatte die alte Freundschaft nicht vergessen und nahm ihn bereitwillig auf, und nachdem ich über die Treppe mit zusammengebundenen Füßen auf einen kleinen Dachboden gezogen worden war, kroch der Gärtner unten im Laden selbst in eine Kiste und lag versteckt, nachdem der Deckel darübergelegt worden war. 41 (1) Doch jener Soldat tauchte, wie ich später erfuhr, schließlich wie aus schwerer Betrunkenheit hervor, stützte sich, freilich schwankend und am Schmerz so vieler Schläge leidend, mit Mühe auf einen Stock, kam in der Stadt an und schämte sich, über seinen Mangel an Selbstbeherrschung und Tatkraft irgendjemandem vom Stadtvolk irgendetwas zu berichten, nein, schluckte stillschweigend das Unrecht hinunter und erzählte, als er einige Kameraden traf, nur ihnen von seiner Niederlage. (2) Man beschloss, dass er selbst sich in seinem Quartier eine Weile verborgen halten sollte – denn abgesehen von seiner eigenen Schmach fürchtete er auch die Schutzgottheit des militärischen Eides wegen des verlorenen Schwerts –, sie aber auf unsere Spuren sorgfältig achtgeben und sich fleißig um Aufspürung und Rache bemühen würden. (3) Es fehlte nicht der treulose Nachbar, der sofort meldete, dass wir versteckt gehalten würden. Da holten die Kameraden die Beamten her, logen, sie hätten ein silbernes Gefäß des Statthalters von hohem Wert unterwegs verloren, dieses habe ein Gärtner gefunden und wolle es nicht zurückerstatten, sondern er verstecke sich bei

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quendam sibi delitescere. (4) tunc magistratus et damno 〈et〉 praesidis nomine cognito veniunt ad deversorii nostri fores claraque voce denuntiant hospiti nostro nos, quos occultaret apud se certo certius, dedere potius quam discrimen proprii subiret capitis. (5) nec ille tantillum conterritus salutique studens eius, quem in suam receperat fidem, quicquam de nobis fatetur ac diebus plusculis nec vidisse quidem illum hortulanum contendit. (6) contra commilitones ibi nec uspiam illum delitescere adiurantes genium principis contendebant. postremum magistratibus placuit obstinate denegantem scrutinio detegere. (7) immissis itaque lictoribus ceterisque publicis ministeriis angulatim cuncta sedulo perlustrari iubent, nec quisquam mortalium ac ne ipse quidem asinus intra limen comparere nuntiatur. 42 (1) Tunc gliscit violentior utrimquesecus contentio militum pro comperto de nobis adseverantium fidemque Caesaris identidem implorantium, at illius negantis adsidueque deum numen obtestantis. (2) qua contentione et clamoso strepitu cognito curiosus alioquin et inquieti procacitate praeditus asinus, dum obliquata cervice per quandam fenestrulam, quidnam sibi vellet tumultus ille, prospicere gestio, unus e commilitonibus casu fortuito conlimatis oculis ad umbram meam cunctos testatur incoram. (3) magnus denique continuo clamor exortus est et emensis protinus scalis iniecta manu quidam me velut captivum detrahunt. (4) iamque omni sublata cunctatione scrupulosius contemplantes singula cista

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einem Freund. (4) Als dann die Beamten sowohl von dem Verlust als auch das Wort ›Statthalter‹ gehört hatten, kamen sie an die Tür unserer Unterkunft und verkündeten mit lauter Stimme unserem Gastgeber, er solle lieber uns, die er, wie sicherer als sicher sei, bei sich verberge, herausgeben, als sich der Gefahr unterziehen, seinen eigenen Kopf zu verlieren. (5) Doch der, nicht ein kleines Bisschen erschreckt und bemüht um die Rettung dessen, den er unter seinen Schutz gestellt hatte, gestand irgendetwas in Bezug auf uns und behauptete, er habe jenen Gärtner einige Tage nicht einmal gesehen. (6) Die Kameraden dagegen behaupteten, dort und nirgendwo sonst sei er versteckt, und beschworen das bei dem Genius des Prinzeps. Schließlich beschlossen die Beamten, den hartnäckig Leugnenden durch eine Haussuchung bloßzustellen. (7) Also wurden die Liktoren und die übrigen städtischen Bediensteten hineingeschickt, und sie befahlen ihnen, alles Winkel für Winkel sorgfältig zu durchsuchen, aber es wurde gemeldet, dass keiner von den Sterblichen und nicht einmal der Esel selbst innerhalb des Hauses zu sehen sei. 42 (1) Da steigerte sich noch heftiger auf beiden Seiten der Streit – der Soldaten, die versicherten, sie hätten bezüglich uns absolute Gewissheit, und wiederholt bei Caesars Namen schworen, und des anderen, der leugnete und ständig die Macht der Götter beschwor. (2) Ich hörte diesen Streit und den Lärm der Schreierei, ich, ein wie immer neugieriger und zu ruheloser Vorwitzigkeit veranlagter Esel, und während ich sehr bestrebt war, mit schief gehaltenem Hals durch ein kleines Fenster herauszuschauen, um zu sehen, was der Krach zu bedeuten habe, richtete einer von den Kameraden aus reinem Zufall seine Augen seitlich auf meinen Schatten und forderte alle dazu auf, dies mit ihren eigenen Augen zu bezeugen. (3) Also erhob sich sofort ein lautes Geschrei, einige erkletterten auf der Stelle die Treppe, legten mir die Hand auf und zerrten mich wie einen Gefangenen herab. (4) Und jetzt beendeten sie alles Zögern, betrachteten genauer alles im Einzelnen, öffneten auch jene Kiste,

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etiam illa revelata repertum productumque et oblatum magistratibus miserum hortulanum poenas scilicet capite pensurum in publicum deducunt carcerem summoque risu meum prospectum cavillari non desinunt. unde etiam de prospectu et umbra asini 5 natum est frequens proverbium.

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fanden und zogen hervor und übergaben den armen Gärtner den Beamten, führten ihn, der natürlich mit seinem Leben bezahlen würde, ins städtische Gefängnis und hörten nicht auf, mit lautem Gelächter Witze über mein Herausschauen zu machen. Daher stammt auch das häufig verwendete Sprichwort vom Herausschauen des Esels und dem Schatten des Esels.

LIBER X 1 (1) Die sequenti meus quidem dominus hortulanus quid egerit nescio, me tamen miles ille, qui propter eximiam impotentiam pulcherrime vapularat, ab illo praesepio nullo equidem contradicente diductum abducit atque a suo contubernio – hoc enim mihi videbatur – sarcinis propriis onustum et prorsum exornatum armatumque militariter producit ad viam. (2) nam et galeam 〈gerebam〉 nitore praemicantem et scutum cetera longe praelucens, sed etiam lanceam longissimo hastili conspicuam, quae scilicet non disciplinae tunc quidem causa, sed propter terrendos miseros viatores in summo atque edito sarcinarum cumulo ad instar exercitus sedulo composuerat. (3) confecta campestri nec adeo difficili via quandam civitatulam pervenimus nec in stabulo, sed in domo cuiusdam decurionis devertimus. statimque me commendato cuidam servulo ipse ad praepositum suum, qui mille armatorum ducatum sustinebat, sollicite proficiscitur. 2 (1) Post dies plusculos ibidem dissignatum scelestum ac nefarium facinus memini, sed ut vos etiam legatis, ad librum profero. Dominus aedium habebat iuvenem filium prope litteratum atque ob id consequenter pietate modestia〈que〉 praecipuum, quem tibi quoque provenisse cuperes vel talem. (2) huius matre multo ante defuncta rursum matrimonium sibi reparaverat ductaque alia filium procreaverat alium, qui adaeque iam duodecimum annum aetatis supergressus erat. (3) sed noverca forma magis quam moribus

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Buch 10 1 (1) Wie es am folgenden Tag meinem Herrn, dem Gärtner, erging, weiß ich nicht, was aber mich betrifft, zog mich jener Soldat, der für seinen hervorragenden Mangel an Beherrschung sehr schön verprügelt worden war, von jener Krippe weg, ohne dass jemand widersprach, und von seinem Quartier – das schien es mir nämlich zu sein – führte er mich mit seinem eigenen Gepäck beladen sowie voll ausgestattet und militärisch bewaffnet auf die Straße. (2) Denn ich trug einen Helm, der vor Glanz schimmerte, und einen Schild, der sein Licht weit und breit über alles leuchten ließ, aber auch eine Lanze, die durch ihren sehr langen Schaft auffiel, was alles er jetzt offensichtlich nicht wegen einer militärischen Vorschrift, sondern zur Abschreckung armer Reisender oben auf dem aufgetürmten Berg von Gepäck sorgfältig arrangiert hatte, so dass es nach einem Heer aussah. (3) Als wir unsere Reise, die über ebenen Grund ging und deshalb nicht so schwer war, beendet hatten, kamen wir zu einer kleinen Stadt und kehrten nicht in einem Wirtshaus, sondern im Haus eines Decurios ein. Und auf der Stelle vertraute er mich einem Sklaven an und begab sich selbst pünktlich zu seinem Vorgesetzten, der mit dem Kommando über tausend Bewaffnete beauftragt war. 2 (1) Ich erinnere mich an eine verbrecherische und ruchlose Untat, die nach einigen Tagen ebendort ans Licht gebracht wurde, aber damit auch ihr von ihr lesen könnt, will ich sie dokumentieren. Ein Hausbesitzer hatte einen jungen Sohn, der exzellent literarisch ausgebildet war und deswegen zwangsläufig herausragend durch Pflichtbewusstsein und Bescheidenheit, einen solchen, den oder einen ähnlichen auch du zu haben wünschen würdest. (2) Nachdem dessen Mutter lange zuvor gestorben war, hatte er seinen Ehestatus wieder erneuert und nach der Heirat einer anderen einen zweiten Sohn hervorgebracht, der gleichfalls schon das zwölfte Jahr seines Lebens überschritten hatte. (3) Nun, die Stiefmutter, die

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in domo mariti praepollens, seu naturaliter impudica seu fato ad extremum impulsa flagitium, oculos ad privignum adiecit. (4) Iam ergo, lector optime, scito te tragoediam, non fabulam legere et a socco ad cothurnum ascendere. Sed mulier illa, quamdiu primis elementis Cupido parvulus nutriebatur, imbecillis adhuc eius viribus facile ruborem tenuem deprimens silentio resistebat. (5) at ubi completis igne vaesano totis praecordiis inmodice bacchatus Amor exaestuabat, saevienti deo iam succubuit et languore simulato vulnus animi mentitur in corporis valetudine. (6) iam cetera salutis vultusque detrimenta et aegris et amantibus examussim convenire nemo qui nesciat: pallor deformis, marcentes oculi, lassa genua, quies turbida et suspiritus cruciatus tarditate vehementior. crederes et illam fluctuare tantum vaporibus febrium, nisi quod et flebat. (7) heu medicorum ignarae mentes, quid venae pulsus, quid coloris intemperantia, quid fatigatus anhelitus et utrimquesecus iactatae crebriter laterum mutuae vicissitudines? (8) dii boni, quam facilis licet non artifici medico, cuivis tamen docto Veneriae cupidinis comprehensio, cum videas aliquem sine corporis calore flagrantem! 3 (1) Ergo igitur inpatientia furoris altius agitata diutinum rupit silentium et ad se vocari praecipit filium – quod nomen in eo ipso, scilicet ne ruboris admoneretur, libenter eraderet. nec adulescens

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mehr aufgrund ihrer Schönheit als ihres Charakters der Herr im Hause ihres Mannes war, warf, sei es von Natur aus schamlos oder vom Schicksal zur schlimmsten Schandtat getrieben, ein Auge auf ihren Stiefsohn. (4) Wisse nun also, bester Leser, dass du eine Tragödie, nicht eine amüsante Geschichte liest und von der Sandale zum Kothurn aufsteigst. Nun, solange der kleine Cupido sich auf der ersten Stufe der Ernährung befand, konnte jene Frau seiner noch wenig kräftigen Macht leicht widerstehen, indem sie schweigend ihre schwache Glut unterdrückte. (5) Doch sobald ihr gesamtes Inneres von wahnwitzigem Feuer ausgefüllt war und Amor bacchantisch rasend unmäßig aufloderte, erlag sie dem tobenden Gott schließlich, täuschte Krankheit vor und verbarg lügnerisch die Wunde ihres Herzens in körperlichem Leiden. (6) Dass ganz allgemein schädliche Einflüsse auf Gesundheit und äußere Erscheinung bei Kranken und Liebenden genau übereinstimmen, weiß jeder: entstellende Blässe, matte Augen, schlaffe Knie, gestörter Schlaf und gequältes Seufzen, das heftiger ist wegen seiner Langsamkeit. Du hättest glauben können, dass auch sie nur von der Fieberhitze erschauerte, hätte sie nicht auch geweint. (7) Ach, der Verstand der Ärzte, unfähig zu erkennen, was das Pochen der Adern, was die Veränderungen der Farbe, was das mühsame Atmen, was das häufige Drehen und Wenden und das Werfen der Seiten in beide Richtungen bedeuten! (8) Ihr guten Götter, wie leicht ist, wenn nicht für einen kunstreichen Arzt, so doch für jeden Gebildeten das Erkennen der Liebesleidenschaft, wenn du jemanden in Flammen siehst, ohne dass sein Körper erhitzt ist! 3 (1) Also brach sie, von der Unfähigkeit, ihre Raserei zu ertragen, bis in die Tiefe aufgewühlt, das lange Schweigen und befahl, dass zu ihr gerufen werde ihr Sohn – eine Bezeichnung, die sie in seinem Falle, offensichtlich um nicht an ihre Scham erinnert zu werden, gerne getilgt hätte. Und der junge Mann folgte dem Befehl

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aegrae parentis moratus imperium senili tristitie striatam gerens frontem cubiculum petit uxori patris matrique fratris utcumque debitum sistens obsequium. (2) sed illa cruciabili silentio diutissime fatigata et ut in quodam vado dubitationis haerens omne verbum, quod praesenti sermoni putabat aptissimum, rursum improbans nutante etiam nunc pudore, unde potissimum caperet exordium, decunctatur. (3) at iuvenis nihil etiam tunc sequius suspicatus summisso vultu rogat ultro praesentis causas aegritudinis. (4) tunc illa nancta solitudinis damnosam occasionem prorumpit in audaciam et ubertim adlacrimans laciniaque contegens faciem voce trepida sic eum breviter adfatur: (5) ‘Causa omnis et origo praesentis doloris et etiam medela ipsa et salus unica mihi tute ipse es. isti enim tui oculi per meos oculos ad intima delapsi praecordia meis medullis acerrimum commovent incendium. (6) ergo miserere tua causa pereuntis nec te religio patris omnino deterreat, cui morituram prorsus servabis uxorem. illius enim recognoscens imaginem in tua facie merito te diligo. habes solitudinis plenam fiduciam, habes capax necessarii facinoris otium. nam quod nemo novit, paene non fit.’ 4 (1) Repentino malo perturbatus adulescens, quamquam tale facinus protinus exhorruisset, non tamen negationis intempestiva severitate putavit exasperandum, sed cautae promissionis dilatione

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seiner kranken Mutter unverzüglich, wobei er seine Stirn vom Ernst eines alten Mannes durchfurcht trug, suchte ihr Schlafzimmer auf und leistete damit den der Gattin seines Vaters und der Mutter seines Bruders auf jeden Fall geschuldeten Gehorsam. (2) Doch sie, die durch das quälende Schweigen während einer sehr langen Zeit erschöpft war und, wie in einer Untiefe des Zweifels feststeckend, jedes Wort, das sie für das gegenwärtige Gespräch sehr geeignet fand, wieder zurückwies, da ihr Schamgefühl auch jetzt noch schwankte, war unschlüssig, womit sie am besten den Anfang machen sollte. (3) Aber der junge Mann, der auch jetzt nichts Schlimmes argwöhnte, fragte von sich aus mit gesenkter Miene nach den Gründen für ihre gegenwärtige Krankheit. (4) Da stürzte sie sich, weil sie die katastrophale Gelegenheit des Alleinseins mit ihm bekommen hatte, in Dreistigkeit, vergoss strömende Tränen, bedeckte ihr Gesicht mit ihrem Gewand und redete ihn mit zitternder Stimme wie folgt kurz an: (5) »Der ganze Grund und Ursprung meines gegenwärtigen Schmerzes und auch die Heilung selbst und meine einzige Rettung bist du selbst. Diese deine Augen da nämlich, die durch meine Augen hindurch in das Innerste meines Herzens hinabgesunken sind, entfachen ein sehr heftiges Feuer in meinem Mark. (6) Also habe Erbarmen mit der, die um deinetwillen zugrunde geht, und es möge die Ehrfurcht vor deinem Vater dich überhaupt nicht abschrecken, dem du doch gerade die zum Sterben verurteilte Gattin retten wirst. Da ich nämlich sein Bild in deinem Gesicht wiedererkenne, liebe ich dich natürlich. Du hast die volle Sicherheit des Alleinseins, du hast die Muße, die ausgedehnt genug ist für die notwendige Tat. Denn was niemand weiß, findet so gut wie nicht statt.« 4 (1) Der junge Mann war sehr verstört durch das plötzliche Unheil, glaubte aber, obwohl er sofort vor einer solchen Untat zurückgeschreckt war, die Sache dennoch nicht durch die momentan nicht angebrachte Strenge einer Ablehnung verschlimmern zu dürfen, sondern durch den Aufschub, den ein vorsichtiges Versprechen

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leniendum. (2) ergo prolixe pollicetur et bonum caperet animum refectionique se ac saluti redderet impendio suadet, donec patris aliqua profectione liberum voluptati concederetur spatium, statimque se refert a noxio conspectu novercae. (3) et tam magnam domus cladem ratus indigere consilio pleniore ad quendam compertae gravitatis educatorem senem protinus refert. nec quicquam diutina deliberatione tam salubre visum quam fuga celeri procellam fortunae saevientis evadere. (4) Sed impatiens vel exiguae dilationis mulier ficta qualibet causa confestim marito miris persuadet artibus ad longissime dissitas festinare villulas. (5) quo facto maturatae spei vaesania praeceps promissae libidinis flagitat vadimonium. sed iuvenis modo istud modo aliud causae faciens execrabilem frustratur eius conspectum, quoad illa nuntiorum varietate pollicitationem sibi denegatam manifesto perspiciens mobilitate lubrica nefarium amorem ad longe deterius transtulisset odium. (6) et adsumpto statim nequissimo et ad omne facinus emancipato quodam dotali servulo perfidiae suae consilia communicat. nec quicquam melius videtur quam vita miserum privare iuvenem. ergo missus continuo furcifer venenum praesentarium comparat idque vino diligenter dilutum insontis privigni praeparat exitio. 5 (1) Ac dum de oblationis opportunitate secum noxii deliberant homines, forte fortuna puer ille iunior proprius pessimae feminae

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bewirkte, abmildern zu müssen. (2) Also machte er reichliche Versprechungen und riet ihr stark dazu, Mut zu fassen und sich um ihre Genesung und ihre Gesundheit zu bemühen, bis durch irgendeine Reise seines Vaters Freiraum für die Lusterfüllung zugestanden werde, und sofort machte er sich aus dem gefährlichen Sichtfeld seiner Stiefmutter davon. (3) Und da er meinte, dass eine so große Krise in der Familie ausführlicherer Überlegung bedürfe, berichtete er sofort einem alten Erzieher, mit dessen sittlicher Strenge er Erfahrung hatte. Und nichts schien ihnen nach einer langen Beratung so heilsam, wie durch eine schnelle Flucht dem Sturm des gegen ihn wütenden Schicksals zu entgehen. (4) Aber die Frau, die auch nicht den geringsten Aufschub ertrug, überredete auf der Stelle, indem sie irgendeinen Grund erfand, ihren Mann durch erstaunliche Listen zu den am weitesten entfernten Landgütern zu eilen. (5) Als sie das bewerkstelligt hatte, verlangte sie heftig, durch den Wahnsinn ihrer gereiften Hoffnung unbesonnen, die Einlösung des Versprechens von Lust. Doch der junge Mann vermied durch Hinhalten, indem er bald diesen, bald einen anderen Grund fabrizierte, ihren fluchwürdigen Anblick, bis sie, weil sie an der Verschiedenartigkeit seiner Botschaften deutlich erkannte, dass er ihr die Erfüllung des Versprechens verweigerte, in tückischem Wankelmut ihre ruchlose Liebe in einen weit schlimmeren Hass verwandelte. (6) Und auf der Stelle nahm sie einen höchst nichtsnutzigen und zu jeder Untat zur Verfügung stehenden Sklaven, der zu ihrer Mitgift gehörte, zu Hilfe und teilte ihm die Pläne ihres perfiden Sinnes mit. Und nichts schien ihnen besser, als den armen jungen Mann des Lebens zu berauben. Also wurde der Galgenvogel sogleich ausgesandt, kaufte ein schnell wirksames Gift, löste es sorgfältig in Wein auf und bereitete es für den Tod des unschuldigen Stiefsohnes vor. 5 (1) Und während die bösartigen Menschen miteinander über eine günstige Gelegenheit zum Kredenzen berieten, kam zufällig jener jüngere Junge, der eigene Sohn der schändlichen Frau, nach

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filius post matutinum laborem studiorum domum se recipiens prandio iam capto sitiens repertum vini poculum, in quo venenum latebat inclusum, nescius fraudis occultae continuo perduxit haustu. (2) atque ubi fratri suo paratam mortem ebibit, examinis terrae procumbit, ilicoque repentina pueri pernicie paedagogus commotus ululabili clamore matrem totamque ciet familiam. iamque cognito casu noxiae potionis varie quisque praesentium auctores insimulabant extremi facinoris. (3) sed dira illa femina et malitiae novercalis exemplar unicum non acerba filii morte, non parricidii conscientia, non infortunio domus, non luctu mariti vel aerumna funeris commota cladem familiae 〈in〉 vindictae compendium traxit missoque protinus cursore, qui vianti marito domus expugnationem nuntiaret, ac mox eodem ocius ab itinere regresso personata nimia temeritate insimulat privigni veneno filium suum interceptum. (4) et hoc quidem non adeo mentiebatur, quod iam destinatam iuveni mortem praevenisset puer, sed fratrem iuniorem fingebat ideo privigni scelere peremptum, quod eius probrosae libidini, qua se comprimere temptaverat, noluisset succumbere. (5) nec tamen tam immanibus contenta mendaciis addebat sibi quoque ob detectum flagitium eundem illum gladium comminari. Tunc infelix duplici filiorum morte percussus magnis aerumnarum procellis aestuat. (6) nam et iuniorem incoram sui funerari

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der morgendlichen Arbeit an seinen Studien nach Hause, fand, nach Einnahme des Mittagessens durstig, den Becher Wein, in dem das darin enthaltene Gift lauerte, und trank ihn, ohne dass er die versteckte Gefahr ahnte, in einem Zug aus. (2) Und sobald er den für seinen Bruder vorbereiteten Tod ausgetrunken hatte, fiel er bewusstlos zu Boden, und sofort rief der über die plötzliche Katastrophe, die den Jungen traf, entsetzte Erzieher mit heulendem Geschrei die Mutter und die gesamte Sklavenschar herbei. Und da nun der Fall eines schädlichen Trankes erkannt wurde, äußerte jeder von den Anwesenden in verschiedener Weise einen Verdacht bezüglich derer, welche die entsetzliche Tat begangen hätten. (3) Aber jene grässliche Frau, dieses einzigartige Beispiel stiefmütterlicher Boshaftigkeit, nahm, nicht durch den bitteren Tod ihres Sohnes, nicht dadurch, dass sie den Verwandtenmord auf dem Gewissen hatte, nicht durch das Missgeschick des Hauses, nicht durch die Trauer ihres Mannes oder das Leid der Bestattung erschüttert, das Verderben der Familie als einen für ihre Rache zu nutzenden Vorteil, schickte sofort einen Läufer, der ihrem auf der Reise befindlichen Mann die Katastrophe des Hauses melden sollte, und dann, als er eilends von seiner Reise zurückgekehrt war, erhob sie, wobei sie ihre Rolle mit zu viel Dreistigkeit spielte, die Anklage, ihrem Sohn sei das Leben durch Gift ihres Stiefsohns verkürzt worden. (4) Und damit wenigstens log sie nicht einmal so sehr, weil den schon für den jungen Mann bestimmten Tod der Junge verhindert hatte, aber sie erdichtete, dass der jüngere Bruder deshalb durch das Verbrechen ihres Stiefsohns umgebracht worden sei, weil sie dessen schändlicher Geilheit, mit der er sie habe vergewaltigen wollen, nicht habe nachgeben wollen. (5) Und doch mit so ungeheuerlichen Lügen nicht zufrieden, fügte sie hinzu, auch ihr drohe wegen der Entdeckung der Schandtat eben jener mit dem Schwert. Da wurde der durch den zweifachen Tod seiner Söhne erschütterte Unglückliche von gewaltigen Stürmen des Leides in Wallung versetzt. (6) Denn er sah, wie der Jüngere vor seinen Augen be-

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videbat et alterum ob incestum parricidiumque capitis scilicet damnatum iri certo sciebat. ad hoc uxoris dilectae nimium mentitis lamentationibus ad extremum subolis impellebatur odium. 6 (1) Vixdum pompae funebres et sepultura filii fuerant explicatae, et statim ab ipso eius rogo senex infelix ora sua recentibus adhuc rigans lacrimis trahensque cinere sordentem canitiem foro se festinus immittit. (2) atque ibi tum fletu tum precibus genua etiam decurionum contingens nescius fraudium pessimae mulieris in exitium reliqui filii plenis operabatur affectibus: illum incestum paterno thalamo, illum parricidam fraterno exitio et in comminata novercae caede sicarium. (3) tanta denique miseratione tantaque indignatione curiam, sed et plebem maerens inflammaverat, ut remoto iudicandi taedio et accusationis manifestis probationibus et responsionis meditatis ambagibus cuncti conclamarint lapidibus obrutum publicum malum publice vindicari. (4) Magistratus interim metu periculi proprii, ne de parvis indignationis elementis ad exitium disciplinae civitatisque seditio procederet, partim decuriones deprecari, partim populares compescere, ut rite et more maiorum iudicio reddito et utrimquesecus allegationibus examinatis civiliter sententia promeretur nec ad instar barbaricae feritatis vel tyrannicae impotentiae damnaretur

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stattet wurde, und er wusste auch genau, dass der andere wegen des Inzests und der Ermordung eines Verwandten natürlich zum Tode verurteilt werden würde. Zudem wurde er durch die erlogenen Klagen seiner allzu sehr geliebten Gemahlin zu äußerstem Hass auf seinen Sprössling getrieben. 6 (1) Kaum waren der Leichenzug und die Bestattung des Sohnes vollendet, da begab sich auf der Stelle direkt vom Scheiterhaufen weg der unglückliche alte Mann, der sein Gesicht mit noch frischen Tränen benetzte und sich das von Asche beschmutzte graue Haar raufte, eilends auf das Forum. (2) Und dort arbeitete er sowohl mit Weinen als auch mit Bitten, sogar dadurch, dass er die Knie der Decurionen berührte, ohne Kenntnis der Machenschaften der schändlichen Frau unter reichlichem Verströmen seiner Gefühle auf den Tod seines verbliebenen Sohnes hin: »jenen inzestuösen Schänder des väterlichen Schlafzimmers, jenen Verwandtenmörder durch den Tod seines Bruders und jenen Attentäter, der seine Schwiegermutter mit dem Tod bedrohte.« (3) Schließlich hatte er in seiner Trauer die Kurie, aber auch das Volk zu so viel Mitleid und so viel Empörung entflammt, dass alle schrien, fern solle bleiben die Langweilerei des gerichtlichen Vorgehens, sowohl die offensichtliche Beweisführung der Anklage als auch die ausgetüftelten Verdrehungen der Verteidigung, und mit Steinen zugedeckt solle dieses öffentliche Übel öffentlich bestraft werden. (4) Die Beamten waren inzwischen dabei, aus Furcht vor der Gefahr für sich selbst, es könne aus kleinen Keimen der Empörung ein Aufruhr bis hin zum Ende von Disziplin und bürgerlicher Ordnung hervorgehen, teils die Decurionen zu bitten, teils die Volksgenossen in Schranken zu halten, damit nach Brauch und Sitte der Vorfahren ein Prozess gewährt und nach Prüfung der von beiden Seiten vorgebrachten Darlegungen auf zivilisierte Weise ein Urteil verkündet werde und nicht in der Art barbarischer Wildheit oder tyrannischer Unbeherrschtheit irgendjemand, ohne angehört wor-

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aliquis inauditus et in pace placida tam dirum saeculo proderetur exemplum. 7 (1) Placuit salubre consilium et ilico iussus praeco pronuntiat, patres in curiam convenirent. quibus protinus dignitatis iure consueta loca residentibus rursum praeconis vocatu primus accusator incedit. (2) tunc demum clamatus inducitur etiam reus et exemplo legis Atticae Martiique iudicii causae patronis denuntiat praeco neque principia dicere neque miserationem commovere. (3) Haec ad istum modum gesta compluribus mutuo sermocinantibus cognovi. (4) quibus autem verbis accusator urserit, quibus rebus diluerit reus ac prorsus orationes altercationesque neque ipse absens apud praesepium scire neque ad vos, quae ignoravi, possum enuntiare, sed quae plane comperi, ad istas litteras proferam. (5) Simul enim finita est dicentium contentio, veritatem criminum fidemque probationibus certis instrui nec suspicionibus tantam coniecturam permitti placuit (6) atque illum potissimum servum, qui solus haec ita gesta esse scire diceretur, sisti modis omnibus oportere. (7) nec tantillum cruciarius ille vel fortuna tam magni iudicii vel confertae conspectu curiae vel certe noxia conscientia sua deterritus, quae ipse finxerat, quasi vera adseverare atque adserere incipit: (8) quod se vocasset indignatus fastidio novercae

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den zu sein, verurteilt und in tiefem Frieden dem Zeitalter ein so grässliches Beispiel gegeben werde. 7 (1) Der nützliche Rat fand Gefallen, und sofort verkündigte auf Befehl der Herold, die Senatoren sollten in der Kurie zusammenkommen. Als diese sich sogleich auf den gewohnten Sitzen nach dem Recht ihres Ranges niedergelassen hatten, trat wiederum nach der Aufforderung durch den Herold als erster der Ankläger ein. (2) Dann endlich wurde auch der Angeklagte gerufen und hereingeführt, und nach dem Beispiel des attischen Rechts und des Gerichtshofs des Mars verkündete den Verteidigern der Herold, sie dürften weder einleitende Erklärungen abgeben noch Mitleid erregen. (3) Dass dies auf diese Weise geschah, hörte ich von mehreren, die sich miteinander darüber unterhielten. (4) Mit welchen Worten aber der Ankläger mit Nachdruck argumentierte, mit welchen Fakten der Angeklagte die Argumente entkräftete, kurz, die Reden und Debatten, kann ich, weil ich selbst abwesend an der Krippe war, weder wissen, noch kann ich euch, was ich nicht wusste, berichten, aber was ich klar erfahren habe, werde ich diesem Dokument anvertrauen. (5) Sobald nämlich der Streit der Redenden beendet war, beschloss man, dass die Wahrheit und Verlässlichkeit der Anschuldigungen durch sichere Beweise festgestellt werden müssten, dass eine so ernste Schlussfolgerung nicht auf Verdächtigungen aufgebaut werden dürfe, (6) und vor allem jener Sklave, von dem es hieß, er allein wisse, dass dies so geschehen sei, auf alle Fälle in den Gerichtssaal gestellt werden müsse. (7) Und jener Galgenstrick, der sich nicht im Geringsten entweder von dem, was in dem so wichtigen Prozess auf dem Spiel stand, oder von dem Anblick der dichtgedrängt besetzten Kurie oder wenigstens von seinem bösen Gewissen abschrecken ließ, fing an, das, was er selbst erdichtet hatte, als wahr zu bekräftigen und zu behaupten: (8) dass ihn entrüstet über die Zurückweisung durch die Stiefmutter der junge Mann gerufen

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iuvenis, quod ulciscens iniuriam filii eius mandaverit necem, quod promisisset grande silentii praemium, (9) quod recusanti mortem sit comminatus, quod venenum sua manu temperatum dandum fratri reddiderit, quod ad criminis probationem reservatum poculum neglexisse suspicatus sua postremum manu porrexerit puero. (10) haec examussim ad veritatis imaginem verberone illo simulata cum trepidatione perferente finitum est iudicium. 8 (1) Nec quisquam decurionum tam aequus remanserat iuveni, quin eum evidenter noxae compertum insui culleo pronuntiaret. (2) cum iam sententiae pares cunctorum stilis ad unum sermonem congruentibus ex more perpetuo in urnam aeream deberent coici, quo semel conditis calculis iam cum rei fortuna transacto nihil postea commutari licebat, sed mancipabatur potestas capitis in manum carnificis, unus e curia senior prae ceteris compertae fidei atque auctoritatis praecipuae medicus orificium urnae manu contegens, ne quis mitteret calculum temere, haec ad ordinem pertulit: (3) ‘Quod aetatis sum, vobis adprobatum me vixisse gaudeo nec patiar falsis criminibus petito reo manifestum homicidium perpetrari nec vos, qui iure iurando adstricti iudicatis, inductos servuli mendacio peierare. (4) ipse non possum calcata numinum religione

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habe, dass, um sich für die Kränkung zu rächen, er ihm die Ermordung ihres Sohnes aufgetragen habe, dass er ihm eine große Belohnung für sein Schweigen versprochen habe, (9) dass er ihm, als er sich weigerte, den Tod angedroht habe, dass er das eigenhändig gemischte Gift ihm gegeben habe, damit er es seinem Bruder verabreiche, dass er, weil er ihn verdächtigt habe, er habe 〈seine Anweisungen〉 nicht beachtet und den Becher zum Nachweis des Verbrechens aufbewahrt, diesen schließlich mit eigener Hand dem Jungen gereicht habe. (10) Dies trug der Schurke genau dem Bild der Wahrheit entsprechend mit vorgetäuschtem Zittern vor, und der Prozess wurde beendet. 8 (1) Und keiner der Decurionen war dem jungen Mann so gewogen geblieben, dass er ihn, der eindeutig der Schuld überführt war, nicht dazu verurteilt hätte, in den Sack eingenäht zu werden. (2) Als nun die Urteile, die identisch waren, weil die Griffel aller in ein und derselben Formulierung übereinstimmten, nach der kontinuierlichen Sitte in die bronzene Urne geworfen werden sollten, in der, wenn die Stimmsteine einmal geborgen waren, das Schicksal des Angeklagten bereits besiegelt und es nicht mehr erlaubt war, dass irgendetwas geändert würde, sondern die Macht über sein Leben in die Hände des Henkers übergeben war, da bedeckte ein älterer Mann aus der Kurie, ein Arzt, der vor den anderen für seine Zuverlässigkeit bekannt war und außerordentliche Autorität besaß, die Mündung der Urne mit seiner Hand, damit keiner unbesonnen einen Stimmstein hineinwerfen könne, und hielt folgende Rede an den Rat: (3) »Bis zu diesem meinem hohen Alter habe ich, worüber ich mich freue, von euch anerkannt gelebt, und ich werde nicht dulden, dass, weil der Angeklagte mit falschen Anschuldigungen angegriffen wird, ein offenkundiger Mord begangen wird und ihr, die ihr vom Eid gebunden urteilt, verleitet durch die Lüge eines Sklaven, meineidig werdet. (4) Ich selbst vermag nicht die Ehrfurcht vor den göttlichen Mächten mit Füßen zu treten, mein eigenes Gewis-

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conscientiam meam fallens perperam pronuntiare. ergo, ut res est, de me cognoscite. 9 (1) Furcifer iste venenum praesentarium comparare sollicitus centumque aureos solidos offerens pretium me non olim convenerat, quod aegroto cuidam dicebat necessarium, qui morbi inextricabilis veterno vehementer implicitus vitae se cruciatui subtrahere gestiret. (2) at ego perspiciens malum istum verberonem blaterantem atque inconcinne causificantem certusque aliquod moliri flagitium dedi quidem potionem, dedi; (3) sed futurae quaestioni praecavens non statim pretium, quod offerebatur, accepi, sed “ne forte aliquis” inquam “istorum, quos offers, aureorum nequam vel adulter repperiatur, in hoc ipso sacculo conditos eos anulo tuo praenota, donec altera die nummulario praesente comprobentur.” (4) sic inductus signavit pecuniam, quam exinde, ut iste repraesentatus est iudicio, iussi de meis aliquem curriculo taberna promptam adferre et en ecce perlatam coram exhibeo. (5) videat et suum sigillum recognoscat. nam quem ad modum eius veneni frater insimulari potest, quod iste comparaverit?’ 10 (1) Ingens exinde verberonem corripit trepidatio et in vicem humani coloris succedit pallor infernus perque universa membra frigidus sudor emanabat. (2) tunc pedes incertis alternationibus commovere, modo hanc modo illam capitis partem scalpere et ore semiclauso balbuttiens nescio quas afannas effutire, ut eum nemo prorsus a culpa vacuum merito crederet. sed revalescente rursus astutia constantissime negare et accersere mendacii non desinit medicum. (3) qui praeter iudicii religionem cum fidem suam coram

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sen zu betrügen und ein falsches Urteil zu fällen. Also erfahrt von mir, wie die Sache sich verhält. 9 (1) Dieser Galgenvogel da war, sehr daran interessiert, ein schnell wirkendes Gift zu kaufen, und hundert Goldstücke als Bezahlung bietend, vor nicht langer Zeit zu mir gekommen, ein Gift, das, wie er sagte, für einen Kranken notwendig sei, der, infolge einer unheilbaren Krankheit heftig von Lethargie befallen, sich der Qual des Lebens zu entziehen heftig begehre. (2) Doch ich durchschaute, dass dieser üble Schurke nur schwätzte und seine Gründe widersprüchlich vortrug, war mir sicher, dass er irgendeine Schandtat plane, und gab ihm zwar einen Trank, ja gab ihm den; (3) aber auf der Hut vor einer künftigen Untersuchung nahm ich nicht sofort die Bezahlung, die geboten wurde, entgegen, sondern sagte: ›Damit nicht etwa unter diesen Goldstücken, die du bietest, ein falsches oder eines von geringerem Wert gefunden wird, birg sie in diesem Sack hier und markiere sie mit deinem Siegelring, bis sie am anderen Tag in Gegenwart eines Geldwechslers geprüft werden.‹ (4) So verleitet, siegelte er das Geld, das ich später, sobald dieser da dem Gericht vorgeführt worden war, einem von meinen Leuten in Eile aus meiner Praxis zu holen und herzubringen befahl, und, seht her, es ist gebracht worden und ich lege es vor aller Augen aus. (5) Er soll es ansehen und sein eigenes Siegel erkennen. Denn wie kann der Bruder wegen des Giftes beschuldigt werden, das der da gekauft hat?« 10 (1) Eine ungeheure Angst packte daraufhin den Schurken, an die Stelle der menschlichen Farbe trat die Blässe eines Unterirdischen, und über seine sämtlichen Glieder floss ihm der kalte Schweiß. (2) Zudem bewegte er die Füße in unsicherem Wechsel, kratzte bald diesen, bald jenen Teil seines Kopfes und brachte mit halb geschlossenem Mund stammelnd irgendwelche Ausflüchte heraus, so dass mit Recht überhaupt niemand glaubte, er sei frei von Schuld. Aber da seine Verschlagenheit sich wieder erholte, hörte er nicht auf, fortwährend zu leugnen und den Arzt der Lüge zu zeihen. (3) Als dieser sah, dass außer der Heiligkeit des Gerichts seine Glaubwür-

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lacerari videret, multiplicato studio verberonem illum contendit redarguere, donec iussu magistratuum ministeria publica contrectatis nequissimi servi manibus anulum ferreum deprehensum cum signo sacculi conferunt, quae comparatio praecedentem roboravit suspicionem. (4) nec rota vel eculeus more Graecorum tormentis eius apparata iam deerant, sed offirmatus mira praesumptione nullis verberibus ac ne ipso quidem succumbit igni. 11 (1) Tum medicus ‘non patiar’ inquit ‘hercules, non patiar vel contra fas de innocente isto iuvene supplicium vos sumere vel hunc ludificato nostro iudicio poenam noxii facinoris evadere. dabo enim rei praesentis evidens argumentum. (2) nam cum venenum peremptorium comparare pessimus iste gestiret nec meae sectae crederem convenire causas ulli praebere mortis nec exitio, sed saluti hominum medicinam quaesitam esse didicissem, verens ne, si daturum me negassem, intempestiva repulsa viam sceleri subministrarem et ab alio quopiam exitiabilem mercatus hic potionem vel postremum gladio vel quovis telo nefas inchoatum perficeret, dedi venenum, sed somniferum, mandragoram illum gravedinis compertae famosum et morti simillimi soporis efficacem. (3) nec mirum desperatissimum istum latronem certum extremae poenae, quae more maiorum in eum competit, cruciatus istos ut leviores facile tolerare. sed si vere puer meis temperatam manibus sumpsit potio-

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digkeit vor seinen eigenen Augen in Stücke gerissen wurde, bemühte er sich mit vermehrtem Eifer, jenen Halunken zu widerlegen, bis auf Befehl der Beamten die Amtsdiener die Hände des nichtsnutzigen Sklaven ergriffen, einen eisernen Ring fanden und mit dem Siegel des Sacks verglichen, und dieser Vergleich erhärtete den vorher aufgekommenen Verdacht. (4) Und jetzt fehlten weder Rad noch Pferd, die nach dem Brauch der Griechen zu seiner Folterung herbeigeschafft worden waren, aber entschlossen, nicht nachzugeben, brach er in erstaunlichem Beharren auf seiner Version nicht unter den Peitschenhieben und nicht einmal unter dem Feuer zusammen. 11 (1) Da sagte der Arzt: »Ich werde es nicht dulden, beim Herkules, ich werde es nicht dulden, weder, dass ihr widerrechtlich an diesem unschuldigen jungen Mann da die Todesstrafe vollstreckt, noch dass dieser sein Spiel mit unserer Gerichtsbarkeit treibt und der Strafe für seine böse Untat entgeht. Ich werde nämlich einen schlüssigen Beweis auf der Grundlage der gegenwärtigen Situation liefern. (2) Denn als dieser Schändliche da das tödliche Gift zu kaufen heftig begehrte und ich glaubte, es sei mit meiner Berufsehre unvereinbar, jemandem Mittel für den Tod zu bieten, sowie gelernt hatte, dass die medizinische Wissenschaft nicht zum Verderben, sondern zum Heil der Menschen erfunden wurde, habe ich, da ich fürchtete, ich würde, wenn ich es ihm zu geben mich weigerte, durch eine voreilige Ablehnung den Weg für ein Verbrechen bereiten, und er würde von irgendjemand anders einen tödlichen Trank kaufen oder schließlich mit dem Schwert oder irgendeiner anderen Waffe den begonnenen Frevel ausführen, ihm das Gift gegeben, aber nur ein einschläferndes, jenen Alraunsaft, der bekannt ist für seinen betäubenden Effekt und für seine Wirkung eines dem Tod sehr ähnlichen Schlafes. (3) Es ist nicht verwunderlich, dass dieser grauenhafte Gauner, weil er der äußersten Strafe gewiss ist, die nach der Sitte der Vorfahren für ihn Anwendung findet, diese Folterungen da leicht als geringfügiger erträgt. Aber wenn der Junge wirk-

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nem, vivit et quiescit et dormit et protinus marcido sopore discusso remeabit ad diem lucidam. quod si vere peremptus est, si morte praeventus est, quaeratis licet causas mortis eius alias.’ 12 (1) Ad istum modum seniore adorante placuit, et itur confestim magna cum festinatione ad illud sepulcrum, quo corpus pueri depositum iacebat. nemo de curia, de optimatibus nemo ac ne de ipso quidem populo quisquam, qui non illuc curiose confluxerit. (2) ecce pater suis ipse manibus coperculo capuli remoto commodum discusso mortifero sopore surgentem postliminio mortis deprehendit filium eumque complexus artissime verbis impar praesenti gaudio producit ad populum. (3) atque ut erat adhuc feralibus amiculis instrictus atque obditus, deportatur ad iudicium puer. (4) iamque liquido servi nequissimi atque mulieris nequioris patefactis sceleribus procedit in medium nuda Veritas et novercae quidem perpetuum indicitur exilium, servus vero patibulo suffigitur et omnium consensu bono medico sinuntur aurei, opportuni somni pretium. (5) et illius quidem senis famosa atque fabulosa fortuna providentiae divinae condignum accepit exitum, qui momento modico, immo puncto exiguo post orbitatis periculum adulescentium duorum pater repente factus est. 13 (1) At ego tunc temporis talibus fatorum fluctibus volutabar. (2) miles ille, qui me nullo vendente comparaverat et sine pretio suum fecerat, tribuni sui praecepto debitum sustinens obsequium litteras ad magnum scriptas principem Romam versus perlaturus

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lich den von meinen Händen gemischten Trank eingenommen hat, lebt er und ruht und schläft und wird, wenn er den trägen Schlummer abgeschüttelt hat, sofort zum hellen Tag zurückkehren. Wenn er aber wirklich umgebracht wurde, wenn er vom Tod überwunden wurde, dürft ihr nach anderen Gründen für seinen Tod suchen.« 12 (1) Als der alte Mann so redete, fand er Beifall, und man ging sofort in großer Eile zu jener Grabstätte, worin der Körper des Jungen beigesetzt lag. Es gab keinen von der Kurie, von den Optimaten, und nicht einmal irgendwelche Leute aus dem Volk, die nicht neugierig dort zusammenströmten. (2) Sieh da, der Vater entfernte mit seinen eigenen Händen den Deckel des Sargs, fand seinen Sohn, der gerade den tödlichen Schlaf abgeschüttelt hatte und sich nach der Rückkehr aus dem Tode aufrichtete, umarmte ihn, sehr eng an ihn gedrückt, und führte ihn, sprechunfähig in der Freude des Augenblicks, dem Volk vor. (3) Und wie er war, noch umwickelt und umhüllt von den Grabgewändern, wurde der Knabe zum Gericht getragen. (4) Und da nun die Verbrechen des ruchlosen Sklaven und der noch ruchloseren Frau klar ans Licht gebracht worden waren, trat die nackte Veritas öffentlich auf, und die Stiefmutter wurde zu immerwährender Verbannung verurteilt, der Sklave aber ans Kreuz geschlagen, und mit einmütiger Zustimmung aller wurden dem braven Arzt die Goldstücke als Lohn für den im günstigen Moment eingetretenen Schlaf überlassen. (5) Und ein der göttlichen Vorsehung würdiges Ende bekam das vielbesprochene und vielerzählte Schicksal jenes alten Mannes, der in kurzer Zeit, ja in einem winzigen Augenblick, nach der Gefahr der Verwaisung plötzlich zum Vater von zwei jungen Männern wurde. 13 (1) Doch ich wurde in der damaligen Zeit von den Wogen des Schicksals auf folgende Weise hin und her geworfen. (2) Da jener Soldat, der mich erstanden hatte, ohne dass mich jemand verkaufte, und mich ohne Bezahlung zu seinem Eigentum gemacht hatte, einem Befehl seines Tribuns den geschuldeten Gehorsam leistete und einen Brief, der an den großen Prinzeps geschrieben war, nach

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vicinis me quibusdam duobus servis fratribus undecim denariis vendidit. his erat dives admodum dominus. (3) at illorum alter pistor dulciarius, qui panes et mellita concinnabat edulia, alter cocus, qui sapidissimis intrimentis sucuum pulmenta condita vapore mollibat. (4) unico illi contubernio communem vitam sustinebant meque ad vasa illa compluria gestanda destinarant, quae domini regiones plusculas pererrantis variis usibus erant necessaria. (5) adsciscor itaque inter duos illos fratres tertius contubernalis haud ullo tempore tam benivolam fortunam expertus. (6) nam vespera post opiparas cenas earumque splendidissimos apparatus multas numero partes in cellulam suam mei solebant reportare domini, ille porcorum, pullorum, piscium et cuiusce modi pulmentorum largissima reliquias, hic panes, crustula, lucunculos, hamos, lacertulos et plura scitamenta mellita. (7) qui cum se refecturi clausa cellula balneas petissent, oblatis ego divinitus dapibus adfatim saginabar. nec enim tam stultus eram tamque vere asinus, ut dulcissimis illis relictis cibis cenarem asperrimum faenum. 14 (1) Et diu quidem pulcherrime mihi furatrinae procedebat artificium quippe adhuc timide et satis parce subripienti de tam multis pauciora nec illis fraudes ullas in asino suspicantibus. (2) at ubi fiducia latendi pleniore capta partes opimas quasque devorabam et iucundiora eligens abligurribam dulcia, suspicio non exilis fratrum pupugit animos, et quamquam de me nihil etiam tum tale crederent, tamen cotidiani damni studiose vestigabant reum. (3) illi

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Rom bringen sollte, verkaufte er mich zwei benachbarten Sklaven, die Brüder waren, für elf Denare. Diese hatten einen sehr reichen Herrn. (3) Nun, der eine von ihnen war Zuckerbäcker, der Brötchen und Honigkuchen herzustellen verstand, der andere ein Koch, der durch Soßen gewürzte Fleischgerichte mit den schmackhaftesten Zutaten herzustellen verstand, indem er sie durch Schmoren in Dampf weich machte. (4) In einer einzigen Wohnung verdienten sie ihren gemeinsamen Lebensunterhalt, und sie hatten mich dazu bestimmt, jene zahlreichen Haushaltsgegenstände zu tragen, die für die verschiedenen Bedürfnisse des durch viele Gegenden reisenden Herrn notwendig waren. (5) Und so wurde ich bei jenen zwei Brüdern als dritter Wohnungsgenosse aufgenommen, nachdem ich zu keiner Zeit ein so wohlwollendes Schicksal erfahren hatte. (6) Denn am Abend pflegten meine Herren nach den prächtigen Mahlzeiten und deren höchst glänzender Herrichtung zahlreiche Portionen in ihre kleine Unterkunft zu bringen, der eine die gewaltigen Reste von Schweinen, Hühnern, Fischen und jeder Art von Fleischgerichten, der andere Brötchen, Törtchen, Pfannkuchen, Hörnchen, Kekse und viele honigsüße Leckereien. (7) Und wenn sie, um sich zu erfrischen, nach dem Zusperren ihrer kleinen Behausung das Bad aufgesucht hatten, mästete ich mich reichlich mit den mir durch göttliche Vorsehung dargebotenen Speisen. Denn ich war nicht so dumm und so wahrhaft ein Esel, dass ich jenes sehr köstliche Essen liegen gelassen und das sehr harte Heu gegessen hätte. 14 (1) Und lange glückte mir der diebische Trick sehr schön, da ich erst noch schüchtern und sehr sparsam eher wenig von dem so Vielen heimlich entwendete und jene keine Betrügereien bei einem Esel argwöhnten. (2) Aber als ich größere Zuversicht gewonnen hatte, verborgen zu bleiben, weiterhin gerade die fettesten Stücke verschlang, die angenehmeren Süßigkeiten auswählte und aufaß, stach ein nicht geringer Argwohn die Herzen der Brüder, und obwohl sie von mir auch zu jener Zeit nichts dergleichen glaubten, versuchten sie doch eifrig den aufzuspüren, der wegen des täglichen

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vero postremo etiam mutuo sese rapinae turpissimae criminabantur iamque curam diligentiorem et acriorem custodelam et dinumerationem adhibebant partium. tandem denique rupta verecundia sic alter alterum compellat: (4) ‘At istud iam neque aequum ac ne humanum quidem cotidie te partes electiores surripere atque iis divenditis peculium latenter augere, de reliquis aequam vindicare divisionem. (5) si tibi denique societas ista displicet, possumus omnia quidem cetera fratres manere, ab isto tamen nexu communionis discidere. nam video in immensum damni procedentem querelam nutrire nobis immanem discordiam.’ (6) Subicit alius: ‘laudo istam tuam mehercules et ipse constantiam, quod cotidie furatis clanculo partibus praevenisti querimoniam, quam diutissime sustinens tacitus ingemescebam, ne viderer rapinae sordidae meum fratrem arguere. (7) sed bene, quod utrimquesecus sermone prolato iacturae remedium quaeritur, ne silentio procedens simultas Eteocleas nobis contentiones pariat.’ 15 (1) His et similibus altercati conviciis deierantur utrique nullam se prorsus fraudem, nullam denique subreptionem factitasse, sed plane debere cunctis artibus communis dispendii latronem inquiri. (2) nam neque asinum, qui solus interesset, talibus cibis adfici posse et tamen cotidie partes electiles comparere nusquam nec utique cellulam suam tam immanes involare muscas ut olim Harpyiae fuere, quae diripiebant Phineias dapes.

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Verlustes anzuklagen war. (3) Doch schließlich beschuldigten sie sich auch gegenseitig eines höchst schändlichen Raubes, und nun begannen sie, größere Sorgfalt, schärfere Bewachung und eine genauere Zählung der Portionen zu praktizieren. Endlich machte der eine seiner Zurückhaltung kurzerhand ein Ende und beschimpfte den anderen wie folgt: (4) »Aber das hier ist nun nicht mehr recht und nicht einmal mehr menschlich, dass du täglich die erleseneren Portionen heimlich raubst und dadurch, dass du sie einzeln verkaufst, verstohlen dein Vermögen vermehrst, für das Übrige aber gleiche Verteilung beanspruchst. (5) Wenn dir also diese Gemeinschaft hier missfällt, können wir zwar in allem Übrigen Brüder bleiben, aber von dieser Verbindung, in der wir alles gemeinsam haben, uns trennen. Denn ich sehe, dass die ins Unermessliche voranschreitende Klage über den Verlust uns ungeheure Zwietracht nährt.« (6) Der andere erwiderte: »Ich lobe, beim Herkules, auch selbst diese deine Unbeirrbarkeit, dass du Tag für Tag heimlich Portionen stiehlst und mir mit der Klage zuvorkommst, die ich sehr lange bei mir behielt und nur im Stillen seufzend von mir gab, damit es nicht so aussähe, als beschuldigte ich meinen eigenen Bruder des schmutzigen Raubes. (7) Aber es ist gut, dass die Rede von beiden Seiten darauf gebracht wurde und ein Heilmittel für unseren Verlust gesucht wird, damit nicht eine Feindschaft, die sich im Stillen steigert, uns eteokleïsche Streitereien hervorbringt.« 15 (1) Als sie mit diesen und ähnlichen Vorwürfen gezankt hatten, schworen sie beide, dass sie überhaupt keinen Betrug, kurz, keinen heimlichen Raub begangen hätten, sondern eindeutig mit allen Mitteln der für den gemeinsamen Verlust verantwortliche Räuber gefunden werden müsse. (2) Denn der Esel, der allein anwesend sei, könne sich nicht an solchen Speisen erfreuen, und dennoch seien täglich erlesene Portionen nirgendwo mehr zu sehen, und gewiss flögen in ihre kleine Unterkunft nicht so riesige Fliegen, wie einst die Harpyien waren, die das phineïsche Mahl plünderten.

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(3) Interea liberalibus cenis inescatus et humanis adfatim cibis saginatus corpus obesa pinguitie compleveram, corium arvina suculenta molliveram, pilum liberali nitore nutriveram. (4) sed iste corporis mei decor pudori peperit grande dedecus. insolita namque tergoris vastitate commoti, faenum prorsus intactum cotidie remanere cernentes iam totos ad me dirigunt animos. (5) et hora consueta velut balneas petituri clausis ex more foribus per quandam modicam cavernam rimantur me passim expositis epulis inhaerentem. nec ulla cura iam damni sui habita mirati monstruosas asini delicias risu maximo dirumpuntur vocatoque uno et altero ac dein pluribus conservis demonstrant infandam memoratu hebetis iumenti gulam. (6) tantus denique ac tam liberalis cachinnus cunctos invaserat, ut ad aures quoque praetereuntis perveniret domini. 16 (1) Sciscitatus denique, quid bonum rideret familia, cognito quod res erat ipse quoque per idem prospiciens forarem delectatur eximie. ac dehinc risu ipse quoque latissimo adusque intestinorum dolorem redactus iam patefacto cubiculo proxime consistens coram arbitratur. (2) nam et ego tandem ex aliqua parte mollius mihi renidentis Fortunae contemplatus faciem gaudio praesentium fiduciam mihi subministrante nec tantillum commotus securus esitabam, (3) quoad novitate spectaculi laetus dominus aedium duci me iussit, immo vero suis etiam ipse manibus ad triclinium perduxit mensaque posita omne genus edulium solidorum et inlibata fercula

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(3) Unterdessen hatte ich, von den reichlichen Mahlzeiten vollgestopft und reichlich mit menschlichem Essen gemästet, meinen Körper mit dickem Fett angefüllt, meine Haut durch den saftigen Speck weich werden lassen und mein Haar durch edlen Glanz genährt. (4) Aber diese Schönheit meines Körpers brachte große Schande für mein Ehrgefühl hervor. Als sie nämlich, von der ungewohnten Breite meines Rückens überrascht, sahen, dass mein Heu täglich ganz unberührt blieb, lenkten sie nun alle ihre Sinne auf mich. (5) Und zur gewohnten Stunde schlossen sie, als wollten sie das Bad aufsuchen, nach ihrer Gewohnheit die Tür und erspähten durch eine kleine Spalte, wie ich mich ganz auf die überall ausgelegten Speisen konzentrierte. Und ohne dass sie noch irgendwelche Sorge um ihren Verlust gehabt hätten, brachen sie vor Verwunderung über die widernatürliche kulinarische Vorliebe eines Esels in sehr lautes Gelächter aus, riefen den einen und anderen und schließlich noch mehr Mitsklaven und zeigten ihnen den feinen, mit Worten nicht zu beschreibenden Geschmack eines stumpfen Lasttiers. (6) Ein so lautes und so hemmungsloses Gekicher hatte schließlich alle überkommen, dass es auch an die Ohren des vorbeigehenden Herrn drang. 16 (1) Er erkundigte sich also, warum um alles in der Welt die Dienerschaft lache, und als er erfahren hatte, was los war, blickte auch er selbst durch dasselbe Loch und amüsierte sich außerordentlich. Und darauf wurde auch er selbst zu breitestem Gelächter bis zum Schmerz in ihm drin erregt, und nun wurde das Zimmer geöffnet, er trat sehr nahe heran und betrachtete die Sache persönlich. (2) Denn weil ich das Gesicht der mir endlich in gewisser Hinsicht sanfter zulächelnden Fortuna sah, wobei die Freude der Anwesenden mir Zuversicht gab, schmauste ich, nicht im geringsten aufgeregt, ohne Sorge, (3) bis der über die Neuheit des Schauspiels erfreute Herr des Hauses befahl, dass ich ins Triklinium geführt würde, ja mich sogar selbst mit seinen eigenen Händen hinführte und, nachdem ein Tisch hingestellt worden war, befahl, dass mir jede Art von

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iussit adponi. (4) at ego quamquam iam bellule suffarcinatus, gratiosum commendatioremque me tamen ei facere cupiens esurienter exhibitas escas adpetebam. (5) nam et, quid potissimum abhorreret asino, excogitantes scrupulose ad explorandam mansuetudinem id offerebant mihi, carnes lasere infectas, altilia pipere inspersa, pisces exotico iure perfusos. (6) interim convivium summo risu personabat. Quidam denique praesens scurrula ‘date’ inquit ‘sodali huic quippiam meri.’ (7) quod dictum dominus secutus ‘non adeo’ respondit ‘absurde iocatus es, furcifer. valde enim fieri potest, ut contubernalis noster poculum quoque mulsi libenter adpetat.’ (8) et ‘heus,’ ait ‘puer, lautum diligenter ecce illum aureum cantharum mulso contempera et offer parasito meo. simul, quod ei praebiberim, commoneto.’ (9) Ingens exin oborta est epulonum exspectatio. nec ulla tamen ego ratione conterritus otiose ac satis genialiter contorta in modum linguae postrema labia grandissimum illum calicem uno haustu perhausi. et clamor exurgit consona voce cunctorum salute me prosequentium. 17 (1) Magno denique delibutus gaudio dominus vocatis servis suis emptoribus meis iubet quadruplum restitui pretium meque cuidam acceptissimo liberto suo et satis peculiato magnam praefatus diligentiam tradidit. (2) qui me satis humane satisque comiter nutriebat et, quo se patrono commendatiorem faceret, studiosissime voluptates eius per meas argutias instruebat. (3) et primum me quidem mensam accumbere suffixo cubito, dein adluctari et etiam saltare sublatis primoribus pedibus perdocuit, (4) quodque esset

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ganzen Gerichten und noch unberührte Platten vorgesetzt würden. (4) Und obwohl ich schon hübsch vollgestopft war, machte ich mich, weil ich mich ihm dennoch angenehm und beliebter zu machen wünschte, hungrig an die vor mir ausgebreiteten Speisen. (5) Denn was vor allem für einen Esel widerwärtig sei, dachten sie sich sehr genau aus, um zu prüfen, wie zahm ich sei, und boten mir mit Sylphium gewürzte Fleischgerichte, mit Pfeffer bestreutes Geflügel, mit einer exotischen Tunke übergossene Fische an. (6) Unterdessen ertönte die Tischgesellschaft von lautestem Gelächter. Schließlich sagte ein Spaßvogel, der anwesend war: »Gebt unserem Freund hier etwas ungemischten Wein!« (7) Der Herr unterstützte diese Bemerkung und erwiderte: »Du hast gar nicht so abwegig gewitzelt, du Galgenvogel, es ist nämlich sehr gut möglich, dass unser Kamerad sich auch gerne an einen Becher Met macht.« (8) Und er sagte: »He du, Junge, schau, den goldenen Krug da spüle sorgfältig, fülle ihn mit Met und biete ihn meinem Parasiten an. Zugleich erinnere ihn daran, dass ich ihm zugetrunken habe.« (9) Hierauf regte sich eine gewaltige Spannung bei den Tafelgästen. Ich war freilich auf keine Weise aus der Fassung gebracht, und ruhig und sehr fröhlich leerte ich, wobei ich meine Unterlippe zu einer Art Zunge krümmte, jenen riesengroßen Kelch in einem einzigen Zug. Und es erhob sich ein Ruf aller, die mir einstimmig Gesundheit zuprosteten. 17 (1) Schließlich rief der Herr, von großer Freude trunken, seine Sklaven, meine Käufer, befahl, dass ihnen der vierfache Preis erstattet werde, und übergab mich seinem bei ihm beliebtesten und sehr vermögenden Freigelassenen, nachdem er eine Vorrede über große Sorgfalt gehalten hatte. (2) Dieser behandelte mich sehr menschlich und sehr freundlich, und um sich bei seinem Patron beliebter zu machen, arrangierte er höchst eifrig dessen Vergnügen mit Hilfe meiner schlauen Tricks. (3) Und zuerst lehrte er mich, bei Tisch mit aufgestütztem Ellbogen zu liegen, dann zu ringen und sogar mit erhobenen Vorderfüßen zu tanzen, (4) und was besonders

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adprime mirabile, verbis nutum commodare, ut quod nollem relato, quod vellem deiecto capite monstrarem sitiensque pocillatore respecto ciliis alterna conivens bibere flagitarem. (5) atque haec omnia perfacile oboediebam, quae nullo etiam monstrante scilicet facerem. sed verebar ne, si forte sine magistro humano ritu ederem pleraque, rati scaevum praesagium portendere velut monstrum ostentumque me obtruncatum vulturiis opimum pabulum redderent. (6) iamque rumor publice crebruerat, quo conspectum atque famigerabilem meis miris artibus effeceram dominum: ‘hic est, qui sodalem conivamque possidet asinum luctantem, asinum saltantem, asinum voces humanas intellegentem, sensum nutibus exprimentem.’ 18 (1) Sed prius est ut vobis, quod initio facere debueram, vel nunc saltem referam, quis iste vel unde fuerit. Thiasus – hoc enim nomine meus nuncupabatur dominus – oriundus patria Corintho, quod caput est totius Achaiae provinciae, ut eius prosapia atque dignitas postulabat, gradatim permensis honoribus quinquennali magistratui fuerat destinatus, et ut splendori capessendorum responderet fascium, munus gladiatorum triduani spectaculi pollicitus latius munificentiam suam porrigebat. (2) denique gloriae publicae studio tunc Thessaliam etiam accesserat nobilissimas feras et famosos inde gladiatores comparaturus, iamque ex arbitrio dispositis coemptisque omnibus domuitionem parabat. (3) spretis luculentis illis suis vehiculis ac posthabitis decoris raedarum carpentis, quae partim contecta partim revelata frustra novissimis trahebantur consequiis, equis etiam Thessalicis et aliis iumentis

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staunenerregend war, Worten Gesten anzupassen, so dass ich, was ich nicht wollte, durch Heben, was ich wollte, durch Senken meines Kopfes anzeigte, und, wenn ich Durst hatte, den Mundschenk anblickte und, indem ich abwechselnd mit den Augenlidern blinzelte, zu trinken verlangte. (5) Und ich gehorchte sehr leicht bei alldem, was ich natürlich auch dann getan hätte, wenn niemand es mir gezeigt hätte. Aber ich fürchtete, dass, wenn ich etwa das meiste ohne Lehrmeister in der Weise eines Menschen ausführen würde, sie denken könnten, ich bedeutete ein böses Vorzeichen, und mich als Monstrum und Scheusal in Stücke hauen und den Geiern als fettes Futter geben würden. (6) Und schon hatte sich öffentlich das Gerücht verbreitet, mit dem ich durch meine erstaunlichen Künste meinen Herrn auffallend und berühmt gemacht hatte: »Dies ist der, welcher als Freund und Tischgenossen einen ringenden Esel, einen tanzenden Esel, einen die menschliche Sprache verstehenden Esel hat, der, was er denkt, durch Nicken ausdrückt.« 18 (1) Aber Vorrang hat, dass ich euch, was ich zu Beginn hätte tun müssen, doch wenigstens jetzt berichte, wer er und woher er war. Thiasus – mit diesem Namen nämlich wurde mein Herr genannt – stammte aus Korinth, das die Hauptstadt der ganzen Provinz Achaia ist, und wie seine Abstammung und seine Würde es verlangten, hatte er stufenweise die Ämter durchlaufen, war zum Duumvir quinquennalis ernannt worden, hatte, um dem Glanz des Amtes, das er übernehmen sollte, zu entsprechen, eine Gladiatorenshow von dreitägiger Dauer versprochen und wollte seine Freigebigkeit besonders breit entfalten. (2) Also war er in seinem Bestreben nach der Gunst der Öffentlichkeit dann auch nach Thessalien gekommen, um dort wilde Tiere und berühmte Gladiatoren zu erwerben, und da er nun alles nach seinem Willen arrangiert und eingekauft hatte, war er dabei, seine Heimkehr vorzubereiten. (3) Er verschmähte jenen seinen glänzenden Wagen, ließ die feinen Kutschen unbenutzt, die teils zugedeckt, teils offen umsonst am Schluss des Geleitzuges gezogen wurden, auch die thessalischen Pferde und

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Gallicanis, quibus generosa suboles perhibet pretiosam dignitatem, (4) me phaleris aureis et fucatis ephippiis et purpureis tapetis et frenis argenteis et pictilibus balteis et tintinnabulis perargutis exornatum ipse residens amantissime nonnumquam comissimis adfatur sermonibus atque inter alia pleraque summe se delectari profitebatur, quod haberet in me simul et convivam et vectorem. 19 (1) At ubi partim terrestri partim maritimo itinere confecto Corinthum accessimus, magnae civium turbae confluebant, ut mihi videbatur, non tantum Thiasi studentes honori quam mei conspectus cupientes. nam tanta etiam ibidem de me fama pervaserat, ut non mediocri questui praeposito illi meo fuerim. (2) qui cum multos videret nimio favore lusus meos spectare gestientes, obserata fore atque singulis eorum seorsus admissis stipes acceptans non parvas summulas diurnas corradere consuerat. (3) Fuit in illo conventiculo matrona quaedam pollens et opulens. quae more ceterorum visum meum mercata ac dehinc multiformibus ludicris delectata per admirationem adsiduam paulatim in admirabilem mei cupidinem incidit. nec ullam vaesanae libidini medelam capiens ad instar asinariae Pasiphaae complexus meos ardenter exspectabat. (4) grandi denique praemio cum altore depecta est noctis unius concubitum. at ille nequaquam 〈curans, an ei quicquam〉 posset de me suave provenire, lucro suo tantum intentus, adnuit. 20 (1) Iam denique cenati e triclinio domini decesseramus et iam

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andere Lasttiere aus Gallien, denen ein edler Stammbaum einen hohen Wert verleiht, (4) ließ mich mit goldenem Kopfschmuck, gefärbten Pferdedecken, purpurnen Decken, silbernen Zügeln, bestickten Bändern und hell tönenden Glöckchen schmücken, saß selbst auf mir, redete mich bisweilen sehr liebevoll mit den freundlichsten Worten an und erklärte unter vielem anderen, es bereite ihm höchstes Vergnügen, dass er an mir zugleich einen Tischgenossen und ein Reittier habe. 19 (1) Nun, als wir die Reise teils auf dem Landweg, teils auf dem Seeweg zurückgelegt hatten und in Korinth angekommen waren, strömten große Scharen von Bürgern zusammen, die, wie mir schien, nicht so sehr um die Ehrung des Thiasus bemüht waren, wie sie Verlangen nach meinem Anblick hatten. Denn auch ebenda hatte sich ein so großes Gerede über mich verbreitet, dass ich eine nicht geringe Erwerbsquelle für den war, der über mich die Aufsicht hatte. (2) Als der sah, dass viele in übergroßer Begeisterung meine Tricks zu sehen begehrten, verriegelte er die Tür und ließ sie getrennt einen nach dem anderen ein, und da er Geld dafür bekam, war er gewohnt, ein nicht geringes tägliches Sümmchen zusammenzukratzen. (3) Es befand sich in jener Gesellschaft eine einflussreiche und wohlhabende Dame. Sie bezahlte wie die übrigen dafür, mich zu sehen, hatte dann ihre Freude an meinen vielfältigen Tricks und verfiel durch das ständige Bestaunen allmählich in ein erstaunliches Verlangen nach mir. Und da sie kein Heilmittel für ihre wahnsinnige Leidenschaft zu erlangen versuchte, sehnte sie sich wie eine EselPasiphaë glühend nach meinen Umarmungen. (4) Für einen hohen Preis handelte sie schließlich mit meinem Wärter das Beilager einer Nacht aus. Und er, der sich keineswegs darum scherte, ob ihr irgendetwas Angenehmes von mir widerfahren könne, sagte zu, nur auf seinen Gewinn fixiert. 20 (1) Nun, wir hatten schon gegessen, waren aus dem Triklinium des Herrn herausgegangen und fanden in meinem Schlafzim-

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dudum praestolantem cubiculo meo matronam offendimus. dii boni, qualis ille quamque praeclarus apparatus! (2) quattuor eunuchi confestim pulvillis compluribus ventose tumentibus pluma delicata terrestrem nobis cubitum praestruunt, sed et stragula veste auro ac murice Tyrio depicta probe consternunt ac desuper brevibus admodum, sed satis copiosis pulvillis, aliis nimis modicis, quis maxillas et cervices delicatae mulieres suffulcire consuerunt, superstruunt. (3) nec dominae voluptates diutina sua praesentia morati clausis cubiculi foribus facessunt. at intus cerei praeclara micantes luce nocturnas nobis tenebras inalbabant. 21 (1) Tunc ipsa cuncto prorsus spoliata tegmine, taenia quoque, qua decoras devinxerat papillas, lumen propter adsistens de stagneo vasculo multo sese perungit oleo balsamo meque indidem largissime perfricat, sed multo tanta impensius tura etiam nares perfundit meas. (2) tunc exosculata pressule, non qualia in lupanari solent basiola iactari vel meretricum poscinummia vel adventorum negantinummia, sed pura atque sincera instruit et blandissimos adfatus: (3) ‘amo’ et ‘cupio’ et ‘te solum diligo’ et ‘sine te iam vivere nequeo’ et cetera, quis mulieres et alios inducunt et suas testantur adfectationes. capistroque me prehensum more, quo didiceram, reclinat facile, (4) quippe cum nil novi nihilque difficile facturus mihi viderer, praesertim post tantum temporis tam formonsae mulieris cupientis amplexus obiturus. nam et vino pulcherrimo atque copioso memet madefeceram et ungento flagrantissimo prolubium libidinis suscitaram.

