Der Gesundheits-Brockhaus
 3765303585, 9783765303586

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DER GESUNDHEITS-BROCKHAUS

DER GESUNDHEITS BROCKHAUS DRITTE, VÖLLIG NEU BEARBEITETE AUFLAGE

Mit über 1'600, weitgehend farbigen Abbildungen, graphischen Darstellungen, einem Modell der inneren Organe und einer Anleitung zur Ersten Hilfe

Unter Mitarbeit von Professor Dr. med. Meta Alexander, Berlin, Privatdozent Dr. med. Peter H. Althoff, Frankfurt/Main, Professor Dr. med. Gerhard Aumüller, Marburg, Professor Dr. med. Gerhard Baltzer, Marburg, Professor Dr. rer. nat. Jörg Barner, Freiburg i. Br., Professor Dr. med. Wilhelm Blasius, Gießen, Hans-Georg Borowski, Marburg, Professor Dr. med. Georg Brehm, Ludwigshafen/Rh., Dr. med. Sigrun Chrubasik, Freiburg, Dr. med. Joachim Chrubasik, Freiburg, Professor Dr. med. Manfred P. Dierich, Innsbruck, Wolf G. Dörner, Inzell, Professor Dr. phil. Irene Eichberger-Kiener, Wiesbaden, Professor Dr. med. Joachim Eichler, Wiesbaden, Professor Dr. med. vet. Hans Eikmeier, Gießen, Professor Dr. med. Peter Emmrich, München, Professor Dr. med. Gerhart Erdmann, Mainz, Professor Dr. med. Claus-Jürgen Estler, Erlangen, Professor Dr. med. Hans-Georg Fassbender, Mainz, Professor Dr. phil. Hans Fleischhacker, Frankfurt/Main, Professor Dr. med. Hellmuth Freyberger, Hannover, Professor Dr. med. Walter Fuhrmann, Gießen, Dr. med. Eckhard Gebert, Bad Neuenahr-Ahrweiler, Pro­ fessor Dr. phil. Egbert Geyer, Marburg, Professor Dr. med. et Dr. phil. Herbert Göpfert, Freiburg/Br., Dr. med. Heinz Gundlach, Heiden­ heim, Professor Dr. med. Friedhelm Hess, Marburg, Dr. med. Benedikt Hilka, Hannover, Professor Dr. med. Wildor Hollmann, Köln, Dr. med. Jörg D. Hoppe, Düren, Dr. med. Johann Klahn, Freiburg/Br., Professor Dr. med. Karl-Friedrich Klippel, Celle, Dr. med. Will Klun­ ker, Heiden, Dr. med. Erich Krug, Helmstadt/Bargen, Privatdozent Dr. med. Dr. phil. Wolfram Kurth, Wiesbaden t, Professor Dr. med. Paul Lüth, Knüllwald-Rengshausen, Professor Dr. med. Joseph Matzker, Köln, Dr. med. Friedrich Mehlhose, Berlin, Dr. med. Stephan Mies, Hannover, Professor Dr. med. Irmgard Oepen, Marburg, Professor Dr. med. Hansjürgen Raettig, Berlin, Dr. med. dent. Alfred Rau, Wiesbaden, Dr. med. Jörg R. Rether, Hannover, Professor Dr. med. Wolfgang Rotter, Frankfurt/Main, Professor Dr. med. Hans Schadewaldt, Düsseldorf, Dr. med. Christoph Schönle, Kiel, Professor Dr. med. Willi Spielmann, Frankfurt/Main, Gerhard Vogt, Düsseldorf, Oberarzt Dr. med. Klaus-J. Volkmer, Hamburg, Ministerialrat Dr. med. Rolff Wagner, Bonn, Professor Dr. med. Dr. jur. Reinhard Wille, Kiel, Professor Dr. med. Günter Wirth, Heidelberg, Dr. med. Hanns-Dieter Wolff, Trier, Prof. Dr. med. habil. Marian Zierski, Gießen

Begründet von Prof. Dr. H. Mommsen t; in der Lexikon-Redaktion des Verlages bearbeitet von Dr. med. Eberhard Hilka, Wiesbaden

F. A. BROCKHAUS

WIESBADEN

In diesem Buch werden, wie in allgemeinen Nachschlagewerken üblich, etwa bestehende Patente, Gebrauchsmuster oder Warenzeichen nicht erwähnt. Wenn ein solcher Hinweis fehlt, heißt das also nicht, daß eine Ware oder ein Warenname frei ist.

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Der Gesundheits-Brockhaus/unter Mitarb. von Meta Alexander . . . Begr. von H. Mommsen, bearb. von Eberhard Hilka 3., völlig neu bearb. Aufl. - Wiesbaden : Brockhaus, 1984 ISBN 3-7653-0358-5 NE: Alexander, Meta [Mitverf.]; Mommsen, Helmut [Begr.]; Hilka, Eberhard [Bearb.]

Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus auf fotomechanischem Wege zu vervielfältigen (Fotokopie, Mikrokopie) oder in Zeitungen und Zeitschriften, Rundfunk und Fernsehen oder anderen Medien zu verbreiten. © F. A. Brockhaus, Wiesbaden 1984 - V. Nr. W 1640 - ISBN 3-7653-0358-5 - Printed in Germany Schutzumschlag und Einband nach Entwurf von Peter Plasberg, Hamburg Satz: Satzzentrum Oldenburg GmbH, Oldenburg (Oldb) - Druck und Bindung: Neue Stalling GmbH, Oldenburg (Oldb) Druck des Modells >Der Mensche Gloatz, Hille & Co., Berlin

A Aalgift, im Aalblut vorkommendes, dem Schlangen­ gift ähnl. Ichthyotoxin (Fischgift) mit blutzersetzender (hämolytischer) Wirkung; wird durch Erhitzen des Aals zerstört. Abbe, Ernst, Physiker und Sozialreformer, * Eisen­ ach 1840, t Jena 1905, revolutionierte als Mitarbeiter von C. Zeiss (seit 1866) den Bau opt. Geräte durch seine noch heute gültige Theorie der Bildentstehung im Mikroskop und neue Meß- und Prüfverfahren. Nach dem Tod von Zeiss (1888) machte er die von ihm gegr. Carl-Zeiss-Stiftung, in der er wegweisende soziale Neuerungen ein­ führte, zur Alleininhaberin der Zeiss-Werke.

Ab binden, das Zusammendrücken von Blutgefä­ ßen; Notmaßnahme zur vorläufigen -» Blutstillung, wenn größere Gefäße verletzt sind (-»Erste Hilfe, Anhang); auch Maßnahme des Chirurgen, wenn er in Blutleere ope­ rieren will (nach F. v. Esmarch, * 1823,11908), um bes­ sere Übersichtlichkeit im Gewebe zu schaffen oder um stärkeren Blutverlust zu vermeiden, z. B. bei Amputatio­ nen. Zum A. wird meist ein etwa 6 cm breites Gummiband verwendet, mit dem das abzubindende Glied so fest um­ schlungen wird, daß die Hauptschlagader zusammenge­ preßt und dadurch der Durchfluß des Bluts unterbunden wird (nicht länger als 2 Stunden ununterbrochen zulässig; Gefahr von Gewebsschädigungen und Nervenläh­ mungen). Ab|bruchblutung, Blutung aus der Gebärmutter­ schleimhaut, die bei anovulatorischem Zyklus (Men­ struationszyklus ohne Eisprung) oder nach Absetzen ei­ ner Hormonbehandlung infolge Entzug von Östrogen (Östrogenentzugsblutung) oder Progesteron auftritt. Die Schleimhautabstoßung verläuft unvollständig und lang­ samer als bei einer echten Menstruationsblutung.

ABC-Schäden, Abk. für atomare, biolog. undchem. Einwirkungen im Rahmen krieger. Handlungen oder bei (Reaktor-, Labor-, Transport-)Unfällen. 1) atomare Schäden, durch Alpha-, Beta-oder Gamma­ strahlen bewirkte -»Strahlenschädigungen. Ihr Ausmaß hängt von der Gesamtmenge der durch den Körper aufge­ nommenen Strahlendosis (-► Strahlenschutz) ab. Sym­ ptome: Übelkeit, Erbrechen, Hautrötung, Blutungen, Haarausfall, Durchfall, Zerstörung des Knochenmarks mit Zusammenbruch der Infektabwehr, Schockwirkung, Fieber, Krampfzustände, Kreislaufversagen. 2) biolog. Schäden, durch Verbreitung von Krank­ heitserregern (Viren, Bakterien, Pilze) ausgelöste Epide­ mien; auch Vernichtung von Nutzpflanzen durch Ein­ bringung von Schädlingen. 3) ehern. Schäden, durch Gifte, Giftkampfstoffe und Pflanzenvernichtungs- (z. B. Entlaubungs-)Mittel her­ vorgerufene Vergiftungen, Verätzungen oder Verbren­ nungen. Kombinationsschäden können z. B. in Form von Ver­ strahlung, Verbrennung und/oder Verbrühung bei Reak­ torunfällen auftreten. Der Beseitigung und Abwehr von ABC-S. dienen spezielle Organisationen, z. B. ABC-Ab­

wehreinheiten der Bundeswehr, Techn. Hilfswerk. (-» Katastrophenmedizin, -»Triage-Index) Abderhaldensche Reaktion [n. dem schweizer. Physiologen E. Abderhalden, * 1877,11950],-»Abwehr­ fermente. Abdomen das, -» Bauch. Aberglaube, Glaube an naturgesetzlich unerklär­ bare und deshalb naturwissenschaftlich geleugnete Kräfte. Wird im religiösen Bereich die Grundbeziehung zum >Heiligen< nicht in der Innerlichkeit ihres religiösen Gehalts erlebt, können die ursprünglich in hl. Personen oder Gegenständen, z. B. Reliquien, verehrten Mächte zu bloßen Zauberkräften werden. Aus der >aufgeklärten< Sicht des Menschen im techn. Zeitalter werden Volks­ bräuche häufig vorschnell als A. abgetan; sie sind jedoch oft Formen eines nach außen verlegten Umgangs mit dem Unbewußten, u. a. der Angst vor unbeherrschten Mäch­ ten (Dämonenvertreibung, magische Reinigungsproze­ duren, karnevalist. Bräuche). Der medizin. Volksglaube enthält neben praktisch bewährtem Erfahrungsgut (Volksmedizin) auch nichtrealitätsbezogene Vorstellun­ gen über den Kranken (-»Exorzismus) und Krankheits­ verläufe; dabei können (teils in betrüger. Ausnutzung abergläub. Vorstellungen) gesundheitsgefährdende Maß­ nahmen angewendet werden (z. B. Gebrauch von Lei­ chenteilen, Verabreichung von Blut, Eiter oder Kot, Aus­ übung von psych. Druck mit Verdächtigung Unschuldi­ ger, die durch ihren >bösen Blickt oder angebl. Zaubereien Unglück bringen sollen). Die Psychologie sieht die Be­ gründung für die mannigfachen Formen des A. der mo­ dernen Gesellschaft in den Motiven der Angst und des Glücksverlangens, also als Ausdruck des Wunschdenkens und Sicherungsbedürfnisses (Verwendung von Hufeisen­ symbolen u. ä.). Abfälle, bei der Verarbeitung und Aufbereitung von Stoffen in Haushalt, Gewerbe und Industrie anfallende, i. d. R. nicht mehr verwertbare Stoffe. Sie können Ge­ sundheit und Wohlbefinden durch Krankheitserreger, Geruch und Aussehen beeinträchtigen, auch auf dem Um­ weg über Boden, Wasser und Luft Schaden anrichten (bes. Giftstoffe und radioaktive Substanzen aus indu­ striellen Fertigungsprozessen und Kernkraftwerken). A. von Nahrungsmitteln gehen leicht in Gärung und Fäulnis über und müssen vor Schädlingen (Insekten, Mäusen, Ratten, streunenden Haustieren) als möglichen Krank­ heitsüberträgern gesichert und schnell beseitigt werden, (-►städtische Abfallstoffe) Abführmittel, Laxanti|en, Ez. das Laxans, Mittel, die eine vermehrte Darmentleerung bewirken, unterschie­ den nach ihrer Wirkung auf den Dickdarm, den Dünn­ darm oder auf beide. Die Dünndarmmittel werden einge­ teilt in mechanisch wirkende und solche, die durch ehern. Reizung der Darmschleimhaut eine vermehrte Darmbe­ wegung (Peristaltik) auslösen. Die ersteren wirken peri­ staltikanregend durch Vermehrung der Wassermasse des Darminhalts; zu ihnen gehören Mineralsalze wie Karls­ bader Salz, Bittersalz, Glaubersalz, Seignettesalz, einige 5

Ernst Abbe

Abga natürl. Mineralwässer und Quellstoffe wie Agar-Agar und Zellulose. Rizinusöl wirkt durch ehern. Reizung der Darmschleimhaut. Dickdarmmittel sind bes. Sennesblät­ ter, Faulbaumrinde, Aloe und der ostind. Rhabarber. Die in ihnen enthaltenen Anthrachinonabkömmlinge regen auf dem Blutweg die Dickdarmmuskulatur an. Als Gleit­ mittel dient das Paraffinöl. Der ständige Gebrauch kann, auch bei natürl. A., zu Schädigungen der Darmschleimhaut und des Mineral­ stoffhaushalts führen durch Verlust von Wasser und Elektrolyten wie Natrium, Kalium und Kalzium. Die — Verstopfung sollte ursächlich, bes. durch Änderung der Ernährungsweise (schlackenreiche Kost, z. B. Voll­ kornbrot, Obst), Bewegung, Massage u. ä. behandelt werden. Abgase, gasförmige Emission bei Verbrennungs­ prozessen (Feuerungsanlagen, Verbrennungsmotoren) oder aus Industrieanlagen abgehende gasförmige Stoffe, die flüssige oder feste Bestandteile enthalten können. In A. von Verbrennungsmotoren (Auspuffgase) treten bes. lolzstethoskop (19. Jh.) folgende schädl. Bestandteile auf: beim Ottomotor Koh­ lenmonoxid (CO), unverbrannte Kohlenwasserstoffe (HC), Stickoxide (NOX) und bes. Blei (—Antiklopfmit­ tel); die nach den Richtlinien der Weltgesundheitsorgani­ sation (Abk. WHO) vertretbare wöchentl. Bleiaufnahme von insgesamt 30 Mikrogramm (millionstel g) wird im Straßenverkehr vermutlich häufig überschritten; beim Dieselmotor entsteht neben Stickoxiden auch Ruß. A. aus Industrieanlagen und Gewerbebetrieben enthalten als bes. schädliche Bestandteile Kohlenmonoxid, Schwefel­ dioxid (SO2), Schwefelwasserstoff (H2S), Stickoxide, Chlor (CI), Chlorwasserstoff (HCl) und Fluorwasserstoff (HF). — Luftverunreinigung. Abgasgesetze und -Verordnungen legen die Höchst­ grenze der zulässigen Schadstoffemissionen fest. In der Bundesrep. Dtl. sind das im wesentlichen das Bundes-Im­ missionsschutzgesetz v. 15. 3. 1974, die als dessen erste Allgemeine Verwaltungsvorschrift erlassene Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) von 1974, in der die Immissionskenngrößen festgelegt sind, nebst Durchführungsverordnungen, insbes. der 4. Durchfüh­ rungsverordnung vom 14.2.1975, betr. genehmigungsbe­ dürftige Anlagen, sowie das Benzinbleigesetz vom 5.8. 1971. Der A.-Entgiftung dienen die Verfahren der Absorp­ tion, Adsorption, Kondensation und (als beste Lösung) vollständigen Verbrennung. Abgeschlagenheit, die — Abspannung. abgetrennte Gliedmaßen, Amputate, Körper­ teile, die durch äußere Gewalteinwirküng abgetrennt wur­ den. Die Wiedereinpflanzung (—Replantation) ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Am Unfallort sol­ len die a. G. sofort in trockenen, keimfreien Verbandmull eingewickelt und dann in einen wasserdichten Beutel ge­ legt werden. Dieser wird, dicht verschlossen, in einen zweiten, mit Eis und Wasser gefüllten Beutel gelegt. Die Wunde des Patienten wird durch Druckverband versorgt. Der Transport in eine Spezialklinik sollte möglichst rasch vorgenommen werden (Hubschrauber). Größere a. G., z. B. Arm oder Bein, sind etwa 6 Stunden, kleinere etwas länger verwendungsfähig. Die endgültige Einheilungsrate liegt bei über 80%. (Bilder S. 7) Abhärtung, Gewöhnung des Organismus an äußere Einwirkungen (Kälte, Nässe), Änderung des Biorhyth­ mus, der Eß- und Lebensgewohnheiten unter Inkauf­ nahme von Entbehrungen. Ziel ist die Hebung der Wider­ standsfähigkeit und die Verbesserung der Anpassungs­ mechanismen auch seel. Art. A. dient der Vermeidung und Besserung von Zivilisa­ tionskrankheiten, kann eine Konstitutionsschwäche aus­ gleichen und Krankheiten (Erkältung, Muskelschwäche, Verstopfung u. a.) vorbeugen. Sie wird unterstützt durch eine gesunde Ernährung, altersgemäße sportl. Belastung (-♦Training) und autogenes Training. Natürl. Maßnah­ men zur A. — Naturheilkunde. Abhorclien:

Strömungsgeräusche; a-e Abhorchbereiche, a Hals­ schlagader, b Schlüsselbeinarterie, c Armarterie, d Nie­ renarterie, e Oberschenkelarterie 6

Abhorchen, Auskultation, Untersuchung bes. der Brustorgane mit Hilfe eines Hörrohrs (Stethoskop), das aus Holz oder einem beiden Ohren zugeführten Schlauch­ system mit tonverstärkendem Aufsatzteil besteht. Beur­ teilt werden Herztöne, Atemgeräusch und Nebengeräu­ sche, die als Folge von Herzleiden und Lungenerkran­ kung auftreten können (—Rasselgeräusche). Wichtig ist

Abhorchen: Stethoskop; a Ohroliven, h Bruststück, c Membrane, d Gabelschlauch, e Metallbügel

das Erkennen von Gefäßgeräuschen, die bes. dann hörbar sind, wenn die Gefäßlichtung um mehr als 50% eingeengt ist. In Ruhe nicht hörbare Strömungsgeräusche können durch Belastung, z. B. nach Kniebeugen, wahrnehmbar werden. Das seltener angewendete A. der Bauchhöhle dient zur Wahrnehmung von Darmgeräuschen bei gestör­ ten Darmbewegungen. Während der Schwangerschaft sind durch die Bauchdecken hindurch die kindl. Herztöne von der 12. Schwangerschaftswoche ab mit dem Hörrohr wahrzunehmen. Abkauung, Abrasio dentium, mit fortschreiten­ dem Alter einsetzende physioiog. Abschleifung der Zahn­ kronen (Hartsubstanzverlust) mit Veränderung des Kau­ reliefs. Einfluß auf den Grad der A. haben Kaufunktion, veränderter Zustand der Kiefergelenke (z. B. bei Pfeifen­ rauchern und Blasinstrumentenspielern) und die Nah­ rungsbeschaffenheit (Eßgewohnheiten). Folgen der A. kann Zähneknirschen sein.

Abklatschung, — Abreibungen. Ablatio retinae, die — Netzhautablösung.

Ableitung, Heilverfahren, das durch Reizung von Ausscheidungsorganen (Haut, Verdauungsorgane, Nie­ ren, Nasen-Rachen-Raum) oder blutentziehende Maß­ nahmen versucht, gesundheitsschädigende Stoffe aus dem Körper zu entfernen oder den Stoffwechsel zu be­ einflussen (—Blutreinigung). A. auf die Haut erfolgt durch Schwitzen (Arbeitsschwitzen, Trockenschwitzen, Packungen, Sonnenschwitzen, Glühlichtbäder, Heiß­ luftbäder, Dampfbäder, Paraffinpackungen, Sauna­ bad), Hautreizmittel (Senfpackungen, hautreizende Pfla­ ster), Bestrahlungen (Höhensonne). Der A. auf den Darm dienen Abführmittel, Einläufe, subaquales — Darmbad, der A. auf die Nieren harntreibende Mittel, der A. über den Nasen-Rachen-Raum das —Rödern. Blutentzie­ hende Verfahren sind Aderlaß, Blutegelbehandlung, Schröpfen. Abmagerung, funktioneller Vorgang mit organ. Fol­ gen, der von einem tatsächl. oder anzunehmenden Nor­ malzustand ausgeht: Körpersubstanzverlust durch Schwund des Unterhautfettgewebes (auch des Eingewei­ defettes) bis zum Muskelschwund, bes. bei Eiweißman­ gelernährung (—Dystrophie, — Unterernährung). Ursachen: mangelhafte Ausnutzung der Nahrung durch Erkrankungen der Verdauungsorgane (Magen, Darm, Leber, Bauchspeicheldrüse) und/oder Stoffwech­ selkrankheiten, z. B. Zuckerkrankheit. Gesteigerte Ab­ bauvorgänge finden sich bes. bei bösartigen Geschwül­ sten, chron. Infektionskrankheiten, z. B. Tuberkulose, Überfunktion der Schilddrüse (Hyperthyreose) u. a. hor­ monalen Ursachen. Psych. Ursachen sind bes. bei jungen Menschen häufig und können, wie die — Anorexia ner­ vosa, Ausdruck einer Reifungskrise sein. Es gibt auch Menschen, deren Nahrungsbedarf allge­ mein gering ist und die ihr Längendurchschnittsgewicht nicht erreichen; sinkt dieses nicht unter einen bedenkl. Wert, ist kaum Sorge geboten. Über krankhafte A. — Magersucht. Abnabeln, das Durchtrennen der Nabelschnur nach der Geburt.

Abse Abnutzungskrankheiten, Verschleißkrank­ heiten, durch lang dauernde Überbeanspruchung von

Organen oder Organsystemen auftretende Erkrankun­ gen; meist beruflich bedingt, z. B. Meniskusschäden im Kniegelenk bei Berufssportlern. Bei A. wird der an sich unpräzise Oberbegriff Degeneration dann gebraucht, wenn das überbeanspruchte Gewebe Abweichungen als Folge eines Teilschadens der Zelle oder als Folge geweb­ licher Stoffwechselstörungen im Zellverband mit funk­ tionellen Auswirkungen aufweist. Abort, 1) Abtritt, Klosett, Toilette [twa-], Ort (lat. lo­ cus, daher volkstümlich >LokusKörperfrische< versprechen (Puder, E. Abderhalden (* 1877, 1 1950) nachgewiesene Fer­ Sprays). Auch das Entfernen der schützenden Behaarung mente (Enzyme), die in Blut und Harn gebildet werden, (Rasieren verursacht oft kleine Hautverletzungen) kann wenn blutfremde Stoffe (bes. artfremdes Eiweiß) unter eine Entzündung hervorrufen. Eine Hautschädigung be­ Umgehung des Darms (hauptsächlich durch Injektion) in günstigt das Eindringen von Infektionserregern, so daß es den Körper gelangen. Ihr Nachweis (durch die Abderhal- zu einer Eiteransammlung (-»Schweißdrüsenabszeß) densche Reaktion) diente früher zur Schwangerschafts­ kommen kann. diagnostik und zur Erkennung von Organkrankheiten; A|chylie, das Fehlen von Verdauungssäften, z. B. im heute wegen der Vieldeutigkeit aufgegeben. Magen (Pepsin und Salzsäure; Magen-A.) bei schwerer Abwehr|reflex, reflektor. Schutzreaktion (z. B. He­ Magenschleimhautentzündung, Magenkrebs, perniziö­ ben des Arms, Schließen der Augenlider) auf einen plötz­ ser Anämie, nach Magenresektion. In höherem Alter feh­ lich auftretenden, tatsächlich oder vermeintlich schädi­ len bei A. auch die Verdauungssäfte der Bauchspeichel­ drüse (Bauchspeicheldrüsensaftmangel; Pankreas-A.); genden Reiz. ferner bei Verlegung des Ausführungsgangs durch Tu­ Abwehrspannung, für die Erkennung entzündl. mor, Steine. Baucherkrankungen (Bauchfellentzündung, Blinddarm­ Ackerwinde, Convolvulus arvensis, zu den Win­ entzündung) wichtiges Zeichen: Drückt man auf den Bauch, so spannen sich die Bauchmuskeln an, die Bauch­ dengewächsen (Convolvulaceae) gehörendes Acker­ wand wird straff. Es handelt sich dabei um einen reflek­ unkraut in warmgemäßigten Klimazonen; in allen Teilen tor. (unwillkürl.) Vorgang, ausgelöst durch Entzündun­ der Pflanze rd. 10% gummiartige, harzige Stoffe mit ab­ gen an den Organen der Bauchhöhle, die das äußerst führender Wirkung, auch ein gerinnungsfördernder, schmerzempfindliche Bauchfell in Mitleidenschaft blutdrucksenkender und krampflösender Wirkstoff. An­ wendung: Heilpflanzen, Übersicht. ziehen. Aconitum napellus, -»Akonit. Abzehrung, veraltete, volkstüml. Bezeichnung für Acorus calamus, -»Kalmus. Kräfteverfall (-»Auszehrung, -»Dystrophie, -»Inanition, -»Kachexie). ACTH, Corticotropin, adrenocorticotropes Hor­ Achillea millefolium, -»Schafgarbe. mon des Vorderlappens der Hirnanhangdrüse, ein Wirk­ stoff, der in der Nebennierenrinde die Bildung und Ab­ Achilles|sehne, die Sehne des dreiköpfigen Waden­ muskels (Bild Bein). Zwischen Fersenknochen und A. gabe von glukotropen Nebennierenrindenhormonen befindet sich ein Schleimbeutel, der mit Beteiligung der (Glucocorticoide), z. B. Cortison, anregt. Der Anwen­ dungsbereich von ACTH als Arzneimittel, dessen Verab­ Sehne entzündlich erkranken kann (-»Haglundferse). folgung funktionstüchtige Nebennierenrinden voraus­ A|cholie, verminderte oder fehlende Ausscheidung setzt, deckt sich weitgehend mit dem der Nebennierenrin­ der von der Leber abgesonderten Gallenflüssigkeit in den denhormone. Dünndarm, entweder Folge einer Gallenstauung (CholoAdamsjapfel, der hervortretende Teil des Schild­ stase) in den Gallengängen der Leber, eines Verschlusses des Gallenblasenausführungsgangs oder der großen Gal­ knorpels, gilt beim Mann als sekundäres Geschlechts­ lengänge durch Steine, Geschwülste oder entzündl. Vor­ merkmal am Kehlkopf. gänge. Diagnostische Hinweise: Gelbsucht, weißlich­ Adams-Stokesscher Symptomenkomplex graue Stuhlverfärbung. In jedem Fall ist ärztl. Klärung ['eedamz stauks-, n. den brit. Ärzten R. Adams, * 1791, (Röntgen-, Ultraschalluntersuchung durch die Sonogra­ 1 1875, und W. Stokes, * 1804,1 1878], lebensbedrohen­ phie) notwendig. des Krankheitsbild mit hochgradiger Verlangsamung des 10

Adon Pulses bis auf 12—15 (oder weniger) Schläge in der Minute, dazu anfallsweise auftretende Bewußtseintrübung und gelegentlich epilepsieähnl. Krämpfe. Ursache: Unterbrechung der nervösen Reizleitung des Herzens (-► Reizleitungssystem), so daß Vorhof und Kammer unabhängig voneinander schlagen (Herzblock); dadurch kommt es zu einer mangelhaften Durchblutung des Gehirns mit Funktionsstörung des Atemzentrums. Erste Hilfe: Sofort Arzt rufen, Lebensgefahr! Adaptation, 1) die -»Hell-Dunkel-Anpassung des Auges. 2) Anpassung des Organismus an verschiedene Reizeinwirkungen (-» Adaptationssyndrom). Adaptationssyndrom, Abk. AAS, Bezeichnung für alle vorwiegend unspezif. Anpassungsvorgänge als Reaktion auf unterschiedl. Reize (z. B. durch Wärme, Kälte, Infektionen, auch Einwirkung psych. Art). Das A. kann als eine Form der Selbstverteidigung des Organis­ mus gegenüber einer drohenden oder bereits eingetrete­ nen schädl. Einwirkung angesehen werden. Nach H. Selye(* 1907,11982), der den Begriff A. ge­ prägt hat, wird der physiolog. Ablauf einer solchen -» An­ passung vom Zwischenhirn aus, bes. dem Hypophysen­ vorderlappen mit Hormonausschüttung, ebenso auch der Nebennierenrinde (-»Hormone), gesteuert. Dabei wer­ den 3 Phasen unterschieden: 1) die Alarmreaktion mit Blutdruckabfall, Blutveränderungen, auch Schocksym­ ptomen, 2) eine Gegenschockphase mit Anpassungsvor­ gängen durch Gegenregulation, 3) das Resistenzstadium nach erfolgter Anpassung. Auslösend kann bes. Streß sein, wobei Selye auf Zusammenhänge mit einer zivilisa­ torisch bedingten >Anpassungskrise< des Menschen von heute hinweist. Ungenügende Anpassung, z. B. bei Er­ schöpfung, kann zu Adaptations-(Anpassungs-)Krankheiten (Hochdruck, Magengeschwüre, Stoffwechsel­ krankheiten und Krankheiten des rheumat. Formenkrei­ ses) führen. Addisonsche Krankheit [' aedisn-, n. dem brit. Arzt T. Addison, * 1793, f 1860], Bronzekrankheit, seltene Erkrankung der Nebennieren, früher zu 70—90% Folge einer Tuberkulose mit Schädigung oder Zerstörung der Nebennierenrinde. Heute gilt die A. K. überwiegend als Autoimmunkrankheit, bei der -»Antikörper gegen Ge­ webe der Nebennierenrinde, der Schilddrüse, der Neben­ schilddrüse, der Bauchspeicheldrüse und der Magen­ schleimhaut gebildet werden. Seltenere Ursachen sind u. a. -»Metastasen, -»Amyloidose, -»Sarkoidose sowie langdauernde Behandlung mit Nebennierenrindenhor­ monen. Anzeichen der A. K. sind leichte Ermüdbarkeit, -» Adynamie, Braunfärbung der Haut und Schleimhäute, Gewichtsverlust, Übelkeit und Erbrechen, erniedrigter Blutdruck, Salzhunger und spontane Hypoglykämie. Die Behandlung besteht in einer Zufuhr (Substitution) der fehlenden Nebennierenrindenhormone. adenoide Wucherungen, -»Mandeln. Adenom [greh. aden >DrüseÜbertransfusion< mit Blut, bei verschlechteter Fließ­ eigenschaft (Viskosität) des Blutes sowie bei Störungen der Mikrozirkulation des Gehirns ein A. von Bedeutung sein. Hierbei erfolgt während des A. eine -»Infusion von Blutplasmaersatzlösung mit günstigen Fließeigenschaf­ ten. Weiterhin ist der A. bei -» Bronzediabetes und bei der krankhaften Vermehrung der Blutzellen (-»Polyzythä­ mie) eine mögliche Behandlungsart. Die Notwendigkeit eines A. ist wegen der Gefahren für den Kreislauf und die Sauerstoffversorgung kritisch abzuwägen. Bei akuter Herzschwäche ist zur Verminderung des Kreislaufvolu­ mens zuerst die Gabe stark wirkender harntreibender Mit­ tel (Diuretika) angezeigt. Als rasch wirkende Maßnahme wird hier auch der unblutige A. durchgeführt, indem mit Staubinden oder Blutdruckmanschetten an Armen und Beinen eine künstl. Rückflußbehinderung für das sauer­ stoffarme Blut der Venen angestrebt wird. Diese Vermin­ derung der zum Herzen strömenden Blutmenge entlastet den Herzmuskel. Adern, blutführendeelast. Röhren sehr verschiedenen Durchmessers aus Muskulatur und elast. Bindegewebe (-►Blutgefäße). Die Schlagadern (Arterien) führen das Blut vom Herzen weg, die Blutadern (Venen) zum Herzen hin. Adgo, Abk. für Allgemeine Deutsche Gebührenord­ nung, die 1928 vom -» Hartmannbund als Grundlage der Honorierung von Ärzten durch Privatpatienten vorge­ schlagen wurde; sie ist heute im Leistungsverzeichnis durch die Entwicklung überholt und wurde seit 1965 durch die amtl. Gebührenordnung für Ärzte und Zahn­ ärzte (Abk. GOÄ) ersetzt. Nach der neuen Gebührenordnungv. 12.11.1982 darf sie auch nicht mehr vertragsweise angewendet werden. Adhäsion, die bindegewebige Verklebung oder Ver­ wachsung verschiedener, im normalen Zustand nicht mit­ einander verbundener Organe, z. B. der Darmschlingen nach Operationen. Adie-Syndrom ['eidi-, n. dem brit. Neurologen W. J. Adie, * 1886, f 1935], Pupillotonie, harmlose An­ omalie: Die sich auf Lichteinfall zusammenziehende Pu­ pille erweitert sich nur langsam und täuscht damit eine echte Pupillenstarre vor; oft gekoppelt mit einem Fehlen der Sehnenreflexe. Das A.-S. kann daher mit -»Tabes dorsalis verwechselt werden. Adipositas die, -»Fettleibigkeit. Adjuvans [lat. adjuvare >unterstützen(Gemüts)zustandSchwips< bezeichnet), bei l%o zu deutl. Kritikschwäche, würde. Die größten Schwierigkeiten bereitet dieeigtl. Ent­ bei 2%o zu Sprach- und Gehstörungen. Die bei 3%o zu be­ wöhnungsbehandlung, weil man auf der völligen Absti18