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mer die Dame, die schon lange auf mich wartete. Ihr guten Götter, was war das für ein Aufwand und wie prächtig! (2) Vier Eunuchen bereiteten uns eilends aus zahlreichen Kissen, die, von feinen Daunen sich bauschend, wie aufgeblasen aussahen, auf dem Boden ein Bett vor, sie breiteten auch Decken hübsch aus, die mit Gold und tyrischem Purpur bestickt waren, und darüber errichteten sie einen Aufbau aus ziemlich kleinen, aber sehr zahlreichen Kissen und anderen sehr kleinen, auf die vornehme Frauen ihre Wangen und Nacken zu stützen pflegen (3) Und sie verzögerten die Wonnen ihrer Herrin nicht durch eine verlängerte Anwesenheit, schlossen die Tür des Schlafzimmers und machten sich davon. Und drinnen funkelten Wachskerzen mit herrlichem Licht und erleuchteten uns die nächtliche Dunkelheit. 21 (1) Dann trat sie selbst, nachdem sie all ihre Kleider ganz ausgezogen hatte, auch das Band, mit dem sie ihre schönen Brüste hochgebunden hatte, neben das Licht, salbte sich aus einem Zinngefäß mit viel Balsamöl und rieb mich eben daraus sehr reichlich ein, aber viel großzügiger befeuchtete sie meine Nüstern reichlich mit Weihrauch. (2) Dann küsste sie mich innig, nicht mit Küssen, wie sie im Bordell gegeben werden, entweder von geldfordernden Huren oder geldverweigernden Kunden, sondern sie schenkte mir reine und aufrichtige Küsse und die schmeichelhaftesten Worte: (3) »Ich liebe dich« und »Ich will dich« und »Ich hab nur dich lieb« und »Ohne dich kann ich nicht mehr leben« und anderes, womit Frauen andere verlocken und ihre eigenen Sehnsüchte bekunden. Und sie ergriff mich am Halfter, brachte mich in der Weise, wie ich es gelernt hatte, leicht zum Liegen, (4) da mir ja schien, ich würde nichts Neues und nichts Schweres tun, zumal ich nach so langer Zeit mich den Umarmungen einer so schönen Frau, die mich begehrte, hingeben sollte. Denn ich hatte mich mit sehr gutem und reichlichem Wein benetzt und mit sehr gut duftender Salbe mein Verlangen nach Liebeslust erregt.

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22 (1) Sed angebar plane non exili metu reputans, quem ad modum tantis tamque magnis cruribus possem delicatam matronam inscendere vel tam lucida tamque tenera et lacte ac melle confecta membra duris ungulis complecti labiasque modicas ambroseo rore purpurantes tam amplo ore tamque enormi et saxeis dentibus deformi saviari, novissime quo pacto, quamquam ex unguiculis perpruriscens, mulier tam vastum genitale susciperet. (2) heu me, qui dirrupta nobili femina bestiis obiectus munus instructurus sim mei domini! molles interdum voculas et adsidua savia et dulces gannitus commorsicantibus oculis iterabat illa et in summa (3) ‘teneo te,’ inquit ‘teneo, meum palumbulum, meum passerem.’ et cum dicto vanas fuisse cogitationes meas ineptumque monstrat metum. artissime namque complexa totum me prorsus, sed totum recepit. (4) illa vero, quotiens ei parcens nates recellebam, accedens totiens nisu rabido et spinam prehendens meam adpliciore nexu inhaerebat, ut hercules etiam deesse mihi aliquid ad supplendam eius libidinem crederem nec Minotauri matrem frustra delectatam putarem adultero mugiente. (5) iamque operosa et pervigili nocte transacta vitata lucis conscientia facessit mulier condicto pari noctis futurae pretio. 23 (1) Nec gravate magister meus voluptates ex eius arbitrio largiebatur partim mercedes amplissimas acceptando, partim novum spectaculum domino praeparando. incunctanter ei denique

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22 (1) Aber ich war sehr beunruhigt, weil ich mit nicht geringer Angst überlegte, wie ich imstande sein würde, mit so großen und so gewaltigen Beinen die feine Dame zu besteigen oder so glänzend weiße, so zarte und aus Milch und Honig geschaffene Glieder mit meinen harten Hufen zu umarmen und ihre zierlichen, von ambrosischem Tau purpurroten Lippen mit einem so mächtigen, so außergewöhnlich großen und durch steinharte Zähne entstellten Maul zu küssen, schließlich, auf welche Weise, auch wenn sie von den Zehenspitzen bis oben geil war, die Frau ein so riesiges Geschlechtsorgan in sich aufnehmen würde. (2) Weh mir, der ich, wenn ich die vornehme Frau auseinander gerissen habe, wilden Tieren vorgeworfen werde, um die Show meines Herren zu bereichern! Unterdessen wiederholte sie die zärtlichen Worte, ständigen Küsse und süßen Laute mit Blicken, die mich bis in Mark trafen, kurz, sie sagte: (3) »Ich hab dich, ich hab dich, mein Täubchen, mein Spatz!« Und während sie sprach, demonstrierte sie, dass meine Überlegungen nichtig und meine Furcht töricht war. Sehr eng nämlich umschlang sie mich und nahm mich voll und ganz, ja ganz in sich auf. (4) Wahrhaftig, wie oft ich auch, um sie zu schonen, meine Pobacken zurückzog, so oft rückte sie mit rasendem Schwung heran, fasste mein Rückgrat und haftete an mir in engerer Verklammerung, so dass ich, beim Herkules, glaubte, es fehle mir sogar noch etwas zur Erfüllung ihres geilen Verlangens, und dachte, auch die Mutter des Minotaurus habe sich nicht für nichts und wieder nichts an dem muhenden Ehebrecher erfreut. (5) Und als nun eine arbeitsame und durchwachte Nacht verbracht war, vermied die Frau das Mitwissen des Tageslichts und machte sich davon, nachdem sie den gleichen Preis für eine zukünftige Nacht festgesetzt hatte. 23 (1) Und nicht ungern schenkte ihr mein Meister ihre Wonnen nach ihrem Wunsch, teils weil er sehr reichlichen Lohn bekam, teils weil er eine neue Show für seinen Herrn vorbereitete. Ohne Zögern enthüllte er ihm also das ganze Szenario unseres sexuellen

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libidinis nostrae totam detegit scaenam. at ille liberto magnifice munerato destinat me spectaculo publico. (2) et quoniam neque egregia illa uxor mea propter dignitatem neque prorsus ulla alia inveniri potuerat grandi praemio, vilis acquiritur aliqua sententia praesidis bestiis addicta, quae mecum incoram public〈ans pudicitia〉m populi caveam frequentaret. eius poenae talem cognoveram fabulam. (3) Maritum habuit, cuius pater peregre proficiscens mandavit uxori suae, matri eiusdem iuvenis – quod enim sarcina praegnationis oneratam eam relinquebat – ut, si sexus sequioris edidisset fetum, protinus quod esset editum necaretur. (4) at illa per absentiam mariti nata puella insita matribus pietate praeventa descivit ab obsequio mariti eamque prodidit vicinis alumnandam, regressoque iam marito natam necatamque nuntiavit. (5) sed ubi flos aetatis nuptialem virgini diem flagitabat nec ignaro marito dotare filiam pro natalibus quibat, quod solum potuit, filio suo tacitum secretum aperuit. nam et oppido verebatur, ne quo casu caloris iuvenalis impetu lapsus nescius nesciam sororem incurreret. (6) sed pietatis spectatae iuvenis et matris obsequium et sororis officium religiose dispensat et arcanis domus venerabilis silentii custodiae traditis plebeiam facie tenus praetendens humanitatem sic necessarium sanguinis sui munus adgreditur, ut desolatam vicinam puellam pa-

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Treibens. Und der beschenkte den Freigelassenen fürstlich und bestimmte mich für eine öffentliche Show. (2) Und weil weder jene meine hervorragende Ehefrau wegen ihres Ansehens noch überhaupt irgendeine andere für eine hohe Belohnung gefunden werden konnte, verschaffte man sich irgendeine Minderwertige, die, durch den Urteilsspruch des Statthalters für die wilden Tiere bestimmt, mit mir vor aller Augen ihre Schamhaftigkeit öffentlich preisgeben und das Theater mit viel Volk füllen sollte. Folgende Geschichte ihrer Bestrafung hatte ich gehört. (3) Sie hatte einen Ehemann, dessen Vater, als er zu einer Auslandsreise aufbrach, seiner Frau, der Mutter desselben jungen Mannes – weil er sie in der Tat mit der Bürde der Schwangerschaft belastet zurückließ –, auftrug, wenn sie ein Kind des schwächeren Geschlechts gebäre, solle es sofort, wenn es geboren sei, getötet werden. (4) Doch sie versagte, als während der Abwesenheit ihres Mannes ein Mädchen geboren worden war, ihrem Mann, weil die Müttern angeborene Liebe überwog, den Gehorsam und übergab es Nachbarn zum Aufziehen, und als der Ehemann nun zurückgekehrt war, vermeldete sie, ein Mädchen sei geboren und getötet worden. (5) Aber als die Blüte des Alters für die junge Frau den Hochzeitstag forderte und sie ohne Wissen ihres Mannes ihre Tochter nicht mit einer Mitgift entsprechend ihrer Herkunft ausstatten konnte, eröffnete sie – das allein konnte sie tun –, ihrem Sohn das verschwiegene Geheimnis. Denn sie fürchtete auch sehr, dass er, durch irgendeinen Zufall, im Drang jugendlicher Liebesglut aus der Bahn geraten, nicht wissend auf seine nicht wissende Schwester stoßen könnte. (6) Aber der für seine Gewissenhaftigkeit bekannte junge Mann wahrte sowohl den Gehorsam gegenüber seiner Mutter als auch die Pflicht gegenüber der Schwester gewissenhaft, hütete die Geheimnisse des Hauses in ehrfurchtsvollem Schweigen und machte sich, während er nach außen hin die gewöhnliche menschliche Freundlichkeit zum Vorwand nahm, an die von seiner Blutsverwandtschaft her notwendige Aufgabe, dass er die einsame

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rentumque praesidio viduatam domus suae tutela receptaret ac mox artissimo multumque sibi dilecto contubernali largitus de proprio dotem liberalissime traderet. 24 (1) Sed haec bene atque optime plenaque cum sanctimonia disposita feralem Fortunae nutum latere non potuerunt, cuius instinctu domum iuvenis protinus se direxit saeva Rivalitas. (2) et ilico haec eadem uxor eius, quae nunc bestiis propter haec ipsa fuerat addicta, coepit puellam velut aemulam tori succubamque primo suspicari, dehinc detestari, dehinc crudelissimis laqueis mortis insidiari. (3) Tale denique comminiscitur facinus. anulo mariti surrepto rus profecta mittit quendam servulum sibi quidem fidelem, sed de ipsa Fide pessime merentem, qui puellae nuntiaret, quod eam iuvenis profectus ad villulam vocaret ad sese, addito ut sola et sine ullo comite quam maturissime perveniret. (4) et ne qua forte nasceretur veniendi cunctatio, tradit anulum marito subtractum, qui monstratus fidem verbis adstipularetur. at illa mandatu fratris obsequens – hoc enim nomen sola sciebat – respecto etiam signo eius, quod offerebatur, naviter, ut praeceptum fuerat, incomitata festinabat. (5) sed ubi fraudis extremae lapsa decipulo laqueos insidiarum accessit, tunc illa uxor egregia sororem mariti libidinosae furiae stimulis efferata primum quidem nudam flagris ultime ver-

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und des elterlichen Schutzes beraubte junge Frau in der Nachbarschaft in die Obhut seines eigenen Hauses aufnahm und bald einem sehr engen und sehr von ihm geschätzten Kameraden zur Frau gab, wobei er höchst freigebig die Mitgift aus seinem eigenen Besitz spendete. 24 (1) Doch diese gut und perfekt und in voller Übereinstimmung mit der Frömmigkeit getroffenen Vorkehrungen konnten der fatalen Launenhaftigkeit Fortunas nicht verborgen bleiben, auf deren Antrieb hin sich zum Haus des jungen Mannes sofort die grimmige Rivalitas begab. (2) Und auf der Stelle begann dessen Gattin, eben die, welche jetzt gerade deswegen für die wilden Tiere bestimmt war, die junge Frau als eine Rivalin in ihrer Ehe und als eine Konkubine zuerst zu verdächtigen, darauf zu verfluchen, darauf ihr mit den grausamsten Schlingen des Todes einen Hinterhalt zu legen. (3) Sie dachte sich also folgende Untat aus. Sie raubte heimlich den Ring ihres Mannes, begab sich aufs Land und schickte einen Sklaven, der ihr zwar treu war, sich aber um Fides persönlich sehr schlecht verdient machte, und welcher der jungen Frau melden sollte, dass der junge Mann, der sich auf sein kleines Landgut begeben habe, sie zu sich rufe, und hinzugefügt war, dass sie allein und ohne irgendeinen Begleiter so rasch wie möglich kommen solle. (4) Und damit nicht etwa eine Verzögerung ihres Erscheinens entstehe, übergab sie ihm den ihrem Mann entwendeten Ring, der, wenn er vorgezeigt würde, den Worten Glauben verschaffen sollte. Und sie gehorchte dem Auftrag ihres Bruders – diese Bezeichnung nämlich kannte nur sie allein –, und als sie auch sein Siegel prüfend angeschaut hatte, das ihr gezeigt wurde, da eilte sie ohne Begleitung, wie ihr befohlen worden war, eifrig dahin. (5) Aber sobald sie aufgrund der Täuschung eines üblen Betrugs in die Irre gegangen und in die Schlingen des Hinterhalts geraten war, da prügelte jene hervorragende Gattin die Schwester ihres Mannes, wild gemacht durch die Stacheln hemmungsloser Raserei, zuerst ganz nackt mit Peitschen

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berat, dehinc quod res erat clamantem quodque frustra paelicatus indignatione bulliret fratrisque nomen saepius iterantem velut mentitam atque cuncta fingentem titione candenti inter media femina detruso crudelissime necavit. 25 (1) Tunc acerbae mortis exciti nuntiis frater et maritus accurrunt variisque lamentationibus defletam puellam tradunt sepulturae. nec iuvenis sororis suae mortem tam miseram et quae 〈ut〉 minime par erat inlata[m] 〈est〉 aequo tolerare quivit animo, sed medullitus dolore commotus acerrimaeque bilis noxio furore perfusus exin flagrantissimis febribus ardebat, ut ipsi quoque iam medela videretur esse necessaria. (2) sed uxor, quae iam pridem nomen uxoris cum fide perdiderat, medicum convenit quendam notae perfidiae, qui iam multarum palmarum spectatus proeliis magna dexterae suae tropaea numerabat, eique protinus quinquaginta promittit sestertia, ut ille quidem momentarium venenum venderet, ipsa autem emeret mortem mariti sui. (3) quo compecto simulatur necessaria praecordiis leniendis bilique subtrahendae illa praenobilis potio, quam sacram doctiores nominant, sed in eius vicem subditur alia Proserpinae sacra Saluti. iamque praesente familia et nonnullis amicis et adfinibus aegroto medicus poculum probe temperatum manu sua porrigebat. 26 (1) Sed audax illa mulier, ut simul et conscium sceleris amoliretur et, quam desponderat, pecuniam lucraretur, coram detento calice ‘non prius,’ inquit ‘medicorum optime, non prius carissimo

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fast zu Tode, und als die schrie, was die Tatsachen waren und dass sie mit ihrer Entrüstung über den Ehebruch um nichts und wieder nichts koche, sowie die Bezeichnung ›Bruder‹ öfter wiederholte, tötete jene sie auf grausamste Weise, weil sie angeblich log und alles erdichtete, mit einem zwischen ihre Oberschenkel gestoßenen glühenden Holzscheit. 25 (1) Dann eilten, heftig erregt über die Nachricht von ihrem bitteren Tod, Bruder und Ehemann herbei, beweinten die junge Frau mit vielfachen Klagen und übergaben sie dem Bestattungsritual. Und der junge Mann konnte nicht den so elenden Tod seiner Schwester und die Tatsache, dass der ihr ganz und gar nicht zu Recht gebracht worden war, mit Gleichmut ertragen, sondern begann daraufhin, bis ins Mark von dem Schmerz erschüttert und von der schädlichen Raserei der bittersten Galle durchtränkt, von sehr heißen Fieberattacken zu glühen, so dass sogar ihm nun ein Heilmittel notwendig schien. (2) Aber seine Frau, die schon längst die Bezeichnung ›Gattin‹ zusammen mit ihrer Treue verloren hatte, begab sich zu einem für seine Charakterlosigkeit bekannten Arzt, der, durch viele siegreiche Kämpfe ausgezeichnet, großartige Trophäen seiner Rechten zählte, und versprach ihm sogleich fünfzigtausend Sesterzen, damit er ihr ein schnell wirkendes Gift verkaufe, sie selbst aber den Tod ihres Mannes kaufe. (3) Als das vereinbart war, wurde vorgeblich jener für die Beruhigung der inneren Organe und den Entzug von Galle nötige berühmte Trank hergestellt, den die Kundigeren den ›heiligen‹ nennen, aber an seiner Stelle ein anderer untergeschoben, welcher der Proserpina Salus heilig war. Und nun wollte der Arzt in Anwesenheit der Dienerschaft und einiger Freunde und Verwandten dem Kranken den von seiner eigenen Hand gut gemischten Trank reichen. 26 (1) Aber jene schamlose Frau hielt, um zugleich den Mitwisser des Verbrechens zu beseitigen und das Geld, das sie versprochen hatte, zu sparen, vor aller Augen den Kelch zurück und sagte: »Nicht eher, bester der Ärzte, nicht eher wirst du meinem teuers-

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mihi marito trades istam potionem quam de ea bonam partem hauseris ipse. (2) unde enim scio, an noxium in ea lateat venenum? quae res utique te tam prudentem tamque doctum virum nequaquam offendet, si religiosa uxor circa salutem mariti sollicita necessariam adfero pietatem.’ (3) Qua mira desperatione truculentae feminae repente perturbatus medicus excussusque toto consilio et ob angustiam temporis spatio cogitandi privatus, antequam trepidatione aliqua vel cunctatione ipsa daret malae conscientiae suspicionem, indidem de potione gustavit ampliter. (4) quam fidem secutus adulescens etiam sumpto calice, quod offerebatur, hausit. ad istum modum praesenti transacto negotio medicus quam celerrime domum remeabat salutifera potione pestem praecedentis veneni festinans extinguere. (5) nec eum obstinatione sacrilega, qua semel coeperat, truculenta mulier ungue latius a se discedere passa est – ‘priusquam’ inquit ‘digesta potione medicinae proventus appareat’ –, sed aegre precibus et ostentationibus eius multum ac diu fatigata tandem abire concessit. (6) interdum perniciem caecam totis visceribus furentem medullae penitus adtraxerant. multum denique saucius et gravedine somnulenta iam demersus domum pervadit aegerrime. (7) vixque enarratis cunctis ad uxorem mandato, saltem promissam mercedem mortis geminatae deposceret, sic elisus violenter spectatissimus medicus effundit spiritum.

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ten Gemahl diesen Trank da überreichen, als du selbst daraus einen guten Teil getrunken hast. (2) Woher nämlich weiß ich, ob nicht schädliches Gift darin lauert? Das wird sicherlich dich, einen so klugen und so gelehrten Mann, keineswegs kränken, wenn ich als treu ergebene Gattin, besorgt um das Wohl meines Mannes, das notwendige Pflichtgefühl einbringe.« (3) Durch diese erstaunliche Unverschämtheit der herzlosen Frau plötzlich sehr verwirrt, gänzlich um den Verstand gebracht und wegen der Kürze der Zeit eines Augenblicks der Überlegung beraubt, nahm der Arzt, ehe er durch irgendwelche Angst oder gar Zögern den Verdacht eines schlechten Gewissens erregte, von eben dem Trank einen kräftigen Schluck. (4) Auf dieses Zeichen von Vertrauenswürdigkeit verließ der junge Mann sich, nahm den Kelch und trank, was ihm dargeboten wurde. Als er auf diese Weise seine momentane Aufgabe erfüllt hatte, wollte der Arzt so schnell wie möglich nach Hause zurückkehren, weil er es eilig hatte, durch einen heilbringenden Trank die verderbliche Wirkung des vorausgegangenen Gifts auszulöschen. (5) Aber in ihrer gottlosen Hartnäckigkeit, mit der sie einmal angefangen hatte, duldete die herzlose Frau nicht, dass er sich weiter, als ein Fingernagel breit ist, von ihr entfernte – »Nicht bis der Trank verdaut und das positive Ergebnis deutlich ist«, sagte sie –, aber nur widerstrebend gab sie ihm, durch seine Bitten und Beschwörungen vielfach und lange mürbe gemacht, endlich die Erlaubnis, davonzugehen. (6) Unterdessen hatte sein Mark das unsichtbare Verderben, das in den ganzen Eingeweiden tobte, tief in sich aufgesogen. Schließlich gelangte er, schwer angeschlagen und schon von einem schlafähnlichen Gefühl der Schwere überwältigt, mit größter Mühe nach Hause. (7) Und kaum hatte er seiner Frau alles erzählt und ihr aufgetragen, sie solle wenigstens den versprochenen Lohn für den Doppelmord verlangen, hauchte, gewaltsam umgebracht, der höchst bewährte Arzt seinen Geist aus.

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27 (1) Nec ille tamen iuvenis diutius vitam tenuerat, sed inter fictas mentitasque lacrimas uxoris pari casu mortis fuerat extinctus. iamque eo sepulto paucis interiectis diebus, quis feralia mortuis litantur obsequia, uxor medici pretium geminae mortis petens aderat. (2) sed mulier usquequaque sui similis, fidei supprimens faciem, praetendens imaginem, blandicule respondit et omnia prolixe accumulateque pollicetur et statutum praemium sine mora se reddituram constituit, modo pauxillum de ea potione largiri sibi vellet ad incepti negotii persecutionem. (3) quid pluribus? laqueis fraudium pessimarum uxor inducta medici facile consentit et, quo se gratiorem locupleti feminae faceret, properiter domo petitam totam prorsus veneni pyxidem mulieri tradidit. quae grandem scelerum nancta materiam longe lateque cruentas suas manus porrigit. 28 (1) Habebat filiam parvulam de marito, quem nuper necaverat. huic infantulae quod leges necessariam patris successionem deferrent, sustinebat aegerrime inhiansque toto filiae patrimonio imminebat et capiti. (2) ergo certa defunctorum liberorum matres sceleratas hereditates excipere talem parentem praebuit, qualem exhibuerat uxorem prandioque commento pro tempore et uxorem medici simul et suam filiam veneno eodem percutit. (3) sed parvulae quidem tenuem spiritum et delicata ac tenera praecordia conficit protinus virus infestum, at uxor medici, dum noxiis ambagibus

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27 (1) Auch jener junge Mann jedoch hatte sein Leben nicht länger festhalten können, sondern war unter den vorgetäuschten und falschen Tränen seiner Frau unter den gleichen Umständen des Todes ausgelöscht worden. Als er schon beigesetzt war, kam nach der Zwischenzeit der wenigen Tage, in denen die Bestattungsriten für die Toten vollzogen werden, die Frau des Arztes, die den Lohn für den Doppelmord verlangte. (2) Aber die sich immer gleich bleibende Frau trug, indem sie das wahre Gesicht der Vertrauenswürdigkeit unterdrückte, deren Abbild zur Schau, antwortete freundlich, versprach alles großzügig und überreichlich und sagte zu, den festgesetzten Preis unverzüglich zu zahlen, nur möge jene bereit sein, ihr ein wenig von diesem Trank für die endgültige Durchführung der begonnenen Aktion zur Verfügung stellen. (3) Wozu mehr Worte? In die Schlingen der übelsten Machenschaften gelockt, stimmte die Frau des Arztes bereitwillig zu, und um sich bei der reichen Frau beliebter zu machen, holte sie eilends die ganze, ja die ganze Büchse Gift von zu Hause und übergab sie der Frau. Die hatte reichliches Material für Verbrechen erhalten und streckte ihre blutbefleckten Hände weit und breit aus. 28 (1) Sie hatte eine kleine Tochter von ihrem Mann, den sie kürzlich getötet hatte. Dass diesem Kindchen die Gesetze das nicht übertragbare Erbe des Vaters zuwiesen, ertrug sie nur sehr schwer, und weil sie heftig das ganze Vermögen ihrer Tochter begehrte, bedrohte sie auch deren Leben. (2) Da sie also die Sicherheit hatte, dass Mütter, die dazu verdammt sind, ihre Kinder zu überleben, deren Erbschaften bekommen, zeigte sie sich so als Mutter, wie sie sich als Gattin präsentiert hatte, dachte sich ein zur Tageszeit passendes Essen aus und führte gegen die Frau des Arztes und zugleich gegen ihre eigene Tochter einen tödlichen Schlag mit demselben Gift. (3) Nun, den schwachen Atem und den schwächlichen und zarten Darm der Kleinen zerstörte das mörderische Gift sofort, doch die Frau des Arztes hegte, während die stürmische Gewalt des verabscheuungswürdigen Tranks in schädlichen Windungen ihre

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pulmones eius pererrat tempestas detestabilis potionis, primum suspicata, quod res erat, mox urgente spiritu iam certo certior contendit ad ipsam praesidis domum magnoque fidem eius protestata clamore et populi concitato tumultu utpote tam immania detectura flagitia efficit, statim sibi simul et domus et aures praesidis patefierent. (4) iamque ab ipso exordio crudelissimae mulieris cunctis atrocitatibus diligenter expositis repente mentis nubilo turbine correpta semihiantes adhuc compressit labias et attritu dentium longo stridore reddito ante ipsos praesidis pedes examinis corruit. (5) Nec ille vir alioquin exercitus tam multiforme facinus excetrae venenatae dilatione languida passus marcescere confestim cubiculariis mulieris adtractis vi tormentorum veritatem eruit atque illam minus quidem quam merebatur, sed quod dignus cruciatus alius excogitari non poterat, certe bestiis obiciendam pronuntiavit. 29 (1) Talis mulieris publicitus matrimonium confarreaturus ingentique angore oppido suspensus exspectabam diem muneris saepius quidem mortem mihimet volens consciscere, priusquam scelerosae mulieris contagio macularer vel infamia publici spectaculi depudescerem. sed privatus humana manu, privatus digitis, ungula rotunda atque mutila gladium stringere nequaquam poteram. (2) plane tenui specula solabar clades ultimas, quod ver in ipso ortu iam gemmulis floridis cuncta depingeret et iam purpureo nitore prata vestiret et commodum dirrupto spineo tegmine spirantes

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Lunge durchströmte, zuerst einen Verdacht, was los war, und bald, als ihr Atem sie in Not brachte, war sie sich schon sicherer als sicher und eilte direkt zum Haus des Statthalters, flehte ihn mit lautem Geschrei öffentlich um seinen Schutz an, erregte einen Volksauflauf, weil sie so ungeheuerliche Schandtaten aufdecken würde, und bewirkte, dass ihr auf der Stelle zugleich das Haus und die Ohren des Statthalters geöffnet wurden. (4) Und als sie nun ganz von Anfang an alle Scheußlichkeiten der grausamsten Frau sorgfältig dargelegt hatte, wurde sie plötzlich von einer Schwindelattacke gepackt, die ihren Sinn umnebelte, presste ihre bis dahin halboffenen Lippen zusammen, gab mit Zähneknirschen einen lang anhaltenden Laut von sich und brach direkt vor den Füßen des Statthalters entseelt zusammen. (5) Jener, ein generell von Sorgen geplagter Mann, duldete nicht, dass das vielfältige Verbrechen der giftigen Schlange durch träges Aufschieben verblasste, die Kammerdiener der Frau wurden eilends herbeigeschleppt, er fand durch die Macht der Folter die Wahrheit heraus und ordnete an, dass jene – das war zwar weniger, als sie verdiente, aber weil eine andere angemessene Marter nicht erdacht werden konnte – wenigstens den wilden Tieren vorzuwerfen sei. 29 (1) Mit einer solchen Frau sollte ich öffentlich Hochzeit feiern, und in ungeheurer Angst höchst angespannt erwartete ich den Tag der Show, wobei ich öfter wünschte, Selbstmord zu begehen, bevor ich durch die Berührung mit der verbrecherischen Frau befleckt oder durch die Schande des öffentlichen Schauspiels meine Ehre verlieren würde. Aber beraubt der menschlichen Hand, beraubt der Finger konnte ich mit meinem runden und abgenutzten Huf auf keinen Fall ein Schwert zücken. (2) Mit einer ganz winzigen, schwachen Hoffnung tröstete ich mich in der äußersten Katastrophe, dass der gerade beginnende Frühling schon mit blühenden juwelenartigen Knospen alles bemalte, schon mit Purpurglanz die Wiesen bekleidete und dass, gerade aus ihrer stachligen Hülle

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cinnameos odores promicarent rosae, quae me priori meo Lucio redderent. (3) Dies ecce muneri destinatus aderat. ad conseptum caveae prosequente populo pompatico favore deducor. ac dum ludicris scaenicorum choreis primitiae spectaculi dedicantur, tantisper ante portam constitutus pabulum laetissimi graminis, quod in ipso germinabat aditu, libens adfectabam subinde curiosos oculos patente porta spectaculi prospectu gratissimo reficiens. (4) Nam puelli puellaeque virenti florentes aetatula, forma conspicui, veste nitidi, incessu gestuosi, Graecanicam saltaturi pyrricam dispositis ordinationibus decoros ambitus inerrabant nunc in orbem rotatum flexuosi, nunc in obliquam seriem conexi et in quadratum patorem cuneati et in catervae discidium separati. (5) at ubi discursus reciproci multinodas ambages tubae terminalis cantus explicuit, aulaeo subducto et complicitis sipariis scaena disponitur. 30 (1) Erat mons ligneus ad instar incliti montis illius, quem vates Homerus Idaeum cecinit, sublimi instructus fabrica, consitus virectis et vivis arboribus, summo cacumine, de manibus fabri fonti manante, fluvialis aquas eliquans. (2) capellae pauculae tondebant herbulas et in modum Paridis, Phrygii pastoris, barbaricis amiculis umeris defluentibus pulchre indusiatus adulescens aurea tiara contecto capite pecuarium simulabat magisterium. (3) adest luculentus puer nudus, nisi quod ephebica chlamida sinistrum tegebat umerum, (4) flavis crinibus usquequaque conspicuus, et inter co-

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herausgebrochen und Zimtgerüche atmend die Rosen hervorsprangen, die mich meinem früheren Lucius zurückgeben würden. (3) Sieh, der für die Spiele bestimmte Tag war da. Ich wurde zur Umzäunung des Theaters geführt, wobei das Volk mich im Festzug mit Jubel geleitete. Und während die Eröffnung der Show der Aufführung von Tänzen der Schauspieler gewidmet wurde, stand ich eine Weile vor einem Tor und versuchte freudig üppigstes Gras als Futter zu erreichen, das direkt am Eingang sprosste, wobei ich, weil das Tor offenstand, wiederholt meine neugierigen Augen an dem höchst anmutigen Anblick der Show weidete. (4) Denn Jungen und Mädchen in der Blüte frischer Jugend, auffallend durch ihre Gestalt, glänzend bekleidet, graziös dahinschreitend, gingen, um den griechischen Pyrrhustanz aufzuführen, in Reihen angeordnet hin und her in anmutigen Schleifen, bald sich zu einem sich drehenden Kreis formierend, bald zu einer schrägen Reihe verbunden und sich zu einem offenen Viereck auffächernd und sich in getrennte Gruppen aufspaltend. (5) Doch sobald das abschließende Trompetensignal die vielfach verschlungenen Windungen der abwechselnden Tanzfiguren entwirrt hatte, öffnete man den Vorhang, faltete die hinteren kleinen Vorhänge zusammen und richtete die Bühne her. 30 (1) Da war ein hölzerner Berg in der Art jenes berühmten Berges, von dem der Dichter Homer als dem idäischen sang, der, errichtet mit hervorragender Handwerkskunst, dicht bepflanzt mit Grün und lebendigen Bäumen, ganz oben vom Gipfel aus einer durch die Hand des Künstlers fließenden Quelle Flusswasser klar und rein hervorströmen ließ. (2) Wenige Ziegen nagten an Grashalmen, und in der Art des Paris, des phrygischen Hirten, schön kostümiert mit einem von seinen Schultern herabfließenden orientalischen Umhang, mimte ein junger Mann, den Kopf mit einer goldenen Tiara bedeckt, den Hüter der Herde. (3) Es erschien ein strahlend schöner Junge, nackt, außer dass ein Ephebenmantel seine linke Schulter bedeckte, (4) durch sein blondes Haar in jeder

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mas eius aureae pinnulae co〈n〉g〈luti〉natione simili sociatae prominebant; quem caduceum et virgula Mercurium indicabant. (5) is saltatorie procurrens malumque bracteis inauratum dextra gerens 〈ei〉, qui Paris videbatur, porrigit, quid mandaret Iuppiter nutu significans, et protinus gradum scitule referens e conspectu facessit. (6) insequitur puella vultu honesta in deae Iunonis speciem similis: nam et caput stringebat diadema candida, ferebat et sceptrum. (7) inrupit alia, quam putares Minervam, caput contecta fulgenti galea – et oleaginea corona tegebatur ipsa galea – clypeum attollens et hastam quatiens et qualis illa, cum pugnat. 31 (1) Super has introcessit alia, visendo decore praepollens, gratia coloris ambrosei designans Venerem, qualis fuit Venus, cum fuit virgo, nudo et intecto corpore perfectam formonsitatem professa, nisi quod tenui pallio bombycino inumbrabat spectabilem pubem. (2) quam quidem laciniam curiosulus ventus satis amanter nunc lasciviens reflabat, ut dimota pateret flos aetatulae, nunc luxurians aspirabat, ut adhaerens pressule membrorum voluptatem graphice deliniaret. ipse autem color deae diversus in speciem, corpus candidum, quod caelo demeat, amictus caerulus, quod mari remeat. (3) Iam singulas virgines, quae deae putabantur, 〈sui comitabantur〉 comites, Iunonem quidem Castor et Pollux, quorum capita cassides ovatae stellarum apicibus insignes contegebant, sed et isti Castores erant scaenici pueri. (4) haec puella varios modulos Iastia

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Hinsicht auffallend, und goldene Flügelchen ragten zwischen seinen Locken hervor, die mit ihnen durch ihre exakte Ähnlichkeit ein Ganzes waren; ihn identifizierten Heroldsstab und Rute als Merkur. (5) Dieser lief mit Tanzschritten nach vorne und reichte einen mit Goldplättchen besetzten Apfel, den er in der Rechten trug, ihm, der als Paris zu sehen war, wobei er mit Kopfbewegungen anzeigte, was Jupiter ihm auftrug, lenkte sofort graziös den Schritt zurück und machte sich aus dem Blickfeld davon. (6) Es folgte ein Mädchen mit einem erhabenen Gesichtsausdruck, in der Erscheinung Juno ähnlich: Denn ein hell glänzendes Diadem umschloss den Kopf, auch trug sie ein Zepter. (7) Eine andere stürzte herein, die du für Minerva gehalten hättest, den Kopf mit einem funkelnden Helm bedeckt – und der Helm selbst wurde von einem Olivenkranz bedeckt –, die ihren Schild erhob und ihre Lanze schwang, gerade wie die berühmte, wenn sie kämpft. 31 (1) Nach ihnen trat eine andere herein, die, für die Augen überwältigend durch ihre Anmut, mit dem Liebreiz ihrer ambrosischen Farbe Venus darstellte, wie Venus war, als sie ein junges Mädchen war, mit ihrem nackten und unbedeckten Körper offen vollendete Schönheit zeigte, außer dass sie mit einem zarten seidenen Gewand ihre wunderschöne Scham bedeckte. (2) Dieses Tuch blies eine neugierige Brise sehr liebevoll bald mutwillig an, so dass es sich zur Seite bewegte und die Blüte der Jugend sich offen zeigte, bald so ausgelassen dagegen, dass es sich eng anschmiegte und die Wonne ihrer Glieder in den Konturen nachzeichnete. Und selbst die Farbe der Göttin bot einen Kontrast für den Blick, einen weiß schimmernden Körper, weil sie vom Himmel herabsteigt, ein dunkelblaues Gewand, weil sie aus dem Meer steigt. (3) Nun gingen an der Seite der einzelnen Mädchen, die man für Göttinnen halten musste, ihre Begleiter, an derjenigen der Juno Kastor und Pollux, deren Köpfe ovale Helme, auffallend durch Sternkronen, bedeckten, und auch diese Kastoren waren Jungen der Theatertruppe. (4) Dieses Mädchen trat, während die jonische

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concinente tibia procedens quieta et inadfectata gesticulatione nutibus honestis pastori pollicetur, si sibi praemium decoris addixisset, sese regnum totius Asiae tributuram. (5) at illam, quam cultus armorum Minervam fecerat, duo pueri muniebant, proeliaris deae comites armigeri, Terror et Metus, nudis insultantes gladiis. at pone tergum tibicen Dorium canebat bellicosum et permiscens bombis gravibus tinnitus acutos in modum tubae saltationis agilis vigorem suscitabat. (6) haec inquieto capite et oculis in aspectu minacibus citato et intorto genere gesticulationis alacer demonstrabat Paridi, si sibi formae victoriam tradidisset, fortem tropaeisque bellorum inclitum suis adminiculis futurum. 32 (1) Venus ecce cum magno favore caveae in ipso meditullio scaenae circumfuso populo laetissimorum parvulorum dulce subridens constitit amoene. illos teretes et lacteos puellos diceres tu Cupidines veros de caelo vel mari commodum involasse; nam et pinnulis et sagittulis et habitu cetero formae praeclare congruebant et velut nuptiales epulas obiturae dominae coruscis praelucebant facibus. (2) et influunt innuptarum puellarum decorae suboles, hinc Gratiae gratissimae, inde Horae pulcherrimae, quae iaculis floris serti et soluti deam suam propitiantes scitissimum construxerant chorum dominae voluptatum veris coma blandientes. iam tibiae multiforabiles cantus Lydios dulciter consonant. (3) quibus spec-

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Flöte verschiedene Melodien spielte, mit ruhigen und ungekünstelten Gesten nach vorne und versprach mit würdevollen Kopfbewegungen dem Hirten, sie werde ihm, wenn er ihr den Schönheitspreis zuspreche, die Herrschaft über ganz Asien zuweisen. (5) Doch jene, die der Waffenschmuck zu Minerva gemacht hatte, flankierten zwei Jungen, die waffentragenden Begleiter der Göttin der Schlachten, Terror und Metus, die mit bloßen Schwertern nach vorne sprangen. Und hinter ihrem Rücken blies ein Flötenspieler eine kriegerische dorische Melodie, und indem er in der Art einer Kriegstrompete mit tiefen Basstönen schrillen Diskant mischte, trieb er sie zu der Lebhaftigkeit ihres schwungvollen Tanzes an. (6) Sie machte mit unruhig bewegtem Kopf und drohend ihn anblickenden Augen in einer stürmischen und wirbelnden Art der Bewegung dem Paris lebhaft klar, er werde, wenn er ihr den Sieg der Schönheit zuerkenne, tapfer und für Kriegstrophäen berühmt durch ihre Hilfe werden. 32 (1) Sieh da, lieblich stand Venus unter lautem Beifall des Theaters genau in der Mitte der Szene, umgeben von einem Volk bezauberndster kleiner Knaben, und lächelte süß. Jene glatthäutigen und milchweißen Jungen, so hättest du sagen können, waren als die wahren Cupidines soeben vom Himmel herab oder vom Meer her hereingeflogen; denn mit ihren kleinen Flügeln und kleinen Pfeilen und der übrigen Ausrüstung entsprachen sie glänzend dem Bild, und wie wenn sie auf dem Weg zum Hochzeitsmahl gewesen wäre, leuchteten sie ihrer Herrin mit flackernden Fackeln voran. (2) Und es strömten bezaubernde jugendliche Gruppen unverheirateter Mädchen herein, hier die höchst anmutigen Grazien, dort die bildschönen Horen, die durch Werfen zum Kranz gebundener und loser Blumen ihre Göttin geneigt stimmten und sich zu einem höchst geschickt arrangierten Reigen aufgestellt hatten, und sie umschmeichelten die Herrin der Liebesfreuden mit Frühlingsschmuck. Nun ließen die viellöchrigen Flöten lydische Lieder in süßer Harmonie erklingen (3) Während diese die Herzen der Zu-

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tatorum pectora suave mulcentibus longe suavior Venus placide commoveri cunctantique lente vestigio et leniter fluctuante spinula et sensim adnutante capite coepit incedere mollique tibiarum sono delicatis respondere gestibus et nunc mite coniventibus nunc acre comminantibus gestire pupulis et nonnumquam saltare solis oculis. (4) haec ut primum ante iudicis conspectum facta est, nisu bracchiorum polliceri videbatur, si fuisset deabus ceteris antelata, daturam se nuptam Paridi forma praecipuam suique consimilem. tunc animo volenti Phrygius iuvenis malum, quod tenebat, aureum velut victoriae calculum puellae tradidit. 33 (1) Quid ergo miramini, vilissima capita, immo forensia pecora, immo vero togati vulturii, si toti nunc iudices sententias suas pretio nundinantur, cum rerum exordio inter deos et homines agitatum iudicium corruperit gratia et originalem sententiam magni Iovis consiliis electus iudex rusticanus et opilio lucro libidinis vendiderit cum totius etiam suae stirpis exitio? (2) sic hercules et aliud sequens iudicium inter inclitos Achivorum duces celebratum, vel cum falsis insimulationibus eruditione doctrinaque praepollens Palamedes proditionis damnatur, virtute Martia praepotenti praefertur Ulixes modicus Aiaci maximo. quale autem et illud iudicium apud legiferos Athenienses catos illos et omnis scientiae magistros? (3) nonne divinae prudentiae senex, quem sapientia praetulit cunctis mortalibus deus Delphicus, fraude et invidia nequissimae factionis circumventus velut corruptor adulescentiae, quam frenis

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schauer süß bezauberten, fing Venus weit süßer an, sich sanft zu bewegen und mit langsam zögerndem Schritt, sanft wogendem Rückgrat und langsam herbeiwinkendem Kopf zu tanzen, auf den weichen Klang der Flöten mit feinen Gebärden zu reagieren und mit den bald mild zugedeckten, bald scharf drohenden Augäpfeln zu gestikulieren, ja bisweilen allein mit den Augen zu tanzen. (4) Sobald sie direkt vor die Augen des Richters getreten war, schien sie mit einer Geste ihrer Arme zu versprechen, sie werde, wenn sie den anderen Göttinnen vorgezogen würde, Paris eine an Schönheit herausragende und ihr selbst sehr ähnliche Braut geben. Da überreichte mit bereitwilligem Sinn der phrygische junge Mann den goldenen Apfel, den er hielt, wie einen Stimmstein für den Sieg, dem Mädchen. 33 (1) Was wundert ihr euch also, ihr minderwertigen Individuen oder eher forensisches Vieh, oder noch besser Geier in der Toga, wenn jetzt alle Richter ihre Urteilssprüche für Geld wie Marktware verkaufen, wo doch zu Beginn der Weltgeschichte einen zwischen Göttern und Menschen verhandelten Rechtsfall Parteilichkeit verfälschte und das allererste Urteil der auf den Rat des großen Jupiter hin gewählte bäurische Richter und Schafhirt für den Gewinn erotischer Lust verkauft hat, und das sogar zum Verderben seines ganzen Stammes? (2) So ist auch, beim Herkules, ein anderes, späteres Urteil unter den bekannten Heerführern der Achiver berühmt geworden, zum Beispiel, als mit fälschlichen Beschuldigungen der durch Bildung und Gelehrsamkeit einflussreiche Palamedes wegen Verrats verurteilt wurde, dem an martialischer Mannhaftigkeit überlegenen riesigen Ajax der mittelmäßige Odysseus vorgezogen wurde. Und was für eine Art Prozess war jener bei jenen schlauen gesetzgeberischen Athenern, den Meistern in jeder Wissenschaft? (3) Ist nicht der alte Mann, der mit der göttlichen Klugheit, den der delphische Gott an Weisheit über alle Sterbliche stellte, durch Betrug und Neid einer nichtswürdigen Clique gerichtlich verfolgt worden als Verderber der Jugend, die er doch mit Zügeln in Schran-

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coercebat, herbae pestilentis suco noxio peremptus est relinquens civibus ignominiae perpetuae maculam, cum nunc etiam egregii philosophi sectam eius sanctissimam praeoptent et summo beatitudinis studio iurent in ipsius nomen? (4) Sed ne quis indignationis meae reprehendat impetum secum sic reputans ‘ecce nunc patiemur philosophantem nobis asinum?’ rursus, unde decessi, revertar ad fabulam. 34 (1) Postquam finitum est illud Paridis iudicium, Iuno quidem cum Minerva tristes et iratis similes e scaena redeunt indignationem repulsae gestibus professae, Venus vero gaudens et hilaris laetitiam suam saltando toto cum choro professa est. (2) tunc de summo montis cacumine per quandam latentem fistulam in excelsum prorumpit vino crocus diluta sparsimque defluens pascentis circa capellas odoro perpluit imbre, donec in meliorem maculatae speciem canitiem propriam luteo colore mutarent. iamque tota suave fraglante cavea montem illum ligneum terrae vorago decepit. (3) Ecce quidam miles per mediam plateam dirigit cursum petiturus iam populo postulante illam de publico carcere mulierem, quam dixi propter multiforme scelus bestiis esse damnatam meisque praeclaris nuptiis destinatam. (4) et iam torus genialis scilicet noster futurus accuratissime disternebatur lectus Indica testudine perlucidus, plumea congerie tumidus, veste serica floridus. (5) At ego praeter pudorem obeundi publice concubitus, praeter contagium scelestae pollutaeque feminae metu etiam mortis maxime cruciabar sic ipse mecum reputans, quod in amplexu

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ken zu halten pflegte, und durch den tödlichen Saft eines giftigen Krautes umgebracht worden, womit er seinen Mitbürgern den Makel ewiger Schande hinterließ, wo doch heute noch hervorragende Philosophen seine höchst ehrwürdige Lehre bevorzugen und in höchstem Streben nach Glückseligkeit auf seinen Namen schwören? (4) Doch damit nicht jemand das Ungestüm meiner Entrüstung tadelt, indem er bei sich denkt: »Sieh an, nun werden wir einen Esel ertragen, der uns Philosophie lehrt?«, kehre ich wieder zu der Geschichte dorthin zurück, von wo ich abgeschweift bin. 34 (1) Nachdem jenes Urteil des Paris beendet war, gingen Juno und Minerva finster und die Erzürnten spielend von der Bühne ab, wobei sie ihre Entrüstung über die Zurückweisung durch Gesten theatralisch zum Ausdruck brachten, Venus aber brachte froh und heiter ihre Freude durch einen Tanz zusammen mit dem ganzen Chor theatralisch zum Ausdruck. (2) Dann spritzte von der höchsten Spitze des Berges durch eine verborgene Röhre in Wein aufgelöster Krokus in die Höhe und regnete, tropfenweise herabfließend, über die ringsum weidenden Ziegen mit einem duftenden Schauer, bis sie, zu größerer Schönheit gefärbt, ihr natürliches Grau in hellgelbe Farbe veränderten. Und nun, als das ganze Theater süß duftete, verschluckte jenen Holzberg eine Erdspalte. (3) Sieh da, ein Soldat machte sich mitten auf der Straße auf den Weg, um, weil das Volk es nun verlangte, jene Frau aus dem Stadtgefängnis zu holen, die, wie ich erzählt habe, wegen vielfachen Verbrechens zu den wilden Tieren verurteilt und zu der herrlichen Hochzeit mit mir bestimmt worden war. (4) Und schon wurde ein Hochzeitsbett, offenbar das, welches unseres sein würde, mit äußerster Sorgfalt bereitet, hell leuchtend von indischem Schildpatt, aufgebauscht durch eine Daunenmasse, bunt von Seidentüchern. (5) Doch ich wurde, abgesehen von meiner Scham davor, öffentlich einen Geschlechtsakt zu vollziehen, abgesehen von der Berührung der verbrecherischen und befleckten Frau, ganz besonders auch von Todesangst gemartert, und ich dachte so bei mir: dass, wenn

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Venerio scilicet nobis cohaerentibus, quaecumque ad exitium mulieris bestia fuisset immissa, non adeo vel prudentia sollers vel artificio docta vel abstinentia frugi posset provenire, ut adiacentem lateri meo laceraret mulierem, mihi vero quasi indemnato et innoxio parceret. 35 (1) Ergo igitur non de pudore iam, sed de salute ipsa sollicitus, dum magister meus lectulo probe coaptando destrictus inservit et tota familia partim ministerio venationis occupata partim voluptario spectaculo adtonita (2) meis cogitationibus liberum tribuebatur arbitrium nec magnopere quisquam custodiendum tam mansuetum putabat asinum, paulatim furtivum pedem proferens portam, quae proxima est, potitus (3) iam cursu me celerrimo proripio sexque totis passuum milibus perniciter confectis Cenchreas pervado, quod oppidum audit quidem nobilissimae coloniae Corinthiensium, adluitur autem Aegaeo et Saronico mari. inibi portus etiam tutissimum navium receptaculum magno frequentatur populo. (4) vitatis ergo turbulis et electo secreto litore prope ipsas fluctuum aspergines in quodam mollissimo harenae gremio lassum corpus porrectus refoveo. nam et ultimam diei metam curriculum solis deflexerat et vespertinae me quieti traditum dulcis somnus oppresserat.

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wir natürlich in der Liebesumarmung verschlungen sein würden, die Bestie, welche auch immer zum Verderben der Frau hineingelassen würde, sich unmöglich als entweder so verständnisvoll aufgrund von Klugheit oder als mit Geschick so abgerichtet oder als so brav infolge von Enthaltsamkeit erweisen würde, dass sie die an meiner Seite liegende Frau zerfleischen, mich aber als nicht Verurteilten und Unschuldigen verschonen würde. 35 (1) Also war ich nicht mehr um meine Schamhaftigkeit, sondern direkt um mein Leben besorgt, und während mein Meister aufmerksam der Aufgabe nachkam, das Bett gut herzurichten, die ganze Dienerschaft, teils mit dem Dienst bei der Jagd beschäftigt, teils durch das erotisierende Schauspiel begeistert, (2) meinen Überlegungen eine freie Entscheidung gewährte und niemand glaubte, ein so zahmer Esel müsse großartig bewacht werden, machte ich nach und nach verstohlene Schritte zu dem Tor, das am nächsten lag, und als ich es erreicht hatte, (3) da stürzte ich nunmehr in schnellstem Galopp davon, und nachdem ich volle sechs Meilen in großer Geschwindigkeit zurückgelegt hatte, kam ich nach Kenchreai, einer Stadt, die als Teil der sehr berühmten Kolonie der Korinther bekannt ist und vom ägäischen und vom saronikischen Meer bespült wird. Dort ist auch ein Hafen, ein sehr sicherer Zufluchtsort für Schiffe, der von viel Volk besucht wird. (4) Ich mied also die Massen, wählte mir einen abgeschiedenen Ort an der Küste direkt in der Nähe der Brandung der Wogen aus, streckte meinen müden Leib in einer sehr weichen Mulde des Strands aus und erholte mich. Denn der Sonnenwagen hatte die letzte Wendemarke des Tages umrundet, und als ich mich der abendlichen Ruhe übergeben hatte, da hatte mich ein süßer Schlaf übermannt.

LIBER XI 1 (1) Circa primam ferme noctis vigiliam experrectus pavore subito video praemicantis lunae candore nimio completum orbem commodum marinis emergentem fluctibus. nanctusque opacae noctis silentiosa secreta, (2) certus etiam summatem deam praecipua maiestate pollere resque prorsus humanas ipsius regi providentia nec tantum pecuina et ferina, verum inanima etiam divino eius luminis numinisque nutu vegetari, ipsa etiam corpora terra caelo marique nunc incrementis consequenter augeri, nunc detrimentis obsequenter imminui, (3) fato scilicet iam meis tot tantisque cladibus satiato et spem salutis licet tardam subministrante augustum specimen deae praesentis statui deprecari. (4) confestimque discussa pigra quiete 〈laetus et〉 alacer exurgo meque protinus purificandi studio marino lavacro trado septiesque summerso fluctibus capite, quod eum numerum praecipue religionibus aptissimum divinus ille Pythagoras prodidit, [laetus et alacer] deam praepotentem lacrimoso vultu sic adprecabar: 2 (1) ‘Regina caeli – sive tu Ceres alma frugum parens originalis, quae repertu laetata filiae vetustae glandis ferino remoto pabulo, miti commonstrato cibo nunc Eleusiniam glebam percolis, seu tu caelestis Venus, quae primis rerum exordiis sexuum diversitatem generato Amore sociasti et aeterna subole humano genere propa-

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Buch 11 1 (1) Um die erste Nachtwache wurde ich von einem plötzlichen Schreck geweckt und sah den vollen Kreis des mit übergroßer Helligkeit scheinenden Mondes soeben aus den Meeresfluten emportauchen. Ich nutzte als Gelegenheit die stille Abgeschiedenheit der finsteren Nacht, (2) da ich auch sicher war, dass die höchste Göttin mit besonders großer Macht herrscht, alle menschlichen Angelegenheiten ganz und gar durch ihre Fürsorge gelenkt werden, nicht nur zahme und wilde Tiere, sondern auch unbelebte Wesen vom göttlichen Walten ihres Lichtes und ihres Willens belebt werden, auch sogar die Körper auf der Erde, im Himmel und im Meer bald in der Folge ihres Zunehmens wachsen, bald in entgegengesetzter Folge ihres Abnehmens schwinden, (3) und beschloss, da das Schicksal offenbar jetzt durch meine so vielen und so großen Leiden gesättigt war und mir, wenn auch spät, Hoffnung auf Rettung darbot, zu der erhabenen Erscheinung der gegenwärtigen Göttin zu beten. (4) Sofort schüttelte ich meine träge Ruhe ab, stand fröhlich und munter auf, übergab mich auf der Stelle in dem eifrigen Bemühen, mich zu reinigen, dem Bad im Meer, und als ich siebenmal meinen Kopf unter die Fluten getaucht hatte, weil diese Zahl vornehmlich für religiöse Rituale am besten geeignet ist, wie jener göttliche Pythagoras gelehrt hat, betete ich die allmächtige Göttin mit tränenüberströmtem Gesicht wie folgt an: 2 (1) »Königin des Himmels – ob du die segenspendende Ceres bist, die Urmutter der Feldfrüchte, die du, erfreut über das Wiederfinden deiner Tochter, die Eichel der alten Zeit, Futter für Tiere, beseitigt hast, milde Speise aufgezeigt hast und jetzt das eleusinische Ackerland gänzlich kultivierst, oder ob du die himmlische Venus bist, die du ganz am Anfang der Welt die Verschiedenheit der Geschlechter dadurch, dass du Amor gebarst, zu einer Einheit gemacht und durch ewig wiederkehrenden Nachwuchs die menschliche Rasse fortgepflanzt hast und jetzt im ringsumflossenen Heiligtum

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gato nunc circumfluo Paphi sacrario coleris, (2) seu Phoebi soror, quae partu fetarum medelis lenientibus recreato populos tantos educasti praeclarisque nunc veneraris delubris Ephesi, seu nocturnis ululatibus horrenda Proserpina triformi facie larvales impetus comprimens terraeque claustra cohibens, lucos diversos inerrans vario cultu propitiaris – (3) ista luce feminea conlustrans cuncta moenia et udis ignibus nutriens laeta semina et solis ambagibus dispensans incerta lumina, quoquo nomine, quoquo ritu, quaqua facie te fas est invocare: (4) tu meis iam nunc extremis aerumnis subsiste, tu fortunam conlapsam adfirma, tu saevis exanclatis casibus pausam pacemque tribue. sit satis laborum, sit satis periculorum. depelle quadripedis diram faciem, redde me conspectui meorum, redde me meo Lucio. ac si quod offensum numen inexorabili me saevitia premit, mori saltem liceat, si non licet vivere.’ 3 (1) Ad istum modum fusis precibus et adstructis miseris lamentationibus rursus mihi marcentem animum in eodem illo cubili sopor circumfusus oppressit. (2) necdum satis coniveram, et ecce pelago medio venerandos diis etiam vultus attollens emergit divina facies; ac dehinc paulatim toto corpore perlucidum simulacrum excusso pelago ante me constitisse visum est. (3) eius mirandam speciem ad vos etiam referre conitar, si tamen mihi disserendi tribu-

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von Paphos verehrt wirst, (2) oder die Schwester des Phöbus, die du, indem du das Gebären der Schwangeren durch lindernde Heilmittel erleichterst, so viele Völker zur Welt gebracht hast und nun in dem berühmten Tempel von Ephesus verehrt wirst, oder die durch nächtliches Geheule Schrecken erregende Proserpina, die du in dreifacher Gestalt die ungestümen Angriffe der Gespenster unterdrückst, die Riegel der Erde fest zusammenhältst, durch weit verstreute Haine streifst und in verschiedenen Kulten gnädig gestimmt wirst –, (3) du, die du mit diesem deinem weiblichen Licht alle Städte erleuchtest, mit deinen feuchten Feuern fruchtbare Samen nährst und nach den Umläufen der Sonne dein wechselhaftes Licht ausrichtest, unter welchem Namen auch immer, nach welchem Ritual auch immer, in welcher Erscheinung auch immer es angemessen ist, dich anzurufen: (4) Steh du mir nun in meinen äußersten Leiden bei, stärke du mein zusammengebrochenes Glück, gib du mir, nachdem ich grausame Unglücksfälle erduldet habe, Ruhe und Frieden. Es sei genug mit der Mühsal, es sei genug mit den Gefahren! Zieh herab die grässliche Gestalt eines Vierbeiners, gib mich dem Anblick der Meinen zurück, gib mich meinem Lucius zurück. Und falls ich eine göttliche Macht gekränkt habe und sie mich mit unerbittlicher Wildheit verfolgt, sei mir wenigstens gestattet zu sterben, wenn es mir nicht gestattet ist zu leben.« 3 (1) Als ich auf diese Weise meine Gebete verströmt und jämmerliche Klagen hinzugefügt hatte, umströmte mir wiederum Schlaf die matte Seele auf demselben Platz, wo ich lag, und übermannte mich. (2) Und kaum hatte ich die Augen richtig geschlossen, als, sieh da, mitten aus dem Meer ihr auch für die Götter verehrungswürdiges Gesicht erhebend, eine göttliche Erscheinung emportauchte; und dann trat sie allmählich, nachdem ihr ganzer Körper das Meer abgeschüttelt hatte, als hell leuchtendes Bild, wie mir schien, vor mich hin. (3) Ihre wunderbare Erscheinung auch euch zu beschreiben will ich mich anstrengen, wenn nur die Armut der menschlichen Sprache mir die Mittel des Ausdrucks gewährt oder

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erit facultatem paupertas oris humani vel ipsum numen eius dapsilem copiam elocutilis facundiae subministraverit. (4) Iam primum crines uberrimi prolixique et sensim intorti per divina colla passive dispersi molliter defluebant. corona multiformis variis floribus sublimen destrinxerat verticem, cuius media quidem super frontem plana rotunditas in modum speculi vel immo argumentum lunae candidum lumen emicabat, (5) dextra laevaque sulcis insurgentium viperarum cohibita, spicis etiam Cerialibus desuper porrectis 〈ornata. vestis〉 multicolor, bysso tenui pertexta, nunc albo candore lucida, nunc croceo flore lutea, nunc roseo rubore flammida et, quae longe longeque etiam meum confutabat optutum, palla nigerrima splendescens atro nitore, quae circumcirca remeans et sub dexterum latus ad umerum laevum recurrens umbonis vicem deiecta parte laciniae multiplici contabulatione dependula ad ultimas oras nodulis fimbriarum decoriter confluctuabat. 4 (1) Per intextam extremitatem et in ipsa eius planitie stellae dispersae coruscabant earumque media semenstris luna flammeos spirabat ignes. quaqua tamen insignis illius pallae perfluebat ambitus, individuo nexu corona totis floribus totisque constructa pomis adhaerebat. (2) iam gestamina longe diversa. nam dextra quidem ferebat aereum crepitaculum, cuius per angustam lamminam in modum baltei recurvatam traiectae mediae paucae virgulae crispante bracchio trigeminos iactus reddebant argutum sonorem. (3) laevae vero cymbium dependebat aureum, cuius ansulae, qua parte conspicua est, insurgebat aspis caput extollens arduum cervicibus late tumescentibus. pedes ambroseos tegebant soleae palmae

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ihre göttliche Macht selbst mir reichliche Fülle rednerischer Begabung zukommen lässt. (4) Zuerst nun strömte ihr sehr üppiges und langes Haar, zart gelockt und ungeordnet über den göttlichen Nacken ausgebreitet, weich herab. Ein mit verschiedenen Blumen bunt verzierter Kranz umwand ganz oben ihren Kopf, in dessen Mitte über der Stirn eine flache runde Scheibe in der Art eines Spiegels oder vielmehr ein Symbol des Mondes ein weißes Licht ausstrahlte, (5) rechts und links zusammengehalten von den sich windenden Bewegungen hoch aufgerichteter Schlangen, auch mit darüber gebreiteten Ähren der Ceres geschmückt. Ihr Gewand war vielfarbig, aus feinem Leinen gewoben, hier in weißem Glanz strahlend, dort hellgelb von Safranblüten, dort von Rosenröte flammend, und was ganz besonders meinen Blick verwirrte, war der tiefschwarze, in dunklem Glanz strahlende Mantel, der ringsherum ging, unter ihrer rechten Achsel zu ihrer linken Schulter lief, wulstartig einen Teil des Tuchs herabfallen ließ, vielfach gefältelt herabhing und am äußersten Saum mit Fransenklöppeln anmutig wogte. 4 (1) Entlang dem bestickten Saum und verstreut über den ganzen Stoff selbst funkelten Sterne, und in ihrer Mitte hauchte der zunehmende Mond flammende Feuer aus. Und überall, wo der Saum jenes in die Augen fallenden Mantels wogte, war in ununterbrochener Verflechtung eine aus allen Blumen und allen Früchten gemachte Girlande angeheftet. (2) Nun die ganz verschiedenen Gegenstände, die sie trug! Denn in der Rechten hielt sie eine bronzene Klapper, durch deren schmales, nach Art eines Gürtels gebogenes Blech in der Mitte gebohrt, wenige Stäbe, wenn ihr Arm sie mit dreifach zitternden Schwüngen schüttelte, einen hell tönenden Klang von sich gaben. (3) Und von der Linken hing ein goldenes Trinkgefäß herab, auf dessen Griff an der Stelle, wo er deutlich sichtbar war, eine Aspisviper, ihren Kopf steil in die Höhe erhebend, sich mit breit geschwollenem Hals aufrichtete. Die ambrosischen Füße bedeckten Sandalen, die aus den Blättern der Siegespal-

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victricis foliis intextae. talis ac tanta spirans Arabiae felicia germina divina me voce dignata est: 5 (1) ‘En adsum tuis commota, Luci, precibus, rerum naturae parens, elementorum omnium domina, saeculorum progenies initialis, summa numinum, regina manium, prima caelitum, deorum dearumque facies uniformis, quae caeli luminosa culmina, maris salubria flamina, inferum deplorata silentia nutibus meis dispenso, cuius numen unicum multiformi specie, ritu vario, nomine multiiugo totus veneratur orbis. (2) inde primigenii Phryges Pessinuntiam deum matrem, hinc autocthones Attici Cecropiam Minervam, illinc fluctuantes Cyprii Paphiam Venerem, Cretes sagittiferi Dictynnam Dianam, Siculi trilingues Stygiam Proserpinam, Eleusinii vetusti Actaeam Cererem, (3) Iunonem alii, Bellonam alii, Hecatam isti, Rhamnusiam illi, et qui nascentis dei Solis inchoantibus inlustrantur radiis Aethiopes utrique priscaque doctrina pollentes Aegyptii caerimoniis me propriis percolentes appellant vero nomine reginam Isidem. (4) adsum tuos miserata casus, adsum favens et propitia. mitte iam fletus et lamentationes omitte, depelle maerorem. iam tibi providentia mea inlucescit dies salutaris. ergo igitur imperiis istis meis animum intende sollicitum. (5) diem, qui dies ex ista nocte nascetur, aeterna mihi nuncupavit religio, quo sedatis hibernis tempestatibus et lenitis maris procellosis fluctibus navigabili iam pelago rudem dedicantes carinam primitias commeatus

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me gewoben waren. In solcher Gestalt mir erscheinend würdigte sie mich, während sie so viele gesegnete Wohlgerüche Arabiens aushauchte, ihrer göttlichen Stimme: 5 (1) »Sieh, ich bin da, Lucius, durch deine Gebete dazu bewegt, die Mutter des Universums, die Herrin aller Elemente, der allererste Ursprung der Jahrhunderte, die Höchste der Gottheiten, die Königin der Manen, die Erste der Himmlischen, die alleinige Gestalt der Götter und Göttinnen, die ich die sternenreichen Höhen des Himmels, die Gesundheit bringenden Brisen des Meeres, das beweinte Schweigen der Unterirdischen durch meinen Wink ordne, deren einzigartige göttliche Macht in vielgestaltigen Formen, mit verschiedenen Riten und unter vielerlei Namen der ganze Erdkreis verehrt. (2) Daher nennen mich die Phryger, die Erstgeborenen der Menschen, pessinuntische Göttermutter, daher die autochthonen Attiker die cecropische Minerva, daher die meerumfluteten Cyprier paphische Venus, die Kreter pfeiltragende Dictynna Diana, die dreisprachigen Siculer stygische Proserpina, die alten Eleusinier attische Ceres, (3) andere Juno, andere Bellona, diese Hecate, jene Rhamnusia und sie, die von den lebenspendenden Strahlen des aufgehenden Sonnengottes bestrahlt werden, die beiden Völker der Äthiopier, sowie die durch alte Gelehrsamkeit hervorragenden Ägypter, die mich mit eigenen Riten verehren, bei meinem wahren Namen Königin Isis. (4) Ich bin da aus Mitleid mit deinen Unglücksfällen, bin da, dir gewogen und geneigt. Lass nun das Weinen und beende das Klagen, vertreibe deine Traurigkeit. Jetzt dämmert für dich durch meine Fürsorge der Tag der Rettung. Also richte auf meine Befehle aufmerksam deinen Sinn! (5) Den Tag, der aus dieser Nacht geboren werden wird, hat ewiger religiöser Kult für mich bestimmt; an ihm opfern, nachdem die Winterstürme beruhigt und die sturmgepeitschten Fluten des Meers besänftigt worden sind, meine Priester Erstlingsfrüchte der Zeit des Handels, während sie dem nun befahrbaren Meer einen noch unerprobten Kiel weihen. Du solltest

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libant mei sacerdotes. id sacrum nec sollicita nec profana mente debebis opperiri. 6 (1) Nam meo monitu sacerdos in ipso procinctu pompae roseam manu dextera sistro cohaerentem gestabit coronam. (2) incunctanter ergo dimotis turbulis alacer continare pompam mea volentia fretus et de proximo clementer velut manum sacerdotis osculabundus rosis decerptis pessimae mihique detestabilis iam dudum beluae istius corio te protinus exue. (3) nec quicquam rerum [m]earum reformides ut arduum. nam hoc eodem momento, quo tibi venio, simul et [t]ibi praesens, quae sunt sequentia, sacerdoti meo per quietem facienda praecipio. (4) meo iussu tibi constricti comitatus decedent populi nec inter hilares caerimonias et festiva spectacula quisquam deformem istam, quam geris, faciem perhorrescet vel figuram tuam repente mutatam sequius interpretatus aliquis maligne criminabitur. (5) Plane memineris et penita mente conditum semper tenebis mihi reliqua vitae tuae curricula adusque terminos ultimi spiritus vadata. nec iniurium, cuius beneficio redieris ad homines, ei totum debere, quod vives. (6) vives autem beatus, vives in mea tutela gloriosus, et cum spatium saeculi tui permensus ad inferos demearis, ibi quoque in ipso subterraneo semirutundo me, quam vides, Acherontis tenebris interlucentem Stygiisque penetralibus regnantem campos Elysios incolens ipse tibi propitiam frequens adorabis. (7) quodsi sedulis obsequiis et religiosis ministeriis et tenacibus

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dieses Ritual weder mit ängstlichem noch mit nicht unterrichtetem Sinn erwarten. 6 (1) Denn auf meinen Befehl wird ein Priester während des für die Aktion fertig ausgerüsteten Festzuges in seiner rechten Hand einen am Sistrum befestigten Kranz von Rosen tragen. (2) Ohne zu zögern bringe also die Scharen dazu, sich auseinanderzubewegen, tritt im Vertrauen auf meinen guten Willen eilig an den Festzug heran, rupfe aus nächster Nähe sanft, als wollest du die Hand des Priesters küssen, die Rosen ab und ziehe dir sofort die Haut des äußerst scheußlichen und für mich schon lange verabscheuungswürdigen Tiers aus. (3) Und du sollst nichts von diesen Dingen als etwas Schwieriges fürchten. Denn in diesem selben Moment, in dem ich zu dir komme, bin ich zugleich auch dort anwesend und gebiete meinem Priester in seinem Schlaf das nun Folgende, was er zu tun hat. (4) Auf meinen Befehl werden die Leute der enggekleideten Ränge vor dir zurückweichen, und während der fröhlichen Zeremonien und der festlichen Schauspiele wird sich niemand vor dem hässlichen Gesicht entsetzen, das du trägst, und keiner wird deine plötzlich veränderte Gestalt falsch interpretieren und dich böswillig anklagen. (5) Du wirst dich deutlich erinnern und stets tief in deinem Sinn verwahrt halten, dass mir der restliche Verlauf deines Lebens bis zum Ende deines letzten Atemzugs verpflichtet ist. Und es ist nicht ungerecht, dass du ihr, durch deren Wohltat du zu den Menschen zurückkehrst, die ganze Zeit, die du noch lebst, verdankst. (6) Und du wirst glücklich leben, wirst unter meinem Schutz ruhmreich leben, und wenn du den Zeitraum deiner Lebenszeit ganz durchmessen hast und zu den Unterirdischen hinabgehst, wirst du auch dort, direkt in der unterirdischen Erdhalbkugel, mich, die du siehst, häufig, da ich mitten in der Finsternis des Acheron scheine und in den tiefen stygischen Räumen regiere, du selbst die elysischen Gefilde bewohnend, anbeten, mich, die ich dir gewogen bin. (7) Wenn du also mit sorgfältigem Gehorsam, verehrungsvollen

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castimoniis numen nostrum promerueris, scies ultra statuta fato tuo spatia vitam quoque tibi prorogare mihi tantum licere.’ 7 (1) Sic oraculi venerabilis fine prolato numen invictum in se recessit. nec mora, cum somno protinus absolutus pavore et gaudio ac dein sudore nimio permixtus exurgo summeque miratus deae potentis tam claram praesentiam, marino rore respersus magnisque imperiis eius intentus monitionis ordinem recolebam. (2) nec mora, cum noctis atrae fugato nubilo sol exurgit aureus, et ecce discursu religioso ac prorsus triumphali turbulae complent totas plateas, (3) tantaque hilaritudine praeter peculiarem meam gestire mihi cuncta videbantur, ut pecua etiam cuiusce modi et totas domos et ipsum diem serena facie gaudere sentirem. (4) nam et pruinam pridianam dies apricus ac placidus repente fuerat insecutus, ut canorae etiam aviculae prolectatae verno vapore concentus suaves adsonarent matrem siderum, parentem temporum orbisque totius dominam blando mulcentes adfamine. (5) quid quod arbores etiam, quae pomifera subole fecundae quaeque earum tantum umbra contentae steriles, austrinis laxatae flatibus germine foliorum renidentes clementi motu bracchiorum dulces strepitus obsibilabant magnoque procellarum sedato fragore ac turbido fluctuum tumore posito

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Diensten und beharrlicher Enthaltsamkeit dich meiner göttlichen Gunst würdig machst, wirst du wissen, dass über die von deinem Schicksal festgesetzten Zeiträume hinaus auch dein Leben zu verlängern nur mir erlaubt ist.« 7 (1) Als sie so das Ende ihrer verehrungswürdigen Prophezeiung verkündet hatte, zog die unbesiegbare Gottheit sich in sich selbst zurück. Sofort erhob ich mich, vom Schlaf rasch befreit, überwältigt von einer Mischung aus Angst und Freude, ferner einem Übermaß an Schweiß, war in höchstem Grade erstaunt über die so deutliche Gegenwart der mächtigen Göttin, besprenkelte mich mit dem Nass des Meeres und überdachte wiederholt, auf ihre großen Befehle konzentriert, die Reihenfolge ihrer Ermahnungen. (2) Sofort war die Wolke der schwarzen Nacht vertrieben, die goldene Sonne erhob sich, und sieh da, Scharen liefen in religiöser und wahrhaft triumphierender Stimmung umher und füllten alle Straßen, (3) und mit so großer Fröhlichkeit, abgesehen von meiner eigenen, schien mir alles zu jauchzen, dass ich fühlen konnte, wie auch Tiere jeder Art, alle Häuser und sogar der Tag selbst sich mit heiterem Gesicht freuten. (4) Denn dem Frost des vorangegangenen Tages war plötzlich ein sonniger und milder Tag gefolgt, so dass sogar die Singvögel von der Frühlingswärme verlockt wurden und süße Lieder ertönen ließen, wobei sie mit ihren bezaubernden Grüßen der Mutter der Sterne, dem Vater der Jahreszeiten und der Herrin des ganzen Erdkreises schmeichelten. (5) Was soll man dazu sagen, dass sogar die Bäume, sowohl die mit Nachkommenschaft fruchtbaren obsttragenden als auch die mit Spendung von Schatten zufriedenen unfruchtbaren, säuselten, von südlichen Brisen aufgelockert und glänzend mit ihren Blattknospen, durch sanfte Bewegung ihrer Arme süße Laute, und nachdem das gewaltige Tosen der Stürme zur Ruhe gebracht worden war und der aufgewühlte Wogenschwall sich gelegt hatte, milderte das Meer das Schwappen der Wellen ans Ufer, so dass sie ruhig wurden, der Himmel aber

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mare quietas adluvies temperabat, caelum autem nubilosa caligine disiecta nudo sudoque luminis proprii splendore candebat. 8 (1) Ecce pompae magnae paulatim praecedunt anteludia votivis cuiusque studiis exornata pulcherrime. (2) hic incinctus balteo militem gerebat, illum succinctum chlamide crepides et venabula venatorem fecerant, alius soccis obauratis inductus serica veste mundoque pretioso et adtextis capite crinibus incessu perfluo feminam mentiebatur. (3) porro alium ocreis, scuto, galea ferroque insignem e ludo putares gladiatorio procedere. nec ille deerat, qui magistratum fascibus purpuraque luderet nec qui pallio baculoque et baxeis et hircino barbitio philosophum fingeret nec qui diversis harundinibus alter aucupem cum visco, alter piscatorem cum hamis induceret. (4) vidi et ursam mansuem, cultu matronali sella vehebatur, et simiam pilleo textili crocotisque Phrygiis Catamiti pastoris specie aureum gestantem poculum et asinum pinnis adglutinatis adambulantem cuidam seni debili, ut illum quidem Bellerophontem, hunc autem diceres Pegasum, tamen rideres utrumque. 9 (1) Inter has oblectationes ludicras popularium, quae passim vagabantur, iam sospitatricis deae peculiaris pompa moliebatur. (2) mulieres candido splendentes amicimine, vario laetantes gestamine, verno florentes coronamine, quae de gremio per viam, qua sacer incedebat comitatus, solum sternebant flosculis; aliae, quae

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strahlte, nachdem die wolkige Dunkelheit zerstreut worden war, mit dem baren und hellen Glanz seines eigenen Lichts. 8 (1) Sieh da, dem großen Festzug ging nach und nach das Vorspiel voraus, wunderschön ausgeschmückt durch die als Gelübde dargebotenen Bemühungen jedes Einzelnen. (2) Der eine, mit dem Schwertgurt gegürtet, trug die Kleidung eines Soldaten, einen anderen, der seinen Mantel aufgeschürzt trug, hatten Sandalen und Jagdspieße zum Jäger gemacht, ein anderer, der goldene Halbschuhe trug, gab sich durch sein seidenes Gewand, seine kostbare Aufmachung und die auf den Kopf gewobenen Haare als Frau mit schwebendem Gang. (3) Noch ein anderer, hervorstechend mit Beinschienen, Schild, Helm und Schwert, trat, so hättest du glauben können, aus der Gladiatorenschule hervor. Auch an dem fehlte es nicht, der den Beamten mit Rutenbündeln und Purpur spielte, an dem, der mit Mantel, Stab, Sandalen und Bocksbart einen Philosophen darstellte, und an denen, die mit verschiedenen Ruten, der eine mit Leim einen Vogelfänger, der andere mit seinen Angelhaken einen Fischer darbot. (4) Ich sah auch eine zahme Bärin, die sich im Gewand einer Dame in einer Sänfte fortbewegte, einen Affen mit gewobener Mütze und phrygischen Safrankleidern in der Verkleidung des Hirten Catamitus, der einen goldenen Becher trug, und einen Esel mit angeklebten Flügeln, der neben einem gebrechlichen alten Mann dahinspazierte, so dass du jenen Bellerophontes, diesen Pegasus hättest nennen können und doch über beide gelacht hättest. 9 (1) Während dieser unterhaltsamen Vergnügungen für die lokale Bevölkerung, die sich überallhin verbreiteten, setzte sich der eigens für die rettende Göttin veranstaltete Festzug in seiner ganzen gewichtigen Würde in Bewegung. (2) Frauen, die mit weißen Gewändern glänzten, voller Freude an ihren verschiedenartigen Insignien, von ihren Frühlingskränzen blühend, die aus ihrem Schoß auf dem Weg, wo die heilige Eskorte dahinschritt, den Boden mit Blumen bestreuten; andere, die mit blinkenden, hinter dem Rücken

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nitentibus speculis pone tergum reversis venienti deae obvium commonstrarent obsequium, (3) et quae pectines eburnos ferentes gestu bracchiorum flexuque digitorum ornatum atque obpexum crinium regalium fingerent, illae etiam, quae ceteris unguentis et geniali balsamo guttatim excusso conspargebant plateas; (4) magnus praeterea sexus utriusque numerus lucernis, taedis, cereis et alio genere facticii luminis siderum caelestium stirpem propitiantes. symphoniae dehinc suaves, fistulae tibiaeque modulis dulcissimis personabant. (5) eas amoenus lectissimae iuventutis veste nivea et cataclista praenitens sequebatur chorus carmen venustum iterantes, quod Camenarum favore sollers poeta modulatus edixerat, quod argumentum referebat interim maiorum antecantamenta votorum. (6) ibant et dicati magno Sarapi tibicines, qui per obliquum calamum ad aurem porrectum dexteram familiarem templi deique modulum frequentabant, et plerique, qui facilem sacris viam dari praedicarent. 10 (1) Tunc influunt turbae sacris divinis initiatae, viri feminaeque omnis dignitatis et omnis aetatis, linteae vestis candore puro luminosi, illae limpido tegmine crines madidos obvolutae, hi capillum derasi funditus verticem praenitentes, (2) magnae religionis terrena sidera, aereis et argenteis, immo vero aureis etiam sistris argutum tinnitum constrepentes, et antistites sacrorum proceres illi, qui candido linteamine cinctum pectoralem adusque vestigia strictim iniecti potentissimorum deum proferebant insignis exuvias. (3) quorum primus lucernam claro praemicantem porrigebat lumine non

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herumgedrehten Spiegeln der nachkommenden Göttin ihren entgegenkommenden Gehorsam zeigten, (3) und solche, die, elfenbeinerne Kämme tragend, durch Gesten ihrer Arme und Biegen ihrer Finger das Schmücken und Kämmen der königlichen Locken mimten, und noch wieder andere, welche die Straßen mit allen möglichen Parfümen und wunderbarem Balsam besprengten, der tropfenweise herausgeschüttet wurde; (4) außerdem war da eine große Anzahl von Leuten beider Geschlechter, die mit Lampen, Fackeln, Wachskerzen und anderen Arten von künstlichem Licht sich den Ursprung der Sterne am Himmel geneigt machten. Dann ertönten harmonisch klingende Musikkapellen, Pfeifen und Flöten in süßesten Melodien. (5) Ihnen folgte ein anmutiger Chor der erlesensten Jugend, hell strahlend in weißer Kleidung und kostbaren Roben, immer wieder ein liebliches Lied singend, das dank der Gunst der Camenen ein kunstfertiger Dichter in Töne gesetzt und öffentlich vorgetragen hatte und das als Thema für zwischendrin Präludien zu den größeren Gebeten enthielt. (6) Es marschierten auch die dem großen Sarapis geweihten Flötenspieler auf, die auf ihren zum rechten Ohr gestreckten Querpfeifen wiederholt die vertraute Melodie ihres Tempels und ihres Gottes spielten, und einige, die vorauslaufend verkündeten, es solle den Heiligtümern ein unbehinderter Weg gewährt werden. 10 (1) Dann strömten die in die göttlichen Riten initiierten Scharen heran, Männer und Frauen jedes Standes und jedes Alters, leuchtend mit dem reinen Weiß ihres Leinengewandes, jene mit einem hellen Tuch die feuchten Haare umhüllt, diese, das Haar ganz abgeschoren, mit glänzendem Kopf, (2) irdische Sterne des großen Kults, die zusammen mit bronzenen und silbernen, ja sogar goldenen Sistren laut ein helles Klingen ertönen ließen, und jene führenden Priester der Riten, die, mit einem eng anliegenden brusthohen Wickelgewand aus weißem Leinen bis zu den Füßen bekleidet, die charakteristischen Kultgegenstände der mächtigsten Götter trugen. (3) Der Erste von ihnen hielt eine mit hellem Licht scheinende

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adeo nostris illis consimilem, quae vespertinas illuminant epulas, sed aureum cymbium medio sui patore flammulam suscitans largiorem. (4) secundus vestitum quidem similis, sed manibus ambabus gerebat altaria, id est auxilia, quibus nomen dedit proprium deae summatis auxiliaris providentia. ibat tertius attollens palmam auro subtiliter foliatam nec non Mercuriale etiam caduceum. (5) quartus aequitatis ostendebat indicium deformatam manum sinistram porrecta palmula, quae genuina pigritia, nulla calliditate nulla sollertia praedita videbatur aequitati magis aptior quam dextera; (6) idem gerebat et aureum vasculum in modum papillae rotundatum, de quo lacte libabat. quintus auream vannum aureis congestam ramulis et alius ferebat amphoram. 11 (1) Nec mora, cum dei dignati pedibus humanis incedere prodeunt; hic horrendus ille superum commeator et inferum, nunc atra, nunc aurea facie sublimis, attollens canis cervices arduas, Anubis, laeva caduceum gerens, dextera palmam virentem quatiens. (2) huius vestigium continuum sequebatur bos in erectum levata statum, bos, omniparentis deae fecundum simulacrum, quod residens umeris suis proferebat unus e ministerio beato gressu gestuosus. ferebatur ab alio cista secretorum capax penitus celans operta magnificae religionis. (3) gerebat alius felici suo gremio summi numinis venerandam effigiem non pecoris, non avis, non ferae ac ne hominis quidem ipsius consimilem, sed sollerti repertu etiam ipsa

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Lampe vor sich her, nicht so sehr ähnlich den unseren, die unsere Abendessen beleuchten, sondern eher ein goldenes Gefäß, das aus einer Öffnung in seiner Mitte eine recht großzügige kleine Flamme entzündete. (4) Der Zweite war, was seine Kleidung betrifft, ähnlich, aber er trug in beiden Händen einen Altar, das heißt das Hilfsmittel, dem die helfende Fürsorge der obersten Göttin ihren eigenen Namen gegeben hat. Der Dritte ging und hielt dabei einen Palmenzweig hoch, der fein mit Gold beblättert war, und dazu den Stab Merkurs. (5) Der Vierte zeigte als Symbol der Gerechtigkeit eine nachgebildete linke Hand mit ausgestreckter Handfläche, die, da sie mit naturgegebener Trägheit, keinerlei Schlauheit, keinerlei Geschicklichkeit ausgestattet ist, besser zur Gerechtigkeit zu passen schien als die Rechte; (6) derselbe trug auch ein goldenes Gefäß, rund geformt in der Gestalt einer weiblichen Brust, aus dem er Opferspenden mit Milch machte. Der Fünfte trug eine goldene Getreideschwinge, angefüllt mit goldenen Zweigen, noch ein anderer eine Amphore. 11 (1) Als unmittelbar danach die Götter, die es für wert hielten, auf menschlichen Füßen zu schreiten, hervortraten, war da der Schauerliche, der zwischen den Oberirdischen und den Unterirdischen hin und her geht, bald durch sein schwarzes, bald durch sein goldenes Gesicht erhaben, den hohen Nacken eines Hundes erhebend, Anubis, in der Linken den Heroldsstab tragend, in der Rechten eine grüne Palme schüttelnd. (2) Seiner Spur folgte unmittelbar ein Rind, erhoben zu einer aufrechten Haltung, ein Rind, fruchtbares Abbild der allgebärenden Göttin, das auf seinen Schultern sitzend einer aus der Religionsgemeinschaft mit glückseligem Schritt graziös trug. Von einem anderen wurde eine Kiste getragen, die heilige Dinge enthielt und tief drinnen die Geheimnisse des erhabenen Glaubens verbarg. (3) Ein anderer trug in seinem glückseligen Schoß das verehrungswürdige Bild der höchsten Gottheit, das nicht einem Herdentier, nicht einem Vogel, nicht einem wilden Tier und sogar nicht einmal einem Menschen ähnlich, sondern

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novitate reverendam, altioris utcumque et magno silentio tegendae religionis argumentum ineffabile, sed ad istum plane modum fulgente auro figuratum: (4) urnula faberrime cavata, fundo quam rotundo, miris extrinsecus simulacris Aegyptiorum effigiata; eius orificium non altiuscule levatum, in canalem porrectum longo rivulo prominebat, ex alia vero parte multum recedens spatiosa dilatione adhaerebat ansa, quam contorto nodulo supersedebat aspis squameae cervicis striato tumore sublimis. 12 (1) Et ecce praesentissimi numinis promissa nobis accedunt beneficia et fata salutemque ipsam meam gerens sacerdos adpropinquat ad ipsum praescriptum divinae promissionis ornatum dextera proferens sistrum deae, mihi coronam, et hercules coronam consequenter, quod tot ac tantis exanclatis laboribus, tot emensis periculis deae maximae providentia adluctantem mihi saevissime Fortunam superarem. (2) nec tamen gaudio subitario commotus inclementi me cursu proripui verens scilicet, ne repentino quadripedis impetu religionis quietus turbaretur ordo, sed placido ac prorsus humano gradu cunctabundus paulatim obliquato corpore sane divinitus decedente populo sensim inrepo. 13 (1) At sacerdos, ut reapse cognoscere potui, nocturni commonefactus oraculi miratusque congruentiam mandati muneris confestim restitit et ultro porrecta dextera ob os ipsum meum coronam

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wegen der klugen Erfindung und gerade wegen seiner Originalität verehrungswürdig war, das unaussprechliche Symbol der irgendwie tieferen und mit strengem Schweigen zu schützenden Religion, aber gleichwohl auf die folgende Weise aus leuchtendem Gold gestaltet: (4) Es war ein sehr kunstfertig ausgehöhltes Gefäß mit einem vollendet runden Boden, außen mit wundersamen Götterbildern der Ägypter illustriert; seine Öffnung, nicht zu hoch hinauf gehoben, erstreckte sich in eine Röhre und ragte mit einer langen Tülle hervor, und auf der anderen Seite war, mit einem breiten Zwischenraum weit abstehend, ein Henkel angefügt, auf dem in zusammengerolltem Knoten eine Aspisviper hoch emporgereckt mit der gestreiften Schwellung ihres schuppigen Nackens saß. 12 (1) Und sieh da, die mir versprochene Wohltat der mächtig gegenwärtigen Gottheit kam heran, und der Priester, der mein Geschick und wahrhaftig meine Rettung trug, näherte sich und ließ mit seiner Rechten als ein Schmuckstück genau entsprechend der Vorschrift des göttlichen Versprechens ein Sistrum für die Göttin sehen, für mich einen Kranz, und beim Herkules, den Kranz in angemessener Weise, weil ich nach dem Ertragen so vieler und so großer Mühsal, nach dem Durchstehen so vieler Gefahren Fortuna, die mit mir so überaus grausam rang, dank der Fürsorge der höchsten Göttin überwand. (2) Dennoch, obwohl ich von der plötzlichen Freude erregt war, stürzte ich nicht in zudringlichem Lauf vorwärts, da ich natürlich fürchtete, durch das plötzliche Anstürmen eines Vierbeiners könnte die friedliche Ordnung des religiösen Aktes gestört werden, sondern kroch zögernd mit ruhigem und sehr menschlichem Schritt, wobei ich den Körper nach und nach zur Seite neigte, allmählich hinein, während das Volk offensichtlich infolge göttlicher Inspiration zurückwich. 13 (1) Nun, der Priester, der, wie ich an den Tatsachen erkennen konnte, sich an die nächtliche Prophezeiung erinnerte und über die Übereinstimmung mit dem ihm aufgetragenen Amt erstaunt war, blieb sofort stehen, streckte von selbst seine Rechte aus und hielt

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exhibuit. (2) tunc ego trepidans adsiduo pulsu micanti corde coronam, quae rosis amoenis intexta fulgurabat, avido ore susceptam cupidus promissi devoravi. (3) nec me fefellit caeleste promissum: protinus mihi delabitur deformis et ferina facies. ac primo quidem squalens pilus defluit, ac dehinc cutis crassa tenuatur, (4) venter obesus residit, pedum plantae per ungulas in digitos exeunt, manus non iam pedes sunt, sed in erecta porriguntur officia, (5) cervix procera cohibetur, os et caput rotundatur, aures enormes repetunt pristinam parvitatem, dentes saxei redeunt ad humanam minutiem, et, quae me potissimum cruciabat ante, cauda nusquam! (6) Populi mirantur, religiosi venerantur tam evidentem maximi numinis potentiam et consimilem nocturnis imaginibus magnificentiam et facilitatem reformationis claraque et consona voce caelo manus adtendentes testantur tam inlustre deae beneficium. 14 (1) At ego stupore nimio defixus tacitus haerebam animo meo tam repentinum tamque magnum non capiente gaudium, (2) quid potissimum praefarer primarium, unde novae vocis exordium caperem, quo sermone nunc renatam linguam felicius auspicarer, quibus quantisque verbis tantae deae gratias agerem. (3) sed sacerdos utcumque divino monitu cognitis ab origine cunctis cladibus meis, quamquam et ipse insigni permotus miraculo, nutu significato prius praecipit tegendo mihi linteam dari laciniam. (4) nam me cum primum nefasto tegmine despoliaverat asinus, compressis

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den Kranz direkt vor mein Maul. (2) Da nahm ich ängstlich, während mein Herz vom ständigen Klopfen zuckte, den Kranz, der von den eingeflochtenen lieblichen Rosen glänzte, mit gierigem Maul auf und verschlang ihn mit dem Verlangen nach der Erfüllung des Versprechens. (3) Und das himmlische Versprechen täuschte mich nicht: Sofort glitt das hässliche und tierische Äußere von mir ab. Und zuerst rieselte mein schmutziges Haar herab, und darauf wurde meine dicke Haut dünner, (4) mein fetter Bauch zog sich zusammen, meine Fußsohlen liefen über die Hufe hinweg in Zehen aus, meine Hände waren nicht mehr Füße, sondern streckten sich zu ihren aufrechten Tätigkeiten, (5) mein langer Hals zog sich zusammen, mein Gesicht und mein Kopf wurden wieder rund, meine riesigen Ohren holten sich ihre frühere Kleinheit zurück, meine steinartigen Zähne kehrten zu menschlicher Winzigkeit zurück, und er, der mich vorher am meisten quälte, der Schwanz – nirgendwo! (6) Die Leute staunten, die Anbeter verehrten die so deutlich sichtbare Macht der größten Gottheit, die nächtlichen Traumbildern ähnliche Großartigkeit und Leichtigkeit der Verwandlung, und mit klaren und einstimmigen Worten bezeugten sie, die Hände zum Himmel streckend, diese so großartige Wohltat der Göttin. 14 (1) Nun, ich stand, von übergroßem Erstaunen erstarrt, schweigend da, weil mein Geist die so plötzliche und so große Freude nicht fasste, 〈und wusste nicht,〉 (2) was ich am besten zuerst sagen, woher ich den Anfang für die neue Stimme nehmen, mit was für einer Rede ich die jetzt wiedergeborene Zunge möglichst glückbringend einweihen, mit welchen und mit wie vielen Worten ich der so großen Göttin Dank sagen sollte. (3) Doch obwohl der Priester, nachdem er jedenfalls durch göttliche Eingebung von allen meinen Leiden von Beginn an erfahren hatte, auch selbst durch das außerordentliche Wunder tief bewegt worden war, gab er erst einmal durch einen Wink ein Zeichen und befahl, dass mir zu meiner Bedeckung ein Leinengewand gegeben werde. (4) Denn sobald der Esel mich seiner verruchten Haut beraubt hatte, hatte ich, indem

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in artum feminibus et superstrictis accurate manibus, quantum nudo licebat, velamento me naturali probe muniveram. (5) tunc e cohorte religionis unus inpigre superiorem exutus tunicam supertexit me celerrime. quo facto sacerdos vultu geniali et hercules inhumano in aspectum meum attonitus sic effatur: 15 (1) ‘Multis et variis exanclatis laboribus magnisque Fortunae tempestatibus et maximis actus procellis ad portum Quietis et aram Misericordiae tandem, Luci, venisti. nec tibi natales ac ne dignitas quidem vel ipsa, qua flores, usquam doctrina profuit, sed lubrico virentis aetatulae ad serviles delapsus voluptates curiositatis inprosperae sinistrum praemium reportasti. (2) sed utcumque Fortunae caecitas, dum te pessimis periculis discruciat, ad religiosam istam beatitudinem inprovida produxit malitia. eat nunc et summo furore saeviat et crudelitati suae materiem quaerat aliam; nam in eos, quorum sibi vitas 〈in〉 servitium deae nostrae maiestas vindicavit, non habet locum casus infestus. (3) quid latrones, quid ferae, quid servitium, quid asperrimorum itinerum ambages reciprocae, quid metus mortis cotidianae nefariae Fortunae profuit? in tutelam iam receptus es Fortunae, sed videntis, quae suae lucis splendore ceteros etiam deos illuminat. (4) sume iam vultum laetiorem, candido isto habitu tuo congruentem, comitare pompam deae sospitatricis inovanti gradu. videant inreligiosi, videant et errorem suum recognoscant: en ecce pristinis aerumnis absolutus Isidis magnae

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ich meine Oberschenkel eng zusammengepresst und meine Hände sorgfältig darauf gedrückt hatte, mich, soweit es einem Nackten möglich war, mit der natürlichen Bedeckung recht und schlecht zu schützen versucht. (5) Da zog aus der heiligen Kohorte einer ohne Zögern seine äußere Tunika aus und deckte sie blitzschnell über mich. Als das geschehen war, blickte der Priester mit frohem und, beim Herkules, übermenschlichem Gesichtsausdruck erstaunt auf mich und sprach wie folgt: 15 (1) »Nachdem du viele und verschiedene Leiden ertragen und von großen Unwettern und den gewaltigsten Stürmen Fortunas umhergetrieben worden bist, hast du den Hafen der Quies und den Altar der Misericordia endlich, Lucius, erreicht. Nicht deine Herkunft, nicht einmal dein sozialer Status oder selbst deine Bildung, durch die du glänzt, haben dir irgendwo genützt, sondern auf dem glitschigen Pfad deiner grünen Jugend bist du in sklavische Liebesfreuden abgerutscht und hast für deine unselige Neugier den üblen Lohn davongetragen. (2) Aber jedenfalls hat die Blindheit Fortunas, während sie dich mit den schlimmsten Gefahren marterte, dich durch ihre nichts voraussehende Bosheit zu dieser frommen Glückseligkeit geführt. Mag sie denn nun gehen und in wildester Raserei wüten und für ihre Grausamkeit ein anderes Objekt suchen; denn über die, deren Leben die Erhabenheit unserer Göttin für ihren Dienst freigemacht hat, übt der feindliche Zufall keine Macht aus. (3) Was haben Räuber, was wilde Tiere, was Sklaverei, was das Hin- und Herirren der rauesten Reisen, was hat die tägliche Todesfurcht der ruchlosen Fortuna genützt? Du bist nun in die Obhut einer Fortuna aufgenommen worden, aber einer sehenden, die mit dem Glanz ihres Lichtes sogar die anderen Götter erleuchtet. (4) Setze nun eine fröhlichere Miene auf, die zu diesem deinem weißen Gewand passt, begleite den Festzug der rettenden Göttin mit jubelndem Schritt. Mögen doch die Ungläubigen sehen, mögen sie sehen und ihren Irrtum erkennen: Sieh da, von seinen früheren Leiden befreit, freut sich über die Fürsorge der großen Isis und

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providentia gaudens Lucius de sua Fortuna triumphat. (5) quo tamen tutior sis atque munitior, da nomen sanctae huic militiae, cuius non olim sacramento etiam rogabaris, teque iam nunc obsequio religionis nostrae dedica et ministerii iugum subi voluntarium. nam cum coeperis deae servire, tunc magis senties fructum tuae libertatis.’ 16 (1) Ad istum modum vaticinatus sacerdos egregius fatigatos anhelitus trahens conticuit. (2) exin permixtus agmini religioso procedens comitabar sacrarium totae civitati notus ac conspicuus, digitis hominum nutibusque notabilis. (3) omnes in me populi fabulabantur: ‘hunc omnipotentis hodie deae numen augustum reformavit ad homines. (4) felix hercules et ter beatus, qui vitae scilicet praecedentis innocentia fideque meruerit tam praeclarum de caelo patrocinium, ut renatus quodam modo statim sacrorum obsequio desponderetur.’ (5) Inter haec et festorum votorum tumultum paulatim progressi iam ripam maris proximamus atque ad ipsum illum locum, quo pridie meus stabulaverat asinus, pervenimus. (6) ibi deum simulacris rite dispositis navem faberrime factam picturis miris Aegyptiorum circumsecus variegatam summus sacerdos taeda lucida et ovo et sulpure, sollemnissimas preces de casto praefatus ore, quam purissime purificatam deae nuncupavit dedicavitque. (7) huius felicis alvei nitens carbasus litteras intextas progerebat. eae litterae votum instaurabant de novi commeatus prospera navigatione. (8) iam malus insurgit pinus rotunda, splendore sublimis, insigni

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triumphiert über seine Fortuna Lucius. (5) Damit du aber sicherer und geschützter bist, melde dich an zu diesem heiligen Militärdienst, auf den einen Eid zu leisten du kürzlich gebeten wurdest, weihe dich nun dem Gehorsam gegenüber unserem Kult und unterwirf dich freiwillig dem Joch des Dienstes. Denn wenn du angefangen hast, der Göttin zu dienen, wirst du den Nutzen deiner Freiheit besser wahrnehmen.« 16 (1) Als er auf diese Weise göttlich inspiriert prophezeit hatte, machte der hervorragende Priester erschöpfte Atemzüge und verstummte. (2) Unter die heilige Kolonne gemischt, schritt ich darauf voran und begleitete das Heiligtum, der ganzen Stadt bekannt und auffallend, Aufmerksamkeit erregend durch Finger und Winke. (3) Alle Leute redeten über mich: »Den hat heute die erhabene Macht der allmächtigen Göttin durch Verwandlung zu den Menschen zurückgebracht. (4) Glücklich, beim Herkules, und dreimal gesegnet der, welcher sich offensichtlich durch die Unschuld und Vertrauenswürdigkeit seines vorausgegangenen Lebens ein so ruhmvolles Patronat vonseiten des Himmels verdient hat, dass er gewissermaßen wiedergeboren und sofort zum Gehorsam gegenüber ihren Riten verpflichtet wurde.« (5) Während dieser Worte und mitten im lauten Durcheinander der festlichen Gebete schritten wir allmählich voran, näherten uns schon dem Ufer des Meers und erreichten genau jenen Platz, wo am Tag zuvor mein Esel seinen Stall gefunden hatte. (6) Dort wurden die Götterbilder entsprechend dem Ritual geordnet aufgestellt, und der Hohe Priester heiligte und weihte, als er die feierlichsten Gebete aus seinem reinen Mund gesprochen hatte, ein kunstvoll gebautes, mit wunderbaren Bildern der Ägypter ringsum geschmücktes Schiff, nachdem es mit einer leuchtenden Fackel, einem Ei und Schwefel so rein wie möglich rituell gereinigt worden war. (7) Das glänzende Segel dieses glückseligen Kahns trug eingewobene Buchstaben. Diese Buchstaben erneuerten das Gebet für eine günstige Meerfahrt beim neu beginnenden Handelsverkehr. (8) Schon erhob sich der

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carchesio conspicua, et puppis intorta chenisco, bracteis aureis vestita fulgurabat omnisque prorsus carina citro limpido perpolita florebat. (9) tunc cuncti populi tam religiosi quam profani vannos onustas aromatis et huiusce modi suppliciis certatim congerunt et insuper fluctus libant intritum lacte confectum, donec muneribus largis et devotionibus faustis completa navis absoluta strophiis ancoralibus peculiari serenoque flatu pelago redderetur. (10) quae postquam cursus spatio prospectum sui nobis incertat, sacrorum geruli sumptis rursum, quae quisque detulerant, alacres ad fanum reditum capessunt simili ritu pompae decori. 17 (1) At cum ad ipsum iam templum pervenimus, sacerdos maximus quique divinas effigies progerebant et qui venerandis penetralibus pridem fuerant initiati intra cubiculum deae recepti disponunt rite simulacra spirantia. (2) tunc ex his unus, quem cuncti grammatea dicebant, pro foribus assistens coetu pastophorum – quod sacrosancti collegii nomen est – velut in contionem vocato (3) indidem de sublimi suggestu de libro [de litteris] fausta vota praefatus principi magno senatuique et equiti totoque Romano populo, nauticis navibusque, quae sub imperio mundi nostratis reguntur, renuntiat sermone rituque Graeciensi τὰ πλοιαφέσια. (4) quam vocem feliciter cunctis evenire signavit populi clamor insecutus. exin gaudio delibuti populares thallos, verbenas, corollas

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Mast, eine runde Pinie, erhaben in seinem Glanz, auffallend durch sein herrliches Segel, das Heck, zu einem Gänsehals gebogen und mit Goldplättchen bedeckt, leuchtete hell, und das Schiff strahlte über und über mit einem Überzug aus hellem Zitrusholz. (9) Dann häuften alle Leute, die Initiierten wie die Nicht-Initiierten, um die Wette mit Gewürzen und Opfern aller Art beladene Getreideschwingen auf, und über die Fluten gossen sie als Spende mit Milch gemachten Brei, bis, gefüllt mit reichlichen Opfergaben und Gelübden unter günstigen Vorzeichen, das Schiff nach Lösung der Ankertaue von einer speziellen und heiteren Brise dem Meer übergeben wurde. (10) Nachdem es durch die Weite seiner Fahrt seinen Anblick für uns undeutlich gemacht hatte, nahmen die Träger der heiligen Gegenstände wieder auf, was jeder hergebracht hatte, und machten sich voller Freude auf den Rückweg zum Tempel, wobei sie durch den Vollzug eines ähnlichen Rituals wie beim Festzug anmutig aussahen. 17 (1) Und als wir nun zum Tempel selbst gelangt waren, wurden der Hohe Priester, die, welche die Götterbilder vor sich her trugen, und die, welche schon früher in den verehrungswürdigen innersten Teil initiiert worden waren, in das Gemach der Göttin aufgenommen und stellten die Leben atmenden Götterbilder dem Ritual entsprechend auf. (2) Dann trat einer von ihnen, den alle den heiligen Schreiber nannten, vor das Tempeltor, berief die Vereinigung der Pastophoren – das ist der Name des sakrosankten Kollegiums – gleichsam zur Versammlung, (3) äußerte von dort, von einer erhöhten Plattform, wobei er aus einem Buch vorlas, Wünsche mit guter Vorbedeutung für den großen Prinzeps, für den Senat, für die Ritter und das ganze römische Volk, für Seefahrer und Schiffe, die vom Befehl unserer Weltherrschaft gelenkt werden, und verkündete in griechischer Sprache und mit griechischem Ritual die Ploiaphesia. (4) Dass dieser Spruch allen glücklich ausgehen möge, betonte der anschließende Ruf des Volkes. Darauf kehrten die Leute vor Freude trunken und Zweige, Äste und kleine Kränze

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ferentes exosculatis vestigiis deae, quae gradibus haerebat argento formata, ad suos discedunt lares. (5) nec tamen me sinebat animus ungue latius indidem digredi, sed intentus 〈in〉 deae specimen pristinos casus meos recordabar. 18 (1) Nec tamen Fama volucris pigra pinnarum tarditate cessaverat, sed protinus in patria deae providentis adorabile beneficium meamque ipsius fortunam memorabilem narraverat passim. (2) confestim denique familiares ac vernulae quique mihi proximo nexu sanguinis cohaerebant luctu deposito, quem de meae mortis falso nuntio susceperant, repentino laetati gaudio varie quisque munerabundi ad meum festinant ilico diurnum reducemque ab inferis conspectum. (3) quorum desperata ipse etiam facie recreatus oblationes honestas aequi bonique facio, quippe cum mihi familiares, quod ad cultum sumptumque largiter succederet, deferre prospicue curassent. 19 (1) Adfatis itaque ex officio singulis narratisque meis et pristinis aerumnis et praesentibus gaudiis me rursum ad deae gratissimum mihi refero conspectum aedibusque conductis intra conseptum templi larem temporarium mihi constituo, deae ministeriis adhuc privatis adpositus contuberniisque sacerdotum individuus et numinis magni cultor inseparabilis. (2) nec fuit nox una vel quies aliqua visu deae monituque ieiuna, sed crebris imperiis sacris suis me iam dudum destinatum nunc saltem censebat initiari. (3) at ego,

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tragend, nachdem sie der Göttin, die, aus Silber geformt, auf den Tempelstufen fest angebracht war, die Füße geküsst hatten, in ihre Häuser zurück. (5) Doch mein Geist ließ mich nicht weiter, als ein Fingernagel breit ist, von dort weggehen, sondern sehr konzentriert auf die Statue der Göttin, erinnerte ich mich meiner früheren Unglücksfälle. 18 (1) Doch die geflügelte Fama hatte nicht in träger Langsamkeit ihrer Flügel geruht, sondern sofort überall in meiner Heimat von der anbetungswerten Wohltat der fürsorglichen Göttin und meinem eigenen denkwürdigen Geschick erzählt. (2) Sofort legten also meine Freunde und Haussklaven und die, welche mit mir durch das engste Band des Blutes zusammenhingen, die Trauer ab, die sie auf die falsche Nachricht von meinem Tod angelegt hatten, und eilten frohgestimmt wegen der plötzlichen Freude, jeder auf verschiedene Weise eine Gabe bringend, auf der Stelle, mich bei Tageslicht und zurück von der Unterwelt zu sehen. (3) Durch ihr unverhofftes Erscheinen wurde auch ich selbst belebt und fand ihre ehrenvollen Geschenke recht und billig, zumal die Freunde mir das zu bringen, was zu Ausstattung und Aufwand reichlich genügte, vorausschauend Sorge getragen hatten. 19 (1) Als ich daher jeden einzelnen pflichtgemäß angesprochen und von meinen früheren Leiden und den gegenwärtigen Freuden erzählt hatte, begab ich mich wieder zurück zu dem für mich äußerst angenehmen Anblick der Göttin, mietete ein Haus innerhalb des Tempelbezirks und richtete mir für eine gewisse Zeit mein Heim ein, da ich erst noch für private Dienste an der Göttin ernannt wurde, nicht von den Wohnstätten der Priester wegzubringen und ein nicht von ihr zu trennender Verehrer der großen Gottheit war. (2) Es gab keine einzige Nacht oder irgendeine Zeit der Ruhe, die von dem Anblick und der Weisung der Göttin frei gewesen wäre, sondern durch ihre häufigen Befehle empfahl sie, dass ich, schon längst dafür bestimmt, nun endlich initiiert werden solle. (3) Doch obwohl ich von dem sehnlichen Wunsch besessen war,

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quamquam cupienti voluntate praeditus, tamen religiosa formidine retardabar, quod enim sedulo percontaveram difficile religionis obsequium et castimoniorum abstinentiam satis arduam cautoque circumspectu vitam, quae multis casibus subiacet, esse muniendam. haec identidem mecum reputans nescio quo modo, quamquam festinans, differebam. 20 (1) Nocte quadam plenum gremium suum visus est mihi summus sacerdos offerre ac requirenti, quid utique istud, respondisse partes illas de Thessalia mihi missas, servum etiam meum indidem supervenisse nomine Candidum. (2) hanc experrectus imaginem diu diuque apud cogitationes meas revolvebam, quid rei portenderet, praesertim cum nullum umquam habuisse me servum isto nomine nuncupatum certus essem. (3) ut tamen sese praesagium somni porrigeret, lucrum certum modis omnibus significari partium oblatione credebam. sic anxius et in proventum prosperiorem attonitus templi matutinas apertiones opperiebar. (4) ac dum velis candentibus reductis in diversum deae venerabilem conspectum adprecamur et per dispositas aras circumiens sacerdos rem divinam procurans supplicamentis sollemnibus deae de penetrali fontem petitum spondeo libat. (5) rebus iam rite consummatis inchoatae lucis salutationibus religiosi primam nuntiantes horam perstrepunt. (6) et ecce superveniunt Hypata quos ibi reliqueram famulos, cum me Photis malis incapistrasset erroribus, cognitis scilicet fabulis meis, nec non et equum quoque illum meum reducentes, quem diversae distractum notae dorsualis agnitione re-

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wurde ich doch durch ehrfürchtige Angst entmutigt, weil ich nämlich sorgfältig erkundet hatte, dass der Gehorsam gegenüber der Religion schwierig und die Enthaltsamkeit in Form von abstinenten Praktiken sehr mühevoll und dass mit behutsamer Umsicht das Leben, das vielen Zufällen ausgesetzt ist, zu beschützen sei. Da ich das immer wieder bei mir bedachte, habe ich es, ich weiß nicht wie, trotz meiner Ungeduld dauernd verschoben. 20 (1) Eines Nachts schien es mir, als biete der Hohe Priester mir seinen vollen Schoß dar und habe auf meine Frage, was genau dies sei, geantwortet, dass seien mir aus Thessalien geschickte Portionen, auch sei mein Sklave namens Candidus von eben dorther gekommen. (2) Als ich erwacht war, dachte ich in meinen Überlegungen über diese Vision lange, lange nach, was sie bedeuten könne, zumal ich mir sicher war, dass ich nie einen mit diesem Namen genannten Sklaven hatte. (3) Wie auch immer jedoch die Weissagung des Traums ausgerichtet war, dass sicherer Gewinn unter allen Umständen durch das Angebot der Portionen angezeigt werde, das glaubte ich. So erwartete ich, ängstlich und gespannt auf ein möglichst glückliches Ergebnis, die frühmorgendliche Öffnung des Tempels. (4) Und während wir, nachdem die weiß glänzenden Vorhänge nach beiden Seiten zurückgezogen worden waren, die verehrungswürdige Erscheinung der Göttin anbeteten, vollzog der Priester beim Herumschreiten um die ordentlich aufgestellten Altäre das heilige Ritual mit feierlicher Sühnezeremonie und goss aus dem inneren Heiligtum der Göttin geholtes Quellwasser aus einem Libationsgefäß. (5) Die Riten waren schon pflichtgemäß vollzogen, und mit ihren Begrüßungen des begonnenen Tageslichts machten die Gläubigen, während sie die erste Stunde ankündigten, ein lautes Geräusch. (6) Und sieh da, es kamen aus Hypata die Diener, welche ich dort zurückgelassen hatte, als Photis mir durch ihre unglückseligen Irrtümer ein Halfter angelegt hatte; sie hatten offensichtlich meine Geschichten gehört und brachten auch mein Pferd zurück, das sie, nachdem es anderswo verkauft worden war, durch Wieder-

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cuperaverant. (7) quare sollertiam somni tum mirabar vel maxime, quod praeter congruentiam lucrosae pollicitationis argumento servi Candidi equum mihi reddidisset colore candidum. 21 (1) Quo facto idem sollicitius sedulum colendi frequentabam ministerium spe futura beneficiis praesentibus pignerata. (2) nec minus in dies mihi magis magisque accipiendorum sacrorum cupido gliscebat summisque precibus primarium sacerdotem saepissime conveneram petens, ut me noctis sacratae tandem arcanis initiaret. (3) at ille, vir alioquin gravis et sobriae religionis observatione famosus, clementer ac comiter et ut solent parentes inmaturis liberorum desideriis modificari meam differens instantiam spei melioris solaciis alioquin anxium mihi permulcebat animum: (4) nam et diem, quo quisque possit initiari, deae nutu demonstrari et sacerdotem, qui sacra debeat ministrare, eiusdem providentia deligi, sumptus etiam caerimoniis necessarios simili praecepto destinari. (5) quae cuncta nos quoque observabili patientia sustinere censebat, quippe cum aviditati contumaciaeque summe cavere et utramque culpam vitare ac neque vocatus morari nec non iussus festinare deberem. (6) nec tamen esse quemquam de suo numero tam perditae mentis vel immo destinatae mortis, qui non sibi quoque seorsum iubente domina temerarium atque sacrilegum audeat ministerium subire noxamque letalem contrahere. nam et inferum claustra et salutis tutelam in deae manu posita, (7) ipsamque tradi-

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erkennung der Markierung auf dem Rücken wiederbekommen hatten. (7) Daher wunderte ich mich damals über die Feinheit des Traums ganz besonders, weil, abgesehen von der Übereinstimmung mit dem gewinnverheißenden Versprechen, er mir durch das Symbol des Sklaven Candidus das von der Farbe her weiße Pferd zurückgegeben hatte. 21 (1) Nachdem dies geschehen war, führte ich wiederholt denselben fleißigen Dienst des Kultes noch eifriger aus, da meine Hoffnung auf die Zukunft durch die gegenwärtigen Wohltaten verbürgt war. (2) Ebenso wuchs täglich mehr und mehr mein Verlangen, die Weihen zu erhalten, und mit inständigen Bitten wandte ich mich sehr oft an den Oberpriester und ersuchte ihn, mich endlich in die Mysterien der heiligen Nacht zu initiieren. (3) Doch er, im Allgemeinen ernst und bekannt für seine Beachtung nüchterner religiöser Praxis, hielt milde und freundlich und in der Weise, wie Eltern die unreifen Sehnsüchte ihrer Kinder in Grenzen zu halten pflegen, mein Drängen hin und beschwichtigte meinen ohnehin angstvollen Sinn mit dem Trost der Hoffnung auf Besseres: (4) Denn sowohl der Tag, an dem jedermann initiiert werden könne, werde durch den Wink der Göttin angezeigt, als auch der Priester, der die heiligen Riten ausführen solle, werde durch die Fürsorge derselben ausgewählt, selbst die für die Zeremonien notwendigen Kosten würden durch einen ähnlichen Befehl bestimmt. (5) Das alles müssten auch wir mit achtsamer Geduld hinnehmen, meinte er, da ich mich vor Habgier und Widerspenstigkeit aufs Äußerste hüten und beide Vergehen vermeiden müsse sowie weder zögern dürfe, wenn ich gerufen würde, noch eilen, wenn ich keinen Befehl erhalten hätte. (6) Aber niemand aus ihrer Zahl sei so verdorbenen Sinnes oder vielmehr so entschlossen zu sterben, dass er, ohne dass auch ihm die Herrin das gesondert befehlen würde, es wagen würde, sich leichtsinnig und gottlos den Dienst zu leisten und sich tödliche Schuld zuzuziehen. Denn sowohl die Riegel der Unterwelt als auch der Schutz des Lebens lägen in der Hand der Göttin, (7) und die

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tionem ad instar voluntariae mortis et precariae salutis celebrari, quippe cum transactis vitae temporibus iam in ipso finitae lucis limine constitutos, quis tamen tuto possint magna religionis committi silentia, numen deae soleat eligere et sua providentia quodam modo renatos ad novae reponere rursus salutis curricula. (8) ergo igitur me quoque oportere caeleste sustinere praeceptum, quamquam perspicua evidentique magni numinis dignatione iam dudum felici ministerio nuncupatum destinatumque (9) nec secus quam cultores ceteri cibis profanis ac nefariis iam nunc temperare, quo rectius ad arcana purissimae religionis secreta pervaderem. 22 (1) Dixerat sacerdos, nec inpatientia corrumpebatur obsequium meum, sed intentus miti quiete et probabili taciturnitate sedulum quot dies obibam culturae sacrorum ministerium. (2) nec me fefellit vel longi temporis prolatione cruciavit deae potentis benignitas salutaris, sed noctis obscurae non obscuris imperiis evidenter monuit advenisse diem mihi semper optabilem, (3) quo me maximi voti compotiret, quantoque sumptu deberem procurare supplicamentis, ipsumque Mithram illum suum sacerdotem praecipuum divino quodam stellarum consortio, ut aiebat, mihi coniunctum sacrorum ministrum decernit. (4) Quis et ceteris benivolis praeceptis summatis deae recreatus animi necdum satis luce lucida discussa quiete protinus ad receptaculum sacerdotis contendo atque eum cubiculo suo commodum prodeuntem continatus saluto. (5) solito constantius destinaveram

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Initiation selbst werde wie ein freiwilliger Tod und eine durch Gnade erhaltene Rettung feierlich begangen, da ja, was diejenigen betrifft, die nach vollbrachter Lebenszeit schon direkt auf die Schwelle ihres letzten Tages gestellt sind, die, denen dennoch die großen Geheimnisse der Religion anvertraut werden können, der Wille der Gottheit auszuwählen und die durch ihre Fürsorge in gewisser Weise Wiedergeborenen wieder auf die Bahn eines neuen Lebens zurückzusetzen pflege. (8) Also müsse auch ich den himmlischen Befehl abwarten, obwohl ich durch eine sichtbare und offenkundige Gunst der großen Gottheit schon längst für den glückseligen Dienst ernannt und bestimmt sei, (9) und nicht anders als die übrigen Anbeter solle ich mich schon jetzt unreiner und verruchter Speisen enthalten, damit ich auf direkterem Weg zu den Mysterien des reinsten Glaubens vordringen könne. 22 (1) Der Priester hatte gesprochen, und mein Gehorsam wurde nicht durch Ungeduld verdorben, sondern konzentriert, in mildem Frieden und löblichem Schweigen leistete ich Tag für Tag den Dienst am Kult der Heiligtümer. (2) Doch die rettende Güte der mächtigen Göttin enttäuschte oder quälte mich nicht durch den Aufschub einer langen Zeit, sondern sie mahnte mich mit den nicht dunklen Befehlen einer dunklen Nacht deutlich, gekommen sei der von mir ersehnte Tag, (3) an dem sie meinen größten Wunsch gewähre, und sie bestimmte, mit wie großem Aufwand ich für die religiösen Zeremonien zu sorgen hätte, und Mithras selbst, jener ihr Oberpriester, der durch eine geradezu göttliche Gemeinschaft der Sterne, mit mir verbunden sei, wie sie sagte, der Arrangeur der heiligen Handlungen. (4) Durch diese und andere wohlwollende Befehle der höchsten Göttin in meinem Sinn erfrischt, schüttelte ich, als das Tageslicht noch nicht richtig mit voller Kraft leuchtete, den Schlaf ab, begab mich sofort zur Behausung des Priesters, traf ihn, als er gerade aus seinem Schlafzimmer hervortrat, und begrüßte ihn. (5) Ich hatte schon beschlossen, energischer als sonst die Initiation in die heiligen

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iam velut debitum sacris obsequium flagitare. at ille statim, ut me conspexit, prior ‘o’ inquit ‘Luci, te felicem, te beatum, quem propitia voluntate numen augustum tantopere dignatur.’ (6) et ‘quid’ inquit ‘iam nunc stas otiosus teque ipsum demoraris? adest tibi dies votis adsiduis exoptatus, quo deae multinominis divinis imperiis per istas meas manus piissimis sacrorum arcanis insinueris.’ (7) Et iniecta dextera senex comissimus ducit me protinus ad ipsas fores aedis amplissimae rituque sollemni apertionis celebrato ministerio ac matutino peracto sacrificio (8) de opertis adyti profert quosdam libros litteris ignorabilibus praenotatos, partim figuris cuiusce modi animalium concepti sermonis compendiosa verba suggerentes, partim nodosis et in modum rotae tortuosis capreolatimque condensis apicibus a curiositate profanorum lectione munita. indidem mihi praedicat, quae forent ad usum teletae necessario praeparanda. 23 (1) Ea protinus naviter et aliquanto liberalius partim ipse, partim per meos socios coemenda procuro. iamque tempore, ut aiebat sacerdos, id postulante stipatum me religiosa cohorte deducit ad proximas balneas et prius sueto lavacro traditum praefatus deum veniam purissime circumrorans abluit (2) rursumque ad templum reductum iam duabus diei partibus transactis ante ipsa deae vestigia constituit secretoque mandatis quibusdam, quae voce meliora sunt,

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Riten so zu fordern, als sei sie mir geschuldet. Doch er sprach gleich als erster, sobald er mich erblickt hatte: »O Lucius, wie glücklich, wie gesegnet bist du, dass dich die erhabene Gottheit ihres so sehr geneigten Willens würdigt!« (6) Und er sagte: »Was stehst du jetzt noch untätig da und hältst dich selbst auf? Gekommen ist der von dir in ständigen Gebeten herbeigewünschte Tag, an dem du aufgrund der göttlichen Befehle der vielnamigen Göttin durch diese meine Hände in die heiligsten Geheimnisse unserer Riten eingeführt werden sollst.« (7) Und der überaus freundliche alte Mann legte mir die Rechte auf und führte mich auf der Stelle direkt zu den Toren des gewaltigen Tempels, und nachdem mit heiligem Ritual der Dienst der Öffnung feierlich vollzogen und das morgendliche Opfer beendet worden war, (8) brachte er aus einem verschlossenen Teil des Tempels Bücher, die, mit unverständlichen Buchstaben geschrieben, teils durch Bilder jeder Art von Tieren kurzgefasste Worte feierlicher Formeln in Erinnerung riefen, teils dadurch, dass die Buchstaben verschlungen, in der Art eines Rades gedreht und wie Weinranken dicht verknotet waren, eine vor der Neugier der Nicht-Initiierten geschützte Bedeutung hatten. Eben daraus verkündete er mir, was notwendigerweise vorzubereiten sei, damit ich meine Initiation genießen könne. 23 (1) Dafür, dass dies zusammengekauft wurde, sorgte ich sofort eifrig und etwas großzügiger teils selbst, teils durch meine Gefährten. Und als nun die Zeit, wie der Priester sagte, es forderte, führte er mich, den eine Kohorte von Schülern umgab, zum nächsten Bad, und als er mich zuerst einmal der üblichen Waschung überlassen hatte, bat er um den Segen der Götter, wusch mich ganz und gar rein, indem er mich ringsum mit Wasser besprengte, (2) führte mich wieder zum Tempel zurück, ließ mich, als schon zwei Drittel des Tages vergangen waren, direkt vor den Füßen der Göttin stehen, und als er mir unter vier Augen gewisse Aufträge erteilt hatte, die am besten nicht wiedergegeben werden, befahl er