Allo nenz bestehen muß. Kontrolliertes Trinken ist Alkoholi­ kern i. d. R. nicht möglich. Rückfälle sind sehr häufig, können aber zuweilen abgefangen werden und stellen oft auch eine heilsame Erfahrung dar. Endziel der Entwöh­ nungsbehandlung muß darüber hinaus der Abbau alter Fehlhandlungen und der Aufbau neuer positiver Einstel­ lungen sein. Die psycholog. Betreuung, die auch die Angehörigen einschließen muß, ist die Basis für jede andere Therapie. Die Psychotherapie (Verhaltenstherapie) mit Psychoana­ lyse hat sich bei einigen Konflikttrinkern als sinnvoll er­ wiesen. Wichtig ist ein Versuch des autogenen Trainings, der Hypnose oder Aversionstherapie, mit deren Hilfe eine Abneigung gegenüber Alkohol geweckt werden soll. Als wirksamste Methode hat sich die Gruppentherapie erwie­ sen, die zu Ichentlastung und Ichstärkung, der Festigung oder Bildung einer Gewissensinstanz und damit zur Selbstkontrolle mit verbesserten zwischenmenschl. Be­ gegnungen führen soll. Nach diesem Prinzip arbeiten Selbsthilfegruppen wie die >Anonymen Alkoholiker (Abk. AA) u. a. Geheilte Alkoholiker können den Kran­ ken auf Grund ihrer eigenen Erfahrungen oft am besten helfen. Die medikamentöse Behandlung mit Disulfiram oder Psychopharmaka kann letztlich nur eine Unterstüt­ zung der Therapie sein. Rechtliches. Bei Trinkern, welche die Familie schwerwiegend schädigen, kann der Ehepartner die Ent­ mündigung nach §6 Absatz 3 BGB beantragen. Verkehrs­ delikte nach A. werden u. a. nach § 315 c StGB abgeurteilt. A. kann aber auch strafrechtlich bei anderen Delikten als Verkehrsstraftaten zu verminderter Schuldfähigkeit und so zu gemilderter Bestrafung führen (§21 StGB). Bei Voll­ rausch und patholog. Rausch ist Schuldunfähigkeit gege­ ben und damit eine Bestrafung ausgeschlossen (§ 20 StGB). Wer sich jedoch fahrlässig oder vorsätzlich in ei­ nen Rausch versetzt und in diesem Zustand eine Straftat begeht, wird nach § 330a StGB bestraft. Die Strafe darf nicht schwerer sein als diejenige, die für das bei vollem Be­ wußtsein begangene Delikt angedroht ist. Bei der Gefahr erhebl. Straftaten kann der Täter der im Rausch begange­ nen Delikte auf Anordnung des Gerichts in einer Entzie­ hungsanstalt untergebracht werden (§ 64 StGB). Alkoholismus, -gegenseitigAndersempfindlichkeitkonfliktuöse< Bedeutung erhalten können. In Anlehnung an spätere, ähnlich gelagerte Bela­ stungssituationen kann es zur Wiederbelebung des Kon­ flikts unter dem Bild einer allerg. Reaktion kommen. Behandlung: Kennt man das Allergen, so kann man es ggf. meiden. Zur genaueren Diagnose kann es mittels Einspritzung oder Einreibung in die Haut oder Aufbrin­ gung von Pflastern getestet werden. Dann kann man durch steigende Gaben des stark verdünnten Allergens eine Gewöhnung durch Beeinflussung der immunolog. Vorgänge mit Antikörperbildung erreichen. Dieses Ver­ fahren nennt man Desensibilisierung. Gegen allerg. Er­ scheinungen wirken Glucocorticoide, Adrenalin, Kal­ zium u. a., weniger stark die Antihistaminkörper und manche Beruhigungsmittel. Wer an A. leidet, sollte einen Allergiepaß bei sich führen. Allergiepaß, ein auf die Person ausgestellter Aus­ weis, auf dem der Arzt die Überempfindlichkeiten sowie gegebenenfalls Datum und Art der durchgemachten al­ lerg. Krankheiten einträgt, z. B. Allergosen (-»Allergie) gegen Penicillin u. a. Arzneimittel, gegen Serumeinsprit­ zungen oder gegen gewerbl. Allergene, bes. auch gegen In­ sektenstiche. Der Allergiker soll den A. stets bei sich füh­ ren, damit ihm nicht solche Medikamente gegeben wer­ den, die ihm auf Grund seiner Allergie gefährlich werden können. Allgemein|arzt,

Arzt für Allgemeinmedizin,

-►Arzt, -»Hausarzt. Allgemeine Ortskrankenkasse, Abk. AOK, -» Sozialversicherung. Allheilkraut, der-»Ginseng. Allium sativum, -»Knoblauch. Allopathie, eine von S. Hahnemann eingeführte Be­ zeichnung: Heilmethode, welche durch die Verwendung von Heilmitteln gekennzeichnet ist, die den Krankheits­ symptomen entgegenwirken, im Ggs. zur -»Homöopa­ thie. Der A. bedient sich im allgemeinen die Schulme­ dizin. Alloplastik, Ersatz bestimmter Körperteile (jedoch keiner inneren Organe) durch tote Fremdstoffe (-»Arthroplastik, -»plastische Chirurgie). Beispiele: Deckung 19

Alit von Lücken im Schädeldach, Ersatz der weibl. Brust, ei­ nes Unterkiefers, Lendenwirbels, einer Beckenschaufel, eines Oberschenkels, einer Herzklappe, Arterie oder einer Vene. Materialien: Kunststoffe, z. B. Polyäthylen, Poly­ vinyl, korrosionsbeständige Metalle, z. B. Vitallium, Protasul 10, Keramik (Aluminiumoxid) oder Kohlenstoff. Alltagsbeschwerden, gesundheitl. Störungen wie Mißempfindungen, leichtere Beeinträchtigungen des Lei­ stungsvermögens, Unpäßlichkeiten u. ä., die von der Männer

Frauen

40% 30% 20% 10%

Kopfschmerzen Rheuma

Rückenschmerzen Wetterfühligkeit

Magenbeschwerden

Sodbrennen Völlegefühl Blähungen

12EZ 10EZ

123

119

8EZ â–¡ 7 6 EI 7EZ â–¡ 6 9EZ â–¡ 6 3C ____ |13

12EZ

â–¡7

6[Z Ü4

9 EZ

Halsschmerzen1

5E

Erschöpfung/Abgeschlagenheit 111 Stress 17|

Altersbeschwerden Kreislaufbeschwerden

ZZJn

"EZ

Husten

Erkältung

|27

15|

Verstopfung Schnupfen

10% 20% 30% 40%

|17 5E

111

Z16 ZZJ12 â–¡6 122

Alltagsbeschwerden: Häufigkeit von Alltagsbeschwerden (Personen im Erwerbsalter)

Alpha-Rezeptorenblocker, Alpha-Blocker, Al­ pha-Sympatholytika, Stoffe, welche als -»Sympathi-

kolytika die Wirkung von Adrenalin und anderen Sub­ stanzen auf den Sympathikus dadurch hemmen, daß sie die hierauf empfindlich reagierenden Alpha-Rezeptoren in den Gefäßen blockieren; eine Wirkung dieser Stoffe ist dann nur noch über die Beta-Rezeptoren möglich. Hier­ durch wird eine über diese -* Rezeptoren wirksame Blut­ drucksenkung hervorgerufen. A.-R. werden deshalb u. a. zur Behandlung peripherer Durchblutungsstörungen ein­ gesetzt. Alpinia officinarum, -»Galgant. Altenhilfe, Altenfürsorge, wird in Form der indivi­

duellen Unterstützung oder der Anstaltspflege in Zusam­ menarbeit mit den Trägern der freien Wohlfahrtspflege geleistet. Kommunen und karitative Einrichtungen unter­ halten Altenklubs, -heime und -pflegeheime, mobile Dienste für die Beköstigung alter Menschen (>Essen auf Rädemphys., psych. und soziales Wohlbefindent) aber als Krankheit einge­ stuft werden. So werden die A. grundsätzlich auch zu La­ sten der Sozialversicherung behandelt. Im Zug der Ko­ stendämpfung wird versucht, sie aus der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung herauszunehmen und damit die Ausgaben für Medikamente erheblich zu senken. Von der Leistung ausgenommen wären dann nicht nur die Abführ- und die Kopfschmerzmittel, son­ dern etwa auch Mittel gegen zu niedrigen Blutdruck u. a. Im wesentl. handelt es sich um Beschwerden, deren Be­ handlung z. T. auch durch Naturheil- und Hausmittel möglich ist und keine zusätzl. Maßnahmen (z. B. Rönt­ gen) erfordern. Problematisch ist, daß sich hinter A. Vor­ stadien gefährl. Erkrankungen verbergen können. Durch dieses Verkennen der A. kann die gesundheitspolit. For­ derung nach Ausdehnung der Vorsorge und Früherken­ nung der gefährl. Krankheiten in Frage gestellt werden. Alo|e, Bezeichnung verschiedener krautiger, strauch­ öder baumartiger Gewächse, zu den Liliengewächsen (Li­ liaceae) gehörend, mit über 200 Arten, heimisch in Af­ rika, nach Asien, Amerika und Europa eingeführt. Der eingedickte Saft der Blätter verschiedener trop. Arten, die Bärengalle (Succus Aloes inspissatus, Abk. Aloe), enthält mindestens 18% Anthracenderivate, hauptsächlich Aloin, mit abführender Wirkung. Anwendung: Heil­ pflanzen, Übersicht. Alopezie, der -» Haarausfall. Alpdrücken, volkstüml. Bezeichnung für nächtl. Angstträume (-»Traum). Altern, Alterung, i. w. S. Vorgang des Altwerdensim Alpha-Blocker, -► Alpha-Rezeptorenblocker. Lebenszyklus der Organismen. Die landläufige ursächl. Alpha-Fetoprotein, Eiweiß, das vom -»Fetus gebil­ Vorstellung von der Abnutzung der Organe gilt als über­ det wird. Bei Vorliegen von Fehlbildungen wie Anenze­ holt; Tod infolge eines natürl. Verschleißes von Geweben phalie oder Spina bifida tritt es vermehrt ins Fruchtwasser und/oder Organen ist eine Ausnahme, i. d. R. setzt krank­ und in das mütterl. Blut über. Sein Nachweis dort kann haftes Geschehen dem Leben ein Ende. I. e. S. ist das A. zur pränatalen Diagnostik solcher Störungen benutzt nicht nur von gesundheitlichen, sondern auch von vielen werden. psychosozialen Voraussetzungen und Einflüssen abhän­ 20

Alte gig(z. B. Bildungsstand, Berufstätigkeit, Sozialkontakte, Freizeitaktivitäten). Der Alterungsvorgang läßt sich nach P. Lüth in Typen einteilen: Zeitpunkt des Alterungsbeginns

Alterungstyp

vor dem 20. Lebensjahr vor dem 50. Lebensjahr

Progerie (frühzeitiges A.) Proterogerie (vorzeitiges A., auch: Vor-A.)

zwischen dem 50. und 65. Lebensjahr

Eugerie (physiolog. A.)

nach dem 65. Lebensjahr

Diatrigerie (verzögertes A.)

Ursachen genetisch meist exogen (soziale Umwelt, Arbeit, Familie, Streß) konstitutionell (Zusammenwirken von Erbanlage und Umwelt) genetisch

Demgemäß ist der Alterungsprozeß mit genet, und in Ab­ hängigkeit von der jeweiligen Lebensphase mit psycho­ sozialen Faktoren verbunden. Eigtl. >Alterskrankheiten< gibt es lediglich in Form von krankhaften Vorgängen, die das A. beschleunigen und als typisch für es erscheinen (z. B. die Arteriosklerose). Der Alterungsprozeß ist ein komplexes Geschehen, bei dem biochem., physiolog. Vorgänge und funktionelle psycholog. Veränderungen mit entsprechender Auswir­ kung auf die Persönlichkeit unter dem Einfluß wechseln­ der sozialer Gegebenheiten wirksam werden. Nicht zu­ letzt spielen auch Alterungsveränderungen eine Rolle, die auf einer Auseinandersetzung des Individuums mit der ei­ genen Alterssituation beruhen. Physiologie des A. Mit steigendem Alter nimmt die Fähigkeit der Zellen ab, die für sie zum Weiterbestehen notwendigen Stoffe aufzunehmen, zu verarbeiten und die Stoffwechselendprodukte auszuscheiden. Als Folge bil­ den sich in den Zellen u. a. körnige Niederschläge (> Alterspigmenteinneren Nähe durch äu­ ßere Distanz < kommt, dadurch treten Persönlichkeits­ reife, Finden der eigenen Mitte und das Bewußtsein von Werten und Distanz zu Lebensproblemen in den Vorder­ grund. Individuelle Voraussetzungen und soziale Belange haben erhebl. Einfluß darauf, ob die psychischen Alte­ rungsvorgänge mit den physischen gleichzeitig, verfrüht oder verspätet auftreten. Aus Sicht der -► Psychosomatik ist das A. in jeder Lebensphase bes. dann problembela­ stet, wenn bestimmte Reifungsschritte, z. B. beim Über­ gang in das Erwachsenenalter, verwirklicht werden müs­ sen. Entsprechende Vorgänge sind bei Frauen am Anfang der 2. Lebenshälfte festzustellen, wenn der Verlust hor­ monaler Funktionen und andersartige Trennungserleb­ nisse nicht ausgleichend verarbeitet werden können. Dies spricht für die Auffassung des A. als Krisenphase (ähnlich der Pubertät), in der sich eine Veränderung der Sozialkon­ takte (bes. durch das Ausscheiden aus dem Berufsleben, Tod von Verwandten und Freunden) vollzieht, die eine vom Einzelnen unterschiedlich bewältigte Anpassung fordert. Für die Krisentheorie sprechen u. a. die erhöhte Sterblichkeitsrate bei Antritt des Ruhestandes (>Pensionierungskrankheitt, >Pensionstodpartnerfähig< bleiben. Infolge der Zunahme des Lebensalters spricht man be­ reits von einem >Zeitalter des A. i---- 1---- 1—i---- 1---- 1------ 1--- 1 14 12 10 8 6 4 2 0 0 2 4 6 8 10 12 14 Auf 1000 der gesamten Bevölkerung

10

8642002468 10 Auf 1000 der gesamten Bevölkerung

Altersgliederung der Bevölkerung im Dt. Reich: a Geburtenausfall durch den Krieg von 1870/71; b Verluste des 1. Weltkriegs; c Geburtenausfall durch den 1. Weltkrieg; d Ge­ burtenrückgang in den wirtschaftl. Krisenjahren Alters | auf bau, -* Altersgliederung. Altersbeschwerden ergeben sich aus den Verände­

Lebensjahr

Pyramide

Glocke

Zwiebel

Altersgliederung: Formen der A.

rungen, die durch das Altern bewirkt werden, wobei nach neueren Erkenntnissen die Abnahme der Leistungsfähig­ keit im Immunsystem eine wesentl. Rolle spielt. Das Alter selbst ist keine Krankheit, deshalb darf man Krankheiten im Alter nicht mit Beschwerden verwechseln, die nur durch das Alt werden entstehen. Bei A. ist bes. auf eine ge­ sunde Lebensführung (in dieser Lebensphase nach Weg­ fall berufl. Belastung meist auch eher möglich) zu achten. Ausreichende Körperbewegung mit regelmäßigem HerzKreislauftraining, Atemübungen und (mit ärztl. Zustim­ mung) auch -» Alterssport sowie knappe, streng das Kör­ pergewicht berücksichtigende Ernährung tragen maßgeb­ lich zum Wohlbefinden bei. Dem unterschiedl. Schlafbe­ dürfnis (Mittagsschlaf) sollte entsprochen werden; es ist keinesfalls so, daß ältere Menschen grundsätzlich ein bes. geringes Schlafbedürfnis haben. Von großer Bedeutung sind regelmäßige ärztl. Vorsorgeuntersuchungen. Altersbestimmung, Anthropologie: 1) die Feststel­ lung oder Abschätzung des Alters fossiler Menschenfor­ men . Lagerung und Begleitfunde (Kultur-, Tierreste, Pol­ len) liefern Hinweise für eine relative A. (älter-jünger). Zur absoluten A. von Fundschichten und ihren Einschlüs­ sen dienen neben zeitabhängigen Ablagerungsvorgängen (Bändertone, Warvenchronologie) und Wachstumsvor­ gängen (Jahresringe der Bäume, Dendrochronologie) in neuerer Zeit v. a. chemisch-physikal. Veränderungen im Fundgut (Radiokarbon-, Kalium-Argon-, Thermoluminiszenz-Methode, Aminosäuren-Test u. a.), die infolge ihrer Zeitabhängigkeit auf das Alter schließen lassen. 2) die Abschätzung des individuellen Alters (Sterbe­ alter) ausgegrabener Skelette. Sie stützt sich auf alters­ abhängige Entwicklungsschritte (Gebißentwicklung, -abnutzung, Nahtverknöcherungen u. a.) und liefert die Grundlage für das wirtschafts- und sozialpolit. Gesamt­ bild vergangener Gesellschaften. Altersblödsinn, Dementia senilis, -»Demenz, -»Alzheimersche Krankheit. Altersbrand, Gewebstod, der vorwiegend durch Ge­ fäßverschluß (Arteriosklerose, embolische Vorgänge) mit den Folgen mangelnder Gewebsernährung verursacht ist. A. ist erkennbar durch Verfärbung der Haut bis ins Schwarze und Austrocknung, Abschuppung, üblen Ge­ ruch. Betroffen sind vorwiegend die Beine älterer Men­ schen. Behandlung: trockene, sterile, gegen Druck schüt­ zende Verbände, weiches Schuhwerk, Sauerstoffbehandlung (Einbringen von Sauerstoff oder Ozon in die Blut­ 22

adern, ein allerdings umstrittenes Verfahren). Operatives Vorgehen kann erfolgversprechend sein (Einsatz einer Gefäßprothese aus Kunststoff). Bei Mißerfolg ist Ampu­ tation des abgestorbenen Gliedteils nicht zu vermeiden. Altersdiabetes, -► Zuckerkrankheit. Altersflecke, bei älteren Menschen häufig auftre­ tende gelbbräunlich bis dunkelbraun gefärbte, scharf be­ grenzte Flecke, meist auf den Handrücken, auch auf Ge­ sicht und Hals. Bei Größenzunahme, Schuppung und Juckreiz Hautarzt befragen, um (seltener) krebsiger Ent­ artung vorzubeugen. Altersforschung, Gerontologie, die Untersu­ chung der Alterungsvorgänge und ihrer biolog. Gesetz­ mäßigkeiten, die jeder Lebensepoche und jeder darin auf­ tretenden Erkrankung ihr Gepräge geben. Altersgliederung, Altersaufbau, Statist. Gliede­ rung der Bevölkerungszahl nach Altersjahren. Die A. wird bei Volkszählungen ermittelt und durch Fortschrei­ bungen auf den neuesten Stand gebracht. Neben der Bestimmung des Verhältnisses der Ge­ schlechter zueinander zählt die A. zu den wichtigsten Merkmalen einer Bevölkerung. Sie wird bestimmt durch die Zahl der Geburten, Zahl und Alter der Gestorbenen und der über die Staatsgrenzen wandernden Personen. Sie bestimmt den Anteil der Schüler, Erwerbsfähigen, Rent­ ner und damit die volkswirtschaftl. Belastungsquote; fer­ ner durch den Anteil der Zeugungsfähigen das mögliche Wachstum der Bevölkerung. Die A. ist daher Grundlage jeder gesellschaftl. Planung. Dargestellt als Pyramide, zeigt sie (getrennt für Männer/Frauen) die Stärke jedes Altersjahrgangs, die von Kriegen, Wirtschaftskrisen, Wanderungen, höherer Männersterblichkeit u. a. be­ stimmt wird. Infolge des Geburtenrückgangs ist in Indu­ strieländern aus der Pyramide (vgl. Graphik) eine Glocke oder,z. B. in der Bundesrep. Dtl., eine Zwiebel geworden. In Entwicklungsländern mit starker Besetzung der jünge­ ren Jahrgänge führen gegenwärtige A. auch bei allmäh­ lich beginnender Beschränkung der Geburtenzahl noch über Jahrzehnte (>Schwungkraft< der A.) hinweg zu ho­ hen Wachstumsraten.

Bevölkerung nach Altersgruppen in der Bundesrep. Dtl. (in %)

unter 15 Jahre........... 15 bis unter 21 ........... 21 bis unter 45........... 45 bis unter 65........... 65 Jahre und mehr . .

. . . . .

. . . . .

1950

1961

1975

1981

23,3 8,7 34,1 24,5 9,4

21,7 8,2 32,6 24,4 H,1

21,2 8,8 33,5 21,9 14,6

17,8 10,2 34,4 22,1 15,5

Bevölkerung nach Altersgruppen in der Dt. Dem. Rep., in Österreich und der Schweiz (in %) Dt. Dem. Rep. 1980 19,4 unter 15 Jahre........... ........... 10,1 15 bis unter 21........... ........... 34,1 21 bis unter 45........... ........... 45 bis unter 65........... ........... 20,5 65 Jahre und mehr . . ........... 15,6 ') 15 bis unter 25 Jahre; 2) 5 bis unter 45 Jahre.

Öster­ reich Schweiz 1980 1980 20,5 10,2 32,7 21,0 15,5

19,2 15,6') 29,52) 21,9 13,8

Die A. der Bundesrep. Dtl. ist durch einen Rückgang des Anteils von Jugendlichen infolge des säkularen (auf das Jh. bezogenen) und sich seit Mitte 1960 verstärkenden Geburtenrückgangs (>PillenknickSchülerberg< befinden sie sich in der Sekundarstufe 1 und II und werden mit zunehmendem Alter in naher Zukunft die berufsbil­ denden Schulen und Hochschulen erreichen. Dem Schü­ lerberg folgt aber ein >SchülertalGenerationenvertrag< bleiben. Alter in Jahren Männer

Gefallene des 1. Weltkriegs

Frauen

Frauenüberschuß

des 2. Weltkriegs

Geburtenausfall im 1. Weltkrieg

|

,----\___

Geburtenausfall während der Wirtschaftskrise um 1932 Geburtenausfall { Ende des 2. Weltkriegs

Männerüberschuß

Tausend je Altersjahr

Altersgliederung in der Bundesrep. Dtl. (1980) Altersgrenze, imöffentl. Dienst das Lebensalter, mit dessen Erreichen der Bedienstete aus dem Dienst ausschei­ det. In der Bundesrep. Dtl. wird die A. nach dem Bundes­ beamtengesetz und den Beamtengesetzen der Länder grundsätzlich mit Vollendung des 65. Lebensjahrs er­ reicht. Abweichende Regelungen bestehen für einzelne Beamtengruppen, z. B. Berufssoldaten, hohe Richter (bis 1976 für Hochschullehrer). Lebenszeitbeamte können auf Antrag bereits mit Vollendung des 63. Lebensjahrs in den Ruhestand versetzt werden. Bei Angestellten und Ar­ beitern des öffentl. Dienstes wird die A. i. d. R. mit Voll­ endung des 65. Lebensjahrs erreicht. Auch in der Rentenversicherung ging man ursprünglich nur von einer A. aus, die mit Vollendung des 65. Lebens­ jahres (noch heute nach einer gesetzl. Wartezeit von 15 Beitragsjahren oder Ersatzzeiten) erreicht wird. Diese A. wurde jedoch später vielfältig modifiziert, zuletzt durch Reformgesetz vom 16.10. 1972(flexible A.). Danach wird Altersruhegeld auf Antrag auch gewährt nach Vollen­ dung des 63. Lebensjahres, bei anerkannten Schwerbe­ hinderten, Berufs- oder Erwerbsunfähigen aber schon nach Vollendung des 60. Lebensjahres (jeweils nach einer verlängerten Wartezeit von 35 anrechnungsfähigen Versi­ cherungsjahren mit der Beitragsleistung von mindestens 15 Jahren). Neben dieser Rente darf nur noch geringfügig oder gelegentlich gearbeitet werden. Nach einjähriger Ar­ beitslosigkeit und einer Mindestbeschäftigung im letzten Jahrzehnt von 8 Jahren wird ebenfalls Rente schon ab 60. Lebensjahr gezahlt (Wartezeit 15 Versicherungsjahre). Frauen erhalten die Rente von der Vollendung des 60. Le­ bensjahres an, wenn sie in den letzten 20 Jahren mehr als 10 Jahre berufstätig und versichert waren (Wartezeit ebenfalls 15 Versicherungsjahre). Der Versicherte kann die Rente aber auch erst von einem späteren Zeitpunkt an (alsdas60., 63. oder65. Lebensjahr) in Anspruch nehmen und dadurch die Anrechnung weiterer Versicherungszei­ ten erreichen. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Arbeitslosen­ zahlen wird zu Beginn der 80er Jahre in den westl. Indu­ strieländern die Verkürzung der Lebensarbeitszeit durch Herabsetzung der A. zur Entlastung des Arbeitsmarkts verstärkt diskutiert. Altershaut, durch Rückbildung aller Hautschichten

mit fortschreitendem Alter bewirkte Veränderungen; die Haut verliert an Elastizität und Feuchtigkeit; sie ist bes. an denjenigen Hautstellen, die dem Licht ausgesetzt sind, oft dünn, fein gefältelt und zeigt ein buntscheckiges Bild mit Pigmentflecken, Depigmentierungen und warzenartigen Verhornungsstörungen, die zu Seborrhö neigen. Eine ge­ wisse Vorbeugung ist möglich durch Rückfettung der Haut nach dem Waschen, Vermeiden von zu langer Son­ nenbestrahlung, Anwendung von Sonnenschutzmitteln. Altersheilkunde, Geriatrie, die Erforschung der Alterskrankheiten und ihrer Heilungsmöglichkeiten. Altersherz, Bezeichnung für gewebl. und funktio­ nelle Veränderungen am Herzmuskel und an den Herzge­ fäßen , wie sie mit zunehmendem Alter, wenn auch zu indi­ viduell sehr unterschiedl. Zeitpunkten, auftreten können: Bindegewebsvermehrung im Herzmuskel und Gefäß­ wandveränderungen (-»Arteriosklerose) mit entspre­ chender Leistungsschwäche bis zur -»Dekompensation. Altersrente, -»Altersgrenze. AltersJschwäche, die Minderung aller leibl. und seel. Kräfte, die bei gesunden Menschen zu individuell sehr unterschiedl. Zeitpunkten, im allgemeinen ab dem 70. Lebensjahr, einsetzt; sie ist unabhängig von vorange­ gangenen Erkrankungen oder bereits erkannten Organ­ schwächen .Wenn auch das Fortschreiten der A. nicht ver­ hindert werden kann, so bringt doch eine veränderte Le­ benshaltung (Ernährung, Betreuung) Erleichterung. Alters|schwerhörigkeit, Presbyakusis, in höhe­ rem Alter auftretende, stets auf beiden Ohren fast un­ merklich beginnende und langsam zunehmende Schwer­ hörigkeit, die auf Abnutzung und Schwund der Ner­ ven- und Sinneszellen im Innenohr (Schnecke) beruht. Zuerst fallen die hohen Töne aus (Grillenzirpen, Tele­ phonklingel, Zischlaute), später wird auch z. B. das Ticken einer Taschenuhr nicht mehr gehört. Eine Hilfe stellen die -» Hörapparate dar. Alters | sichtigkeit, Presbyopie, die mit fortschrei­ tendem Alter abnehmende Fähigkeit des Auges zur -» Ak­ kommodation.

Alterssichtigkeit (nach Donders): P Nahpunkt (wandert mit zu­ nehmendem Alter vom Auge fort); r Fernpunkt (rückt vom 55. Jahr an etwas vom Auge ab, d. h. das Auge wird übersichtig)

Alters|sport, sportl. Betätigung älterer Menschen zur Erhaltung von Elastizität und Leistungsfähigkeit. Die Belastungen sind dem allgemeinen Zustand anzupassen, eindrucksvolle Leistungen sind nicht das Ziel des A. Es ist ratsam, mit Wandern zu beginnen; auch sind Schwim­ men, Waldlauf und Radfahren Übungen, die langsam ge­ steigert werden können. Ziel ist die Förderung der allge­ meinen Körperdurchblutung. Vor ungewohnter körperl. Belastung ist ärztl. Rat einzuholen. Althaea officinalis, -»Eibisch. Alt|insulin, -»Zuckerkrankheit. 23

Altr Altruismus [lat. alter >der anderePyroschliffkleine WanneumhergehenDauertropf< (-»Infusion) der -► künstlichen Ernährung. Amme, eine Mutter, die zugleich mit ihrem eigenen, mindestens 3 Monate alten Kind (oder wenn letzteres nicht mehr angelegt wird) einen fremden Säugling stillt. Vor­ aussetzung hierfür sind ärztl. Untersuchung und schriftl. Gesundheitszeugnis. Auch darf der Säugling nicht an­ steckend krank sein. Gegenüber früheren Zeiten hat das A.-Wesen heute kaum noch prakt. Bedeutung. Die für ge­ fährdete Kinder erforderl. Frauenmilch wird i. d. R. über eine -»Frauenmilchsammelstelle bezogen. Dort werden die Spenderinnen und die gelieferte Milch genau über­ wacht. Ammi visnaga, -»Khellakraut. Ammoniak, stark alkalisch reagierende, stechend rie­ chende, leicht verdampfende Flüssigkeit, die meist als Salz (Ammoniumchlorid) arzneilich verwendet wird. A. bewirkt eine Verflüssigung von zähem Bronchialsekret und erleichtert das Aushusten. Präparate sind Mixturasolvens-Kompretten, Liquor Ammonii anisatus und an­ dere ammoniakhaltige Hustenmittel. Wegen seiner haut­ reizenden und durchblutungsfördernden Wirkung ist A. auch in mehreren Einreibemitteln wie Linimentum ammoniatum und Linimentum ammoniato-camphoratum enthalten. A|mnesie, Gedächtnisstörung, zeitlich oder in­ haltlich begrenzte Erinnerungslücke, z. B. durch Unfall, Schock, Delirium, Bewußtlosigkeit oder Hirnerkrankun­ gen. Reicht die A. auf längere Zeit vor Eintritt des Ereig­ nisses zurück, spricht man von retrograder A. In der Psy­ chologie wird unter psychogener A. die unbewußte Ver­ drängung und Löschung unangenehmer Erinnerungen verstanden. Diese Form der A. kann auf eine -» Psycho­ pathie hin weisen. Bei A., die sich ohne diese Vorbedingungen nur auf ganz bestimmte Ereignisse erstrecken, besteht Verdacht auf -»Simulation (z. B. bei Straftätern oder Zeugen vor Gericht). Amnion das, eine der -» Eihäute. Amnioskopie, Verfahren zur Besichtigung des Fruchtwassers in den späteren Stadien der Schwanger­ schaft. Die A. ist für Mutter und Frucht ungefährlich und erlaubt Rückschlüsse auf das Befinden des Kindes. Durch die A. konnte die perinatale Sterblichkeit erheblich ge­ senkt werden. Amniozentese, Schwangerschaftsuntersuchung: Punktion der fetalen Eihäute durch die Bauchdecke mit Entnahme von Fruchtwasser aus der Fruchtblase zur Geschlechtsdiagnose, bei Verdacht auf Blutgruppen­ unverträglichkeit (-* hämolytische Neugeborenenerkran­ kung) oder Chromosomenstörung (z. B. Mongolismus, -» Down-Syndrom). Amöben, zu den Wurzel füßern gehörende, kleine ein­ zellige Lebewesen. Manche Arten leben im Süßwasser oder im Meer, andere als Schmarotzer im Darm oder in anderen Organen (z. B. die Erreger der Amöbenruhr). Amöben: 1 Süßwasseramöbe(Amoebaproteus). 2 Ruhr­ amöbe (Entamoeba hislotytica). 3 Arcella. 4 Difflugia (3 und 4 beschälte Amöben)

4

Amöben

Amöben-Meningitis, Amöben-Meningo|enzephalitis, schwere Erkrankung durch den Befall des Zen­

tralnervensystems mit im Boden lebenden Amöbenarten (Naegleria); Ansteckungsgefahr soll auch im mitteleuro­ päischen Raum in Schwimmbädern, in Süßwasserteichen und beim Spielen der Kinder in Schlammlöchern be­ stehen. Amöbenruhr, Amoebiasis, in warmen Ländern verbreitete infektiöse Darmkrankheit, verursacht durch die Ruhramöbe (Entamoeba histoiytica). Die Infektion erfolgt über Trinkwasser oder Nahrungsmittel, die mit Amöbenzysten verunreinigt sind. Sie werden von sym­ ptomlosen Amöbenträgern ausgeschieden. Die Zysten sind in feuchtem Milieu über mehrere Monate haltbar. Durch Austrocknen oder Erhitzen (über 55 °C) werden sie rasch abgetötet. Im Dünndarm bilden sich aus einer 25

CJ Ampulle 1): Ampullenformen

Amok vierkernigen Zyste mehrere einkernige kleine Amöben (>Minutaformen Fäulnis. Zu den obligaten A. gehören viele -»Bakterien, so die sporenbildenden A., u. a. die Erreger des -► Gasbrands, Wundstarrkrampfs, -►Botulismus, -► Dauerformen bei Mikroorganismen. Fakultative A. sind z. B. Hefen wie auch verschiedene Darmparasiten (z. B. darm- und schlammbewohnende Würmer). Der Vorgang des Lebens ohne Sauerstoff wird als Anaerobiose bezeichnet. anal, den -»After betreffend, afterwärts, in der After­ gegend gelegen; anale Phase, nach S. Freud die zweite frühkindl. Entwicklungsstufe der Sexualität (etwa 2.-4. Lebensjahr), in der sich der sexuelle Partialtrieb auf den Analbereich als erogene Zone richtet. Ausscheidung und Zurückhaltung der Exkremente werden lustbetont erlebt. Eine Fixierung auf die anale Phase führt nach psychoana­ lytischer Auffassung zur Entwicklung eines analen Cha­ rakters, der durch Ordnungsliebe, Sparsamkeit, Zuver­ lässigkeit bis Pedanterie, Geiz und Eigensinn gekenn­ zeichnet ist. Analeptika, die -»Anregungsmittel. Analfissur, die -»Afterschrunde. Analfistel, die -» Afterfistel. An|algesie, 1) Aufhebung der Schmerzempfindung, Unterbegriff zur --»Anästhesie; hervorgerufen durch Ein­ griff (medikamentös oder operativ) an den Schmerzlei­ tungsbahnen oder -Zentren des Gehirns, z. B. bei der -» Narkose. 2) Verletzungen oder Erkrankungen des Ner­ vensystems. 3) psychopatholog. Zustände, z. B. -» Hyste­ rie und die katatone Form der -► Schizophrenie. An|algetika, schmerzlindernde und -»schmerzstil­ lende Mittel. An|algetika-Nephropathie, die -»PhenazetinNephropathie. An|algetika-Syndrom, Gesamtheit der durch Miß­ brauch von Analgetika ausgelösten Körperschäden. Be­ troffen sein können einzeln oder zusammen: das Nieren­ system, die Leber, der Magen-Darm-Kanal (Geschwür­ bildung), die blutbildenden Organe (Knochenmarkschä­ den), das Herz-Kreislauf-System (Hochdruckkrankheit, periphere Gefäß- und auch Koronarschäden). Im Bereich des zentralen Nervensystems und der Psyche können Ab­ hängigkeit von bestimmten Medikamenten (Drogen­ sucht), Dauerkopfschmerzen, Schwangerschafts- und fe­ tale Schäden, vorzeitige Alterung auftreten. Analprolaps, der -»Aftervorfall. Anlämie, die -»Blutarmut. Ana|mnese, die-»Vorgeschichte. Ananas, trop. Frucht der zu den Ananasgewächsen (Bromeliaceae) gehörenden Nutzpflanze Ananas como­ sus. Die steifen Blätter bilden eine Rosette, in deren Mitte ein kurzer Stengel die Blütenähre trägt, die sich durch Fleischigwerden der Einzelblüten und der Blütenachse zur