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illud plane cunctis arbitris praecipit: decem continuis illis diebus cibariam voluptatem coercerem neque ullum animal essem et invinius essem. (3) Quis venerabili continentia rite servatis iam dies aderat divino destinatus vadimonio et sol curvatus intrahebat vesperam. (4) tum ecce confluunt undique turbae sacrorum ritu vetusto variis quisque me muneribus honorantes. tunc semotis procul profanis omnibus linteo rudique me contectum amicimine arrepta manu sacerdos deducit ad ipsius sacrarii penetralia. (5) Quaeras forsitan satis anxie, studiose lector, quid deinde dictum, quid factum. dicerem, si dicere liceret, cognosceres, si liceret audire. sed parem noxam contraherent et aures et lingua[e], 〈illicitae intemperantiae ista,〉 illae temerariae curiositatis. nec te tamen desiderio forsitan religioso suspensum angore diutino cruciabo. igitur audi, sed crede, quae vera sunt. (6) accessi confinium mortis et calcato Proserpinae limine per omnia vectus elementa remeavi; nocte media vidi solem candido coruscantem lumine, deos inferos et deos superos accessi coram et adoravi de proxumo. ecce tibi rettuli, quae quamvis audita ignores tamen necesse est. ergo quod solum potest sine piaculo ad profanorum intellegentias enuntiari, referam. 24 (1) Mane factum est, et perfectis sollemnibus processi duodecim sacratus stolis, habitu quidem religioso satis, sed effari de eo

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mir deutlich dies vor allen Zeugen: Ich solle mich ohne Unterbrechung während der folgenden zehn Tage von den Freuden des Mahles enthalten, kein Fleisch essen und keinen Wein trinken. (3) Nachdem ich dies in ehrfürchtiger Selbstbeherrschung nach Vorschrift eingehalten hatte, war nun der für das Erscheinen vor der Göttin bestimmte Tag da, und die sich neigende Sonne brachte den Abend herein. (4) Dann, sieh da, strömten von überall her die Scharen zusammen, die mich nach dem alten Brauch der heiligen Handlungen einzeln mit verschiedenen Geschenken ehrten. Dann wurden alle Nicht-Initiierten weit weggeschickt, ich wurde mit einem neuen leinenen Gewand bekleidet, und der Priester ergriff meine Hand und führte mich in den innersten Teil des Tempels selbst. (5) Du fragst vielleicht sehr aufgeregt, eifriger Leser, was dann gesagt, was getan wurde. Ich würde es dir sagen, wenn ich es sagen dürfte, du würdest es erfahren, wenn du es hören dürftest. Aber deine Ohren und meine Zunge würden sich die gleiche Schuld zuziehen, diese für ihre verbotene Zügellosigkeit, jene für ihre leichtsinnige Neugier. Doch ich will dich, da du vielleicht aus religiösem Verlangen gespannt bist, nicht mit langer Unruhe quälen. Also höre, aber glaube mir, was wahr ist. (6) Ich kam an die Grenze des Todes heran, und als ich Proserpinas Schwelle betreten hatte, wurde ich durch alle Elemente getragen und kehrte zurück; in der Mitte der Nacht sah ich die Sonne in weißem Licht flackern, ich kam an die unterirdischen Götter und an die himmlischen Götter von Angesicht zu Angesicht heran und betete sie aus nächster Nähe an. Sieh da, ich habe dir berichtet, was du, auch wenn du es gehört hast, notwendigerweise dennoch nicht verstehst. Also werde ich allein das, was ohne Vergehen dem Erkenntnisvermögen der Nicht-Initiierten verkündet werden kann, berichten. 24 (1) Es war Morgen geworden, und ich trat nach Vollendung der feierlichen Zeremonien hervor, durch zwölf Stolen als Diener der Gottheit gekennzeichnet, in einer sehr religiösen Aufmachung,

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nullo vinculo prohibeor, quippe quod tunc temporis videre praesentes plurimi. (2) namque in ipso aedis sacrae meditullio ante deae simulacrum constitutum tribunal ligneum iussus superstiti byssina quidem, sed floride depicta veste conspicuus. et umeris dependebat pone tergum talorum tenus pretiosa chlamida. (3) quaqua tamen viseres, colore vario circumnotatis insignibar animalibus; hinc dracones Indici, inde grypes Hyperborei, quos in speciem pinnatae alitis generat mundus alter. hanc Olympiacam stolam sacrati nuncupant. (4) at manu dextera gerebam flammis adultam facem et caput decore corona cinxerat palmae candidae foliis in modum radiorum prosistentibus. sic adinstar Solis exornato me et in vicem simulacri constituto repente velis reductis in aspectum populus errabat. exhinc festissimum celebravi natalem sacrorum, et suaves epulae et faceta convivia. (5) dies etiam tertius pari caerimoniarum ritu celebratus, et ientaculum religiosum et teletae legitima consummatio. Paucis dehinc ibidem commoratus diebus inexplicabili voluptate simulacri divini perfruebar, inremunerabili quippe beneficio pigneratus. (6) sed tandem deae monitu, licet non plene, tamen pro meo modulo supplicue gratis persolutis tardam satis domuitionem comparo, vix equidem abruptis ardentissimi desiderii retinaculis. (7) provolutus denique ante conspectum deae et facie mea diu

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aber ich werde durch keine Fessel daran gehindert, darüber zu sprechen, weil ja zur damaligen Zeit sehr viele, die anwesend waren, sie gesehen haben. (2) Denn wie mir befohlen worden war, trat ich genau in der Mitte des heiligen Tempels auf eine hölzerne Plattform, die vor dem Bildnis der Göttin aufgestellt war, durch mein aus Flachs gefertigtes, aber mit blumigen Farben besticktes Gewand auffallend. Und von meinen Schultern hing über den Rücken hinab bis zu den Knöcheln ein kostbarer Mantel. (3) Aber wohin auch immer du hättest sehen wollen, war ich durch Tiere gekennzeichnet, die ringsum mit verschiedenen Farben gezeichnet waren; hier waren es indische Drachen, dort hyperborëische Greife, die in der Gestalt eines gefiederten Vogels eine andere Welt hervorbringt. Die Initiierten nennen sie die olympische Stola. (4) Und in meiner rechten Hand trug ich eine mit voller Kraft entflammte Fackel, und meinen Kopf umgab sehr schön ein Kranz mit Blättern einer hell scheinenden Palme, die wie Strahlen hervorstanden. Nachdem ich so ähnlich wie die Sonne geschmückt und wie eine Statue aufgestellt worden war, wurden die Vorhänge plötzlich zurückgezogen, und die Leute marschierten herein, um zu schauen. Darauf feierte ich den sehr festlichen Geburtstag meiner Initiation, und es gab wohlschmeckende Speisen und fröhliche Gelage. (5) Auch der dritte Tag wurde mit einem ähnlichen Ritual der Zeremonien gefeiert, es gab ein heiliges Frühstück und die offizielle Beendigung meiner Einweihung. Danach hielt ich mich ebendort noch wenige Tage auf und genoss die unsagbar große Freude an der göttlichen Statue, da ich doch der Göttin durch eine unvergeltbare Wohltat verpflichtet bin. (6) Doch endlich bekundete ich der Göttin auf ihre Mahnung hin – wenn nicht in vollem Umfang, so doch entsprechend meinem geringen Maß – demütig flehend meinen Dank und bereitete meine sehr späte Heimkehr vor, nachdem ich in der Tat nur mit Mühe die Fesseln meiner heftig brennenden Sehnsucht zerrissen hatte. (7) Schließlich warf ich mich nieder vor das Angesicht der Göttin,

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detersis vestigiis eius, lacrimis obortis, singultu crebro sermonem interficiens et verba devorans aio: 25 (1) ‘Tu quidem sancta et humani generis sospitatrix perpetua, semper fovendis mortalibus munifica, dulcem matris adfectationem miserorum casibus tribuis. (2) nec dies nec quies ulla ac ne momentum quidem tenue tuis transcurrit beneficiis otiosum, quin mari terraque protegas homines et depulsis vitae procellis salutarem porrigas dexteram, qua fatorum etiam inextricabiliter contorta retractas licia et Fortunae tempestates mitigas et stellarum noxios meatus cohibes. (3) te superi colunt, observant inferi, tu rotas orbem, luminas solem, regis mundum, calcas Tartarum. tibi respondent sidera, redeunt tempora, gaudent numina, serviunt elementa. (4) tuo nutu spirant flamina, nutriunt nubila, germinant semina, crescunt germina. tuam maiestatem perhorrescunt aves caelo meantes, ferae montibus errantes, serpentes solo latentes, beluae ponto natantes. (5) at ego referendis laudibus tuis exilis ingenio et adhibendis sacrificiis tenuis patrimonio; nec mihi vocis ubertas ad dicenda, quae de tua maiestate sentio, sufficit nec ora mille linguaeque totidem vel indefessi sermonis aeterna series. (6) ergo quod solum potest religiosus quidem, sed pauper alioquin, efficere curabo: divinos tuos vultus numenque sanctissimum intra pectoris mei secreta conditum perpetuo custodiens imaginabor.’ (7) Ad istum modum deprecato summo numine complexus Mithram sacerdotem et meum iam parentem colloque eius multis

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wischte ihre Füße lange mit meinem Gesicht ab, Tränen brachen mir hervor, und ich sagte, während ich meine Rede durch häufiges Seufzen abwürgte und meine Worte verschluckte: 25 (1) »Du bist wahrhaftig die heilige und ewige Retterin der menschlichen Rasse, stets großzügig, indem du dich der Sterblichen annimmst, du gibst die süße Zärtlichkeit einer Mutter den Leiden der Unglückseligen. (2) Kein Tag und keine Nacht und nicht einmal ein kurzer Moment vergeht, der leer ist von deinen Wohltaten, an dem du nicht auf Meer und Land die Menschen beschützt, die Stürme des Lebens vertreibst und deine rettende Rechte hinstreckst, mit der du sogar die unentwirrbar verschlungenen Fäden der Geschicke entwirrst, die Unwetter Fortunas besänftigst und die schädlichen Läufe der Gestirne hemmst. (3) Dich ehren die Himmlischen, achten die Unterirdischen, du lässt die Erde kreisen, du erleuchtest die Sonne, du regierst das Universum, du trittst den Tartarus mit Füßen. Die Sterne folgen deinem Willen, nach deinem Willen kehren die Jahreszeiten wieder, Gottheiten jauchzen vor dir, dir dienen die Elemente. (4) Auf deinen Wink blasen die Winde, schwellen die Wolken auf, keimen die Samen, wachsen die Keime. Vor deiner Hoheit erschauern die Vögel, die am Himmel fliegen, die wilden Tiere, die in den Bergen umherstreifen, die Schlangen, die am Boden gleiten, die Bestien, die im Meer schwimmen. (5) Doch ich bin zu schwach im Geist, dein Lob zu singen, zu gering, was mein Vermögen betrifft, dir Opfer darzubringen; ich habe nicht die Fülle der Stimme zu sagen, was ich über deine Hoheit denke, genügen würden auch nicht tausend Münder und ebenso viele Zungen oder ein endloser Fluss unermüdlicher Rede. (6) Also werde ich mich zu erreichen bemühen, was ein Anbeter, aber ansonsten Armer, allein kann: Dein göttliches Antlitz und deine allerheiligste Gottheit werde ich für immer im geheimen Inneren meiner Brust verborgen bewahren und mit den Augen des Geistes schauen.« (7) Als ich auf diese Weise zur höchsten Gottheit gebetet hatte, umarmte ich den Priester Mithras, nun meinen Vater, hing an

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osculis inhaerens veniam postulabam, quod eum condigne tantis beneficiis munerari nequirem. 26 (1) Diu denique gratiarum gerendarum sermone prolixo commoratus tandem digredior et recta patrium larem revisurus meum post aliquam multum temporis contendo. paucisque post diebus deae potentis instinctu raptim constrictis sarcinulis nave conscensa Romam versus profectionem dirigo (2) tutusque prosperitate ventorum ferentium Augusti portum 〈potitus sum〉 celerrime ac dehinc carpento pervolavi vesperaque, quam dies insequebatur Iduum Decembrium, sacrosanctam istam civitatem accedo. (3) nec ullum tam praecipuum mihi exinde studium fuit quam cotidie supplicare summo numini reginae Isidis, quae de templi situ sumpto nomine Campensis summa cum veneratione propitiatur. eram cultor denique adsiduus, fani quidem advena, religionis autem indigena. (4) Ecce transcurso signifero circulo Sol magnus annum compleverat, et quietem meam rursus interpellat numinis benefici cura pervigilis et rursus teletae, rursus sacrorum commonet. mirabar, quid rei temptaret, quid pronuntiaret futurum. quidni? plenissime iam dudum videbar initiatus. 27 (1) Ac dum religiosum scrupulum partim apud meum sensum disputo, partim sacratorum consiliis examino, novum mirumque plane comperior: (2) deae quidem me tantum sacris imbutum, at magni dei deumque summi parentis invicti Osiris necdum sacris inlustratum; (3) quamquam enim conexa, immo vero inunita ratio numinis religionisque esset, tamen teletae discrimen interesse maxi-

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seinem Hals mit vielen Küssen und bat ihn um Verzeihung, weil ich ihn nicht seinen so großen Wohltaten entsprechend beschenken könne. 26 (1) Als ich nun lange bei meinen ausgedehnten Worten der Danksagung verweilt hatte, zog ich endlich davon und eilte auf direktem Wege, den Herd meiner Ahnen nach ziemlich viel Zeit wieder zu besuchen. Und wenige Tage später schnürte ich rasch auf Antrieb der mächtigen Göttin mein Gepäck, bestieg ein Schiff, lenkte meine Reise Richtung Rom, (2) erreichte, sicher durch die Gunst der Winde, die es dahin trugen, sehr schnell den Hafen des Augustus, eilte von dort in einer Kutsche weiter und erreichte an dem Abend, dem die Iden des Dezember folgten, diese heilige, unverletzliche Stadt. (3) Und danach hatte ich kein so wichtiges Verlangen mehr wie das, täglich zur höchsten Gottheit der Königin Isis zu beten, die von der Lage ihres Tempels den Namen Campensis annahm und mit der größten Verehrung gnädig gestimmt wird. Ich war von da an ihr ständiger Anbeter, ein Fremder gegenüber dem Heiligtum, aber ein Einheimischer im Kult. (4) Sieh da, der große Sonnengott hatte den Sternbilder tragenden Kreis durchlaufen und das Jahr vollendet, und wieder unterbrach die stets wachsame Fürsorge der wohlwollenden Gottheit meinen Schlaf und erinnerte mich wieder an Initiation, wieder an Rituale. Verwundert fragte ich mich, was sie da versuche, was sie Zukünftiges verkünde. Wie auch nicht? In vollstem Maße, so schien mir, sei ich schon lange initiiert. 27 (1) Und während ich diese bohrenden religiösen Zweifel teils in meinem eigenen Sinn erwog, teils zusammen mit den Ratschlägen der Initiierten prüfte, erfuhr ich deutlich etwas Neues und Erstaunliches: (2) Nur in die Mysterien der Göttin sei ich initiiert, aber noch nicht durch die Mysterien des großen Gottes und höchsten Vaters der Götter, des unbesiegten Osiris, erleuchtet; (3) denn obwohl das Wesen der Gottheiten und des Kults verbunden, ja sogar vereinigt sei, bestehe dennoch ein sehr großer Unterschied in

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mum; prohinc me quoque peti magno etiam deo famulum sentire deberem. (4) Nec diu res in ambiguo stetit. nam proxuma nocte vidi quendam de sacratis linteis iniectum, qui thyrsos et hederas et tacenda quaedam gerens ad ipsos meos lares collocaret et occupato sedili meo religionis amplae denuntiaret epulas. (5) is ut agnitionem mihi scilicet certo aliquo sui signo subministraret, sinistri pedis talo paululum reflexo cunctabundo clementer incedebat vestigio. (6) sublata est ergo post tam manifestam deum voluntatem ambiguitatis tota caligo et ilico deae matutinis perfectis salutationibus summo studio percontabar singulos, ecqui vestigium similis esset [ut somnium]. (7) nec fides afuit. nam de pastophoris unum conspexi statim praeter indicium pedis cetero etiam statu atque habitu examussim nocturnae imagini congruentem, quem Asinium Marcellum vocitari cognovi postea, reformationis meae alienum nomen. (8) nec moratus conveni protinus eum sane nec ipsum futuri sermonis ignarum, quippe iam dudum consimili praecepto sacrorum ministrandorum commonefactum. (9) nam sibi visus est quiete proxima, dum magno deo coronas exaptat, [et] de eius ore, quo singulorum fata dictat, audisse mitti sibi Madaurensem, sed admodum pauperem, cui statim sua sacra deberet ministrare; nam et illi studiorum gloriam et ipsi grande compendium sua comparari providentia. 28 (1) Ad istum modum desponsus sacris sumptuum tenuitate contra votum meum retardabar. nam et viriculas patrimonii pere-

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den Initiationsriten; daher müsse ich verstehen, dass auch ich für den großen Gott ebenfalls als Diener gefordert würde. (4) Und die Sache blieb nicht lange ungewiss. Denn in der nächsten Nacht sah ich einen von den Initiierten, der, mit Leinen bekleidet, Thyrsusstäbe, Efeu und gewisse zu verschweigende Dinge trug, diese direkt in meine Behausung legte, meinen Sessel einnahm und ein Mahl von großer Heiligkeit ankündigte. (5) Offensichtlich um mir das Erkennen durch irgendein sichereres auf ihn weisendes Zeichen zu ermöglichen, ging er, da der Knöchel seines linken Fußes ein wenig verkrümmt war, sachte mit zögerndem Schritt. (6) Gehoben hatte sich also nach einer so deutlichen Willensbekundung der Götter der ganze Nebel der Ungewissheit, und sofort nach Beendigung der morgendlichen Begrüßungen der Göttin fing ich mit größtem Eifer an, bei jedem Einzelnen zu prüfen, ob da einer mit ähnlichem Gang sei. (7) Und die Bestätigung blieb nicht aus. Denn ich erblickte sofort einen von den Pastophoren, der, abgesehen von dem Indiz des Fußes auch in Körperbau und Kleidung genau mit der nächtlichen Vision übereinstimmte und der Asinius Marcellus genannt wurde, wie ich später erfuhr, mit einem Namen, der mit meiner Verwandlung nicht zusammenpasste. (8) Ich zögerte nicht und ging sofort auf ihn zu, und in der Tat wusste er selbst durchaus von dem bevorstehenden Gespräch, da er schon einige Zeit zuvor durch einen ähnlichen Befehl ermahnt worden war, als Helfer bei den Riten zu fungieren. (9) Denn ihm schien es in der vorangegangenen Nacht, dass, während er dem großen Gott Kränze aufsetzte, er aus dessen Mund, mit dem dieser die Geschicke jedes Einzelnen diktiert, hörte, es werde ihm ein Madaurenser geschickt, ein sehr armer, dem er sofort seine Riten vermitteln solle; denn jenem werde Berühmtheit für seine gelehrte Tätigkeit und ihm selbst großer Gewinn durch seine Fürsorge verschafft. 28 (1) Obwohl ich auf diese Weise zur Initiation verpflichtet worden war, wurde ich durch die Dürftigkeit meiner finanziellen Mittel gegen meinen Willen aufgehalten. Denn die Reisekosten

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grinationis adtriverant impensae et erogationes urbicae pristinis illis provincialibus antistabant plurimum. (2) ergo duritia paupertatis intercedente, quod ait vetus proverbium, inter sacrum et saxum positus cruciabar; nec setius tamen identidem numinis premebar instantia. (3) iamque saepicule non sine magna turbatione stimulatus, postremo iussus veste ipsa mea quamvis parvula distracta sufficientem conrasi summulam. (4) et id ipsum praeceptum fuerat specialiter: ‘an tu [in]qui[t], si quam rem voluptati struendae moliris, laciniis tuis nequaquam parceres, nunc tantas caerimonias aditurus impaenitendae te pauperiei cunctaris committere?’ (5) Ergo igitur cunctis adfatim praeparatis, decem rursus diebus inanimis contentus cibis, insuper etiam deraso capite, principalis dei nocturnis orgiis inlustratus plena iam fiducia germanae religionis obsequium divinum frequentabam. (6) quae res summum peregrinationi meae tribuebat solacium nec minus etiam victum uberiorem subministrabat. quidni? spiritu faventis Eventus quaesticulo forensi nutrito per patrocinia sermonis Romani. 29 (1) Et ecce post pauculum tempus inopinatis et usquequaque mirificis imperiis deum rursus interpellor et cogor tertiam quoque teletam suscitare. (2) nec levi cura sollicitus, sed oppido suspensus animi mecum ipse cogitationes exercitius cogitabam, quorsus nova haec et inaudita se caelestium porrigeret intentio, quid subsicivum,

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hatten die geringen Mittel des väterlichen Vermögens verringert, und die Ausgaben in der Hauptstadt waren weit höher als die früheren in den Provinzen. (2) Also war die Härte der Armut hinderlich, und ich wurde, da ich, wie das alte Sprichwort sagt, zwischen Altar und Feuerstein gesetzt war, gequält; nichtsdestoweniger wurde ich wieder und wieder von der Beharrlichkeit der Gottheit bedrängt. (3) Und als ich mich nun oftmals nicht ohne große Bestürzung angetrieben gesehen hatte und es mir schließlich befohlen worden war, verkaufte ich sogar meine wenn auch wenige Kleidung und kratzte eine kleine, aber ausreichende Summe zusammen. (4) Und gerade das war mir besonders vorgeschrieben worden: »Du, der du, wenn du irgendetwas unternähmst, um dir ein Vergnügen zu bereiten, deine Lumpen keineswegs sparen würdest, zögerst nun, wo du an so wichtigen Zeremonien teilzunehmen im Begriff bist, dich einer Armut zu ergeben, die du nie bereuen wirst?« (5) Als also alles reichlich vorbereitet worden war, wurde ich, nachdem ich mich wieder zehn Tage lang mit fleischloser Speise zufriedengegeben und obendrein meinen Kopf abgeschoren hatte, durch die nächtlichen Mysterien des obersten Gottes erleuchtet und besuchte nun häufig in vollem Vertrauen den Gottesdienst der Schwesterreligion. (6) Das gewährte mir den größten Trost für mein Leben im Ausland und verschaffte mir ebenso einen reichlicheren Lebensunterhalt. Warum auch nicht? Wo ich doch dank der inspirierenden Brise des mir gewogenen Eventus durch kleine Gewinne auf dem Forum mit Hilfe des Patronats der lateinischen Sprache ernährt wurde. 29 (1) Und sieh da, nach sehr kurzer Zeit wurde ich wieder durch unerwartete und in jeder Hinsicht erstaunliche Befehle der Götter angesprochen und gezwungen, auch die dritte Initiation zu beginnen. (2) Und ich war von nicht leichter Sorge beunruhigt, sondern stellte, sehr ungewiss in meinem Sinn, bekümmert Überlegungen mit mir selbst an, wohin dieser neue und von mir bisher nicht gehörte Plan der Himmlischen führe und was noch übrig

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quamvis iteratae iam, traditioni remansisset. (3) ‘nimirum perperam vel minus plene consuluerunt in me sacerdos uterque.’ et hercules iam de fide quoque eorum opinari coeptabam sequius. quo me cogitationis aestu fluctuantem, ad instar insaniae percitum sic instruxit nocturna divinatione clemens imago: (4) ‘Nihil est’ inquit ‘quod numerosa serie religionis, quasi quicquam sit prius omissum, terreare. quin adsidua ista numinum dignatione laetum capesse gaudium et potius exsulta ter futurus, quod alii vel semel vix conceditur, teque de isto numero merito praesume semper beatum. (5) ceterum futura tibi sacrorum traditio pernecessaria est, si tecum nunc saltem reputaveris exuvias deae, quas in provincia sumpsisti, in eodem fano depositas perseverare nec te Romae diebus sollemnibus vel supplicare iis vel, cum praeceptum fuerit, felici illo amictu illustrari posse. quod felix itaque ac faustum salutareque tibi sit, animo gaudiali rursum sacris initiare deis magnis auctoribus.’ 30 (1) Hactenus divini somnii suada maiestas, quod usus foret, pronuntiavit. nec deinceps postposito vel in supinam procrastinationem reiecto negotio statim sacerdoti meo relatis, quae videram, inanimae protinus castimoniae iugum subeo et lege perpetua praescriptis illis decem diebus spontali sobrietate multiplicatis instructum teletae comparo largit〈ionibus〉 ex studio pietatis magis quam mensura 〈re〉rum collatis. (2) nec hercules laborum me sumptuum-

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geblieben sei von der Erteilung der Weihen, obwohl sie schon zweimal stattgefunden hatte. (3) »Zweifellos haben beide Priester mich falsch oder zumindest nicht vollständig beraten.« Und beim Herkules, ich fing schon an, über ihre Glaubwürdigkeit negativ zu denken. Während ich durch diese Flut von Überlegungen hin und her geworfen wurde und bis zum Wahnsinn aufgeregt war, belehrte mich eine freundliche Erscheinung durch eine nächtliche Weissagung wie folgt: (4) »Es gibt keinen Grund«, sagte sie, »dass du dich von der umfangreichen Reihe der Riten erschrecken lässt, gleichsam als wäre zuvor irgendetwas unterlassen worden. Sei vielmehr über diese ständige Würdigung vonseiten der Götter erfreut, und frohlocke lieber, weil du dreimal sein wirst, was einem anderen kaum einmal gestattet wird, und von dieser Zahl her betrachte dich mit Recht als für immer glückselig. (5) Im Übrigen ist die bevorstehende Erteilung der Weihen höchst notwendig, wenn du jetzt wenigstens darüber nachdenkst, dass die Gewänder der Göttin, die du in der Provinz anlegtest, in demselben Tempel aufbewahrt bleiben und du in Rom an Festtagen nicht entweder sie anbeten oder, wenn es befohlen worden ist, dich von jenem glücklichen Mantel umstrahlen lassen kannst. Das möge daher günstig, segensreich und heilbringend für dich sein, und mit freudigem Sinn sei wieder in die Mysterien initiiert, da die großen Götter es befehlen!« 30 (1) So weit verkündete mir die überzeugungskräftige Hoheit des göttlichen Traums, was notwendig sei. Und dann berichtete ich, ohne die Sache hintanzusetzen oder in träger Vertagung beiseitezuschieben, sofort meinem Priester, was ich gesehen hatte, unterwarf mich unverzüglich dem Joch fleischloser Enthaltsamkeit, vervielfältigte jene durch ein ewiges Gesetz vorgeschriebenen zehn Tage durch freiwillige Nüchternheit und besorgte die Ausrüstung für meine Initiation durch Sammeln von Schenkungen mehr in Übereinstimmung mit einem religiösen Eifer als mit dem Ausmaß meines Besitzes. (2) Doch beim Herkules, ich bereute nicht eine meiner

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que quicquam tamen paenituit. quidni? liberali deum providentia iam stipendiis forensibus bellule fotum. (3) Denique post dies admodum pauculos deus deum magnorum potior et maiorum summus et summorum maximus et maximorum regnator Osiris non 〈in〉 alienam quampiam personam re- 5 formatus, sed coram suo illo venerando me dignatus adfamine per quietem recipere visus est: (4) quin nunc incunctanter gloriosa in foro redderem patrocinia nec extimescerem malevolorum disseminationes, quas studiorum meorum laboriosa doctrina ibidem exciebat. ac ne sacris suis gregi cetero permixtus deservirem, in collegium 10 me pastophorum suorum immo inter ipsos decurionum quinquennales adlegit. (5) rursus denique quaqua raso capillo collegii vetustissimi et sub illis Sullae temporibus conditi munia non obumbrato vel obtecto calvitio, sed quoquoversus obvio, gaudens 15 obibam.

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Mühen und Aufwendungen, warum auch? Wo ich doch dank der großzügigen Fürsorge der Götter jetzt durch die Einnahmen auf dem Forum hübsch versorgt worden war. (3) Schließlich schien es mir nach nur wenigen Tagen, der Gott, der mächtiger ist als die großen Götter und der höchste unter den Größten und der größte der Höchsten und der Herrscher der Größten, Osiris, würdige mich, nicht in irgendeine fremde Person verwandelt, sondern von Angesicht zu Angesicht im Traum seiner verehrungswürdigen Ansprache und nehme mich auf: (4) Ich solle jetzt doch ohne Zögern ruhmreiche Verteidigungen auf dem Forum liefern und nicht die Ausstreuungen Übelwollender fürchten, welche die fleißige Gelehrsamkeit meiner Studien ebendort säte. Und damit ich nicht seinen Riten vermischt mit der übrigen Herde dienen müsse, wählte er mich in das Kollegium seiner Pastophoren, ja sogar unter die fünf Jahre amtierenden Decurionen. (5) Schließlich habe ich mich, nachdem meine Kopfhaare wieder vollkommen abgeschoren worden waren, den Pflichten des sehr alten, zu Sullas Zeiten gegründeten Kollegiums, meine Kahlheit nicht bedeckend oder verschleiernd, sondern in jede Richtung zur Schau tragend, mit Freuden unterzogen.

ΛΟΥΚΙΑΝΟΥ ΛΟΥΚΙΟΣ Η ΟΝΟΣ

1 Ἀπῄειν ποτὲ ἐς Θετταλίαν· ἦν δέ μοι πατρικόν τι συμβόλαιον ἐκεῖ πρὸς ἄνθρωπον ἐπιχώριον· ἵππος δέ με κατῆγε καὶ τὰ σκεύη καὶ θεράπων ἠκολούθει εἷς. ἐπορευόμην οὖν τὴν προκειμένην ὁδόν· καί πως ἔτυχον καὶ ἄλλοι ἀπιόντες ἐς Ὕπατα, πόλιν τῆς Θετταλίας, ἐκεῖθεν ὄντες· καὶ ἁλῶν ἐκοινωνοῦμεν καὶ οὕτως ἐκείνην τὴν ἀργαλέαν ὁδὸν ἀνύσαντες πλησίον ἤδη τῆς πόλεως ἦμεν κἀγὼ ἠρόμην τοὺς Θετταλούς, εἴπερ ἐπίστανται ἄνδρα οἰκοῦντα ἐς τὰ Ὕπατα, Ἵππαρχον τοὔνομα. γράμματα δὲ αὐτῷ ἐκόμιζον οἴκοθεν, ὥστε οἰκῆσαι παρ’ αὐτῷ. οἱ δὲ εἰδέναι τὸν Ἵππαρχον τοῦτον ἔλεγον καὶ ὅποι τῆς πόλεως οἰκεῖ καὶ ὅτι ἀργύριον ἱκανὸν ἔχει καὶ ὅτι μίαν θεράπαιναν τρέφει καὶ τὴν αὑτοῦ γαμετὴν μόνας· ἔστι γὰρ φιλαργυρώτατος δεινῶς. ἐπεὶ δὲ πλησίον τῆς πόλεως ἐγεγόνειμεν, κῆπός τις ἦν καὶ ἔνδον οἰκίδιον ἀνεκτόν, ἔνθα ὁ Ἵππαρχος ᾤκει. 2 Oἱ μὲν οὖν ἀσπασάμενοί με ᾤχοντο, ἐγὼ δὲ κόπτω προσελθὼν τὴν θύραν, καὶ μόλις μὲν καὶ βραδέως, ὑπήκουσε δ’ οὖν γυνή, εἶτα καὶ προῆλθεν. ἐγὼ μὲν ἠρόμην, εἰ ἔνδον εἴη Ἵππαρχος “Ἔνδον,” ἔφη “σὺ δὲ τίς ἢ τί βουλόμενος πυνθάνῃ;” “Γράμματα ἥκω κομίζων αὐτῷ παρὰ Δεκριανοῦ τοῦ Πατρέως σοφιστοῦ.” “Μεῖνόν με” ἔφη “αὐτοῦ”, καὶ τὴν θύραν συγκλείσασα ᾤχετο εἴσω πάλιν· καί ποτε ἐξελθοῦσα κελεύει ἡμᾶς εἰσελθεῖν. κἀγὼ δὲ παρελθὼν εἴσω ἀσπάζομαι αὐτὸν καὶ τὰ γράμματα ἐπέδωκα. ἔτυχεν δὲ ἐν ἀρχῇ δείπνου ὢν καὶ κατέκειτο ἐπὶ κλινιδίου στενοῦ, γυνὴ δὲ αὐτοῦ καθῆστο πλησίον, καὶ τράπεζα μηδὲν ἔχουσα παρέκειτο. ὁ δὲ ἐπειδὴ τοῖς γράμμασιν ἐνέτυχεν, “ἀλλ’ ὁ μὲν φίλτατος ἐμοὶ” ἔφη “καὶ τῶν Ἑλλήνων

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(Ps.?-)Lukian, Lukios oder der Esel 1 Einst machte ich mich auf den Weg nach Thessalien. Ich hatte dort für meinen Vater ein Geschäft mit einem Einheimischen zu erledigen. Ein Pferd trug mich und mein Gepäck und ein einziger Diener folgte mir. Ich reiste nun auf der geplanten Route. Zufällig waren auch andere Leute gerade auf dem Weg nach Hypata, einer Stadt in Thessalien, die von dort stammten. Wir teilten Salz, legten so jenen beschwerlichen Weg gut zurück und waren schon nahe der Stadt und ich fragte die Thessalier, ob sie denn einen Mann namens Hipparchos in Hypata kennen würden. Ich hatte für ihn einen Brief von zuhause dabei, um bei ihm wohnen zu können. Sie sagten, sie würden diesen Hipparchos kennen und wüssten, wo er in der Stadt wohne, dass er Geld genug besitze, aber nur eine einzige Dienerin im Haus halte – und seine Gattin. Denn er sei ganz furchtbar geizig. Als wir in der Nähe der Stadt angekommen waren, war da ein Garten und in ihm ein passables Häuschen, in dem Hipparchos wohnte. 2 Die Leute verabschiedeten sich nun von mir und gingen weg, ich aber trat vor die Tür und klopfte an. Endlich, nach geraumer Zeit, antwortete nun eine Frau und trat dann sogar aus dem Haus. Ich fragte sie, ob Hipparchos drinnen sei. »Ja«, sagte sie, »aber wer bist du oder mit welchem Begehren erkundigst du dich?« »Ich komme mit einem Brief für ihn von Dekrianos, dem Sophisten aus Patrai.« »Warte hier auf mich«, sagte sie, schloss die Tür und ging wieder hinein. Als sie endlich wieder herauskam, forderte sie uns auf hineinzukommen. Ich ging hinein, begrüßte ihn und gab ihm den Brief. Er war gerade am Beginn des Abendessens und lag auf einer engen Liege, seine Frau saß in der Nähe, und ein Tisch, der nichts bot, stand daneben. Als er den Brief gelesen hatte, sagte er: »Der mir liebste und unter den Griechen herausragendste Dekria-

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ἐξοχώτατος Δεκριανὸς εὖ ποιεῖ καὶ θαρρῶν πέμπει παρ’ ἐμοὶ τοὺς ἑταίρους τοὺς ἑαυτοῦ· τὸ δὲ οἰκίδιον τὸ ἐμὸν ὁρᾷς, ὦ Λούκιε, ὡς ἔστι μικρὸν μέν, ἀλλὰ εὔγνωμον τὸν οἰκοῦντα ἐνεγκεῖν· ποιήσεις δὲ αὐτὸ σὺ μεγάλην οἰκίαν ἀνεξικάκως οἰκήσας.” καὶ καλεῖ τὴν παιδίσκην· “ὦ Παλαίστρα, δὸς τὸν ἑταῖρον κοιτῶνα καὶ θὲς λαβοῦσα εἴ τι κομίζει σκεῦος, εἶτα πέμπε αὐτὸν εἰς βαλανεῖον· οὐχὶ μετρίαν ἐλήλυθεν ὁδόν.” 3 Ταῦτα εἰπόντα τὸ παιδισκάριον ἡ Παλαίστρα ἄγει με καὶ δείκνυσί μοι κάλλιστον οἰκημάτιον· καὶ “σὺ μὲν” ἔφη “ἐπὶ ταύτης τῆς κλίνης κοιμήσῃ, τῷ δὲ παιδί σου σκιμπόδιον αὐτοῦ παραθήσω καὶ προσκεφάλαιον ἐπιθήσω.” Ταῦτα εἰπούσης ἡμεῖς ἀπῄειμεν λουσόμενοι δόντες αὐτῇ κριθιδίων τιμὴν εἰς τὸν ἵππον· ἡ δὲ πάντα ἔφερεν λαβοῦσα εἴσω καὶ κατέθηκεν. ἡμεῖς δὲ λουσάμενοι ἀναστρέψαντες εἴσω εὐθὺς παρήλθομεν, καὶ ὁ Ἵππαρχός με δεξιωσάμενος ἐκέλευεν συνανακλίνεσθαι μετ’ αὐτοῦ. τὸ δὲ δεῖπνον οὐ σφόδρα λιτόν· ὁ δὲ οἶνος ἡδὺς καὶ παλαιὸς ἦν. ἐπεὶ δὲ ἐδεδειπνήκειμεν, πότος ἦν καὶ λόγος οἷος ἐπὶ δείπνου ξένου, καὶ οὕτω τὴν ἑσπέραν ἐκείνην πότῳ δόντες ἐκοιμήθημεν. τῇ δ’ ὑστεραίᾳ ὁ Ἵππαρχος ἤρετό με, τίς μὲν ἔσται ἡ νῦν μοι ὁδὸς καὶ εἰ πάσαις ταῖς ἡμέραις αὐτοῦ προσμενῶ. “ἄπειμι μὲν” ἔφην “εἰς Λάρισσαν, ἔοικα δὲ ἐνθάδε διατρίψειν τριῶν ἢ πέντε ἡμερῶν.” 4 Ἀλλὰ τοῦτο μὲν ἦν σκῆψις. ἐπεθύμουν δὲ σφόδρα μείνας ἐνταῦθα ἐξευρεῖν τινα τῶν μαγεύειν ἐπισταμένων γυναικῶν καὶ θεάσασθαί τι παράδοξον, ἢ πετόμενον ἄνθρωπον ἢ λιθούμενον. καὶ τῷ ἔρωτι τῆς θέας ταύτης δοὺς ἐμαυτὸν περιῄειν τὴν πόλιν, ἀπορῶν μὲν τῆς ἀρχῆς τοῦ ζητήματος, ὅμως δὲ περιῄειν· κἀν τούτῳ γυναῖκα ὁρῶ προσιοῦσαν ἔτι

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nos macht es richtig und schickt voller Vertrauen seine eigenen Freunde zu mir. Du siehst, Lukios, mein Häuschen ist zwar klein, aber wohlwollend bereit, den, der darin wohnt, aufzunehmen. Du aber wirst es zu einem großen Haus machen, wenn du ein anspruchsloser Bewohner bist.« Und er rief seine junge Sklavin: »Palaistra, gib ihm das Schlafzimmer nebenan, und wenn er Gepäck dabeihat, nimm es und stelle es dort ab, dann begleite ihn ins Bad; er hat nämlich einen weiten Weg zurückgelegt.« 3 Als er dies gesagt hatte, nahm mich die junge Sklavin Palaistra mit, zeigte mir ein sehr schönes kleines Zimmer und sagte: »Du wirst auf diesem Bett schlafen, deinem Diener werde ich hier eine kleine Liege danebenstellen und ein Kopfkissen darauflegen.« Als sie das gesagt hatte, verließen wir das Zimmer, um uns zu waschen, nachdem wir ihr Geld für Gerste für das Pferd gegeben hatten. Sie nahm alles, trug es hinein und stellte es ab. Wir wuschen uns, kehrten zurück und gingen gleich hinein. Hipparchos nahm mich bei der rechten Hand und forderte mich auf, mich mit ihm zu Tisch zu legen. Das Essen war gar nicht so schlicht. Der Wein war süß und alt. Als wir gegessen hatten, wurde getrunken und geredet, wie es bei der Bewirtung eines Gastes üblich ist, und nachdem wir uns so an jenem Abend dem Trinken gewidmet hatten, gingen wir schlafen. Am nächsten Tag fragte mich Hipparchos, wohin mich mein heutiger Weg führen und ob ich an allen Tagen hierbleiben würde. »Ich will mich zwar«, sagte ich, »auf den Weg nach Larissa machen, werde aber hier, wie es aussieht, drei oder vier Tage bleiben. « 4 Das war aber nur eine Ausrede. Ich wollte unbedingt hierbleiben, eine der Frauen, die sich auf Zauberei verstehen, finden und etwas Unglaubliches sehen, entweder einen fliegenden Menschen oder einen versteinerten. Und ich gab mich meinem Verlangen, etwas Derartiges zu sehen, hin und ging in der Stadt herum, ohne zu wissen, wie ich mit der Suche danach anfangen sollte – ging aber dennoch herum. Und dabei sah ich eine Frau auf mich zugehen,

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νέαν, εὐπορουμένην, ὅσον ἦν ἐκ τῆς ὁδοῦ συμβαλεῖν· ἱμάτια γὰρ ἀνθινὰ καὶ παῖδες συχνοὶ καὶ χρυσίον περιττόν. ὡς δὲ πλησιαίτερον γίνομαι, προσαγορεύει με ἡ γυνή, καὶ ἀμείβομαι αὐτῇ ὁμοίως, καὶ φησίν· “ἐγὼ Ἄβροιά εἰμι, εἴ τινα τῆς σῆς μητρὸς φίλην ἀκούεις, καὶ ὑμᾶς δὲ τοὺς ἐξ ἐκείνης γενομένους φιλῶ ὥσπερ οὓς ἔτεκον αὐτή· τί οὖν οὐχὶ παρ’ ἐμοὶ καταλύσεις, ὦ τέκνον;” “Ἀλλὰ σοὶ μὲν” ἔφην “πολλὴ χάρις, αἰδοῦμαι δὲ οὐδὲν ἀνδρὶ φίλῳ ἐγκαλῶν ἔπειτα φεύγων τὴν ἐκείνου οἰκίαν· ἀλλὰ τῇ γνώμῃ, φιλτάτη, κατάγομαι παρὰ σοί.” “Ποῖ δὲ” ἔφη “καὶ κατάγῃ;” “Παρὰ Ἱππάρχῳ.” “Τῷ φιλαργύρῳ;” ἔφη. “Μηδαμῶς,” εἶπον “ὦ μῆτερ, τοῦτο εἴπῃς. λαμπρὸς γὰρ καὶ πολυτελὴς γέγονεν εἰς ἐμέ, ὥστε καὶ ἐγκαλέσαι ἄν τις τῇ τρυφῇ.” Ἡ δὲ μειδιάσασα καί με τῆς χειρὸς λαβομένη ἄγει ἀπωτέρω καὶ λέγει πρὸς ἐμέ· “φυλάττου μοι” ἔφη “τὴν Ἱππάρχου γυναῖκα πάσῃ μηχανῇ· μάγος γάρ ἐστι δεινὴ καὶ μάχλος καὶ πᾶσι τοῖς νέοις ἐπιβάλλει τὸν ὀφθαλμόν· καὶ εἰ μή τις ὑπακούσει αὐτῇ, τοῦτον τῇ τέχνῃ ἀμύνεται, καὶ πολλοὺς μετεμόρφωσεν εἰς ζῷα, τοὺς δὲ τέλεον ἀπώλεσε· σὺ δὲ καὶ νέος εἶ, τέκνον, καὶ καλός, ὥστε εὐθὺς ἀρέσαι γυναικί, καὶ ξένος, πρᾶγμα εὐκαταφρόνητον.” 5 Ἐγὼ δὲ πυθόμενος, ὅτι τὸ πάλαι μοι ζητούμενον οἴκοι παρ’ ἐμοὶ κάθηται, προσεῖχον αὐτῇ οὐδὲν ἔτι. ὡς δέ ποτε ἀφείθην, ἀπῄειν οἴκαδε λαλῶν πρὸς ἐμαυτὸν ἐν τῇ ὁδῷ· “ἄγε δὴ σὺ ὁ φάσκων ἐπιθυμεῖν ταύτης τῆς παραδόξου θέας, ἔγειρέ μοι σεαυτὸν καὶ τέχνην εὕρισκε σοφήν, ᾗ

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eine noch junge, gut situierte, soweit das von der Straße aus zu erschließen war. Denn sie hatte ein prächtiges Kleid, zahlreiche Sklaven und außergewöhnlich viel Goldschmuck. Als ich näherkam, grüßte mich die Frau, ich antworte ihr in gleicher Weise und sie sagte: »Ich bin Abroia, eine Freundin deiner Mutter, falls du von mir gehört hast, und ich liebe euch, die sie zur Welt gebracht hat, wie die, die ich selbst gebar. Warum also willst du nicht bei mir wohnen, mein Kind?« »Da danke ich dir sehr«, sagte ich, »ich schäme mich aber, würde ich, ohne dem lieben Mann etwas vorzuwerfen zu haben, dennoch sein Haus verlassen. Aber in meinen Gedanken, meine Liebste, wohne ich bei dir.« »Wo«, sagte sie, »wohnst du denn?« »Bei Hipparchos.« »Dem Geizhals?«, sagte sie. »Sag das nicht, Mutter«, sagte ich, »prächtig und großzügig hat er sich mir gegenüber gezeigt, so dass man ihm sogar einen Vorwurf wegen des Luxus machen könnte.« Sie lächelte, ergriff mich bei der Hand, führte mich weiter weg und sagte zu mir: »Hüte du dich mir«, sagte sie, »vor der Frau des Hipparchos auf jede erdenkliche Weise! Denn eine furchtbare Zauberin ist sie und mannstoll und wirft auf alle jungen Männer ein Auge. Und wenn einer ihr nicht zu Willen ist, rächt sie sich an ihm mit ihrer Kunst, und viele hat sie schon in Tiere verwandelt, andere gänzlich zugrunde gerichtet. Du bist sowohl jung, mein Kind, als auch schön, so dass du gleich einer Frau gefallen kannst, und bist ein Fremder, etwas leicht zu Verachtendes.« 5 Nachdem ich erfahren hatte, dass das, was ich schon lange suchte, zuhause neben mir saß, schenkte ich ihr überhaupt keine Aufmerksamkeit mehr. Als ich dann endlich von ihr entlassen wurde, ging ich nach Hause und redete unterwegs zu mir selbst: »Auf mit dir, der du immer sagst, du seist versessen auf dieses unglaubliche Spektakel! Reiß dich zusammen und finde einen klugen Trick,

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τεύξῃ τούτων, ὧν ἐρᾷς, καὶ ἐπὶ τὴν θεράπαιναν τὴν Παλαίστραν ἤδη ἀποδύου – τῆς γὰρ γυναικὸς τοῦ ξένου καὶ φίλου πόρρω ἵστασο – κἀπὶ ταύτης κυλιόμενος καὶ γυμναζόμενος καὶ ταύτῃ συμπλεκόμενος εὖ ἴσθι, ὡς ῥᾳδίως γνώσῃ· δοῦλοι γὰρ ἐπίστανται καὶ καλὰ καὶ αἰσχρά.” Καὶ ταῦτα λέγων πρὸς ἐμαυτὸν εἰσῄειν οἴκαδε. τὸν μὲν οὖν Ἵππαρχον οὐ κατέλαβον ἐν τῇ οἰκίᾳ οὐδὲ τὴν ἐκείνου γυναῖκα, ἡ δὲ Παλαίστρα τῇ ἑστίᾳ παρήδρευεν δεῖπνον ἡμῖν εὐτρεπίζουσα. 6 κἀγὼ εὐθὺς ἔνθεν ἑλὼν “ὡς εὐρύθμως,” ἔφην “ὦ καλὴ Παλαίστρα, τὴν πυγὴν τῇ χύτρᾳ ὁμοῦ συμπεριφέρεις καὶ κλίνεις. ἡ δὲ ὀσφὺς ἡμῖν ὑγρῶς ἐπικινεῖται. μακάριος ὅστις ἐνταῦθα ἐνεβάψατο.” Ἡ δέ – σφόδρα γὰρ ἦν ἰταμὸν καὶ χαρίτων μεστὸν τὸ κοράσιον – “φεύγοις ἄν,” εἶπεν, “ὦ νεανίσκε, εἴ γε νοῦν ἔχοις καὶ ζῆν ἐθέλοις, ὡς πολλοῦ πυρὸς καὶ κνίσης μεστά· ἢν γὰρ αὐτοῦ μόνον ἅψῃ, τραῦμα ἔχων πυρίκαυτον αὐτοῦ μοι παρεδρεύοις, θεραπεύσει δέ σε οὐδεὶς ἀλλ’ οὐδὲ θεὸς ἰατρός, ἀλλ’ 〈ἡ〉 κατακαύσασά σε μόνη ἐγώ, καὶ τὸ παραδοξότατον, ἐγὼ μέν σε ποιήσω πλέον ποθεῖν, καὶ τῆς ἀπὸ τῆς θεραπείας ὀδύνης ἀρδόμενος ἀεὶ ἀνέξῃ καὶ οὐδὲ λίθοις βαλλόμενος τὴν γλυκεῖαν ὀδύνην φεύξῃ. τί γελᾷς; ἀκριβῆ βλέπεις ἀνθρωπομάγειρον. οὐ γὰρ μόνα ταῦτα φαῦλα ἐδώδιμα σκευάζω, ἀλλ’ ἤδη τὸ μέγα τοῦτο καὶ καλόν, τὸν ἄνθρωπον, οἶδα ἔγωγε καὶ σφάττειν καὶ δέρειν καὶ κατακόπτειν, ἥδιστα δὲ τῶν σπλάγχνων αὐτῶν καὶ τῆς καρδίας ἅπτομαι.” “Τοῦτο μὲν ὀρθῶς” ἔφην “λέγεις· καὶ γὰρ ἐμὲ πόρρωθεν καὶ μηδὲ ἐγγὺς ὄντα οὐ κατακαύματι, μὰ Δί’, ἀλλὰ ὅλῳ ἐμπρησμῷ ἐπέθηκας, καὶ διὰ τῶν ὀμμάτων τῶν ἐμῶν τὸ σὸν μὴ φαινόμενον πῦρ κάτω ἐς τὰ

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mit dem du dir das verschaffen wirst, wonach du verlangst. Und zieh dich schleunigst für die Palaistra, die Dienerin, aus – denn von der Frau des Gastgebers und Freundes halt dich fern –, und wisse gut, dass du, wenn du dich auf der Palaistra wälzt, nackt mit ihr trainierst und sie umschlingst, es leicht erfahren wirst. Denn Sklaven wissen sowohl von den guten wie den schlimmen Dingen.« Während ich dies zu mir sagte, ging ich ins Haus hinein. Hipparchos traf ich zwar nicht im Haus an und auch nicht seine Frau, Palaistra aber saß am Herd und bereitete für uns das Abendessen. 6 Und ich, sogleich dort ansetzend, sagte: »Wie gewandt, schöne Palaistra, du deinen Po zusammen mit dem Kochtopf herumträgst und neigst. Und wie geschmeidig bewegt sich dazu vor meinen Augen deine Taille. Glücklich, wer da eintauchen durfte.« Sie aber – sie war nämlich ein sehr kesses junges Mädchen und voller Charme – sagte: »Flieh lieber, junger Mann, wenigstens wenn du Verstand hast und leben willst, da sie voll von viel Feuer und Dampf sind. Denn wenn du da auch nur hinlangst, wirst du wohl mit einer Brandwunde da neben mir sitzen, heilen aber wird wohl dich keiner, nicht einmal der Arztgott selbst, sondern nur ich, die ich dich verbrannt habe, und das Unglaublichste ist: Ich werde machen, dass du noch mehr Verlangen spürst, und du wirst es immer ertragen, wenn dein Durst vom Schmerz meiner Behandlung gestillt wird, und nicht einmal wenn du mit Steinen beworfen wirst, wirst du von dem süßen Schmerz loskommen. Was lachst du? Einen richtigen Menschenkoch siehst du vor dir. Ich bereite nämlich nicht nur einfache Speisen wie jene zu, sondern schon diese große und schöne, den Menschen. Ich jedenfalls verstehe mich darauf, ihn zu schlachten, zu häuten und zu zerschneiden, am liebsten aber greife ich nach seinen Eingeweiden selbst und seinem Herzen.« »Was du sagst, ist richtig«, sagte ich. Denn auch mir hast du aus der Ferne, als ich gar nicht nahe war, nicht nur eine Brandwunde zugefügt, beim Zeus, sondern hast mich mit einer ganzen Feuersbrunst getroffen, und indem du durch meine Augen dein unsicht-

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σπλάγχνα τἀμὰ ῥίψασα φρύγεις καὶ ταῦτα οὐδὲν ἀδικοῦντα· ὥστε, πρὸς θεῶν, ἴασαί με ταύταις αἷς λέγεις αὐτὴ ταῖς πικραῖς καὶ ἡδείαις θεραπείαις, καί με ἤδη ἀπεσφαγμένον λαβοῦσα δεῖρε, ὅπως αὐτὴ θέλεις.” ἡ δὲ μέγα καὶ ἥδιστον ἐκ τούτου ἀνακαγχάσασα ἐμὴ τὸ λοιπὸν ἦν, καὶ συνέκειτο ἡμῖν, ὅπως, ἐπειδὰν κατακοιμίσῃ τοὺς δεσπότας, ἔλθῃ εἴσω παρ’ ἐμὲ καὶ καθευδήσῃ. 7 Κἀπειδὴ ἀφίκετό ποτε ὁ Ἵππαρχος, λουσάμενοι ἐδειπνοῦμεν καὶ πότος ἦν συχνὸς ἡμῶν ὁμιλούντων· εἶτα τοῦ ὕπνου καταψευσάμενος ἀνίσταμαι καὶ ἔργῳ ἀπῄειν, ἔνθα ᾤκουν. πάντα δὲ τὰ ἔνδον εὖ παρεσκεύαστο· τῷ μὲν παιδὶ ἔξω ὑπέστρωτο, τράπεζα δὲ τῇ κλίνῃ παρειστήκει ποτήριον ἔχουσα· καὶ οἶνος αὐτοῦ παρέκειτο καὶ ὕδωρ ἕτοιμον καὶ ψυχρὸν καὶ θερμόν. πᾶσα δὲ ἦν αὕτη τῆς Παλαίστρας παρασκευή. τῶν δὲ στρωμάτων ῥόδα πολλὰ κατεπέπαστο, τὰ μὲν οὕτω γυμνὰ καθ’ αὑτά, τὰ δὲ λελυμένα, τὰ δὲ στεφάνοις συμπεπλεγμένα. κἀγὼ τὸ συμπόσιον εὑρὼν ἕτοιμον ἔμενον τὸν συμπότην. 8 ἡ δὲ ἐπειδὴ κατέκλινε τὴν δέσποιναν, σπουδῇ παρ’ ἐμὲ ἧκε, καὶ ἦν εὐφροσύνη τὸν οἶνον ἡμῶν καὶ τὰ φιλήματα προπινόντων ἀλλήλοις. ὡς δὲ τῷ ποτῷ παρεσκευάσαμεν ἑαυτοὺς εὖ πρὸς τὴν νύκτα, λέγει πρός με ἡ Παλαίστρα· “τοῦτο μὲν πάντως δεῖ σε μνημονεύειν, ὦ νεανίσκε, ὅτι εἰς Παλαίστραν ἐμπέπτωκας, καὶ χρή σε νῦν ἐπιδεῖξαι, εἰ γέγονας ἐν τοῖς ἐφήβοις γοργὸς καὶ παλαίσματα πολλὰ ἔμαθές ποτε.” “Ἀλλ’ οὐκ ἂν ἴδοις φεύγοντά με τὸν ἔλεγχον τοῦτον· ὥστε ἀπόδυσαι, καὶ ἤδη παλαίωμεν.” Ἡ δὲ “οὕτως,” ἔφη, “ὡς ἐγὼ θέλω, παράσχου μοι τὴν ἐπίδειξιν· ἐγὼ μὲν νόμῳ διδασκάλου καὶ ἐπιστάτου τὰ ὀνόματα τῶν παλαισμάτων, ὧν ἐθέλω, εὑροῦσα ἐρῶ, σὺ δὲ ἕτοιμος γίνου ἐς τὸ ὑπακούειν καὶ ποιεῖν πᾶν τὸ κελευόμενον.”

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bares Feuer in meine Eingeweide geworfen hast, röstet du noch dazu einen, der kein Unrecht tut. Daher, bei den Göttern, heile mich mit diesen bitteren und süßen Behandlungsmethoden, von denen du selbst sprichst, nimm mich, da ich schon geschlachtet bin, und zieh mir die Haut ab, ganz wie du es willst.« Sie aber lachte daraufhin laut und sehr lieblich auf und gehörte künftig mir. Wir vereinbarten, dass sie, sobald sie die Herrschaften zu Bett gebracht habe, ins Zimmer zu mir kommen und mit mir schlafen solle. 7 Als Hipparchos endlich angekommen war, nahmen wir ein Bad, dann speisten wir und es wurde ununterbrochen getrunken, während wir uns unterhielten. Dann gab ich vor, ich wolle schlafen gehen, stand auf und ging dann tatsächlich dorthin, wo ich logierte. Drinnen war alles gut hergerichtet, für meinen Sklaven aber war draußen ein Lager hingebreitet. Ein Tisch mit einem Becher stand neben meinem Bett. Und Wein war dort bereitgestellt und Wasser, sowohl kaltes als auch warmes. Diese ganze Vorbereitung stammte von Palaistra. Auf die Decken waren viele Rosen gestreut, die einen so einzeln für sich, die anderen in Blütenblätter zerpflückt, wieder andere in Kränzen verflochten. Ich fand das Gelage vorbereitet und wartete nun auf meinen Zechgenossen. 8 Als sie ihre Herrin zu Bett gebracht hatte, kam sie eilends zu mir, wir vergnügten uns und tranken einander mit Wein und Küssen zu. Als wir uns mit dem Trinken gut auf die Nacht vorbereitet hatten, sagte Palaistra zu mir: »Dessen musst du dir ganz und gar bewusst sein, junger Mann, dass du an eine Palaistra geraten bist, und jetzt musst du unter Beweis stellen, ob du in deinen jungen Jahren feurig bist und schon viele Ringertricks gelernt hast.« »Du wirst mich sicher nicht vor diesem Nachweis davonlaufen sehen! Daher zieh dich aus und lass uns endlich ringen!« Sie sagte: »So wie ich es will, liefere mir den Beweis! Ich werde wie ein Lehrer und Trainer die Namen der Ringertricks, die ich will, ausfindig machen und sagen, du aber bereite dich vor, zu gehorchen und alles, was befohlen wird, zu machen!«

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“Ἀλλ’ ἐπίταττε” ἔφην “καὶ σκόπει, ὅπως εὐχερῶς καὶ ὑγρῶς τὰ παλαίσματα καὶ εὐτόνως ἔσται.” 9 Ἡ δὲ ἀποδυσαμένη τὴν ἐσθῆτα καὶ στᾶσα ὅλη γυμνὴ ἔνθεν ἤρξατο ἐπιτάττειν· “ὦ μειράκιον, ἔκδυσαι καὶ ἀλειψάμενος ἔνθεν ἐκ τοῦ μύρου συμπλέκου τῷ ἀνταγωνιστῇ· δύο μηρῶν σπάσας κλῖνον ὑπτίαν, ἔπειτα ἀνώτερος ὑποβαλὼν διὰ μηρῶν καὶ διαστείλας αἰώρει καὶ τεῖνε ἄνω τὰ σκέλη, καὶ χαλάσας καὶ στήσας κολλῶ αὐτῷ καὶ παρεισελθὼν βάλε καὶ πρώσας νύσσε ἤδη πανταχοῦ ἕως πονέσῃ, καὶ ἡ ὀσφὺς ἰσχυέτω, εἶτα ἐξελκύσας κατὰ πλάτος διὰ βουβῶνος δῆξον, καὶ πάλιν συνώθει εἰς τὸν τοῖχον, εἶτα τύπτε· ἐπειδὰν δὲ χάλασμα ἴδῃς, τότ’ ἤδη ἐπιβὰς ἅμμα κατ’ ἰξύος δήσας σύνεχε, καὶ πειρῶ μὴ σπεύδειν, ἀλλ’ ὀλίγον διακαρτερήσας σύντρεχε. ἤδη ἀπολέλυσαι.” 10 Κἀγὼ ἐπειδὴ ῥᾳδίως πάντα ὑπήκουσα καὶ εἰς τέλος ἡμῖν ἔληξε τὰ παλαίσματα, λέγω πρὸς τὴν Παλαίστραν ἅμα ἐπιγελάσας· “ὦ διδάσκαλε, ὁρᾷς μὲν ὅπως εὐχερῶς καὶ εὐηκόως πεπάλαισταί μοι, σκόπει δέ, μὴ οὐκ ἐν κόσμῳ τὰ παλαίσματα ὑποβάλλεις· ἄλλα γὰρ ἐξ ἄλλων ἐπιτάττεις.” Ἡ δὲ ἐπὶ κόρρης πλήξασά με “ὦς φλύαρον” ἔφη “παρέλαβον τὸν μαθητήν. σκόπει οὖν μὴ πληγὰς ἔτι πλείω λάβῃς ἄλλα καὶ οὐ τὰ ἐπιταττόμενα παλαίων.” Καὶ ταῦτα εἰποῦσα ἐπανίσταται καὶ θεραπεύσασα ἑαυτήν “νῦν” ἔφη, “δείξεις, εἴπερ νέος εἶ καὶ εὔτονος παλαιστὴς καὶ εἰ ἐπίστασαι παλαίειν καὶ ποιεῖν τὰ ἀπὸ γονατίου.” Καὶ πεσοῦσα ἐπὶ τοῦ λέχους ἐς γόνυ· “ἄγε δὴ σὺ ὁ παλαιστής, ἔχεις

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»Gut, befiehl nur«, sagte ich, »und sieh, wie geschickt und geschmeidig meine Kunstgriffe vonstattengehen werden und wie kräftig.« 9 Sie aber begann, nachdem sie ihr Kleid ausgezogen und sich ganz nackt hingestellt hatte, von nun an Kommandos zu geben: »Junge, zieh dich aus, reib dich dann mit Myrrhenöl ein und umklammere deinen Gegner! Zieh an meinen zwei Oberschenkeln und leg mich flach, dann von oben zwischen die Schenkel, greif sie von unten, zieh sie auseinander, heb sie an und streck meine Beine nach oben, dann lockere die Spannung und halte sie ruhig. Dann verbinde dich mit einem Gegner, dring ein und triff ins Ziel, mach einen Vorstoß, stich jetzt überall zu, bis es ihm wehtut, und dein Unterleib soll seine Stärke zeigen, dann zieh heraus und beiß in der Breite an den Genitalien, und dann ramme wieder gegen die Mauer und stoß zu. Wenn du aber siehst, dass seine Spannung nachlässt, dann steig auf den Gegner, umklammere ihn an der Hüfte und halte ihn fest und versuche, nicht zu schnell zu sein, sondern halte noch ein wenig durch und pass das Tempo an. Und schon bist du entlassen.« 10 Als ich alles leicht befolgt und unser Ringen sein Ziel und Ende gefunden hatte, sagte ich zu Palaistra lachend: »Lehrerin, du siehst, wie geschickt und folgsam von mir gerungen wurde, pass aber auf, dass du die Ringergriffe nicht in der falschen Ordnung vorgibst. Denn du befiehlst sie nicht in der richtigen Reihenfolge.« Sie aber gab mir eine Ohrfeige und sagte: »Was für einen vorlauten Schüler habe ich da übernommen! Pass nur auf, dass du nicht noch mehr Schläge bekommst, wenn du andere als die befohlenen Ringergriffe ansetzt.« Als sie das gesagt hatte, trat sie wieder zum Kampf an, richtete sich her und sagte: »Jetzt wirst du zeigen, ob du ein junger, strammer Ringer bist und ob du Ringkampf auch auf Knien durchzuführen verstehst.« Und sie fiel auf dem Bett auf die Knie: »Jetzt los, du Ringer, du hältst meine Hüften fest umklammert, dann schwing deinen Speer,

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τὰ μέσα, ὥστε τινάξας ὀξεῖαν ἐπίπρωσον καὶ βάθυνον. ψιλὸν ὁρᾷς αὐτοῦ παρακείμενον, τούτῳ χρῆσαι· πρῶτον δὲ κατὰ λόγον, ὡς ἅμμα σφίγγε, εἶτα ἀνακλάσας ἔμβαλε καὶ σύνεχε καὶ μὴ δίδου διάστημα. ἐὰν δὲ χαλᾶται, θᾶττον ἐπάρας ἀνώτερον μετάθες καὶ κρούσας κύψον καὶ σκόπει, ὅπως μὴ ἀνασπάσῃς θᾶττον ἢ κελευσθῇς, ἀλλὰ δὴ κυρτώσας πολὺ αὐτὸν ὕφελε, καὶ ὑποβαλὼν κάτω αὖθις τὴν παρεμβολὴν σύνεχε καὶ κινοῦ, εἶτα ἄφες αὐτόν· πέπτωκε γὰρ καὶ λέλυται καὶ ὕδωρ ὅλος ἔστι σοι ὁ ἀνταγωνιστής.” Ἐγὼ δὲ ἤδη μέγα ἀναγελῶν “ἐθέλω” ἔφην “καὶ αὐτός, ὦ διδάσκαλε, παλαίσματα ὀλίγ’ ἄττα ἐπιτάξαι, σὺ δὲ ὑπάκουσον ἐπαναστᾶσα καὶ κάθισον, εἶτα δοῦσα κατὰ χειρὸς παράκυψαι τὸ λοιπὸν καὶ καταμάττου, καί με πρὸς τοῦ Ἡρακλέους περιλαβοῦσα ἤδη κίνησον.” 11 Ἐν τοιαύταις ἡδοναῖς καὶ παιδιαῖς παλαισμάτων ἀγωνιζόμενοι νυκτερινοὺς ἀγῶνας ἐστεφανούμεθα, καὶ ἦν πολλὴ μὲν ἐν τούτῳ τρυφή· ὥστε τῆς εἰς τὴν Λάρισσαν ὁδοῦ παντάπασιν ἐπιλελήσμην. καί ποτε ἐπὶ νοῦν μοι ἦλθε τὸ μαθεῖν, ὧν ἕνεκα ἤθλουν, καὶ φημὶ πρὸς αὐτήν· “ὦ φιλτάτη, δεῖξόν μοι μαγγανεύουσαν ἢ μεταμορφουμένην τὴν δέσποιναν· πάλαι γὰρ τῆς παραδόξου ταύτης θέας ἐπιθυμῶ. μᾶλλον 〈δ’〉 εἴ τι σὺ οἶδας, αὐτὴ μαγγάνευσον, ὥστε φανῆναί μοι ἄλλην ἐξ ἄλλης ὄψιν. οἶμαι δὲ καὶ σὲ οὐκ ἀπείρως τῆσδε τῆς τέχνης ἔχειν· τοῦτο δὲ οὐ παρ’ ἑτέρου μαθών, ἀλλὰ παρὰ τῆς ἐμαυτοῦ ψυχῆς λαβὼν οἶδα, ἐπεί με τὸν πάλαι ἀδαμάντινον, ὡς ἔλεγον αἱ γυναῖκες, ἐς μηδεμίαν γυναῖκα τὰ ὄμματα ταῦτα ἐρωτικῶς ποτε ἐκτείναντα συλλαβοῦσα τῇ τέχνῃ ταύτῃ αἰχμάλωτον ἔχεις ἐρωτικῷ πολέμῳ ψυχαγωγοῦσα.”

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stoß zu und dring tief ein! Wenn du etwas an ihm schutzlos daliegen siehst, dann nütze dies! Als erstes gemäß der Regel mach einen engen Klammergriff, dann beuge ihn zurück, greif an, halt ihn fest, lass keinen Abstand. Wenn er schlaff wird, dann heb ihn recht schnell an, bring ihn in eine höhere Position, stoß zu und beug dich nach vorn und pass auf, dass du nicht schneller zurückziehst, als es dir befohlen wird, sondern beuge ihn stark nach vorne, zieh seine Beine von unten heraus, und setz unten wieder einen Griff an, halte dein Bein mit seinem verschlungen und bleib in Bewegung, dann lass ihn los. Denn gefallen, fertig und ganz Wasser ist dein Gegner.« Da lachte ich laut auf und sagte: »Ich will auch selbst, Lehrerin, einige wenige Griffe anordnen, du aber gehorche: Bring dich in Ausgangsposition und setz dich, dann sei zur Hand, bück dich für den Rest von der Seite drüber und wisch dich ab! Dann, beim Herakles, umfasse und bewege mich!« 11 Mit solchen Vergnügungen und Ringerspielen bestritten wir unsere nächtlichen Wettkämpfe und verdienten uns unseren Siegerlorbeer, und wir hatten viel Vergnügen dabei. Deshalb hatte ich meine Reise nach Larissa gänzlich vergessen. Irgendwann kam mir in den Sinn, das erfahren zu wollen, weshalb ich mich auf diese Art von Sport eingelassen hatte, und ich sagte zu ihr: »Liebste, zeig mir, wie deine Herrin zaubert oder sich verwandelt! Denn schon lange Zeit will ich unbedingt dieses unglaubliche Spektakel sehen. Noch besser aber: Wenn du etwas davon verstehst, zaubere selbst, so dass du mir in einer Gestalt nach der anderen erscheinst. Ich meine, dass auch du nicht unerfahren in dieser Kunst bist: Dies weiß ich – nicht weil ich es von einem anderen vernommen, sondern von meiner eigenen Seele erfahren habe, da du mich, den früher Stahlharten, wie die Frauen zu sagen pflegten, der keiner einzigen Frau je verliebte Blicke zugeworfen hatte, mit dieser deiner Kunst gefangen genommen hast und mich jetzt als Kriegsgefangenen hältst, da du im Liebeskrieg Macht über meine Seele gewonnen hast.«

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Ἡ δὲ Παλαίστρα “παῦσαί” φησι “προσπαίζων. τίς γὰρ ᾠδὴ δύναται μαγεῦσαι τὸν Ἔρωτα ὄντα τῆς τέχνης κύριον; ἐγὼ δέ, ὦ φίλτατε, τούτων μὲν οἶδα οὐδέν, μὰ τὴν κεφαλὴν τὴν σὴν καὶ τήνδε τὴν μακαρίαν εὐνήν· οὐδὲ γὰρ γράμματα ἔμαθον, καὶ ἡ δέσποινα βάσκανος οὖσα τυγχάνει εἰς τὴν αὑτῆς τέχνην· εἰ δέ μοι καιρὸς ἐπιτρέψει, πειράσομαι παρασχεῖν σοι τὸ ἰδεῖν μεταμορφουμένην τὴν κεκτημένην.” 12 Καὶ τότε μὲν ἐπὶ τούτοις ἐκοιμήθημεν. ἡμέραις δὲ ὕστερον οὐ πολλαῖς ἀγγέλλει πρός με ἡ Παλαίστρα, ὡς ἡ δέσποινα αὐτῆς μέλλοι ὄρνις γενομένη πέτεσθαι πρὸς τὸν ἐρώμενον. Κἀγώ “νῦν” ἔφην “ὁ καιρός, ὦ Παλαίστρα, τῆς εἰς ἐμὲ χάριτος, ᾗ νῦν ἔχεις τὸν σαυτῆς ἱκέτην ἀναπαῦσαι πολυχρονίου ἐπιθυμίας.” “Θάρρει!” ἔφη. Κἀπειδὴ ἑσπέρα ἦν, ἄγει με λαβοῦσα πρὸς τὴν θύραν τοῦ δωματίου, ἔνθα ἐκεῖνοι ἐκάθευδον, καὶ κελεύει με προσάγειν ὀπῇ τινι τῆς θύρας λεπτῇ καὶ σκοπεῖν τὰ γινόμενα ἔνδον. ὁρῶ οὖν τὴν μὲν γυναῖκα ἀποδυομένην. εἶτα γυμνὴ τῷ λύχνῳ προσελθοῦσα καὶ χόνδρους δύο λαβοῦσα τὸν μὲν λιβανωτὸν τῷ πυρὶ τοῦ λύχνου ἐπέθηκε καὶ στᾶσα πολλὰ τοῦ λύχνου κατελάλησεν· εἶτα κιβώτιον ἁδρὸν ἀνοίξασα, πάνυ πολλὰς ἔχον πυξίδας ἐν αὑτῷ, ἔνθεν ἀναιρεῖται καὶ προφέρει μίαν· ἡ δὲ εἶχεν ἐμβεβλημένον, ὅ τι μὲν οὐκ οἶδα, τῆς δὲ ὄψεως αὐτῆς ἕνεκα ἔλαιον αὐτὸ ἐδόκουν εἶναι. ἐκ τούτου λαβοῦσα χρίεται ὅλη, ἀπὸ τῶν ὀνύχων ἀρξαμένη τῶν κάτω, καὶ ἄφνω πτερὰ ἐκφύεται αὐτῇ, καὶ ἡ ῥὶν κερατίνη καὶ γρυπὴ ἐγένετο, καὶ τἆλλα δέ, ὅσα ὀρνίθων κτήματα καὶ σύμβολα πάντα εἶχε· καὶ ἦν ἄλλο οὐδὲν ἢ κόραξ νυκτερινός. ἐπεὶ δὲ εἶδεν ἑαυτὴν ἐπτερωμένην, κρώξασα δεινὸν καὶ οἷον ἐκεῖνο οἱ κόρακες, ἀναστᾶσα ᾤχετο πετομένη διὰ τῆς θυρίδος.

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Palaistra aber sagte: »Hör auf mit deinen Scherzen! Denn welcher Zauberspruch kann den Eros herbeizaubern, der doch Herr der Zauberkunst ist? Ich, mein Liebster, verstehe von diesen Dingen nichts – das schwöre ich bei deinem Kopf und diesem glückseligen Bett! Denn ich habe nicht einmal Buchstaben gelernt und meine Herrin ist gerade sehr bösartig, was ihre eigene Kunst betrifft. Wenn es mir aber ein günstiger Augenblick erlaubt, werde ich versuchen, dich zusehen zu lassen, wenn sich meine Herrin verwandelt.« 12 Und mit dieser Abmachung legten wir uns dann schlafen. Nicht viele Tage später meldete mir Palaistra, dass ihre Herrin zu einem Vogel werden und dann zu ihrem Geliebten fliegen wolle. Und ich sagte: »Jetzt ist der rechte Augenblick, Palaistra, mir den Gefallen zu tun, mit dem du jetzt die lang gehegte Begierde deines Bittstellers stillen kannst.« »Sei unbesorgt!«, sagte sie. Als dann Abend war, holte sie mich ab, führte mich zur Tür des Zimmers, in dem jene schliefen, und forderte mich auf, an ein kleines Loch in der Tür heranzutreten und zu beobachten, was drinnen geschah. Ich sah nun, wie sich die Frau auszog. Dann ging sie nackt zur Lampe und legte den Weihrauch, nachdem sie zwei Körner genommen hatte, in die Flamme der Lampe, stellte sich zur Lampe hin und sprach viel zu ihr. Dann öffnete sie eine große Truhe mit ganz vielen Büchsen darin, nahm von dort eine heraus und trug sie vor sich her. Was in die Büchse eingefüllt war, weiß ich zwar nicht, aber allein dem Aussehen nach schien es mir Öl zu sein. Von diesem nahm sie und salbte sich ganz ein, von den Zehennägeln beginnend, und plötzlich wuchsen ihr Flügel und ihre Nase wurde hörnern und krumm und sie hatte auch alles andere, was Vögel besitzen und woran sie zu erkennen sind. Und sie war nichts anderes als ein Nachtrabe. Als sie sah, dass sie geflügelt war, krächzte sie fürchterlich und genauso wie die Raben, erhob sich und flog durch das Fenster davon.

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13 Ἐγὼ δὲ ὄναρ ἐκεῖνο οἰόμενος ὁρᾶν τοῖς δακτύλοις τῶν ἑαυτοῦ βλεφάρων ἡπτόμην, οὐ πιστεύων τοῖς ἐμαυτοῦ ὀφθαλμοῖς, οὔθ’ ὅτι βλέπουσιν οὔθ’ ὅτι ἐγρηγόρασιν. ὡς δὲ μόλις καὶ βραδέως ἐπείσθην, ὅτι μὴ καθεύδω, ἐδεόμην τότε τῆς Παλαίστρας πτερῶσαι κἀμὲ καὶ χρίσασαν ἐξ ἐκείνου τοῦ φαρμάκου ἐᾶσαι πέτεσθαί με· ἠβουλόμην γὰρ πείρᾳ μαθεῖν, εἰ μεταμορφωθεὶς ἐκ τοῦ ἀνθρώπου καὶ τὴν ψυχὴν ὄρνις ἔσομαι. ἡ δὲ τὸ δωμάτιον ὑπανοίξασα κομίζει τὴν πυξίδα. ἐγὼ δὲ σπεύδων ἤδη ἀποδύσας χρίω ὅλον ἐμαυτόν, καὶ ὄρνις μὲν οὐ γίνομαι ὁ δυστυχής, ἀλλά μοι οὐρὰ ὄπιθεν ἐξῆλθεν, καὶ οἱ δάκτυλοι πάντες ᾤχοντο οὐκ οἶδ’ ὅποι· ὄνυχας δὲ τοὺς πάντας τέσσαρας εἶχον, καὶ τούτους οὐδὲν ἄλλο ἢ ὁπλάς, καί μοι αἱ χεῖρες καὶ οἱ πόδες κτήνους πόδες ἐγένοντο, καὶ τὰ ὦτα δὲ μακρὰ καὶ τὸ πρόσωπον μέγα. ἐπεὶ δὲ κύκλῳ περιεσκόπουν, αὑτὸν ἑώρων ὄνον, φωνὴν δὲ ἀνθρώπου ἐς τὸ μέμψασθαι τὴν Παλαίστραν οὐκέτι εἶχον. τὸ δὲ χεῖλος ἐκτείνας κάτω καὶ αὐτῷ δὴ τῷ σχήματι ὡς ὄνος ὑποβλέπων ᾐτιώμην αὐτήν, ὅση δύναμις, ὄνος ἀντὶ ὄρνιθος γενόμενος. 14 Ἡ δὲ ἀμφοτέραις ταῖς χερσὶν τυψαμένη τὸ πρόσωπον “τάλαινα” εἶπεν “ἐγώ, μέγα εἴργασμαι κακόν· σπεύσασα γὰρ ἥμαρτον ἐν τῇ ὁμοιότητι τῶν πυξίδων καὶ ἄλλην ἔλαβον οὐχὶ τὴν τὰ πτερὰ φύουσαν. ἀλλὰ θάρρει μοι, φίλτατε· ῥᾴων γὰρ ἡ τούτου θεραπεία· ῥόδα γὰρ μόνα εἰ φάγοις, ἀποδύσῃ μὲν αὐτίκα τὸ κτῆνος, τὸν δὲ ἐραστήν μοι τὸν ἐμὸν αὖθις ἀποδώσεις. ἀλλά μοι, φίλτατε, τὴν μίαν νύκτα ταύτην ὑπόμεινον ἐν τῷ ὄνῳ, ὄρθρου δὲ δραμοῦσα οἴσω σοι ῥόδα καὶ φαγὼν ἰαθήσῃ.” ταῦτα εἶπεν καταψήσασά μου τὰ ὦτα καὶ τὸ λοιπὸν δέρμα.

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13 Ich aber meinte dies im Traum zu sehen, berührte mit den Fingern meine Augenlider, da ich meinen eigenen Augen nicht traute, weder dass sie sähen noch dass sie wach seien. Als ich mich dann mit Mühe und langsam davon überzeugt hatte, dass ich nicht schlief, da bat ich Palaistra, auch mich mit Flügeln zu versehen, mich mit jenem Zaubermittel einzusalben und mich fliegen zu lassen. Denn ich wollte durch ein Experiment erfahren, ob ich nach der Verwandlung aus einem Menschen auch in meiner Seele ein Vogel sein würde. Sie öffnete nun vorsichtig das Zimmer und brachte die Büchse. Ich zog mich schnell aus, salbte mich ganz ein und wurde – ich Unglücklicher! – kein Vogel, sondern mir wuchs hinten ein Schwanz heraus, und alle Finger und Zehen verschwanden – ich weiß nicht wohin. Nägel aber hatte ich insgesamt vier, und diese waren nichts anderes als Hufe, und mir wurden die Hände und die Füße zu den Füßen eines Viehs und die Ohren lang und das Gesicht groß. Als ich mich ringsum anschaute, sah ich, dass ich ein Esel war, die Stimme eines Menschen aber, um Palaistra einen Vorwurf zu machen, hatte ich nicht mehr. Die Lippe nach unten ausgestreckt und in eben dieser Haltung genau wie ein Esel finster blickend, versuchte ich ihr, so gut ich konnte, vorzuwerfen, dass ich ein Esel statt eines Vogels geworden war. 14 Sie aber schlug sich mit beiden Händen das Gesicht und sagte: »Ich Unglückliche, ein großes Übel habe ich da angerichtet! Denn in der Eile verwechselte ich die Büchsen wegen ihrer Ähnlichkeit und nahm eine andere, die nicht die Flügel wachsen lässt. Aber sei unbesorgt, Liebster! Denn die Therapie dafür ist recht einfach. Denn du brauchst nur Rosen zu essen, dann wirst du sogleich das Vieh ablegen und mir wieder meinen Geliebten zurückgeben. Aber, mein Liebster, halt mir diese eine Nacht im Esel aus, morgen früh werde ich loslaufen und dir Rosen bringen, und du wirst, wenn du sie gegessen hast, geheilt werden.« Dies sagte sie und streichelte meine Ohren und mein übriges Fell.

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15 Ἐγὼ δὲ τὰ μὲν ἄλλα ὄνος ἤμην, τὰς δὲ φρένας καὶ τὸν νοῦν ἄνθρωπος ἐκεῖνος ὁ Λούκιος, δίχα τῆς φωνῆς. πολλὰ οὖν κατ’ ἐμαυτὸν μεμψάμενος τὴν Παλαίστραν ἐπὶ τῇ ἁμαρτίᾳ δακὼν τὸ χεῖλος ἀπῄειν, ἔνθα ἠπιστάμην ἑστῶτα τὸν ἐμαυτοῦ ἵππον καὶ ἄλλον ἀληθινὸν ὄνον τὸν Ἱππάρχου. οἱ δὲ αἰσθόμενοί με εἴσω παριόντα, δείσαντες, μὴ τοῦ χόρτου κοινωνὸς αὐτοῖς ἐπεισέρχομαι, τὰ ὦτα κατακλίναντες ἕτοιμοι ἦσαν τοῖς ποσὶν ἀμύνειν τῇ γαστρί· κἀγὼ συνεὶς πορρωτέρω ποι τῆς φάτνης ἀποχωρήσας ἑστὼς ἐγέλων, ὁ δέ μοι γέλως ὀγκηθμὸς ἦν. ταῦτα δ’ ἄρ’ ἐνενόουν πρὸς ἐμαυτόν· “ὦ τῆς ἀκαίρου ταύτης περιεργίας. τί δέ, εἰ λύκος παρεισέλθοι ἢ ἄλλο τι θηρίον; κινδυνεύεταί μοι μηδὲν κακὸν πεποιηκότι.” 16 Ταῦτα ἐννοῶν ἠγνόουν ὁ δυστυχὴς τὸ μέλλον κακόν. ἐπεὶ γὰρ ἦν ἤδη νὺξ βαθεῖα καὶ σιωπὴ πολλὴ καὶ ὕπνος ὁ γλυκύς, ψοφεῖ μὲν ἔξωθεν ὁ τοῖχος ὡς διορυττόμενος, καὶ διωρύττετό γε, καὶ ὀπὴ ἤδη ἐγεγόνει ἄνθρωπον δέξασθαι δυναμένη, καὶ εὐθὺς ἄνθρωπος ταύτῃ παρῄει καὶ ἄλλος ὁμοίως, καὶ πολλοὶ ἔνδον ἦσαν καὶ πάντες εἶχον ξίφη. εἶτα καταδήσαντες ἔνδον ἐν τοῖς δωματίοις τὸν Ἵππαρχον καὶ τὴν Παλαίστραν καὶ τὸν ἐμὸν οἰκέτην ἀδεῶς ἤδη τὴν οἰκίαν ἐκένουν τά τε χρήματα καὶ τὰ ἱμάτια καὶ τὰ σκεύη κομίζοντες ἔξω. ὡς δὲ οὐδὲν ἄλλο ἔνδον κατελείπετο, λαβόντες καὶ τὸν ἄλλον ὄνον καὶ τὸν ἵππον ἐπέσαξαν, ἔπειτα ὅσα ἐβάστασαν, ἐπικατέδησαν ἡμῖν. καὶ οὕτως μέγα ἄχθος φέροντας ἡμᾶς ξύλοις παίοντες ἤλαυνον εἰς τὸ ὄρος ἀτρίπτῳ ὁδῷ φεύγειν πειρώμενοι. τὰ μὲν οὖν ἄλλα κτήνη οὐκ ἔχω εἰπεῖν, ὅ τι ἔπασχον, ἐγὼ δὲ ἀνυπόδητος ἀσυνήθης ἀπιὼν πέτραις ὀξείαις ἐπιβαί-

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15 Ich war zwar in allem anderen ein Esel, in meinem Bewusstsein und meinem Verstand aber ein Mensch, jener alte Lukios – bis auf meine Stimme. Viele Vorwürfe machte ich bei mir selbst nun Palaistra wegen ihres Fehlers, biss mir auf die Lippe und ging dorthin, wo ich wusste, dass mein eigenes Pferd stand und ein anderer echter Esel des Hipparchos. Als die mich aber hereinkommen sahen, gerieten sie in Furcht, dass ich als weiterer Mitesser ihres Futters dazukäme, legten die Ohren an und waren bereit, mit ihren Füßen ihrem Bauch beizustehen. Als ich dies verstanden hatte, zog ich mich irgendwohin weiter weg von der Futterkrippe zurück, stand da und wollte lachen, aber mein Lachen war das Schreien eines Esels. Und ich dachte nun dies bei mir: »Ach, diese meine Neugier zur Unzeit! Was, wenn ein Wolf heimlich hereinkommen sollte oder ein anderes wildes Tier? Ich schwebe in Gefahr, ohne etwas Schlechtes getan zu haben.« 16 Dies waren meine Gedanken, denn ich Unglücklicher kannte das Unheil, das mir bevorstand, noch nicht. Denn als schon tiefe Nacht war und große Stille und süßer Schlaf, ertönte ein Geräusch von der Außenseite der Mauer, wie wenn sie durchbrochen würde, und sie wurde tatsächlich durchbrochen. Schon war ein Loch entstanden, das einen Menschen aufnehmen konnte, und sogleich kam auf diesem Weg ein Mensch herein und ein weiterer auf die gleiche Weise, und viele waren drinnen und alle hatten Schwerter. Als sie dann drinnen in den Zimmern Hipparchos, Palaistra und meinen Sklaven gefesselt hatten, räumten sie, ohne etwas fürchten zu müssen, das Haus aus und brachten das Geld, die Kleider und den Hausrat nach draußen. Als drinnen nichts anderes mehr übrig war, nahmen sie auch den anderen Esel und das Pferd, sattelten auf und banden dann alles, was sie weggetragen hatten, uns auf den Rücken. Und auf uns, die wir so eine große Last zu tragen hatten, mit Holzstöcken einschlagend trieben sie uns an, da sie versuchten, auf einem abgelegenen Weg ins Gebirge zu fliehen. Was die anderen Tiere nun erlitten, kann ich nicht sagen. Ich aber, unbeschuht und

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νων, τοσαῦτα σκεύη φέρων ἀπωλλύμην. καὶ πολλάκις προσέπταιον, καὶ οὐκ ἦν ἐξὸν καταπεσεῖν, καὶ εὐθὺς ἄλλος ὄπισθεν κατὰ τῶν μηρῶν ἔπαιεν ξύλῳ. ἐπεὶ δὲ πολλάκις “ὦ Καῖσαρ” ἀναβοῆσαι ἐπεθύμουν, οὐδὲν ἄλλο ἢ ὠγκώμην, καὶ τὸ μὲν “ὦ” μέγιστον καὶ εὐφωνότατον ἐβόων, τὸ δὲ “Καῖσαρ” οὐκ ἐπηκολούθει. ἀλλὰ μὴν καὶ δι’ αὐτὸ τοῦτο ἐτυπτόμην ὡς προδιδοὺς αὐτοὺς τῷ ὀγκηθμῷ. μαθὼν οὖν, ὅτι ἄλλο ἐβόων, ἔγνων σιγῇ προϊέναι καὶ κερδαίνειν τὸ μὴ παίεσθαι. 17 Ἐπὶ τούτῳ ἡμέρα τε ἤδη ἦν, καὶ ἡμεῖς ὄρη πολλὰ ἀναβεβήκειμεν, καὶ στόματα δὲ ἡμῶν δεσμῷ ἐπείχετο, ὡς μὴ περιβοσκόμενοι τὴν ὁδὸν ἐς τὸ ἄριστον ἀναλίσκοιμεν· ὥστε ἐς τὴν τότε καὶ ἔμεινα ὄνος. ἐπεὶ δὲ ἦν αὐτὸ 〈τὸ〉 μέσον τῆς ἡμέρας, καταλύομεν εἴς τινα ἔπαυλιν συνήθων ἐκείνοις ἀνθρώπων, ὅσον ἦν ἐκ τῶν γινομένων σκοπεῖν· καὶ γὰρ φιλήμασιν ἠσπάζοντο ἀλλήλους καὶ καταλύειν ἐκέλευον αὐτοὺς οἱ ἐν τῇ ἐπαύλει καὶ παρέθηκαν ἄριστον καὶ τοῖς κτήνεσιν ἡμῖν παρέβαλον κριθίδια. καὶ οἱ μὲν ἠρίστων, ἐγὼ δὲ ἐπείνων μὲν κακῶς· ἀλλ’ ἐπειδὴ οὐπώποτε κριθὰς ὠμὰς ἠριστήκειν, ἐσκοπούμην, ὅ τι καὶ καταφάγοιμι. ὁρῶ δὲ κῆπον αὐτοῦ ὀπίσω τῆς αὐλῆς, καὶ εἶχε λάχανα πολλὰ καὶ καλὰ καὶ ῥόδα ὑπὲρ αὐτῶν ἐφαίνετο· κἀγὼ λαθὼν πάντας τοὺς ἔνδον ἀσχολουμένους περὶ τὸ ἄριστον ἔρχομαι ἐπὶ τὸν κῆπον, τοῦτο μὲν ὠμῶν λαχάνων ἐμπλησθησόμενος, τοῦτο δὲ τῶν ῥόδων ἕνεκα· ἐλογιζόμην γάρ, ὅτι δῆθεν φαγὼν τῶν ἀνθῶν πάλιν ἄνθρωπος ἔσομαι. εἶτα ἐμβὰς εἰς τὸν κῆπον θριδάκων μὲν καὶ ῥαφανίδων καὶ σελίνων, ὅσα ὠμὰ ἐσθίει ἄνθρωπος, ἐνεπλήσθην, τὰ δὲ ῥόδα ἐκεῖνα οὐκ ἦν ῥόδα ἀληθινά, τὰ δ’ ἦν ἐκ τῆς ἀγρίας δάφνης φυόμενα· ῥοδοδάφνην αὐτὰ καλοῦσιν ἄνθρωποι,

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ungewohnt, beim Reisen auf spitze Steine zu treten und so viel Gepäck zu tragen, glaubte umzukommen. Oft stolperte ich, aber es war nicht erlaubt hinzufallen, denn gleich schlug einer mit einem Holzstock von hinten auf meine Schenkel. Als ich oft »O Caesar!« ausrufen wollte, gab ich nichts anderes als Eselsgeschrei von mir, und das »O« schrie ich zwar sehr laut und sehr klar, aber das »Caesar« wollte nicht folgen. Doch auch gerade dafür wurde ich geschlagen, als würde ich sie mit meinem Eselsgeschrei verraten wollen. Da ich nun erkannt hatte, dass ich etwas anderes schrie, beschloss ich, still vorwärtszugehen und den Vorteil zu haben, nicht geschlagen zu werden. 17 Inzwischen war es bereits Tag, wir waren schon viele Berge hinaufgestiegen und unsere Mäuler wurden zugeschnürt, damit wir nicht dadurch, dass wir den Weg ringsum für unser Frühstück abweideten, Zeit vergeudeten. Und so blieb ich auch an diesem Tag ein Esel. Als es nun genau Mittag war, machten wir Halt bei einem Gehöft von Leuten, die jenen vertraut waren, soweit es aus dem, was geschah, zu beobachten war. Denn sie begrüßten einander mit Küssen, die Bewohner des Gehöfts forderten sie auf einzukehren, setzten ihnen ein Essen vor und warfen uns Lasttieren Gerstenkörner hin. Die anderen fraßen, ich aber hatte schlimmen Hunger. Doch da ich noch nie rohe Gerste gegessen hatte, sah ich mich nach etwas um, was auch ich verzehren könnte. Und ich sah einen Garten gleich hinter dem Hof, er enthielt viel und schönes Gemüse und darüber waren auch Rosen zu sehen. Und ich ging unbemerkt von allen, die drinnen mit dem Essen beschäftigt waren, zu dem Garten, zum einen um mich mit rohem Gemüse zu sättigen, zum andern wegen der Rosen. Ich rechnete nämlich damit, dass ich, sobald ich die Blüten gegessen hätte, von da an wieder ein Mensch sein würde. Und nachdem ich in den Garten gegangen war, sättigte ich mich mit Lattich, Rettich und Sellerie, was ja alles auch ein Mensch roh isst, jene Rosen aber waren keine echten Rosen, sondern waren aus wildem Lorbeer gewachsene. Lorbeerrosen nennen

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κακὸν ἄριστον ὄνῳ τοῦτο παντὶ καὶ ἵππῳ· φασὶ γὰρ τὸν φαγόντα ἀποθνῄσκειν αὐτίκα. 18 Ἐν τούτῳ ὁ κηπουρὸς αἰσθόμενος καὶ ξύλον ἁρπάσας, εἰσελθὼν εἰς τὸν κῆπον καὶ τὸν πολέμιον ἰδὼν καὶ τῶν λαχάνων τὸν ὄλεθρον, ὥσπερ τις δυνάστης μισοπόνηρος κλέπτην λαβών, οὕτω με συνέκοψε ξύλῳ, μήτε πλευρῶν φεισάμενος μήτε μηρῶν, καὶ μὴν καὶ τὰ ὦτά μου κατέκλασεν καὶ τὸ πρόσωπον συνέτριψεν. ἐγὼ δὲ οὐκέτ’ ἀνεχόμενος ἀπολακτίσας ἀμφοτέροις καὶ καταβαλὼν ὕπτιον ἐπὶ τῶν λαχάνων ἔφευγον ἄνω ἐς τὸ ὄρος. ὁ δέ, ἐπειδὴ εἶδε δρόμῳ ἀπιόντα, ἀνέκραγε λῦσαι τοὺς κύνας ἐπ’ ἐμοί· οἱ δὲ κύνες πολλοί τε ἦσαν καὶ μεγάλοι καὶ ἄρκτοις μάχεσθαι ἱκανοί. ἔγνων, ὅτι δὴ διασπάσονταί με οὗτοι λαβόντες. ὀλίγον ἐκπεριελθὼν ἔκρινα – τοῦτο δὴ τὸ τοῦ λόγου – “παλινδρομῆσαι μᾶλλον ἢ κακῶς δραμεῖν.” ὀπίσω ἀπῄειν καὶ εἴσειμι αὖθις εἰς τὴν ἔπαυλιν. οἱ δὲ τοὺς μὲν κύνας δρόμῳ ἐπιφερομένους ἐδέξαντο καὶ κατέδησαν, ἐμὲ δὲ παίοντες οὐ πρότερον ἀφῆκαν, πρὶν ἢ ὑπὸ τῆς ὀδύνης πάντα τὰ λάχανα κάτωθεν ἐξεμέσαι. 19 Καὶ μὴν ὅτε ὁδοιπορεῖν ὥρα ἦν, τὰ βαρύτατα τῶν κλεμμάτων καὶ τὰ πλεῖστα ἐμοὶ ἐπέθηκαν· κἀκεῖθεν τότε οὕτως ἐξελαύνομεν. ἐπεὶ δὲ ἀπηγόρευον ἤδη παιόμενός τε καὶ τῷ φορτίῳ ἀχθόμενος καὶ τὰς ὁπλὰς ἐκ τῆς ὁδοῦ ἐκτετριμμένος, ἔγνων αὐτοῦ καταπεσεῖν καὶ μηδ’, ἂν ἀποσφάττωσί με ταῖς πληγαῖς, ἀναστῆναί ποτε τοῦτο ἐλπίσας μέγα μοι ὄφελος ἔσεσθαι ἐκ τοῦ βουλεύματος· ᾠήθην γάρ, ὅτι πάντως ἡττώμενοι τὰ μὲν ἐμὰ σκεύη διανεμοῦσιν τῷ τε ἵππῳ καὶ τῷ ἡμιόνῳ, ἐμὲ δὲ αὐτοῦ ἐάσουσιν κεῖσθαι τοῖς λύκοις. ἀλλά τις δαίμων βάσκανος συνεὶς τῶν ἐμῶν βουλευμάτων ἐς τοὐναντίον περιήνεγκεν· ὁ γὰρ ἕτερος ὄνος ἴσως

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die Menschen sie, eine üble Mahlzeit ist das für jeden Esel und jedes Pferd; denn wer sie verzehrt, heißt es, stirbt sofort. 18 Unterdessen hatte der Gärtner etwas bemerkt und einen Holzstock ergriffen, er kam in den Garten, erblickte seinen Feind und die Verwüstung seines Gemüses und schlug so, wie ein Schurken hassender Herr, der einen Dieb erwischt hat, auf mich mit einem Holzstock ein, ohne meine Flanken und meine Schenkel zu schonen, hämmerte gar auf meine Ohren ein und prügelte auf mein Gesicht ein. Als ich es nicht mehr aushielt, schlug ich mit beiden Beinen aus, warf ihn rücklings zu Boden auf das Gemüse und wollte dann hinauf ins Gebirge fliehen. Als er mich davonlaufen sah, schrie er laut, man solle die Hunde auf mich loslassen. Die Hunde waren zahlreich und groß und stark genug, mit Bären zu kämpfen. Ich erkannte, dass sie, wenn sie mich packen, wirklich zerreißen würden. Nachdem ich draußen kurze Zeit hin und her gelaufen war, beschloss ich – wie es ja im Sprichwort heißt – »besser zurück als ins Unglück zu laufen.« Ich machte mich auf den Rückweg und kam wieder in das Gehöft. Die aber holten ihre Hunde, die schon im vollen Lauf auf mich zustürzten, zurück und banden sie fest, mich aber zu schlagen hörten sie nicht eher auf, als ich vor Schmerz alles Gemüse von hinten herausgeschissen hatte. 19 Als es Zeit zum Aufbruch war, packten sie mir auch noch die schwersten und meisten Stücke des Diebesguts auf. Und so zogen wir dann von dort los. Da ich aber bald schon von den Schlägen und vom Gewicht der Last müde wurde und meine Hufe vom Weg schon abgerieben waren, beschloss ich, auf der Stelle dort hinzufallen und nicht einmal, wenn sie mich mit ihren Schlägen umbringen sollten, nochmals aufzustehen, da ich hoffte, dies werde mir bei meinem Plan von großem Nutzen sein. Ich meinte nämlich, sie würden gänzlich nachgeben, mein Gepäck auf das Pferd und den Esel verteilen und mich an Ort und Stelle für die Wölfe liegen lassen. Aber ein böser Dämon, der meine Pläne durchschaut hatte, verkehrte sie ins Gegenteil. Denn der andere Esel, der sich vielleicht

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ἐμοὶ τὰ αὐτὰ νοήσας πίπτει ἐν τῇ ὁδῷ. οἱ δὲ τὰ μὲν πρῶτα ξύλῳ παίοντες ἀναστῆναι τὸν ἄθλιον ἐκέλευον, ὡς δὲ οὐδὲν ὑπήκουεν ταῖς πληγαῖς, λαβόντες αὐτὸν οἱ μὲν τῶν ὤτων, οἱ δὲ τῆς οὐρᾶς ἀνεγείρειν ἐπειρῶντο· ὡς δὲ οὐδὲν ἤνυον, ἔκειτο δὲ ὥσπερ λίθος ἐν τῇ ὁδῷ ἀπηγορευκώς, λογισάμενοι ἐν ἀλλήλοις, ὅτι δὴ μάτην πονοῦσιν καὶ τὸν χρόνον τῆς φυγῆς ἀναλίσκουσιν ὄνῳ νεκρῷ παρεδρεύοντες, τὰ μὲν σκεύη πάντα, ὅσα ἐκόμιζεν ἐκεῖνος, διανέμουσιν ἐμοί τε καὶ τῷ ἵππῳ, τὸν δὲ ἄθλιον κοινωνὸν καὶ τῆς αἰχμαλωσίας καὶ τῆς ἀχθοφορίας λαβόντες τῷ ξίφει ὑποτέμνουσιν ἐκ τῶν σκελῶν καὶ σπαίροντα ἔτι ὠθοῦσιν ἐς τὸν κρημνόν. ὁ δὲ ἀπῄει κάτω τὸν θάνατον ὀρχούμενος. 20 Ἐγὼ δὲ ὁρῶν ἐν τῷ συνοδοιπόρῳ τῶν ἐμῶν βουλευμάτων τὸ τέλος, ἔγνων φέρειν εὐγενῶς τὰ ἐν ποσὶ καὶ προθύμως περιπατεῖν ἐλπίδας ἔχων πάντως ποτὲ ἐμπεσεῖσθαι εἰς τὰ ῥόδα κἀκ τούτων εἰς ἐμαυτὸν ἀνασωθήσεσθαι· καὶ τῶν λῃστῶν δὲ ἤκουον, ὡς οὐκ εἴη ἔτι πολὺ τῆς ὁδοῦ λοιπὸν καὶ ὅτι καταμενοῦσιν, ἔνθα καταλύσουσιν· ὥστε πάντα ταῦτα δρόμῳ ἐκομίζομεν, καὶ πρὸ τῆς ἑσπέρας ἤλθομεν εἰς τὰ οἰκεῖα. γραῦς δὲ γυνὴ ἔνδον καθῆστο, καὶ πῦρ πολὺ ἐκαίετο. οἱ δὲ πάντα ἐκεῖνα, ἅπερ ἐτυγχάνομεν ἡμεῖς κομίζοντες, εἴσω κατέθηκαν. εἶτα ἤροντο τὴν γραῦν· “διὰ τί οὕτως καθέζῃ καὶ οὐ παρασκευάζεις ἄριστον;” “Ἀλλὰ πάντα” εἶπεν ἡ γραῦς, “εὐτρεπῆ ὑμῖν, ἄρτοι πολλοί, οἴνου παλαιοῦ πίθοι, καὶ τὰ κρέα δὲ ὑμῖν τὰ ἄγρια σκευάσασα ἔχω.” Οἱ δὲ τὴν γραῦν ἐπαινέσαντες ἀποδυσάμενοι ἠλείφοντο πρὸς τὸ πῦρ καὶ λέβητος ἔνδον ὕδωρ θερμὸν ἔχοντος ἀρυσάμενοι ἔνθεν καὶ καταχεάμενοι αὐτοσχεδίῳ τῷ λουτρῷ ἐχρήσαντο. 21 εἶτα ὀλίγῳ ὕστερον ἧκον νεανίσκοι πολλοὶ κομίζοντες σκεύη πλεῖστα ὅσα χρυσᾶ καὶ ἀργυρᾶ καὶ

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dasselbe wie ich ausgedacht hatte, fiel auf dem Weg hin. Sie schlugen ihn zuerst mit einem Holzstock und befahlen dem Unglücklichen aufzustehen, als er aber den Schlägen nicht Folge leistete, packten ihn die einen an den Ohren, die anderen am Schwanz und versuchten ihn aufzurichten. Als sie aber nichts erreichten, er vor Erschöpfung wie ein Stein auf den Weg lag und sie untereinander überlegt hatten, dass sie sich wirklich vergebens abmühten und die Zeit für die Flucht vergeudeten, indem sie sich mit einem praktisch schon toten Esel beschäftigten, da verteilten sie das Gepäck, das jener trug, auf mich und das Pferd, meinen unglücklichen Genossen in der Gefangenschaft und beim Lastentragen aber packten sie, hackten ihm mit dem Schwert die Beine ab und stießen ihn, der noch zappelte, in den Abgrund. Er machte mit einem Todestanz seinen Abgang. 20 Ich aber beschloss, als ich an meinem Weggefährten den Ausgang meiner Pläne sah, das, was vor mir lag, edelmütig zu ertragen und bereitwillig voranzuschreiten – in der Hoffnung, sicher irgendwann auf Rosen zu treffen und mit ihrer Hilfe wieder ganz zu mir selbst zu werden. Und von den Räubern hörte ich, dass nicht mehr viel Wegstrecke übrig sei und dass sie dort bleiben würden, wo sie ihr Quartier haben würden. So brachten wir dies alles in schnellem Lauf hin und kamen vor dem Abend zu ihrem Quartier. Drinnen saß eine alte Frau, und ein großes Feuer brannte. Sie legten all das, was wir gerade getragen hatten, drinnen ab. Dann fragten sie die Alte: »Warum sitzt du so da und richtest uns kein Essen her?« »Aber es ist doch alles«, sagte die Alte, »für euch schon vorbereitet, viele Brote, Krüge mit altem Wein, und auch das Wildbret habe ich für euch hergerichtet.« Sie lobten die Alte, zogen sich aus, rieben sich am Feuer mit Öl ein, schöpften aus einem Kessel, der warmes Wasser enthielt, und gossen es über sich und hatten so ein improvisiertes Bad. 21 Dann kamen wenig später viele junge Männer, die sehr viele goldene und silberne Gerätschaften, Kleider sowie viel Frauen- und Männer-

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ἱμάτια καὶ κόσμον γυναικεῖον καὶ ἀνδρεῖον πολύν. ἐκοινώνουν δὲ οὗτοι ἀλλήλοις· καὶ ἐπειδὴ ταῦτα ἔνδον κατέθεντο, ὁμοίως ἐλούσαντο καὶ οὗτοι. λοιπὸν μετὰ τοῦτο ἦν ἄριστον δαψιλὲς καὶ λόγος πολὺς ἐν τῷ συμποσίῳ τῶν ἀνδροφόνων. ἡ δὲ γραῦς ἐμοὶ καὶ τῷ ἵππῳ κριθὰς παρέθηκεν· ἀλλ’ ἐκεῖνος μὲν σπουδῇ τὰς κριθὰς κατέπινε δεδιώς, οἷα εἰκός, ἐμὲ τὸν συνάριστον. ἐγὼ δέ, ἐπειδὰν ἴδοιμι τὴν γραῦν ἐξιοῦσαν, τῶν ἔνδον ἄρτον ἤσθιον. τῇ δὲ ὑστεραίᾳ καταλιπόντες τῇ γραίᾳ νεανίσκον ἕνα οἱ λοιποὶ πάντες ἔξω ἐπὶ ἔργον ἀπῄεσαν. ἐγὼ δὲ ἔστενον ἐμαυτὸν 〈καὶ〉 τὴν ἀκριβῆ φρουράν· τῆς μὲν γὰρ γραὸς καταφρονῆσαι ἦν μοι καὶ φυγεῖν ἐκ τῶν ἐκείνης ὀμμάτων δυνατόν, ὁ δὲ νεανίσκος μέγας τε ἦν καὶ φοβερὸν ἔβλεπεν, καὶ τὸ ξίφος ἀεὶ ἔφερεν καὶ τὴν θύραν ἀεὶ ἐπῆγε. 22 Τρισὶ δὲ ὕστερον ἡμέραις μεσούσης σχεδὸν τῆς νυκτὸς ἀναστρέφουσιν οἱ λῃσταί, χρυσίον μὲν οὐδὲ ἀργύριον οὐδὲ ἄλλο οὐδὲν κομίζοντες, μόνην δὲ παρθένον ὡραίαν, σφόδρα καλήν, κλαίουσαν καὶ κατεσπαραγμένην τὴν ἐσθῆτα καὶ τὴν κόμην· καὶ καταθέμενοι αὐτὴν ἔνδον ἐπὶ τῶν στιβάδων θαρρεῖν ἐκέλευον καὶ τὴν γραῦν ἐκέλευον ἀεὶ ἔνδον μένειν καὶ τὴν παῖδα ἐν φρουρᾷ ἔχειν. ἡ δὲ παῖς οὔτε ἐμφαγεῖν τι ἤθελεν οὔτε πιεῖν, ἀλλὰ πάντα ἔκλαιεν καὶ τὴν κόμην τὴν αὑτῆς ἐσπάραττεν· ὥστε καὶ αὐτὸς πλησίον ἑστὼς παρὰ τῇ φάτνῃ συνέκλαιον ἐκείνῃ τῇ καλῇ παρθένῳ. ἐν δὲ τούτῳ οἱ λῃσταὶ ἔξω ἐν τῷ προδόμῳ ἐδείπνουν. πρὸς ἡμέραν δὲ τῶν σκοπῶν τις τῶν τὰς ὁδοὺς φρουρεῖν εἰληχότων ἔρχεται ἀγγέλλων, ὅτι ξένος ταύτῃ παριέναι μέλλοι καὶ πολὺν πλοῦτον κομίζοι. οἱ δὲ οὕτως, ὡς εἶχον, ἀναστάντες καὶ ὁπλισάμενοι κἀμὲ καὶ τὸν ἵππον ἐπισάξαντες ἤλαυνον. ἐγὼ δὲ ὁ δυστυχὴς ἐπιστάμενος ἐπὶ μάχην καὶ πόλεμον ἐξελαύνεσθαι ὀκνηρῶς προῄειν, ἔνθεν ἐπαιόμην τῷ ξύλῳ ἐπειγομένων αὐτῶν. ἐπεὶ δὲ ἥκομεν ἐς τὴν ὁδόν, ἔνθα ὁ ξένος παρελάσειν ἔμελλεν, συμπεσόντες οἱ λῃσταὶ τοῖς

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schmuck brachten. Sie alle gehörten zu einer Bande. Und als sie die Dinge drinnen abgelegt hatten, wuschen sich auch diese auf die gleiche Weise. Danach gab es nun reichlich Essen und viele Gespräche beim Gelage der Mörder. Die Alte aber setzte mir und dem Pferd Gerste vor. Das verschlang die Gerste gierig, da es begreiflicherweise mich als Mitfresser fürchtete. Ich jedoch aß jedes Mal, wenn ich sah, dass die Alte nach draußen ging, Brot, das sich unter den Dingen drinnen befand. Am nächsten Tag machten sich alle übrigen, nachdem sie der Alten einen jungen Mann dagelassen hatten, draußen zur Arbeit auf den Weg. Ich aber beklagte mich und meine sorgfältige Bewachung. Denn die Alte hätte ich nicht zu fürchten brauchen und aus ihrem Blickfeld zu fliehen wäre möglich gewesen, der junge Mann aber war groß, blickte furchterregend, trug immer sein Schwert und hielt die Tür immer geschlossen. 22 Drei Tage später kurz vor Mitternacht kehrten die Räuber zurück, ohne Gold oder Silber oder etwas anderes nur mit einer jungen, sehr schönen Frau, die weinte und deren Kleidung zerrissen und deren Haar zerrauft war. Und nachdem sie sie drinnen auf dem Stroh abgelegt hatten, redeten sie ihr zu, tapfer zu sein, und befahlen der Alten, immer im Haus zu bleiben und die junge Frau zu bewachen. Die junge Frau aber wollte weder etwas essen noch trinken, sondern weinte ständig und raufte sich ihr Haar. Deshalb weinte auch ich, der ich nahe dabei an der Futterkrippe stand, mit jener schönen jungen Frau. Unterdessen aßen die Räuber draußen vor dem Haus. Gegen Tagesanbruch kam einer der Kundschafter, auf die das Los gefallen war, die Wege zu beobachten, mit der Meldung, ein Fremder ziehe bald hier vorbei und führe großen Reichtum mit sich. Sie standen so, wie sie waren, auf, bewaffneten sich, sattelten mich und das Pferd und zogen los. Ich Unglücklicher ging, da ich wusste, dass ich zu Kampf und Krieg ausrücken musste, nur zögerlich voran, weshalb ich mit dem Holzstock geschlagen wurde, da sie es eilig hatten. Als wir zu dem Weg kamen, wo der Fremde vorbeiziehen sollte, überfielen die Räuber die Wagen und töteten

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ὀχήμασιν αὐτόν τε καὶ τοὺς ἐκείνου θεράποντας ἀπέκτειναν καὶ ὅσα ἦν τιμιώτατα ἐξελόντες τῷ ἵππῳ κἀμοὶ ἐπέθηκαν, τὰ δὲ ἕτερα τῶν σκευῶν αὐτοῦ ἐν τῇ ὕλῃ ἔκρυψαν. ἔπειτα ἤλαυνον ἡμᾶς οὕτως ὀπίσω, κἀγὼ ἐπειγόμενος καὶ τῷ ξύλῳ τυπτόμενος κρούω τὴν ὁπλὴν περὶ πέτραν ὀξεῖαν καί μοι ἀπὸ τῆς πληγῆς γίνεται τραῦμα ἀλγεινόν· καὶ χωλεύων ἔνθεν τὸ λοιπὸν τῆς ὁδοῦ ἐβάδιζον. οἱ δὲ πρὸς ἀλλήλους ἔλεγον· “τί γὰρ ἡμῖν δοκεῖ τρέφειν τὸν ὄνον τοῦτον πάντα καταπίπτοντα; ῥίψωμεν αὐτὸν ἀπὸ τοῦ κρημνοῦ οἰωνὸν οὐκ ἀγαθόν.” “Ναί,” φησίν “ῥίψωμεν αὐτὸν καθαρισμὸν τοῦ στρατοῦ ἐσόμενον.” Καὶ οἱ μὲν συνετάττοντο ἐπ’ ἐμέ· ἐγὼ δὲ ἀκούων ταῦτα τῷ τραύματι λοιπὸν ὡς ἀλλοτρίῳ ἐπέβαινον· ὁ δὲ τοῦ θανάτου με φόβος ἀναίσθητον τῆς ὀδύνης ἔθηκεν. 23 ἐπεὶ δὲ ἤλθομεν εἴσω, ἔνθα κατελύομεν, τὰ μὲν σκεύη τῶν ἡμετέρων ὤμων ἀφελόντες εὖ κατέθηκαν, αὐτοὶ δὲ ἀναπεσόντες ἐδείπνουν. καὶ ἐπειδὴ νὺξ ἦν, ἀπῄεσαν ὡς τὰ λοιπὰ τῶν σκευῶν ἀνασῶσαι. “Τὸν δὲ ἄθλιον τοῦτον ὄνον,” ἔφη τις αὐτῶν “τί ἐπάγομεν ἄχρηστον ἐκ τῆς ὁπλῆς; τῶν δὲ σκευῶν ἃ μὲν ἡμεῖς οἴσομεν, ἃ δὲ καὶ ὁ ἵππος.” Καὶ ἀπῄεσαν τὸν ἵππον ἄγοντες. νὺξ δὲ ἦν λαμπροτάτη ἐκ τῆς σελήνης. κἀγὼ τότε πρὸς ἐμαυτὸν εἶπον· “ἄθλιε, τί μένεις ἔτι ἐνταῦθα; γῦπές σε καὶ γυπῶν τέκνα δειπνήσουσιν. οὐκ ἀκούεις, οἷα περὶ σοῦ ἐβουλεύσαντο; θέλεις τῷ κρημνῷ περιπεσεῖν; νὺξ μὲν αὕτη καὶ σελήνη πολλή· οἱ δὲ οἴχονται ἀπιόντες· φυγῇ σῷζε σαυτὸν ἀπὸ δεσποτῶν ἀνδροφόνων.” Ταῦτα πρὸς ἐμαυτὸν ἐννοούμενος ὁρῶ, ὅτι οὐδὲ προσεδεδέμην οὐδενί, ἀλλά με ὁ σύρων ἐν ταῖς ὁδοῖς ἱμὰς παρεκρέματο. τοῦτό με καὶ παρώξυνεν ὡς μάλιστα ἐς τὴν φυγήν, καὶ δρόμῳ ἐξιὼν ἀπῄειν. ἡ δὲ

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ihn und seine Diener, und alles, was von seinen Sachen sehr wertvoll war, luden sie aus und packten es dem Pferd und mir auf, und den Rest von seinem Gepäck versteckten sie im Wald. Dann wollten sie uns so zurücktreiben, doch ich, zur Eile gedrängt und mit dem Holzstock geschlagen, stieß mit dem Huf an einen scharfen Stein und bekam von dem Schlag eine schmerzhafte Wunde. Und von da an lege ich den Rest des Weges hinkend zurück. Sie aber sagten zueinander: »Warum sollten wir diesen Esel weiter füttern, wenn er doch ständig strauchelt? Werfen wir ihn, der kein gutes Omen ist, den Abhang hinab!« »Ja«, sagt einer, »werfen wir ihn hinab, auf dass er Sühneopfer für unsere Truppe ist!« Und sie vereinbarten dieses Vorgehen gegen mich. Als ich dies hörte, trat ich von da an auf meine Wunde, als wäre sie die eines anderen: Die Todesfurcht hatte mich gegen den Schmerz unempfindlich gemacht. 23 Als wir unser Quartier betreten hatten, nahmen sie das Gepäck von unseren Schultern und verwahrten es gut, sie aber legten sich zu Tisch und aßen zu Abend. Und als es Nacht war, gingen sie weg, um den Rest des Gepäcks in Sicherheit zu bringen. »Wozu nehmen wir diesen elenden Esel noch mit«, sagte einer von ihnen, »der wegen seines Hufs unnütz ist? Den einen Teil des Gepäcks werden wir tragen und den anderen das Pferd.« Und sie machten sich mit dem Pferd auf den Weg. Die Nacht war vom Mondlicht sehr hell. Und ich sprach da zu mir selbst: »Unglücklicher, warum bleibst du noch hier? Die Geier und die Jungen der Geier werden dich verspeisen. Hast du nicht gehört, was sie für dich geplant haben? Willst du in den Abgrund stürzen? Jetzt ist Nacht und heller Mondschein; sie sind fortgegangen. Rette dich durch Flucht vor diesen mörderischen Herren!« Während ich mir dies überlegte, sah ich, dass ich gar nicht mehr angebunden war, sondern der Riemen, mit dem man mich auf den Wegen vorwärts zog, an der Seite herunterhing. Dies spornte mich am meisten zur Flucht an und ich wollte schnell hinaus und weglau-

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γραῦς, ἐπειδὴ εἶδεν ἀποδιδράσκειν ἕτοιμον, λαμβάνεταί με ἐκ τῆς οὐρᾶς καὶ εἴχετο. ἐγὼ δὲ ἄξιον κρημνοῦ καὶ θανάτων ἄλλων εἰπὼν εἶναι τὸ ὑπὸ γραίας ἁλῶναι ἔσυρον αὐτήν, ἡ δὲ μάλ’ ἀνέκραγεν ἔνδοθεν τὴν παρθένον τὴν αἰχμάλωτον· ἡ δὲ προελθοῦσα καὶ ἰδοῦσα γραῦν Δίρκην ἐξ ὄνου ἡμμένην τολμᾷ τόλμημα γενναῖον καὶ ἄξιον ἀπονενοημένου νεανίσκου· ἀναπηδᾷ γὰρ εἰς ἐμέ, καὶ ἐπικαθίσασά μοι ἤλαυνεν· κἀγὼ τῷ τε ἔρωτι τῆς φυγῆς καὶ τῇ τῆς κόρης σπουδῇ ἔφυγον ἵππου δρόμῳ· ἡ δὲ γραῦς ὀπίσω ἀπελέλειπτο. ἡ δὲ παρθένος τοῖς μὲν θεοῖς ηὔχετο σῶσαι αὐτὴν τῇ φυγῇ· πρὸς δὲ ἐμὲ “ἤν με” ἔφη “κομίσῃς πρὸς τὸν πατέρα, ὦ καλὲ σύ, ἐλεύθερον μέν σε παντὸς ἔργου ἀφήσω, κριθῶν δὲ μέδιμνος ἔσται σοι ἐφ’ ἑκάστης ἡμέρας τὸ ἄριστον.” Ἐγὼ δὲ καὶ τοὺς φονεῖς τοὺς ἐμαυτοῦ φευξόμενος καὶ πολλὴν ἐπικουρίαν καὶ θεραπείαν ἐκ τῆς ἀνασωθείσης ἐμοὶ κόρης ἐλπίζων ἔθεον τοῦ τραύματος ἀμελήσας. 24 ἐπεὶ δὲ ἥκομεν, ἔνθα ἐσχίζετο τριπλῆ 〈ἡ〉 ὁδός, οἱ πολέμιοι ἡμᾶς καταλαμβάνουσιν ἀναστρέφοντες καὶ πόρρωθεν εὐθὺς πρὸς τὴν σελήνην ἔγνωσαν τοὺς δυστυχεῖς αἰχμαλώτους καὶ προσδραμόντες λαμβάνονταί μου καὶ λέγουσιν· “ὦ καλὴ κἀγαθὴ σὺ παρθένος, ποῖ βαδίζεις ἀωρίᾳ, ταλαίπωρε; οὐδὲ τὰ δαιμόνια δέδοικας; ἀλλὰ δεῦρο ἴθι πρὸς ἡμᾶς, ἡμεῖς σε τοῖς οἰκείοις ἀποδώσομεν”, σαρδάνιον γελῶντες ἔλεγον, κἀμὲ ἀποστρέψαντες εἷλκον ὀπίσω. Κἀγὼ περὶ τοῦ ποδὸς καὶ τοῦ τραύματος ἀναμνησθεὶς ἐχώλευον. Οἱ δὲ “νῦν” ἔφασαν “χωλός, ὅτε ἀποδιδράσκων ἑάλωκας; ἀλλ’ ὅτε φεύγειν ἐδόκει σοι, ὑγιαίνων ἵππου ὠκύτερος καὶ πετεινὸς ἦσθα.”