Sammelfrucht mit Blattschopf entwickelt. Hauptanbau­ gebiete: Hawaii, Taiwan, Brasilien, Kanaren, Singapur, Penang, Kenia, Tanganjika, Azoren und Krim. - A. ist eine beliebte, bes. aromatische Kompott- und Bowlen­ frucht, die auch gern bei der Herstellung von Backwaren verwendet wird. Anankasmus, Zwangsvorgang (-»Neurosen). Anaphase, ein Stadium bei der Kernteilung der Zelle (-» Befruchtung). Ana|phylaxie, -»Allergie. An|arthrie, die Unfähigkeit, Laute zu bilden, verur­ sacht durch Lähmungen der Zunge, des Gaumens oder der Lippen. Anasarka, die-»Hautwassersucht. Anästhesie, Empfindungslosigkeit, übergeord­ neter Begriff zur -»Analgesie. 1) A. im gesunden menschl. Körper: Die Empfindlichkeit der verschiedenen Organe gegenüber Schmerzreizen ist sehr unterschiedlich. Haut, Schleimhäute und Blutgefäße besitzen eine große Zahl von Schmerzaufnehmern (Rezeptoren); das Hirngewebe besitzt diese nicht. Auch der Darm ist gegenüber Kälte­ oder Hitzereizen und gegenüber Berührung unempfind­ lich, Zug an den Darmschlingen löst jedoch starken Schmerz aus, da das Bauchfell sehr schmerzempfindlich ist. Die Unempfindlichkeit von Fakiren oder Feuertänzern beruht z. T. auf -»Autosuggestion. Der Körper produziert auch selbst morphinartige Substanzen (Endorphine, -»Opioide), die u. a. im Rückenmark die Schmerzweiter­ leitung blockieren oder herabsetzen. Durch diese Sub­ stanzen können Schmerzen im Frühstadium auch bei schweren Verletzungen zeitweise weitgehend unterdrückt werden. 2) A. kann auch ein Zeichen für Erkrankung oder Ver­ letzung des zentralen oder peripheren Nervensystems sein. 3) Als Verfahren zur Erzeugung von Empfindungs­ losigkeit bei schmerzhaften Eingriffen wird die A. ent­ weder durch Allgemein-A. (-»Narkose) oder durch örtl. Betäubung mit physikal. oder ehern. (Anästhetika) Mit­ teln erzielt. Bei der örtl. Betäubung oder Lokal-(Regional-)A. un­ terscheidet man a) die Oberflächen-A., bei der mit Chlor­ äthyl die obere Hautschicht vereist und damit unempfind­ lich gemacht wird (Kälte-A.), oder eine anästhesierende Substanz auf Haut oder Schleimhaut gesprüht wird, b) die Infiltrations-A., bei der ein zu operierender Bezirk mit ei­ nem Lokalanästhetikum unterspritzt wird, c) die Leitungs-A., bei der einzelne Nerven oder ganze Nervenbün­ del durch Umspritzen (Umspritzungs-A.) mit einem Lo­ kalanästhetikum blockiert werden, z. B. in der Zahnheil­ kunde. Hierzu gehört ferner die A. des Achselgeflechts oder Schlüsselbeingeflechts, mit denen man den ganzen Arm gefühllos und bewegungsunfähig machen kann. Zu der rückenmarknahen Leitungs-A. gehört die Peridural­ oder Epidural-A. (Kaudal-A.), bei der die Betäubungslö­ sung zwischen die harte Rückenmarkhaut und die knö­ cherne Begrenzung des Rückenmarkkanals (Peridural­ raum) gespritzt wird. Dadurch werden die motor, (bewe­ gungssteuernden) vorderen und die sensiblen (empfin­ dungsleitenden) hinteren Rückenmarkwurzeln gefühllos gemacht. Wird das Betäubungsmittel in den am Kreuz­ bein endenden offenen Teil des Rückenmarkkanals (Sakralkanal) eingespritzt, spricht man von Sakral-A. Die peridurale oder epidurale A. hat v. a. in der Geburtshilfe, aber auch (wie die Lokal-A. überhaupt) in der Schmerz­ therapie Verbreitung gefunden; wenn man einen Katheter in den Periduralraum einführt, so kann nach Bedarf neue Betäubungslösung eingebracht und die Schmerzfreiheit Amöbcnruhr: Entamoeba histolytica, der Erreger der Amöbenruhr; Darmraumformen (1—5) und Gewebs­ form (6). 1 Minutaform, 2 einkernige Form mit großer Vakuole, 3 zweikernige Form. 4 junge und 5 reife infek­ tionsfähige, vierkernige Form, 6 krankheitserregende Gewebsform (Magnaform) mit Scheinfüßchen und auf­ genommenen roten Blutkörperchen (nach Mattes) 27

Amöbenruhr

Anas fast beliebig verlängert werden. Die Lumbal- oder Spi­ nal-A., bei der ähnlich wie bei der Peridural-A. zwischen

den Wirbelfortsätzen der Rückenmarkkanal aufgesucht und die harte Rückenmarkhaut durchstochen wird, muß vom 1. Lendenwirbel an abwärts vorgenommen werden, da sonst die Gefahr der Rückenmarkschädigung durch die Nadel besteht. Macht man durch Zusatz von Traubenzukker das Betäubungsmittel schwerer als die Rückenmark­ flüssigkeit, so kann durch Kopftieflagerung die A. bis zum Brustkorb hinauf ausgedehnt werden. Vorteile der Spinal-A. gegenüber der Vollnarkose: Der Patient muß nicht unbedingt nüchtern sein, die Kompli­ kationsrate ist niedriger; die A. kann bei geschickter Lage­ rung z. B. auf ein Bein begrenzt werden, der zu Operie­ rende bleibt wach und ansprechbar. Nachteile: gelegent­ lich starker Blutdruckabfall durch Gefäßerweiterung im betäubten Gebiet, Kopfschmerzen. Eine Sonderform der Leitungs-A. ist die Gefäß-A. (intravasale A.). Diese er­ folgt nach Anlegen einer Blutsperre z. B. am Arm ent­ weder als venöse A. (Einbringung des Betäubungsmittels in eine Blutader) oder arterielle A. (Einbringung des Be­ täubungsmittels in eine Schlagader). Durch Verteilung im Gewebe werden die Nerven so lange blockiert, wie die Blutsperre besteht und damit das Betäubungsmittel in dem abgesperrten Gefäßsystem verbleibt. Zwischen der Lokal-A. und der Allgemein-A. klassi­ scher Art gibt es eine Reihe von Verfahren, die beide For­ men kombinieren und dadurch eine erhebl. Einsparung an der Gesamtmedikamentenmenge erzielen mit dem Er­ folg eines geringeren Risikos. Alle Verfahren der örtl. Be­ täubung, in neuerer Zeit auch zusammen mit der Aku­ punktur (Wirkungsweise umstritten), setzen eine bereit­ willige Zusammenarbeit mit dem Patienten voraus. An|ästhesin, der Äthylester der Paraaminobenzoe­ säure; wird in Form von Pudern, Salben und Zäpfchen zur örtl. Schmerzbetäubung verwendet. An|ästhesiologie, Lehre von den Methoden der Schmerzbetäubung. (-»Analgesie, -»Anästhesie, -»Nar­ kose, -► Schmerzbekämpfung)

A

End-zu-SeitAnastomose 0

1

•)

End -zu- EndAnastomose

Seit -zu- SeifAnastomose

Anastomose

Anästhesie 3): A Allgemeinanästhesie (Narkose) wird durch vorübergehende Ausschaltung der Großhirnrinde und damit des Bewußtseins mit ehern. Mitteln erreicht. Die Abbildung zeigt schematisch die Wege, auf denen diese Mittel das Großhirn erreichen. Grün: Verdauungs­ organe; aSpeiseröhre, b Magen, cMastdarm, dLeber. Gelb: Luft­ wege; e Luftröhre, f Lungenbläschen. Rot: Arterien und linke Herzhälfte. Blau: Venen und rechte Herzhälfte. — g Ein eingeat­ metes Mittel (Gas oder verdunstete Flüssigkeit) dringt durch die Wandungen der Lungenbläschen in die die Bläschen umspinnen­ den Haargefäße (h) ein und gelangt von da über die linke Herz­ hälfte durch die Halsschlagader (k) zum Gehirn; m ein eingenom­ menes Mittel dringt im Magen und Dünndarm durch die Schleim­ haut in die Venen und kommt durch die Pfortader (n) in die rechte, durch die Lunge in die linke Herzhälfte und von dort ins Gehirn; p ein in Lösung als Einlau f gegebenes Mittel dringt durch die Mast­ darmschleimhaut in die Darmvenen und weiter auf dem Blutweg ins Gehirn; q ein in die Ellbogenvene eingespritztes Mittel gelangt unmittelbar in die rechte Herzhälfte und weiter auf dem Blutweg ins Gehirn. - B Lokalanästhesie (örtl. Betäubung) hat folgende Möglichkeiten: Lokalanästhesie im engeren Sinn durch Einsprit­ zen eines Mittels. / Oberflächenanästhesie, 2 Infiltrationsanästhe­ sie, 3 Umspritzungsanästhesie, 4 Kälteanästhesie durch Eispakkung (ausnahmsweise angewendet bei Amputationen bei älteren Menschen, die keine Narkose vertragen). — Leitungsanästhesie durch Einspritzen des Mittels an die Schmerzleitungsbahnen: 5 Leitungsanästhesie des Ellennerven zur Unempfindlichmachung des Kleinfingers. 6 Betäubung des Armnervengeflechts zur Aus­ schaltung des ganzen Arms. 7 Nervenausschaltung neben der Wir­ belsäule zur Linderung einer Gallen- oder Nierenkolik. 8 Einsprit­ zung vor dem Kreuzbein, z. B. für eine schmerzlose Geburt. 9 Rückenmarkanästhesie für eine Bauchoperation (a) oder eine Operation am Bein (b). 10 Für operative Eingriffe am Gehirn ge­ nügt es, die Kopf- und Knochenhaut unempfindlich zu machen 28

An|ästhesist, Arzt für Anästhesie, für alle Arten der Betäubung (-»Anästhesie, -► Narkose, Schmerzthera­ pie, Intensivmedizin, -► Intensivbehandlung und -»Re­ animation) zuständiger Arzt. Die Weiterbildung zum A. beträgt 4 Jahre mit Abschlußprüfung. Die spezielle Durchführung der Schmerztherapie auch in der ambulan­ ten Praxis und das -»ambulante Operieren in Belegkran­ kenhäusern brachte die Niederlassung von A. in freier Praxis mit sich. An|ästhetika, Mittel zur Schmerzbetäubung (-»An­ ästhesie. Ana Istomose, die angeborene oder erworbene, auch operativ (Chirurg. A.) geschaffene Verbindung zweier Hohlorgane (z. B. Blut- und Lymphgefäße, auch im Verdauungstrakt). Alle Kapillargefäße (-»Haargefäße) haben natürliche A., wobei die arteriellen die wichtigsten sind, da sie die Blutversorgung eines Gebiets sichern, wenn eine der zuführenden Arterien unwegsam geworden ist (arterielle A.). Neben der arteriellen A. gibt es die ve­ nöse A. Eine krankhafte A. besteht bei der Fistelbildung und beim -» Shunt. Eine Nerven-A. entsteht, wenn 2 Ner­ ven zu gemeinsamer Funktion zusammentreten. — Bei der Chirurg. A. unterscheidet man die End-zu-Seit-A., die End-zu-End-A. und die Seit-zu-Seit-A. Anatomie [grch. anatemnein >aufschneidenbehandelt< werden, also im Kontakt mit Freunden, Nachbarn, Arbeitskollegen, >erfahrenen< Kranken, Personen, die ei­ nen Gesundheitsberuf ausüben oder in Beziehung zum Gesundheitswesen stehen. Auch von den besonderen Be­ ziehungen und wechselseitigen Wirkungen zwischen den Mitgliedern der Familie als sozialer Gruppe (>GruppendynamikSündenbock< Probleme und Schwierigkeiten abgela­ den werden, den die Familie in diesem Sinn aber auch braucht, um ihr Gleichgewicht zu erhalten. Hieraus kön­ nen sich unbewußte Widerstände gegen die Heilung des Kranken ergeben, die einen Behandlungsplan durch­ kreuzen. Alle Personen der näheren Umgebung des Kranken sollten sich ihrer Bedeutung und Verantwortung für den Kranken bewußt sein und sich bes. bei der Erteilung von Behandlungsratschlägen die Frage nach ihrer Kompetenz stellen; entscheidende Voraussetzung für den Erfolg einer Therapie ist das Vertrauensverhältnis zum Arzt und sei­ nen Maßnahmen (-»Compliance). Angelhakenmagen, die normale Darstellungsform des Magens im Röntgenbild beim stehenden Menschen.

Herzmuskel mit Blut versorgen. Diese Gefäße haben ent­ weder durch fehlerhafte nervöse Reizbeantwortung oder durch Arterienwandveränderungen die Fähigkeit verlo­ ren, sich dem wechselnden Bedarf des Herzens anzupas­ sen. Im ersten Fall handelt es sich um einen rückbildungs­ fähigen -► Gefäßkrampf, der durch Aufregung, Kälte, Anstrengung ausgelöst wird, im zweiten um eine mechan. Verlegung und Verengung der Herzkranzgefäße (-► Koro­ narinsuffizienz). Das typ. Zeichen der A. p. ist der von heftigem Schmerz oder Druck in der Herzgegend und Angstgefühl begleitete Anfall, der durch körperl. Anstrengungen (Gehen, Trep­ pensteigen, Einnehmen einer größeren Mahlzeit) und/ oder durch psych. Erregungen, die meist mit einer Erhö­ hung des Blutdrucks verbunden sind, ausgelöst wird. Sehr schwere Anfälle werden durch einen -» Herzinfarkt verur­ sacht. Die oft in die linke Schulter ausstrahlenden Schmerzen können mit einem -»Schulter-Arm-Syndrom verwechselt werden. Wird ein größerer Teil des Herzmus­ kels längere Zeit hindurch mangelhaft mit Blut versorgt, so stirbt dieser Muskelteil ab; später bildet sich eine Narbe, die Herzschwiele. Wenn hierdurch bes. lebens­ wichtige oder übergroße Bezirke des Herzmuskels betrof­ fen sind, kann in einem solchen schweren Anfall der Tod eintreten. Behandlung: Anfallverhütend wirken regelmäßig abends vor dem Schlafengehen durchgeführte anstei­ gende Teilbäder der Hände und Unterarme, die günstige Durchblutungsverhältnisse für den Herzmuskel schaf­ fen. Nikotingenuß ist bei A. p. ganz besonders schädlich (-»Arteriosklerose), das Rauchen ist daher zu unterlas­ sen; zur Ernährung -* Herzschonkost. Der Beseitigung des Anfalls dienen in erster Linie krampflösende Mittel, welche nach Aufnahme durch die Mundschleimhaut (Nitroglyzerin) oder Einatmung (Amylnitritspray) die Blutgefäße des Herzens erweitern; Präparate dieser Art können auch nach Aufbringen auf die Haut der Herzgegend wirksam sein. Durch Beta-Blokker (-► Beta-Rezeptorenblocker) kann dem Mißverhältnis zwischen Sauerstoffbedarf und -verbrauch vorgebeugt werden. Bei Auftreten eines schweren Anfalls ist sofortige Ruhelage mit erhöhtem Oberkörper notwendig, da stets Infarktverdacht besteht. Bis zum Eintreffen des Arztes ist ruhiger Zuspruch wesentlich; kalte oder warme Kompres­ sen auf die Herzgegend werden als angenehm empfunden. Stets müssen Begleitkrankheiten (Hochdruck, Zucker­ krankheit, Übergewicht) mitbehandelt werden; in schwe­ ren Fällen Bypassoperation.

Angiographie, Vasographie, Oberbegriff für die Darstellung von Blut- und Lymphgefäßen durch das Röntgenverfahren mit Einbringen von Kontrastmitteln. Angiographie: Angelika, Angelica archangelica, Engelwurz, Verfahren sind -»Aortographie, -»Arteriographie, Ve­ Darstellung der Arterien zu den Doldenblütern (Umbelliferae) gehörende, bis 3 m nographie, Angiokardiographie mit Darstellung der des Vorfußes hohe Pflanze in gemäßigten Klimazonen. Der würzig rie­ Hohlräume des Herzensmit Hilfeder-» Herzkatheterisie­ chende Wurzelstock enthält Stoffe mit verdauungsanre­ rung. Weitere Darstellungsmöglichkeit durch Phlebogra­ gender, krampflösender, entblähender und nervenberu­ phie, bei der die Blutadern (Venen) im Röntgenbild sicht­ higender, aber auch hautreizender Wirkung. Anwen­ bar gemacht werden. (Weiteres Bild S. 31) dung: Heilpflanzen, Übersicht. Angiologie, die Lehre von den Blutgefäßen und ihren Angestelltenkrankenkassen, -»Sozialversiche­ Erkrankungen (-» Durchblutungsstörungen). rung. Angiom, Hämangiom das, gutartige Gefäßge­ Angestelltenversicherung, -* Sozialversiche­ schwulst (-»Blutgefäßmai). rung. Angioneurosen, die -»Vasoneurosen. Angi |ektasie, die -» Gefäßerweiterung. Angiopathie, krankhafte Veränderungen an den Angi |itis, Gefäßentzündung (-»Arterienentzündung, -»Arteriosklerose, -»Durchblutungsstörungen, -► Ge­ Blutgefäßen. Angiospasmus, -► Gefäßkrampf. fäßkrampf, -»Periarteriitis nodosa, -»Raynaudsche Krankheit, -»Venenentzündung). Angiostrongylose, besonderer Typ einer Gehirn­ Angina [lat. angere >beengenenger Hals< (-»Mandelentzün­ rungen im Blutbild, verursacht durch Larven des -► Rat­ tenlungenwurms (Angiostrongylus cantonensis), der im dung), >Herzenge< (-»Angina pectoris). pazif. Raum vorkommt. Ansteckung bes. durch Verzehr Angina pectoris, Herzenge, Stenokardie, an­ roher, mit Larven befallener Krabben, Shrimps und roher fallsweise auftretende Herzbeschwerden. Sie beruhen auf Schweine-, Rinder- oder Kalbsleber. Auch aktives Ein­ einer Funktionsstörung der Herzkranzgefäße, die den dringen der Larven (z. B. über Wunden) ist möglich. Che­ motherapeutische Behandlung mit Spezialpräparaten, Angina pectoris: dunkelroter Bereich: dumpfer, drückender oder bren­ Vorbeugung durch Aufklärung. nender starker Schmerz; hellrote Bereiche: leichte aus­ strahlende Schmerzen oder Mißempfindungen Angiotonika, -»gefäßverengende Mittel. 30

Anky Angsttraum, —Traum.

Angiographie: Video-Subtraktionsangiographie-Anlage; im Vor­ dergrund das Schaltpult, hinter dem Bleiglasfenster Untersu­ chungstisch und Röntgenanlage mit Bildverstärker und Monitor, links die automatische Injektionsspritze für das Kontrastmittel Angostura|baum, Cusparia officinalis, zu den Rautengewächsen (Rutaceae) gehörender, ca. 5 m hoher Baum, heimisch im trop. Südamerika. Die getrocknete Rinde enthält Stoffe mit insgesamt anregender Wirkung. Anwendung: Heilpflanzen, Übersicht. Angst, dem Menschen und Tier eigenes, aus dem Unterbewußtsein kommendes Gefühl der Beengtheit und Unlust beim Erleben oder des sich Vorstellens einer un­ mittelbaren Bedrohung. Im Unterschied zur — Furcht äu­ ßert sich A. meist ohne vordergründig erkennbare Ursa­ che. A. ist wandelbar von der allgemeinen Lebens-A., der Existenz-A. bis zur Todes-A. Eine klare Abgrenzung der A. gegenüber der Furcht ist oft nicht möglich. Stärkere A. ist zwar i. d. R. von vegetativen Erscheinungen begleitet wie Blässe, Schweißausbruch, Zittern, Störungen der Herzaktion und des Blutdrucks (Adrenalinausschüt­ tung), vermehrter Darmbewegung (Durchfall) und Po­ tenzstörungen (-»sexuelle Funktionsstörungen), ist aber vom Willen her und auch durch Zuspruch (teilweise) be­ einflußbar. Die A.-Verarbeitung kann bewußt (rationale Verarbeitung, Abfuhr) oder unbewußt über Abwehrme­ chanismen erfolgen. Zum unbewußten Vorgang gehört die Konversion (Umwandlung psych. Konflikte in körperl. Geschehen) mit den mögl. Folgen hyster. Syndrome oder psychosomat. Erkrankung (>OrganneuroseDer Schreit.

Anheliose, Lichtmangelkrankheit, Gesamtheit der gesundheitl. Störungen, die durch den Mangel an Son­ nenlicht bei Nachtarbeitern, Grubenarbeitern und Dun­ kelarbeitern (z. B. in der Film- und Photoindustrie) her­ vorgerufen werden. Anhidrose, — Hyperhidrose. Anilinvergiftung, Vergiftung durch Nitro- oder Aminoverbindungen des Benzols oder seiner Homologe und deren Abkömmlinge; melde- und entschädigungs­ pflichtige Berufskrankheit. Gefährdung durch Auf­ nahme über die Haut oder Einatmen von Dämpfen der Nitroverbindungen, z. B. Nitrobenzol, Dinitrobenzol, Nitrotoluol, Dinitrophenol, Trinitrophenol. Vergif­ tungsmöglichkeiten bestehen in der ehern, und Sprengstoffindustrie. Bei den Nitro- und Aminoverbindungen (Aminobenzol, Phenylamin, Anilin) werden bes. die ro­ ten Blutkörperchen geschädigt (Methämo- oder Hämi­ globinbildung). Anilinabkömmlinge (Naphthylamin, Benzidin) können bei Dauereinwirkung — Krebsgeschwülste(z. B. Geschwülste der Harnblase) verursachen. Paraphenylendiamin und seine Abkömmlinge (Ursole) sind Allergene und können Bronchialasthma und allerg. Ekzeme erzeugen. Erkrankungsanzeichen bei akuter Vergiftung: Erre­ gungszustand (Anilinpips), Beklemmung, Ohnmacht, Krämpfe; Lippen und Gesicht werden bläulich; bei chron. Vergiftung: Mattigkeit, Appetitlosigkeit, Lustlosigkeit, Blutarmut. Erste Hilfe: Entfernung aus dem Arbeitsraum, Be­ freiung von durchtränkter Kleidung. Die benetzte Haut und die Haare sind sorgfältig im Seifenbad zu reinigen; Sauerstoffbeatmung, Aderlaß, Bluttransfusion, Infu­ sion von Kochsalzlösung und Traubenzucker; strenges Alkoholverbot. Anima, die Seele; in der scholast. Psychologie nach ih­ rer physiolog., psycholog. und rationalen Leistung unter­ schieden in A. vegetativa, A. sensitiva und A. rationalis. Die Unterscheidung kehrt in der modernen Lehre von den Schichten der Persönlichkeit wieder, wo von vegetativen, animalen und noetischen (rationalen) Bereichen der Per­ sönlichkeitsstruktur gesprochen wird. C. G. Jung ver­ steht unter A. das zu den Archetypen (—Archetypus) ge­ hörende Bild der Frau im Unbewußten des Mannes. An | iridie, das Fehlen der Regenbogenhaut (Iris), ganz oder nur z. T., meist in beiden Augen; in der 1L—12. Wo­ che der Embryonalzeit auftretende Entwicklungsstörung mit dominantem Erbgang. Oft finden sich weitere An­ omalien am Auge sowie Lichtscheu, gelegentlich in Zu­ sammenhang mit dem —Wilms-Tumor. Anis, Pimpinella anisum, zu den Doldenblütern (Umbelliferae) gehörende, bis 50 cm hohe, an keine be­ stimmten Standorte gebundene Pflanze. Die aromatisch süßlich schmeckenden kleinen Spaltfrüchte enthalten bis zu 6% äther. Öl (80—90% Anethol); beliebtes Backge­ würz. Anwendung: Heilpflanzen, Übersicht. Anisakiasis, durch Larven des Fadenwurms Anisakis marina hervorgerufene — Heringswurmkrankheit. An|isokorie, ungleiche Pupillenweite. Durch augenärztl. Untersuchung ist festzustellen, ob es sich bei der A. um ein Krankheitszeichen oder eine Anomalie handelt. Anisometropie, die — Ungleichsichtigkeit. An|isozytose, Ungleichheit der Zellgröße, bes. der roten Blutkörperchen, Kennzeichen verschiedener Blut­ krankheiten. Anklopferkrankheit, —Vibrationsschäden. Ankylose, spontan eintretende oder allmähliche Steife (Steifigkeit) eines Gelenks. Zahlreiche Erkrankun­ gen oder Verletzungen von Gelenken können zu einer A. führen, die einen Endzustand, bisweilen auch im Sinn ei­ ner Ausheilung mit — Synostose, darstellen können. Im Ggs. zur A. ist die Arthrodese eine künstlich herbeige­ führte —Gelenkversteifung. Ankylostomiasis, die — Hakenwurmkrankheit. 31

Anla wird das A. nach W. Nagel. Zur Feststellung von Abwei­ chungen im Rot-Grün-Sehen wird ein gelbes Spektrallicht vorgegeben, das durch rotes und grünes Spektrallicht nachgemischt werden soll. Die dazu notwendigen Farb­ werte werden mit denen von Normalsichtigen verglichen. Anomale Trichromasie und die häufigsten Formen der Farbenfehlsichtigkeiten können sicher erkannt werden. Anopheles, Gruppe der Stechmücken, zu denen auch die Überträger der Erreger der -»Malaria gehören. An|orchie, angeborenes Fehlen beider Hoden. A. ist zu unterscheiden vom Kryptorchismus (-» Leistenhoden). Anorexia

Anopheles: Unterscheidungsmerkmale der gewöhnl. Stechmücke Culex (1) und A. (2); la und 2a Weibchen (bei Culex kurze Taster, bei A. lange Taster), lb und 2b Köpfe der Männchen, lc und 2c Weibchen sitzend (Körperhaltung bei Culex bucklig, bei A. ge­ streckt), ld und 2d einzelne Eier, le und 2e Eigelege (bei Culex zu Schiffchen verklebt, bei A. lockere Gruppe), //und2/Larven (bei Culex mit Atemröhre und von der Wasserfläche schräg abwärts hängend, bei A. ohne Atemröhre und der Wasserfläche von unten her flach anliegend), 1g und 2g Puppen

nervosa,

Pubertätsmagersucht,

durch psych. Fehlhaltung bedingtes, ständiges erhebl. Untergewicht bei jungen Mädchen während der Pubertät oder (selten) Vorpubertät. Die Nahrungsaufnahme wird abgelehnt, oft unterstützt durch meist heiml. Erbrechen oder Abführmittelmißbrauch. Es fehlt die Krankheitsein­ sicht als Ausdruck einer unbewältigten psychophys. Rei­ fungskrise; von S. Freud gedeutet als phob. Abwehrme­ chanismus mit Verleugnung der genitalen Reifung und der in der Pubertät erwachenden Triebwünsche, so auch des als triebhaft erlebten Nahrungsbedürfnisses. Bei der A. n. besteht eine schwere Identitätskrise, verbunden mit der Unfähigkeit, sich mit der weibl. Geschlechtsrolle zu identifizieren, und mit dem Wunsch nach knabenhaftem Körperbau bei >reiner< Asexualität. Die A. n. ist Ausdruck einer Diskrepanz zwischen Triebentwicklung und intel­ lektueller Reifung. Sie ist häufig auch mit dem Ausbleiben der Menstruation verbunden. Nach neueren Untersu­ chungen zeigen Patientinnen mit A. n. eine auffallend ver­ ringerte Darmtätigkeit (-motilität), der ein Funktionsfeh­ ler des Hypothalamus zugrunde liegen soll. Die psych. Anomalien wären demnach nicht Ursache, sondern Folge der sich auf das körperlich-seel. Befinden auswirken­ den Funktionsstörung. Behandlung: Psychoanalyse, die frühzeitig beginnen muß. An|orexie, Appetitlosigkeit, -»Appetit. an|organisch nennt man den unbelebten Bereich der Natur im Ggs. zur organischen, belebten Natur. Die Grenzziehung zwischen beiden Bereichen ist umstritten, in der Chemie durch die Bezeichnungen organ. und anor­ gan. Chemie festgelegt. Als anorganische (chem.) Ver­ bindungen werden mineralische, im wesentl. nicht koh­ lenstoffhaltige Verbindungen wie Metallsalze, Metall­ oxide und -hydroxide bezeichnet, die in der Natur eine Rolle spielen. Sie sind am Aufbau der Erdrinde als Mine­ ralien beteiligt, gelöst finden sie sich z. B. im Meerwasser und auch in Heilquellen als -»Salze. Von den Kohlen­ stoffverbindungen gehören zu ihnen nur das Kohlen­ dioxid der Luft und die sich von ihm ableitenden Salze, die Karbonate, v. a. Kalziumkarbonat (Kalkstein) und Natriumkarbonat (Soda). Ohne das Kohlendioxid gäbe es kein Wachstum auf der Erde; dieses wird im Pflanzen­ stoffwechsel unter Mitwirkung von -»Chlorophyll zu Kohlenhydraten unter Freiwerden des lebensnotwendi­ gen Sauerstoffs assimiliert (-»Assimilation). An|osmie, das Fehlen des Geruchsvermögens, tritt am häufigsten auf bei Erkrankungen der Nase und ihrer Nebenhöhlen, z. B. vorübergehend bei Schnupfen. Ange­ borene A. kommt vor beim Fehlen der Geruchsnerven oder der Riechschleimhaut. Auch können krankhafte Gehirnveränderungen im Geruchszentrum, z. B. durch Druck einer Geschwulst auf den Geruchsnerv (Nervus olfactorius), A. bewirken. Da viele Geschmacksein­ drücke durch Geruchsempfindungen ausgelöst werden, wird auch der Geschmack durch die A. erheblich beein­ trächtigt. an|ovulatorischer Zyklus, Menstruationszyklus (-»Menstruation) ohne Eisprung (-»Ovulation).

Anlage, Krankheits|anlage, eine auf -»Erbanla­ gen beruhende Krankheitsbereitschaft (-»Konstitution) oder durch falsche Lebensführung und Ernährung erwor­ bene Anfälligkeit (-»Disposition). Diese kann sich in mehreren Generationen auswirken und täuscht so Erb­ anlagen vor. Ändert sich die A. durch positive Einflüsse der Umwelt oder Verbesserung der Lebensgewohnheiten, sind Erbeinflüsse auszuschließen. Anlegen des Neugeborenen an die Mutterbrust, -»Säugling. Annahme als Kind, Adoption, gewährt die rechtl. Stellung eines leibl. oderehel. Kinds(§§ 1741-1772 BGB). Der Annehmende muß mindestens 25 Jahre, bei Ehepaa­ ren der andere Ehepartner mindestens 21 Jahre alt sein. Kinderlosigkeit wird bei den Adoptiveltern nicht mehr vorausgesetzt. I. d. R. sind Adoptivkinder minderjährig und sollten schon als Säugling (frühester Zeitpunkt Alter von 8 Wochen) in die Familie aufgenommen werden, um eine optimale Anpassung und Entwicklung zu ermög­ lichen. Bei der Vermittlung von Adoptivkindern über das Jugendamt oder soziale und kirchl. Organisationen wer­ den u. a. genetische Anlagen der betreffenden Familien berücksichtigt, um ein harmon. Zusammenwachsen zu gewährleisten. Die Eigenschaften des/der Annehmenden sowie die notwendigen Formalitäten, u. a. die Einwilli­ gung der leibl. Eltern des Kindes, die Einhaltung einer va­ riablen Probezeit vor der Annahme und die notarielle Be­ urkundung der Erklärungen, sind gesetzlich festgelegt. Inder Dt. Dem. Rep. folgt die A. a. K. den §§66—78 des Familiengesetzbuchs, der Annehmende muß volljährig sein. In Österreich sind die §§ 179-185a des ABGB maßge­ bend mit anderen Vorschriften über das Alter von Adop­ tiveltern: Wahlvater 30 Jahre, Wahlmutter 28 Jahre. — Anpassung, die körperl. und seel. Abstimmung des in der Schweiz liegt das Mindestalter für Adoptierende Individuums auf Bedingungen der Umwelt einschließlich bei 35 Jahren. der Gesellschaft. Da der Mensch im Ggs. zum weitgehend Anomalie, Abnormität, Abweichung von der instinktbeherrschten Tier >offen< ist, kann und muß er -►Norm. sich zwecks Überlebens den Änderungen der Verhältnisse Anomaloskop, Spektralgerät zur Prüfung von anpassen. Fehlerhafte, z. B. überschießende Anpassungs­ -►Farbenfehlsichtigkeiten. Am häufigsten verwendet leistungen des Organismus, können zur Krankheit, ja 32

Anti sogar zum Tod führen. H. -»Selye hat den Begriff der Anpassungskrankheit (Adaptationskrankheit, -»Adap­ tionssyndrom) eingeführt. Nach dem Grad der A. beur­ teilt man in Psychologie, Psychiatrie, Psychosomatik und Soziologie die Normalität. Der Begriff des Normalen allein stellt dabei keinen objektiven Sachverhalt dar, sondern wird durch die herrschende Vorstellung, d. h. ein zeitgebundenes Ideal, bestimmt. Faktoren und Pro­ zesse, welche eine A. auslösen, werden als Stressoren (-» Streß) bezeichnet. Anregungsmittel, Stimulantia, Analeptika, Exzitantien, Belebungsmittel, Weckmittel, steigern

die Funktion und Erregbarkeit des Zentralnerven­ systems, bes. des lebenswichtigen Atem- und Kreislauf­ zentrums. Zu ihnen gehören die Naturstoffe Koffein, Kampfer, Pikrotoxin, Lobelin, Strychnin. A. werden hauptsächlich bei Leistungsschwäche des Zentralnerven­ systems, bes. des Atem- und Kreislaufzentrums angewen­ det, z. B. bei Schlafmittelvergiftungen. Die mißbräuchl. Anwendung, z. B. zur Unterstützung körperl. Höchstleistungen beim Leistungssport, kann erhebl. Körperschäden hervorrufen (-»Doping). Anserine, das -► Gänsefingerkraut. Anstalten zur Krankenpflege und Gesund­ heitsfürsorge, -»Heilanstalten, -»Krankenhäuser. ansteckende Krankheiten, -»Infektionskrank­

heiten. Ansteckung, die-»Infektion.