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fen. Als aber die Alte mich zum Fortlaufen bereit sah, packte sie mich am Schwanz und wollte mich festhalten. Ich aber sagte mir, von einer Alten gefangen genommen zu werden, verdiene den Abgrund und andere Todesarten, und zog sie mit, sie aber schrie nach der gefangenen jungen Frau drinnen. Die kam aus dem Haus heraus, sah die alte Dirke an dem Esel hängen und wagte eine edle und eines tollkühnen jungen Mannes würdige Tat. Denn sie sprang auf meinen Rücken und trieb mich an, als sie fest saß. Und ich, getrieben vom Verlangen nach Flucht und von der Eile des Mädchens, machte mich im Galopp wie ein Pferd auf die Flucht. Die Alte aber war verlassen zurückgeblieben. Die junge Frau flehte zu den Göttern, dass sie es durch die Flucht retten mögen. Zu mir aber sagte sie: »Wenn du mich zu meinem Vater bringst, mein Schöner, werde ich dich von jeglicher Arbeit befreien und jeden Tag wirst du einen Scheffel Gerste zum Fressen haben.« Ich aber rannte, ohne an meine Wunde zu denken, davon, um meinen eigenen Mördern zu entkommen und weil ich mir von der jungen Frau, wenn ich sie retten könnte, viel Hilfe und Pflege erhoffte. 24 Als wir an eine Stelle kamen, wo sich der Weg dreifach gabelte, begegneten uns die Feinde, die sich auf dem Rückweg befanden, erkannten aus der Ferne im Mondlicht sogleich die unglückseligen Gefangenen, liefen herbei, packten mich und sagten: »Du schöne und edle Jungfrau, wohin gehst du denn zu so später Stunde, du Geplagte? Fürchtest du dich gar nicht vor Gespenstern? Aber komm nur her zu uns, wir werden dich deinen Angehörigen zurückgeben.« Mit hämischen Lachen sprachen sie, drehten mich in die andere Richtung und zerrten mich zurück. Und ich dachte wieder an meinen Fuß und meine Wunde und hinkte. Sie aber sagten: »Jetzt wieder hinkend, weil du beim Weglaufen erwischt wurdest? Aber als du den Beschluss fasstest, zu fliehen, da warst du gesund und warst schneller als ein Pferd und geflügelt!«

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Τοῖς δὲ λόγοις τούτοις τὸ ξύλον εἵπετο, καὶ ἤδη ἕλκος τῷ μηρῷ εἶχον νουθετούμενος. ἐπεὶ δὲ εἴσω πάλιν ἀνεστρέψαμεν, τὴν μὲν γραῦν εὕρομεν ἐκ τῆς πέτρας κρεμαμένην ἐν καλῳδίῳ· δείσασα γάρ, οἷον εἰκός, τοὺς δεσπότας ἐπὶ τῇ τῆς παρθένου φυγῇ κρημνᾷ ἑαυτὴν σφίγξασα ἐκ τοῦ τραχήλου. οἱ δὲ τὴν γραῦν θαυμάσαντες τῆς εὐγνωμοσύνης τὴν μὲν ἀπολύσαντες ἐς τὸν κρημνὸν κάτω ἀφῆκαν ὡς ἦν ἐν τῷ δεσμῷ, τὴν δὲ παρθένον ἔνδον κατέδησαν, εἶτα ἐδείπνουν, καὶ πότος ἦν μακρός. 25 Κἀν τούτῳ ἤδη περὶ τῆς κόρης διελέγοντο πρὸς ἀλλήλους· “τί ποιοῦμεν” ἔφη τις αὐτῶν “τὴν δραπέτιν;” “Τί δὲ ἄλλο” εἶπεν ἕτερος “ἢ τῇ γραῒ ταύτῃ κάτω ἐπιρρίψωμεν αὐτήν, ἀφελομένην μὲν ἡμᾶς χρήματα πολλὰ ὅσον ἐπ’ αὐτῇ, καὶ προδοῦσαν ἡμῶν ὅλον τὸ ἐργαστήριον; εὖ ἴστε γάρ, ὦ φίλοι, ὅτι, αὕτη εἰ τῶν οἴκοι ἐδράξατο, οὐδὲ εἷς ἡμῶν 〈ἂν〉 ζῶν ὑπελείπετο· πάντες δὲ ἂν ἑάλωμεν, τῶν ἐχθρῶν ἐκ παρασκευῆς ἡμῖν ἐπιπεσόντων. ὥστε ἀμυνώμεθα μὲν τὴν πολεμίαν· ἀλλὰ μὴ οὕτω ῥᾳδίως ἀποθνῃσκέτω πεσοῦσα ἐπὶ τοῦ λίθου, θάνατον δὲ αὐτῇ τὸν ἀλγεινότατον καὶ μακρότατον ἐξεύρωμεν καὶ ὅστις αὐτὴν χρόνῳ καὶ βασάνῳ φυλάξας ὕστερον ἀπολεῖ.” Ἐἶτα ἐζήτουν θάνατον, καί τις εἶπεν· “οἶδα, ὅτι ἐπαινέσεσθε τὸ ἀρχιτεκτόνημα. τὸν ὄνον δεῖ ἀπολέσαι ὀκνηρὸν ὄντα, νῦν δὲ καὶ χωλὸν εἶναι ψευδόμενον, καὶ μὴν καὶ τῆς φυγῆς τῆς παρθένου γενόμενον ὑπηρέτην καὶ διάκονον· τοῦτον οὖν ἕωθεν ἀποσφάξαντες ἀνατέμωμεν ἐκ τῆς γαστρὸς καὶ τὰ μὲν ἔγκατα πάντα ἔξω βάλωμεν, τὴν δὲ ἀγαθὴν ταύτην παρθένον τῷ ὄνῳ ἐγκατοικίσωμεν, τὴν μὲν κεφαλὴν ἔξω τοῦ ὄνου πρόχειρον, ὡς ἂν μὴ εὐθὺς ἀποπνιγείη, τὸ δὲ ἄλλο σῶμα πᾶν ἔνδον

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Auf diese Worte folgte der Holzstock und schon hatte ich von der Züchtigung eine Wunde am Schenkel. Als wir wieder ins Quartier zurückkehrten, fanden wir die Alte an einem Strick vom Felsen herabhängen. Denn wahrscheinlich aus Furcht vor den Herren wegen der Flucht der jungen Frau band sie sich eine Schlinge um den Hals und hängte sich auf. Die aber bewunderten die Alte wegen ihrer Klugheit, machten sie los und warfen sie so, wie sie war an dem Strick, den Abhang hinunter, das Mädchen banden sie drinnen an, dann aßen sie und es gab ein langes Gelage. 25 Dabei unterhielten sie sich miteinander über die junge Frau: »Was machen wir«, sagte einer, »mit der Ausreißerin?« »Was sonst«, sagte ein anderer, »als sie dieser Alten hinterher in die Tiefe zu werfen, sie, die – wäre es nach ihr gegangen – uns viel Geld geraubt und unsere ganze Bande verraten hätte? Denn gewiss, meine Freunde, wäre kein einziger von uns, wenn sie es zu ihren Angehörigen zuhause geschafft hätte, mit dem Leben davongekommen! Wir wären alle gefangen genommen worden, wenn die Feinde nach gezielter Vorbereitung über uns hergefallen wären. Daher lasst uns an unserer Feindin Rache nehmen! Aber sie soll nicht so einfach sterben, indem sie auf einen Felsen stürzt, sondern lasst uns für sie eine sehr schmerzvolle und sehr lang dauernde Todesart herausfinden – eine, die sie für eine lange Folterung am Leben hält und erst später umbringen wird.« Da suchten sie nun nach einer Todesart und einer sagte: »Ich bin sicher, dass ihr meinen kunstvoll ersonnen Plan loben werdet. Den Esel müssen wir töten, da er träge ist, jetzt sogar noch vortäuscht, lahm zu sein, und vor allem, weil er bei der Flucht der jungen Frau zum Helfer und Komplizen wurde. Den lasst uns also bei Tagesanbruch abschlachten, dann am Bauch aufschneiden und zum einen alle Eingeweide herauswerfen, zum anderen dieser edlen Jungfrau in dem Esel ein neues Zuhause geben, und zwar so, dass ihr Kopf dabei aus dem Esel herausschaut, damit sie nicht gleich erstickt, der restliche Körper aber ganz im Inneren verborgen ist,

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κρυπτόμενον, ὡς ἂν αὐτὴν κατακειμένην εὖ μάλα συρράψαντες ῥίψωμεν ἔξω ἄμφω ταῦτα τοῖς γυψί, καινῶς τοῦτο ἐσκευασμένον ἄριστον. σκοπεῖτε δέ, ὦ φίλοι, τῆς βασάνου τὸ δεινόν, πρῶτον μὲν τῷ νεκρῷ ὄνῳ συνοικεῖν, εἶτα θέρους ὥρᾳ θερμοτάτῳ ἡλίῳ ἐν κτήνει καθεψεῖσθαι καὶ λιμῷ ἀεὶ κτείνοντι ἀποθνῄσκειν καὶ μηδὲ αὑτὴν ἀποπνῖξαι ἔχειν· τὰ μὲν γὰρ ἄλλ’, ὅσα πείσεται σηπομένου τοῦ ὄνου τῇ τε ὀδμῇ καὶ τοῖς σκώληξι πεφυρμένη, ἐῶ λέγειν. τέλος δὲ οἱ γῦπες διὰ τοῦ ὄνου παρεισιόντες εἴσω καὶ ταύτην ὡς ἐκεῖνον ἴσως καὶ ζῶσαν ἔτι διασπάσονται.” 26 Πάντες ἀνεβόησαν ὡς ἐπὶ ἀγαθῷ μεγάλῳ τῷ τερατώδει τούτῳ εὑρήματι. ἐγὼ δὲ ἀνέστενον ἑαυτὸν ὡς ἂν ἀποσφαγησόμενος καὶ μηδὲ νεκρὸς εὐτυχὴς κεισόμενος, ἀλλὰ παρθένον ἀθλίαν ἐπιδεξόμενος καὶ θήκη οὐδὲν ἀδικούσης κόρης ἐσόμενος. Ὄρθρος δὲ ἦν ἔτι καὶ ἐξαίφνης ἐφίσταται πλῆθος στρατιωτῶν ἐπὶ τοὺς μιαροὺς τούτους ἀφιγμένον, καὶ εὐθέως πάντας ἐδέσμουν καὶ ἐπὶ τὸν τῆς χώρας ἡγεμόνα ἀπῆγον. ἔτυχεν δὲ καὶ ὁ τὴν κόρην μεμνηστευμένος σὺν αὐτοῖς ἐλθών· αὐτὸς γὰρ ἦν ὁ καὶ τὸ καταγώγιον τῶν λῃστῶν μηνύσας. παραλαβὼν οὖν τὴν παρθένον καὶ καθίσας ἐπ’ ἐμὲ οὕτως ἦγεν οἴκαδε. οἱ δὲ κωμῆται, ὡς εἶδον ἡμᾶς ἔτι πόρρωθεν, ἔγνωσαν εὐτυχοῦντας, εὐαγγέλιον αὐτοῖς ἐμοῦ προογκησαμένου, καὶ προσδραμόντες ἠσπάζοντο καὶ ἦγον ἔσω. 27 Ἡ δὲ παρθένος πολὺν λόγον εἶχεν ἐμοῦ δίκαιον ποιοῦσα τοῦ συναιχμαλώτου συναποδράσαντος καὶ τὸν κοινὸν αὐτῇ ἐκεῖνον θάνατον συγκινδυνεύσαντος. καί μοι 〈παρὰ〉 τῆς κεκτημένης ἄριστον παρέκειτο

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damit wir sie, wenn sie gut gebettet ist, fest einnähen und dann draußen diese beiden den Geiern vorwerfen können als ein auf neuartige Weise bereitetes Mahl. Überlegt euch, Freunde, wie furchtbar die Folter ist, erstens das Zusammenwohnen mit dem toten Esel, zweitens in der Sommerzeit bei heißester Sonnenhitze in dem Vieh gegrillt zu werden, an Hunger, der immer töten will, zu sterben, und das, ohne sich selbst erdrosseln zu können. Alles andere, was sie erleiden wird, wenn der Esel verwest und sie vom Gestank und den Würmern besudelt wird, übergehe ich. Und schließlich noch: Die Geier werden, wenn sie sich durch den Esel einen Weg ins Innere gebahnt haben, wie jenen auch sie vielleicht sogar noch lebend zerfetzen.« 26 Alle stimmten dieser ungeheuerlichen Erfindung lauthals zu, als sei sie eine große und gute Sache. Ich aber bejammerte mich selbst, dass ich geschlachtet werden und nicht einmal als Leichnam glücklich daliegen, sondern eine unglückliche Jungfrau in mir aufnehmen und der Sarg einer jungen Frau, die kein Unrecht getan hatte, werden sollte. Der Morgen dämmerte noch, als plötzlich eine Menge Soldaten erschien, die zum Kampf gegen diese Bösewichter angekommen war. Und sofort fesselten sie alle und führten sie zum Statthalter des Landes ab. Mit ihnen war nun eben auch der, welcher um die Hand des Mädchens angehalten hatte, gekommen. Er war es nämlich, der auch das Quartier der Räuber angezeigt hatte. Er nahm nun die junge Frau in seine Obhut, setzte sie auf meinen Rücken und brachte sie so nach Hause. Als uns die Dorfbewohner noch aus der Ferne sahen, erkannten sie, dass wir glücklich und wohlauf waren, da ich ihnen die frohe Botschaft vorab zugeschrien hatte, und sie liefen herbei, begrüßten uns und führten uns hinein. 27 Die junge Frau sagte vieles, mit dem sie mich, ihren Mitgefangenen, der zusammen mit ihr geflohen war und der zusammen mit ihr die Gefahr jenes gemeinsamen Todes geteilt hatte, angemessen würdigte. Und für mich lag von meiner Herrin ein Scheffel

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μέδιμνος κριθῶν καὶ χόρτος ὅσος καὶ καμήλῳ ἱκανός. ἐγὼ δὲ τότε μάλιστα κατηρώμην τῇ Παλαίστρᾳ ὡς ὄνον με καὶ οὐ κύνα τῇ τέχνῃ μεταθεῖσαν· ἑώρων γὰρ τοὺς κύνας εἰς τοὐπτανεῖον παρεισιόντας καὶ λαφύσσοντας πολλὰ καὶ ὅσα ἐν γάμοις πλουσίων νυμφίων. ἡμέραις δὲ ὕστερον μετὰ τὸν γάμον οὐ πολλαῖς ἐπειδὴ χάριν μοι ἔφη ἡ δέσποινα ἔχειν παρὰ τῷ πατρὶ, καὶ ἀμείψασθαί με ἀμοιβῇ τῇ δικαίᾳ θέλων ὁ πατὴρ ἐκέλευσεν ἐλεύθερον ἀφιέναι ὑπαίθριον καὶ σὺν ταῖς ἀγελαίαις ἵπποις νέμεσθαι· “καὶ γὰρ ὡς ἐλεύθερος” ἔφη “ζήσεται ἐν ἡδονῇ καὶ ταῖς ἵπποις ἐπιβήσεται.” καὶ αὕτη δικαιοτάτη ἀμοιβὴ ἐδόκει τότε, εἰ ἦν τὰ πράγματα ἐν ὄνῳ δικαστῇ. καλέσας οὖν τῶν ἱπποφορβῶν τινα τούτῳ με παραδίδωσιν, ἐγὼ δὲ ἔχαιρον ὡς οὐκέτι ἀχθοφορήσων. ἐπεὶ δὲ ἥκομεν εἰς τὸν ἀγρόν, ταῖς ἵπποις με ὁ νομεὺς συνέμιξεν καὶ ἦγεν ἡμᾶς τὴν ἀγέλην εἰς νομόν. 28 Ἐχρῆν δὲ ἄρα κἀνταῦθα ὥσπερ Κανδαύλῃ κἀμοὶ γενέσθαι· ὁ γὰρ ἐπιστάτης τῶν ἵππων τῇ αὑτοῦ γυναικὶ Μεγαπόλῃ ἔνδον με κατέλιπεν· ἡ δὲ τῇ μύλῃ με ὑπεζεύγνυεν, ὥστε ἀλεῖν αὐτῇ καὶ πυροὺς καὶ κριθὰς ὅλας, καὶ τοῦτο μὲν ἦν μέτριον κακὸν εὐχαρίστῳ ὄνῳ ἀλεῖν τοῖς ἑαυτοῦ ἐπιστάταις· ἡ δὲ βελτίστη καὶ παρὰ τῶν ἄλλων τῶν ἐν ἐκείνοις τοῖς ἀγροῖς – πολλοὶ δὲ πάνυ ἦσαν – ἄλευρα τὸν μισθὸν αἰτοῦσα ἐξεμίσθου τὸν ἐμὸν ἄθλιον τράχηλον, καὶ τὰς μὲν κριθὰς τοὐμὸν ἄριστον φρύγουσα κἀμοὶ ὥστε ἀλεῖν ἐπιβάλλουσα, μάζας ὅλας ποιοῦσα κατέπινεν· ἐμοὶ δὲ πίτυρα τὸ ἄριστον ἦν. εἰ δέ ποτε καὶ συνελάσειέν με ταῖς ἵπποις ὁ νομεύς, παιόμενός τε καὶ δακνόμενος ὑπὸ τῶν ἀρσένων ἀπωλλύμην· ἀεὶ γάρ με μοιχὸν ὑποπτεύοντες εἶναι τῶν ἵππων τῶν αὑτῶν γυναικῶν

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Gerste zum Fressen da und so viel Grünzeug, dass es auch für ein Kamel gereicht hätte. Damals verwünschte ich Palaistra dafür, dass sie mich in einen Esel und nicht in einen Hund verwandelt hatte, am meisten. Denn ich sah, wie die Hunde in die Küche schlichen und vieles gierig verschlangen, was es beim Hochzeitsmahl eines reichen Brautpaares gab. Als die junge Herrin nicht viele Tage nach der Hochzeit in Anwesenheit ihres Vaters sagte, sie wolle sich mir gegenüber dankbar erweisen, befahl der Vater, da er sich bei mir durch eine gebührende Gegengabe revanchieren wollte, mich freizulassen unter freien Himmel und mit den Stuten in der Herde weiden zu lassen. »Denn so, als wäre er frei«, sagte er, »wird er in Freuden leben und die Stuten bespringen.« Und dies wäre dann als die gebührendste Gegengabe erschienen, wenn die Sache vor einem Esel als Richter verhandelt worden wäre. Er rief nun einen von den Pferdehirten und übergab mich diesem, ich aber freute mich, dass ich keine Lasten mehr würde tragen müssen. Als wir auf dem Feld ankamen, mischte mich der Hirte unter die Stuten und trieb uns als Herde auf die Weide. 28 Aber nun sollte es mir auch dort ergehen wie Kandaules. Denn der Aufseher über die Stuten überließ mich im Inneren des Hauses seiner Frau Megalopole. Die aber spannte mich vor die Mühle, so dass ich für sie den Weizen und die ganze Gerste mahlen musste, und dies wäre kein allzu großes Übel für einen dankbaren Esel gewesen, für seine eigenen Aufseher zu mahlen. Die Beste aber vermietete meinen geplagten Nacken auch an die anderen, die auf jenen Feldern lebten – und es waren sehr viele –, wobei sie Mehl als Entgelt von ihnen forderte, und die Gerste, mein Futter, röstete sie, warf sie mir zum Mahlen vor, backte Gerstenkuchen daraus und verschlang ihn. Mir blieb nur die Kleie als Futter. Und wenn mich einmal der Hirte zusammen mit den Stuten auf die Weide trieb, wurde ich von den Hengsten gestoßen, gebissen und beinahe umgebracht. Denn da sie argwöhnten, ich sei bei ihren eigenen Stuten Ehebrecher, verfolgten sie mich immerzu, mit beiden Hinterbeinen

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ἐδίωκον ἀμφοτέροις εἰς ἐμὲ ὑπολακτίζοντες, ὥστε φέρειν οὐκ ἠδυνάμην ζηλοτυπίαν ἱππικήν. λεπτὸς οὖν καὶ ἄμορφος ἐν οὐ πολλῷ χρόνῳ ἐγενόμην, οὔτε ἔνδον εὐφραινόμενος πρὸς τῇ μύλῃ οὔτε ὑπαίθριος νεμόμενος, ὑπὸ τῶν συννόμων πολεμούμενος. 29 Καὶ μὴν καὶ τὰ πολλὰ εἰς τὸ ὄρος ἄνω ἐπεμπόμην καὶ ξύλα τοῖς ὤμοις ἐκόμιζον. τοῦτο δὲ ἦν τὸ κεφάλαιον τῶν ἐμῶν κακῶν· πρῶτον μὲν ὑψηλὸν ὄρος ἀναβαίνειν ἔδει, ὀρθὴν δεινῶς ὁδόν, εἶτα καὶ ἀνυπόδητος ὄρει ἐν λιθίνῳ. καί μοι συνεξέπεμπον ὀνηλάτην, παιδάριον ἀκάθαρτον. τοῦτό με καινῶς ἑκάστοτε ἀπώλλυεν· πρῶτον μὲν ἔπαιέ με καὶ τρέχοντα λίαν οὐ ξύλῳ ἁπλῷ, ἀλλὰ τῷ ὄζους πυκνοὺς ἔχοντι καὶ ὀξεῖς, καὶ ἀεὶ ἔπαιεν ἐς τὸ αὐτὸ τοῦ μηροῦ, ὥστε ἀνέῳκτό μοι κατ’ ἐκεῖνο ὁ μηρὸς τῇ ῥάβδῳ· ὁ δὲ ἀεὶ τὸ τραῦμα ἔπαιεν. εἶτά μοι ἐπετίθει φορτίον ὅσον χαλεπὸν εἶναι καὶ ἐλέφαντι ἐνεγκεῖν· καὶ ἄνωθεν ἡ κατάβασις ὀξεῖα ἦν· ὁ δὲ καὶ ἐνταῦθα ἔπαιεν. εἰ δέ μοι περιπῖπτον ἴδοι τὸ φορτίον καὶ εἰς τὸ ἕτερον ἐπικλῖνον, δέον τῶν ξύλων ἀφαιρεῖν καὶ τῷ κουφοτέρῳ προσβάλλειν καὶ τὸ ἴσον ποιεῖν, τοῦτο μὲν οὐδέποτε εἰργάσατο, λίθους δὲ μεγάλους ἐκ τοῦ ὄρους ἀναιρούμενος εἰς τὸ κουφότερον καὶ ἄνω νεῦον τοῦ φορτίου προσετίθει· καὶ κατῄειν ἄθλιος τοῖς ξύλοις ὁμοῦ καὶ λίθους ἀχρείους περιφέρων. καὶ ποταμὸς ἦν ἀένναος ἐν τῇ ὁδῷ· ὁ δὲ τῶν ὑποδημάτων φειδόμενος ὀπίσω τῶν ξύλων ἐπ’ ἐμοὶ καθίζων ἐπέρα τὸν ποταμόν. 30 Ἐἰ δέ ποτε οἷα κάμνων καὶ ἀχθοφορῶν καταπέσοιμι, τότε δὴ τὸ δεινὸν ἀφόρητον ἦν· οὗ γὰρ ἦν καταβάντος τὴν χεῖρά μοι ἐπιδοῦναι

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auf mich ausschlagend, so dass ich ihre Pferdeeifersucht nicht ertragen konnte. Mager und hässlich wurde ich nun in nicht allzu langer Zeit, da ich weder drinnen bei der Mühle froh sein konnte noch unter freiem Himmel auf der Weide, weil ich von meinen Weidegenossen bekriegt wurde. 29 Außerdem wurde ich auch noch oft ins Gebirge hinaufgeschickt und musste Holz auf dem Rücken tragen. Das war der Gipfel meiner Übel: vor allem, weil ich einen hohen Berg hinaufsteigen musste, einen furchtbar steilen Weg, und dann auch noch unbeschuht auf einem felsigen Berg. Und sie schickten einen Eseltreiber mit mir mit, einen jungen Dreckskerl. Der versuchte ein jedes Mal mich auf eine neue Weise zugrunde zu richten. Vor allem schlug er mich heftig, selbst wenn ich lief, nicht nur mit einem einfachen Holzstock, sondern mit einem, der zahlreiche scharfe Knoten hatte, und er schlug mich immer auf dieselbe Stelle am Schenkel, so dass mir der Schenkel dort von der Rute aufgeplatzt war. Er aber schlug immer weiter auf die Wunde. Dann belud er mich auch noch mit so viel Last, die selbst für einen Elefanten schwer zu tragen gewesen wäre. Und der Abstieg von oben war steil. Er aber schlug mich auch dabei. Immer wenn er sah, dass mir die Last umzufallen drohte, sich zu einer der beiden Seiten neigte und es nötig gewesen wäre, etwas von den Hölzern wegzunehmen, auf der leichteren Seite dazuzulegen und so das Gleichgewicht herzustellen, tat er dies nie, sondern hob große Steine vom Berg auf und legte sie auf die leichtere und sich nach oben neigende Seite der Last dazu. So stieg ich unglücklich, weil ich zusammen mit den Hölzern auch noch nutzlos Steine herumschleppte, den Weg hinab. Und da war auf dem Weg ein Fluss, der immer Wasser führte: Er aber wollte seine Schuhe schonen, setzte sich hinter die Hölzer auf meinen Rücken und überquerte so den Fluss. 30 Wenn ich aber einmal vor Erschöpfung und unter der Last stürzte, dann wurde die schreckliche Lage gänzlich unerträglich: Er hätte nämlich absteigen, mir seine helfende Hand leihen, mir vom

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κἀμὲ χαμόθεν ἐπεγείρειν καὶ τὸ φορτίον ἀφελεῖν, ἄν ποτε καὶ δέοι, ὁ δὲ οὔτε κατῆλθεν οὔτε χεῖρά μοι ἐπέδωκεν, ἀλλ’ ἄνωθεν ἀπὸ τῆς κεφαλῆς καὶ τῶν ὤτων ἀρξάμενος συνέκοπτέ με τῷ ξύλῳ, ἕως ἐπεγείρωσί με αἱ πληγαί. καὶ μὴν καὶ ἄλλο κακὸν εἰς ἐμὲ ἀφόρητον ἔπαιζεν· συνενεγκὼν ἀκανθῶν ὀξυτάτων φορτίον καὶ τοῦτο δεσμῷ περισφίγξας ἀπεκρέμνα ὄπιθεν ἐκ τῆς οὐρᾶς, αἱ δὲ οἷον εἰκὸς ἀπιόντος τὴν ὁδὸν ἀποκρεμάμεναι προσέπιπτόν μοι καὶ πάντα μοι τὰ ὄπισθεν νύττουσαι ἐτίτρωσκον· καὶ ἦν μοι τὸ ἀμύνειν ἀδύνατον, τῶν τιτρωσκόντων ἀεί μοι ἑπομένων κἀμοῦ ἠρτημένων. εἰ μὲν γὰρ ἀτρέμα προΐοιμι φυλαττόμενος τῶν ἀκανθῶν τὴν προσβολήν, ὑπὸ τῶν ξύλων ἀπωλλύμην, εἰ δὲ φεύγοιμι τὸ ξύλον, τότ’ ἤδη τὸ δεινὸν ὄπιθεν ὀξὺ προσέπιπτεν. καὶ ὅλως ἔργον ἦν τῷ ὀνηλάτῃ τῷ ἐμῷ ἀποκτενεῖν με. 31 Ἐπεὶ δέ ποτε ἅπαξ κακὰ πάσχων πολλὰ οὐκέτι φέρων πρὸς αὐτὸν λὰξ ἐκίνησα, εἶχεν ἀεὶ τοῦτο τὸ λὰξ ἐν μνήμῃ. καί ποτε κελεύεται στυππεῖον ἐξ ἑτέρου χωρίου εἰς ἕτερον χωρίον μετενεγκεῖν· κομίσας οὖν με καὶ τὸ στυππεῖον πολὺ συνενεγκὼν κατέδησεν ἐπ’ ἐμὲ καὶ δεσμῷ ἀργαλέῳ εὖ μάλα προσέδησέ με τῷ φορτίῳ κακὸν ἐμοὶ μέγα τυρεύων. ἐπεὶ δὲ προϊέναι λοιπὸν ἔδει, ἐκ τῆς ἑστίας κλέψας δαλὸν ἔτι θερμόν, ἐπειδὴ πόρρω τῆς αὐλῆς ἐγενόμεθα, τὸν δαλὸν ἐνέκρυψεν εἰς τὸ στυππεῖον. τὸ δέ – τί γὰρ ἄλλο ἐδύνατο; – εὐθὺς ἀνάπτεται, καὶ λοιπὸν οὐδὲν ἔφερον ἄλλο ἢ πῦρ ἄπλετον. μαθὼν οὖν ὡς αὐτίκα ὀπτήσομαι, ἐν τῇ ὁδῷ τέλματι βαθεῖ ἐντυχὼν ῥίπτω ἐμαυτὸν τοῦ τέλματος ἐς τὸ ὑγρότατον· εἶτα ἐκύλιον ἐνταῦθα τὸ στυππεῖον καὶ δινῶν καὶ στρέφων

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Boden aufhelfen und etwas von der Last wegnehmen müssen, wann immer es nötig sein sollte, aber er stieg weder ab noch lieh er mir eine helfende Hand, sondern schlug von oben auf mich, vom Kopf und den Ohren beginnend, mit dem Holzstock ein, bis mich die Schläge auf die Beine brachten. Und darüber hinaus spielte er mir auch noch einen anderen unerträglich üblen Streich: Er sammelte eine Last aus sehr spitzen Dornen, schnürte sie mit einem Band ringsum zusammen und hängte sie mir hinten an den Schwanz. Diese aber stießen, wie zu erwarten war, da sie herabhingen, beim Gehen an mir an, zerstachen mein ganzes Hinterteil und übersäten es so mit Wunden. Und es war für mich unmöglich, etwas dagegen zu tun, da die mich verletzenden Dornen mir immer folgten und an mir angebunden waren. Immer wenn ich nämlich behutsam voranschritt, da ich das Anstoßen der Dornen vermeiden wollte, wurde ich von den Prügeln mit dem Holzstock beinahe umgebracht, wenn ich aber dem Holzstock entgehen wollte, dann stieß mich schon das furchtbare spitze Bündel von hinten an. Und die Tätigkeit meines Eselstreibers bestand ganz und gar darin, mich zu töten. 31 Als ich dann einmal meine vielen Leiden nicht mehr ertragen konnte und ihm einen Tritt versetzte, behielt er diesen Tritt immer im Gedächtnis. Und einmal wurde ihm befohlen, Werg von einem Ort zu einem anderen zu transportieren: Er nahm mich also mit, trug das Werg zu einem großen Bündel zusammen, packte es auf meinen Rücken und band mich mit schmerzhaftem Bande ganz fest an die Last und bereitete mir so ein großes Übel: Als es nunmehr nötig war aufzubrechen, stahl er vom Herd ein noch warmes Scheit und versteckte das Scheit, als wir schon weit vom Hof entfernt waren, mitten im Werg. Dieses aber – was anderes wäre denn möglich gewesen? – ging sofort in Flammen auf und ich trug nunmehr nichts anderes als ein riesiges Feuer auf dem Rücken. Als ich begriff, dass ich sofort gebraten würde, traf ich glücklicherweise auf dem Weg auf eine tiefe Pfütze und warf mich in den feuchtesten Teil der Pfütze; dann wälzte ich darin das Werg, drehte und wende-

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ἐμαυτὸν τῷ πηλῷ κατέσβεσα τὸ θερμὸν ἐκεῖνο καὶ πικρὸν ἐμοὶ φορτίον, καὶ οὕτω λοιπὸν ἀκινδυνότερον ἐβάδιζον τῆς ὁδοῦ τὸ ἐπίλοιπον. οὐδὲ γὰρ ἔτι με ἀνάψαι τῷ παιδὶ δυνατὸν ἦν τοῦ στυππείου πηλῷ. ὑγρῷ πεφυρμένου. καὶ τοῦτό γε ὁ τολμηρὸς παῖς ἐλθὼν ἐμοῦ κατεψεύσατο, εἰπών, ὡς παριὼν ἑκὼν ἑαυτὸν ἐνσείσαιμι τῇ ἑστίᾳ. καὶ τότε μὲν ἐκ τοῦ στυππείου μηδὲ ἐλπίζων ὑπεξῆλθον. 32 Ἀλλ’ ἕτερον ὁ ἀκάθαρτος παῖς ἐξεῦρεν ἐπ’ ἐμὲ μακρῷ κάκιον· κομίσας γάρ με ἐς τὸ ὄρος καί μοι φορτίον ἁδρὸν ἐπιθεὶς ἐκ τῶν ξύλων, τοῦτο μὲν πιπράσκει γεωργῷ πλησίον οἰκοῦντι, ἐμὲ δὲ γυμνὸν καὶ ἄξυλον κομίσας οἴκαδε καταψεύδεταί μου πρὸς τὸν αὑτοῦ δεσπότην ἔργον ἀνόσιον· “τοῦτον, δέσποτα, τὸν ὄνον οὐκ οἶδ’ ὅ τι βόσκομεν δεινῶς ἀργὸν ὄντα καὶ βραδύν. ἀλλὰ μὴν νῦν ἐπιτηδεύει καὶ ἄλλο ἔργον· ἐπὰν γυναῖκα παρθένον καλὴν καὶ ὡραίαν ἴδῃ ἢ παῖδα, ἀπολακτίσας ἕπεται δρόμῳ ἐπ’ αὐτούς, ὡς εἴ τις ἐρᾷ ἄνθρωπος ἄρρην ἐπὶ ἐρωμένῃ γυναικὶ κινούμενος, καὶ δάκνει ἐν φιλήματος σχήματι καὶ πλησιάζειν βιάζεται, ἐκ δὲ τούτου σοι δίκας καὶ πράγματα παρέξει, πάντων ὑβριζομένων, πάντων ἀνατρεπομένων. καὶ γὰρ νῦν ξύλα κομίζων γυναῖκα εἰς ἀγρὸν ἀπιοῦσαν ἰδὼν τὰ μὲν ξύλα πάντα χαμαὶ ἐσκόρπισεν ἀποσεισάμενος, τὴν δὲ γυναῖκα ἐς τὴν ὁδὸν ἀνατρέψας γαμεῖν ἐβούλετο, ἕως ἄλλος ἄλλοθεν ἐκδραμόντες ἤμυναν τῇ γυναικὶ ἐς τὸ μὴ διασπασθῆναι ὑπὸ τοῦ καλοῦ τούτου ἐραστοῦ.” 33 Ὁ δὲ ταῦτα πυθόμενος “ἀλλ’ εἰ μήτε βαδίζειν” ἔφη “ἐθέλει μήτε φορτηγεῖν καὶ ἔρωτας ἀνθρωπίνους ἐρᾷ ἐπὶ γυναῖκας καὶ παῖδας οἰστρούμενος, ἀποσφάξατε αὐτόν, καὶ τὰ μὲν ἔγκατα τοῖς κυσὶ δότε, τὰ

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te mich und brachte durch den Schlamm jene warme und mir bittere Last zum Erlöschen und ging so nunmehr gefahrloser den Rest des Weges; denn es war dem Jungen nicht mehr möglich, mich anzuzünden, da das Werg mit feuchtem Schlamm vermischt war. Doch auch in dieser Sache verleumdete mich der dreiste Junge nach der Ankunft, indem er sagte, ich sei beim Vorbeigehen absichtlich an den Herd gestoßen. Und so kam ich damals unverhofft aus der Sache mit dem Werg heraus. 32 Aber der junge Dreckskerl dachte sich ein bei Weitem schlimmeres Übel gegen mich aus. Denn als er mich zu dem Berg gebracht und mir eine große Ladung Holz aufgeladen hatte, verkaufte er diese zwar einem Bauern, der in der Nähe wohnte, mich aber brachte er unbeladen und ohne Holz nach Hause und bezichtigt mich auf lügnerische Weise seinem Herrn gegenüber einer Freveltat: »Ich weiß nicht, Herr, warum wir diesen Esel noch füttern, der doch fürchterlich träge und langsam ist. Jetzt aber beschäftigt er sich doch wirklich mit etwas ganz anderem: Wenn er eine Frau oder ein schönes junges Mädchen sieht oder einen Jungen, schlägt er aus und galoppiert auf sie zu, wie wenn ein Mann verliebt ist und zu einer Geliebten läuft, und beißt sie, was aussieht, als würde er sie küssen, und versucht, sie zum Sex zu zwingen. Deshalb wird er dir Rechtstreitereien und Schwierigkeiten bereiten, da von ihm alle misshandelt werden und alles auf den Kopf gestellt wird. Denn eben, als er Holz trug und eine Frau aufs Feld gehen sah, schüttelte er das ganze Holz von sich ab und verstreute es auf dem Boden, die Frau aber warf er am Weg um und wollte es mit ihr treiben, bis Leute – der eine von hier, der andere von dort – herausliefen und der Frau halfen, damit sie nicht von diesem schönen Liebhaber zerrissen würde.« 33 Der aber sagte, als er es gehört hatte: »Nun, wenn er weder gehen noch eine Last tragen will, auf Liebesabenteuer mit Menschen aus ist und geil auf Frauen und Jungen, dann schlachtet ihn, gebt seine Eingeweide den Hunden, sein Fleisch aber hebt für die

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δὲ κρέα τοῖς ἐργάταις φυλάξατε· καὶ ἢν ἔρηται, πῶς οὗτος ἀπέθανε, λύκου τοῦτο καταψεύσασθε.” Ὁ μὲν οὖν ἀκάθαρτος παῖς ἐμὸς ὀνηλάτης ἔχαιρε καί με αὐτίκα ἤθελεν ἀποσφάττειν. ἀλλ’ ἔτυχε γάρ τις παρὼν τότε τῶν γειτόνων γεωργῶν· οὗτος ἐρρύσατό με ἐκ τοῦ θανάτου δεινὰ ἐπ’ ἐμοὶ βουλευσάμενος. “μηδαμῶς” ἔφη “ἀποσφάξῃς ὄνον καὶ ἀλεῖν καὶ ἀχθοφορεῖν δυνάμενον· καὶ οὐ μέγα. ἐπειδὴ γὰρ εἰς ἀνθρώπους ἔρωτι καὶ οἴστρῳ φέρεται, λαβὼν αὐτὸν ἔκτεμε· τῆς γὰρ ἐπαφροδίτου ταύτης ὁρμῆς ἀφαιρεθεὶς ἥμερός τε εὐθὺς καὶ πίων ἔσται καὶ οἴσει φορτίον μέγα οὐδὲν ἀχθόμενος. εἰ δὲ αὐτὸς ἀπείρως ἔχεις ταύτης τῆς ἰατρείας, ἀφίξομαι δεῦρο μεταξὺ τριῶν ἢ τεττάρων ἡμερῶν καί σοι τοῦτον σωφρονέστερον προβατίου παρέξω τῇ τομῇ.” Ὁἱ μὲν οὖν ἔνδον ἅπαντες ἐπῄνουν τὸν σύμβουλον, ὡς εὖ λέγοι, ἐγὼ δὲ ἤδη ἐδάκρυον ὡς ἀπολέσων αὐτίκα τὸν ἐν τῷ ὄνῳ ἄνδρα καὶ ζῆν οὐκέτι ἐθέλειν ἔφην, εἰ γενοίμην εὐνοῦχος· ὥστε καὶ ὅλως ἀποσιτῆσαι τοῦ λοιποῦ ἐγνώκειν ἢ ῥῖψαι ἑαυτὸν ἐκ τοῦ ὄρους, ἔνθα ἐκπεσὼν θανάτῳ οἰκτίστῳ ὁλόκληρος ἔτι καὶ ἀκέραιος νεκρὸς τεθνήξομαι. 34 Ἐπεὶ δὲ νὺξ ἦν βαθεῖα, ἄγγελός τις ἀπὸ τῆς κώμης ἧκεν εἰς τὸν ἀγρὸν καὶ τὴν ἔπαυλιν, ταύτην λέγων τὴν νεόνυμφον κόρην τὴν ὑπὸ τοῖς λῃσταῖς γενομένην καὶ τὸν ταύτης νυμφίον, περὶ δείλην ὀψίαν ἀμφοτέρους αὐτοὺς ἐν τῷ αἰγιαλῷ περιπατοῦντας, ἐπιπολάσασαν ἄφνω τὴν θάλασσαν ἁρπάξαι αὐτοὺς καὶ ἀφανεῖς ποιῆσαι, καὶ τέλος αὐτοῖς τοῦτο τῆς συμφορᾶς καὶ θανάτου γενέσθαι. οἱ δὲ οἷα δὴ κεκενωμένης 〈τῆς〉 οἰκίας νέων δεσποτῶν ἔγνωσαν μηκέτι μένειν ἐν τῇ δουλείᾳ, ἀλλὰ πάντα διαρπάσαντες τὰ ἔνδον φυγῇ ἐσῴζοντο. ὁ δὲ νομεὺς τῶν ἵππων κἀμὲ παραλαβὼν ἐπικατέδησέ μοι καὶ ταῖς ἵπποις καὶ κτήνεσιν ἄλλοις.

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Arbeiter auf! Und wenn man fragt, wie er umgekommen ist, lügt, ein Wolf sei’s gewesen.« Mein Eselstreiber, der Dreckskerl, freute sich nun und wollte mich sofort schlachten. Aber zufällig war einer der Nachbarsbauern da; der rettete mich vor dem Tod, nachdem er sich etwas Schreckliches gegen mich ausgedacht hatte: »Schlachte auf keinen Fall«, sagte er, »einen Esel, der noch mahlen und Lasten tragen kann! Und es ist keine große Sache. Denn da er ja in seiner Liebe und Geilheit auf Menschen losgeht, kastriere ihn einfach! Denn wenn er dieses Sexualtriebs beraubt ist, wird er sofort sanft und fett sein und ohne Murren große Last tragen. Wenn du selbst dich aber nicht auf diese Operation verstehst, werde ich in drei oder vier Tagen hierher zurückkommen und ihn dir durch meinen Schnitt keuscher als ein Lamm machen.« Alle drinnen Anwesenden lobten nun den Ratgeber, dass er recht habe, ich aber weinte schon jetzt darüber, dass ich alsbald den Mann im Esel verlieren sollte, und sagte zu mir, dass ich nicht länger leben wollte, wenn ich ein Eunuch werden sollte. Daher war ich entschlossen, künftig gänzlich auf Speise zu verzichten oder mich von dem Berg hinabzustürzen, wo ich trotz des Sturzes in einen äußerst kläglichen Tod immerhin noch als Leichnam mit allen Gliedern und ohne Verstümmelung gestorben sein würde. 34 Als es tief in der Nacht war, kam ein Bote vom Dorf aufs Land und zum Gehöft mit der Nachricht, das plötzlich anschwellende Meer habe die frisch vermählte junge Frau, die in der Gewalt der Räuber gewesen war, und ihren Ehemann, als sie beide am späten Nachmittag am Strand spazieren gingen, fortgerissen und außer Sichtweite getrieben, und dies sei für sie das tragische und tödliche Ende gewesen. Da das Haus nun ja der jungen Herrschaft beraubt war, beschlossen sie, nicht mehr in der Sklaverei zu bleiben, sondern drinnen im Haus alles auszuplündern und dann ihr Heil in der Flucht suchen. Der Pferdehirt übernahm nun auch mich und band mir, den Stuten und den anderen Lasttieren alles auf den

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ἐγὼ δὲ ἠχθόμην μὲν φέρων φορτίον ὄνου ἀληθινοῦ, ἀλλ’ οὖν ἄσμενος τὸ ἐμπόδιον τοῦτο τῆς ἐμῆς ἐδεξάμην ἐκτομῆς. καὶ τὴν νύκτα ὅλην ἐλθόντες ὁδὸν ἀργαλέαν καὶ τριῶν ἄλλων ἡμερῶν τὴν ὁδὸν ἀνύσαντες ἐρχόμεθα ἐς πόλιν τῆς Μακεδονίας Βέροιαν μεγάλην καὶ πολυάνθρωπον. 35 Ἐνταῦθα ἔγνωσαν οἱ ἄγοντες ἡμᾶς ἱδρῦσαι καὶ ἑαυτούς. καὶ τότε δὴ πρᾶσις ἦν ἡμῶν τῶν κτηνῶν καὶ κῆρυξ εὔφημος ἐν ἀγορᾷ μέσῃ ἑστὼς ἐκήρυττεν. οἱ δὲ προσιόντες ἰδεῖν ἤθελον τὰ στόματα ἡμῶν ἀνοίγοντες καὶ τὴν ἡλικίαν ἐν τοῖς ὀδοῦσιν ἑκάστῳ ἔβλεπον, καὶ τοὺς μὲν ὠνήσαντο ἄλλος ἄλλον, ἐμὲ δὲ ὕστατον ἀπολελειμμένον ὁ κῆρυξ ἐκέλευεν αὖθις ἀπάγειν ἐς οἶκον. “ὁρᾷς,” ἔφη “οὗτος μόνος οὐχ εὕρηκε κύριον.” Ἡ δὲ πολλὰ πολλάκις δινουμένη καὶ μεταπίπτουσα Νέμεσις ἤγαγεν κἀμοὶ τὸν δεσπότην, οἷον οὐκ ἂν εὐξάμην. κίναιδος γὰρ καὶ γέρων ἦν τούτων εἷς τῶν τὴν θεὸν τὴν Συρίαν εἰς τὰς κώμας καὶ τοὺς ἀγροὺς περιφερόντων καὶ τὴν θεὸν ἐπαιτεῖν ἀναγκαζόντων. τούτῳ πιπράσκομαι πολλῆς πάνυ τιμῆς, τριάκοντα δραχμῶν· καὶ στένων ἤδη τῷ δεσπότῃ εἱπόμην ἄγοντι. 36 ἐπεὶ δὲ ἥκομεν ἔνθα ᾤκει Φίληβος – τοῦτο γὰρ εἶχεν ὄνομα ὁ ὠνησάμενός με – μέγα εὐθὺς πρὸ τῆς θύρας ἀνέκραγεν· “ὦ κοράσια, δοῦλον ὑμῖν ἐώνημαι καλὸν καὶ ἁδρὸν καὶ Καππαδόκην τὸ γένος.” Ἦσαν δὲ τὰ κοράσια ταῦτα ὄχλος κιναίδων συνεργῶν τοῦ Φιλήβου, καὶ πάντες πρὸς τὴν βοὴν ἀνεκρότησαν· ᾤοντο γὰρ ἀληθῶς ἄνθρωπον εἶναι τὸν ἐωνημένον. ὡς δὲ εἶδον ὄνον ὄντα τὸν δοῦλον, ἤδη ταῦτα ἐς τὸν Φίληβον ἔσκωπτον· “τοῦτον οὐ δοῦλον, ἀλλὰ νυμφίον

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Rücken. Ich ächzte zwar, da ich die Last eines echten Esels zu tragen hatte, nahm aber doch das Ereignis, das meine Kastration verhindert hatte, freudig auf. Und nachdem wir die ganze Nacht einen beschwerlichen Weg gegangen waren und einen Weg von drei weiteren Tagen zurückgelegt hatten, kamen wir nach Beroia, einer großen und bevölkerungsreichen Stadt Makedoniens. 35 Dort beschlossen unsere Treiber, sich auch selbst niederzulassen. Daher fand also nun ein Verkauf von uns Lasttieren statt und ein Herold mit lauter Stimme verkündete dies mitten auf dem Marktplatz stehend. Die Leute, die herbeikamen, wollten unsere Mäuler sehen, öffneten sie, sahen an den Zähnen eines jeden Tiers sein Alter und kauften eines nach dem anderen, nur mich befahl der Herold, da ich als letztes übriggeblieben war, wieder ins Haus abführen zu lassen: »Du siehst«, sagte er, »nur dieser Esel hat keinen Herrn gefunden.« Doch Nemesis, die oft vieles herumwirbelt und ihren Sinn ändert, brachte auch mir einen Herrn – einen, wie ich ihn mir nicht gewünscht hätte. Denn es war ein alter Kinäde, einer von denen, welche die Syrische Göttin in den Dörfern und auf dem Land herumtrugen und die Göttin zum Betteln zwangen. Diesem wurde ich für einen sehr hohen Preis verkauft, für 30 Drachmen; und seufzend folgte ich sogleich meinem Herrn, der mich führte. 36 Als wir aber dorthin kamen, wo Philebos wohnte – so hieß nämlich mein Käufer –, rief er sogleich laut vor der Tür: »Mädelchen, ich habe euch einen schönen starken Sklaven, der aus Kappadokien stammt, gekauft.« Diese ›Mädelchen‹ waren aber eine Schar Kinäden, Helfer des Philebos, und alle klatschten auf seine laute Ankündigung hin Beifall. Denn sie glaubten, der Gekaufte sei wirklich ein Mensch. Als sie aber sahen, dass der Sklave ein Esel war, verspotteten sie Philebos sogleich so: »Den da, der kein Sklave, sondern dein Bräutigam ist, woher hast du ihn bekommen und bringst ihn daher? Mögest du

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σαυτῇ πόθεν ἄγεις λαβοῦσα; ὄναιο δὲ τούτων τῶν καλῶν γάμων καὶ τέκοις ταχέως ἡμῖν πώλους τοιούτους.” 37 Καὶ οἱ μὲν ἐγέλων. τῇ δὲ ὑστεραίᾳ συνετάττοντο ἐπ’ ἔργον, ὥσπερ αὐτοὶ ἔλεγον, καὶ τὴν θεὸν ἐνσκευασάμενοι ἐμοὶ ἐπέθηκαν. εἶτα ἐκ τῆς πόλεως ἐξηλαύνομεν καὶ τὴν χώραν περιῄειμεν. ἐπὰν δ’ εἰς κώμην τινὰ εἰσέλθοιμεν, ἐγὼ μὲν ὁ θεοφόρητος ἱστάμην, ὁ δὲ αὐλητὴς ἐφύσα ὅμιλος ἔνθεον, οἱ δὲ τὰς μίτρας ἀπορρίψαντες τὴν κεφαλὴν κάτωθεν ἐκ τοῦ αὐχένος εἱλίσσοντες τοῖς ξίφεσιν ἐτέμνοντο τοὺς πήχεις καὶ τὴν γλῶτταν τῶν ὀδόντων ὑπερβάλλων ἕκαστος ἔτεμνε καὶ ταύτην, ὥστε ἐν ἀκαρεῖ πάντα πεπλῆσθαι μαλακοῦ αἵματος. ἐγὼ δὲ ταῦτα ὁρῶν τὰ πρῶτα ἔτρεμον ἑστώς, μή ποτε χρεία τῇ θεῷ καὶ ὀνείου αἵματος γένοιτο. ἐπειδὰν δὲ κατακόψειαν οὕτως ἑαυτούς, ἐκ τῶν περιεστηκότων θεατῶν συνέλεγον ὀβολοὺς καὶ δραχμάς· ἄλλος ἰσχάδας καὶ οἴνου κάδον καὶ τυροὺς ἐπέδωκε καὶ πυρῶν μέδιμνον καὶ κριθῶν τῷ ὄνῳ. οἱ δὲ ἐκ τούτων ἐτρέφοντο καὶ τὴν ἐπ’ ἐμοὶ κομιζομένην θεὸν ἐθεράπευον. 38 Καί ποτε εἰς κώμην τινὰ αὐτῶν εἰσβαλόντων ἡμῶν νεανίσκον τῶν κωμητῶν μέγαν ἀγρεύσαντες εἰσάγουσιν εἴσω, ἔνθα καταλύοντες ἔτυχον. ἔπειτα ἔπασχον ἐκ τοῦ κωμήτου, ὅσα συνήθη καὶ φίλα τοιούτοις ἀνοσίοις κιναίδοις ἦν. ἐγὼ δὲ ὑπεραλγήσας ἐπὶ τῇ ἐμαυτοῦ μεταβολῇ, “καὶ μέχρι νῦν ἀνέχομαι κακῶν,” ἀναβοῆσαι “ὦ Ζεῦ σχέτλιε” ἠθέλησα, ἀλλ’ ἡ μὲν φωνὴ οὐκ ἀνέβη μοι ἡ ἐμή, ἀλλ’ ἡ τοῦ ὄνου ἐκ τοῦ φάρυγγος, καὶ μέγα ὠγκησάμην. τῶν δὲ κωμητῶν τινες ἔτυχον τότε ὄνον ἀπολωλεκότες, καὶ τὸν ἀπολωλότα ζητοῦντες ἀκούσαντές μου μέγα ἀναβοήσαντος παρέρχονται εἴσω οὐδενὶ οὐδὲν εἰπόντες ὡς ἐμοῦ τοῦ ἐκείνων ὄντος, καὶ καταλαμβάνουσι τοὺς κιναίδους ἄρρητα ἔνδον ἐργαζομένους· καὶ

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von dieser schönen Hochzeit profitieren und uns bald Füllen von seiner Art gebären!« 37 Und sie lachten. Am nächsten Tag rüsteten sie sich zur Arbeit, wie sie es nannten, machten die Göttin zurecht und setzten sie auf meinen Rücken. Dann zogen wir aus der Stadt heraus und gingen im Land umher. Jedes Mal, wenn wir in ein Dorf kamen, hielt ich, der Träger der Göttin, an, die Schar der Flötenspieler blies eine von der Göttin inspirierte Melodie, die anderen warfen ihre Mitren weg, wirbelten ihren Kopf von unten aus dem Nacken herum und schnitten sich mit ihren Schwertern in die Unterarme und in die Zunge, die ein jeder zwischen den Zähnen herausstreckte, so dass in kurzer Zeit alles voll von ihrem verweichlichten Blut war. Als ich dies zum ersten Mal sah, stand ich da und zitterte vor Angst, dass die Göttin einmal das Bedürfnis auch nach Eselsblut überkommen könnte. Jedes Mal, wenn sie sich nun selbst so verstümmelten, sammelten sie von den umstehenden Zuschauern Obolen und Drachmen ein. Andere gaben getrocknete Feigen, einen Krug Wein, Käse und einen Scheffel Weizen und Gerste für den Esel. Die aber ernährten sich davon und verehrten die auf meinem Rücken getragene Göttin. 38 Als wir einmal in eines ihrer Dörfer eingerückt waren, trieben sie einen großen jungen Dorfbewohner auf und brachten ihn in die Unterkunft, wo sie gerade waren. Dann ließen sie von dem Bauernburschen alles mit sich geschehen, was solchen frevelhaften Kinäden vertraut und lieb war. Ich aber, übermäßig betrübt wegen meine Verwandlung, wollte ausrufen: »Und bis jetzt, o grausamer Zeus, ertrage ich noch meine Leiden!«, aber nicht meine Stimme kam mir aus der Kehle hervor, sondern die eines Esels und ich schrie laut. Einige Dorfbewohner hatten da gerade einen Esel verloren und suchten den verlorengegangenen, und als sie mich laut schreien hörten, kamen sie, ohne jemanden irgendetwas zu sagen, herein in der Meinung, ich sei ihr Esel, und ertappten die Kinäden, wie sie drinnen Unaussprechliches trieben. Und großes Gelächter

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γέλως ἐκ τῶν ἐπεισελθόντων πολὺς γίνεται. ἔξω ἐκδραμόντες ὅλῃ τῇ κώμῃ τῷ λόγῳ διέδωκαν τῶν ἱερέων τὴν ἀσέλγειαν. οἱ δὲ αἰδούμενοι δεινῶς ταῦτα ἐληλεγμένα τῆς ἐπιούσης νυκτὸς εὐθὺς ἔνθεν ἐξήλασαν, καὶ ἐπειδὴ ἐγένοντο ἐν τῇ ἐρήμῳ τῆς ὁδοῦ ἐχαλέπαινον καὶ ὠργίζοντο ἐμοὶ τῷ μηνύσαντι τὰ ἐκείνων μυστήρια. καὶ τοῦτο μὲν ἀνεκτὸν τὸ δεινὸν ἦν, κακῶς τῷ λόγῳ ἀκούειν, ἀλλὰ τὰ μετὰ τοῦτο οὐκέτ’ ἀνεκτά· τὴν γὰρ θεὸν ἀφελόντες μου καὶ χαμαὶ καταθέμενοι καὶ τὰ στρώματά μου πάντα περισπάσαντες γυμνὸν ἤδη προσδέουσί με δένδρῳ μεγάλῳ, εἶτα ἐκείνῃ τῇ ἐκ τῶν ἀστραγάλων μάστιγι παίοντες ὀλίγον ἐδέησαν ἀποκτεῖναι, κελεύοντές με τοῦ λοιποῦ ἄφωνον εἶναι θεοφόρητον. καὶ μὴν καὶ ἀποσφάξαι μετὰ τὰς μάστιγας ἐβουλεύσαντο ὡς ἐς ὕβριν αὐτοὺς βαλόντα πολλὴν καὶ τῆς κώμης οὐκ ἐργασαμένους ἐκβαλόντα· ἀλλ’ ὥστε με μὴ ἀποκτεῖναι, δεινῶς αὐτοὺς ἡ θεὸς ἐδυσώπησεν χαμαὶ καθημένη καὶ οὐκ ἔχουσα ὅπως ὁδεύοι. 39 Ἐντεῦθεν οὖν μετὰ τὰς μάστιγας λαβὼν τὴν δέσποιναν ἐβάδιζον καὶ πρὸς ἑσπέραν ἤδη καταλύομεν εἰς ἀγρὸν πλουτοῦντος ἀνθρώπου. καὶ ἦν οὗτος ἔνδον καὶ τὴν θεὸν μάλα ἄσμενος τῇ οἰκίᾳ ὑπεδέξατο καὶ θυσίας αὐτῇ προσήγαγεν. ἐνθάδε οἶδα μέγαν κίνδυνον αὐτὸς ὑποστάς· τῶν φίλων τις τῷ δεσπότῃ τῶν ἀγρῶν ἔπεμψε δῶρον ὄνου ἀγρίου μηρόν· τοῦτον ὁ μάγειρος σκευάσαι λαβὼν ῥᾳθυμίᾳ ἀπώλεσεν, κυνῶν πολλῶν λαθραίως εἴσω παρελθόντων· ὃς δεδιὼς πληγὰς πολλὰς καὶ βάσανον ἐκ τῆς ἀπωλείας τοῦ μηροῦ ἔγνω κρεμάσαι αὑτὸν ἐκ τοῦ τραχήλου. ἡ δὲ γυνὴ ἡ τούτου, κακὸν ἐξαίσιον ἐμὸν “ἀλλὰ μήτε ἀπόθνῃσκε,” εἶπεν, “ὦ φίλτατε, μήτε ἀθυμίᾳ τοιαύτῃ δῷς σεαυτόν· πειθόμενος γάρ μοι πράξεις εὖ πάντα. τῶν κιναίδων τὸν ὄνον λαβὼν ἔξω εἰς ἔρημον χωρίον κἄπειτα

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brach unter den Hereingekommenen aus. Sie liefen hinaus und berichteten dem ganzen Dorf von der Unzucht der Priester. Die aber schämten sich gewaltig, dass diese Dinge offengelegt waren, zogen in der folgenden Nacht sogleich von dort weg, und als sie an eine menschenleere Stelle des Wegs gekommen waren, waren sie entrüstet und wütend auf mich, der ich ihre Mysterien verraten hatte. Diese schreckliche Strafe, üble Worte hören zu müssen, war noch auszuhalten, aber was danach kam, war nicht mehr auszuhalten: Denn sie nahmen die Göttin von mir herunter, stellten sie auf dem Boden ab, zogen mir alle Decken ab und banden mich, der ich nun nackt war, an einen großen Baum, hätten mich durch ihre Schläge mit jener Knöchelpeitsche fast getötet und befahlen mir, künftig ein stummer Träger der Göttin zu sein. Und sie planten sogar, mich nach den Peitschenhieben abzuschlachten, da ich sie in große Schande gestürzt und aus dem Dorf vertrieben hätte, ohne dass sie ihre Arbeit dort zu Ende hätten bringen können. Aber damit sie mich nicht töteten, blickte die Göttin sie furchterregend an, da sie am Boden saß und nicht wusste, wie sie ohne mich reisen sollte. 39 Nach den Peitschenhieben ging ich nun von dort mit der Herrin weiter und gegen Abend machten wir schon Halt auf dem Landgut eines reichen Mannes. Der war drinnen, nahm die Göttin mit großer Freude in seinem Haus auf und brachte ihr Opfer dar. Da erkannte ich, dass ich selbst in große Gefahr geraten war. Einer seiner Freunde hatte dem Gutsherrn die Keule eines Wildesels als Geschenk geschickt. Diese nahm der Koch, um sie zuzubereiten, doch verlor er sie aus Unvorsichtigkeit, als viele Hunde heimlich hereingekommen waren. Da er wegen des Verlusts der Keule viele Schläge und Folter fürchtete, beschloss er, sich an seinem Hals aufzuhängen. Seine Frau aber, ein unheilvolles Übel für mich, sagte: »Aber töte dich nicht, mein Liebster, noch gib dich solcher Mutlosigkeit hin! Denn wenn du auf mich hörst, wird für dich alles gut ausgehen. Nimm den Esel der Kinäden mit hinaus zu einem ein-

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σφάξας αὐτὸν τὸ μέρος μὲν ἐκεῖνο τὸν μηρὸν ἀποτεμὼν κόμιζε δεῦρο καὶ σκευάσας τῷ δεσπότῃ ἀπόδος καὶ τὸ ἄλλο τοῦ ὄνου κάτω που ἐς κρημνὸν ἄφες· δόξει γὰρ ἀποδρὰς οἴχεσθαί ποι καὶ εἶναι ἀφανής. ὁρᾷς δέ, ὡς ἔστιν εὔσαρκος καὶ τοῦ ἀγρίου ἐκείνου πάντα ἀμείνων.” Ὁ δὲ μάγειρος τῆς γυναικὸς ἐπαινέσας τὸ βούλευμα “ἄριστα” ἔφη, “σοι, ὦ γύναι, ταῦτα, καὶ τούτῳ μόνῳ τῷ ἔργῳ τὰς μάστιγας φυγεῖν ἔχω, καὶ τοῦτό μοι ἤδη πεπράξεται.” Ὁ μὲν οὖν ἀνόσιος οὗτος οὑμὸς μάγειρος ἐμοῦ πλησίον ἑστὼς τῇ γυναικὶ ταῦτα συνεβουλεύετο. 40 ἐγὼ δὲ τὸ μέλλον ἤδη προορώμενος κράτιστον ἔγνων τὸ σῴζειν ἐμαυτὸν ἐκ τῆς κοπίδος καὶ ῥήξας τὸν ἱμάντα, ᾧ διηγόμην, καὶ ἀνασκιρτήσας ἵεμαι δρόμῳ εἴσω, ἔνθα ἐδείπνουν οἱ κίναιδοι σὺν τῷ δεσπότῃ τῶν ἀγρῶν. ἐνταῦθα εἰσδραμὼν ἀνατρέπω πάντα τῷ σκιρτήματι καὶ λυχνίαν καὶ τραπέζας· κἀγὼ μὲν ᾤμην κομψόν τι τοῦτο πρὸς σωτηρίαν ἐμὴν εὑρηκέναι, καὶ τὸν δεσπότην τῶν ἀγρῶν κελεύειν εὐθέως ὡς ἀγέρωχον ὄνον ἐμὲ κατακλεισθέντα ποι φυλάττεσθαι ἀσφαλῶς· ἀλλά με τοῦτο τὸ κομψὸν εἰς ἔσχατον ἤνεγκεν κινδύνου. λυττᾶν δόξαντές με ξίφη πολλὰ ἤδη καὶ λόγχας ἐπ’ ἐμὲ ἐσπάσαντο καὶ ξύλα μακρά, καὶ εἶχον οὕτως ὥστε ἀποκτενεῖν με. ἐγὼ δὲ ὁρῶν τοῦ δεινοῦ τὸ μέγεθος δρόμῳ εἴσω παρέρχομαι, ἔνθα οἱ ἐμοὶ δεσπόται κοιμηθήσεσθαι ἔμελλον. οἱ δὲ θεασάμενοι τοῦτο συγκλείουσι τὰς θύρας εὖ μάλα ἔξωθεν. 41 Ἐπεὶ δὲ ἤδη ὄρθρος ἦν, ἀράμενος τὴν θεὸν αὖθις ἀπῄειν ἅμα τοῖς ἀγύρταις καὶ ἀφικόμεθα εἰς κώμην ἄλλην μεγάλην καὶ πολυάνθρωπον, ἐν ᾗ καὶ καινότερόν τι ἐτερατεύσαντο, τὴν θεὸν μὴ μεῖναι ἐν ἀνθρώπου οἰκίᾳ, τῆς δὲ παρ’ ἐκείνοις μάλιστα τιμωμένης ἐπιχωρίου δαίμονος τὸν ναὸν οἰκῆσαι. οἱ δὲ καὶ μάλα ἄσμενοι τὴν ξένην θεὸν ὑπεδέξαντο τῇ

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samen Ort, schlachte ihn dann, schneide jenes Teil, die Keule, heraus, bring sie hierher, bereite sie für den Herrn zu und setze sie ihm vor, und den Rest des Esels wirf irgendwo einen Abhang hinunter! Es wird so aussehen, als sei er entkommen, fortgelaufen und verschwunden. Du siehst, wie fleischig er ist und in jeder Hinsicht besser als der Wildesel.« Der Koch lobte den Plan seiner Frau und sagte: »Das ist sehr gut, Frau, nur durch diese Tat kann ich den Peitschenhieben entgehen. Das wird von mir gleich erledigt sein.« Dieser mein eigener ruchloser Koch schmiedete also, während er in meiner Nähe stand, mit seiner Frau diesen Plan. 40 Ich aber erkannte, da ich das Kommende schon voraussah, als das Beste, mich selbst vor dem Messer zu retten, zerriss den Riemen, an dem ich geführt wurde, bäumte mich auf und galoppierte in das Zimmer, wo die Kinäden mit dem Gutsbesitzer speisten. Als ich dort hineingelaufen war, warf ich alles, Leuchter und Tische, mit meinen Sprüngen um, und ich glaubte, damit einen schlauen Plan für meine Rettung gefunden zu haben und dass der Gutsherr gleich befehlen würde, mich, den übermütigen Esel, irgendwo einzusperren und sicher zu bewachen. Aber dieser schlaue Plan brachte mich in äußerste Gefahr. Da sie meinten, ich sei tollwütig geworden, zückten sie gleich viele Schwerter und Lanzen gegen mich und lange Holzstöcke und verhielten sich so, als würden sie mich umbringen wollen. Ich aber lief, da ich die Größe der Gefahr sah, schnell dort hinein, wo meine Herren schlafen sollten. Die aber sahen das und verschlossen von außen die Türen ganz fest. 41 Als es nun schon früher Morgen war, bekam ich wieder die Göttin aufgeladen, machte mich zusammen mit den Bettelpriestern auf den Weg und wir kamen zu einer anderen großen und stark bevölkerten Ansiedlung, in der sie sich auch noch etwas ganz Neues ausdachten, dass die Göttin nicht im Haus eines Menschen bleiben dürfe, sondern im Tempel der bei den Einheimischen am meisten verehrten Gottheit des Ortes wohnen müsse. Die nahmen die frem-

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σφῶν αὐτῶν θεῷ συνοικίσαντες, ἡμῖν δὲ οἰκίαν ἀπέδειξαν ἀνθρώπων πενήτων. ἐνταῦθα συχνὰς ἡμέρας οἱ δεσπόται διατρίψαντες ἀπιέναι ἤθελον εἰς τὴν πλησίον πόλιν καὶ τὴν θεὸν ἀπῄτουν τοὺς ἐπιχωρίους, καὶ αὐτοὶ ἐς τὸ τέμενος παρελθόντες ἐκομίζοντο αὐτὴν καὶ θέντες ἐπ’ ἐμοὶ ἤλαυνον ἔξω. ἔτυχον δὲ οἱ δυσσεβεῖς εἰς τὸ τέμενος ἐκεῖνο παρελθόντες ἀνάθημα φιάλην χρυσῆν κλέψαντες, ἣν ὑπὸ τῇ θεῷ ἔφερον· οἱ δὲ κωμῆται αἰσθόμενοι τοῦτο εὐθὺς ἐδίωκον, εἶτα ὡς πλησίον ἐγένοντο, καταπηδήσαντες ἀπὸ τῶν ἵππων εἴχοντο αὐτῶν ἐν τῇ ὁδῷ καὶ δυσσεβεῖς καὶ ἱεροσύλους ἐκάλουν καὶ ἀπῄτουν τὸ κλαπὲν ἀνάθημα, καὶ ἐρευνῶντες πάντα εὗρον αὐτὸ ἐν τῷ κόλπῳ τῆς θεοῦ. δήσαντες οὖν τοὺς γυναικίας ἦγον ὀπίσω καὶ τοὺς μὲν εἰς τὴν εἱρκτὴν ἐμβάλλουσι, τὴν δὲ θεὸν τὴν ἐπ’ ἐμοὶ κομιζομένην ἀράμενοι ναῷ ἄλλῳ ἔδωκαν, τὸ δὲ χρυσίον τῇ πολίτιδι θεῷ πάλιν ἀπέδωκαν. 42 Τῇ δὲ ὑστεραίᾳ τά τε σκεύη κἀμὲ πιπράσκειν ἔγνωσαν, καὶ ἀπέδοντό με ξένῳ ἀνθρώπῳ πλησίον κώμην οἰκοῦντι, τέχνην ἔχοντι ἄρτους πέττειν· οὗτός με παραλαβὼν καὶ πυρῶν μεδίμνους δέκα ὠνησάμενος, ἐπιθείς μοι τὸν πυρὸν οἴκαδε ἤλαυνεν ὡς ἑαυτὸν ὁδὸν ἀργαλέαν· ὡς δὲ ἥκομεν, εἰσάγει με εἰς τὸν μυλῶνα, καὶ ὁρῶ πολὺ πλῆθος ἔνδον ὁμοδούλων κτηνῶν, καὶ μύλαι πολλαὶ ἦσαν, καὶ πᾶσαι τούτοις ἐστρέφοντο, καὶ πάντα ἐκεῖνα μεστὰ ἦν ἀλεύρων. καὶ τότε μέν με οἷα ξένον δοῦλον καὶ φορτίον βαρύτατον ἀράμενον καὶ ὁδὸν ἀργαλέαν ἀφιγμένον ἀναπαύεσθαι ἔνδον ἀφῆκαν, τῇ δὲ ὑστεραίᾳ ὀθόνῃ τὰ ὄμματά μου ἐμπετάσαντες ὑποζευγνύουσί με τῇ κώπῃ τῆς μύλης, εἶτα

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de Göttin sehr freudig auf und ließen sie mit ihrer eigenen Göttin zusammenwohnen, uns aber wiesen sie ein Haus armer Leute als Unterkunft zu. Als meine Herren hier viele Tage verbracht hatten, wollten sie sich auf den Weg in die nächstgelegene Stadt machen und forderten von den Einheimischen ihre Göttin wieder zurück, und sie gingen selbst in das Heiligtum, nahmen sie mit, setzten sie auf meinen Rücken und zogen hinaus. Nun hatten diese Frevler, als sie in jenes Heiligtum gegangen waren, ein Weihgeschenk, eine goldene Schale, gestohlen, die sie unter der Göttin versteckt trugen. Als die Dorfbewohner das bemerkt hatten, nahmen sie sofort die Verfolgung auf, sprangen, als sie dann nahe waren, von ihren Pferden, hielten den Trupp am Weg fest, nannten sie Frevler und Tempelräuber, forderten das gestohlene Weihgeschenk zurück, durchsuchten alles und fanden es im Gewandbausch der Göttin. Als sie nun die weibischen Menschen gefesselt hatten, brachten sie sie zurück und warfen sie ins Gefängnis, nahmen die Göttin, die auf meinem Rücken getragen wurde, ab und gaben sie einem anderen Tempel, das goldene Gefäß aber gaben sie ihrer einheimischen Göttin zurück. 42 Am folgenden Tag beschlossen sie, das Gepäck und auch mich zum Verkauf anzubieten. Mich verkauften sie an einen fremden Mann, der in einem nahen Dorf wohnte und die Kunst, Brot zu backen, beherrschte. Der nahm mich mit sich, kaufte zehn Scheffel Weizen, lud mir den Weizen auf und trieb mich auf einem beschwerlichen Weg zu sich nach Hause. Als wir da waren, führte er mich in das Mühlenhaus, und ich sah drinnen eine große Anzahl von Lasttieren, meine Mitsklaven, und viele Mühlen war da, und alle wurden von jenen gedreht, und all das war voll von Mehlstaub. Und für diesen Tag ließ man mich, da ich ein fremder Sklave war, eine sehr schwere Last getragen und auf einem beschwerlichen Weg gekommen war, drinnen ausruhen, am nächsten Tag aber verbanden sie mir die Augen mit einem Tuch und spannten mich an die Deichsel der Mühle, dann trieben sie mich an. Ich wusste aus viel-

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ἤλαυνον. ἐγὼ δὲ ἠπιστάμην, ὅπως χρὴ ἀλεῖν, πολλάκις παθών, προσεποιούμην δὲ ἀγνοεῖν· ἀλλὰ μάτην ἤλπισα. λαβόντες γὰρ πολλοὶ τῶν ἔνδον βακτηρίας περιίστανταί με καὶ μὴ προσδοκήσαντα, ὡς οὐχ ὁρῶντα, παίουσιν ἀθρόᾳ τῇ χειρί, ὥστε με ὑπὸ τῆς πληγῆς ὥσπερ στρόμβον ἐξαπίνης στρέφεσθαι· καὶ πείρᾳ ἔμαθον, ὅτι χρὴ τὸν δοῦλον ἐς τὸ τὰ δέοντα ποιεῖν μὴ περιμένειν τοῦ δεσπότου τὴν χεῖρα. 43 Λεπτὸς οὖν πάνυ γίνομαι καὶ ἀσθενὴς τῷ σώματι, ὥστε ἔγνω με ὁ δεσπότης πωλῆσαι, καὶ ἀποδίδοταί με ἀνθρώπῳ κηπουρῷ τὴν τέχνην· οὗτος γὰρ εἶχε κῆπον λαβὼν γεωργεῖν. καὶ τοῦτο εἴχομεν ἔργον· ὁ δὲ δεσπότης ἕωθεν ἐπιθείς μοι τὰ λάχανα ἐκόμιζεν εἰς τὴν ἀγοράν, καὶ παραδοὺς τοῖς ταῦτα πιπράσκουσιν ἦγέ με πάλιν εἰς τὸν κῆπον. εἶτα ἐκεῖνος μὲν καὶ ἔσκαπτε καὶ ἐφύτευε καὶ τὸ ὕδωρ τῷ φυτῷ ἐπῆγεν, ἐγὼ δὲ ἐν τούτῳ εἱστήκειν ἀργός. ἦν δέ μοι δεινῶς ἀλγεινὸς ὁ τότε βίος, πρῶτον μὲν ἐπεὶ χειμὼν ἤδη ἦν κἀκεῖνος οὐδὲ αὑτῷ στρῶμα εἶχεν ἀγοράσαι οὐχ ὅπως ἐμοί, καὶ ἀνυπόδητος πηλὸν ὑγρὸν καὶ 〈πάγον〉 πάνυ σκληρὸν καὶ ὀξὺν ἐπάτουν, καὶ τὸ φαγεῖν τοῦτο μόνον ἀμφοτέροις ἦν θρίδακας πικρὰς καὶ σκληράς. 44 Καί ποτε ἐξιόντων ἡμῶν εἰς τὸν κῆπον ἐντυγχάνει ἀνὴρ γενναῖος στρατιώτου στολὴν ἠμφιεσμένος, καὶ τὰ μὲν πρῶτα λαλεῖ πρὸς ἡμᾶς τῇ Ἰταλῶν φωνῇ καὶ ἤρετο τὸν κηπουρὸν, ὅποι ἀπάγει τὸν ὄνον ἐμέ· ὁ δέ, οἶμαι, τῆς φωνῆς ἀνόητος ὢν οὐδὲν ἀπεκρίνατο· ὁ δὲ ὀργιζόμενος, ὡς ὑπερορώμενος, παίει τῇ μάστιγι τὸν κηπουρόν, κἀκεῖνος συμπλέκεται αὐτῷ καὶ ἐκ τῶν ποδῶν εἰς τὴν ὁδὸν ὑποσπάσας ἐκτείνει, καὶ κείμενον ἔπαιεν οὕτω καὶ χειρὶ καὶ ποδὶ καὶ λίθῳ τῷ ἐκ τῆς ὁδοῦ· ὁ δὲ τὰ πρῶτα καὶ ἀντεμάχετο καὶ ἠπείλει, εἰ ἀνασταίη, ἀποκτενεῖν τῇ μαχαίρᾳ· ὁ δὲ ὥσπερ ὑπ’ αὐτοῦ ἐκείνου διδαχθείς, τὸ ἀκινδυνότατον, σπᾷ τὴν