Antagonismus, gegensätzl. Wirkung nervlicher, mechanischer, stofflicher Art auf ein Organ, z. B. von Beuge- und Streckmuskeln (Antagonisten) auf ein Glied. Die meisten Drüsen, die glatten Muskeln und das Herz werden von zweierlei Nervenfasern versorgt, die antago­ nistisch wirken, z. B. am Herzen beschleunigend (Sympa­ thikus) oder hemmend (Vagus). Auch Hormone, Medika­ mente oder Gifte haben durch Einwirkung auf das -► vege­ tative Nervensystem antagonist. Einfluß. Die Lebensvorgänge allgemein stellen schwankende Gleichgewichtsformen zwischen entgegengesetzten Wir­ kungen dar. Das Mehr auf der einen Seite kann den glei­ chen Erfolg haben wie ein Weniger auf der anderen Seite (Waagenschema; Bild Gleichgewichte). Bei ausgegliche­ nem A. spricht man aus biolog. Sicht von -► Homöostase. Ant|azida, An|azida, Mittel zur Neutralisierung überschüssiger Magensalzsäure, z. B. Natriumbikarbo­ nat (doppelkohlensaures Natron). Das bei Anwendung dieses Mittels im Magen freiwerdende Kohlendioxid kann durch Dehnung der Magenschleimhaut Schmerzen auslö­ sen. Im Anschluß an den raschen Neutralisierungsvor­ gang kommt es außerdem zu einer verstärkten Salzsäure­ absonderung. Diese Nachteile des Natriumbikarbonats sind nicht vorhanden bei Magnesiumoxid und -peroxid, Magnesium-, Aluminium-, Natrium- und Kalziumsalzen der Kieselsäure. Anteflexio, vorgebeugte Haltung eines Organs, z. B. bei -»Gebärmutterverlagerung. Ant|helminthika, -»Wurmmittel. Anthrakose, Kohlenstaublunge. Anthrax, der-»Milzbrand. Anthropologie, die Wissenschaft vom Menschen. Je nach Betrachtungsweise läßt sich eine philosoph., soziale und naturwissenschaftl. A. unterscheiden. Die naturwis­ senschaftl. A. behandelt den Menschen als biolog. Orga­ nismus. Sie erforscht seine Entstehung, seine systemat. Stellung in der gesamten Organismen weit, seine histor. Entwicklung und Differenzierung (Stammesgeschichte, Rassenkunde) und geht den biolog. Ursachen (Humange­ netik, -»Erblehre) und den gesetzmäßigen Abläufen (-» Evolution) nach. Forschung und Lehre der naturwissenschaftl. A. bedie­ nen sich der Methode der Anthropometrie: Neben absolu­ ten metr. Merkmalen (Strecken, Umfänge, Bogen, Win­ kel) werden relative Maße (Indizes, Proportionen), Farb(Augen, Haar, Haut) und Formmerkmale zur Kennzeich­ nung von Individuen und Gruppen (Populationen, Ras­ AB 3 :

sen) benutzt. Hautleisten- und serologisch-physiolog. Merkmale (z. B. Puls, Blutdruck, -»Blutgruppen)ergän­ zen das Merkmalsbild, Lichtbilder (in genormten Ansich­ ten), Abformungen, Zeichnungen, Risse dokumentieren die Befunde. Mit modernen mathematisch-statist. Ver­ fahren werden die Daten ausgewertet und abgesichert. Nach Überwindung mancher Vorurteile wegen des Miß­ brauchs der A. für ideolog. und polit. Ziele während der nationalsozialist. Herrschaft hat die A. als biolog. Wis­ senschaft vom Menschen wieder einen festen Platz in For­ schung und Lehre gefunden. Anthroponosen, -► Infektionskrankheiten. anthroposophische Medizin, Heilweise, die auf der von R. Steiner (* 1861, 1 1925) begründeten Lehre beruht. Nach Steiner besteht ein Mensch aus 4 >WesensgliedernVergesellschaftung« des Menschen in der bisherigen Form ablehnenden Vorstellungen versuchte Neill praktisch zu verwirklichen. 1921 gründete er die >Internationale Schule« Hellerau bei Dresden und kurz dar­ auf das Internat >Summerhill< (mit jeweils nur bis 50 Schü­ lern) in Leiston (Suffolk), England. Versuche, in der Bundesrep. Dtl. in den 1970er Jahren nach antiautoritären Prinzipien auch Kinder im Vor­ schulalter in »Kinderläden« zu erziehen, stießen wegen der meist einseitig ideolog. Ausrichtung auf starken Wider­ spruch und wurden schließlich aufgegeben. Antijauxine, zu den Antivitaminen (Vitaminant­ agonisten) gehörende natürl. und künstl. Stoffe mit Hemmwirkung auf die Vitamine durch Blockade der enzymat. Funktion (-»Enzyme). Antibabypille, volkstüml. Bezeichnung für oral an­ zuwendende Hormonpräparate (Ovulationshemmer) zur -» Empfängnisverhütung. Antibiotika, Ez. das Antibiotikum, von Lebewesen (verschiedenen Schimmel- und Strahlenpilzen, Bakte33

Anti rien, Algen, Flechten) gebildete natiirl. Stoffwechselpro­ dukte oder chem. Stoffe, die das Wachstum anderer Kleinlebewesen hemmen oder diese töten. Allerdings kön­ nen Krankheitserreger während der Behandlung resistent werden, also ihre Empfindlichkeit gegen A. verlieren. Bei längerer Einnahme ist auch eine Veränderung der Darm­ flora (mit der Folge von Durchfällen) möglich; manche A. haben die Eigenschaft von -»Antivitaminen. Die meisten A. wirken nur gegenüber Bakterien. Polyen-A. sind -»Antimykotika zur Behandlung von Pilz­ erkrankungen. Einige A. (Aktinomycine, Anthracykline, Bleomycinu. a.) wirken als-»Zytostatika. Nur ein kleiner Prozentsatz der heute bekannten A. eignet sich für medizin. Zwecke (Chemotherapie), bes. das — auch in Ab­ wandlungen — von A. -»Fleming entdeckte — Penicillin. Im einzelnen unterscheiden sich die A. durch ihr Wir­ kungsspektrum: Es gibt A., die nur gegenüber wenigen, andere, die gegenüber vielen Krankheitserregern wirksam sind (Breitband-A., z. B. -»Chloramphenicol). A. sollten nur in begründeten Fällen angewendet werden. Bei Infek­ tionen muß das geeignete A. nach der Art des Krankheits­ erregers und seiner Empfindlichkeit gegenüber den A. ausgewählt werden. Breitband-A. wie manche Penicil­ line, -»Cephalosporine und -»Tetracycline können bei bakteriellen Infektionen u. U. ungezielt eingesetzt wer­ den. Eine besondere Gruppe sind die Aminoglykosid-A., die Aminozucker im Molekül enthalten. Zu diesen A. ge­ hören — Streptomycin, Dihydrostreptomycin, Kanamycin, Neomycin, Gentamycin, Amikacin, Netilmycin, Sisomycin, Tobramycin u. a. Da diese A. z. T. gefährl. Ne­ benwirkungen (Innenohrschäden, Nierenschäden) verur­ sachen können, sind sie überwiegend besonderen Indika­ tionen vorbehalten, bei denen andere A. nicht ausrei­ chend wirksam sind, z. B. bei Tuberkulose (Streptomy­ cin, auch Rifampicin, ein Derivat des Rifamycins) oder Infektionen mit Pseudomonas-Bakterien. Eine weitere Gruppe bilden die -»Makrolide. Auch bestimmte Inhaltsstoffe höherer Pflanzen mit antibiot. Wirkung, z. B. die Senföle einiger Gemüsepflanzen (Kresse, Senf, Meerrettich) oder das Allicin aus Lauch­ arten, gehören zu den A. A. werden in der Tierzucht dem Futter von Schlachttie­ ren zugesetzt. Die Ursache für die hierdurch erzielte erhebl. Wachstumsbeschleunigung liegt wahrscheinlich in der Verhütung von leichten Infektionen, die das Wachs­ tum der Tiere hemmen würden. Rückstände der A. im Fleisch können zur Resistenzbildung bei Keimen und zur Sensibilisierung beim Menschen führen. Deshalb wurde die Verwendung von A. zur Viehmast gesetzlich einge­ schränkt. Die Einhaltung von Karenzzeiten zwischen der letzten A.-Gabe und dem Schlachten ist wichtig. Antidiabetika, Mittel gegen Diabetes mellitus (— Zuckerkrankheit). Antidot das, das -»Gegengift.

Antijemetika, Arzneimittel zur Behandlung des

— Erbrechens. Beim unstillbaren Erbrechen Schwangerer (Hyperemesis gravidarum) sollte man mit der Einnahme der A. zurückhaltend sein, da deren fruchtschädigende Wirkung noch nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Bei leichteren Fällen von Schwanger­ schaftserbrechen ist Vitamin B6 angezeigt. Auch zur Verhinderung der Bewegungskrankheiten (—Kinetosen), z. B. der Reisekrankheit, werden die A. angewendet.

Transplantationen. Die A.-A.-R. ist von diagnost. Be­ deutung, z. B. zur Abklärung allerg. Vorgänge. Antigene, Stoffe, die in Mensch und Tieren die Bil­ dung von -»Antikörpern bewirken können. A. sind große, kompliziert aufgebaute Moleküle, die meist als wichtige Substanz Eiweiß enthalten. Durch aktive -►Schutzimpfungen können A. dem Körper künstlich zu­ geführt werden. Antihistaminika, Antihistaminkörper, Mittel, die die Wirkungen des Histamins auf die Gewebe (-»Ge­ webshormone) aufheben und daher bei allerg. Erkran­ kungen (-»Allergie) angewendet werden. Antihormone, Substanzen, welche die Wirkung von Hormonen vermindern oder ganz aufheben, indem sie z. B. die Synthese und Sekretion beeinflussen oder die Hormonrezeptoren blockieren. Bei therapeut. Anwen­ dung spielt nicht nur die hormonale Gegenregulation, sondern wahrscheinlich auch das Auftreten spezif. Im­ munkörper gegen mit der Behandlung eingebrachtes art­ fremdes Eiweiß eine Rolle. Anti-Human-Globulin-Test, Abk. AHG-Test, — Coombs-Test. Antihypertensiva, Antihypertonika, blutdruck­ senkende Arzneimittel. (— Hochdruckkrankheit) Antiklopfmittel, dem Ottomotorenkraftstoff zuge­ setzte, meist giftige Bleiverbindungen (z. B. Bleitetra­ äthyl), die das Klopfen des Motors verhindern sollen. Ge­ setzlich beschränkte Bleizusatzmenge in der Bundesrep. Dtl.: 0,15 g/1 Kraftstoff. Die Einführung bleifreier Kraft­ stoffe wird angestrebt. (-»Abgase) Antikoagulant! | en, die — blutgerinnungshemmen­ den Mittel. antikonzeptionelle

Mittel,

Kontrazeptiva,

— Empfängnisverhütung. Antikörper, Immunkörper, Schutzstoffe, die im Körper nach Berührung mit -»Antigenen entstehen. Die A. reagieren im Organismus oder im Reagenzglas bioche­ misch so mit dem Antigen, daß dieses ungefährlich wird; deshalb spielen die A. eine Rolle bei der — Immunität; Im­ munreaktionen können durch — Immunsuppressiva un­ terdrückt werden. Die A. sind bes. im Gammaglobulin des Blutserums vorhanden. Es gibt viele Arten von A.: -»An­ titoxine, Agglutinine (-»Blutgruppen), -»Lysine, kom­ plementbindende A. (-»Komplementbindungsreaktion) u. a. Der Nachweis von A. dient auch dem Erkennen von Krankheiten. A. können im — Heilserum künstlich ange­ reichert werden (passive Schutzimpfung). Während im Normalfall das körpereigene Gewebe als solches >erkannt< wird, kommt es bei den Autoaggressions- oder Autoimmunkrankheiten zu einer Bildung von A. gegen körpereigene Substanzen (Auto-A., Auto­

immunreaktion). Antikörpermangelsyndrom,

—Agammaglobu­

linämie. Antilymphozytenserum, — Immunsuppressiva. Antimetabolite, Substanzen, die einen Stoffwechsel­

vorgang blockieren können. A. werden bei der Behand­ lung von Krebsgeschwülsten eingesetzt, wirken jedoch auf normale Zellen ebenfalls schädigend. (—Zytostatika) Antimykotika, Arzneimittel (auch als Breitbandprä­ parate) zur Behandlung von Pilzinfektionen. Hierzu ge­ hören z. B. Imidazolderivate, Griseofulvin, Polyenanti­ biotika und eine Reihe von Desinfektionsmitteln zur äu­ Anti|enzyme, Enzymhemmer, Enzymblocker, ßerl. Anwendung bei Pilzkrankheiten der Haut. Nur we­ Stoffe, die Enzymwirkungen aufheben. Durch Prostig- nige A., z. B. Amphotericin B oder Fluorcytosin, eignen min und das schwere Pflanzengift E 605 wird z. B. das sich zur Behandlung von Infektionen der inneren Organe. Enzym Cholinesterase gehemmt. Antineuralgika, die —schmerzstillenden Mittel. Antiepileptika, Mittel gegen Krämpfe, die auf einer Anti|oxidanti|en, Stoffe zur Verhinderung des Fett­ Störung des Zentralnervensystems beruhen, bes. bei verderbs durch Selbstoxidation (Ranzigwerden). Natür­ -►Epilepsie. liche A. sind im tier. und pflanzl. Fettgewebe enthalten Antigen-Antikörper-Reaktion, Abk. AAR, die (Tokopherol = Vitamin E, Tannine, Flavonole); künst­ Bindung eines Antigens an seinen spezif. Antikörper; im liche A. sind Butylhydroxy-Anisol (Abk. BHA), -Toluol Organismus bewirkt sie z. B. die Entgiftung von Toxinen (Abk. BHT) und Gallussäureester (Propyl-Dodezyldurch Antitoxine, andererseits kann sie auch krankheits­ Gallat). Der Zusatz künstlicher A. zu Speisefetten ist in erregend wirken, so bei -»Allergie, Bluttransfusionen, der Bundesrep. Dtl. verboten. 34

Aort Antipathie, Abneigung (-»Sympathie). Antiphlogistika,

die

-»entzündungshemmenden

Mittel. Antipsychiatrie, gegen die schulmäßige Diagnostik und Therapie der histor. Psychiatrie gerichtete Bestre­ bungen, die vereinzelt schon im 19. Jh. tatsächl. und vermeintl. Mißstände in diesem Bereich zu bekämpfen und abzuschaffen suchten. Man empfand das bisherige Sy­ stem der Unterbringung in Anstalten abseits der Städte in naturnaher Umgebung als inhuman. Die Kranken müß­ ten sich in dieser erzwungenen Distanz von der Umwelt weitgehend ausgestoßen fühlen, belastet durch die seit Jahrhunderten allgemein verbreitete Meinung, durch ihre Geistesschwäche Menschen zweiter Klasse zu sein. Hinzu kam bei den Vertretern der A. die Auffassung, daß psych. Krankheiten hauptsächlich durch die verständnislose Umwelt geprägt seien. Auch die -»Schockbehandlung wurde immer wieder heftiger Kritik unterzogen. Zu An­ fang der 1960er Jahre kam die Tendenz zur Auflösung der psychiatr. Großanstalten verstärkt ins Gespräch. Durch die moderne Pharmakotherapie wandelte sich überdies das Bild vom chronisch Kranken mit oft jahrelanger Un­ terbringungin Richtung einer > Dreht ürpsychiatrieBedürfnisspan­ nung«, die auf Aufhebung des Mangels gerichtet ist; diese steht in enger Verbindung mit dem Gefühlsleben (-»Ge­ fühl). Man unterscheidet primären A., verursacht durch unmittelbare Bedürfnisse, z. B. Hunger, Durst, Libido, und durch Lernvorgänge bewirkten sekundären A. Letz­ terer kann als Mittel zur Erreichung eines ersehnten Ziels zum Selbstzweck werden und sich schließlich als spezif. Bedürfnis verselbständigen. A.-Störungen bis zum A.Mangel sind gekennzeichnet durch Nachlassen der psy­ chisch vitalen Impulse mit Auswirkung auf Willen und Motorik. Neben der häu figen Ursache einer konstitutionellen Vi­ talitätsschwäche (im Rahmen normalen Verhaltens bis­ weilen lediglich durch -»Schüchternheit ausgewiesen) kann die Antriebsstörung Symptom von organ. Hirn­ erkrankungen, Depressionen und Neurosen sein; der aus­ geprägt krankhafte, weitgehend leistungsmindernde An­ triebsverlust wird als Katatonie bezeichnet (besondere Verlaufsform der -»Schizophrenie). Antrotomie, operative Eröffnung des Warzenfort­ satzes bei einschmelzender -»Warzenfortsatzentzün­ dung. An |urie, fehlende oder stark eingeschränkte Nieren­ ausscheidung, verursacht durch Funktionsschwäche oder organ. Schädigung des Nierengewebes (echte A.). Bei der reflektor. A. wird auch die gesunde Niere mit einbezogen. Von der A. ursächlich zu unterscheiden ist die -»Harn­ sperre. Anus, der -»After; A. praeternaturalis (A. praeter), der -» Kunstafter. Anzeichen, -»Symptome. Anzeigepflicht besteht im Gesundheitswesen 1) nach dem Personenstandsgesetz für Geburten und Sterbefälle zunächst für Angehörige, dann aber auch für den zugezo­ genen Arzt gegenüber dem Standesamt, 2) bei Kenntnis von der Planung einer gefährl. Straftat (Mord, Raub u. a.) auch für den Arzt, wenn er im Rahmen seiner ärztl. Tätig­ keit davon erfährt (§§ 138—139 StGB), gegenüber den Strafverfolgungsbehörden. Daneben gibt es Meldepflichten für den Arzt nach dem Bundesseuchengesetz, nach dem Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten (Meldung jeweils an das Ge­ sundheitsamt) und nach dem Versicherungsrecht bei Be­ rufskrankheiten an den Träger der Unfallversicherung (-»meldepflichtige Krankheiten). AOK, Abk. für Allgemeine Ortskrankenkasse, Träger der gesetzl. Krankenversicherung im Rahmen der -»So­ zialversicherung. Aortenbogen

aufsteigende

obere Hohlvene rechte Kranzschlagader

Schutzimpfung). Antitussiva, -»Hustenmittel.

j"

linker Vorhof

Abgang der Lungenarterie (entfernt) linke Kranzschlagader

rechtes Herzohr

linke Kammer

Antivitamine, natürl. und künstl. chemische Stoffe,

welche die Wirkung der Vitamine ganz oder z. T. aufhe­ ben, so daß trotz deren Anwesenheit eine entsprechende Mangelkrankheit oder sonstige Schädigung eintreten kann. Als A. wirken z. B. verschiedene Sulfonamide und Antibiotika. Bei der Entstehung der -► Pellagra spielt das Vorkommen von A. im Mais eine Rolle. Antizipation, die Erscheinung, daß sich der Statist. Gipfel in der Häufigkeitskurve einer Krankheit (z. B. Herzinfarkt) oder etwa des Klimakteriums vorverlagert.

Lungenvenen

untere Hohlvene

absteigende Aorta

Aorta: aus dem Herzen aufsteigende Aorta mit ihren oberen Ver­ zweigungen; a Arterienstamm für rechte Arm- und Kopfseite, b linke gemeinsame Halsschlagader, c linke Schlüsselbeinschlagader Aorta, die in der linken Herzkammer entspringende große Körperschlagader, von der alle anderen Schlag­ adern abzweigen (-»Blutkreislauf). Weiteres Bild S. 36. 35

Aort Aortenherz, im Röntgenbild sichtbare Veränderung der Herzform (Aortenkonfiguration) mit kräftig abge­ rundetem linken unteren Herzbogen bis zur Schuhform; Folge einer Vergrößerung der linken Herzkammer, z. B. bei -»Hochdruckkrankheit oder Aortenklappenfehler. Herzvergrößerung)

Apfel, Frucht (Kernobst) der zu den Rosengewächsen (Rosaceae) gehörenden Baumgattung Malus in gemäßig­ ten Klimazonen; wichtigste Bestandteile: 84,4% Wasser, 0,4% Stickstoff, 0,7% freie Säure, 8% Invertzucker, 0,4% Saccharose, 3,3% stickstofffreie Substanzen, 1,9% Rohfaser und 0,4% Asche. Der Vitamin-C-Gehalt schwankt zwischen 3 und 35 mg%. (Bild Obst) Apfelkur, Anwendung von Äpfeln zu Heilzwecken. Apfeltage: 2-3 Pfund gute reife Äpfel auf 4—5 Portionen Luftröhre Aortenbogen verteilt als ausschließl. Nahrung vermindern das Körper­ linker gewicht durch die geringe Kalorienzufuhr bei ausreichen­ Stammbronchus dem Sättigungsgefühl. Gegen Durchfall (akuten, nicht in­ Aortenklappe fektiösen Darmkatarrh) rohe geriebene Äpfel als ausschließl. Nahrung in beliebiger Menge, bis der Durchfall Zwischenrippensteht. Meist sind 2 Apfeltage notwendig. Apfeldiätspeise: Brustaorta und -»Bircher-Müsli, -» Frischkornbrei, -»Kollath-Früh-muskeln stück. Wirbelsäule Apfelreisdiät, Diätform zur ergänzenden Behand­ lung von akuter und chron. Nierenentzündung sowie von Nebenniere Zwerchfell bestimmten Herzkrankheiten und Hochdruckformen. In ihrer ursprüngl. Zusammensetzung250gReis, lOOgZukNiere ker, 1000 g Obst oder Fruchtsaft, d. h. insgesamt 8 370 kJ (2000 kcal), bestehend aus 450g Kohlehydraten, 20g rein pflanzl. Eiweiß, 5 g Fett, 150 mg Natrium, 200 mg Chlor Bauchaorta und 1000 ml Flüssigkeit stellt die A. eine bewährte Kombi­ Becken nation aller als blutdrucksenkend und gefäßwirksam bekannten diätet. Möglichkeiten dar. Die A. verlangt Kreuzbein Durchhaltevermögen seitens des Kranken und erfordert sorgfältige ärztl. Kontrolle, da der Kochsalzentzug zu Un­ verträglichkeitserscheinungen führen kann. Aorta mit der Aortenklappe (Verbindung zur linken Herzkammer Apfelsine, Orange [or'äja], Frucht des zu den Rau­ und dem Aortenbogen; in den Brust- und Bauchraum übergehende große Arterie mit ihren wichtigsten Verzweigungen), a Arterien­ tengewächsen (Rutaceae) gehörenden Baumes Citrus austamm für rechte Arm- und Kopfseite, b Arterie für die linke Kopf­ rantium var. sinensis oder dulcis, bes. in den Mittelmeer­ seite, c linke Schlüsselbeinarterie ländern, in Kalifornien und Südamerika. Abarten: Blut­ Aorten| Insuffizienz, Herzklappenfehler mit relativ guter Ausgleichsneigung (-► Herzkrankheiten). Aorten|isthmus|stenose, angeborene Verengung der Äorta, die i. d. R. zwischen Aortenbogen und abstei­ gender Aorta liegt. Hauptanzeichen sind arterieller Hoch­ druck bereits im Jugendalter, weiterhin das Vorhanden­ sein von Umgehungsblutgefäßen (Kollateralen), die in den Zwischenrippenräumen verlaufen und durch ihre Pulsation im Röntgenbild erkennbare Aussparungen an den Rippen verursachen. — Behandlung durch Operation. Aortenstenose, Herzklappenfehler, erworbene oder angeborene Verengung der Aortenklappen (-► Herz­ krankheiten). Aortographie, das Sichtbarmachen der Aorta im Röntgenbild durch Einspritzen eines Kontrastmittels. Dabei sind auch die von der Aorta abgehenden Arterien mit ihren Nebengefäßen zu erkennen. Durch die A. kön­ nen auch Krankheiten an Organen, z. B. an den Nieren, er­ kannt werden. (-»Arteriographie) apallisches Syndrom, Ausfall der Funktionen der Hirnrinde (des Hirnmantels) bei erhaltener Funktion des Stammhirns (-»Nervensystem); kann auftreten als Folge einer Steigerung des Gehirndrucks oder nach ausgedehn­ ten Hirnschädigungen (z. B. nach schweren Schädelver­ letzungen, Narkosezwischenfällen, Herzstillstand, Ver­ giftungen oder durch Hirntumore), die zu einer schweren Bewußtseinsstörung führen. Atmung, Kreislauf und Re­ flexe sind erhalten. Die Kranken (Apalliker) können auf bestimmte Reize nicht entsprechend (adäquat) reagieren. Sie blicken ziellos starr ins Leere (Dezerebration, Enthir­ nungsstarre). Kranke mit a. S. werden heute auf Sonder­ stationen behandelt. Rehabilitationschancen haben nur jüngere Menschen (unter dem 30. Lebensjahr), ältere Apalliker brauchen meist Dauerpflege. A|pathie, Teilnahmslosigkeit, Fehlen von Gefühlen und Affekten bei auffallender Distanz zur Umwelt. A. ist oft Kennzeichen einer fortschreitenden -»Harnvergif­ tung. Sie hat vordergründig ihre Ursache in einem kör­ perl. und zugleich seel. Erschöpfungszustand. Übereinen längeren Zeitraum beobachtet, kann die A. den Beginn ei­ ner ernsten seelischen oder körperlichen Krankheit an­ zeigen. 36

orange, Pampelmuse (Grapefruit), Mandarine, Clemen­ tine u. a. Durch ihren Gehalt an Zucker (10—13%), Säuren

(1-2% Zitronensäure) und Vitaminen (etwa 50mg% Vit­ amin C) sind die Früchte als Obst und Nahrungsmittel ge­ sundheitsfördernd. (Bild Obst) Apfeltee, bekömml. Getränk für Gesunde und Kranke. Herstellungsweisen: 1) Kaltwasserauszug von frischen einwandfreien Apfelschalen, 3—4 Stunden zie­ hen lassen, erwärmen, nicht kochen. 2) Frische oder ge­ trocknete Äpfelschalen zum Kaltwasserauszug ansetzen, nach 3—4 Stunden bis fast zum Kochen erhitzen, dann län­ gere Zeit an warmem Ort ziehen lassen. 3) Apfelschalen mit heißem Wasser überbrühen und an warmem Ort lange ziehen lassen. 4) Äpfel mit Schale und Kerngehäuse klein­ schneiden, heiß überbrühen; längere Zeit an warmem Ort ziehen lassen. Apgar-Index [’aepga:-], von der amerikan. Ärztin Virginia Apgar (* 1909, 11974) entwickelter Test zur Beurteilung der Lebensfrische eines Neugeborenen etwa eine Minute nach der Geburt. Die Bewertung von Herzfre­ quenz, Atmung, Reflexverhalten, Muskeltonus und Hautdurchblutung wird in ein Punktschema eingeordnet. Von dem Berliner Gynäkologen E. Saling (* 1925) wurde ein etwas abgewandelter Index angegeben. Die Daten des A.-I. werden in den -* Mutterpaß eingetragen. Aphaniptera, die -»Flöhe. A|phasie, Sprachstörung, die in 2 Hauptformen auf­ tritt: 1) als Unfähigkeit zu sprechen (motorische A.), wo­ bei gewöhnlich keine völlige Stummheit besteht; der Kranke bringt nur noch Sprachbrocken hervor oder redet im >TelegrammstilAnhängsel/2 Stunden und 30 Minuten bei mehr als 6 Stunden. (-► Kurzpausen) Arbeitsphysiologie, Teilgebiet der -»Arbeitsmedi­ zin; befaßt sich mit den Funktionen des menschl. Organis­ mus, dessen Leistungsfähigkeit und -grenzen. Sie vermit­ telt die Erkenntnisse, die es ermöglichen, die Arbeit und ihre einzelnen Elemente den physiolog. Erfordernissen entsprechend, d. h. menschengerecht, zu gestalten.

Arbeitsplatz. Die Gestaltung des A. sollte eine zur Ar­ beit zusätzliche phys. und psych. Belastung des Arbeiten­ den möglichst vermeiden; sie muß deshalb in erster Linie von den menschl. Eigentümlichkeiten, nicht von Arbeits­ mittel oder -verfahren ausgehen. Hauptforderungen: Er­ möglichung einer sitzenden oder wechselnd sitzenden/ stehenden Arbeitshaltung; Verstellbarkeit von Arbeitssit­ zen und -tischen; Abstimmung von Arbeitshöhe, -»Be­ leuchtung, Sehdistanz und natürl. Körperhaltung (richti­ ges Sitzen); körpermaßbezogenes Anbringen von Hebeln, Griffen u. ä., um häufige Bewegungen körpernah und mit gebeugten Ellbogen ausführen zu können; Berücksichti­ gung des menschl. Raumbedarfs und genügend Abstand zwischen den A.; sichere und hygien. Gestaltung der -►Arbeitsumgebung; ausreichender Schutz bei Freiluft­ arbeiten; Gefahrenschutz mittels geeigneter Signale; Ein­ richtung von Schon- und Teilzeit-A. für Behinderte und werdende Mütter. Bes. bei eintönigen Arbeitsabläufen (Automation) sollte die Umgebung nicht zusätzlich zur Monotonie bei­ tragen, sondern durch eine gewisse Abwechslung Reize setzen, die das Wach- und Aufmerksamkeitsniveau gün­ stig beeinflussen. Der Kontaktarmut bei der Arbeit in­ folge Automation muß durch Mitarbeiterbetreuung (Be­ triebsklima) entgegengewirkt werden. Nach japan. Vorbild ist zur Vermeidung gesundheits­ schädigender Einseitigkeit ein Ausgleich in Form wieder­ holter kurzer Pausen mit Ausgleichsgymnastik, die eine Zeit von 5 Minuten nicht zu überschreiten braucht, gün­ stig. Die Arbeitsbedingungen müssen auch der veränder­ ten Leistungsfähigkeit bei fortschreitendem Alter oder bei Beginn oder Wechsel bestimmter medikamentöser Be­ handlungen (z. B. bei Psychopharmaka), wenn auch nur vorübergehend, angepaßt werden. Deshalb ist es notwen­ dig, daß sich sowohl der Alternde wie auch der Kranke über mögl. Leistungsveränderungen aufklären lassen, um Fehlleistungen oder Unfälle zu vermeiden. Die engen Beziehungen des A. zu Gesundheit und Krankheit ergeben sich schon daraus, daß seit 1945 mehr als 125 000 Arbeitnehmer an ihren A. zu Tode gekommen arbeitsfreie Zeit, für die Erholung und Entspan­ sind. Man kann mit 2,5 Mio. Unfällen am A. jährlich nung, wie auch für die Entfaltung der Persönlichkeit not­ rechnen, davon ungefähröOOOmittödl. Ausgang. Deswe­ wendige Tätigkeitspause. Die ununterbrochene a. Z. zwi­ gen gilt dem betriebl. Gesundheits- und Unfallschutz die schen 2 Arbeitsschichten sollte 11—12 Stunden betragen. besondere Aufmerksamkeit des Gesetzgebers. Am 1.12. Ausnahmen und Sonderregelungen bestehen z. B. im 1974 trat das Arbeitssicherheitsgesetz in Kraft. Gaststättengewerbe, Verkehrswesen und in Krankenhäu­ Arbeitspsychologie, Zweig der angewandten Psy­ sern. chologie, untersucht die Wechselbeziehungen zwischen Arbeitshygiene, früher Gewerbehygiene, Teil­ Arbeit und psych. Momenten. Hauptaspekte sind Perso­ gebiet der -»Arbeitsmedizin. Sie befaßt sich bes. mit der nalauslese (Eignung), Arbeitsanalyse (einschließlich Ar­ Gefährdung durch Staub, Gas, Dampf, Nebel, Rauch, beitsbedingung, Arbeitsmotorik u. a.), Arbeits- und Ar­ Strahlen und Lärm in Industrie und gewerbl. Betrieben beitsplatzgestaltung, Arbeitszeit- und Pausengestaltung sowie den hiergegen erforderl. vorbeugenden medizin. Arbeitsplatz: 1—3 falscher Sitz: 1 Sitz zu niedrig; 2 Sitz zu und techn. Maßnahmen. hoch; 3 Rückenlehne zu hoch. 4 richtiger Sitz: die RükArbeitsmedizin, Teilgebiet der Medizin, das sich mit kenlehne stützt die Wirbelsäule in der Mitte und läßt die Schulterblätter frei der Wechselbeziehung zwischen Arbeit und Gesundheit 39

1

2

3

4

Arbeitsplatz

Arbe (Monotonie, Ermüdung), Arbeitssicherheit, persönl. Motivation und Einstellung zur Arbeit.

Erkältung, Grippe

'

24%

Rheuma, Gelenke, Band­ 17% schei ben u.a. Unfälle

13% Magen, Darm

Arbeitsunfähigkeit: häufigste Ursachen in % (1980)

Arbeitsruhe, Zeitraum, in dem ein Beschäftigter nicht in der Lage ist, Arbeit zu verrichten. Die A. ist uneingeschränkt geboten bei schwerer Erkrankung. Zusätzlich unterscheidet man eine fakultative A. (d. h. den Möglich­ keiten entsprechende), wenn nach ärztl. Ansicht eine Wei­ terarbeit nicht sinnvoll ist, oder eine prophylakt. A. (vor­ beugende), z. B. bei kleineren Verletzungen, die durch Ar­ beit verschlimmert werden könnten. Die soziale A. ist bei schwerwiegenden Veränderungen im sozialen Umfeld des Arbeitnehmers angezeigt. Arbeitsschutz, die Summe aller Maßnahmen, die zum Schutz der Arbeitnehmer im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis zu treffen sind. Durch A. soll Ar­ beitssicherheit erreicht werden. Dazu gehören: die Verhü­ tung von Arbeitsunfällen und -» Berufskrankheiten sowie von sonstigen arbeitsbedingten Erkrankungen und Ver­ schleißschäden, die Anwendung von —■ Körperschutzmitteln, die Sicherung der Arbeitszufriedenheit, der Schutz des sittl. Empfindens, die Sicherung von Freizeit und auch die Gewährleistung einer menschenwürdigen Unterkunft im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis. Arbeitssucht, psych. Störung, gekennzeichnet durch die zwanghafte Fehleinstellung zu Eigenschaften wie Fleiß, Zielstrebigkeit, Einsatz in der Gemeinschaft und Opferbereitschaft mit der Folge von Verhaltensstörun­ gen. Die Gedanken des Arbeitssüchtigen kreisen wie bei anderen Süchtigen unter Vernachlässigung sonstiger In­ teressen, auch gegenüber der Familie, vorwiegend bis aus­ schließlich um Arbeit. Die Folgen reichen von nicht einge­ standenen Schuldgefühlen bis zu (meist in Abrede gestell­ ten) Erschöpfungszuständen. Unter Verlust der Selbst­ kontrolle kann es zu Zwangshandlungen kommen, bis der Süchtige in Selbstmitleid und im Gefühl der Machtlosig­ keit gegenüber dem eigenen Zwangsverhalten zum Kran­ ken wird. Psychosomat. Auswirkungen auf verschiedene Organsysteme (Herz, Magen, Darm) sind häufig. Die kor­ rekte Diagnosenstellung ist nur durch einen psychothera­ peutisch geschulten Arzt möglich. Behandlung durch -» Psychotherapie. Arbeitstherapie, die Anleitung zu dosierter geistiger oder körperl. Arbeit aus therapeut. Zielsetzungen, im Un­ terschied zur -»Beschäftigungstherapie. Im Rahmen ei­ nes den Möglichkeiten des Patienten angepaßten Behand­ lungsplans wird eine -»Rehabilitation erstrebt, die auch zu berufl. Umschulung beitragen kann. Die A. hat sich bei Zuckerkranken, bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, nach abgeheilter Tuberkulose und rheumat. Krankheiten be­

Kopf ohne

7-7H 29%

11 %

Brustkorb, Schultern

Unterarm, Handgelenk

Bauch

Hüfte, Oberschenkel

Kniegelenk, Unterschenkel

Gewerbliche Berufsgenossenschaften

Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaften

Eigenunfallversicherung, private Unfallversicherung

40

Arbeitsunfall: Durch A. verletzte Körperteile (seit 1974 nahezu unverändert)

währt. Sie ist auch Bestandteil der Behandlung in Nerven­ kliniken (psychiatr. Anstalten) und als Teil der >aktiven Krankenbehandlungent zu bewerten. Sie wird durchge­ führt in Werkstätten, aber auch unter entsprechender Aufsicht in der Haus- und Landwirtschaft. Durch Anpas­ sung an geeignete Gruppen will man den Kranken wieder in den ihm gemäßen »sozialen Räumt zurückführen. Die A. wird von Fachkräften durchgeführt, die als -» Beschäftigungs- und Arbeitstherapeuten ausgebildet sind. Arbeitsumgebung, der räuml. Bereich um den -»Arbeitsplatz. Er soll richtig klimatisiert, gut be- und entlüftet, gut belichtet und beleuchtet (-»Beleuchtung), schallgedämpft (-»Lärm, -»Lärmschutz), erschütterungs- und zugluftfrei, bodenisoliert und rutschfest, feu­ ersicher, ausreichend groß und in seiner Ausgestaltung ansprechend sein (-»Unfallverhütung). Die Erfüllung dieser Forderungen richtet sich im einzelnen nach der Art der Arbeit und des Arbeitsplatzes. Arbeitsunfähigkeit im Sinn der Krankenversiche­ rung liegt dann vor, wenn der Erkrankte nicht mehr oder nur unter der Gefahr, seinen Zustand zu verschlechtern, fähig ist, seiner bisher ausgeübten Erwerbstätigkeit nach­ zugehen. Sie ist die Voraussetzung zur Zahlung von Kran­ kengeld und muß von einem Arzt bescheinigt sein. Die Ur­ sachen der A. sind sehr verschieden. A. ist zu unterschei­ den von -»Erwerbsunfähigkeit. Arbeitsunfall, in der gesetzt. Unfallversicherung ein bei der -»Berufsgenossenschaft meldepflichtiger Unfall, den ein Versicherter während einer versicherten Tätigkeit erleidet, sei es im Unternehmen selbst oder auf Dienst­ fahrten, auswärtigen Beschäftigungen o. ä. (§§ 548—550 RVO). Wie ein A. wird auch der Unfall eines Kleinkinds beim Besuch des Kindergartens, auch von Schülern und Studenten beim Besuch von Schulen oder Hochschulen (Schulunfälle) behandelt. Als A. gilt ferner ein Wegeunfall, den ein Versicherter auf dem Weg von und zur Arbeit oder versicherten Tätig­ keit (z. B. Schule) erleidet. Dieser Weg beginnt und endet im allgemeinen an der Außenhaustür der Wohnung des Versicherten; nicht notwendige Umwege und Unterbre­ chungen des Weges heben den Versicherungsschutz i. d. R. auf. Dem A. ist in der Unfallversicherung das Auf­ treten bestimmter Berufskrankheiten gleichgestellt (§ 551 RVO). Mit zunehmender betriebsärztl. Betreuung ist ein Sinken der A.-Quote zu verzeichnen. Arbeitsunlust, in medizin. Sicht Folge eines zeitweise verminderten körperl. oder geistigen Leistungsvermö­ gens trotz vorhandenen Leistungswillens; sie ist i. d. R. kein Krankheitszeichen. Im Lauf des Tages unterliegen sowohl die reinen Körperkräfte wie auch die seel. Auf­ merksamkeit, das Auswahlvermögen, die Kritik, die Aus­ dauer und andere Voraussetzungen einer produktiven Leistung bestimmten Schwankungen. Die geistige Leistungsfähigkeit ist gewöhnlich in den Vormittagsstunden am höchsten. Sie sinkt mittags ab, um dann am späteren Nachmittag wieder einen Gipfel zu er­ reichen. Bei einigen Menschen liegt ein 3. Leistungsgipfel in den späten Nachtstunden. Wenn man entgegen dieser Periodik zu einer Arbeit bei ungeeigneter Tageszeit ge­ zwungen ist, so ist A. zu erwarten. Während Erwachsene ein solches normales Absinken der Leistungsfähigkeit vielfach durch Anspannung des Willens und der Konzen­ tration überwinden können, ist die A. bei Kindern ein Zei­ chen, das bes. beachtet werden muß. Wenn Kinder in der Schule oder bei entsprechenden häusl. Arbeiten auch zu günstigen Tageszeiten Unlust zeigen, so besteht der Ver­ dacht auf eine krankhafte Ursache. Ärztl. Rat ist einzu­ holen. Arbeitszeit. Die regelmäßige tägliche A. sollte 8 Stun­ den nicht überschreiten. Im einzelnen unterliegt sie tarifvertragl. Regelung, wobei eine Verlängerung bis zu einer Höchst-A. von 9-10 Stunden zugelassen ist. Gesetzl. Re­ gelungen einer A.-Verkürzung werden seit längerer Zeit diskutiert. (-► Leistungsbereitschaft) Arbo(r)-Viren, kurz für engl. Arthropod borne Viruses ['cuOrapöd ba:n v'airasiz], Gruppe von etwa 180 kleinen Virusarten, die bei warmblütigen Wirbeltieren

Arom und beim Menschen schwere, meist trop. Krankheiten hervorrufen und von Insekten übertragen werden. Zur Krankheitsgruppe der A.-V. gehören das -»Gelbfieber, die in SO-Europa immer häufiger werdende, von Zecken übertragene Gehirnentzündung (Zeckenenzephalitis), das -»Denguefieber, Pappataci- und Riftalfieber. Schlüsselbein Schulterhöhe

Schulter­ gelenk

— Rabenschnobelfortsatz Schulter­ blatt —

•
dem ist etwas über die Leber gelaufen«, >die Galle steigt ei­ nem hoch< u. a. Schon die Arzte der Antike wußten um diese Zusammenhänge und sprachen von Melancholie (grch. >SchwarzgalligkeitUrtypuskollektiven Unbewußtem enthaltenen, vererbten urtüml. Wahrnehmungs- und Handlungsbereitschaften, die in Symbolgestalt im -»Traum das engere Bewußtsein des Menschen über allgemein Menschliches (Geburt, Tod, Verhältnis der Geschlechter, Wandlung, Krankheit) «belehren« und ihn zu einem Bemühen um weiteres Verste­ hen aufrufen können.

Armbruch, -â–º Speichenbruch.

Armguß, -»Güsse. Arnika, Arnica montana, zu den Korbblütern (Compositae) gehörende, bis 50 cm hohe Pflanze in gemä­ ßigten Klimazonen. Die im Juni/Juli gesammelten, ge­ trockneten Blüten enthalten ein äther. 01; hauptsächlich äußerl. Verwendung als Tinktur (Tinctura Arnicae), ein gebräuchl. Hausmittel zur Behandlung entzündl. Schwel­ lungen. Weitere Anwendung: Heilpflanzen, Übersicht.

Aromastoffe, flüchtige Substanzen, die z. B. das unverwechselbare Aroma eines Lebensmittels bestim­ men. In vielen Lebensmitteln konnten über 100 A. nach­ gewiesen werden, die meisten sind nur in Spuren vorhan­ Arcus senilis, der -► Greisenbogen. den. Man unterscheidet zwischen natürlichen A., synthe­ Ardenne, Manfred Baron von, Physiker, * Hamburg tischen A. (künstlich gewonnen und den natürl. A. in 1907, seit 1955 Leiter des Forschungsinstituts >M. v. A.< ihrem Aufbau chemisch gleich) und künstlichen A. (eben­ und Prof, in Dresden; machte zahlreiche Erfindungen in falls synthetisiert, aber in der Natur unbekannte Verbin­ Funk- und Fernsehtechnik und Elektronenoptik; seit dungen). Für Genußwert und Bekömmlichkeit der Nah­ 1940 Arbeiten zur angewandten Kernphysik, seit 1965 rung sind die A. von großer Bedeutung, auch wenn die Forschungen zur Krebsbehandlung und Zellregeneration Wirkungsweise z. T. noch kaum bekannt ist. In einer voll­ wertigen Kost sollen die Lebensmittel möglichst den un­ (kombinierte und -* Sauerstoffmehrschritt-Therapie). verminderten Gehalt an natürlichen A. besitzen, zumal A|reflexie, das Fehlen der -► Reflexe. synthetische und künstliche A. diesen Gehalt in seiner Ärger, Stimmung des Mißmuts und der Verdrossen­ physiolog. Auswirkung im allgemeinen nicht ersetzen. heit bis zur Verbitterung, bes. als Reaktion auf als unge­ (-»Geschmack, -»Geruch) recht oder unangebracht empfundene persönl. Beein­ aromatische Amine, in der chem. Industrie, v. a. bei trächtigung, z. B. durch Beleidigung oder äußere Wider­ der Farbstoffsynthese entstehende Verbindungen wie stände. Die Bereitschaft zum Ä. hängt ab vom Charakter Benzidin, 4-Aminodiphenyl und ß-Naphthylamin. Durch und Temperament der Einzelpersönlichkeit. Die Höhe ei­ die Haut, aber auch in Dampf- oder Staubform über die ner entsprechenden Reizschwelle ist bestimmt von der je­ Atemwege aufgenommen, können sie durch lange Ver­ weiligen körperl. und seel. Verfassung; bei Übermüdung, weildauer, z. T. über chem. Umbau, im Bereich der Harn­ Erschöpfung und bes. bei verschiedenen Krankheiten wege Schleimhaut Veränderungen, auch Krebs verursa­ (Hochdruckkrankheit, fortgeschrittener Arterioskle­ chen. Diese Krankheiten sind -»Berufskrankheiten. In rose, psych. Störungen, vorwiegend auch im höheren Al­ der Industrie werden krebserzeugende Amine nur noch ter) ist sie herabgesetzt. selten verwendet. (-► Berufskrebse) Nicht selten wird Ä. hintergründig aggressiv mit der aromatische Arzneimittel, Aromatika, Drogen, Umwelt, und dann meist mit dem Schwächeren, z. B. in­ die natürl. Geruchs- und Geschmacksstoffe, meist äther. nerhalb der abhängigen Familie, >abgerechnet Herzkrankheiten), die sowohl durch Reizbildungs- als auch durch Reizleitungsstörun­ gen hervorgerufen werden kann. Die A. des Herzens ist feststellbar durch Pulskontrolle oder Abhören des Her­ zens und in ihrer genauen Form zu erkennen durch das Elektrokardiogramm. Arrosion, die Zerstörung benachbarter Gewebe (Blut­ gefäße, Knochen) durch geschwürige, eitrige oder mechan. Krankheitsvorgänge (z. B. durch Abnutzung der Knochen-Knorpelsubstanz eines Gelenks bei der -»Ar­ throse). Die A. von Gefäßen kann eine Blutung zur Folge haben, bes. bei Lungentuberkulose, Magengeschwüren, Geschwülsten. Arsen, Halbmetall, ein dem Phosphor und Antimon verwandtes chemisches Element; besonders in Form von Arsenik (Arsentrioxid) ein starkes Gefäß- und Nerven­ gift. Geringe Arsenikdosen setzen die Intensität des Stoffwechsels herab (vermehrter Fettansatz). Arsenik­ haltige Heilquelle: Bad Dürkheimer Max-Quelle. In kleinsten Dosen wirkt A. günstig bei manchen Haut­ leiden; als Gift in der Leiche ist es noch nach 10 Jahren nachweisbar. Arsenikvergiftung, Arsenvergiftung, wird vor­ wiegend durch berufl. Arbeiten mit Arsenverbindungen hervorgerufen, z. B. beim Rösten arsenhaltiger Minera­ lien, Umgang mit arsenhaltigen Farben (Schweinfurter Grün), Verwendung arsenhaltiger Ausgangsstoffe in der ehern., keram. und Glasindustrie; entschädigungspflich­ tige Berufskrankheit. A. trat früher nicht selten durch Einnahme aus Selbstmordabsicht oder als Folge einer Straftat auf. Arsenik ist ein Gefäß- und Nervengift; es kann durch Einatmung oder vom Magen-Darm-Kanal aus aufgenommen werden, seltener durch andere Schleimhäute oder die verletzte Haut. Die akute A. führt zur Reizung der Schleimhäute mit Erbrechen, zu Leib­ schmerzen, Koliken und starken Durchfällen (bei Inhala­ tion von Arsenik Reizung der Atemwege, Bronchitis, Atemnot und Lungenödem), zum Zusammenbruch des Kreislaufs und eventuell zum Tod durch Koma, Atemund Kreislauflähmung. Die tödl. Dosis beträgt 0,1-0,3 g; chronische A. hat-»Polyneuritis mit Lähmungen, Braun­ färbung (Arsenmelanose) und Verhornung der Haut, Ar­ senekzem, Ätzgeschwüre und u. U. Haut- oder Leber­ krebs (Arsenkrebs) zur Folge. Erste Hilfe: Erbrechen auslösen, Abführmittel (Na­ triumsulfat), medizin. Kohle oder ein Gemisch aus 2 Tei­

Arteriographie: oben A. des Schädels; rechts A. der Oberschenkelarterie (nach Hochrein/Schleicher) 42

len medizin. Kohle und einem Teil Magnesiumoxid ein­ nehmen lassen. Sofort Arzt rufen! Arsenpräparate, Arsenverbindungen als Arzneimit­ tel; A. werden heute wegen giftiger und krebserregender Wirkung im allgemeinen nicht mehr verwendet. Aus­ nahme: z. B. Arsenikeinlagen (Arsenpellets) zur Verät­ zung (Abtötung) des Zahnmarks bei Zahnwurzelbehand­ lungen. A. wurden früher zur Wundreinigung, gegen Krätze, Asthma, Syphilis, Ungeziefer u. a. gebraucht. Ihre Ein­ führung in die therapeut. Praxis geht auf T. Fowler (* 1736, 11801) zurück, der kleine Dosen innerlich als Stärkungsmittel und gegen Fieber anwendete. Artefakt das, Kunstprodukt. 1) künstl. Veränderung, z. B. an mikroskop. Schnittpräparaten, Röntgenbildern. 2) Körperveränderung, die in einer selbst beigebrachten Verletzung besteht oder diese vortäuscht; dazu gehören auch vorgetäuschte Funktionsstörungen (z. B. Hinken); krankhaft bei Psychopathen. Arteri|en, die -»Schlagadern. Arteri|en|entzündung, Arteriitis, Erkrankung der Schlagadern mit unterschiedl. Ursachen. 1) akute A., bei der Bakterien von der Umgebung (-» Bindegewebsent­ zündung) oder von innen (infizierte Embolie bei -► Blut­ vergiftung) auf die Arterienwand übergreifen; 2) A. bei Infektionskrankheiten (z. B. Typhus, Tuberkulose, Sy­ philis u. a.); 3) A. mit sicher oder wahrscheinlich allerg. Ursache, z. B. -»Periarteriitis nodosa, -»Riesenzellarte­ riitis, Thrombangiitis obliterans (bei Zigarettenrau­ chern), rheumat. A.; 4) A. bei Systemerkrankungen, z. B. den -»Kollagenosen. A. geht i. d. R. mit einer Verdickung der inneren Ge­ fäßauskleidung (Intima) und mit der Bildung von Blutge­ rinnseln (Thromben) einher, die je nach Lage der A. häu­ fig schwere und schwerste Durchblutungsstörungen des Gehirns, der Augen, des Herzens, der Nieren, des Darms, der Beine oder (seltener) der Arme oder anderer Körper­ teile bewirken. Bei einer Zerstörung der mittleren Gefäß­ wandschicht kann z. B. ein -» Aneurysma bei der Periarte­ riitis nodosa und bei der Mesaortitis syphilitica (eine Ma­ nifestation der tertiären -»Syphilis) entstehen; die Aneu­ rysmen können zerreißen und zur Quelle von bedroh­ lichen Blutungen werden. Das Narbenstadium der A., wie z. B. bei der -► Buergerschen Krankheit, kann der -»Arteriosklerose weitgehend gleichen. Ob beide eine Krankheitseinheit bilden oder ob es sich um das End­ stadium ursächlich unterschiedl. Krankheiten handelt, ist umstritten. Arteri |en| naht, Naht einer defekten Schlagader, meist in künstl. -»Blutleere unter Verwendung dünner, sehr reißfester Kunststoffäden ausgeführt. Seit Einfüh­ rung der -»Mikrochirurgie können auch feine Schlag­ adern, z. B. an der Hand, genäht werden. Arteri|enverkalkung, die -»Arteriosklerose. Arteriitis, die -»Arterienentzündung. A. temporalis, die -»Riesenzellenarteriitis. Arteriographie, Darstellung der Körperschlagadern und ihrer Versorgungsgebiete im Röntgenbild nach direk­ ter Punktion des gewünschten Gefäßes (direkte A.) oder Vorschieben eines Katheters durch die Punktionskanüle in die darzustellende Region (indirekte A.) mit anschlie­ ßender Einspritzung eines jodhaltigen, wasserlösl. Rönt­ genkontrastmittels. Mit der A. können Gefäßverände­ rungen, Mißbildungen, Durchblutungsstörungen und Geschwülste nachgewiesen werden, mittels der Angiokardiographie gelingt die Kontrastdarstellung der Herzhöh­ len mit ihren Zu- und Abflußbahnen. Nach Einführen ei­ nes Katheters in die Beinschlagader in der Leistenbeuge und Einbringen eines Kontrastmittels ist auch die Körper­ hauptschlagader gut darstellbar (Aortographie). Wichtig ist eine der Blutströmungsgeschwindigkeit angepaßte, ra­ sche Aufzeichnung der Gefäße mittels Filmwechsler, Röntgenkinematographie oder Magnetband über Bild­ verstärkerfernsehkette . (-»Angiographie) Arteriosklerose, Atherosklerose, Atheroma­ tose, Arteri|enverkalkung, chron. Erkrankung, die

schon im 2. oder 3. Lebensjahrzehnt einsetzen kann und

Arte meist im 6. und 7. Lebensjahrzehnt ihr Maximum er­ werden von dem die Lichtung der Arterie durchströmen­ reicht . Frauen erkranken seltener und später als Männer, den Blut her ernährt, Teile des Blutserums sickern durch jedoch gleichen sich nach der Menopause die Unter­ die Gefäßwand hindurch. Aufrechterhalten wird die Strö­ schiede im Verlauf von etwa 10 Jahren aus. Es bilden sich mung innerhalb der kapillarfreien -»Transitstrecke von herdförmig polsterartige, faserreiche Verdickungen den Kräften des Blutdrucks. Größere, nicht durchtritts(Sklerosen) der Gefäßinnenhaut (Arterienintima), bevor­ (diffusions-)fähige Moleküle des Bluts werden von den zugt in der Bauchaorta, in den Arterien des Beckens, der die innere Oberfläche der Arterien auskleidenden Endo­ Oberschenkel, der Kniekehle, in der gabelförmigen Ver­ thelzellen zurückgehalten. Nach einer Schädigung der zweigung der Halsarterie, in den Kranzarterien des Her­ Endothelien, z. B. durch Nikotin, oder bei der -► Hoch­ zens (-»Koronarsklerose) und an den Arterien des Ge­ druckkrankheit, gelangt jedoch so viel mit großen, nicht hirns (-► Zerebralsklerose). Weniger häufig und stark sind transportfähigen Molekülen angereicherte Blutflüssig­ die Arterien des Schultergürtels, der Arme, der Unter­ keit in die innere Gefäßauskleidung (Intima), daß sie in schenkel, die Darm- und Nierenarterien betroffen. Wenn entsprechender Zeit nicht abtransportiert werden kann. die Polster dicker werden, verengen sie die Lichtung der Es bildet sich eine >PfützeRaucherbeinArterienverkalkungKraftlosigkeitWe-►Psychasthenie. Astheniker, schmalwüchsiger (leptoso­ senskräfte< (z. B. Mars = Antrieb, Energie, Wille; Venus mer) Mensch von zarter Konstitution (-»Körperbau­ = Sympathiegefühl, Liebe, Harmonie). 2) der Tierkreis typen). oder Zodiak, die Zone der Ekliptik, durch die sich diese Himmelskörper bewegen, mit ihren 12, je 30 Zeichen um­ A|sthenopie, die -»Augenschwäche. 50

Atem fassenden Sternbildern. Die bekannten Tierkreiszeichen: Widder, Stier, Zwillinge u. a. werden in der A. aufgefaßt als Gestalttypen, die den 4 Elementen Feuer, Wasser, Erde, Luft zugeordnet sind. Durch sie erhalten >Wesenskräfte< die besondere Art ihrer Wirkung (z. B. Mars im ak­ tiven Feuerzeichen; Widder wird als starke, aggressive Energie gedeutet; Venus im selben Zeichen hingegen ver­ liert an Ausgleichsvermögen). 3) die 12 Himmelshäuser (oft kurz >Häuser< genannt), eine Aufteilung des Him­ melsraumes vom Geburtsort aus, wobei dessen Horizont und Meridian Grundlage der Teilung werden. Sie entspre­ chen Lebensgebieten, Interessenrichtungen, in denen die Wesenskräfte sich vorzugsweise auswirken. 4) die Aspekte, d. h. die Winkel, die Sonne, Mond und Plane­ ten, von der Erde aus gesehen, untereinander bilden. Die >guten< und >bösen< Aspekte der alten A. können verstan­ den werden als harmonische (z. B. das Trigon, ein Winkel von 120 Grad) oder als disharmonische im Sinn der Span­ nung (der Gegenschein, die Opposition von 180 Grad) und der Hemmung (das Quadrat von 90 Grad). Durch Aufklärung und Rationalismus wurde der im Symbol. Weltverständnis wurzelnden A. vorgeworfen, Bestandteil des Aberglaubens zu sein, wobei man sich im Kampf gegen die A. auf deren abergläub. Mißbrauch be­ rufen konnte. Gegenwärtig versucht die A., sich von der myth. Belastung des traditionellen Regelwerks freizuma­ chen und sich als Erfahrungswissenschaft (-» Erfahrungs­ heilkunde) neu aufzubauen. Sie distanziert sich von ihren populären Ausformungen (Zeitungshoroskope u. a.), von prognostischen und therapeut. Konsequenzen aus dem Horoskop, der Zukunftsdeutung nach der Stellung der Gestirne in Bezug auf Ort, Tag und Stunde eines Ereig­ nisses; sie versteht sich als interdisziplinäre Grenzwissen­ schaft, die sich auf psychologisch-charakterolog. und psychobiolog. Aspekte unter Heranziehung Statist. Ver­ fahren beruft. Astronautendiät, -»Elementardiät. Astronautik, die -► Raumfahrt. Astrophobie, krankhafte Gewitterfurcht. Astrozytom das, knotenförmige, überwiegend im Schläfen- oder Stirnlappen des Gehirns auftretende, bis apfelgroße Geschwulst, die bes. durch Drucksymptome gefährlich werden kann; deshalb baldmögliche Opera­ tion, da gewisse Tendenz zum bösartigen Wachstum (-►Gliome). ASW, Abk. für außersinnliche Wahrnehmung, -► Pa­ rapsychologie. A|systolie, -*Sekundenherztod. Aszites der, die -► Bauchwassersucht. Ataraktika [grch. ataraktos >ruhigUnordnungErschlaffung—>) und über Luftleitung (x—x) gemessenen Hörschwellen sind bei der als Beispiel eingezeichneten kombinierten Schalleitungs-Schallempfindungsschwerhörigkeit gegenüber dem Normalgehör (Null­ linie) verändert. Es besteht in allen Frequenzen ein verschieden großer, in Dezibel (Lautstärkemaß) angegebener Hörverlust

Es wird ein- oder beidohrig geprüft. Bei Untersuchung nur eines Ohres muß das nicht geprüfte Ohr der Gegen­ seite durch ein variables Maskierungsgeräusch ausge­ schaltet werden. Der Prüfton wird zunächst so leise einge­ stellt, daß der Patient ihn sicher nicht hört. Dann wird der Ton langsam verstärkt, bis der Patient ihn gerade eben hört und einen Kontaktknopf drückt, wodurch am Gerät ein Signallämpchen aufleuchtet. Diese Hörschwelle wird für mehrere, verschieden hohe Prüftöne bestimmt (meist werden C-Oktaven herausgegriffen) und in einem Dia­ gramm nach Frequenz und Intensität eingetragen. So entsteht eine Kurve, das Audiogramm, das einen Überblick über das Tongehör gibt und etwaige Hörverlu­ ste (-* Lärmschwerhörigkeit) oder Hörreste und deren Ausmaß erkennen läßt. Da für das prakt. Leben weniger das Hörvermögen für reine Töne als vielmehr das Sprachverständnis wichtig ist, aus dem Tongehör aber nicht unbedingt das Sprachgehör zu erschließen ist, werden auch Sprach-A. verwendet. Die zu prüfende Sprache (Zahlen, Testwörter, kurze Sätze) ist auf eine Schallplatte oder ein Magnettonband mit defi­ nierter Lautstärke aufgenommen. Aufbrauchkrankheiten, mit vorzeitigem Gewebs­ verschleiß oder verstärktem Verbrauch von lebenswichti­ gen Aufbaustoffen einhergehende Erkrankungen, bei de­ nen bes. die Zellen des Nervensystems, z. B. durch vorzei­ tige Alterung, betroffen sind. Ursachen: chron. Infek­ tionskrankheiten, Blutkrankheiten, bösartige Geschwül­ ste; Folgen: Gewichtsverlust, Nachlassen der allgemeinen Körperkräfte, des Gedächtnisses und der Konzentra­ tionsfähigkeit. A. können je nach der Ursache zu lebensgefährl. Kräfteverfall (-»Kachexie) führen. Auffrisch|impfung, Maßnahme zur Verstärkung der Antikörperbildung (-► Schutzimpfung).

aufgesprungene Hände, aufgesprungene Lippen,

-►Aufspringen der Haut. Aufgüsse, Infusa, frische wässerige Auszüge aus meist zerkleinerten Pflanzenteilen, die mit siedendem Wasser übergossen, 5 Minuten unter wiederholtem Um­ rühren im Wasserbad erhitzt und nach dem Erkalten aus­ gepreßt und durchgeseiht werden. 56

ter dem Einfluß von Träumen. Besonders sensible Kinder schrecken aus tiefem Schlaf auf, sind nicht bei klarem Be­ wußtsein, reden bange vor sich hin und schreien manch­ mal voller Angst, gelegentlich aufrecht im Bett stehend; gehäuft als Anzeichen nervöser Übererregbarkeit oder psych. Störungen. Angstigung und Angst bestimmen nach Auffassung von Kindertherapeuten bes. in neuerer Zeit zunehmend das Verhalten von Kindern und Jugend­ lichen. Mögliche Ursachen sind das Abnehmen der fami­ liären Bindungen, fehlende Geborgenheit der Kinder, Un­ sicherheit in Erziehungsfragen und Mangel an Gefühls­ zuwendung. Kinder fühlen sich verlassen, bes. in der Dun­ kelheit oder bei Gewitter. Fernsehen bringt nicht nur Reiz­ überflutung, sondern konfrontiert gerade abends oft mit erschreckenden Szenen; Angstgefühle werden mit in den Schlaf übernommen. Teils wird vermutet, daß beim Kind auch die Tendenz besteht, das abendl. Beisammensein der Eltern zu stören, etwa auf dem Boden starker Vaterbin­ dung bei Mädchen oder bei Söhnen wegen übermäßiger Mutterbindung. Bei tiefgreifender Störung ist die Unter­ suchung durch einen Psychologen und ärztl. Hilfe durch Psychotherapie angezeigt. Aufspringen der Haut, Folge von großer Fettarmut der Haut; tritt bei empfindl. Haut durch zu häufiges Wa­ schen, bei feuchtkalter Witterung oder durch starke Son­ nenbestrahlung auf; in bestimmten Berufen (z. B. bei Maurern, Tünchern, Ärzten, Zahnärzten) durch scharfe, die Haut reizende Stoffe (Berufsekzem, -»Ekzem) her­ vorgerufen. Bes. die zarte Haut der Lippen und am Nasen­ eingang (Benetzung durch Speichel und Nasensekret) springt leicht auf. Es bilden sich dabei tiefe, leicht blu­ tende Hauteinrisse (-»Schrunden). Behandlung: Man vermeide zu häufiges Waschen mit Wasser und Seife, da hierdurch das normale Hautfett zu stark entfernt wird, und achte auf sorgfältiges Abtrock­ nen. Nach jedem Waschen reibe man die Haut mit einer milden, fett- oder glyzerinhaltigen Hautkreme oder mit Glyzerin ein, die Lippen mit fetthaltiger Lippenpomade. (-* Hautpflege) Aufstoßen, Rülpsen, Ructus, plötzl. Aufsteigen von Luft oder anderen Gasen, zuweilen auch von etwas sauerschmeckendem Mageninhalt aus dem Magen durch die Speiseröhre in den M und. Bei Säuglingen ist nach jeder Mahlzeit darauf zu achten, daß ein A. (>Bäuerchenitv qmfiai» unillu hjiioieir ixanuU nwiiMerseburger Triasc -»Glotz­ zuerst fein und biegsam. Durch das Rasieren werden sie auge, -»Kropf, -► Herzjagen. hart und im Wachstum stark angeregt. Über B. der Frau basenüberschüssige Nahrung, eine Kost, die -► Damenbart. mehr basen- als säurebildende Mineralstoffe enthält. Es Bartholinsche Drüsen [n. dem dän. Anatom C. ist nicht möglich, nur durch einseitige Ernährung mit b. Bartholin, * 1655,1 1738], zwei beiderseits des Scheiden­ N. eine länger andauernde -»Alkalose des Bluts zu erzeu­ vorhofes (-»Geschlechtsorgane), im hinteren Drittel der gen. Die überschüssigen Alkalien werden im Harn rasch großen Schamlippen gelegene Drüsen. Ihr schleimiges ausgeschieden und führen zu einer leicht nachweisbaren Sekret wird bei geschlechtl. Erregung entleert und be­ alkal. Reaktion des Harns. Basenüberschüssig sind Obst feuchtet den Scheideneingang. Die B. D. können bei Ent­ (Ausnahme Preiselbeeren), Gemüse (außer Rosenkohl, zündungen der äußeren Geschlechtsteile mit befallen wer­ Hülsenfrüchte), Gurken, Tomaten, grüne Salate, Zwie­ den (Bartholinitis). Als Folge solcher Entzündung kann beln, Pilze, Milch. In der durchschnittl. >Zivilisationsder Drüsenausführungsgang verkleben. Es kommt dann kost< wird heute im allgemeinen die b. N. zugunsten einer zur Stauung des Sekretes mit Auftreibung der B. D. bis auf -►säureüberschüssigen Nahrung vernachlässigt. Es gibt 75

Bartflechte: Bartpilzflechte

Basilikum

Basi

auch eine bei entzündl. Erkrankungen der Harnwege frü­ spielen die B. jedoch nur dort, wo sie häufiger sind (Ame­ her angewendete spezielle Diät (-»Schaukeldiät), die auf rika, Indonesien), eine polit. Rolle. einer b. N. beruht; sie ist heute durch die AntibiotikaBauch, Abdomen, Teil des Rumpfes zwischen Brust behandlung überholt. und Becken. Man unterscheidet Oberbauchgegend, basiläre Impression, Basilar|impression, knö­ rechte und linke Hypochondrien, Mittelbauchgegend und cherne, flache Einstülpung der äußeren, hinteren Schä­ Unterbauchgegend. Die B.-Muskeln (Modell des Men­ delbasis; meist angeborene Anomalie, die eine Fehlstel­ schen nach S. 400) dienen zum Rumpfbeugen und zum lung des Atlas und damit der Halswirbelsäule zur Folge Ausüben der B.-Presse. Den Inhalt des B. bildet die haben kann; häufig Mitursache des — Schulter-Arm-Syn­ — Bauchhöhle mit ihren Organen. droms. Bauchdecken |abszeß, unter der Haut oder unter Basilikum, Basili|enkraut, Deutscher Pfeffer, der —Faszie gelegener Abszeß, der nach Verletzungen Ocimum basilicum, zu den Lippenblütern (Labiatae) oder Operationen entsteht. Ein B. muß i. d. R. operativ gehörende kleine, krautige Pflanze in den Tropen und behandelt werden. Bauchdecken|erschlaffung, Zustand nach Ver­ in gemäßigten Klimazonen; wärmebedürftiges Gewürz­ kraut. Die zur Blütezeit gesammelten, getrockneten lust der Elastizität des Bindegewebes und der Muskulatur; Bauch: 1 Oberbauchgegend, oberird. Teile enthalten bis zu 1,5*% äther. Öl mit regional vorwiegend Zeichen einer angeborenen Bindegewebs­ 2 Hypochondrien, unterschied!. Wirkstoffzusammensetzung (Verwendung schwäche, die durch mangelnde Bewegung (sitzende Le­ 5 Mittelbauchgegend, innerlich als Tee, äußerlich in Form des Öls). Anwendung bensweise) verschlimmert wird. Durch Verlagerung des ■/Flanken, Körperschwerpunkts besteht bei der B. i. d. R. auch ein 5 Unterbauchgegend, zu Heilzwecken: Heilpflanzen, Übersicht. (Bild S. 75) Hohlkreuz; Hängeleib und Senkung des Beckenbodens 6 Leistengegend, Basisbruch, ein — Schädelbruch. sind die Folge. Im Bauchraum kommt es zu Störung der 7 Schamgegend, basisch, alkalisch, Reaktion eines ehern. Stoffes Verdauungsarbeit (vermehrte Gasansammlung, Stuhl­ 8 Zwerchfell (Grenze zwischen Brust­ mit dem pH-Wert 7—14, —Wasserstoffionenkonzentra- trägheit). raum und Bauchraum) tion. Behandlung: sportl. Tätigkeit, die bes. die Bauch­ Basis] Immunität, die Fähigkeit des Körpers, auf ei­ decken kräftigt, Schwimmen, Radfahren, Rudern; Kon­ nen antigenen Reiz mit einer nicht spezif. Antikörperpro­ trolle des Körpergewichts. Auf regelmäßige Darmentlee­ rung ist zu achten; schlackenreiche Kost. duktion zu reagieren. Bauchdeckenreflex, unwillkürl. Zusammenzie­ Basophile Mz., weiße -»Blutkörperchen (-»Blut­ hung der Bauchmuskeln bei kurzem Bestreichen der bild). Bauchdecke mit einer Nadel. Das Fehlen dieses Reflexes Bastard, umgangssprachlich: nichteheliches Kind, ist nicht immer Zeichen einer Krankheit des Nervensy­ Mischling. Anthropologie: Nachkomme aus Kreuzungen stems; es kann z. B. auch bei Menschen mit allgemeiner von Angehörigen verschiedener Rassenkreise (—Rasse). Bindegewebsschwäche und schlaffer Bauchdecke vor­ Genet. Untersuchungen an B. haben die Annahme wider­ liegen. legt, daß Rasse sich als Ganzes vererbe. Auch die Meinung Bauchdeckenspannung entsteht entweder durch einer generellen Minderwertigkeit des B. hat sich als falsch erwiesen; die früher häufige Herkunft des B. aus Verbin­ Überhandnehmen des Binnendruckes im Bauchraum dungen zwischen Angehörigen der unteren sozialen (Blähungen, Darmverschluß) oder als brettharte —Ab­ k Schichten hat wohl zu diesem falschen Eindruck beigetra­ wehrspannung bei entzündl. Vorgängen in der Bauch­ gen. Die Frage allgemeiner Disharmonie der B. aufGrund höhle, wenn die Bauchwand berührt wird, (—akuter der oft extremen Verschiedenheit der Eltern ist umstrit­ Bauch, —Bauchfellentzündung) Bauchfell, Peritonaeum, Peritoneum, glatte, ten. Infolge ihrer Stellung zwischen den Ausgangsrassen feuchte (seröse) Haut, die die Innenwand der Bauchhöhle Bauchfell: Schemat. Längsschnitt durch den Bauchraum mit der und die Oberfläche der meisten Bauchorgane überkleidet wandständigen (parietalen) und eingeweidewärtigen und aus kollagenen Bindegewebsbündeln mit elast. Faser­ (viszeralen) Bauchfellauskleidung (schwarz). — a Brust­ netzen sowie einem Überzug von platten Epithelzellen be­ höhle, b Leber, c Magen, d große Gekrösetasche (Bursa steht. Das B. bildet einen (bis auf die Mündung der Eileiter omentalis), e Die kdarm,/großes Netz, g Darmschlingen, bei der Frau) in sich geschlossenen Sack, die B.-Höhle. h Gebärmutter, / Blase, k Mastdarm, m Zwölffinger­ darm, n Bauchspeicheldrüse Die in diesen Sack eingesenkten Organe sind durch Dop­ 76