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facher leidvoller Erfahrung, wie man mahlen musste, tat aber so, als wüsste ich es nicht. Doch meine Hoffnung war vergebens. Denn viele der drinnen Arbeitenden ergriffen Stöcke, stellten sich rings um mich auf und schlugen, ohne dass ich es erwartet hatte, da ich ja nichts sah, alle gleichzeitig mit ihrer Hand auf mich ein, so dass ich von ihren Schlägen plötzlich wie ein Kreisel gedreht wurde. So lernte ich aus eigener Erfahrung, dass der Sklave, wenn es darum geht, seine Pflicht zu erfüllen, nicht auf die Hand des Herrn warten soll. 43 Ganz mager wurde ich nun und körperlich schwach, so dass mein Herr beschloss, mich zu verkaufen. Er verkaufte mich an einen Menschen, der Gärtner von Beruf war. Der hatte einen Garten übernommen, um ihn zu bestellen. Folgendes war unsere Arbeit: Der Herr lud mir bei Tagesanbruch das Gemüse auf, brachte es zum Markt, übergab es den Verkäufern und trieb mich wieder zum Garten zurück. Dann grub er, pflanzte und bewässerte die Pflanzen, ich aber stand währenddessen untätig dabei. Mein damaliges Leben war furchtbar schmerzvoll, vor allem da schon Winter war und auch er nicht einmal für sich selbst eine Decke kaufen konnte, geschweige denn für mich, und ich unbeschuht auf feuchtem Dreck und sehr hartem, spitzen Eis gehen musste und wir beide nur bitteren und harten Lattich zu essen hatten. 44 Und einmal, als wir in unseren Garten hinausgingen, begegnete uns ein vornehmer Mann in Soldatenuniform, redete uns anfangs in italischer Sprache an und fragte den Gärtner, wohin er mich, den Esel, wegführe. Da der aber, vermute ich, der Sprache nicht kundig war, antwortete er nichts. Der andere, in der Meinung, er werde missachtet, schlug den Gärtner mit seiner Peitsche, jener wurde ihm gegenüber handgreiflich, zog ihm die Beine weg, streckte ihn auf dem Weg nieder und schlug den Daliegenden dann mit Händen, Füßen und einem Stein, der am Weg lag. Der aber wehrte sich anfangs und drohte, er werde ihn, wenn er aufstehe, mit dem Schwert töten. Der Gärtner – von jenem selbst gleichsam instruiert – zog, was das Ungefährlichste war, dessen Schwert heraus

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μάχαιραν αὐτοῦ καὶ ῥιπτεῖ πόρρω, εἶτα αὖθις ἔπαιε κείμενον. ὁ δὲ τὸ κακὸν ὁρῶν ἤδη ἀφόρητον ψεύδεται ὡς τεθνηκὼς ἐν ταῖς πληγαῖς· ὁ δὲ δείσας ἐπὶ τούτῳ τὸν μὲν αὐτοῦ, ὡς εἶχε, κείμενον ἀπολείπει, τὴν δὲ μάχαιραν βαστάσας ἐπ’ ἐμοὶ ἤλαυνεν ἐς τὴν πόλιν. 45 Ὡς δὲ ἤλθομεν, τὸν μὲν κῆπον αὐτοῦ συνεργῷ τινι ἐπέδωκεν γεωργεῖν, αὐτὸς δὲ τὸν κίνδυνον τὸν ἐκ τῆς ὁδοῦ δεδιὼς κρύπτεται ἅμα ἐμοὶ πρός τινος τῶν ἐν ἄστει συνήθων. τῇ δὲ ὑστεραίᾳ, δόξαν αὐτοῖς, οὕτω ποιοῦσιν· τὸν μὲν ἐμὸν δεσπότην κιβωτῷ ἐνέκρυψαν, ἐμὲ δὲ ἀράμενοι ἐκ τῶν ποδῶν κομίζουσιν ἄνω τῇ κλίμακι ἐς οἴκημα ὑπερῷον κἀκεῖ με ἄνω συγκλείουσιν. ὁ δὲ στρατιώτης ἐκ τῆς ὁδοῦ ποτε μόλις ἐξαναστάς, ὡς ἔφασαν, καρηβαρῶν ταῖς πληγαῖς ἧκεν εἰς τὴν πόλιν καὶ τοῖς στρατιώταις τοῖς σὺν αὐτῷ ἐντυχὼν λέγει τὴν ἀπόνοιαν τοῦ κηπουροῦ· οἱ δὲ σὺν αὐτῷ ἐλθόντες μανθάνουσιν ἔνθα ἦμεν κεκρυμμένοι, καὶ παραλαμβάνουσι τοὺς τῆς πόλεως ἄρχοντας. οἱ δὲ εἴσω τινὰ τῶν ὑπηρετῶν πέμπουσιν καὶ τοὺς ἔνδον ἅπαντας προελθεῖν ἔξω κελεύουσιν· ὡς δὲ προῆλθον, ὁ κηπουρὸς οὐδαμοῦ ἐφαίνετο. οἱ μὲν οὖν στρατιῶται ἔνδον ἔφασαν εἶναι τὸν κηπουρὸν κἀμὲ τὸν ἐκείνου ὄνον· οἱ δὲ οὐδὲν ἄλλο ὑπολελεῖφθαι ἔλεγον οὔτε ἄνθρωπον οὔτε ὄνον. θορύβου δὲ ἐν τῷ στενωπῷ καὶ πολλῆς βοῆς ἐκ τούτων γινομένης ὁ ἀγέρωχος καὶ πάντα περίεργος ἐγὼ βουλόμενος μαθεῖν, τίνες εἶεν οἱ βοῶντες, διακύπτω ἄνωθεν κάτω διὰ τῆς θυρίδος. οἱ δέ με ἰδόντες εὐθὺς ἀνέκραγον· οἱ δὲ ἑαλώκεσαν ψευδῆ λέγοντες· καὶ οἱ ἄρχοντες εἴσω παρελθόντες καὶ πάντα ἀνερευνῶντες εὑρίσκουσιν τὸν ἐμὸν δεσπότην τῇ κιβωτῷ ἐγκείμενον καὶ λαβόντες τὸν μὲν εἰς τὸ δεσμωτήριον ἔπεμψαν λόγον τῶν τετολμημένων ὑφέξοντα, ἐμὲ δὲ κάτω βαστάσαντες τοῖς στρατιώταις παρέδοσαν. πάντες δὲ ἄσβεστον ἐγέλων ἐπὶ τῷ μηνύσαντι ἐκ τῶν

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und warf es weit weg, dann schlug er wieder auf den Daliegenden ein. Da der aber sah, dass die üble Situation nicht mehr auszuhalten war, tat er so, als sei er unter den Schlägen gestorben. Der andere geriet deswegen in Angst, ließ ihn an der Stelle so, wie er war, liegen, hob aber das Schwert auf und ritt auf mir in die Stadt. 45 Sobald wir dort angekommen waren, gab er seinen Garten einem Kollegen zur Pflege, sich selbst aber versteckte er aus Furcht vor der Gefahr, die ihm auf der Straße drohte, zusammen mit mir bei einem seiner Bekannten in der Stadt. Am nächsten Tag machten sie, da es ihnen gut erschien, Folgendes: Meinen Herrn verbargen sie in einer Kiste, mich aber hoben sie an den Füßen hoch, brachten mich über die Treppe nach oben in ein Zimmer im Obergeschoss und sperrten mich dort oben ein. Der Soldat aber war, wie man erzählte, irgendwann mit Mühe vom Weg aufgestanden, kam, im Kopf von den Schlägen noch ganz benommen, in die Stadt, traf seine Kameraden und berichtete ihnen von der Wahnsinnstat des Gärtners. Sie gingen mit ihm mit, brachten in Erfahrung, wo wir versteckt waren, und zogen die Stadtbeamten hinzu. Diese schickten einen ihrer Bediensteten hinein und befahlen, alle im Haus sollten herauskommen. Als sie herauskamen, war der Gärtner nirgends zu sehen. Die Soldaten behaupteten, dass der Gärtner und ich, sein Esel, drinnen seien. Die Hausbewohner versicherten, dass nichts anderes mehr im Haus geblieben sei, weder Mensch noch Esel. Als deshalb nun in der engen Gasse Lärm und viel Geschrei entstand, wollte ich, übermütig und in jeder Hinsicht neugierig, erfahren, wer die Schreier seien, und beugte meinen Kopf von oben durch das Fenster nach unten. Die Leute erblickten mich und fingen sofort an zu schreien. Jene aber waren der Lüge überführt. Und die Beamten gingen hinein, durchsuchten alles und fanden meinen Herrn in der Kiste liegend, nahmen ihn fest und warfen ihn ins Gefängnis, damit er sich für seine unbesonnenen Taten verantworte, mich aber schleppten sie nach unten und übergaben mich den Soldaten. Und alle lachten unauslöschlich über den, der aus

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ὑπερῴων καὶ προδόντι τὸν ἑαυτοῦ δεσπότην· κἀκ τότε ἐξ ἐμοῦ πρώτου ἦλθεν εἰς ἀνθρώπους ὁ λόγος οὗτος “Ἐξ ὄνου παρακύψεως”. 46 Τῇ δὲ ὑστεραίᾳ τί μὲν ἔπαθεν ὁ κηπουρὸς ὁ ἐμὸς δεσπότης, οὐκ οἶδα, ὁ δὲ στρατιώτης πωλήσειν με ἔγνω, καὶ πιπράσκει με πέντε καὶ εἴκοσιν Ἀττικῶν· ὁ δὲ ὠνησάμενος θεράπων ἦν ἀνδρὸς σφόδρα πλουσίου πόλεως τῶν ἐν Μακεδονίᾳ τῆς μεγίστης Θεσσαλονίκης. οὗτος τέχνην εἶχε ταύτην, τὰ ὄψα τῷ δεσπότῃ ἐσκεύαζεν, καὶ εἶχεν καὶ ἀδελφὸν σύνδουλον ἄρτους πέττειν καὶ μελίπηκτα κιρνᾶν ἐπιστάμενον. οὗτοι οἱ ἀδελφοὶ σύσκηνοί τε ἀεὶ ἦσαν ἀλλήλοις καὶ κατέλυον ἐν ταὐτῷ καὶ τὰ σκεύη τῶν τεχνῶν εἶχον ἀναμεμιγμένα, καὶ μετὰ ταῦτα κἀμὲ ἵστασαν, ἔνθα κατέλυον. καὶ οὗτοι μετὰ τὸ δεῖπνον τοῦ δεσπότου πολλὰ λείψανα ἄμφω εἴσω ἐκόμιζον, ὁ μὲν κρεῶν καὶ ἰχθύων, ὁ δὲ ἄρτων καὶ πλακούντων. οἱ δὲ κατακλείσαντες ἔνδον ἐμὲ μετὰ τούτων καὶ φυλακὴν ἐμοὶ γλυκυτάτην περιστήσαντες ἀπῄεσαν ὥστε ἀπολούσασθαι· κἀγὼ τοῖς παρακειμένοις κριθιδίοις μακρὰ χαίρειν λέγων ταῖς τέχναις καὶ τοῖς κέρδεσι τῶν δεσποτῶν ἐδίδουν ἐμαυτόν, καὶ διὰ μακροῦ πάνυ ἐγεμιζόμην ἀνθρωπείου τροφῆς. οἱ δὲ ἀναστρέψαντες εἴσω τὰ μὲν πρῶτα οὐδὲν ᾐσθάνοντο τῆς ὀψοφαγίας τῆς ἐμῆς ἐκ τοῦ πλήθους τῶν παρακειμένων, κἀμοῦ ἔτι ἐν φόβῳ καὶ φειδοῖ κλέπτοντος τὸ ἄριστον. ἐπεὶ δὲ καὶ τέλεον αὐτῶν καταγνοὺς ἄγνοιαν τὰς καλλίστας τῶν μερίδων καὶ ἄλλα πολλὰ κατέτρωγον, καὶ ἐπειδὴ ᾔσθοντο ἤδη τῆς ζημίας, τὰ μὲν πρῶτα ἄμφω ὕποπτον ἐς ἀλλήλους ἔβλεπον καὶ κλέπτην ὁ ἕτερος τὸν ἕτερον καὶ ἅρπαγα τῶν κοινῶν καὶ ἀναίσχυντον ἔλεγον, καὶ ἦσαν ἀκριβεῖς λοιπὸν ἄμφω κἂν τῶν μερίδων ἀριθμὸς ἐγίνετο.

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dem Obergeschoss seinen eigenen Herrn angezeigt und verraten hatte. Und damals kam durch mich als ersten das Sprichwort »Wegen Hervorschauens des Esels« unter die Menschen. 46 Was meinem Herrn, dem Gärtner, am nächsten Tag widerfuhr, weiß ich nicht, der Soldat aber beschloss, mich zu verkaufen, und verkaufte mich für 25 attische Drachmen. Der Käufer war Diener eines sehr reichen Mannes aus Thessalonike, der größten Stadt Makedoniens. Er hatte diesen Beruf: Er bereitete für seinen Herrn das Essen zu, und er hatte als Mitsklaven seinen Bruder, der sich darauf verstand, Brot zu backen und Honigkuchen zu machen. Diese Brüder waren miteinander stets Hausgenossen, wohnten in derselben Unterkunft, bewahrten die Geräte für ihre Berufe durcheinandergemischt auf und gaben dann auch mir dort, wo sie wohnten, eine Bleibe. Diese beiden brachten nach dem Essen des Herrn jedes Mal viele Reste mit ins Haus hinein, der eine Fleisch und Fisch, der andere Brot und Kuchen. Nachdem sie mich drinnen inmitten all dieser Dinge eingesperrt und eine sehr süße Wache um mich herumgestellt hatten, gingen sie weg, um zu baden. Und ich sagte der mir aufgetischten Gerste »auf Nimmerwiedersehen«, widmete mich ganz und gar den Künsten meiner Herren und den Vorteilen, die sie mir brachten, und schlug mir lange Zeit mit menschlicher Nahrung den Bauch voll. Nach ihrer Rückkehr ins Haus bemerkten sie zunächst nichts von meiner Schlemmerei aufgrund der Fülle des aufgetischten Essens und weil ich noch ängstlich und zurückhaltend mein Essen stahl. Als ich aber ihre gänzliche Ahnungslosigkeit erkannt hatte und die schönsten Stücke und vieles andere verschlang und als sie dann endlich den Schaden wahrnahmen, blickten beide einander zunächst argwöhnisch an, und der eine bezeichnete den anderen als Dieb und als Räuber des gemeinsamen Besitzes und als unverschämt und beide waren von nun an ganz sorgfältig, und es fand immer wieder eine Zählung ihrer Portionen statt.

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47 Ἐγὼ δὲ τὸν βίον εἶχον ἐν ἡδονῇ καὶ τρυφῇ, καὶ τὸ σῶμά μου ἐκ τῆς συνήθους τροφῆς πάλιν καλὸν ἐγεγόνει καὶ τὸ δέρμα ἐπανθούσῃ τῇ τριχὶ ἀπέστιλβεν. οἱ δὲ γενναιότατοι μέγαν με καὶ πίονα ὁρῶντες καὶ τὰ κριθίδια μὴ δαπανώμενα, ἀλλ’ ἐν ταὐτῷ μέτρῳ ὄντα, εἰς ὑπόνοιαν ἔρχονται τῶν τολμημάτων τῶν ἐμῶν, καὶ προελθόντες ὡς εἰς τὸ βαλανεῖον ἀπιόντες, ἔπειτα τὰς θύρας συγκλείσαντες, προσβαλόντες ὀπῇ τινι τὰ ὄμματα τῆς θύρας ἐσκοποῦντο τἄνδον. κἀγὼ τότε μηδὲν τοῦ δόλου εἰδὼς ἠρίστων προσελθών. οἱ δὲ τὰ μὲν πρῶτα ἐγέλων ὁρῶντες ἄριστον ἄπιστον· εἶτα δὲ τοὺς ὁμοδούλους ἐκάλουν ἐπὶ τὴν ἐμὴν θέαν, καὶ γέλως πολὺς ἦν, ὥστε καὶ ὁ δεσπότης αὐτῶν ἤκουσεν τοῦ γέλωτος, θορύβου ὄντος ἔξωθεν, καὶ ἤρετό τινα, ἐφ’ ᾧ τοσοῦτον οἱ ἔξω γελῶσιν. ἐπεὶ δὲ ἤκουσεν, καὶ ἐξανίσταται τοῦ συμποσίου καὶ διακύψας εἴσω ὁρᾷ με συὸς ἀγρίου μερίδα καταπίνοντα, καὶ μέγα ἐν γέλωτι ἀναβοήσας εἰστρέχει εἴσω. κἀγὼ σφόδρα ἠχθόμην ἐπὶ τοῦ δεσπότου κλέπτης ἅμα καὶ λίχνος ἑαλωκώς. ὁ δὲ πολὺν εἶχεν ἐπ’ ἐμοὶ γέλωτα, καὶ τὰ μὲν πρῶτα κελεύει με εἴσω ἄγεσθαι εἰς τὸ ἐκείνου συμπόσιον, ἔπειτα τράπεζάν μοι παραθεῖναι εἶπε καὶ εἶναι ἐπ’ αὐτῇ πολλὰ τῶν ὅσα μὴ δυνατὸν ἄλλῳ ὄνῳ καταφαγεῖν, κρέα λοπάδας ζωμοὺς ἰχθῦς, τοῦτο μὲν 〈ἐν〉 γάρῳ καὶ ἐλαίῳ κατακειμένους, τοῦτο δὲ νάπυϊ ἐπικεχυμένους. κἀγὼ τὴν τύχην ὁρῶν ἤδη ἁπαλόν μοι προσμειδιῶσαν καὶ μαθὼν ὅτι με τοῦτο μόνον τὸ παίγνιον ἀνασώσει, καίτοι ἤδη ἐμπεπλησμένος ὅμως ἠρίστων τῇ τραπέζῃ παραστάς. τὸ δὲ συμπόσιον ἐκλονεῖτο τῷ γέλωτι. καί τις εἶπεν· “καὶ πίεται οἶνον οὗτος ὁ ὄνος, ἤν τις αὐτῷ ἐγκερασάμενος ἐπιδῷ”, καὶ ὁ δεσπότης ἐκέλευσεν κἀγὼ τὸ προσενεχθὲν ἔπιον. 48 Ὁ δὲ οἷον εἰκὸς ὁρῶν ἐμὲ κτῆμα παράδοξον τὴν μὲν τιμὴν τὴν ἐμὴν κελεύει τῶν διοικητῶν τινι καταβαλεῖν τῷ ἐμὲ ὠνησαμένῳ καὶ

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47 Ich aber führte mein Leben in Freude und Schwelgerei, mein Körper war von der gewohnten Nahrung wieder schön geworden, und mein Fell erglänzte mit sprießendem Haar. Als die beiden honorigen Männer sahen, dass ich groß und fett war und die Gerste nicht verbraucht wurde, sondern immer gleich viel blieb, richtete sich ihr Verdacht auf meine verwegenen Taten, sie verließen den Raum, als gingen sie ins Bad weg, sperrten dann die Tür zu, pressten ihre Augen an ein Loch in der Tür und beobachteten, was drinnen vor sich ging. Und weil ich da nichts von ihrer List wusste, ging ich und nahm meine Mahlzeit ein. Sie aber lachten zunächst, als sie die unglaubliche Mahlzeit sahen; dann riefen sie ihre Mitsklaven herbei, damit sie mir zusahen, und das Lachen war so laut, dass auch der Herr ihr Lachen hörte, da Lärm von draußen kam, und fragte, was es sei, worüber die Leute draußen so lachten. Als er den Grund gehört hatte, stand er vom Gastmahl auf, guckte hinein, sah, wie ich ein Stück Wildschwein verschlang, brüllte vor Lachen laut auf und lief dann hinein ins Haus. Ich war sehr betroffen darüber, dass ich vor dem Herrn als Dieb und Vielfraß überführt war. Der aber lachte viel über mich und befahl zunächst, mich zu seinem Gastmahl hineinzuführen, dann sagte er, man solle mir einen Tisch hinstellen und auf diesem solle vieles sein, was einem anderen Esel zu verzehren nicht möglich wäre, Fleischstücke, Austern, Suppen, Fische, teils in Fischsoße und Öl eingelegt, teils mit Senf bestrichen. Da ich sah, dass mir das Schicksal endlich herzlich zulächelte, und begriff, dass nur dieses scherzhafte Spiel mich retten würde, stellte ich mich an den Tisch und speiste, obwohl ich mir den Bauch schon vollgeschlagen hatte, dennoch. Das Gastmahl tobte vor Lachen. Und einer sagte: »Wird dieser Esel auch Wein trinken, wenn einer sich Wein mischt und ihm dazu gibt?«, und der Herr gab den Befehl und ich trank das mir Vorgesetzte aus. 48 Er aber sah mich, wie zu erwarten war, als unglaublichen Besitz an und befahl einem der Verwalter, demjenigen, der mich gekauft hatte, den Kaufpreis und noch einmal so viel dazu auszube-

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ἄλλο τοσοῦτον, ἐμὲ δὲ παρέδωκεν ἀπελευθέρῳ τῶν αὑτοῦ τινι νεανίσκῳ καὶ εἶπε κατηχεῖν, ὅσα ποιῶν μάλιστα ψυχαγωγεῖν αὐτὸν δυναίμην. τῷ δέ γε ῥᾴδια ἦν πάντα· ὑπήκουον γὰρ εὐθὺ εἰς ἅπαντα διδασκόμενος. καὶ πρῶτον μὲν κατακλίνεσθαί με ἐπὶ κλίνης ὥσπερ ἄνθρωπον ἐπ’ ἀγκῶνος ἐποίησεν, εἶτα καὶ προσπαλαίειν αὐτῷ καὶ μὴν καὶ ὀρχεῖσθαι ἐπὶ τοὺς δύο ἐπανιστάμενον ὀρθὸν καὶ κατανεύειν καὶ ἀνανεύειν πρὸς τὰς φωνὰς καὶ πάνθ’ ὅσα ἐδυνάμην μὲν καὶ δίχα τοῦ μανθάνειν ποιεῖν· καὶ τὸ πρᾶγμα περιβόητον ἦν, ὄνος ὁ τοῦ δεσπότου, οἰνοπότης, παλαίων, ὄνος ὀρχούμενος. τὸ δὲ μέγιστον, ὅτι πρὸς τὰς φωνὰς ἀνένευον ἐν καιρῷ καὶ κατένευον· καὶ πιεῖν δὲ ὁπότε θελήσαιμι, ᾔτουν τοῖς ὀφθαλμοῖς τὸν οἰνοχόον κινήσας. καὶ οἱ μὲν ἐθαύμαζον τὸ πρᾶγμα ὡς παράδοξον ἀγνοῦντες ἄνθρωπον ἐν τῷ ὄνῳ κείμενον· ἐγὼ δὲ τρυφὴν ἐποιούμην τὴν ἐκείνων ἄγνοιαν. καὶ μὴν καὶ βαδίζειν ἐμάνθανον καὶ κομίζειν τὸν δεσπότην ἐπὶ τοῦ νώτου καὶ τρέχειν δρόμον ἀλυπότατον καὶ τῷ ἀναβάτῃ ἀναίσθητον. καὶ σκεύη μοι πολυτελῆ, καὶ στρώματα πορφυρᾶ ἐπιβάλλομαι, καὶ χαλινοὺς εἰσεδεχόμην ἀργύρῳ καὶ χρυσῷ πεποικιλμένους, καὶ κώδωνες ἐξήπτοντό μου μέλος μουσικώτατον ἐκφωνοῦντες. 49 Ὁ δὲ Μενεκλῆς ὁ δεσπότης ἡμῶν, ὥσπερ ἔφην, ἐκ τῆς Θεσσαλονίκης δεῦρο ἐληλύθει ἐπ’ αἰτίᾳ τοιαύτῃ· ὑπέσχετο τῇ πατρίδι θέαν παρέξειν ἀνδρῶν ὅπλοις πρὸς ἀλλήλους μονομαχεῖν εἰδότων· καὶ οἱ μὲν ἄνδρες τῆς μάχης ἤδη ἦσαν ἐν παρασκευῇ, καὶ ἀφῖκτο ἡ πορεία. ἐξελαύνομεν ἕωθεν, κἀγὼ τὸν δεσπότην ἔφερον, εἴ ποτε χωρίον εἴη τῆς ὁδοῦ τραχὺ καὶ τοῖς ὀχήμασιν ἐπιβαίνειν χαλεπόν. ὡς δὲ κατέβημεν ἐπὶ Θεσσαλονίκην, οὐκ ἦν ὅστις ἐπὶ θέαν οὐκ ἠπείγετο καὶ τὴν ὄψιν τὴν

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zahlen, mich aber übergab er einem seiner jungen Freigelassenen und sagte, er solle mir all das beibringen, womit ich ihn am meisten unterhalten könnte. Der hatte ein leichtes Spiel; denn ich gehorchte sofort in allem, wenn mir etwas beigebracht wurde. Und als Erstes ließ er mich auf dem Speisesofa wie einen Menschen auf den Ellbogen gestützt zu Tisch liegen, dann mit ihm ringen, sogar auch noch aufrecht auf den Hinterbeinen stehend zu zweit mit ihm tanzen, seine Äußerungen durch Kopfnicken zu bejahen oder zu verneinen und alles tun, was ich auch ohne seine Anleitung hätte tun können. Die Sache war ringsum in aller Munde, »der Esel des Herrn, der Wein trinkende, der ringende, der tanzende Esel«. Und das Großartigste war, dass ich auf die Äußerungen zur rechten Zeit durch Kopfnicken mit »ja« und »nein« reagierte. Und jedes Mal, wenn ich trinken wollte, bat ich mit den Augen den Mundschenk darum und ließ ihn antreten. Die Leute bewunderten die Sache als etwas Unglaubliches, da sie nicht wussten, dass ein Mensch in dem Esel steckte. Ich aber nützte ihre Unkenntnis zu einem luxuriösen Leben und lernte sogar, im Pferdeschritt zu gehen, meinen Herrn auf dem Rücken zu tragen und in einer Gangart zu laufen, die für den Reiter schmerzlos war und die er gar nicht spürte. Ich hatte eine teure Ausstattung, trug purpurne Decken, die mir übergeworfen wurden, erhielt Zaumzeug, das mit Silber und Gold kunstvoll verarbeitet war, und Schellen hingen an mir, die eine sehr harmonische Melodie ertönen ließen. 49 Menekles, unser Herr, wie gesagt, aus Thessalonike, war aus folgendem Grund hierhergekommen: Er hatte versprochen, seiner Vaterstadt eine Show von Männern zu bieten, die mit Waffen gegeneinander zu kämpfen verstanden. Die Männer waren schon in der Vorbereitung zum Kampf und die Abreise war gekommen. Wir zogen bei Tagesanbruch los und ich trug den Herrn, sooft ein Stück des Weges rau und für die Wagen schwer zu befahren war. Als wir nach Thessalonike kamen, eilte jeder zu dem Spektakel und wollte mich sehen. Denn mein Ruhm war mir schon von Weitem voraus-

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ἐμήν· ἡ γὰρ ἐμὴ δόξα προεληλύθει ἐκ μακροῦ καὶ τὸ πολυπρόσωπον καὶ τὸ ἀνθρώπινον τῶν ἐμῶν ὀρχημάτων καὶ παλαισμάτων. ἀλλ’ ὁ μὲν δεσπότης τοῖς ἐνδοξοτάτοις τῶν αὑτοῦ πολιτῶν παρὰ τὸν πότον ἐδείκνυέ με καὶ τὰ παράδοξα ἐκεῖνα τὰ ἐν ἐμοὶ παίγνια ἐν τῷ δείπνῳ παρετίθει. 50 Ὁ δὲ ἐμὸς ἐπιστάτης πρόσοδον εὗρεν ἐξ ἐμοῦ πολλῶν πάνυ δραχμῶν· κατακλείσας γάρ με ἔνδον εἶχεν ἑστῶτα, καὶ τοῖς βουλομένοις ἰδεῖν ἐμὲ καὶ τἀμὰ παράδοξα ἔργα μισθοῦ τὴν θύραν ἤνοιγεν. οἱ δ’ εἰσεκόμιζον ἄλλος ἄλλο τι τῶν ἐδωδίμων, μάλιστα τὸ ἐχθρὸν εἶναι ὄνου γαστρὶ δοκοῦν· ἐγὼ δὲ ἤσθιον. ὥστε ὀλίγων ἡμερῶν τῷ δεσπότῃ καὶ τοῖς ἐν τῇ πόλει συναριστῶν μέγας τε καὶ πίων δεινῶς ἤδη ἐγεγόνειν. Καί ποτε γυνὴ ξένη οὐ μέτρια κεκτημένη, τὴν ὄψιν ἱκανή, παρελθοῦσα ἔσω ἰδεῖν ἐμὲ ἀριστῶντα εἰς ἔρωτά μου θερμὸν ἐμπίπτει, τοῦτο μὲν τὸ κάλλος ἰδοῦσα τοῦ ὄνου, τοῦτο δὲ τῷ παραδόξῳ τῶν ἐμῶν ἐπιτηδευμάτων εἰς ἐπιθυμίαν συνουσίας προελθοῦσα· καὶ διαλέγεται πρὸς τὸν ἐπιστάτην τὸν ἐμὸν καὶ μισθὸν αὐτῷ ἁδρὸν ὑπέσχετο, εἰ συγχωρήσειεν αὐτῇ σὺν ἐμοὶ τὴν νύκτα ἀναπαύσεσθαι· κἀκεῖνος οὐδὲν φροντίσας, εἴτε ἀνύσει τι ἐκείνη ἐξ ἐμοῦ εἴτε καὶ μή, λαμβάνει τὸν μισθόν. 51 Κἀπειδὴ ἑσπέρα τε ἤδη ἦν κἀκ τοῦ συμποσίου ἀφῆκεν ἡμᾶς ὁ δεσπότης, ἀναστρέφομεν ἔνθα ἐκαθεύδομεν, καὶ τὴν γυναῖκα εὕρομεν πάλαι ἀφιγμένην ἐπὶ τὴν ἐμὴν εὐνήν. κεκόμιστο δὲ αὐτῇ προσκεφάλαια μαλακὰ καὶ στρώματα εἴσω κατέθεντο καὶ χαμεύνιον ἡμῖν εὐτρεπὲς ἦν. εἶτα οἱ μὲν τῆς γυναικὸς θεράποντες αὐτοῦ που πλησίον πρὸ τοῦ δωματίου ἐκάθευδον, ἡ δὲ λύχνον ἔνδον ἔκαιε μέγαν τῷ πυρὶ λαμπόμενον· ἔπειτα ἀποδυσαμένη παρέστη τῷ λύχνῳ γυμνὴ ὅλη καὶ μύρον ἔκ τινος ἀλαβάστρου προχεαμένη τούτῳ ἀλείφεται, κἀμὲ δὲ μυρίζει ἔνθεν,

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geeilt und die Vielfalt meiner Rollen und das Menschenähnliche meiner Tänze und Ringkämpfe. Den Angesehensten unter seinen Mitbürgern aber zeigte mein Herr mich beim Gelage und setzte ihnen jene unglaublichen Kunststücke, die in mir steckten, beim Essen vor. 50 Mein Lehrmeister fand heraus, wie er mit mir sehr viele Drachmen verdienen konnte. Denn er sperrte mich in einem Zimmer ein, ließ mich aufrecht stehen und öffnete jedem, der mich und meine unglaublichen Kunststücke sehen wollte, gegen Entgelt die Tür. Jeder brachte etwas anderes Essbares mit, hauptsächlich etwas, das für einen Eselsmagen unbekömmlich zu sein schien. Ich aber aß es. Und so war ich innerhalb weniger Tage als Tischgenosse meines Herrn und der Stadtbewohner schon fürchterlich groß und fett geworden. Einmal kam eine fremde, sehr reiche und ansehnliche Frau, um mich beim Essen zu sehen, und verfiel in heiße Liebe zu mir, zum einen weil sie die Schönheit des Esels erblickt hatte, zum anderen, weil sie sich wegen meiner unglaublichen Verhaltensweisen zu dem Verlangen nach Beischlaf mit mir verstiegen hatte. Sie unterhielt sich mit meinem Aufseher und versprach ihm eine fette Belohnung, wenn er ihr erlaube, die Nacht mit mir zu verbringen. Und jener scherte sich nicht darum, ob sie von mir etwas haben würde oder nicht, und er nahm ihr Geld. 51 Als es schon Abend war und der Herr uns vom Gastmahl entlassen hatte, kehrten wir dorthin zurück, wo wir schliefen, und trafen die Frau, die schon längst bei meinem Bett angekommen war. Man hatte für sie weiche Kissen gebracht, und Decken wurden drinnen hingebreitet, und ein Lager stand uns am Boden bereit. Dann legten sich die Diener der Frau irgendwo dort in der Nähe vor dem Zimmer zum Schlafen nieder, sie aber zündete drinnen eine große Lampe an, die vom Feuer hell leuchtete. Dann zog sie sich aus, stellte sich ganz nackt neben die Lampe, goss aus einem Alabasterfläschchen Salböl und rieb sich damit ein, dann salbte sie

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μάλιστα τὴν ῥῖνά μου μύρων ἐνέπλησεν, εἶτά με κατεφίλησε καὶ οἷα πρὸς αὐτῆς ἐρώμενον καὶ ἄνθρωπον διελέγετο καί με ἐκ τῆς φορβειᾶς λαβομένη ἐπὶ τὸ χαμεύνιον εἷλκεν· κἀγὼ οὐδέν τι τοῦ παρακαλέσαντος εἰς τοῦτο δεόμενος καὶ οἴνῳ δὲ παλαιῷ πολλῷ ὑποβεβρεγμένος καὶ τῷ χρίσματι τοῦ μύρου οἰστρημένος καὶ τὴν παιδίσκην δὲ ὁρῶν πάντα καλὴν κλίνομαι, καὶ σφόδρα ἠπόρουν, ὅπως ἀναβήσομαι τὴν ἄνθρωπον· καὶ γὰρ ἐξ ὅτου ἐγεγόνειν ὄνος, συνουσίας ἀλλ’ οὐδὲ τῆς ὄνοις συνήθους ἔτυχον ἁψάμενος οὐδὲ γυναικὶ ἐχρησάμην ὄνῳ· καὶ μὴν καὶ τοῦτό μ’ εἰς δέος οὐχὶ μέτριον ἦγε, μὴ οὐ χωρήσασα ἡ γυνὴ διασπασθείη, κἀγὼ ὥσπερ ἀνδροφόνος καλὴν δώσω δίκην. ἠγνόουν δὲ οὐκ εἰς δέον δεδιώς. ἡ γὰρ γυνὴ πολλοῖς τοῖς φιλήμασι, καὶ τούτοις ἐρωτικοῖς, προσκαλουμένη, ὡς εἶδεν οὐ κατέχοντα, ὥσπερ ἀνδρὶ παρακειμένη περιβάλλεταί με καὶ ἄρασα εἴσω ὅλον παρεδέξατο. κἀγὼ μὲν ὁ δειλὸς ἐδεδοίκειν ἔτι καὶ ὀπίσω ἀπῆγον ἐμαυτὸν ἀτρέμα, ἡ δὲ τῆς τε ὀσφύος τῆς ἐμῆς εἴχετο, ὥστε μὴ ὑποχωρεῖν, καὶ αὐτὴ εἵπετο τὸ φεῦγον. ἐπεὶ δὲ ἀκριβῶς ἐπείσθην ἔτι μοι καὶ προσδεῖν πρὸς τὴν τῆς γυναικὸς ἡδονήν τε καὶ τέρψιν, ἀδεῶς λοιπὸν ὑπηρέτουν ἐννοούμενος, ὡς οὐδὲν εἴην κακίων τοῦ τῆς Πασιφάης μοιχοῦ. ἡ δὲ γυνὴ οὕτως ἦν ἄρα ἐς τὰ ἀφροδίσια ἑτοίμη καὶ τῆς ἀπὸ τῆς συνουσίας ἡδονῆς ἀκόρεστος, ὥστε ὅλην τὴν νύκτα ἐν ἐμοὶ ἐδαπάνησεν. 52 Ἅμα δὲ τῇ ἡμέρᾳ ἡ μὲν ἀναστᾶσα ἀπῄει συνθεμένη πρὸς τὸν ἐπιστάτην τὸν ἐμὸν οἴσειν ἐπὶ τοῖς αὐτοῖς τὸν μισθὸν τὸν αὐτὸν τῆς νυκτός. ὁ δὲ ἅμα μὲν πλουσιώτερος ἐκ τῶν ἐμῶν γενόμενος καὶ τῷ δεσπότῃ καινότερον ἐν ἐμοὶ ἐπιδειξόμενος συγκατακλείει με τῇ γυναικί·

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damit auch mich, füllte vor allem meine Nüstern mit Salböl, dann küsste sie mich, sprach zu mir wie zu ihrem Geliebten und einem Menschen, packte mich am Halfter und zog mich aufs Lager. Und ich brauchte keineswegs irgendeine weitere Einladung dazu, da ich von viel altem Wein angetrunken und vom Einsalben des Salböls erregt war und sah, dass die junge Frau in jeder Hinsicht schön war, legte mich hin und war gänzlich ratlos, wie ich die menschliche Partnerin besteigen sollte. Denn seit ich ein Esel geworden war, hatte ich ja weder Gelegenheit, für Esel übliche Kontakte zu knüpfen, noch hatte ich Geschlechtsverkehr mit einer Eselin gehabt. Und besonders versetzte mich in nicht geringe Angst, dass die Frau für mich nicht genügend Raum haben und zerrissen würde, und ich würde wie ein Mörder hübsch bestraft werden. Ich wusste nicht, dass meine Furcht unnötig war. Denn die Frau ermunterte mich mit vielen, und zwar leidenschaftlichen, Küssen, und als sie sah, dass ich mich nicht mehr zurückhalten konnte, legte sie sich neben mich wie zu einem Mann, umarmte mich, führte mich ein und nahm mich ganz auf. Und ich Feigling hatte immer noch Angst und wollte mich sanft zurückziehen, sie aber hielt sich an meiner Hüfte fest, so dass ich nicht entweichen konnte, und sie folgte dem, was fliehen wollte. Als ich aber fest überzeugt war, dass zur Lust und Wonne der Frau von mir noch mehr gebraucht werde, besorgte ich es ihr von nun an ohne Furcht und dachte mir dabei, dass ich keineswegs schlechter sei als Pasiphaës Liebhaber. Die Frau aber war nun so bereitwillig zum Sex und hatte ein so unersättliches Verlangen nach Lusterfüllung durch den Beischlaf, dass sie die ganze Nacht mit mir verbrachte. 52 Bei Tagesanbruch stand sie auf und ging weg, nachdem sie mit meinem Aufseher vereinbart hatte, sie werde ihm unter denselben Bedingungen denselben Geldbetrag für eine weitere Nacht bringen. Er aber sperrte mich, da er mithilfe meiner Leistungen immer reicher wurde und dem Herrn gleichzeitig etwas ganz Neues an mir zeigen wollte, mit der Frau ein. Die aber nahm mich gewaltig

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ἡ δὲ κατεχρῆτό μοι δεινῶς. καί ποτε ἐλθὼν ὁ ἐπιστάτης ἀπαγγέλλει τῷ δεσπότῃ τὸ ἔργον, ὡς ἂν αὐτὸς διδάξας, καὶ ἐμοῦ μὴ εἰδότος ἄγει αὐτὸν ἑσπέρας ἤδη, ἔνθα ἐκαθεύδομεν, καὶ διά τινος ὀπῆς τῆς θύρας δείκνυσί με ἔνδον τῇ μείρακι συνευναζόμενον. ὁ δὲ ἡσθεὶς τῇ θέᾳ καὶ δημοσίᾳ με ταῦτα ποιοῦντα δεῖξαι ἐπεθύμησεν, καὶ κελεύει πρὸς μηδένα ἔξω τοῦτο εἰπεῖν, “ἵνα” ἔφη “ἐν τῇ ἡμέρᾳ τῆς θέας παραγάγωμεν τοῦτον ἐς τὸ θέατρον σύν τινι τῶν καταδεδικασμένων γυναικῶν, κἀν πάντων ὀφθαλμοῖς ἐπὶ τὴν γυναῖκα ἀναβήσεται.” καί τινα τῶν γυναικῶν, ἥτις κατεκέκριτο θηρίοις ἀποθανεῖν, ἄγουσιν ἔνδον παρ’ ἐμὲ καὶ προσιέναι τε ἐκέλευον καὶ ψαύειν ἐμοῦ. 53 Ἐἶτα τὸ τελευταῖον τῆς ἡμέρας ἐκείνης ἐνστάσης, ἐν ᾗ τὰς φιλοτιμίας ἦγεν ὁ ἐμὸς δεσπότης, εἰσάγειν ἔγνωσάν με εἰς τὸ θέατρον. καὶ εἰσῄειν οὕτω· κλίνη ἦν μεγάλη, ἀπὸ χελώνης Ἰνδικῆς πεποιημένη, χρυσῷ ἐσφηνωμένη, ἐπὶ ταύτης με ἀνακλίνουσιν κἀκεῖ μοι τὴν γυναῖκα παρακατέκλιναν. εἶτα οὕτως ἡμᾶς ἐπέθηκαν ἐπί τινος μηχανήματος καὶ εἴσω εἰς τὸ θέατρον παρενέγκαντες κατέθηκαν ἐν τῷ μέσῳ, καὶ οἱ ἄνθρωποι μέγα ἀνεβόησαν καὶ κρότος πάσης χειρὸς ἐξήλατο ἐπ’ ἐμοί, καὶ τράπεζα ἡμῖν παρέκειτο καὶ πολλὰ ἐσκευασμένα ἐπ’ αὐτῇ ἔκειτο, ὅσα τρυφῶντες ἄνθρωποι ἐν δείπνῳ ἔχουσιν. καὶ παῖδες ἡμῖν παρειστήκεισαν οἰνοχόοι καλοὶ τὸν οἶνον ἡμῖν χρυσίῳ διακονούμενοι. ὁ μὲν οὖν ἐμὸς ἐπιστάτης ἑστὼς ὄπιθεν ἐκέλευέν με ἀριστᾶν· ἐγὼ δὲ ἅμα μὲν ᾐδούμην ἐν τῷ θεάτρῳ κατακείμενος, ἅμα δὲ ἐδεδίειν, μή που ἄρκτος ἢ λέων ἀναπηδήσεται. 54 Ἐν τούτῳ δέ ἐν τοῖς ἄλλοις ἄνθεσιν ὁρῶ καὶ ῥόδων χλωρῶν φύλλα, καὶ μηδὲν ἔτι ὀκνῶν ἀναπηδήσας τοῦ λέχους ἐκπίπτω· καὶ οἱ μὲν ᾤοντό με ἀνίστασθαι ὀρχησόμενον· ἐγὼ δὲ ἓν ἐξ ἑνὸς ἐπιτρέχων καὶ ἀπανθιζόμενος ἀπ’ αὐτῶν τῶν ἀνθῶν τὰ ῥόδα κατέπινον. τῶν δὲ ἔτι

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her. Eines Tages ging der Aufseher zu seinem Herrn und berichtete ihm von der Sache, als hätte er selbst sie mir beigebracht, führte ihn, ohne dass ich es wusste, schon am Abend dorthin, wo wir schliefen, und zeigte durch ein Loch in der Tür, wie ich drinnen mit der jungen Frau das Lager teilte. Der ergötzte sich an dem Anblick und begehrte sogleich, mich öffentlich zur Schau zu stellen, wie ich dies tat, befahl, keinem draußen dies zu sagen, »damit wir«, sagte er, »ihn am Tag der Show im Theater auftreten lassen zusammen mit einer der verurteilten Frauen, und er wird vor aller Augen die Frau besteigen.« Und sie brachten eine von den Frauen, die dazu verurteilt war, von wilden Tieren getötet zu werden, zu mir hinein und befahlen ihr, sich mir zu nähern und mich zu berühren. 53 Als dann schließlich jener Tag bevorstand, an dem mein Herr seine großzügig gestaltete öffentliche Veranstaltung abhielt, beschloss man, mich ins Theater zu führen. Ich trat folgendermaßen auf: Da stand ein großes Bett, das aus indischem Schildpatt gefertigt und mit Gold eingelegt war. Auf das legten sie mich und die Frau legten sie dort neben mich. Dann platzierten sie uns auf einer Maschine, fuhren uns ins Theater hinein und stellten uns in der Mitte hin. Die Leute schrien laut auf, Applaus aller Hände brauste meinetwegen auf. Neben uns war ein Tisch aufgestellt und auf ihm lag vieles, was luxuriöse Schlemmer beim Mahl vor sich haben. Und neben uns hatten sich schöne Sklavenjungen als Weinschenke hingestellt, die uns den Wein in goldenen Bechern servierten. Mein Aufseher, der hinter mir stand, befahl mir nun zu essen. Ich aber schämte mich nicht nur, dass ich im Theater lag, sondern fürchtete auch, dass ein Bär oder Löwe irgendwo hervorspringen würde. 54 Währenddessen sah ich unter den anderen Blumen auch Blätter von frischen Rosen, und ohne noch zu zögern, sprang ich auf und stürzte mich aus dem Bett. Und die Leute meinten, ich stünde auf, um zu tanzen. Ich aber fiel über eine Blume nach der anderen her, pflückte mir aus den Blumen selbst die Rosen heraus und verschlang sie. Während sich die Leute noch über mich wun-

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θαυμαζόντων ἐπ’ ἐμοὶ ἀποπίπτει ἐξ ἐμοῦ ἐκείνη ἡ τοῦ κτήνους ὄψις καὶ ἀπόλλυται, καὶ ἀφανὴς ἐκεῖνος ὁ πάλαι ὄνος, ὁ δὲ Λούκιος αὐτὸς ἔνδον μοι γυμνὸς εἱστήκει. τῇ δὲ παραδόξῳ ταύτῃ καὶ μηδέποτε ἐλπισθείσῃ θέᾳ πάντες ἐκπεπληγμένοι δεινὸν ἐπεθορύβησαν καὶ τὸ θέατρον εἰς δύο γνώμας ἐσχίζετο· οἱ μὲν γὰρ ὥσπερ φάρμακα δεινὰ ἐπιστάμενον καὶ κακόν τι πολύμορφον ἠξίουν εὐθὺς ἔνδον πυρί με ἀποθανεῖν, οἱ δὲ περιμεῖναι καὶ τοὺς ἀπ’ ἐμοῦ λόγους ἔλεγον δεῖν καὶ πρότερον διαγνῶναι, εἶθ’ οὕτως δικάσαι περὶ τούτων. κἀγὼ δραμὼν πρὸς τὸν ἄρχοντα τῆς ἐπαρχίας – ἔτυχεν δὲ τῇ θέᾳ ταύτῃ παρών – ἔλεγον κάτωθεν, ὅτι γυνή με Θετταλὴ γυναικὸς Θετταλῆς δούλη χρίσματι μεμαγευμένῳ ἐπαλείψασα ὄνον ποιήσειεν, καὶ ἱκέτευον αὐτὸν λαβόντα ἔχειν με ἐν φρουρᾷ, ἔστ’ ἂν αὐτὸν πείσαιμι, ὡς οὐ καταψεύδομαι οὕτω γεγονώς. 55 Καὶ ὁ ἄρχων “λέγε” φησὶν “ἡμῖν ὄνομα τὸ σὸν καὶ γονέων τῶν σῶν καὶ συγγενῶν, εἴ τινας φῂς ἔχειν τῷ γένει προσήκοντας, καὶ πόλιν.” Κἀγώ “πατὴρ μὲν” ἔφην, “... ἔστιν μοι Λούκιος, τῷ δὲ ἀδελφῷ τῷ ἐμῷ Γάϊος· ἄμφω δὲ τὰ λοιπὰ δύο ὀνόματα κοινὰ ἔχομεν. κἀγὼ μὲν ἱστοριῶν καὶ ἄλλων εἰμὶ συγγραφεύς, ὁ δὲ ποιητὴς ἐλεγείων ἐστὶ καὶ μάντις ἀγαθός· πατρὶς δὲ ἡμῖν Πάτραι τῆς Ἀχαΐας.” Ὁ δὲ δικαστὴς ἐπεὶ ταῦτα ἤκουσεν, “φιλτάτων ἐμοί” ἔφη “λίαν ἀνδρῶν υἱὸς εἶ καὶ ξένων οἰκίᾳ τέ με ὑποδεξαμένων καὶ δώροις τιμησάντων, καὶ ἐπίσταμαι, ὅτι οὐδὲν ψεύδῃ παῖς ἐκείνων ὤν”· καὶ τοῦ δίφρου ἀναπηδήσας περιβάλλει τε καὶ πολλὰ ἐφίλει, καί με καὶ οἴκαδε ἦγεν ὡς ἑαυτόν. ἐν τούτῳ δὲ καὶ ὁ ἀδελφὸς ὁ ἐμὸς ἀφίκετο ἀργύριον καὶ ἄλλα μοι πολλὰ κομίζων, κἀν τούτῳ με ὁ ἄρχων δημοσίᾳ πάντων ἀκουόντων

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derten, fiel von mir jenes tierische Aussehen ab und verschwand, und jener frühere Esel war nicht mehr zu sehen, der Lukios aber selbst, der in mir war, stand nackt da. Vor diesem unglaublichen und überhaupt nicht erwarteten Anblick erschraken alle, lärmten fürchterlich und das Theaterpublikum teilte sich in zwei Meinungen auf: Die einen forderten, mich als jemanden, der furchtbare Zaubermittel kenne und ein vielgestaltiges Monster sei, sofort durch Feuer zu töten, die anderen sagten, man müsse warten und erst meine Erklärungen beurteilen, dann entsprechend darüber entscheiden. Und ich lief zum Statthalter der Provinz – er war zufällig bei dieser Show anwesend – und sagte ihm von unten, dass mich eine thessalische Frau, die Sklavin einer thessalischen Frau, mit einer verzauberten Salbe eingerieben und mich so zum Esel gemacht habe, und ich flehte ihn an, mich zu ergreifen und unter Bewachung zu stellen, bis ich ihn überzeugt hätte, ich erfände nicht, dass ich den Wandel so erlebte. 55 Und der Statthalter sagte: »Sag uns deinen Namen und den deiner Eltern und Verwandten, wenn du behauptest, irgendwelche Blutsverwandte zu haben, und deine Heimatstadt!« Ich sagte: »Mein Vater ist …, ich heiße Lukios, mein Bruder Gaios. Wir beide haben die übrigen zwei Namen gemeinsam. Ich bin Verfasser von Erzählungen und anderen Schriften, mein Bruder aber ist Dichter von Elegien und ein guter Wahrsager. Meine Heimatstadt ist Patrai in Achaia.« Als der Richter dies gehört hatte, sagte er: »Von mir sehr lieben Leuten bist du der Sohn und von Gastfreunden, die mich in ihrem Haus aufgenommen und mit Geschenken geehrt haben, und ich weiß, dass du keinesfalls lügst, wenn du der Sohn von jenen bist.« Und er sprang von seinem Sessel auf, umarmte und küsste mich oft und nahm mich auch mit zu sich nach Hause. Inzwischen war auch mein Bruder mit Geld und vielen anderen Sachen für mich angekommen, und der Statthalter sprach mich öffentlich vor allen, die

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ἀπολύει. καὶ ἐλθόντες ἐπὶ θάλασσαν ναῦν ἐσκεψάμεθα καὶ τὴν ἀποσκευὴν ἐνεθέμεθα. 56 Ἐγὼ δὲ κράτιστον εἶναι ἔγνων ἐλθεῖν παρὰ τὴν γυναῖκα τὴν ἐρασθεῖσάν μου τοῦ ὄνου, καλλίων αὐτῇ φανεῖσθαι λέγων νῦν ἐν ἀνθρώπῳ ὤν. ἡ δὲ ἀσμένη τέ μ’ εἰσεδέξατο τῷ παραδόξῳ, οἶμαι, τοῦ πράγματος ἐπιτερπομένη, καὶ δειπνεῖν σὺν αὐτῇ καὶ καθεύδειν ἱκέτευεν· κἀγὼ ἐπειθόμην νεμέσεως ἄξιον εἶναι νομίζων τὸν ὄνον τὸν ἀγαπηθέντα νῦν γενόμενον ἄνθρωπον ὑπερτρυφᾶν καὶ τὴν ἐρασθεῖσαν ὑπερορᾶν· καὶ δειπνῶ σὺν αὐτῇ καὶ πολὺ ἐκ τοῦ μύρου ἀλείφομαι καὶ στεφανοῦμαι τῷ φιλτάτῳ ἐς ἀνθρώπους με ἀνασώσαντι ῥόδῳ. ἐπεὶ δὲ ἦν βαθεῖα νὺξ ἤδη καὶ καθεύδειν ἔδει, κἀγὼ δ’ ἐπανίσταμαι καὶ ὡσπερεὶ μέγα τι ἀγαθὸν ποιῶν ἀποδύομαι καὶ ἵσταμαι γυμνὸς 〈ὡς〉 δῆθεν ἔτι μᾶλλον ἀρέσων ἐκ τῆς πρὸς τὸν ὄνον συγκρίσεως. ἡ δὲ ἐπειδὴ εἶδέ με πάντα ἀνθρώπινα ἔχοντα, προσπτύσασά μοι “οὐ φθερῇ ἀπ’ ἐμοῦ” ἔφη “καὶ τῆς ἐμῆς οἰκίας καὶ μακράν ποι ἀπελθὼν κοιμήσῃ;” Ἐμοῦ δ’ ἐρομένου “τί γὰρ καὶ ἡμάρτηταί μοι τοσοῦτο;” “ἐγώ,” ἔφη “μὰ Δί’, οὐχὶ σοῦ, ἀλλὰ τοῦ ὄνου τοῦ σοῦ ἐρῶσα τότε ἐκείνῳ καὶ οὐχὶ σοὶ συνεκάθευδον, καὶ ᾤμην σε καὶ νῦν κἂν ἐκεῖνό γε μόνον τὸ μέγα τοῦ ὄνου σύμβολον διασῴζειν καὶ σύρειν· σὺ δέ μοι ἐλήλυθας ἐξ ἐκείνου τοῦ καλοῦ καὶ χρησίμου ζῴου ἐς πίθηκον μεταμορφωθείς.” Καὶ καλεῖ εὐθὺς ἤδη τοὺς οἰκέτας καὶ κελεύει με τῶν νώτων μετέωρον κομισθῆναι ἔξω τῆς οἰκίας, καὶ ἐξωσθεὶς πρὸ τοῦ δωματίου ἔξω γυμνὸς καλῶς ἐστεφανωμένος καὶ μεμυρισμένος τὴν γῆν γυμνὴν περιλαβὼν ταύτῃ συνεκάθευδον. ἅμα δὲ τῷ ὄρθρῳ γυμνὸς ὢν ἔθεον ἐπὶ ναῦν καὶ λέγω πρὸς τὸν ἀδελφὸν τὴν ἐμαυτοῦ ἐν γέλωτι συμφοράν. ἔπειτα ἐκ τῆς πόλεως δεξιοῦ πνεύσαντος ἀνέμου πλέομεν ἔνθεν, καὶ

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es hörten, frei. Wir gingen zum Meer, sahen uns nach einem Schiff um und legten das Gepäck hinein. 56 Ich kam zu dem Entschluss, es sei das Beste, zu der Frau, die mich, den Esel, begehrt hatte, zu gehen, in der Meinung, ich würde ihr jetzt, da ich in einem Menschen steckte, schöner erscheinen. Sie empfing mich freudig, da sie an der Unglaublichkeit der Sache, glaube ich, Gefallen fand, und bat mich, mit ihr zu speisen und zu schlafen. Und ich ließ mich überreden, da ich annahm, es verdiene Tadel, wenn der Esel, der geliebt worden war, jetzt, zum Menschen geworden, übermäßig stolz sei und seine Geliebte verachte. Ich speiste mit ihr, rieb mich stark mit Salböl ein und bekränzte mich mit den mir liebsten Rosen, die mich wieder zu den Menschen errettet hatten. Als es schon tiefe Nacht und Zeit zum Schlafengehen war, stand ich auf, zog mich aus, als würde ich ihr einen großen Gefallen tun, und stand nackt da in der Meinung, dass ich ihr jetzt natürlich noch mehr gefallen würde beim Vergleich mit dem Esel. Als sie aber sah, dass alles menschlich war, was ich an mir hatte, spuckte sie nach mir und sagte: »Scher dich zum Henker, weg von mir und meinem Haus, geh irgendwohin weit weg und schlaf dort!« Als ich aber fragte: »Welchen großen Fehler habe ich denn begangen?«, sagte sie: »Ich habe, bei Zeus, nicht dich, sondern deinen Esel geliebt und damals mit jenem und nicht mit dir geschlafen und ich glaubte, dass du auch jetzt, und wenn auch nur jenes allein, das große Kennzeichen des Esels herüberretten und mitschleppen würdest. Du aber bist zu mir von jenem schönen und nützlichen Tier in einen Affen verwandelt gekommen.« Und sie rief sogleich ihre Diener und befahl ihnen, mich auf ihren Rücken zu heben und aus dem Haus zu bringen, und vor die Tür hinausgestoßen, umarmte ich draußen nackt, schön bekränzt und eingesalbt die nackte Erde und schlief mit ihr. Beim ersten Morgengrauen lief ich, nackt wie ich war, zum Schiff und erzählte meinem Bruder lachend, was mir widerfahren war. Dann segelten wir bei günstigem Wind von der Stadt fort und ich kam in wenigen

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ὀλίγαις ἡμέραις ἔρχομαι εἰς τὴν ἐμὴν πατρίδα. ἐνταῦθα θεοῖς σωτῆρσιν ἔθυον καὶ ἀναθήματα ἀνέθηκα, μὰ Δί’, οὐκ ἐκ κυνὸς πρωκτοῦ, τὸ δὴ τοῦ λόγου, ἀλλ’ ἐξ ὄνου περιεργίας διὰ μακροῦ πάνυ καὶ οὕτω δὲ μόλις οἴκαδε ἀνασωθείς.

LUKIOS ODER DER ESEL

695

Tagen in meine Heimatstadt. Dort opferte ich den Göttern als meinen Rettern und brachte ihnen Weihgeschenke dar, da ich, bei Zeus, nicht »aus dem Arsch eines Hundes«, wie es im Sprichwort heißt, sondern »von der Neugier eines Esels« nach sehr langer Zeit und gerade noch so nach Hause gerettet worden war.

Zu den beiden Texten dieser Ausgabe Der Apuleius-Text fußt auf Apulei Metamorphoseon Libri XI. Recognovit brevique adnotatione critica instruxit M. Zimmerman, Oxford 2012 (Scriptorum Classicorum Bibliotheca Oxoniensis), der (Ps.?-)Lukian-Text auf Luciani Opera. Recognovit brevique adnotatione critica instruxit M. D. Macleod. Tomus II. Libelli 26–43, Oxford 1974 (Scriptorum Classicorum Bibliotheca Oxoniensis), p. 276–309. In beiden Fällen wurde die Interpunktion der im deutschen Sprachraum in lateinischen und griechischen Ausgaben üblichen angepasst. Die beiden folgenden Listen verzeichnen abweichende Lesarten.

1. Apuleius, Der Goldene Esel oder Metamorphosen

Zimmerman

1,1,4 Atthidem 1,7,4 tinnula 1,10,1 multi nocerentur 1,14,2 lotio perlutus 1,17,4 [et pater meus] 1,21,6 uxorem ... comitem habeat 2,9,2 colli 2,9,5 videri 2,18,3 sed ‘heus 3,2,2 populum 3,2,5 eorum qui [lustralibus piamentis] 3,5,3 adfatibus et ceteros 3,6,3 tam 3,9,3 cruciandum 3,10,1 gratulari 3,17,3 ad omnes orientales 3,18,5 ecce crapula 3,18,6 ut ille vivis 〈tu〉 fortius qui

diese Ausgabe Atthida Kenney mimica Keulen multis noceretur Kenney lut[i]o perlitus Keulen et pater meus F uxore ... comite habet Keulen collis F audire F ‘sed heus van Mal-Maeder publicum Gruter earum quibus lustralibus piamentis Ammanati adfatibus [et] ceteros Graverini tantum Editio Basileensis cruci F graculari Armini ad [omnes] orientales Magnaldi ecce 〈tu〉 crapula Van der Vliet ut ille〈, qui〉 vivis Van der Vliet fortius [, qui] Van der Vliet

698 3,21,2 3,23,8 3,24,3 3,25,1 4,10,4 4,11,3 4,26,8 4,31,4 4,35,4 5,1,3 5,4,1 5,19,4 5,21,5 6,6,4 7,25,3 8,5,6 9,8,2 9,32,4 11,9,4 11,20,3 11,30,4

Zu den beiden Texten dieser Ausgabe spectaculum herbusculis similem querens patibulatum regionis trepidam profundum deficientem scies clemens conrumpet advenerat Caelum mira compulsu casibus enitebar ficti utut quae

speculam F herbulis Lipsius (〈 herculis F) similis Wiman quaerens Costantini patibulum F religionis F trepido F profundi F deflentem F scires Gruter demens F conrumpit F aderat F Caelus Kenney misera F compulso F casulis F enicabar Wiman facticii Haupt ut F quin Harrison.

2. (Ps.?)Lukian, Lukios oder Der Esel

McLeod

624,14 θεραπεύσαι 630,11 πάραψαι 630,12 κοίμισον 630,25 ἐκεῖνοι 648,2 πολλῶν 656,23– †οὐ γὰρ ἦν καταβὰς τοῦ τὴν χεῖρα  657,2 ἐπιδοῦναι … ἀφελεῖν [ἄν ποτε οὔτε χεῖρα ἐπέδωκεν]†, 662,18 νὺξ βαθεῖα 664,1 κτῆσιν 680,11 τί ἐστιν

diese Ausgabe θεραπεύσει Jacobs παράκυψαι Coll. Galaei, Poliakoff κίνησον Merkelbach; Poliakoff ἐκεῖνο Γ ἄλλων Γ οὗ γὰρ ἦν καταβάντος τὴν χεῖρά μοι ἐπιδοῦναι … ἀφελεῖν, ἄν ποτε καὶ δέοι, ὁ δὲ οὔτε κατῆλθεν οὔτε χεῖρά μοι ἐπέδωκεν, vgl. Hayes/ Nimis νὺξ ἦν βαθεῖα N κτήνεσιν Post τινα N

Erläuterungen 1. Apuleius, Der Goldene Esel oder Metamorphosen Buch 1 1,1

1,3 1,4

1,5

1,6

2,1

3,1 3,3

milesische Redeweise: Vgl. Einführung S. 17. Papyrus: Das aus ägyptischem Schilf hergestellte Schreibpapier der Antike. Geschliffenheit: Im Deutschen nur unzureichend wiederzugebendes Wortspiel: argutia steht sowohl für die Spitze, Schärfe des Griffels als auch für stilistische Feinheit, Geschliffenheit des Stils (von lat. stilus »Griffel«). Hymettus: Ein Gebirge östlich von Athen in der Landschaft Attika. der ephyräische Isthmus: Die Landenge von Korinth (= Ephyros). Tänarus: Das südlichste Kap der Peloponnes. leistete … ich ab: Die rhetorische Ausbildung in der Schule wird metaphorisch als eine Art Kriegsdienst dargestellt. lateinische Stadt: Rom. Quiriten: Römer (wohl nach dem Gott Quirinus, den man mit dem Stadtgründer Romulus gleichsetzte). Redeweise des Forums: Auf dem römischen Forum, u.  a. einem Ort für Gerichtsverhandlungen, stand die Rednerbühne. Das Adjektiv forensis könnte aber hier statt »zum Forum gehörig« die Bedeutung »fremd, ausländisch« haben. Kunst eines Zirkusreiters: Ein solcher springt zwischen nebeneinander laufenden Pferden hin und her. Eine Geschichte griechischen Ursprungs: Zur griechischen Vorlage des Romans vgl. Einführung S. 8–12. Thessalien: Landschaft in Nordostgriechenland, in der Antike als Land der Zauberei und der Hexen verrufen. Plutarch: Griechischer Biograph und Philosoph (ca. 46–120 n. Chr.). Sextus: Vermutlich Sextus von Chäronea, platonischer Philosoph, Lehrer Mark Aurels (Kaiser 161–180 n. Chr.) und Neffe Plutarchs. der Schaum vom Mond …: Man glaubte, dass Tau vom Mond hervorgebracht werde. Beim Herkules: Man schwor zur Bekräftigung bei dem durch seine zwölf ›Arbeiten‹ berühmten Helden (gr. Herakles), der, wie man glaubte, nach Erfüllung seiner Aufgaben unter die Götter aufgenommen wurde.