Baue pelblätter (Duplikaturen) des B. (Gekröse) mit der hinte­ ren Bauchwand verbunden. Im Gekröse liegen Nerven und Gefäße der Bauchorgane. Der größte Teil des Darmes ist von einer B.-Duplikatur bedeckt, dem großen Netz. — Das B. besitzt eine große Resorptionskraft (Fähigkeit zum Aufsaugen von Exsudaten, Bakteriengiften, ehern. Stof­ fen). Es reagiert auf Reize leicht mit örtl. Entzündung und ist sehr schmerzempfindlich. (Modell des Menschen nach S. 400) Bauchfellentzündung, Peritonitis, Entzün­ dungsreaktion des Bauchfells mit Ausschwitzen einer gelblich-klebrigen (fibrinhaltigen) Flüssigkeit. B. kann ausgelöst werden durch einen ehern. Reiz (z. B. bei Bauch­ speicheldrüsenentzündung) oder durch Bakterien, am häufigsten durch Darmkeime. Sie ist immer die Kompli­ kation einer anderen Erkrankung, z. B. einer durchgebro­ chenen Blinddarmentzündung. Bei langsamem Fort­ schreiten der Grundkrankheit gelingt es dem Körper meist, mit dem ausgeschwitzten Fibrin Verklebungen zwi­ schen den Bauchorganen zu bilden und damit die B. ört­ lich, d. h. auf einen kleinen Teil der Bauchhöhle, zu be­ grenzen (lokale B.). Gelingt diese Eingrenzung nicht, so wird die ganze Bauchhöhle von der Entzündung erfaßt (diffuse B.). Klin. Zeichen einer lokalen B. sind Krank­ heitsgefühl, meist starke Bauchschmerzen, Unruhe, leichtes bis mäßiges Fieber, Klopfempfindlichkeit, Druckschmerz und Abwehrspannung (reflexartiges Zu­ sammenziehen der Bauchmuskulatur bei Berührung) der betroffenen Bauchregion, Störungen der Darmtätigkeit bis zum -»Darmverschluß. Klin. Zeichen einer diffusen B. sind schwerstes Krankheitsgefühl bis zu Bewußtseins­ störungen, heftigste Bauchschmerzen, Erbrechen, hohes Fieber, kalter Schweiß, schneller Puls, deutlich erniedrig­ ter Blutdruck (Zeichen eines septischen -»Schocks); der Leib ist aufgetrieben, überall berührungsempfindlich, die Darmtätigkeit kommt zum Erliegen. Das Erscheinungs­ bild einer diffusen B. kann im Einzelfall sehr unterschied­ lich sein (-»akuter Bauch). Eine vornehmlich bei Frauen auftretende Form der B. ist die -» Pelveoperitonitis. Die Behandlung besteht in der Beseitigung des Ent­ zündungsherdsund ist damit i. d. R. chirurgisch. — Abzu­ grenzen von einer B. sind Schmerzzustände, die im Bauch­ raum empfunden werden, z. B. Gallen- oder Nierenkoli­ ken, aber auch ausstrahlende Schmerzen bei Herzinfarkt oder Lungenentzündung. Die Heilungsaussicht bei einer lokalen B. ist meist gut, auch wenn es sich hier um eine ern­ ste Erkrankung handelt; bei einer diffusen B. ist auch heute noch die Sterblichkeit sehr hoch. Bauchhoden, -* Leistenhoden. Bauchhöhle, durch das Zwerchfell von der Brust­ höhle getrennter, vom Bauchfell überzogener Hohlraum, der zahlreiche Organe enthält (Baucheingeweide, Modell des Menschen nach S. 400), bei der Frau auch Gebärmutter, Eileiter und Eierstöcke. Bauchhöhlenschwangerschaft, seltene Form der Schwangerschaft außerhalb der Gebärmutter (-»Extra­ uterinschwangerschaft). Bauch|operationen werden vorgenommen, um Or­ gane oder Organteile des Bauchraums wegen Entzündun­ gen, Geschwülsten oder Verletzungsfolgen zu entfernen, zu ersetzen (z. B. durch Gefäßprothesen) oder Blutungen zu stillen. Jede B. hat, wie alle Operationen, peinlich ge­ naue Asepsis zur Voraussetzung, um nicht Krankheits­ keime in die gegen Infektionen bes. empfindl. Bauch­ höhle hineinzutragen. Der Eingriff wird in Narkose, Leitungs- oder Lokalanästhesie vorgenommen, je nach Art der Krankheit, Lebensalter, Zustand von Herz und Kreis­ lauf, Empfindlichkeit und seelischem Zustand des Kranken. Verschiedene Organe, so die Gallenblase, können un­ bedenklich entfernt werden; die Gallenflüssigkeit wird dann durch den Hauptgallengang direkt in den Darm ab­ geschieden. Ebenso ist Entfernung der Milz, der Gebär­ mutter, einer Niere (wenn die andere gesund ist) ohne Nachteile für den Operierten möglich. Auch von der Bauchspeicheldrüse lassen sich ohne schwerwiegende Folgen für den Kranken kleine Teile entfernen. Vom Ma­

gen müssen oftmals große Teile entfernt werden, selbst der ganze Magen kann herausgenommen werden. Auch das Entfernen von Darmteilen ist ohne nachteilige Folgen durchführbar; bisweilen muß dann ein -► Kunstafter an­ gelegt werden. Beim Verlust größerer Darmabschnitte kommt es jedoch häufig zu Verdauungsstörungen. Besondere Gefahren bei Operationen an Organen der Bauchhöhle gehen v. a. vom Krankheitsgeschehen selbst aus (so bei -» Blinddarmentzündung, -» Magengeschwür, Geschwülsten; ferner -»Bauchverletzung). Bauchfell: Einblick in die Bauchhöhle nach teilweiser Entfernung ein­ zelner Darmab­ schnitte und Darstellung der Gekrösewur­ zeln. a Leber, b Gallenblase, c Dickdarm, d Endteil des Dünndarms (terminales Ileum), e Blind­ darm, f Wurm­ fortsatz, g gro­ ßes Netz (hoch­ geklappt), h Zwölffinger­ darm, i Schnitt­ kanten des Ge­ kröses

9

Bauchpresse, das Anspannen der Muskeln des Zwerchfells, der Bauchdecke und des Beckenbodens bei gleichzeitigem tiefen Einatmen mit Verschluß der Stimm­ ritze; damit wird der Druck im Bauchraum erhöht; An­ wendung bei Harn- oder Stuhlentleerung und bes. im letz­ ten Stadium des Geburtsvorgangs. Bauchschmerzen, -► Leibschmerzen. Bauchschnellen, Übung zur Kräftigung der Bauch­ muskulatur: Entspannt auf den Rücken legen und die Füße bei gebeugten Knien aufstellen. Anziehen des Lei­ bes, um ihn gleich darauf möglichst weit herauszuschnel­ len. Nach 15—20 Hin- und Herbewegungen Pause einle­ gen und die Übungen wiederholen. Der Rücken soll wäh­ renddessen unbewegt auf der Unterlage liegenbleiben. Möglichst ruhig und gleichmäßig weiteratmen; man at­ met während 4—6 Bauchbewegungen aus und während 2—4 Bewegungen ein. Atem nicht anhalten oder gepreßt ausstoßen. Das B. steigert die Durchblutung der Bauchorgane, löst venöse Stauungen und Krämpfe und regt die Darmbe­ wegung an, so bei Darmträgheit, Blähsucht, Bauch­ deckenerschlaffung; Anwendung bes. nach Schwanger­ schaft, bei Fettleibigkeit, Zuckerkrankheit, jedoch nicht bei entzündl. Vorgängen im Bauch sowie bei Magen- und Darmgeschwüren. Bauchschnitt, die -» Laparotomie. Schwanz der

Gallenblasen­ gang

Gallengang

Hakenforlsatz der Bauchspeicheldrüse

zusätzlicher Bauchspeichel­ drüsengang

Zwölffingerdarm

Ausführungsgang der Bauchspeicheldrüse

-Papille = Mündung von Gallen- und Bauchspeicheldrüsengang

Bauchspeicheldrüse von vorn gesehen. Zwölffingerdarm und Drüse sind teilweise eröffnet, um das Aus­ führungssystem zu zeigen Bauchspeicheldrüse, Pankreas das, eine 14-18 cm lange, 60—100g schwere, längl. Drüse, mit innerer und 77

Baue Gewalteinwirkung. Man unterscheidet spitze B. (Stich, Schuß) und stumpfe B. (Aufprall, Einklemmung, Druck­ welle bei Explosion). Bei der spitzen B. wird die Bauch­ höhle von außen eröffnet, die (häufige) Verletzung inne­ rer Organe ist abhängig von der betroffenen Bauchregion, Dünndarm (lleum) Richtung und Tiefe des eindringenden Gegenstands; bei Eröffnung des Darms besteht die Gefahr der -► Bauch­ fellentzündung. Bei der stumpfen B. kommt es zu Quet­ schung und Zerreißung innerer Organe; bes. häufig sind Leber- und Milzzerreißung mit starker Blutung in die Bauhinsche Klappe: links Mündung des Dünn­ Bauchhöhle, aber auch Darm- und Blasenquetschung. darms (lleum) in den Dickdarm (Colon); Gelegentlich kommt es zum Einriß des Zwerchfells und rechts der aufgeschnittene Blinddarm (Cae­ Verlagerung von Bauchorganen in die Brusthöhle. Die Er­ Blinddarm Wurmfortsatz cum) mit Wurmfortsatz (Appendix) kennung einer stumpfen B. ist im Ggs. zur spitzen B. oft schwierig, Leitzeichen sind -» akuter Bauch und durch Be­ äußerer Sekretion, die hinter dem Magen, retroperitoneal gleitverletzungen nicht erklärter hoher Blutverlust. Eine (hinter dem Bauchfell) quer vor der Wirbelsäule liegt. Ihr -»Lavage deckt die Blutung in die Bauchhöhle auf. Be­ Ausführungsgang mündet gemeinsam mit dem Gallen­ handlung: sofortiges operatives Vorgehen. gang in den Zwölffingerdarm, in den sie den Bauchspei­ Bauchwassersucht, Aszites der, die krankhafte, chel abgibt (tägl. etwa 11). Dieser enthält Enzyme; sie die­ nen zur Verdauung von Eiweiß (Proteasen), z. B. Trypsin, bisweilen bedeutende Ansammlung von Flüssigkeit in der Aminopeptidasen, die erst im Darm wirksam werden, von Bauchhöhle (10-201 und darüber), frei im Bauchfellsack Fett (Esterasen), z. B. Lipase, Lezithinase, von Kohlenhy­ oder durch Verwachsungen abgesackt. Die B. ist keine draten (Carbohydrasen), z. B. Amylase, Maltase, und selbständige Krankheit, sondern Begleitzeichen, z. B. bei von Nukleinsäuren (Nukleasen). Die Langerhansschen schweren Herzkrankheiten, bei behinderter Blutströ­ Inseln sind rundliche Zellhaufen in der B. Sie bestehen aus mung im Pfortadergebiet (u. a. Zeichen einer fortge­ verschiedenen Zellarten, den Beta-Zellen (B-Zellen), die schrittenen Leberschrumpfung), auch bei Geschwülsten -» Insulin erzeugen, und den Alpha-Zellen (A-Zellen), die im Unterleib, die einen Druck auf die Pfortader ausüben. Die Behandlung richtet sich nach der ursächl. Er­ -» Glucagon liefern. Ein weiteres von der B. erzeugtes En­ krankung. Versuche, ein Aufsaugen des Wassers in der zym ist das -»Kallikrein. Krankheiten. Die akute B.-Entzündung (Pankreati­ Bauchhöhle durch Anregen der Nierentätigkeit herbei­ tis) wird verursacht durch Entzündungen im Bereich der zuführen (Gefahr des Kaliummangels), haben nur vor­ abführenden Gallenwege, durch Steine im abführenden übergehenden Erfolg. Notfalls muß Bauchpunktion Pankreasgangund Virusinfektionen. Krankheitszeichen: (-► Bauchstich) vorgenommen werden. Beim Ablassen zu plötzlich einsetzende heftige Schmerzen im Oberbauch, großer Flüssigkeitsmengen aus der Bauchhöhle besteht bes. links in den Rücken ausstrahlend, Völlegefühl mit Kollapsgefahr. Laufende ärztl. Behandlung ist erforder­ Meteorismus. Behandlung unbedingt im Krankenhaus, lich. Bauhinsche Klappe [n. dem schweizer. Anatom da ernsthafte Komplikationen nicht selten sind. Die chro­ nische B.-Entzündung tritt häufig in Begleitung chron. C. Bauhin, * 1560, t1624], Dickdarmklappe, BlindLeber- oder Magenleiden, nach Magenresektionen oder darmktappe, Schleimhautfalte an der Einmündungs­ nach häufigem Alkoholmißbrauch auf sowie nach akuter stelle des Dünndarms in den Dickdarm, die das Zurück­ B.-Entzündung; sie äußert sich in Völlegefühl bes. nach treten des Darminhalts in den Dünndarm verhindert. Genuß fetter und schwerverdaul. Speisen, mit Blähungen Bauhygi|ene, die Lehre vom Bau gesundheitlich ein­ und oft Schmerzen im linken Oberbauch. Behandlung: wandfreier Wohn- und Arbeitsräume. Über Wohnungs­ Substitution der Pankreasenzyme, ggf. Operation. hygiene -»Wohnung. B.-Geschwülste (Pankreastumoren) werden im allge­ Baunscheidtismus, von dem Stellmacher K. Baun­ meinen erst spät erfaßt, da die B. röntgenologisch nicht gut darstellbar ist. Neue Hoffnungen bringt die Ultra­ scheidt (♦ 1809, f 1874) erfundene Methode, mit der die schalldiagnostik. Es gibt hormonell aktive und hormonell angeblich heilende Wirkung von Mückenstichen nachge­ nicht aktive Geschwülste; zu den ersteren gehören die ahmt werden soll: Mit Hilfe eines Stichlers, des >Lebens-»Inselzelladenome, zu den letzteren der relativ häufige weckerst, werden Hautflächen verletzt, die dann mit ei­ B.-Krebs (Pankreaskarzinom). Im Bereich des B.-Kopfs nem Hautreizmittel eingerieben werden. Im Originalre­ führt er durch Einengung des Gallenganges häufig zu zept enthält es Krotonöl, ein Nierengift, das überdies, wie Gelbsucht, im Körper- und Schwanzbereich der B. macht seit 1941 bekannt, eines der stärksten Kokarzinogene ist. er erst sehr spät Beschwerden. — Störungen der endokri­ Diese gefährliche Methode — Hautinfektionen, Narben nen Funktion der B. sind ferner -» Hyperinsulinismus und und Todesfälle sind beschrieben — wird seit etwa 80 Jah­ ren in der Humanmedizin kaum mehr angewendet; sie ist -» Zuckerkrankheit. Alle Störungen der äußeren Sekretion beeinträchtigen entbehrlich, da der angestrebte Hautreizeffekt durch an­ dere Verfahren erreichbar ist, z. B. durch die Verfahren die Verdauung von Eiweiß, Kohlenhydraten und Fett. der -» Kneippkur. Bauchspiegelung, Laparoskopie, Verfahren zur Bazillen, -»Bakterien. direkten Betrachtung von Leber, Gallenblase, Milz und Bazillenträger, -» Dauerausscheider. Magen mittels eines stabförmigen opt. Instruments (Laparoskop). Es wird nach örtl. Betäubung meist knapp ne­ BCG, Abk. für Bacillus Calmette-Guerin, ein von ben dem Nabel durch die Bauchdecke in die Bauchhöhle A. Calmette (* 1863, f 1933) und C. Gu£rin (* 1872, eingeführt. Zusätzlich zur Beurteilung der Organoberflä­ 11961) entwickelter Impfstoff aus künstlich abge­ che sind auch Gewebsentnahmen und kleine Eingriffe, schwächten, lebenden Tuberkulose-Erregern (Mykobak­ z. B. Eileiterdurchtrennung, möglich. Die B. ist praktisch terien) zum Schutz gegen die Tuberkulose. Er wird i. d. R. schmerzfrei; ein Krankenhausaufenthalt ist meist nicht bei Neugeborenen noch in der Entbindungsanstalt durch erforderlich. einen Impfarzt linksaußen in die Haut (intrakutan) des Bauchstich, das Durchstechen (Punktion) der Oberschenkels eingespritzt. Hiermit erzielt man einen be­ Bauchwand mit einem Stichel (Trokar), um bei -» Bauch­ dingten Schutz gegen Tuberkulose für mehrere Jahre, zu­ mindest für die Kindheit, erkennbar an örtl. Gewebsreak­ wassersucht (Aszites) die Flüssigkeit abzulassen. Bauchverletzung, Bauchtrauma, Verletzung der tion und positiver Tuberkulinprobe (-»Tuberkulin). Bauchhöhle und/oder der Bauchorgane durch äußere Auch ältere Kinder und Erwachsene (z. B. Pflegeperso­ nal) können sich nach entsprechenden Voruntersuchun­ Bauchspiegelung: 1 bei der B. zu übersehende Organe des Bauchraums, gen der Impfung unterziehen. 2 laparoskopischer Normalbefund der Leber, 3 zirrhoBE, Abk. für Broteinheit (-»Zuckerkrankheit). tische Höckerleber, 4 Blick auf geblähte Dünndarm­ schlingen Beatmung, die-»künstliche Atmung.

aufsteigender Dickdarm

Endteil des Dünndarms (lleum)

78

Ränder der Bauhinschen Klappe

Beck Beatmungsgeräte, maschinelle Vorrichtungen zur

Förderung, Unterstützung oder zum Ersatz einer durch Erkrankung geschädigten selbständigen Atemtätigkeit; auch zur Vorbeugung einer Atemstörung.

Beatmungsgeräte: Beatmungsgerät für Wachstation, Intensivstation, Ambulanz oder Notaufnahme

phose der Wirbelsäule an; röntgenologisch ist ein totaler knöcherner Durchbau der Wirbelsäule (BambusstabWirbelsäule) feststellbar. Familiär gehäuftes Auftreten und Bevorzugung des männl. Geschlechts sprechen für eine erbl. Komponente; äußere Einflüsse, z. B. Infektionen, werden als auslö­ sende Faktoren diskutiert. Der Verknöcherungsprozeß ist ursächlich nicht ent­ zündl. Natur; die faßbaren Entzündungsvorgänge laufen neben der eigtl. Krankheit ab und prägen das klinische Bild mit; wichtiges diagnost. Merkmal ist die stark be­ schleunigte Blutsenkungsgeschwindigkeit. Behandlung:™ wesentl. wie bei den anderen Gelenk­ erkrankungen des rheumatischen Formenkreises. Sie sollte möglichst frühzeitig mit wiederholten Badekuren (Überwärmungs- und Thermalbäder zusammen mit Be­ wegungsübungen und Schwimmen im Thermalwasser) er­ folgen. Schmerzbekämpfung durch Rheumamittel wie Phenylbutazon und Cortison. Becken, Pelvis die, i. w. S. Körperteil mit flacher oder trichterförmiger Ausbuchtung, z. B. Nieren-B.; i. e. S. der aus den beiden Hüftbeinen und dem Kreuzbein zu­ sammengesetzte knöcherne Ring, durch den beim auf­ rechtstehenden Menschen die Last des Oberkörpers auf die unteren Gliedmaßen übertragen wird. Das knöcherne B. zeigt bei Mann und Frau verschiedenen Aufbau. Das weibl. B. ist geräumiger, weniger ausladend und nicht so trichterförmig, der durch das Schambein gebildete Schambogenwinkel ist wesentlich weiter, die Knochen­ substanz zarter; diese Besonderheiten dienen den Anfor­ derungen von Schwangerschaft und Geburt (Bild Conju­ gata). Die beiden Hüftbeine sind durch Bänder straff mit dem Kreuzbein verbunden. Vorn treten sie in der knorpli­ gen Schambeinfuge aneinander, die während einer Schwangerschaft durch ein Hormon (Relaxin) gelockert wird. Man unterscheidet das von den Darmbeinschaufeln umgrenzte große B. und das als Geburtskanal wichtige kleine B., dessen Wände von den unteren Darmbein-, Sitzbein- und Schambeinanteilen des Hüftknochens so­ wie dem Kreuz- und Steißbein gebildet werden. In ihm lie­ gen die inneren Geschlechtsorgane, die Blase und der Mastdarm. Es wird nach unten durch eine straffe Muskelund Bindegewebsplatte, den Beckenboden, abgeschlos­ sen. Hier sind Öffnungen für den Mastdarm, die Scheide und die Harnröhre eingelassen. (Weitere Bilder S. 81)

B. führen über eine Maske oder ein Mundstück dem Pa­ tienten sauerstoffreiche, warme und angefeuchtete Atem­ luft zu, auch zusammen mit Medikamenten wie bei der In­ halation. Voraussetzung ist dabei eine genügende Eigen­ atmung. Bei nicht ganz entfalteter oder mangelhaft belüf­ teter Lunge (-»Atelektase) können B. die Lunge übermä­ ßig aufblähen. B. werden bes. bei der Narkose, bei lebensgefährlichen Atemstörungen (respirator. Insuffizienz, Zeichen einer verminderten oder fehlenden Eigenatmung) als wichtige intensiv-medizin. Maßnahme eingesetzt. Voraussetzung ist die -»Intubation, die den direkten Zugang zur Lunge ermöglicht. Die verschiedenen Geräte werden unter Be­ rücksichtigung eines ausreichenden Atemvolumens mit Hilfe der Beatmungsdrucksteuerung angewendet. Sie dürfen nur von Fachpersonal unter Kontrolle der Blutgas­ werte bedient werden. B. gehören zu den Hilfsgeräten al­ ler Notfalldienste und werden bei Sauerstoffmangel (an Brandstellen, Caissonkrankheit u. a.) für Rettungs­ Beckenbruch, Bruch im Bereich einzelner Becken­ zwecke eingesetzt. Über B. im Bereich der Arbeitsmedizin knochen, meist durch direkte unmittelbare Gewalteinwir­ -►Atemschutzgeräte. kung; beim Beckenringbruch infolge schräg (mittelbar) Beatmungs|inhalation, die -»assistierte Beat­ einwirkender Gewalt brechen auch die gegenüberliegen­ mung. den Beckenknochen. Erste Hilfe: Einschnüren des Beckens durch ein Lein­ Becherprimel, -»Schlüsselblume. oder Handtuch. Beckenringbrüche können verbunden Becherstrauch, Dorniger B., Sarcopoterium sein mit Zerreißungen innerer Organe, so daß sofortige spinosum, zu den Rosengewächsen (Rosaceae) gehö­ operative Eingriffe notwendig werden, Lebensgefahr! render, bis 60 cm hoher Kleinstrauch im Mittelmeergebiet Auch die Sprengung des Beckens durch Zerreißen der auf trockenen Böden. Die Wurzelrinde enthält Stoffe mit Schambeinfuge kann mit inneren Verletzungen einherge­ blutzuckersenkender und adstringierender (-»zusam­ hen. — Die Behandlung des B. ist bes. langwierig. menziehende Mittel) Wirkung. Anwendung: Heilpflan­ Becken | endlage, Lage des Kindes, bei der nicht der zen, Übersicht. Kopf, sondern der Steiß und/oder die unteren Gliedma­ Bechterewsche Krankheit [n. dem russ. Neurolo­ ßen zuerst geboren werden (etwa 3% aller Geburten). Je gen W. Bechterew, * 1857,11927], Morbus Strümpell- nach dem Körperteil, der zuerst sichtbar wird, unterschei­ Marie-Bechterew, Spondyl arthritis ankylopoedet man Steiß-, Steißfuß-, Fuß- oder Knielage (Bild Getica, Allgemeinerkrankung aus dem rheumat. Formen­ kreis mit vorzugsweisem Befall des Stammskeletts. Cha­ Becken: links weibl. B. mit den einzelnen Knochenteilen, rakteristisch ist im späteren Verlauf die zunehmende Ver­ rechts das wesentlich schmalere männl. Becken steifung der Wirbelsäule, vom Kreuzbeinbereich begin­ Hüftbein Verbindung zwischen Kreuznend und nach oben fortschreitend, durch Knochenbrükund Darmbein kenbiidung zwischen den einzelnen Wirbeln (Längsbandverknöcherung) und durch Verknöcherung der Zwischen­ Darmbein mit wirbel- und der Wirbel-Rippen-Gelenke. Häufig treten Darmbein­ als erste Anzeichen uncharakterist. Gelenkbeschwerden schaufel an den unteren Extremitäten, bes. am Kniegelenk, auf. Pfanne des Beginn der Krankheit: meistens zwischen dem 20. und Hüftgelenks oberer Darmbeindorn 30. Lebensjahr, Männer werden etwa 6mal häufiger be­ fallen als Frauen. Frühe Anzeichen: häufig -► Monarthri­ Steißbein Sitzbeinstachel tis im Bereich der unteren Gliedmaßen, nächtl. Kreuz­ Sitzbein mit Sitzbeinhöcker schmerz, in die Oberschenkel ausstrahlend; später schlie­ sogenanntes Schambein ßen sich eine Versteifung und (bisweilen starke) -»Ky­ verstopftes Loch 79

Bechterewsche Krankheit: Bambusstab-Wirbelsäule

Bechterewsche Krankheit

Beei junge Blastocyste 2__ _ (4 -[-agj

Regeln der ärztlichen Kunst< (daher auch Kunstfehler). Ein B., durch Fahrlässigkeit oder Vor­ satz verursacht, begründet aus dem Behandlungsvertrag (-•Arzt) zivilrechtl. Ansprüche auf Schadensersatz und ggf. Schmerzensgeld gegen den, der ihn begangen hat. Ist dieser als Erfüllungsgehilfe eines Dritten tätig geworden

Behi (etwa als Arzt im Krankenhaus), so richten sich die An­ dings zur Zeit z. T. noch gehindert, Vorwürfe gegen öfsprüche gegen diesen Dritten, also den Krankenhausträ­ fentlich-rechtl. Krankenanstalten zu untersuchen. ger. Unabhängig von dieser Haftung aus Vertrag kann ein Ein Verzeichnis der Gutachterkommissionen und Anspruch aus unerlaubter Handlung gemäß §§ 823 ff. Schlichtungsstellen ist bei der zuständigen Ärztekammer BGB in Betracht kommen. Sind zugleich strafrechtl. Tat­ zu erfragen. bestände erfüllt (Körperverletzung oder Tod des Patien­ Behandlungspflicht, -»Arzt. ten als Folge des B.), so kann der Arzt oder Zahnarzt zu­ Behaviorismus [bih'eivja-, engl. behaviour >Versätzlich bestraft werden. Ursächlichkeit und Fahrlässig­ keit können dabei im Zivilverfahren und Strafverfahren haltenmentalistischen Begriffe* wie Bewußtsein, Empfindung missionen oder Schlichtungsstellen eingerichtet, in denen und Seele werden deshalb ausgeschlossen. An ihre Stelle Beschwerden von Patienten oder deren Angehörigen auf tritt die Erforschung kleinster Verhaltenseinheiten unter Antrag durch Sachverständige untersucht werden. Ein Laboratoriumsbedingungen in enger Anlehnung an die hier erstelltes außergerichtl. Gutachten über den Zusam­ Lehren von I. P. -» Pawlow. Der Neo-B. ging über dieses menhang eines Gesundheitsschadens mit einer ärztl. Be­ engephysiolog. Reflexschema des Verhaltens hinaus. Kri­ handlung kann dann Grundlage für die Geltendmachung tik (>Psychologie ohne Seele Holzbein*. gelung der finanziellen Beziehungen nach Art und Höhe Behinderte, Personen, die geistig, seelisch oder kör­ zwischen Versicherern und Geschädigten; sie sind allerperlich behindert sind, d. h. die entweder an einer angebo­ renen Mißbildung leiden oder durch Krankheit, Milieu­ einflüsse, Kriegsfolgen, Unfall oder Berufskrankheit ei­ Behinderte: oben Behinder­ nen bleibenden körperl. oder geistigen Schaden erlitten tentelephon; haben. B. genießen den besonderen Schutz der Gesell­ unten Telephon­ schaft (Staat, Kommunen, karitative Organisationen). zelle für Roll­ Der Probleme der B. haben sich auch europ. und interna­ stuhlfahrer tionale Organisationen angenommen, u. a. die Europ. (weitere Bilder Gemeinschaft, der Europarat und die Vereinten Natio­ Blindenwesen, Hörapparat) nen. Diese haben das Jahr 1981 zum internationalen Jahr der B.< proklamiert. Formen der Behinderung. Im allgemeinen werden unterschieden: Blindheit und Sehbehinderung, geistige Behinderung, Körperbehinderung, Lernbehinderung, Sprachbehinderung, Taubblindheit, Gehörlosigkeit und Gehörbehinderung sowie psychodynamische Behinde­ rung (Verhaltensstörung). Mehrfachbehinderungen sind häufig. Blindheit und Sehbehinderung. Nach § 24 Abs. 2 Bun­ dessozialhilfegesetz (Abk. BSHG) gilt als blind auch, wes­ sen Sehschärfe auf dem bessersehenden Auge nicht mehr als 1 /so beträgt. Größere Stärke der Sehkraft (ohne jedoch volles Sehvermögen zu haben) gilt als Sehbehinderung und wird z. T. oder in geringerem finanziellen Umfang der -»■Blindheit gleichgestellt. Für Blinde und Seh-B. sind Spezialschulen notwendig. Geistige Behinderung ist bei einem Intelligenzquotient (-»Intelligenz) von etwa 30—60 gegeben. Da hierbei die anschaulich-vollziehende, prakt. Lern weise gegenüber der unanschaulich-begriffl., theoretischen stark über­ wiegt, sind Kinder zwar noch praktisch bildbar, können aber eine Sonderschule für Lern-B. nicht mehr mit ausrei­ chendem Erfolg besuchen. Wichtig sind Maßnahmen der Früherfassung und die Betreuung in Sonderkindergärten, Sonderschulen fürgeistigB., beschützenden Werkstätten sowie Heimen und Wohnheimen für Jugendliche und Er­ wachsene. Erwachsene sind nur in beschützenden Werk­ stätten einem geordneten Arbeitsleben zuzuführen. Körperbehinderung. Hierunter fallen alle durch ange­ borene Schäden und Mißbildungen, Krankheiten, Kriegs­ folgen oder Unfall verursachten körperl. Beeinträchti­ gungen. Je nach Art und Ursache der Behinderung kön­ nen Leistungen der Sozialversicherung (Unfall-, Renten­ versicherung, ggf. auch Krankenversicherung) oder der Kriegsopferversorgung in Anspruch genommen werden. Im übrigen enthält das BSHG Sonderbestimmungen für Körper-B. (§§ 39 ff). Für die Eingliederung in das AlltagsBecken: a normales männl. B. (Kartenherzbecken), b normales weibl. B., c und d häufigste Fehlformen des weibl. B. (können Geburtshindernisse sein), c plattes B., d querverengtes B. AB 6 : :

81

Behinderte: Offizielles Emblem für das Internationale Jahr der Behinderten (1981)

b

Behi

Behinderte: Badewanne mit Hebevorrichtung für Bewegungsbehinderte

und Arbeitsleben stehen diesen B. zahlreiche techn. Ge­ räte zur Verfügung. Lernbehinderung ist eine intellektuelle Minderbega­ bung um >/6 bis 2/6 im Vergleich zur Normalbevölkerung (IQ = 60—65 bis 80—85; Normalwert etwa 100). Lern-B. können im Unterricht der Normalschulen nicht ausrei­ chend gefördert werden und besuchen Sonderschulen. Neben der intellektuellen Minderbegabung bestehen bei Lem-B. häufig körperl. Entwicklungsrückstände, körperl. Anfälligkeiten, Sinnesbeeinträchtigungen, um­ schriebene gehirnorgan. Schäden, soziokulturelle Be­ nachteiligungen, familiäre Belastungssituationen, emo­ tionale Beeinträchtigungen, Verhaltensstörungen oder ausgeprägte Fehlhaltungen. Psychodynam. Behinderung, auch Schwererziehbarkeit oder Verhaltensstörung genannt, wird häufig durch Milieuschäden verursacht. Die Übergänge von psycholog. zu medizin. Begriffen und ihre Abgrenzungen sind bis heute noch nicht klar definiert, bes. da oft mehrere Ursa­ chen für das Auftreten einer solchen Behinderung verant­ wortlich sind. Für die psychodynam. B. gibt es Förde­ rungsmaßnahmen in besonderen Schulen. Im allgemei­ nen sind diese Menschen aber auf Beratungsstellen, auf Spezial- oder psychiatr. Kliniken sowie auf ambulante Psychotherapie angewiesen. (-•■Verhaltensgestörte) Sprachbehinderung ist der übergeordnete Begriff, un­ ter dem alle seelisch bedingten Sprach- und Sprechfehler (Stammeln, Stottern, Poltern, Agrammatismus) sowie alle Sprachkrankheiten mit medizin. Ursachen zusam­ mengefaßt werden (-»Sprache). Der Verschiedenheit der Ursachen muß die Verschiedenheit der Behandlung Rech­ nung tragen. Es gibt eigene Sprachheilheime für schwer Sprach-B. mit meist kombinierter psychologisch-medizin. Behandlung sowie Kliniken, Ambulatorien, Sonder­ schulen und -klassen und -kindergärten. In größeren Städten arbeiten auch private Sprachheilinstitute oder Logopäden (Sprachheillehrer). Taubstummheit und Hörbehinderung, Fehlen der Sprach- und Hörfähigkeit oder Minderung der Hörfähig­ keit mit unterschiedl. Schweregrad (-»Schwerhörigkeit, -»Taubstummheit). Zur Betreuung dieser B. bestehen ne­ ben Taubstummen- und Gehörlosenschulen heute auch in größeren Städten Schulen für Hör-B., in denen Hörreste sonderpädagogisch genutzt werden. (-»Hörtraining) Mehrfachbehinderung ist ein Zusammentreffen von 2 oder mehr Behinderungen, wobei gerade die psychody­ nam. Behinderung häufig in Kombination mit anderen auftritt, oft als Folge der urspr. Behinderung und deren erhöhtem Erziehungsbedarf. Gesetzliche Regelungen. Je nach Art, Schwere und Ursache der Behinderung sind in der Bundesrep. Dtl. zahlreiche gesetzl. Vorschriften ergangen, die den B. das Leben in der Gemeinschaft erleichtern sollen. 1) Sozialgesetzgebung: Wer behindert ist oder wem eine Behinderung droht (so im Sozialgesetzbuch Teil 1, § 10), >hat ein Recht auf die Hilfe, die notwendig ist, um die Be­ hinderung abzuwenden, zu beseitigen, zu bessern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mil­ dern, sowie ihm einen seine Neigungen und Fähigkeiten 82

entsprechenden Platz in der Gesellschaft, bes. im Arbeits­ leben, zu sicherns Im einzelnen können in Anspruch ge­ nommen werden: medizin. Leistungen (techn. Geräte), berufsfördernde Leistungen, Leistungen zur allgemeinen sozialen Eingliederung sowie ergänzende Leistungen, wie Kranken-, Übergangsgelder u. ä., B.-Sport und Haus­ haltshilfe. Leistungsträger hierfür sind die Bundesanstalt für Ar­ beit und die Arbeitsämter, die Hauptfürsorgestellen, die Krankenkassen, die Unfallversicherungs- und Rentenver­ sicherungsträger, die Versorgungs- und Landesversor­ gungsämter sowie die Sozialämter. 2) Kriegsopferversorgung und Unfallversicherung: Die umfassendsten Regelungen für B. gab es zunächst für Kriegsbeschädigte, denen nach dem Bundesversorgungs­ gesetz Hilfen zur berufl. Fortbildung, Umschulung und Ausbildung zustehen, ferner Hilfen zur Erlangung und zum Schutz eines geeigneten Arbeitsplatzes, Erholungs­ fürsorge und Wohnungsfürsorge. Dazu können ergän­ zend Hilfen nach dem BSHG treten (siehe unten). Ent­ sprechende Leistungen erhalten bei Bedarf auch Perso­ nen, die einen Arbeitsunfall erlitten haben, von der ge­ setzl. Unfallversicherung. 3) Berufliche Bildung: Bei der Berufsausbildung, der Fortbildung und berufl. Umschulung sind in den handwerkl. und anderen anerkannten Ausbildungsberufen (auf Grund der Handwerksordnung und des Berufsbil­ dungsgesetzes) die besonderen Verhältnisse der B. zu be­ rücksichtigen, soweit es Art und Schwere der Behinde­ rung erfordern. 4) Sozialhilfe: Bes. umfassend gestaltet sind heute die Eingliederungshilfen (Rehabilitation) im Sozialhilferecht (BSHGi. d. F. v. 18.9. 1969, §§ 39-47). Ein Katalog von Maßnahmen kommt allen B. zugute, ohne Rücksicht auf Einkommen und Vermögen. Dazu gehören im Rahmen eines vorher vom Träger der Sozialhilfe (i. d. R. kreisfreie Städte und Landkreise) aufzustellenden Gesamtplans nicht nur medizin. und soziale Betreuung (ambulant und stationär), sondern auch vielfältige Maßnahmen der so­ zialen und berufl. Eingliederung(sonderpädagog. Förde­ rung, berufs- und tätigkeitsfördernde Maßnahmen, Fort­ bildungs- und Umschulungshilfen, Arbeitsplatzversor­ gung und nachgehende Betreuung), Zahlungen für den Lebensunterhalt, auch an Personen, die gegenüber den B. unterhaltsberechtigt oder -verpflichtet sind.