700 4,2 4,5 4,6 5,1 5,3

5,4 5,5 6,1

7,4 7,6 7,7 8,1

8,2

Erläuterungen Stoa poikile: Gr. »bunte Halle«. Säulenhalle in Athen mit Wandgemälden, in der die Anhänger der nach ihr benannten stoischen Philosophie sich zum Diskutieren trafen. Heilgott: Asklepios (Äskulap), um dessen Knotenstock sich eine Schlange ringelt. was das erste Wirtshaus … ist: quod primum stabulum fuerit ist umgangssprachlich aus in eo stabulo, quod primum fuerit (»in dem Wirtshaus, das das erste ist«) zusammengezogen, was die Übersetzung nachahmt. Sol: Der Sonnengott (gr. Helios). Aristomenes: »Der mit der/dem besten, größten Stärke/Ungestüm«, also etwa »der starke Held«, was Aristomenes in seiner Geschichte gerade nicht ist. Ägienser: Entweder von Ägion oder Ägä, Städten in der Landschaft Achaia im Norden der Peloponnes. Beides kann man als »Ziegenstadt« lesen (von gr. aíx, Gen. aigós »Ziege«), da Aristomenes mit (Ziegen-)Käse handelt. Ätolien: Landschaft im Westen Griechenlands, die östlich an Thessalien (zu 1,2,1) grenzt. Böotien: Landschaft in Mittelgriechenland. die Vormachtstellung: Die hatte in Wirklichkeit Larissa (zu 1,7,6), aber Hypata wird hier scherzhaft von hypátē »die Oberste« abgeleitet. Lupus: Lat. »Wolf«. Sokrates: Der Name ist ironisch verwendet, da der Lebenswandel seines Trägers in direktem Gegensatz zu dem des berühmten griechischen Philosophen (ca. 469–399 v. Chr.) steht. Fortuna: Schicksals- und Glücksgöttin, die manchen vom Glück »ausgestoßen« und so zum Bettler gemacht hat. Der Erzähler glaubt immer wieder, sie nehme Einfluss auf den Verlauf seines Lebens. nach Art der Mimen: Der Mimus war ein sketchartiges kurzes Schauspiel, in dessen komödienhafter Handlung es sehr deftig zuging. Larissa: Stadt in Nordthessalien, in der Antike bekannt durch sportliche und musische Spiele. Meroë: Der römische Leser konnte merum (»ungemischter Wein«) heraushören, und wahrscheinlich soll man auch an die gleichnamige ägyptische Stadt denken, ein bedeutendes Zentrum des Isis-Kultes. Pollux: Gr. Polydeukes. Er ist der eine der beiden von Zeus (Jupiter) mit Leda gezeugten Zwillingsbrüder (Dioskuren = »Zeus-Söhne«; der andere heißt Kastor; sie sind Brüder der Helena), bei dem in der (sprachlich bei Apuleius permanent präsenten) Komödie der republikanischen Zeit oft geschworen wird. den Finger, der …: Den Zeigefinger, der, an den Mund gelegt, die Aufforderung



8,4 8,6

9,2 9,4 10,2

10,5 11,2 11,6 12,4

Apuleius Buch 1

701

zum Schweigen signalisiert, hier offensichtlich als religiöse Geste zu verstehen, da auf Isis’ Sohn Harpokrates angespielt sein dürfte. Er hält auf Statuen als Kind den Finger auf dem Mund, was Griechen und Römer im hier gemeinten Sinne verstanden. Manen: Die Geister der Toten. Tartarus: Bezirk in der Unterwelt, in dem Tote, die zu Lebzeiten besonders üble Frevel begingen, von ewiger Strafe heimgesucht werden. die beiden Arten von Äthiopiern: Äthiopier (gr. »Brandgesichter«) lebten nach antiker Vorstellung im Osten und Westen Zentralafrikas. Antipoden: Gr. »Gegenfüßler«, Bewohner auf der anderen Seite der als Scheibe gedachten Erde. Blätter: Sprichwörtlich gebrauchte Metapher für leicht vergängliche und entsprechend unbedeutende Dinge. Abbeißen seiner Geschlechtsteile: Das Bibergeil war ein sehr begehrtes Heilmittel, weshalb der Biber, wie man in der Antike fabelte, durch Abbeißen seiner Hoden Verfolger von sich abzulenken versuchte. Forum: Zu 1,1,5. Medea: Sie tötet aus Rache dafür, dass Jason, der Vater ihrer beiden Söhne, Krëusa, die Tochter des Königs Kreon von Korinth, heiraten will, die Braut zusammen mit deren Vater und anschließend die eigenen Kinder. Krëusa und Kreon verbrennen, da Medea Geschenke für die Braut, darunter einen Kranz, durch Zauberkraft so präpariert hat, dass sie, nachdem sie ihn aufgesetzt hat, in Flammen aufgehen. hundert Meilen: Wörtlich: bis zum hundertsten (Meilen-)Stein. Eine römische Meile umfasste 1000 Schritte, was 1,479 km entsprach. kein Quellwasser hervorbrachte: Wörtlich: »für (Quell-)Wasser unfruchtbar«. nicht mit einem Steinchen …: Kombination von zwei sprichwörtlichen Wendungen, mit der Aristomenes sagen will, Sokrates habe ihm nicht Grund zu geringer, sondern zu großer Sorge verschafft. um die dritte Nachtwache: Um Mitternacht, der Zeit für die ›Geisterstunde‹. Die Nacht war zwischen Sonnenaufgang und –untergang in viermal drei Stunden (solange stand ein Soldat auf seinem Posten) eingeteilt. Panthia: »Die ganz Göttliche«, wieder ironisch verwendet, aber auch Beiname der Isis. Endymion: Der jugendliche Geliebte der Mondgöttin Luna (gr. Selene). Catamitus: Lateinische Form des griechischen Namens Ganymedes, des trojanischen Prinzen, der seiner Schönheit wegen als Mundschenk und Sexualpartner für Zeus (Jupiter) geraubt, in der jüngeren Sage als Hirte auftritt und durch den Adler des obersten Gottes entführt wird.

702

Erläuterungen

12,6 Odysseus: Der homerische Held, hier einerseits der Listenreiche, andererseits während seiner Irrfahrten der Sexualpartner Kalypsos, die er nach dem Willen der Götter verlassen muss, um in seine Heimat zurückzukehren. 13,2 Bacchantinnen: Die Begleiterinnen des Weingottes Bacchus (gr. Dionysos) zerfleischen in Ekstase Tiere und Menschen, die sich ihnen in den Weg stellen. 14,4 »Du hättest …: Gedachte Rede eines Tadlers. 15,2 Kürbiskopf: Das Wort cucurbita bedeutet auch »Dummkopf«. 15,5 Tartarus: Zu 1,8,4. Cerberus: Dreiköpfiger Hund (gr. Kerberos), der als ›Türhüter‹ die Unterwelt (zu 1,8,4) bewacht und den Aristomenes offenbar im Zusammenhang mit seinem Türhüter assoziiert. 16,2 Fortuna: Zu 1,6,1. 17,5 Lamien: Vampirartige weibliche Wesen, die Kinder fressen. 19,2 Furien: Rachegöttinen (gr. Erinnyen), mit denen Meroë und Panthia hier gleichgesetzt werden. 19,4 die geringe Anzahl: Aristomenes fürchtet, es könne niemand Zeuge sein, wenn plötzlich, ohne dass er das verschuldet hat, Sokrates stirbt. 21,3 wahrhaftig der ›Erste‹: Er, der ›Erste‹ (d. h. eine der führenden Persönlichkeiten), ist es auch insofern, als dass, wer sich der Stadt nähert, sein Haus als erstes sieht. 21,8 in dessen Haus … fürchten müssen: Lucius erwartet also nicht den Empfang mit einer Mahlzeit, die er dann auch wirklich nicht bekommt. 22,3 »Sprich besser nicht so«: Wörtlich: »Sprich mit besserer Vorbedeutung!« D. h., die unfreundliche Begrüßung eines Gastes könnte ein schlechtes Omen sein. 23,6 Theseus: Athenischer Held, der vor einem seiner Kämpfe gegen ein Ungeheuer in der armseligen Hütte der Hekale bewirtet wird. 23,7 Photis: Der Anklang des Namens an gr. phôs (»Licht«) stellt einen Bezug zu Lucius (von lat. lux »Licht«) her. 24,4 Sesterzen … Denare: 4 Sesterzen, seit der Zeit des Augustus aus Messing, ergaben einen Denar, eine Silbermünze. Sie hatte im 2. Jh. n. Chr. nur noch die Kaufkraft von einigen Euro. 24,7 Ruten: Offenbar trugen diese Amtsdiener Ruten wie die Liktoren, die Leibgarde der hohen Beamten in Rom, welche als Exekutionsinstrumente Rutenbündel mit einem Beil (lat. fasces) verwendeten. 24,8 Ädil: Beamter, der in Rom für die Stadt- und Marktpolizei sowie für die Veranstaltung von Spielen verantwortlich war.



Apuleius Buch 2

703

Buch 2 3,2 4,1 4,2 4,3 4,10 5,3 5,5 7,1 7,3 8,6

10,4 11,2 11,4 11,6 12,3 12,5 13,1 13,3 13,4 13,6 14,1 15,6

Plutarch: Zu 1,2,1. Atrium: Nach oben offener zentraler Raum des römischen Hauses. die Palme tragende Göttin: Die Siegesgöttin Victoria (gr. Nike). parischer Marmor: Marmor von der griechischen Insel Paros, einer der Kykladen. Aktäon: Er wird, als er Diana (gr. Artemis), der Göttin der Jagd, beim Baden zusieht, von ihr in einen Hirsch verwandelt und von seinen eigenen Hunden zerrissen; vgl. zu dieser Stelle Einf. S. 26. Pamphile: »Die, welche sich in alle verliebt«, aber auch »die, welche von allen geliebt wird«. Tartarus: Zu 1,8,4. stimmte … mit den Füßen …: Abstimmungsmethode, die dem ›Hammelsprung‹ im deutschen Bundestag ähnlich ist. Tunika: Eine Art Hemd, das als Untergewand, aber auch, besonders von Frauen, als Obergewand getragen wurde. Grazien: Die drei Göttinnen der Anmut (gr. Chariten). Cupidines: Plural zu Cupido, dem anderen Namen des Liebesgottes Amor, gr. Eroten, Liebesgötter in Kindergestalt. Kestos: Der Liebesgürtel der Aphrodite (Venus), der Liebe und Schönheit bewirkt. Hera (Juno) leiht ihn sich in Homers Ilias, Buch 14, von Aphrodite, um Zeus (Jupiter) zu betören. Vulkan: Der mit Venus verheiratete Schmiedegott (gr. Hephaistos). nektarsüß: Nektar ist das Getränk der Götter. Liber: Lateinischer Name des Weingottes Bacchus. Avernersee: See in der Unterwelt. Sibylle: Von einer Gottheit in Ekstase versetzte Wahrsagerin. chaldäisch: Chaldäa war eine Landschaft im südlichen Mesopotamien, deren Bewohner, die semitischen Chaldäer, die Astrologie besonders pflegten. zu Büchern: Zu den Büchern des Goldenen Esels. Diophanes: »Der, welcher mit Zeus’ Hilfe die Zukunft anzeigt« (ironisch verwendet). Cerdo: »Der, welcher auf Profit bedacht ist« (gr. Kerdon). Denare: Zu 1,24,4. Euböa: Insel vor der Ostküste der Peloponnes. eine odysseische: Zu 1,12,6. Anspielung auf die Irrfahrten des Odysseus, auf denen er u. a. in einen Sturm gerät. die gladiatorische Venus: Die Göttin steht auch metonymisch für das Liebes-

704

16,5 16,6 17,1

18,2 20,7 21,4 22,2 23,2 23,3 23,4

24,3 25,5 26,3 26,8

Erläuterungen spiel, das hier und im Folgenden metaphorisch als Zweikampf, wie Gladiatoren ihn ausführten, dargestellt wird. Fetial: Der fetialis war ein Priester, der im Namen des römischen Staates eine Lanze auf feindliches Gebiet warf und damit den Krieg erklärte. Cupido: Zu 2,8,6. dass die Sehne … zerreißt: Doppeldeutig, da nervus auch das erigierte Glied bezeichnen kann (wie auch Venus in 2,16,4). Venus, die aus den Meeresfluten auftaucht: Die »schaumgeborene« Liebesgöttin (gr. Aphrodite) entsteht aus dem Samen des Gliedes, das Kronos (lat. Saturnus), der Vater des Zeus (Jupiter) seinem Vater Uranos (lat. Caelus, zu 6,6,4) abgeschnitten und ins Meer geworfen hat. Bildlich wurde oft dargestellt, wie die Göttin aus den Wellen hervorkommt und ans Ufer schreitet. An die Version des Praxiteles (»Aphrodite von Knidos«) erinnert die Handhaltung der Photis in 2,17,2. Auspizium: Vorzeichen, das aus der Beobachtung des Vogelflugs erschlossen wurde. Lucius befragt Photis also, als wäre sie ein dafür zuständiger Augur. Thelyphron: »Der mit dem weiblichen Mut« (ironisch verwendet, da er sich selbst in 2,23,4 als »stahlharten Menschen« bezeichnet). Forum: Zu 1,1,5. Sol: Zu 1,5,1. Justitia: Die Göttin der Gerechtigkeit. Sesterze: Zu 1,24,4. Harpyien: Geflügelte Mischwesen aus Mädchen- und Vogelleibern, die dem wegen eines Götterfrevels mit Blindheit bestraften König Phineus (und anderen) Speise und Trank rauben oder besudeln.. Lynkeus: Griechischer Held, der mit seinen Luchsaugen auch feste Gegenstände durchdringen kann. Argus: Von Juno (gr. Hera) als Wächter (gr. Argos) der Io, einer von Jupiter (Zeus) vergewaltigten Nymphe, eingesetzter hundertäugiger Riese (daher die ›Argusaugen‹). Quiriten: Zu 1,1,4. der delphische Gott: Apollo (gr. Apollon), dessen Orakel in Delphi in der Antike als Stätte besonderer Weisheit galt. Philodespotus: »der seinem Herrn Ergebene«. der … aonische Jüngling: Pentheus, der wegen seines Widerstands gegen die Einführung des Dionysoskults in Theben (in Aonien = Boötien) von Bacchantinnen (zu 1,13,2) zerrissen wird. der piplëische Sänger: Orpheus (aus Pi[m]pleia, dem Sitz der Musen in der makedonischen Landschaft Piërien), der nach dem endgültigen Verlust Eurydikes



27,2

27,4 27,7 28,3

29,3

29,4 31,2 32,7

Apuleius Buch 3

705

nur noch Knaben liebt und deshalb von thrakischen Bacchantinnen zerrissen wird. beim Namen angerufen: Gemeint ist das Ritual der conclamatio, einer mehrfach erfolgenden Anrufung, die wohl sicher stellen sollte, dass, wer als verstorben galt, nicht scheintot war. Forum: Zu 1,1,5. Quiriten: Zu 1,1,4. Kinder: Eine durch Kinder vollzogene Lynchjustiz galt als besonders grausam. Coptos: Stadt in Oberägypten (gr. Koptos). Sistren von Pharos: Klappern, die im Kult der Isis – auf ihr Heiligtum auf der ägyptischen Insel Pharos wird hier angespielt – verwendet wurden (vgl. die Beschreibung 11,4,2). lethäïscher Becher: Aus dem Unterweltsfluss Lethe trinken die Toten Vergessen. stygischer Sumpf: Die/Der Styx ist ein sumpfiger Fluss in der Unterwelt, den die Toten auf ihrem Weg ins Reich der Schatten überqueren. Dirae: Unheil bringende Geister der Unterwelt, ähnlich den Furien (zu 1,19,2). Risus: »Gelächter«, hier als Gott personifiziert. Geryon: Dreileibiger Riese, den Herkules (gr. Herakles) tötet. Buch 3

Aurora: Die Göttin der Morgenröte. Forum: Zu 1,1,5. Liktoren: Zu 1,24,7. Orchestra: Im Amphitheater die kreisrunde Fläche vor der Bühne, in welcher der Chor stand. 3,2 Quiriten: Zu 1,1,4. 3,5 um die dritte Nachtwache: Zu 1,11,6. 7,2 Sol … Justitia: Zu 1,5,1 bzw. 2,22,2. 8,1 Ölbaumzweige: Solche wurden in der Antike von Bittflehenden und Schutzsuchenden getragen. 9,8 Proserpina: Gr. Persephone, Tochter der Ceres (Demeter) und Herrscherin der Unterwelt. Orcus: Herrscher über die Unterwelt (gr. Orkos). 15,4 Verpflichtung zum Schweigen: Vgl. zu dieser Szene Einf. S. 27. 15,7 Manen: Zu 1,8,4. 18,5 Ajax: Der griechische Trojakämpfer (gr. Aias) unterliegt im Schiedsgericht gegen Odysseus, als beide nach dem Tod Achills dessen Waffen für sich fordern. 1,1 1,2 2,1 2,9

706

19,2 20,4

21,3 22,5 22,6

26,6 27,2 29,1 29,2

Erläuterungen Er will sich an den Achäern rächen, überfällt aber, von Athene mit Wahnsinn geschlagen, die erbeuteten Herden und richtet unter ihnen ein Blutbad an; daraufhin begeht er Selbstmord. Geryon: Zu 2,32,7. Cerberus: Zu 1,15,5. wie ein Knabe ihr Kränzchen: Das Wort corollarium dürfte hier als obszöne Metapher zu verstehen sein, aber die herkömmliche Deutung »als Extra es mir wie bei einem Knaben bot« ist nicht auszuschließen. Constantini im Kommentar (s. u. S. 725) verbindet beides durch »offered me the bonus of the boy’s entrance.« Man vergleiche dazu Goethe, Venezianische Epigramme 143: Knaben liebt ich wohl auch, doch lieber sind mir die Mädchen / Hab ich als Mädchen sie satt, dient sie als Knabe mir noch. um die erste Nachtwache: Bald nach Sonnenuntergang (zu 1,11,6). Cupido: Zu 2,8,6. die Axt in meine eigenen Schenkel schlage: Das entspricht unserem ›sich ins eigene Fleisch schneiden‹. Wölfinnen: In erster Linie sind Hexen gemeint, aber die Bedeutung ›Prostituierte‹ schwingt mit. Fides: Die personifizierte Treue. Epona: Die Schutzgöttin der Pferde und Maultiere. spät zwar, doch ernsthaft: Das Wortspiel mit sero und serio lässt sich im Deutschen nicht nachahmen (Helm versucht es mit »endlich, jedoch ernstlich«). Prinzeps: Der römische Kaiser als erster Bürger seines Staates. den erhabenen Namen »Caesar«: Alle römischen Kaiser trugen diesen Namen. Buch 4

2,2 2,3 2,5 2,7 2,8 5,3 6,5

Grazien: Zu 2,8,6. Eventus: Gott, der den Erfolg personifiziert. Nektar: Zu 2,10,4. die duftende Blume: Offensichtlich ist die Rose gemeint. Lorbeerrosen: Eine Art Oleander. müde von der über den Tod hinausgehenden Hoffnung: Gemeint ist mit dieser parodistisch an juristische Formeln anklingenden Formulierung: »weil sie merkten, dass es ein hoffnungsloser Fall war«. Vor … hin: Ken Dowden versucht den schwer verständlichen Satz wie folgt zu erklären: Mit den Flanken (latera) im vorausgehenden Satz ist eine Wand (­paries) aus dem zuvor genannten Flechtwerk gemeint, die in einer schmalen



6,6 7,1 7,2 8,5

8,7 9,5 12,1 13,2 14,1 15,1 18,3 20,2 21,6 22,2 22,5 26,5 26,8

28,1 28,4 29,3

Apuleius Buch 4

707

Linie vom Tor – das ist der Eingang zu dem Turm und dem Hofkomplex – ausgeht. »But in other directions from the entrance there is no structus paries: in its place and like (vice) one, there extend thin tracks« (Classical Quarterly 30, 1980, 220). Atrium: Zu 2,4,1. sie … hinabgekrochen: Die Räuber in ihre Höhle. Brechmittel für den Orcus: Sogar der Herrscher der Unterwelt ekelt sich vor ihr. Halbtiere und Lapithen: Die aus Pferde- und Menschenleib zusammengesetzten Kentauren und die riesenhaften Lapithen, ein thessalischer Volksstamm, geraten bei der Hochzeit des Lapithenkönigs Peirithoos mit der thessalischen Fürstentochter Hippodameia in Streit, weil die als Gäste geladenen Kentauren sich an den Frauen vergreifen. böotische: Zu 1,5,3. Lamachus: ›Volkskämpfer‹. Chryseros: ›Der Goldgierige‹. Alcimus: ›Der Streitbare‹. Fortuna: Zu 1,6,1. Demochares: ›Der, welcher das Volk erfreut‹. Invidia: Römische Göttin, die den Neid personifiziert. Thrasyleon: ›Der mit dem Löwenmut‹. Lehre unserer Schule: Mit epischem Pathos beruft sich der Räuber auf die ›philosophische‹ Grundlage seiner Profession. Grenzzeichen: Lat. meta bezeichnet einen Pfosten, der ein Ziel anzeigt oder die Wendemarke für Pferdegespanne im Circus. Cerberus: Zu 1,15,5. Manen: Zu 1,8,4. Salier: Priesterkollegium in Latium, zu dessen Ritual ein Festmahl gehörte. Lemuren: Die Seelen der Abgeschiedenen. Hymenäus: Hochzeitsgesang (gr. Hymenaios). Attis: Er wird bei seiner Hochzeit mit einer phrygischen Prinzessin von der eifersüchtigen Agdistis (Kybele) wahnsinnig gemacht und entmannt sich. Protesilaus: Er muss am Tag nach seiner Hochzeit mit nach Troja ziehen und fällt als erster. Es waren …: Zum Mythos von Amor und Psyche s. Einf. S. 18f. und 22f. die Göttin, welche …: Zu 2,17,1. Paphos … Cnidos … Cythera: Berühmte Heiligtümer der Venus (Aphrodite); Paphos liegt auf Zypern, Cnidos (gr.Knidos) auf einem Kap im Südwesten Kleinasiens, und Cythera (gr. Kythera) ist eine Insel an der Südspitze der Peloponnes.

708

Erläuterungen

30,3 jener Hirte: Paris, der Aphrodite (Venus) den Preis der Schönheit vor Hera (Juno) und Athene (Minerva) zuerkennt (vgl. 10,30–32). 31,6 Nereus: Ein Meergott. Portunus: Römischer Gott der Häfen. Salacia: Römische Quell- und Meergöttin. Palämon: Griechischer Hafengott. Tritonen: Männliches Gegenstück zu den Nereus-Töchtern. 32,5 Orakel des milesischen Gottes: Das Apollo-Orakel in Didyma bei Milet. 32,6: milesische Geschichte: Vgl Einführung S. 17. 33,1 Auf eines …: Orakel in elegischen Distichen (Hexameter im Wechsel mit Pentameter). 33,2 stygische … Nacht: Zu 2,29,3. 33,4 Hymenäus: Zu 4,26,5. 35,4 Zephyr: Der personifizierte Westwind. Buch 5 3,2 3,3 3,5 5,2 11,5 12,3 12,6 15,1 17,4 22,5 23,3

halbrunder Sitzplatz: Eine Art Ehrensitz statt des normalen Speisesofas, der wegen seiner Form ›Sigma‹ (als C geschrieben) genannt wurde. nektarsüß: Zu 2,10,4. Kithara: Griechisches Saiteninstrument. sichtbar war … offensichtlich war: Versuch einer Nachahmung des Wortspiels pareret … pateret. Fortuna: Zu 1,6,1. Lamien: Zu 1,17,5. Furien: Zu 1,19,2. Sirenen: Mischwesen aus Vogel- und Frauenleibern, die auf einer Insel leben und vorbeifahrende Seefahrer durch ihren Gesang anlocken, um sie zu töten. Triklinium: Speisezimmer mit drei Speisesofas (gr. treîs klinaí) um einen Tisch herum. das pythische Orakel: Das Orakel war im Apolloheiligtum in Milet verkündet worden, aber ›pythisch‹ steht für ›apollinisch‹, weil der Gott im Mythos die Riesenschlange Python tötet. Ambrosia: Die Götterspeise, welche die Unsterblichen auch als Salbe verwenden. Liebe zu Amor … Verlangen nach Cupido: Die Wortspiele Amoris … amorem und cupidine … Cupidinis ließen sich durch ›Liebe zu dem Liebesgott‹ und ›Verlangen nach dem Gott des Verlangens‹ nachahmen, aber Amor und Cupido sind Eigennamen. mit offenem Mund: Vielleicht ist weniger der wie zum Zungenkuss als der zum



25,2 25,3 26,6 28,7 29,6 30,1

30,3 30,6 31,1

Apuleius Buch 6

709

Verschlingen geöffnete Mund gemeint, weil Psyche dann selbst zu der ›Bestie‹ würde, für die sie Cupido bisher hielt (vgl. den Groninger Kommentar z. St.). die Gewässer zu entflammen gewohnt: Cupido macht im Mythos auch Flussgötter verliebt. Pan: Wald- und Hirtengott, der hier die Bergnymphe Echo, die Personifikation des Echos, singen lehrt. scheide … Besitz: Der Wortlaut evoziert die bei Scheidungen verwendete Terminologie. Horen: Göttinnen der Jahreszeit. Grazien: Zu 2,8,6. deines Vaters: Vulkan (Hephaistos) als der rechtmäßige Ehemann, es kann aber auch Mars (Ares) gemeint sein; zu 5,30,1. scharfe Hände: Lehnübersetzung von gr. oxýcheir (›schnell mit den Händen, schnell zuschlagend‹), welche die Assoziation scharfer Pfeile einbezieht. Stiefvater: Der Kriegsgott Mars (Ares), eigentlich der heimliche Liebhaber der Venus (Aphrodite). Sobrietas: Die personifizierte Mäßigkeit. Nektarquelle: Zu 2,10,4; hier ist die Muttermilch der Venus gemeint. venerische Wut: Zorn wurde nach antiker Auffassung durch zu viel bittere Galle hervorgebracht, und die Liebe sah man als ein Phänomen an, das Süße mit Bitterkeit verbindet, für die Venus in der Geschichte von Amor und Psyche überwiegend steht. Buch 6

2,4 2,5 4,1 4,3

heilige Körbe: Bei den Mysterien der Ceres (Demeter) in Eleusis nordöstlich von Athen wurden geheime Kultgegenstände in Körben verwahrt. Proserpina: Zu 3,9,8. Pluton brachte sie mit dem »jäh entraffenden Wagen« in sein Unterweltsreich, also unter die » zäh festhaltende Erde«. Eleusis: Zu 6,2,4. Samos: Griechische Insel mit einem berühmten Heiligtum der Juno (Hera). Karthago: Ebenfalls Kultort der Juno. Inachus: Fluss in Argos auf der Peloponnes. Zygia: Juno als Schutzgöttin der Ehe. Lucina: Gr. Eileithyia. Juno als Geburtshelferin. Juno Sospita: Juno als Retterin, die besonders angerufen wurde, wenn römische Städte (z. B. durch Hannibal) bedroht waren; das entspricht der bei den ›Angriffen‹ der Schwestern auf Psyche verwendeten Metaphorik (vgl. den Groninger Kommentar z. St.).

710 4,5 6,4

7,1 7,2 7,3

8,2

8,5 8,7 9,2 11,4 13,4 15,1 15,2 16,3 16,4 17,1

18,1 18,2 18,5 19,3

Erläuterungen Schwiegertochter: Vulkan/Hephaistos/ ist der Sohn der Juno/Hera. Caelus … Tochter, Äther: Zur Zeugung der Venus (Aphrodite) durch Caelus (Uranos), den personifizierten Himmel, s. zu 2,17,1. Sein Vater, der personifizierte Äther (für die Antike der obere Luftraum), befindet sich hier passenderweise über ihm. der hellstimmige Gott: Merkur (gr. Hermes), sonst u.  a. der Gott der Redekunst, tritt hier allein in der Rolle des Herolds auf, zu dessen Aufgaben es gehört, als Ausrufer etwas öffentlich zu verkünden. Jupiters dunkle Augenbraue: Mit ihr kann der oberste Gott schon bei Homer seinen Willen bekunden. Arkadischer Bruder: Merkur, auf dem Berg Cyllene (gr. Kyllene) in Arkadien als Sohn Jupiters und Maias geboren, ist der (Halb-)Bruder der Venus innerhalb der mythologischen Überlieferung, welche sie zur Tochter Jupiters mit Dione machte. Murtische Wendepunkte: In der Nähe des Circus Maximus in Rom lagen Tempel des Merkur und der alten Göttin Murcia, die den südlichen Wendemarken der Rennbahn für Pferdegespanne den Namen gab. Der Ort war als Straßenstrich stadtbekannt. Consuetudo: Die personifizierte Gewohnheit. Orcus: Zu 3,9,8. Sollicitudo und Tristities: Die Personifikationen von zwei Gefühlen unglücklich Liebender, Unruhe und Kummer. Aurora: Zu 3,1,1. die stygischen Sümpfe: Zu 2,29,3. Cocytus: Fluss in der Unterwelt (gr. Kokytos). Providentia: Die personifizierte Vorsehung. der phrygische Mundschenk: Zu 1,12,4. Orcus: Zu 3,9,8. Proserpina: Zu 3,9,8. da der Schleier abgeworfen war: D. h., da sie jetzt klar erkannte, was Venus mit ihr vorhatte. Tartarus: Zu 1,15,5. Manen: Zu 1,8,4. Lakedämon: Sparta Tänarus: Zu 1,1,3. Dis: Der Herrscher der Unterwelt. Charon: Der Fährmann der Unterwelt, der die Toten über den Styx setzt. ein riesiger Hund: Cerberus (zu 1,15,5). Atrium: Zu 2,4,1.



Apuleius Buch 7

711

das leere Haus des Dis: Darin befinden sich nur körperlose Wesen. 22,4 das julische: Anspielung auf die 18 v. Chr. von Kaiser Augustus erlassene lex Iulia de adulteriis coercendis (Julisches Gesetz über die Bestrafung des Ehebruchs), nach der Ehebruch dann strafbar war, wenn es sich um die Verführung einer unverheirateten Freigeborenen (ledige, geschiedene Frau oder Witwe) oder um den Seitensprung einer Ehefrau handelte. 23,1 Sesterzen: Zu 1,24,4. 23,2 Ihr Götter, eingetragen im Verzeichnis …: Anspielung auf die traditionelle Anrede der römischen Senatoren, deren Namen in ein Verzeichnis eingetragen war, mit patres conscripti. 23,5 Ambrosia: Zu 5,22,5. An dieser Stelle wird damit erstmals ein Getränk bezeichnet. 24,1 Auf dem obersten Speisesofa: D. h. auf dem Ehrenplatz (zu 5,3,2). 24,2 Mundschenk: Zu 1,12,4. Liber: Zu 2,11,2. Der Gott wurde als besonders schön verehrt. 24,3 Horen … Grazien: Zu 5,28,7 und 2,8,6. Kithara: Zu 5,3,5. 24,4 Voluptas: Die personifizierte Lust. 27,5 Dirce: Königin von Theben (gr. Dirke). Sie will ihre Feindin Antiope von Amphion und Zethos hinrichten lassen, aber diese erkennen in Antiope ihre Mutter und binden Dirce an die Hörner eines wilden Stiers, der sie zu Tode schleift. 28,3 Fortuna: Zu 1,6,1. 29,2 Atrium: Zu 2,4,1. 29,4 Phrixus: Er entflieht mit seiner Schwester Helle den Nachstellungen ihrer Stiefmutter auf einem Widder mit goldenem Vlies. Helle stürzt unterwegs ins Meer und gibt so dem Hellespont (zu gr. póntos »Meer«) seinen Namen. Arion: Sänger, der, als man auf ihn bei einer Schiffsreise einen Anschlag verübt, von einem Delphin an Land getragen wird. Europa: Phönizische Königstochter, der sich Zeus (Jupiter) in Stiergestalt nähert, um sie auf seinem Rücken als Braut zu entführen. 30,5 Pegasus: Das Flügelross, auf dem Bellerophontes die Chimära (zu 8,16,3) bekämpft. 32,3 mit den Füßen: Zu 2,7,1. Buch 7 2,1 2,4

derselbe: Der Räuber imitiert offensichtlich den Stil eines Polizeiberichts. Fortuna: Zu 1,6,1.

712 3,4 4,1 5,6

6,1

6,2 6,5 7,1 7,4 8,1 9,1 9,3 9,6 10,4 12,1

12,2 14,1 16,1 16,2

Erläuterungen beim ersten Wort … »nicht, nicht«: Damit dürfte gr. ou für non (»nicht«) gemeint sein, das auch ein Esel formulieren kann. Manen: Zu 1,8,4. Hämus: »Der Blutige«. Theron: »Der Jäger«. Manipel: Im römischen Heer der 30. Teil einer Legion, der aus ca. 160 Soldaten bestand. Prokurator: Statthalter des römischen Kaisers in einer Provinz oder mit einem besonderen Aufgabenbereich (hier offensichtlich einem Hofamt), hier mit dem hohen Gehalt von 200 000 Sesterzen – daher Ducenarius – (›Zweihundertmann‹), das ihm einen hohen Rang verleiht. Prinzeps: Zu 3,29,1. Caesar: Zu 3,29,2. Zacynthos: Insel im Jonischen Meer vor der Westküste der Peloponnes (gr. Zakynthos). Actium: Vorgebirge an der Westküste Griechenlands (gr. Aktion), berühmt durch den Sieg des Octavian-Augustus im Jahre 31 v. Chr., der die Bürgerkriege beendete. Orcus: Zu 3,9,8. Mitra: Die Mitra war eine kegelförmige Mütze, die überwiegend von Frauen getragen wurde. auf den obersten Platz: Zu 6,24,1 und 5,3,2. inauguriert: Das Verb wird normalerweise für die Amtseinweihung eines Priesters oder Magistrats verwendet. zu dem Esel zurückzukehren: D. h. die beschlossene Tötung der jungen Frau und des Esels durchzuführen. Talent: Münzeinheit, die 6000 Drachmen entsprach. Mars Comes: Da ein Kult des Kriegsgottes als ›Begleiter‹ und ›Helfer‹ (Secutor in 7,11,1) nicht nachweisbar ist, dürfte er in dieser Funktion ad hoc erfunden sein (vgl. den Groninger Kommentar z. St.). Sykophant: Im klassischen Athen ein Denunziant, der aus Profitgier als Kläger vor Gericht auftrat, hier einfach Schimpfwort für jemanden, der sich anklagend in Angelegenheiten anderer einmischt. Tlepolemus: »Der ausdauernde Kämpfer«. Charite: »Die Anmutige«. baktrisches Kamel: Kamel aus Baktrien in Zentralasien. Fortuna: Zu 1,6,1. die geeignetsten: Hier soll wohl weniger »für die Zeugung edler Fohlen« als »zur Befriedigung meiner Lust« ergänzt werden.



Apuleius Buch 8

713

16,5 thrakischer König: Diomedes, der seine Pferde mit Menschenfleisch füttert; er wird von Herkules überwunden und selbst seinen Pferden vorgeworfen. 26,3 Bellerophontes: Zu 6,30,5. 26,5 damit: Mit den vermeintlichen sexuellen Übergriffen des Esels. 28,4 Althäa: Sie besitzt ein Holzscheit, an dessen Erhaltung das Leben ihres Sohnes Melager hängt. Im Schmerz über den durch Meleager verursachten Tod ihrer Brüder wirft sie das Scheit ins Feuer, und so verlöscht das Leben ihres Sohnes. Buch 8 1,3 1,4 1,5 2,2 6,4 6,5 7,1 7,7 8,1 9,6 10,5 12,3 12,4 15,6 16,1 16,3 16,6 20,1

Manen: Zu 1,8,4. Fortuna: Zu 1,6,1. Papyrusblätter: Zu 1,1,1. Thrasyllus: »Der Verwegene, Tollkühne«. Und das war so: Gemeint ist entweder »das war sein Name«, d. h. »dem entsprach sein Name«, oder »das war wirklich so.« in die Obhut: Wörtlich »in die Hand«. In einer manus-Ehe hatte der Ehemann als pater familias die Verfügungsgewalt über die ganze Familie. Eine geschiedene Frau war also emancipata (›aus der Hand, d. h. Obhut, gegeben‹). Fama: Das personifizierte Gerücht. Bacchantin: Zu 1,13,2. Veritas: Die personifizierte Wahrheit. Liber: Zu 2,11,2 und 6,24,2. von seinem Namen her verwegen: Zu 8,1,5. ambrosisch: Zu 5,22,5. in der ersten Nachtwache: zu 1,11,6 und 3,21,3. Orcus: Zu 3,9,8. Manen: Zu 1,8,4. Schwergewichte …: Wörtlich: »belastet durch ihre riesigen Körper«. um die dritte Nachtwache: Zu 1,11,6. Pegasus: Zu 6,30,5. Chimäre: Mischwesen aus Löwe, Ziege und Schlange, das der auf Pegasus reitende Bellerophontes tötet. eine Trompete: Damit wurde zum Angriff geblasen. in weit schlimmeren Fallstricken: Offensichtlich Andeutung des in den nächsten beiden Kapiteln geschilderten Vorfalls. Bei euren Fortunen und euren Genien: D.  h. bei der Fortuna (zu 1,6,1) und dem Genius (persönlichen Schutzgeist) jedes Einzelnen der angesprochenen ­Gruppe.

714

Erläuterungen

23,1 in tiefster Trauer: Die Dorfbewohner trauern über das in Kap. 12 berichtete Ereignis. 24,2 Kinäde: Ein erwachsener Mann, der in einer mann-männlichen Sexualbeziehung den passiven Part übernimmt. die Syrische Göttin: Atargatis, die in Hierapolis in Syrien einen berühmten Tempel hatte; ihr Kult fand in hellenistischer Zeit in Griechenland und bald auch in Rom Anhänger. 24,3 Kappadokier: Sklaven, die aus Kappadozien in Kleinasien stammten, galten als besonders kräftig. 24,4 Cornelisches Gesetz: Eine lex Cornelia, die eine Strafe für den Verkauf eines freien römischen Bürgers als Sklave vorsieht, ist nicht nachweisbar. 25,3 Sabadius: Phrygischer Gott, wahrscheinlich ebenfalls in Hieropolis verehrt. Bellona: Nicht die römische Kriegsgöttin, sondern eine vorderasiatische Gottheit mit orgiastischem Kult. die idäische Mutter: Cybele (gr. Kybele), eine auf dem Berg Ida in der Troas (Landschaft um Troja) verehrte phrygische Muttergottheit, deren Priester wie die der Atargatis meist Eunuchen waren. Adonis: Der von einem Eber getötete Geliebte der Venus (Aphrodite), dessen Kultstätten in Phönizien lagen. 25,4 ich Arme: Der Kinäde benutzt für sich die weibliche Form in Übereinstimmung damit, dass die römische Geschlechterordnung ihn als passiv Sexuellen dem weiblichen Geschlecht zuwies. 25,5 Denare: Zu 1,24,4. 25,6 Philebus: »Jugendfreund« (ironisch verwendet). 26,1 »Ihr Mädchen …: Zu 8,25,4. 26,3 nicht eine Hirschkuh anstelle einer Jungfrau: Anspielung auf die Sage von der Opferung Iphigenies. Die Tochter Agamemnons, die zur Versöhnung der Artemis (Diana) getötet werden soll, wird vor der Opferhandlung durch eine Hirschkuh ersetzt und nach Taurus entführt, wo man sie zur Artemis-Priesterin weiht. 26,5 Brettergerüst: Auf einem solchen wurden Sklaven auf einem Sklavenmarkt zum Verkauf ausgestellt. 27,1 Mitren: Zu 7,8,1. 27,2 Tuniken: Zu 2,7,3. 27,6 Bacchantin: Zu 1,13,2. 29,5 Quiriten: Zu 1,1,4. nur »I«: Im Original bleibt von porro ein »o« übrig.



Apuleius Buch 9

715

Buch 9 1,2 1,5 2,3

3,1 4,3 4,4 6,3 8,2 9,3 10,3 10,4 11,1 13,3 13,4 14,1 14,5 15,5 16,2

Triklinium: Zu 5,15,1. Fortuna: Zu 1,6,1. Myrtilus: Anspielung auf den Namen des Wagenlenkers des Oinomaos in der Pelops-Sage. Hephaestio: Ironische Anspielung auf »Hephaistos«, den griechischen Namen des Götterkochs Vulkan (vgl. dazu 6,24,2). Hypataphius: »Der Meister des Grabes«. Die Lesart ist umstritten, aber vgl. S. Panayotakis, Mnemosyne 50, 1997, 295–301. Apollonius: Anspielung darauf, dass Apollo auch Gott der Heilkunst ist. zu meinem Schutz: Die Wachen sind zum Schutz vor dem vermeintlich tollwütigen Esel aufgestellt, dieser aber, der oft etwas auf sich bezieht geht davon aus, dass er beschützt werde. die doppelte Gefahr: Diejenige, die vom dem Koch ausgeht, und der Verdacht auf Tollwut. die charmante Geschichte: Vgl. dazu die Bearbeitung dieser Novelle bei Boccaccio, Decameron 7,2. Denare: Zu 1,24,4. Verbund’ne …: Das Orakel ist nicht wie sonst in Hexametern oder elegischen Distichen, sondern in Senaren verfasst, die hier mit jambischen Sechshebern wiedergegeben sind. Manipel: Zu 7,5,6. die Göttermutter: Cybele (zu 8,25,3). die Syrische Göttin: Zu 8,24,2. Tullianum: Der Name des berüchtigten Staatsgefängnisses in Rom ist vielleicht ironisch auf einen Provinzkerker übertragen. durchgehend wach: Natürlich in Tag- und Nachtschichten, wie der Text implizit erkennen lässt. Grenzzeichen: Zu 4,20,2. der göttliche Urheber: Homer. Im Folgenden werden die ersten vier Verse der Odyssee paraphrasiert. Grajer: Griechen. reizende Geschichte: Vgl. die Bearbeitung der beiden folgenden Novellen bei Boccaccio, Decameron 5,10. eines Gottes … der einzige: Die Frau soll offensichtlich als Jüdin oder Christin gekennzeichnet werden. Mit der plänkelte sie: D. h. sie entwickelte mit ihr »kampflustig« Strategien für Seitensprünge. Philesitherus: »Der Schürzenjäger«.

716 17,1 17,2 17,3 20,2 20,4 22,2 23,4 23,5 27,1 31,3 32,2 33,3 36,3 39,4

39,7 41,6 41,7 42,1 42,4

Erläuterungen Barbarus: »Der Barbar«. Decurio: Ratsherr von adeliger Herkunft in einer griechischen Stadtgemeinde unter römischer Verwaltung. Arete: »Die Tugend« (ironisch verwendet). Myrmex: »Die Ameise«. dem unerfahrenen Amor: D. h. nicht, dass sie erste Liebeserfahrungen machten, sondern neue mit einem neuen Partner. Tunika: Zu 2,7,3. dass er vor Gericht erscheint: D. h. »auch wirklich zu der Müllersfrau kommt.« bei dieser heiligen Ceres da: Der Müller hat offensichtlich eine Statue der für seine Tätigkeit »zuständigen« Göttin bei sich aufgestellt. Geschichte: Vgl. die Bearbeitung dieser Novelle bei Boccaccio, Decameron 7,2. Providentia: Die Personifikation der Vorhersehung. Fortuna: Zu 1,6,1. Sesterzen: Zu 1,24,4. bei dem winterlichen Raureif des Steinbocks: D. h. am 21. Dezember, dem kürzesten Tag des Jahres. Stadien: Ein Stadium als römisches Längenmaß entspricht 185 Metern. Furie: Zu 1,19,2. Wohin: Im Lateinischen steht nicht quo, sondern ubi, das wohl in kolloquialem Latein gebraucht werden konnte. Dass hier gerade ein Soldat so spricht, erinnert mich an einen Unteroffizier, der während meiner Wehrdienstzeit um 22:00 Uhr durch die ganze Kaserne »Jetzt alle marsch im Bett!« brüllte. die abscheuliche Krankheit: Offenbar ist Epilepsie gemeint. Prinzeps: Zu 3,29,1. Genius: Zu 8,20,1. Liktoren: Zu 1,24,7. Caesar: Zu 3,29,2. Schatten des Esels: Er stand sprichwörtlich für eine unbedeutende Angelegenheit; vgl. Aristophanes, Wespen 191; Platon, Phaidros 260 C. und Ps.-Plutarch, Moralia 848 A–B. Buch 10

1,3 2,3 2,4

Decurio: Zu 9,17,1. zur schlimmsten Schandtat: In Rom galt auch Sex zwischen Stiefmutter und Stiefsohn als Inzest. eine Tragödie: Als solche stellen der Hippolytos des Euripides und Senecas Phaedra die mythische Version des Stoffes da.



2,5 6,1 6,3 7,2 8,1 10,4 12,1 12,4 13,2 14,7 15,2 16,3 16,8

18,1

19,3 20,2 22,1 22,4 24,1

Apuleius Buch 10

717

von der Sandale zum Kothurn: Anspielung auf die im griechischen Drama getragene Fußbekleidung, die sandalenartigen Schuhe der Komödienschauspieler und die hochgeschnürten Stiefel der Tragödienschauspieler. bacchantisch rasend: Zu 1,13,2. Forum: Zu 1,1,5. Kurie: Das Rathaus. Gerichtshof des Mars: Der Areopag (»Areshügel«), der höchste Gerichtshof in Athen. in den Sack eingenäht: Nach römischem Recht wurden Verwandtenmörder mit Ruten verprügelt, anschließend mit einer Schlange, einem Affen, einem Hund und einem Hahn in einen Sack eingenäht und ins Meer geworfen. Pferd: Ein Holzgestell, auf dem die zu folternde Person gebunden und gestreckt wurde und unter dem wie unter dem Rad ein Feuer brannte. Optimaten: Angehörige der städtischen Oberschicht. Veritas: Zu 8,7,1. Tribun: Offizier, hier der unmittelbare Vorgesetzte des Soldaten. Prinzeps: Zu 3,29,1. Denare: Zu 1,24,4. eteokleïsche Streitereien: Eteokles und Polyneikes, Söhne des Ödipus, kämpften bis zur gegenseitigen Vernichtung um den Thron von Theben. Harpyien: Zu 2,23,3. Triklinium: Zu 5,15,1. Parasit: In der antiken Komödie und verwandten Texten Bekannter eines wohlhabenden Herrn, der diesem schmeichelt und dafür z. B. zu dessen Gastmählern eingeladen wird (von gr. pará »bei« und sîtos »Essen«; vgl. »Mitesser«). Thiasus: »Der Festzug«, also wohl Anspielung auf die Freigebigkeit des Thiasus beim Veranstalten von Spielen. Duumvir quinquennalis: Einer der beiden duumviri quinquennales (»Zweimänner für fünf Jahre«) an der Spitze der korinthischen Staatsbeamtenlaufbahn, die, jährlich gewählt, diesen Titel in fünf Jahren einmal trugen. Pasiphaë: Gattin des kretischen Königs Minos, verliebt sich, von Neptun (Poseidon) mit dieser Leidenschaft bestraft, in einen Stier und wird Mutter des Minotaurus. mit … tyrischem Purpur: Die phönizische Stadt Tyros (auf dem Boden des heutigen Libanon) war für ihre Purpurproduktion berühmt. ambrosisch: zu 5,22,5. die Mutter des Minotaurus: Zu 10,19,3. Fortuna: Zu 1,6,1.

718

Erläuterungen

Rivalitas: Die personifizierte Eifersucht. 24,3 Fides: Zu 3,26,6. 25,2 Sesterzen: Zu 1,24,4. 25,3 Salus: Sonst nicht belegter Beiname der Unterweltsherrscherin (zu 3,9,8), aber es ist einfach gemeint »dem Tod heilig, geweiht«. 29,4 Pyrrhustanz: Ursprünglich ein mit Waffen aufgeführter Kriegstanz. 30,1 idäisch: Zu 8,25,3. 30,2 Tiara: Orientalische Königsmütze. 30,3 Ephebenmantel: Die jungen Männer (épheboi) in Griechenland trugen einen nur bis zum halben Oberschenkel hinab reichenden Mantel. 31,1 ambrosisch: Zu 5,22,5; hier wohl gleichbedeutend mit »göttlich«. 31,2 aus dem Meer: Zu 2,17,1. 31,3 Kastor und Pollux: Zu 1,8,1. 31,5 Terror und Metus: Schrecken und Angst als Personifikationen. 32,1 Cupidines: Zu 2,8,6. 32,2 Grazien … Horen: Zu 2,8,6. 32,4 phrygisch: Trojanisch. 33,1 forensisch: Zu 1,1,5. 33,2 Palamedes: Griechischer Fürst im Heer vor Troja, der infolge einer List des ihm verfeindeten Odysseus wegen angeblichen Verrats verurteilt und gesteinigt wird. Ajax: Zu 3,18,5. 33,3 der alte Mann: Der griechische Philosoph Sokrates, der von Apollo, dem Gott von Delphi, zum weisesten Menschen erklärt wurde. Die Athener verurteilten ihn im Jahr 399 v.  Chr. zum Tod durch den Giftbecher, weil er die Jugend verderbe und nicht an die staatlich anerkannten Götter glaube, sondern neue eingeführt habe. 35,3 saronikisches Meer: Golf der Ägäis zwischen Attika und der Peloponnes. Buch 11 1,1 1,2 1,4 2,1 2,2 4,3 5,1

die erste Nachtwache: Zu 1,11,6 und 3,21,3. die höchste Göttin: Isis. Pythagoras: griechischer Philosoph (2. Hälfte 6. Jh. v. Chr.). deiner Tochter: Proserpina (zu 3,9,8). das eleusinische Ackerland: Zu 6,2,4. Paphos: Zu 4,29,3. Schwester des Phöbus: Diana (Artemis). ambrosisch: Zu 5,22,5 und 10,31,1. Manen: Zu 1,8,4.

5,2

5,3

6,1 6,2 6,4 6,6 8,4 9,4 9,5 9,6 11,1 12,1 14,5 15,1 17,2 17,3 18,1 20,1

Apuleius Buch 11

719

pessinuntische Göttermutter: Pessinus war das Zentrum des Kults der Cybele (zu 8,25,3). cecropisch: Cecrops (gr. Kekrops) ist im Mythos der erdgeborene zweite König von Athen. Cyprier: Zu 4,29,3. Dictynna: Die vermutlich nach dem Berg Diktys benannte kretische Göttin (gr. Diktynna) wurde mit Diana/Artemis gleichgesetzt. die dreisprachigen Siculer: Auf Sizilien sprach man Griechisch, Lateinisch und vermutlich Phönizisch. Eleusinier: Zu 6,2,4. Bellona: Die römische Kriegsgöttin. Hecate: Eine Göttin der Unterwelt (gr. Hekate). Rhamnusia: Die im attischen Rhamnus verehrte Rachegöttin Nemesis. die beiden Völker der Äthiopier: Zu 1,8,6. Sistrum: Zu 2,28,3. des … verabscheuungswürdigen Tiers: Der Widersacher der Isis, Typhon-Seth, wurde als Esel dargestellt. die Leute der enggekleideten Ränge: Die Angehörigen der höheren Ränge mit ihren leinenen Togen, von denen sie eng umschlossen sind. Acheron: Unterweltsfluss. stygisch: Zu 2,29,3. die elysischen Gefilde: Der Ort ewiger Glückseligkeit in der Unterwelt. Catamitus: Zu 1,12,4. Bellerophontes … Pegasus: Zu 6,30,5. den Ursprung der Sterne: Isis, die sie dem Mythos zufolge schuf (vgl. 11,7,4). Camenen: Die römischen Musen. Sarapis: Ein mit Osiris gleichgesetzter ägyptischer Gott. Anubis: Der über die Unterwelt herrschende ägyptische Gott mit dem Kopf eines Schakals. Fortuna: Zu 1,6,1. Tunika: Zu 2,7,3. Nachdem du …: Zur Rede des Isis-Priesters vgl. Einf. S. 25. Quies … Misericordia: Die Personifikationen der Ruhe und der Barmherzigkeit. Pastophoren: Priester niederer Ordnung und Träger der Götterbarken, in dem sich kleine Götterbilder befanden. Prinzeps: Zu 3,29,1. Ploiaphesia: gr. »Eröffnung der Seefahrt«. Fama: Zu 8,6,4. Candidus: »Der weiß Glänzende«.

720 21,2 22,8 23,6 24,3

25,2 25,3 26,2 26,3 27,4 27,7 27,9 28,2

28,6

30,4 30,5

Erläuterungen die Weihen: Zu den im Folgenden geschilderten Initiationen vgl. Einf. S. 28f. unverständliche Buchstaben: Die Hieroglyphen. Proserpinas Schwelle: Zu 3,9,8. hyperborëisch: Bei den Hyperboreern handelt es sich um ein mythisches Volk im äußersten Norden der Erde. die olympische Stola: Das Adjektiv steht offenbar metaphorisch für den Sieg, den ein der Isis Geweihter als eine Art Held u. a. über den Tod errungen hat. Fäden der Geschicke: Gemeint sind die Lebensfäden, die in den Händen der Parzen liegen. Klotho spinnt sie, Lachesis teilt sie zu und Atropos schneidet sie ab. Tartarus: Zu 1,15,5. Hafen des Augustus: Ostia an der Tibermündung. die Iden des Dezember: Der 13.12. Campensis: »Die auf dem Campus 〈Martius〉«. Auf dem Marsfeld in Rom stand der berühmteste römische Isistempel. Thyrsusstäbe: Lange Rohrstöcke mit Pinienzapfen, die auch von Anhängern des Dionysos getragen wurden. Pastophoren: Zu 11,17,2. Name, der …: Asinius ist von asinus = Esel abgeleitet. Zum Erzähler passt der Name deshalb nicht, weil er kein Esel mehr ist. Madaurenser: Apuleius von Madaurus. Zu der schwierigen Stelle vgl. Einf. S. 13f. zwischen Altar und Feuerstein: Bezug auf die Zeit zwischen dem Moment der Platzierung des Opfertiers auf dem Altar und der Zertrümmerung seines Kopfes durch einen Feuerstein. Normalerweise wurde die Redensart verwendet, wenn sich jemand in einem Dilemma befand, aber auf Lucius trifft das nicht zu, da er lediglich zwischen zwei Initiationen wartet. Also wird einfach sacrum beim Wort genommen und komische Spannung darauf geweckt, was mit saxum gemeint sei könnte. Eventus: Zu 4,2,3. Forum: Zu 1,1,5. mit Hilfe des Patronats der lateinischen Sptache: Latein ist hier scherzhaft als Patron personifiziert, der Lucius die Voraussetzung für Gerichtstätigkeit in Rom schafft. Decurionen: Zu 9,17,1. Hier sind es entsprechende Würdenträger innerhalb des Kults. Sulla: Römischer Heerführer und Diktator (138–78 v. Chr.).



(Ps.?-)Lukian

721

2. (Ps.?-)Lukian, Lukios oder Der Esel 619,2 619,7 619,25 621,5 621,24 625,10 625,19 627,25 627,29

629,5

629,10 629,18 629,23

⁠Thessalien: Zu Apuleius 1,2,1. ⁠Wir teilten Salz: D. h.: Wir aßen gemeinsam. ⁠Sophist: In der Kaiserzeit Gelehrter, der über ein breites Wissen verfügt. ⁠Patrai: Hafenstadt im Nordwesten der Peloponnes (heute Patra). ⁠Palaistra: Sprechender Name: »Ringschule, Übungsplatz (für Ringer)«. ⁠Larissa: Zu Apuleius 1,7,6. ⁠dort ansetzend: Hier ist eine Ringkampfmetapher mit Homer, Odyssee 8,500a kombiniert. ⁠Arztgott: Zu Apuleius 1,4,5. ⁠Palaistra: Zu 621,5. ⁠ringen: Vgl. zum Folgenden Michael B. Poliakoff, Kampfsport in der Antike, Zürich/München 1989, u.  a. S.  73ff. sowie ders., Studies in the Terminology of the Greek Combat Sports, Frankfurt a.M. 21986, bes. 101–127 und 161–163. In der Antike existierten Handbücher (z. B. POxy. 466) für Ringer und deren Trainer mit genauen Anweisungen für den Ringkampf (Techniken, Griffe und deren optimale Abfolge etc.). Eine derartige Lehrer(in)-Schüler-Konstellation wird hier auf die sexuelle Unterweisung übertragen und in Szene gesetzt. Die Besonderheit vor allem in den vorliegenden Kapiteln 8–10 besteht in der Mehrdeutigkeit der verwendeten Ausdrücke, die zwischen der Ringkampfterminologie, Kampfund Kriegsmetaphorik und sexueller Konnotation changieren. Die nicht immer leicht verständliche Polysemie der Begriffe beginnt bereits in Kap. 5 (ἀποδύου – κυλιόμενος – γυμναζόμενος – συμπλεκόμενος) und Kap.  7, wenn dort bei der Beschreibung der Rosen Termini gebraucht werden (γυμνὰ – λελυμένα – συμπεπλεγμένα), die auch verschiedene Aspekte des Ringkampfs bezeichnen. Dies wird erst beim second reading in vollem Umfang verständlich. Die Mehrdeutigkeit der Begriffe ist in der deutschen Übersetzung an mehreren Stellen kaum wiederzugeben. ⁠Kommandos zu geben: Der antike Ringkampf ging, wenn der Sieger nicht schon früher feststand (z. B. wenn es gelang, den Gegner rücklings auf die Schultern zu werfen), über drei Runden. Auch in diesem Text werden – nach Poliakoff – drei Kampfrunden geschildert. Hier beginnt die 1. Runde des ›sexuellen Ringkampfes‹ im Standkampf. ⁠halte sie ruhig: Vgl. Poliakoff 1986, S. 185, Abb. 13a. ⁠entlassen: Hier endet die 1. Runde. ⁠nicht in der richtigen Reihenfolge: Nach Poliakoff ›kritisiert‹ Lukios hier,

722

629,29 629,32 631,1 631,6 631,8 631,9 631,10 – 11

631,13 – 14

631,14 – 15 631,18 – 19 633,2 639,4 641,16 – 17 649,6 655,19

Erläuterungen dass der Geschlechtsverkehr durch eine Phase des Cunnilingus unterbrochen worden sei (Kap. 9: »dein Unterleib … dann ramme«). ⁠sagte: Hier beginnt die 2. Runde im Bodenkampf (»Kniestellung«); ἐπανίσταται bedeutet in etwa »die Ausgangsposition für den Kampf einnehmen«. ⁠auf die Knie: Vgl. Poliakoff 1986, S. 187, Abb. 17a. ⁠Wenn du …: Palaistra, Trainerin und gleichzeitig ›Sparringspartnerin‹, wechselt hier – wie in der ersten ›Runde‹ – bei ihren Anweisungen von der 1. Person in die 3. Person Maskulinum. ⁠beug dich nach vorn: Vgl. Poliakoff 1986, S. 187, Abb. 17b. ⁠unten: Gemeint ist: »unten an einem Bein«. ⁠mit seinem verschlungen: παρεμβολὴ ist ein Terminus technicus für einen ›Angriff von der Seite‹ (also kein »Frontalangriff«); vgl. Poliakoff 1986, S. 28–32, 122; 188 Abb. 18. ⁠ganz Wasser ist dein Gegner: Denn gefallen (im Sinne von »besiegt«), fertig (in doppeltem Sinne von »aufgelöst, erschöpft« und »entlassen aus dem Kampf« und ganz Wasser (im Sinne von »schwach wie Wasser« oder »ganz nass«) ist dein Gegner; hier endet die ›2. Runde‹ des ›Ringkampfs‹. Gleichzeitig gibt Palaistra (λέλυται »ist fertig«) ihre Rolle als Lehrerin bzw. Trainerin auf. ⁠in Ausgangsposition: Hier beginnt die 3. Runde, in der Lukios das Kommando übernimmt; ἐπαναστᾶσα markiert wieder die Ausgangsposition. Mit κάθισον wird nach Poliakoff, 1986, S. 123, die Position angegeben, in der die dritte Runde (rittlings) endet. ⁠bück … drüber: Lukios lässt sich laut Poliakoff zunächst manuell-oral befriedigen. ⁠unseren Siegerlorbeer: Im Unterschied zum echten Ringkampf gibt es hier zwei Sieger. ⁠Eros: Der Liebesgott (lat. Amor und Cupido). ⁠Caesar: Zu Apuleius 3,29,2. ⁠»besser zurück …«: Das früher der verlorenen Komödie eines unbekannten Dichters zugewiesene Zitat ist nicht nachweisbar. ⁠Dirke: Zu Apuleius 6,27,5. ⁠Kandaules: Der Lyderkönig, der seine Frau für die schönste der Welt hält, bittet seinen Leibwächter Gyges, damit auch er das glaubt, sie unbemerkt nackt anzusehen, ›übergibt‹ sie ihm also. Sie bemerkt den ›Voyeur‹ in seinem Versteck, stellt ihn vor die Wahl, entweder Kandaules zu töten, um selbst König zu werden, oder den Tod zu erleiden. Gyges entscheidet sich für das Erstere (Herodot 1,8–12).

659,3 665,16 665,18 665,19 665,23 667,9 667,17 675,24 677,33 679,2 – 3 679,6 681,29 687,24 691,20 693,7

(Ps.?-)Lukian

723

⁠von oben: D. h. auf mir sitzend. ⁠Nemesis: Die griechische Rachegöttin (zu Apuleius 11,5,3). ⁠Kinäde: Zu Apuleius 8,24,2. ⁠Syrische Göttin: Zu Apuleius 8,24,2. ⁠Philebos: Zu Apuleius 8,25,6. ⁠Mitren: Zu Apuleius 7,8,1. ⁠Obolen und Drachmen: Griechische Währungseinheiten, die noch bis zur Einführung des Euro so bezeichnet wurden. ⁠italischer: D. h. lateinischer. ⁠unauslöschlich: Anspielung auf das berühmte homerische Gelächter; vgl. Ilias 1,599 und Odyssee 8,326. ⁠Wegen …: Zitat aus Menanders (verlorener) Komödie Die Priesterin (Hiéreia), Comicorum Graecorum Fragmenta Bd. VI 2, Frg. 189. ⁠Drachmen: Zu 667.17. ⁠Wein mischt: D.  h. sich Wein mit Wasser mischt. In der Antike wurde Wein üblicherweise mit Wasser gemischt getrunken. ⁠dazu: D. h. (zu den Speisen) dazu. ⁠Pasiphaës Liebhaber: Zu Apuleius 10,19,3. ⁠Mein Vater ist …: Hier dürfte der Name des Vaters in der Überlieferung ausgefallen sein. ⁠glaube ich: Hier spricht offenbar der sich erinnernde auctor (vgl. Einführung S. 14); vermutlich auch schon in 633,25–26 (»weiß ich zwar nicht«).

Bibliographie 1. Apuleius, Der goldene Esel oder Metamorphosen Da die Literatur zum Goldenen Esel unübersehbar geworden ist, werden überwiegend Titel genannt, die nach dem Forschungsbericht von Schlam/Finkelpearl entstanden sind; lediglich die ›Klassiker‹ aus der Zeit vor 1998 sind aufgenommen. Im Abschnitt »Aufsätze zu einzelnen Abschnitten« erscheint jeweils eine Interpretation aus jüngster Zeit, welche die vorausgegangenen Arbeiten zitiert. Bibliographien und Forschungsberichte Schlam, Carl C./Ellen Finkelpearl: A Review of Scholarship on Apuleius’ Metamorphoses, Lustrum 42, 2000, 7–230. Harrison, Stephen: Constructing Apuleius: the Emergence of a Literary Artist, Ancient Narrative 2, 2002, 143–171. Holzberg, Niklas: Apuleius, Metamorphosen. Eine Bibliographie (1998–2021), München 2022 [https://www.niklasholzberg.com/Homepage/Bibliographien.html]. Ausgaben, Übersetzungen, Kommentare, Index Helm, Rudolf: Apulei Platonici Madaurensis opera quae supersunt vol. I. Metamorphoseon libri XI, Leipzig 31931 (Bibliotheca Scriptorum Graecorum et Roma­no­ rum Teubneriana); Ndr. 1992. Robertson, D. S./ Paul Valette: Apulée. Les Metamorphoses, Paris 21956 (Collection Budé). Ndr. 1965–1971. Zimmerman, Maaike: Apulei Metamorphoseon Libri XI, Oxford 2012 (Scriptorum Classicorum Bibliotheca Oxoniensis). Helm, Rudolf: Apuleius, Metamorphosen oder Der goldene Esel. Lateinisch und deutsch, Berlin 1956 (Schriften und Quellen der Alten Welt 1); Ndr. 1978. Brandt, Edward/Wilhelm Ehlers: Der goldene Esel. Metamorphosen. Lateinisch– deutsch. Mit einer Einführung von Niklas Holzberg, München 62012 (Sammlung Tusculum). Steinmann, Kurt: Apuleius. Das Märchen von Amor und Psyche. Lateinisch/ Deutsch. Übersetzt und hg., Stuttgart 1978 (Reclams Universal-Bibliothek 486).



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