Behinderte: Elektrisch betriebenes, dreirädriges Behindertenfahr­ zeug mit drehbarem Sitz und kleinem Wenderadius; geeignet zum Überwinden von Bordsteinen und Stufen bis zu 12 cm Höhe

Zur Sicherung einer rechtzeitigen Rehabilitation sind alle Eltern verpflichtet, Kinder mit schweren Behinderun­ gen unverzüglich dem Gesundheitsamt oder einem Arzt zur Beratung über geeignete Eingliederungsmaßnahmen vorzustellen. Geschieht dies nicht, so trifft Hebammen und andere Medizinalpersonen, Sozialarbeiter, Lehrer, Kindergärtnerinnen u. ä. eine Meldepflicht. Die in An­ spruch genommenen Ärzte haben umfassende Aufklärungs- und Informationspflichten; sie müssen die B., wenn keine Behandlung durchgeführt oder wenn sie ver­ nachlässigt wird, namentlich dem Gesundheitsamt mel­ den. Die Gesundheitsämter haben koordinierende und überwachende Aufgaben. Sie werden dabei von >Landesärzten< unterstützt, die über besondere Erfahrungen in der Hilfe für B. verfügen.

Bein 5) Schwerbehindertengesetz: Die speziell für Schwerbe­ schädigte eingeführten Leistungen wurden durch das Schwerbehindertengesetz (Abk. SchwbG) i. d. F. v. 8. 10. 1979 auf alle Personen ausgedehnt, die körperlich, geistig oder seelisch in ihrer Erwerbsfähigkeit nicht nur vorüber­ gehend um wenigstens 50% gemindert sind (-* Minderung der Erwerbsfähigkeit), ohne daß es auf den Grund der Be­ hinderung ankommt. Ihnen können Personen mit einer Minderung von mindestens 30% gleichgestellt werden, wenn sie infolge der Behinderung ohne diese Hilfe keinen geeigneten Arbeitsplatz erlangen oder behalten können. Sie werden erfaßt durch die B.-Statistik. In ihr werden nur B. mit einer amtlich festgestellten Minderung der Er­ werbsfähigkeit von 30% und darüber einbezogen; die B. werden alle 2 Jahre erfaßt. Rechtsgrundlage ist § 51 Abs. 1 des SchwbG. Ansprüche nach dem SchwbG entstehen mit der Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises durch das zuständige Versorgungsamt. Aus dem SchwbG ergeben sich folgende Rechte und Pflichten bei Arbeitsverhältnissen: für Arbeitgeber eine Beschäftigungspflicht für Schwer-B. bis zu einer Pflicht­ zahl oder stattdessen die Pflicht zur Zahlung einer Aus­ gleichsabgabe, ein Zusatzurlaub von 6 Arbeitstagen im Jahr, Kündigungsschutz gegenüber dem Arbeitgeber, wenn nicht die vorherige Zustimmung der Hauptfürsor­ gestelle vorliegt, eine Förderungspflicht für Schwer-B. durch Betriebs- oder Personalräte, Wahl eines Vertrau­ ensmannes der Schwerbeschädigten im Betrieb. Der Schutz dieses Gesetzes kann im Einzelfall entzogen werden. Außerdem haben Schwer-B. Anspruch auf unentgeltl. Beförderung im öffentl. Personenverkehr, wenn sie in ih­ rer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich be­ einträchtigt sind; falls erforderlich, gilt dies auch für eine Begleitperson, für Handgepäck, einen Krankenfahrstuhl u. ä. Dazu treten weitere Erleichterungen auf Grund ande­ rer Gesetze, etwa Befreiung vom Wehrdienst; ferner auf Verlangen Befreiung von der Pflicht zu Mehrarbeit im Be­ trieb, schließlich Gebührenbefreiung oder Ermäßigung im Telephonverkehr sowie für Fernsehen und Radio, Er­ mäßigungen bei der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversiche­ rung sowie Steuerermäßigungen für eine bestimmte Zeit. Prakt. Ratschläge erteilen die für die verschiedenen Be­ hinderungsarten bestehenden -»Selbsthilfegruppen. (-» Rehabilitation) Die Zahl der B. in der Bundesrep. Dtl. wurde (1982) auf 5—6 Mio. geschätzt. Die Zahl der Schwer-B. betrug am 1.1.1981:3,8 Mio., davon waren 1,1 Mio. berufstätig, 2,7 Mio. standen noch nicht oder nicht mehr im Arbeitsleben; rd. 100000 Schwer-B. waren als Arbeitslose registriert. Behindertensport, -»Versehrten- und Behinderten­ sport. Behindertenstatistik, -» Behinderte. Behring, Emil von, Serologe, * Hansdorf (Westpreu­ ßen) 1854, j Marburg (Lahn) 1917, entdeckte 1890 das Diphtherie- und Tetanusantitoxin, veröffentlichte 1893 zusammen mit dem japan. Serologen S. Kitasato (* 1856,1 1931) eine Arbeit über Ziele und Methodik der Serumtherapie (-»Heilserum) auf Grund seiner Entdekkung, daß sich im Tierkörper gegen das Diphtherietoxin ein Gegengift bildet, das erkrankte Menschen heilen kann. 1901 erhielt B. den (ersten) Nobelpreis für Medizin. Beifuß, -»Wermut. Beikost, Ergänzungsnahrung des Säuglings (Brust­ oder Flaschenkind) ab einem bestimmten Lebensalter. Die erste B. (ab der 4.-6. Lebenswoche) besteht aus einem oder einigen Teelöffeln Gemüse- oder Obstsaft, besser frisch zubereitet als aus Konserven, oft dem Flaschen­ inhalt zunächst beigemischt. Karottensaft ist bes. geeig­ net, Saft aus Zitrusfrüchten (Apfelsine, Zitrone) kann Wundsein der Haut im Gesäßbereich hervorrufen, selte­ ner Quaddelbildung. Ab 3./4. Lebensmonat vertragen Säuglinge bereits Karottenmus (Frühkarotten), auf der Kunststoff- oder Glasreibe (nicht Metallreibe) geriebenen Apfel oder zerdrückte Banane, am günstigsten vor der Flasche verabreicht. Dies fördert auch die Erziehung zum Essen von Breien und bringt außerdem ein zusätzl. Ange­ 6’

bot an Vitaminen, Mineralien, Nähr- und Ballaststoffen. Milchfreie oder -arme Breie sind z. B. Obst-ZwiebackBrei, Gemüse-Kartoffel-Brei oder Milchbrei mit Apfel­ zusatz. Seit Jahren behaupten sich Fertigbreie auf dem Markt, bei denen darauf zu achten ist, daß sie glutenfrei sind (-»Zöliakie). Bein, die untere, aus Oberschenkel, Unterschenkel und Fuß bestehenden Gliedmaße. (Modell des Men­ schen nach S.400)

Schneider­ muskel

Ober­ schenkel­ bein

Plattsehnen­ muskel

faszie

vierköpfiger gerader Schenkel­ strecker

zweiköpfiger Schenkelmuskel langer Kopf

Knie­ gelenk

zweiköpfiger Schenkelmuskel kurzer Kopf

Knie scheib

Sohlenspanner

Kopf des Wadenbeins

Zwillings­ wadenmuskel

vorderer Schienbeinmuskel

Schienbein

langer Wadenbeinmuskel

Wadenbein Sprungbein

Schollen­ muskel

Kahnbein äi

keilförmige Fußwurzel­ knochen

äußerer

langer Zehenstrecker kurzer Wadenbeinmuskel

Querbänder Achilles sehne

kurzer Zehenstrecker

knochen

Zehenglieder

Sehnenhaltebänder

Bein: links Skelett, rechts Muskeln und Sehnen

Das Skelett des B. besteht aus Oberschenkel-, 2 Unter­ schenkel- und 26 Fußknochen. Der Oberschenkelkno­ chen (Femur) ist der stärkste Röhrenknochen des Kör­ pers. Der Unterschenkel besteht aus dem nach innen lie­ genden, stärkeren und mit scharfer Kante unter der Haut der Vorderseite des Unterschenkels vorspringenden Schienbein (Tibia) und dem schlankeren, nach außen ge­ legenen Wadenbein (Fibula); an der Bildung des Knie­ gelenks, das nach vorn von der Kniescheibe (Patella) schützend abgedeckt wird, ist nur das Schien-B. beteiligt, während das Sprunggelenk, die Verbindung mit dem Fuß­ knochen, von jeeinemseitl. Fortsatz beider Knochen, den Knöcheln, gabelförmig umgriffen wird (Malleolengabel). Beide Knochen haben eine sehr geringe Beweglichkeit ge­ geneinander, die zur Veränderung der Weite der Malle­ olengabel bei Bewegungen im Sprunggelenk dient. Das Waden-B. dient als Haftstelle für Muskeln. Die Muskeln, die das B. im Hüftgelenk bewegen (Hüftmuskeln), entspringen an Knochenleisten der Beckenkno­ chen und an den Lendenwirbeln und setzen größtenteils an Knochenvorsprüngen des Oberschenkel-B., den Roll­ hügeln, an. Die Beuger ziehen vom Sitz-B. zu den Unter­ schenkelknochen. Die Anzieher (Adduktoren), die die ge­ spreizten B. gegeneinander bewegen, gehen von Sitz- und Scham-B. zum Oberschenkel-B. Der kräftigste Muskel des Unterschenkels ist der Zwillingswadenmuskel; er ver­ läuft von der Hinterfläche der beiden Gelenkhöcker des Oberschenkel-B. zum Fersen-B., an das er sich, zusam­ men mit dem Schollenmuskel, als dreiköpfiger Waden­ muskel mittels der Achillessehne anheftet. Das zuführende Blutgefäß für die unteren Gliedmaßen ist die Schenkelschlagader. 83

Emil von Behring

Bein Die Nerven für Haut und Muskeln der unteren Glied­ maßen stammen aus einem aus dem Lenden- und Sakral­ mark hervorgehenden Nervengeflecht: der Hüftnerv (Nervus ischiadicus, -»Ischias), der an der Hinterseite des Oberschenkels verläuft und in seinen Endästen bis zum Fuß reicht, und der Oberschenkelnerv, der zusammen mit der Schenkelschlagader verläuft und sich in der Streck­ muskulatur verteilt. Beingeschwür, Krampfadergeschwür, Ulcus cruris, meist ausgedehnter geschwüriger Haut-(Epi-

thel-)Defekt an den Unterschenkeln; B. können bei -♦Krampfadern oder nach schlecht heilenden Verletzun­ gen entstehen. Beinhaut, Knochenhaut, Periost, -♦Knochen. Beinwell, Schwarzwurz, Symphytum officinale, zu den Boretschgewächsen (Boraginaceae) gehö­

rende Halbrosettenstaude in gemäßigten Klimazonen auf feuchten Böden. Die im Herbst oder Vorfrühling gesam­ melte, rasch getrocknete Wurzel enthält bis zu 0,8% Allantoin mit die Wundheilung und Kallusbildung bei Kno­ chenbrüchen fördernder Wirkung. Anwendung: Heil­ pflanzen, Übersicht. Beischlaf, der -»Geschlechtsverkehr. Beklemmung, plötzlich auftretendes Enge- und Druckgefühl im oberen Brustraum, auch Druck in der Herzgegend, oft verbunden mit beschleunigter Herztätig­ keit. Die Ursache ist überwiegend eine funktionell be­ dingte Minderdurchblutung der die Herzmuskulatur ver­ sorgenden Blutgefäße. Auch psych. Vorgänge (Schreck, Freude, Angstgefühle) können B. auslösen. Bevorzugt sind Menschen mit Neigung zu -»vegetativer Dystonie. Bei wiederholt auftretender B. sollte ärztl. Rat eingeholt werden, um eine organ. Herz- oder Lungenerkrankung auszuschließen; die Abgrenzung gegen das Anfangssta­ dium eines -»Bronchialasthmas kann schwierig sein. — Die nächtlich auftretende B. wird volkstümlich auch Alp­ drücken genannt. Bekömmlichkeit, die Verträglichkeit einer Speise, die davon abhängt, welche Stoffwechselleistung für ihre Verdauung erforderlich ist. Je größer die Stoffwechsellei­ stung, desto geringer ist die B. Die Dauerkost für Gesunde muß nicht nur vollwertig, sondern auch bekömmlich sein, d. h. sie darf den Stoffwechsel nicht ständig überbean­ spruchen. Bei Kranken und Genesenden hat sie sich nach den verminderten Energiereserven zu richten (-► Diät). Beleuchtung:

Blendungsfreie B. des Arbeitsplatzes; Reflexblendung sollte vermieden werden Belastung, starke körperl. und seel. Beanspruchung durch äußere oder innere energetische Vorgänge: Muskel­ arbeit, Konzentrations- und Denkleistung, Krankheit, auch extreme Sinnesreize. Die Fähigkeit, B. zu ertragen, ist von individuellen (typbedingten) und situativen Mo­ menten abhängig. B.-Prüfungen werden bes. im Rahmen der medizin. Diagnostik, der Arbeitspsychologie und psycholog. Eignungsuntersuchung vorgenommen. Extreme B. und die damit verbundenen Reaktionen werden im Zu­ sammenhang mit fehlender Anpassung (-»Adaptations­ syndrom) als -»Streß bezeichnet. Erbliche B., -»Erb­ krankheiten. Belastungs|elektrokardiogramm, unter körperl. Belastung durchgeführtes Elektrokardiogramm (-► Elek­ trokardiographie). Bild biomedizinische Technik. Belebungsmittel, -»Anregungsmittel. Beleg|arzt, niedergelassener Arzt, der zugleich auch seine und die ihm überwiesenen Patienten im Kranken­ haus stationär behandelt. B. betreuen kleinere Kranken­ häuser insgesamt, in größeren v. a. Organfachabteilun­ gen, z. B. Hals-, Nasen-, Ohren-, Augenabteilungen, auch gynäkolog., orthopäd. und urolog. Abteilungen. Neuerdings wird gefordert, daß jeweils mehrere B. glei­ cher Fachrichtung an einer solchen Abteilung nach festen Regeln kooperativ Zusammenwirken sollen. Damit soll durch gegenseitige Absprache eine ständige ärztl. Betreu­ ung aller Patienten der Abteilung sowie Vertretung bei Krankheit und Urlaub gewährleistet werden. 84

B. stehen im Privatvertrag mit dem Krankenhausträ­ ger, sind aber keine Angestellten des Krankenhauses. Sie sind daher allein Vertragspartner des Patienten bezüglich der ärztl. Behandlung. Diese wird nicht über den Kran­ kenhauspflegesatz, sondern unmittelbar durch die Pa­ tienten oder deren Kostenträger an die B. honoriert. Belegkrankenhaus, Krankenhaus, in dem die Pa­ tienten durch Belegärzte, die auch die Einweisung veran­ lassen, und nicht durch angestellte Krankenhausärzte be­ treut werden. belegte Zunge, durch Epithelabschilferung verän­ dertes Schleimhautaussehen der Zunge, häufig krank­ heitsbegleitendes Zeichen. Der Gesunde hat nur im hinte­ ren Zungendrittel gelegentlich einen geringen Belag. Die­ ser entsteht durch verstärktes Auftreten von verhornten Verlängerungen der Geschmackszäpfchen, in denen sich außerdem abgestoßene Zellen der Zungenoberfläche und kleinste Nahrungsreste ansammeln können. Die Zunge, auch >Spiegel der Gesundheit! genannt, nimmt mit vieler­ lei Anzeichen (verschiedenartige Beläge, auffallende Rö­ tung, Trockenheit) an fast allen Allgemeinerkrankungen teil; ihre Besichtigung ist für den Arzt wichtig und auf­ schlußreich. Bei fieberhaften Erkrankungen der oberen Luftwege und der Lunge ist die Zunge immer belegt. Das Freiwerden der Zunge (von der Spitze und den Rändern her) läßt frühzeitig die beginnende Überwindung der Krankheit erkennen. Katarrhalisch anfällige Kinder zei­ gen oft einen unregelmäßigen, jedoch scharf begrenzten Belag der Zunge (>LandkartenzungeHimbeerzunge< beim Scharlach. Zur Beseitigung des Zungenbelags ist Heilung der Grundkrankheit anzustreben. Mechan. Reinigung mit ei­ nem Spatel oder Löffelstiel und Nachspülen mit Salbeitee schafft Erleichterung, vermindert den pappigen Ge­ schmack und bessert den Mundgeruch. Beleuchtung, das Einsetzen einer Lichtquelle (Glüh­ oder Leuchtstofflampe) zur Auf- und Erhellung von Räu­ men, Arbeitsplätzen und Gegenständen. Die Lichtquelle (künstliche B.) soll so angeordnet sein, daß keine Blen­ dung eintritt. Erforderl. B.-Stärke bei Allgemein-B. des ganzen Raums z. B. für Treppen 30 Lux, Bad 120 Lux, Schreib- und Schularbeiten 500 Lux, Wohn-, Lese- und Musikzimmer ebenfalls 500 Lux; bei Platz-B. sind für die gleiche Sehleistung wie bei reiner Allgemein-B. etwa die doppelten Luxwerte erforderlich. Für eine Schreibtisch­ leuchte sind eine Lampe zu 60 Watt oder 2 Lampen zu 40 Watt angemessen. Mischlicht (Tageslicht und Kunstlicht) ist nicht gesundheitsschädlich, kann aber als störend emp­ funden werden. An einem Aufsatzpunkt von 160° Neigungswinkel blendet ein Licht von vorn nicht, wenn die Reflexion in Brusthöhe erfolgt. Der Reflektor der Leuchte muß sich unterhalb der Augenhöhe befinden, damit keine Direkt­ blendung statt findet. Am günstigsten ist die Zweikomponenten-B. (geringe Allgemein-B. mit Leuchtstofflampen an der Decke und zusätzl. Arbeitsplatz-B. durch stabile Glühlampentischleuchte). Mischungen von Glühlampen und Leuchtstofflampen sind günstig, weil sie das enge Spektrum der Leuchtstofflampen erweitern. Belladonna, -♦Atropa bella-donna. Bence-Jones-Eiweißkörper [bens djaunz-, n. dem brit. Arzt H. Bence Jones, *1843, J 1873], Eiweiß­ ausflockung im erhitzten Urin durch vom Blutplasma ge­ bildetes, nierengängiges Paraprotein; findet sich als wich­ tiges diagnost. Zeichen bei der Kahlerschen Krankheit, ei­ ner Form des Myeloms (-»Plasmozytom), und bei ande­ ren bösartigen Geschwulstkrankheiten, z. B. Sarkom, Leukämie. Nach Reihenuntersuchungen jüngeren Da­ tums gibt es auch eine gutartige, sich über Jahre folgenlos hinziehende Form; es ist jedoch erforderlich, diese Pa­ tienten auf unbegrenzte Zeit zu beobachten. benig|ne, gutartig; Ggs.: maligne. Benommenheit, leichte Bewußtseinstrübung mit unbestimmtem, örtlich nicht festlegbarem Kopfdruck, Schläfrigkeit und leichten Schwindelanfällen: Aktivität und Arbeitslust sind hierdurch eingeschränkt. B. kann nach sehr anstrengender Arbeit unter ungünsti-

Berg gen äußeren Umständen (Sommerhitze, verbrauchte Luft in engem Raum u. ä.) auftreten, aber auch nach starker seel. Belastung. Sie kommt vor zu Beginn fieberhafter Erkrankungen, auch bei Migräne und Übermüdung. Bei Wiederholung und längerer Dauer der B. ist ärztl. Beratung angezeigt. B. kann sich zur Bewußtseinstrübung steigern, so bei länger andauerndem hohen Fieber (z. B. Typhus). Benzidinprobe, Untersuchungsmethode zum Nach­ weis von Blut in Körperausscheidungen, die mit dem bloßen Auge nicht erkennbar sind, bes. von Blut im Stuhl. Benzin, Gemisch niedrigsiedender Kohlenwasser­ stoffe, verdunstet sehr rasch, gibt mit Luft gemischt ex­ plosible Dämpfe. B. ist ein gutes Fettlösungs- und Reini­ gungsmittel. Das gereinigte Wund-B. dient zum Entfer­ nen von Pflasterrückständen auf der Haut. Neben Vergiftungsgefahr durch B.-Dämpfe (-»Ben­ zinvergiftung) besteht bei langdauerndem Umgang mit bleihaltigem B. auch Gefahr der Bleivergiftung (-►Blei­ krankheit). Benzinvergiftung. Beim Einatmen reiner Benzin­ dämpfe kommt es zu akuter B. mit Rauschzuständen, in schweren Fällen mit Krämpfen, Herabsetzung der Atemund Pulsfrequenz, Blaufärbung der Lippen. Bei der Ar­ beit in engen Räumen oder Behältern (Kesselwagen), die mit Benzindämpfen gefüllt sind, kann Bewußtlosigkeit, auch Tod durch Atemlähmung, eintreten. Seltener ist die B. durch versehentl. Aufnahme durch den Mund (Unfall bei Kindern) oder in selbstmörderischer Absicht. Erkrankungsanzeichen bei chronischer B. sind Appe­ titlosigkeit, Übelkeit, Kopfschmerzen, Reizung der Au­ genbindehaut und der Schleimhaut der oberen Luftwege, Gedächtnisstörungen. Benzin schädigt das Zentralner­ vensystem. Vergiftungen können durch Beimengungen bewirkt werden: Fast immer ist Benzin durch aromat. Kohlenwasserstoffe (z. B. Benzol) verunreinigt (Benzol­ vergiftung), als Vergaserkraftstoff kann es Blei enthalten (-»Abgase). Vorbeugung: Benzindämpfe sind schwerer als Luft, Absaugen daher in Bodennähe. Atemschutzgeräte mit Filtereinsatz sind allein in solchen Räumen anzuwenden, in denen noch ein ausreichender Anteil an Sauerstoff vor­ handen ist, die also nicht vollständig mit Benzindämpfen gefüllt sind (Erstickungsgefahr!). Erste Hilfe: Verunglückte sind schnellstens an die fri­ sche Luft zu bringen; Atmung und Blutkreislauf anregen! Arzt rufen! Benzo|esäure, kristallisierte organ. Säure; wird ge­ legentlich noch in O,l°7o-l°7oiger wäßriger oder alkohol. Lösung als Mundwasser verwendet. Das Natriumsalz der B. und der Parahydroxybenzoesäurepropylester (PHBEster) werden als unschädliche Konservierungsmittel (-►Konservierung), besonders von Nahrungsmitteln, ge­ braucht; sie sind deklarationspflichtig. Benzolvergiftung, melde- und entschädigungs­ pflichtige Berufskrankheit (-► Lösungsmittelvergiftung). Betroffen sind bes. Arbeiter der ehern. und pharmazeut., der Farben-, Gummi- und Textilindustrie, des graph. Ge­ werbes u. a. Benzol kann durch Einatmung der Dämpfe oder durch die unverletzte Haut in den Körper gelangen. Krankheitszeichen: Akute B. führt zu Benommen­ heit, Brechreiz, Rauschzuständen, Bewußtlosigkeit, Krämpfen und eventuell zum Tod durch Atmungs- und Kreislauflähmung, die chronische B. zu Müdigkeit, Kopfschmerz, Schleimhautblutungen, Schädigung der blutbildenden Organe (Knochenmark) und Anämie. — Benzolähnl. Stoffe wie Toluol und Xylol rufen weniger Veränderungen der blutbildenden Organe als vielmehr Nerven- oder Nierenschäden hervor. Vorbeugung: Arbeitsschutzvorschriften beachten. Erste Hilfe: Frischluftzufuhr, Entfernen benzolge­ tränkter Kleidungsstücke, eventuell künstl. Beatmung. Kein Erbrechen auslösen! Arzt rufen! Benzpyren, Benzo(a)pyren, wasserunlösliche polyzykl. Kohlenwasserstoffverbindung, kommt im Stein­ kohlenteer, Ruß, Pech und auch im Tabakrauch vor. Spu­ ren von B. finden sich in geräucherten oder gegrillten Nah-

rungsmitteln (-► Grillen) und auf Pflanzen. B. ist ein stark wirksames Karzinogen, das auf Dauer an der Einwir­ kungsstelle Krebs erzeugen kann, z. B. Skrotalkrebs bei Schornsteinfegern. Beratungsstelle, Fürsorgestelle, der kostenlosen (Gesundheits-)Beratung und Früherkennung von Krank­ heiten dienende Einrichtung. Durch die B. sollen v. a. wirtschaftl. und psycholog. Hemmnisse, die einer Be­ handlung entgegenstehen, überwunden werden. Der Personenkreis, um den sich die B. bemühen, be­ steht großenteils nicht aus kranken, sondern gesundheit­ lich gefährdeten Menschen, wie Rekonvaleszenten, Un­ terernährten, Kindern mit gehemmter Entwicklung oder Krankheitsbereitschaft, Personen aus der Umgebung an­ steckend Kranker, auch solchen mit Anfangsstadien einer körperl. oder seel. Behinderung. Durch Reihenuntersu­ chungen und Umgebungsuntersuchungen werden diese Gefährdeten ermittelt. Für die einzelnen Arten der Gefährdung bestehen im allgemeinen gesonderte B.: für Schwangere, für Mütter mit Säuglingen und Kleinkindern, für Schulkinder, für Tuberkulöse, für Geschlechtskranke, für Körperbehin­ derte, für Nerven- und Gemütskranke und für Alkoholi­ ker. Weniger verbreitet sind B. für Zuckerkranke, Rheu­ matiker und Geschwulstkranke. Als Mitarbeiter des Für­ sorgearztes werden Sozialarbeiter(innen) oder Fürsor­ gerfinnen) eingesetzt, die speziell ausgebildet sind. Sie wirken bei Sprechstunden, Reihenuntersuchungen und Impfungen mit und stellen Verbindungen mit Ärzten, An­ stalten und Behörden her. Durch Hausbesuche (machge­ hende Fürsorget) ermitteln sie Wohn- und Familienver­ hältnisse, wirken auf die Einhaltung ärztl. Ratschläge hin und sammeln Erfahrungen zur Erstattung von Fürsorge­ berichten. Berberitze, Sauerdorn, Berberis vulgaris, zu den Sauerdorngewächsen (Berberidaceae) gehörender, bis 3 m hoher, dornentragender Strauch in warmgemäßig­ ten Klimazonen auf trockenem Boden. Die Wurzelrinde enthält u. a. verschiedene Alkaloide (bis zu 3% Berberin). Anwendung: Heilpflanzen, Übersicht. Berg [baerj], Ragnar, schwed. Ernährungsforscher, * Göteborg 1873, t Borstel (Schleswig-Holstein) 1956. B. vertrat die Überzeugung, daß Säureüberschuß der Nah­ rung schädlich sei und z. B. die Eiweißverwertung beein­ trächtige (vermehrte Harnsäurebildung, -»Gicht u. a.). Er forderte deshalb einen Basenüberschuß (-► basenüber­ schüssige Nahrung) der vorwiegend vegetarisch auszu­ richtenden Nahrung. Bergamotte die, 1) die zu den Rautengewächsen (Rutaceae) gehörende Pomeranzen-Unterart Citrus aurantium bergamia; durch Auspressen der Fruchtscha­ len wird das für die Herstellung von Eau de Cologne und vielen Parfümen wichtige ätherische Bergamottöl gewon­ nen. 2) Birnensorte mit fast kugeligen Früchten, harter Schale, würzigem Fleisch. Bergarbeiter|anämie, die -»Hakenwurmkrank­ heit. Bergkrankheit, die -»Höhenkrankheit. Ernst von Bergmann Bergmann, 1) Ernst von, Chirurg, Vater von 2), * Riga 1836, t Wiesbaden 1907. Mit seinem Namen ver­ bindet sich die allgemeine Anerkennung des Gipsverban­ des und die Verbesserung der Asepsis in der Chirurgie. 2) Gustav von, Internist, Sohn von 1), * Würzburg 1878, t München 1955, Mitbegründer des funktionellen Denkens in der Heilkunde und der psychosomat. Medi­ zin, lieferte grundlegende Forschungen zur Entstehung des Magengeschwürs. ASchwäche

Entstehung von Röstprodukten Röstbitter-Veränderung von Fett und

Karamelbildung

130 120

112 TQO

/

Fortschreitende Dextrinbildung

//

2 1

4

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/

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150 140

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1. / / /

s

(dunkle Dextrine)

Beginnende Dextrinbildung (helle Dextrine)

Wasserdampfbildung

Z2P O>

zao

jo WangeInstitut für Se­

rumforschung und Serumprüfung< mit dem Serolo­ gen P. Ehrlich (* 1854, 1 1915) als erstem Leiter ge­ gründet. 1899 als >Institut für experimentelle Therapie< nach Frankfurt a. M. verlegt, dient es heute als Bundes­ anstalt der staatlichen Prüfung immunbiologischer Pro­ dukte (Heilsera, Impfstoffe, Tuberkuline u. a. Immundiagnostika). Bundesapothekerordnung, Bundesgesetz v. 5. 6. 1968 (mit mehreren Änderungen), regelt Ausbildung, Ap­ probation und die Berufsausübung unter der Bezeich­ nung Apotheker (-»Apotheke). Auf Grundlage der B. ist die Approbationsordnung für Apotheker v. 23.8.1971 er­ gangen. Bundesärzteordnung, seit 1962 geltendes, am 14.10.1977 neu gefaßtes Bundesgesetz; es enthält Bestim­ mungen über die Berufsausübung unter der Bezeichnung -►Arzt, die Zulassung zu diesem Beruf (Approbation) und die vorläufige befristete Berufsausübungserlaubnis für Krankenhausärzte ohne dt. Staatsbürgerschaft sowie über den Erlaß einer Approbationsordnung und einer amtl. Gebührenordnung für Ärzte. Bundesgesundheits|amt, -»Gesundheitswesen. Bundesgesundheitsrat, -»Gesundheitswesen. Bundesknappschaft, -»Sozialversicherung. Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit, -» Gesundheitswesen.

Bundesseuchengesetz, -► Seuchengesetzgebung. Bucky-Blende [n. dem Röntgenologen G. Bucky, * 1880, 11963], für die Röntgendiagnostik wichtige Ein­ Bundessozialhilfegesetz, -» Sozialhilfe. richtung, die durch ein bewegl. Bleiraster die Röntgen­ Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, streustrahlen ausfiltert, so daß nur die Nutzstrahlung den Abk. BfA, -»Sozialversicherung. Röntgenfilm erreicht. Bundesversorgungsgesetz, -»Kriegsopferver­ Buergersche Krankheit [b'a:ga-], Winiwartersorgung, -»Behinderte. Buergersche Krankheit, End|angiitis obliterans, Buphthalmus, Vergrößerung des Augapfels, -»grü­ 1879 von dem österr. Chirurgen A. von Winiwarter (* 1848,1 1917) und 1908 von dem amerikan. Internisten ner Star. L.Buerger(* 1879,1 1943) beschriebene Sonderform ei­ Burkitt-Tumor [b'a:kit-], erstmals 1958 von dem iri­ ner arteriellen Verschlußkrankheit, die als entzündl. Ge­ schen Missionsarzt D. Burkitt (* 1911) bei Kindern im fäßerkrankung im 3. und 4. Lebensjahrzehnt auftritt. Die afrikan. Regenwald beschriebene bösartige Geschwulst, B. K. befällt überwiegend Männer und ist hauptsächlich die meist von Lymphknoten im Kieferbereich ausgeht. an den Arterien der Beine lokalisiert, die Ursache ist noch Der B.-T. wird möglicherweise durch das Epstein-Barrnicht geklärt; eine Zugehörigkeit zum rheumat. Formen­ Virus verursacht. Er spricht gut auf Zytostatika an; eine kreis wird diskutiert. Der krankheitsfördernde (pathoge­ Dauerheilung ist bisher noch nicht gelungen. netische) Einfluß von Nikotin und Kälteschäden ist um­ Bursae synoviales, die -»Schleimbeutel. stritten, wenngleich viele der Kranken Zigarettenraucher Bursitis, die -► Schleimbeutelentzündung. sind. Ein Zusammenhang mit chron. Infekten der oft in Bürstenbad, Halbbad, bei dem die Haut des ganzen Schüben verlaufenden Krankheit ist möglich; bes. häufi­ ges Auftreten bei der Zuckerkrankheit. Das häufigste Körpers außer dem Gesicht, bei den Fußsohlen begin­ Symptom der B. K. sind Schmerzen in der Wade, die nach nend, unter Wasser mit einer Hautbürste oder einem einer bestimmten Gehstrecke von 300—100 m, gelegent­ Schwamm kräftig massiert wird. Die Temperatur des Ba­ lich auch noch kürzer, in Abhängigkeit von Gehtempo dewassers (Füllung der Wanne bis zu Nabelhöhe) soll etwa und Steigung, auftreten und den Kranken zum Stillstehen 35—36°C betragen, also gut körperwarm sein. Durch Ver­ zwingen, woraufhin die Schmerzen schnell nachlassen wendung einer weichen oder harten Hautbürste und (-►Claudicatio intermittens). Herzkranzgefäße und durch mehr oder weniger kräftigen Druck kann die Mas­ Hirnarterien sind im Ggs. zur allgemeinen Arterioskle­ sage der Hautreaktionslage angepaßt werden. Nach dem rose nur selten betroffen. Bürsten muß die Haut gleichmäßig gut gerötet und warm

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sein. Die Bürstenmassage fördert die Abstoßung und Er­ neuerung der Oberhautschichten, entfernt Schmutzauf­ lagerungen, öffnet und reinigt die Hautporen und regt den Blut- und Lymphumlauf in den Hautgefäßen kräftig an. Der Stoffwechsel der Haut und des ganzen Körpers wird hierdurch belebt (Anwendung als milde Form der Reiz­ körpertherapie). Das B. ist bei vegetativ Labilen wegen der Einwirkung des beim Bürsten in der Haut entstehen­ den -► Histamins mit Vorsicht zu handhaben. Büstenhalter, Kleidungsstück, das der weibl. Brust Halt und Form gibt. Der B. ist großenteils der Mode unter­ worfen und daher in seiner Form häufig abgeändert. Die Stützung der Brust durch unnötiges, frühzeitiges Tragen des B. ist nicht zu empfehlen, weil Erschlaffung und Sen­ kung dadurch gefördert werden. Nützlich dagegen ist ein B. während der Schwangerschaft und Stillzeit; über Hängebrust -► Brustdrüsen. Butter, das aus dem Rahm der Milch abgeschiedene Fett mit Resten von Buttermilch. Beim Butterungsvorgang werden die Fettkügelchen, die in der Milch von einer Hülle von Lipoproteiden umge­ ben sind (Emulsion von Fett in Magermilch), durch Er­ schütterung gesprengt, so daß das Fett zusammentreten kann. Es bilden sich Butterklümpchen, die spezifisch leichter sind als die -»Buttermilch, dadurch abgetrennt werden können und sodann geknetet und gewaschen wer­ den. Die B. stellt nun eine Emulsion von Magermilch in Fett dar. B. wird durch Prüfung nach Geruch, Geschmack, Ge­ füge (Wasserfeinverteilung), Aussehen und Konsistenz bewertet und dementsprechend in die 3 Handelsklassen Marken-, Molkerei-und Koehbutter eingeteilt. Die Quali­ tät der B. wird bestimmt durch den Gesundheitszustand der Kühe, durch das Futter sowie durch die Behandlung der Milch. Bei frischem Grünfutter gelangen höhere Ge­ halte an natürl. Farbstoffen (v. a. -*Karotine) in das Milchfett und geben der B. im Frühjahr eine intensivere gelbe Farbe als während der Zeit der Trockenfütterung, bes. im Winter. B. darf künstlich ausschließlich mit Karo­ tinen gefärbt werden. Durch eine vermehrte Bildung un­ gesättigter Fettsäuren (-»Fette) ist das Butterfett z. B. während der Weidehaltung weicher. Zum Ausgleich jahreszeitl. Schwankungen in der Milchproduktion und aus anderen Gründen werden ständig erhebl. Buttermengen (>Butterbergreine B.< gekennzeichnete B. wird ohne den sonst möglichen Zusatz von Magermilch (bis 15%), Fremdwasser (bis 10%) oder als Trockenmilch hergestellt. B. ist ein hoch­ wertiges Nahrungsmittel und unterscheidet sich von Ma­ germilch durch den Gehalt an Milchsäure (0,7%). Durch diesen liegt das Eiweiß der B. in fein geronnener Form vor, so daß B. bei gestörter Verdauung oft besser vertragen wird als Frischmilch. Buttersäure, unangenehm nach Schweiß riechende Flüssigkeit, die aus Stärke durch Vergärung mit B.-Bakte­ rien (-» Gärung) hergestellt wird; sie findet sich mit Glyze­ rin verestert in der Butter, in freiem Zustand im Sauer­ kraut, bestimmten Käsearten (z. B. Limburger Käse) und im Schweiß. Butterschmalz, -»Butter. Bypass | operatiori [b' aipcus-, engl. bypass >ÜberleitungBaumwollePeruwarzenBergen< und >Vertiefungen< und bes. der >Handlinien< umstritten. Während sich die C. um systematisierende Ausdeutungen bemüht, versteht man unter Chiromantie (Handlese­ kunst) das Wahrsagen aus Formen und Linien der Hand.

Chio Die Chiromantie stammt aus dem Orient, hat im Abend­ land seit der Renaissance einen großen Aufschwung ge­ nommen und wurde durch die Aufklärung auf die Jahr­ märkte verdrängt. Seit Mitte des 19. Jh. bemüht sich die C. um neue, wissenschaftlich gefestigte Erkenntnisse. Chiropraktik, ein von dem amerikan. Laien D. Pal­ mer 1897 entwickeltes Heilverfahren. Nach der Lehre der C. kommt es durch Berufsanstrengungen, Sport, Unfälle, durch willkürl. und v. a. unwillkürliche plötzl. Bewegun­ gen der Wirbelsäule, begünstigt durch Schwäche der Mus­ kulatur, Alter und Erschöpfung, zu Verschiebungen der Wirbel gegeneinander (Subluxation). Die Zwischenwir­ bellöcher können dabei eingeengt, ihr Inhalt, Nervenwurzeln, Blut-und Lymphgefäße zusammengedrückt werden mit der Folge von Entzündungen der Nervenwurzeln, Veränderungen der Nervenfunktion und Schmerzen, spä­ ter auch Störungen in den von den befallenen Wurzeln versorgten Organen; Hexenschuß, Ischialgie, Schulterge­ lenkentzündungen, einschlafende Hände, Druckgefühl in der Brust (Alpdruck), Schwindel und Migräne sind die Symptome. Die C. sucht durch Einrichten (Adjustierung) dieser Subluxationen die Einklemmung im Zwischenwirbelloch zu beseitigen. Die Adjustierung besteht entweder in einer ruckartigen Drehung der Wirbelsäule oder in einem direk­ ten Angreifen am Dornfortsatz des angeblich verrenkten Wirbels. Voraussetzung ist eine möglichst vollkommene Muskelentspannung (Atembehandlung, Massage). Die geglückte Adjustierung wird von einem deutlich hörbaren Knackgeräusch begleitet. Die ursprünglich nur von Lai­ enbehandlern angewendete C. wird heute von der Schul­ medizin anerkannt und, wissenschaftlich untermauert, als ärztl. Chirotherapie ausgeübt. Chirotherapie, wissenschaftl. Lehre, Forschung und Praxis gezielter Handgrifftechniken, die sich auf die Wir­ belsäule beziehen und deren Ausführung speziell ausge­ bildeten Ärzten Vorbehalten sein sollte. Neuerdings wer­ den unter den Begriff der C. auch die Handgrifftechniken an den Extremitätengelenken eingeordnet. So deckt sich der Begriff C. weitgehend mit dem der manuellen Me­ dizin. Chirurg [grch. >HandwerkerLeimKörnchenSektion Graphologiet des Berufs­ verbandes Dt. Psychologen e.V., die auch Prüfungen abhält. Geschichte. Als Begründer der G. gilt, nach vorberei­ tenden Ansätzen im 17. und 18. Jh. (z. B. bei C. Baldi; J. K. Lavater, Physiognomik), der frz. Abbe J. H. Michon (1806—81), von dem auch der Begriff G. stammt; sein Nachfolger J. CrFpieux-Jamin betonte die Mehr­ deutigkeit graph. Zeichen. Ende des vorigen Jh. führten in Dtl. die Mediziner A. Erlenmeyer, G. Meyer und W. Preyer die Forschung weiter. Sie wandten sich v. a. der Physiologie des Schreibvorgangs zu und suchten dieser eine psycholog. Bewegungstheorie zuzuordnen. Einen 273

Albrecht von Graefe

Gras

fafar .AUrf $*74

Graphologie: 1-4 Grundformen der Handschrift (links Typen, rechts Beispiele) 1 Winkel (eckig): willens- und ver­ standesgerichtet. 2 Girlande (kur­ vig): gefühlsbetont, verbindlich. 3 Arkade (bogig): zurückhaltend, verschlossen, förmlich. 4 Faden­ duktus (unbestimmt): anpassungsund wandlungsfähig. 5-8 Ablaufweisen 5 Leichter schwingender Strich mit elast. Druckunterschieden, locke­ rer Weite und rhythm. Verteilung der Schreibantriebe. 6 Zerlöste Bin­ dungsform mit unrhythmisch schwankendem Druckverlauf, un­ harmonisch gesteigerten Ausdeh­ nungen und abgebrochenen Fina­ len. 7 Scharfer Strich, Enge und Wortzerstückelungen weisen auf Hemmungen des natürl. Ablaufs, zu denen die starke Schräglage ausdruckspsychologisch im Wi­ derspruch steht. 8 Gleichblei­ bende Druckspannung, langsames Tempo. 9, 10 Schriftentwicklung Proben des gleichen Schreibers aus dem Alter von 18 und 42 Jahren. Die hochgradige Sensibilität und Stöi barkeit der Jugendjahre ist be­ wältigt in einer geschlossenen Form und zugleich in einer gelockerten und expansiveren Bewegungsweise

L

9

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(UreifStarglas< ersetzt werden-kann. Da dieses aber wesentlich vergrößert, kann es nur verordnet werden, wenn das andere, nicht-

Groß operierte Auge infolge von g. S. oder aus einem anderen Grund keine brauchbare Sehschärfe mehr hat oder beide Augen operiert sind. Hat das nichtoperierte Auge eine noch leidlich gute Sehschärfe, aber doch nicht eine so gute wie das staroperierte Auge mit Starglas, so ist das nicht­ operierte Auge durch ein Mattglas vom beidäugigen Se­ hen auszuschalten. Zur Gewöhnung an ein Starglas benö­ tigt man eine gewisse Zeit. Zunächst auftretendes Rot­ oder Blausehen verliert sich schnell. Durch Benutzung einer Kontaktlinse kann man bei ein­ seitiger Linsenlosigkeit und noch guter Sehschärfe des nichtoperierten Auges ein beidäugiges Sehen erzielen. Kontaktlinsen können auch bei doppelseitiger Linsen­ losigkeit mit Vorteil getragen werden, wenn eine gewisse manuelle Sicherheit vorhanden ist, doch muß beim Nahe­ sehen dann eine Brille getragen werden. In den letzten Jah­ ren wird zunehmend nach der Operation eine Kunststoff­ linse eingepflanzt (-»intraokulare Linsen). Gravidität, die — Schwangerschaft. Grawitzsche Geschwulst [n. dem Pathologen P. Grawitz, * 1850, 11932], das Hypernephrom (—Nieren­ krebs). Greis, Greisenalter, — Alter. Greisenbogen, Arcus senilis, grauweißer Bogen (Ring) am Rand der Hornhaut des Auges in höherem Al­ ter, der infolge seiner randständigen Lage keine Sehstö­ rung verursacht. Es handelt sich um eine gutartige Verän­ derung, die keiner Behandlung bedarf. Selten finden sich auch bei jüngeren Menschen dem G. ähnliche Verände­ rungen: Arcus lipoides juvenilis, eine ring- oder bogenför­ mige Fettablagerung der Hornhaut, die eine Störung im Fettstoffwechsel anzeigt. Grenzstrahlen, sehr weiche (langwellige), nur an der Oberfläche wirksame Röntgenstrahlen mit einer Wellen­ länge von 0,1—0,2 nm. G. werden bei entzündl. Verände­ rungen der obersten Hautschichten angewendet. Grenzstrang, durch Nervenfasern verbundene Kette von Nervenknoten (Ganglien) des sympath. Nerven­ systems, die sich von der Schädelbasis bis zum letzten Steißbeinwirbel erstreckt und vor der Wirbelsäule liegt. Grillen, Verfahrendes —Garens. Beim G. von Fleisch oder Fleischwaren über offenem Feuer entsteht als Rauchsubstanz durch Verbrennung organischer Materie in geringen Mengen — Benzpyren, das in sehr großen Mengen als krebserzeugend (karzinogen) angesehen wird. Mit Nitridpökelsalz angereicherte Fleischerzeugnisse sol­ len diese Wirkung durch Bildung von krebserzeugenden Nitrosaminen noch verstärken. Um die Entstehung von Benzpyren möglichst gering zu halten, soll das Eintropfen von Fett in die Grillglut und die Verwendung von harzi­ gem Brennmaterial unterbleiben. Bei G. in Elektrogrillge­ räten läßt sich das ohnehin vermeiden, auch durch das Einwickeln des Grillguts in eine Aluminiumfolie. Grimassieren, unabsichtl. Zuckungen und entstel­ lende Verziehung der Gesichtsmuskulatur (leere Mimik); tritt bei organ. Hirnschäden (—Veitstanz) auf, auch als Frühsymptom bei der Schizophrenie. Die Abgrenzung ge­ gen den — Tic ist bisweilen schwierig. Grimmdarm, — Darm. Grind, volkstüml. Bezeichnung für Hautkrankheiten, bei denen die Schuppen- oder Krustenbildung im Vorder­ grund steht, bes. der Milchschorf (—exsudative Diathese) und der — Schorf. G.-Blasen, — Impetigo. Grindeliakraut, die getrockneten, zur Blütezeit ge­ sammelten blühenden Stengelspitzen und Blätter von Grindelia-Arten, Gattung Korbblüter (Compositae), hei­ misch bes. in Nordamerika. Anwendung: Heilpflanzen, ÜBERSICHT.

grippaler Infekt, kurzfristige, fieberhafte Erkran­ kung, bei der wegen des unklaren Erregernachweises keine sichere Diagnose gestellt werden kann. Es handelt sich dabei entweder um nicht gesicherte Erkrankungen ei­ ner Influenza (—Grippe) oder um andere Virusinfektionen; eine >Bakteriengrippe< gibt es nicht. G. I. treten ge­ häuft in den kühleren Jahreszeiten und bei Frühjahrsaus­

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gang auf, wohl teilweise im Zusammenhang mit Erkäl­ tung. Zur Behandlung muß an der Regel festgehalten wer­ den, daß jeder Fiebernde ins Bett gehört; leichte Kost und reichlich Flüssigkeit (Lindenblüten- und andere Tees)! Schwitzpackung, Fieber- und Kopfwehmittel u. a. kön­ nen zwar oft die Fieberzeit verkürzen und wohltuend wir­ ken, aber u.U. das Krankheitsbild verschleiern. Antibio­ tika sollten nicht verabreicht werden. Grippe, Influenza, sehr häufige, akute Viruskrankheit, die meist vereinzelt als Erkrankung kleiner Gruppen auftritt, sich von Zeit zu Zeit aber in Epidemien mit großer Schnelligkeit über weite Gebiete ausbreitet. Die Übertragung des Influenza-Virus (— Influenza-Vi­ ren) findet beim Sprechen, durch Niesen oder Anhusten statt (Tröpfcheninfektion). Das Virus siedelt sich auf der Luftröhren-Schleimhaut an und vermehrt sich dort rasch; von hier aus kann es sich dann im Körper weiter verbrei­ ten. Die Inkubation ist kurz (1—3 Tage); das Virus kann am 1. und 2. Krankheitstag im Rachenspülwasser nachge­ wiesen werden, später nicht mehr. Das Krankheitsbild der einfachen G. zeigt außer rasch einsetzendem, 3—4 Tage anhaltendem Fieber nur katar­ rhal. Zeichen, bes. in Rachen und Luftröhre, oft mit Bell­ husten, dazu Allgemeinbeschwerden wie Kopf-, Kreuzund Gliederschmerzen, Übelkeit, manchmal Durchfall. Gefährlich können Komplikationen werden: Kreislauf­ schwäche, Nerven- und Gehirnhautentzündung, schwe­ rere Durchfälle (Darm-G.), Nebenhöhlen-, Ohr- u. a. Ei­ terungen, bes. aber Lungenentzündungen (G.-Pneumo­ nie). Bei diesen spielen meist Mischinfektionen mit Bakte­ rien eine Rolle, so mit dem Influenzabakterium (Haemo­ philus influencae Pfeiffer), das man früher irrtümlich für den G.-Erreger hielt, mit Strepto-, Pneumo-, in den letz­ ten Jahren bes. mit Staphylokokken. Die Krankheitsdauer schwankt stark, von Tagen bis zu Wochen. Auch bei der einfachen G. wirken noch über ei­ nen längeren Zeitraum hin Begleiterscheinungen nach, wie Mattigkeit, Nervenschmerzen, Herzbeschwerden, Schlaflosigkeit, Kreislauflabilität mit Schwindelanfäl­ len u. a. Behandlung: Es gibt bisher noch kein Mittel gegen die G.-Viren selbst. Sulfonamide und Antibiotika sind bei verschiedenartigen Komplikationen wirksam, z. B. bei der G.-Pneumonie. In neuerer Zeit wird der in der UdSSR entwickelte Wirkstoff Rimantadin (Amantadin) als erstes wirksames Chemotherapeutikum gegen G. (auch vorbeu­ gend) angewendet; es ist allerdings nicht frei von Neben­ wirkungen (Konzentrationsschwäche, Schlaflosigkeit). Grundsätzlich ist bei jedem Verdacht auf echte G.-Er­ krankung der Arzt zu rufen! Bettruhe, frische Obstsäfte; auf regelmäßige Stuhlentleerung achten. Die Vorbeugung sollte bei grippegefährdeten, bes. älte­ ren Menschen durch Schutzimpfung erfolgen. Die heute erhältl. Adsorbatimpfstoffe enthalten die Virusantigene der häufigsten G.-Formen. Tritt die Erkrankung dennoch auf, verläuft sie in abgeschwächter Form. Die Schutzwir­ kung der Impfstoffe hält aber nicht lange an, alljährl. Wiederholung wird angeraten. Wichtig ist das richtige Verhalten jedes Einzelnen zu G.-Zeiten: Vermeidung größerer Menschenansammlun­ gen, bes. in geschlossenen Räumen; Benutzung von Weg­ werftaschentüchern, viel Aufenthalt in frischer Luft. Im20. Jh. ereignete sich 1918/ 19die bislanggrößte von Spanien ausgehende Pandemie, die mehr als 20 Mio. To­ desopfer forderte, die zweite, aber weniger heftige Pande­ mie ging 1957 von China aus (Asiatische Grippe). 1962 und 1963 folgten 2 weitere Pandemien, denen bevorzugt ältere Menschen zum Opfer fielen. 1968 wurde ein G.Ausbruch gemeldet, der sich rasch über die ganze Welt ausbreitete. Größenwahn, Megalomanie, i. e. S. ein Krank­ heitszeichen, das im Verlauf der -»Schizophrenie oder -►Paralyse vorkommt. Der Paralytiker erhebt alles ins Große: Er ist Millionär, er hat die schönste Frau, er ist der klügste Mensch u. a. Volkstümlich wird auch das gestei­ gerte Selbstbewußtsein mancher hypoman., hyperthy275

Groß

Louis Grote

mer, geltungsbedürftiger Persönlichkeiten (-»Hyperthymie, -* Hypomanie) als G. bezeichnet. (-»Wahn) Großraumbüro, hallen- oder saalartiger Raum mit besonderen Anforderungen an Klimatisierung und Schalldämpfung, in dem Bürofach- und -hilfskräfte ihre Arbeiten in räuml. Gemeinsamkeit verrichten. Sie vollzie­ hen sich im G. unter einer für alle sichtbaren Kooperation und Kontrolle. Von den in einem solchen G. Tätigen wird die ständige (erzwungene) Gemeinschaftsarbeit häufig als ungünstig empfunden, da diese Organisationsform trotz Abgrenzungsbemühungen (halbhohe Trennwände, Blu­ men, Schränke) keine persönl. Sphäre ermöglicht. Be­ triebe mit G. beobachten häufiger einen Arbeitsplatz­ wechsel als sonst üblich und auch vermehrte Fehlzeiten. Grote, Louis, Internist, * Bremen 1886, fSiensbach (Kreis Emmendingen) 1960, Prof, in Halle, dann Chef­ arzt in verschiedenen Krankenhäusern, zuletzt des Sana­ toriums Glotterbad bei Freiburg i. Br.; G. setzte sich mit Fragen der Abhängigkeit der Krankheiten von Konstitu­ tion und Ernährung auseinander und trug wesentlich zur krit. Wertung und Abgrenzung der naturheilkundl. Me­ thode bei. Grubenwurmkrankheit, Grubenkrankheit, die -» Hakenwurmkrankheit. Gruber-Widal-Reaktion [n. dem Hygieniker M. Ritter v. Gruber, * 1853,1 1927, und dem Bakteriologen F. Widal, * 1862, f 1929], -»Agglutination. Grund umsatz, Abk. GU, Basalumsatz, Rück­ umsatz, der Energieumsatz beim ruhenden und nüchter­

nen Menschen; er wird ausgedrückt und gemessen in Wär­ memengen (Joule/Kalorien). Die G.-Bestimmung dient als Hilfsmittel zur Erkennung krankhafter Stoffwechsel­ zustände. Mit einem G.-Gerät werden der eingeatmete Sauerstoff und das ausgeatmete Kohlendioxid gemessen und hieraus der Energieumsatz errechnet. Der G. ist z. B. erhöht (d. h. der Stoffwechsel ist gesteigert) bei der Basedowschen Krankheit; er ist erniedrigt beim Myx­ ödem. DieG.-Bestimmung ist heute weitgehend durch nuklearmedizin. Methoden ersetzt. grüner Star, Glaukom, Glaucoma, Sammelbe­ griff der Augenheilkunde für alle Augenerkrankungen mit zeitweise oder dauernd über 26 mm Hg erhöhtem Au­ geninnendruck. Jedes Auge hat einen bestimmten Innen­ druck, der mit dem Tonometer gemessen werden kann. Geringe kurzdauernde Drucksteigerung verträgt das Auge ohne Schaden, eine langdauernde oder starke Stei­ gerung schädigt aber die Netzhaut und bes. den Sehnerv; sie kann zur Sehverschlechterung bis zur völligen Erblin­ dung führen. Die Steigerung des Augeninnendrucks ist möglich durch eine vermehrte Kammerwasserabsonderung, ist i. d. R. aber Folge eines gehemmten Abflusses. Ist dieser durch andere Augenerkrankungen bedingt, spricht man von einem Sekundärglaukom, dessen häufigste Ursachen sind Verlagerung der Linse in den Glaskörper oder die vordere Augenkammer, Regenbogenhautentzündung, Geschwülste am Auge, Blutung im Augeninnern, Verlet­ zungsfolgen. Die Behandlung des Sekundärglaukoms richtet sich nach dem Grundleiden und gehört immer in die Hand des Augenarztes; zuweilen ist eine Operation erforderlich. Das Primärglaukom entsteht ohne vorangegangene Augenerkrankung i. d. R. erst vom 5. Lebensjahrzehnt an, häufig an beiden Augen. Die Drucksteigerung kann langsam oder plötzlich auftreten. Im 1. Fall spricht man von einfachem chron. g. S., im 2. von Glaukomanfall (Engwinkelglaukom). Das Primärglaukom macht im An­ fang keine Beschwerden; manche Menschen bemerken abends im Dunkeln beim Blick in eine Lampe Regenbo­ genfarben, bis eines Tages die allmählich eingetretene Herabsetzung der Sehschärfe bemerkt wird. Diese Seh­ verschlechterung kommt dadurch zustande, daß der Überdruck im Auge den Sehnervenkopf als weichste Stelle in der Augenwand aushöhlt (Exkavation mit glaukomatöser Sehnervatrophie), und damit die Lichtein­ drücke nicht mehr voll zum Gehirn weitergeleitet werden können. Die Überprüfung des -► Gesichtsfelds ergibt eine 276

Einengung zur Nasenseite hin. Die Prüfung des Augen­ innendrucks (Tonometrie), ggf. auch eine Gesichtsfeld­ überprüfung, sollten deshalb bei jeder Brillenbestim­ mung vom Augenarzt mit durchgeführt werden. Bei der Behandlung des Primärglaukoms wird der Arzt zunächst versuchen, mit augendrucksenkenden Tropfen und Salben auszukommen; bringt dieser Versuch keinen Erfolg, was nur selten der Fall ist, muß operiert werden. Der (ziemlich seltene) Glaukomanfall beginnt plötzlich mit starken Kopfschmerzen über dem erkrankten Auge, die sich nach der Schläfe und Backe hinziehen und sich bis zur Unerträglichkeit steigern, häufig sogar zum Erbre­ chen führen können. Das Auge sieht durch eine starke Blut fülle äußerlich bläulich-rot aus, die sonst klare Horn­ haut ist stumpf und trüb, die Pupille ist weit, lichtstarr, und das Sehvermögen ist erheblich herabgesetzt. Der Au­ gendruck ist so weit gesteigert, daß das Auge Steinhart ist, was sich bereits mit der vorsichtig tastenden Fingerkuppe fühlen läßt. Der Anfall kann abklingen und in Intervallen unterschiedlich stark wieder auftreten. Da der hohe Druck nur kurze Zeit, häufig nur Stunden, von dem Auge ertragen werden kann, ohne schwerste Schädigung des Sehvermögens zu hinterlassen, muß der Kranke schon bei Verdacht auf dem schnellsten Weg den nächsten Augen­ arzt aufsuchen. Behandlung: Beim Glaukomanfall wird man zu­ nächst versuchen, den Augendruck durch Arzneimittel (z. B. Pilocarpin) stark zu senken, wenn der Befund nicht die sofortige Operation erfordert. Nach Beseitigung des Anfalls sind regelmäßig Druckkontrollen durchzufüh­ ren, um Rückfälle schnell zu erkennen, ebenso sind wie beim chronischen g. S. Kontrollen des Gesichtsfelds und der Sehnerven immer wieder erforderlich. Auch bei Säuglingen und Kleinstkindern kann g. S. auf­ treten, wenn auch aus anderen Ursachen und unter einem anderen Erscheinungsbild. Infolge der in diesem Alter noch bestehenden wenig festen Augen wand kommt es zu einer Dehnung des gesamten Augapfels (Buphthalmus, Ochsenauge, Hydrophthalmus), so daß das Auge abnorm groß wird. Die Ursache der Drucksteigerung ist eine ange­ borene Mißbildung. Die Krankheit tritt meist doppelseitig auf, wenn auch nicht immer gleichmäßig stark. Das Seh­ vermögen ist durch diese Erkrankung in hohem Grad ge­ fährdet, möglichst frühzeitige ärztl. Behandlung ist erfor­ derlich. Die in letzter Zeit durchgeführten Versuche, durch -»Akupunktur den Augendruck zu senken, sind nicht überzeugend und werden von der wissenschaftl. Augen­ heilkunde wegen der damit verbundenen Gefahren in­ folge verzögerten Einsatzes der bewährten Therapie abge­ lehnt. Das gleiche gilt für die -► Neuraltherapie des g. S. Grünholzbruch, ein unvollständiger -»Knochen­ bruch bei Kindern und Jugendlichen. Gruppendynamik, Teilgebiet der Sozialpsycholo­ gie, das sich mit den psychologisch erfaßbaren dynam. Kräften und den wechselseitigen Einflüssen zwischen den Mitgliedern einer überschaubaren Gruppe (Familie, Ar­ beitsteam, Schulklasse, Verein) beschäftigt (Gruppen­ psychologie), auch die hier wirkenden Kräfte und Pro­ zesse selbst; daneben werden als G. die verschiedenen Me­ thoden und Techniken bezeichnet, die im pädagog. (Gruppenpädagogik) wie therapeut. Rahmen (Gruppen­ therapie) der Verbesserung des Selbst- und Fremdver­ ständnisses, der sozialen Beziehungen sowie der Kommu­ nikation und Kooperation dienen. Gruppensex, Geschlechtsverkehr unter mindestens 3 (Triole) oder mehr Personen. Heute hauptsächlich als Partnertausch unter 2 und mehr (Ehe-)Paaren. Früher kultische Erscheinungsform zu besonderen Festen (Bac­ chanale, Orgien). G. kann als Verstoß gegen den An­ spruch sexueller Intimität und personaler Ausschließlich­ keit gedeutet werden, ist aber in der Bundesrep. Dtl. nicht strafbar. Gruppentherapie, Psychotherapeut. Behandlung innerhalb einer Gruppe, entstanden aus der Erkenntnis, daß der Mensch als Gemeinschaftswesen durch Gebor­ genheitsgefühl im Kreis Gleichgesinnter von gleichen Lei-

Guss den Betroffener sich leichterlösen und mitteilen kann. Die G. wird schon seit Jahrzehnten in der Psychiatrie und klin. Psychologie als wirksame Heilmaßnahme vorwiegend durch gemeinsame Aussprachen geübt, heute auch mit Kontakten bis zur körperl. Berührung. Unter dem Ein­ fluß der -»Gruppendynamik werden persönl. Konflikte, die mit sozialen Beziehungen in Zusammenhang stehen, bewußt gemacht, bes. durch deren schauspielerische Dar­ stellung mit Hilfe des Psychodramas; spezielle Fälle sind die Familien- und Ehepaartherapie. G. kann auch Teil -»autogenen Trainings sein oder Begegnungshilfe (Encounter-Gruppen) mit Sensitivitätstraining. Auch -»Selbsthilfegruppen haben sich praktisch bewährt, z. B. bei Alkoholismus. Grützbeutel, das -»Atherom. Guineawurm [gi-], der -»Medinawurm. Gumma, Gummigeschwulst, geschwulstähnl. Er­ scheinungsform, eine in allen Geweben vorkommende Granulationsgeschwulst mit Neigung zum Zerfall; ein heute seltener Befund, der früher häufig im 3. Stadium der -»Syphilis beobachtet wurde. Gummistrumpf, elast., eng anschließender Strumpf aus Gummigewebe, der bei Krampfadern und damit zu­ sammenhängenden Beinleiden im Zusammenwirken mit der Muskelarbeit durch elast. Druckregulierung die Be­ schwerden vermindert und dem Fortschreiten der Erkran­ kung vorbeugt. Gundu, seltene Tropenkrankheit, die mit allmähl. bauchiger Verdickung der Nasenwurzelknochen beider­ seits der Nase bis zu Faustgroße einhergeht und so zur Ent­ stellung, zu Nasen- und Augenstörungen führen kann. Die Ursache ist ungeklärt; keine spezif. Behandlungs­ möglichkeit. Gunnsches Phänomen [g' An-, n. dem brit. Augen­ arzt R. M. Gunn, * 1850, 11909], Kreuzungsphäno­ men, Befund am Augenhintergrund bei Hochdruck­ krankheit. Arterien und Venen sind prall gefüllt. Die Ar­ terien zeigen bei der Untersuchung des Augenhinter­ grunds kupferfarbene Reflexe (Kupferdrahtarterien). An den Kreuzungsstellen von Arterien und Venen erscheinen die Venen verdünnt oder getrennt. Das Phänomen ist durch den erhöhten Druck in den Arterien des Augenhin­ tergrunds bedingt. Gurgel, volkstüml. Bezeichnung für den vorderen, den Schlundkopf und den Kehlkopf enthaltenen Teil des Halses; meist auf Tiere bezogen. Gurgeln, Ausatmungsbewegung, wenn die Mund­ höhle Flüssigkeit enthält; durch die zwischen Zungen­ grund und weichem Gaumen festgehaltene Flüssigkeit tritt die Luft in Blasen hindurch und besorgt eine Durch­ mischung der Flüssigkeit. Der vordere Rachenring wird auf diese Weise kräftig bespült. Nur in seltenen Fällen kommt es dabei auch zu einer Benetzung der Gaumen­ mandeln. Lutschtabletten, Bonbonsund Kaugummi kön­ nen den gleichen Effekt haben, der aber im ganzen als ge­ ring anzusehen ist. Zum G. nimmt man z. B. lauwarmen Kamillen- oder Salbeitee; in besonderen Krankheitsfällen können vom Arzt auch stärker wirkende Gurgelwässer oder Spezialpräparate verschrieben werden. Gurke, Kukumer, Cucumis sativus, zu den Kür­ bisgewächsen (Cucurbitaceae) gehörende, wärmelieben­ de, frostempfindl. einjährige Gemüse- und Salatpflanze mit gelben männl, und weibl. Blüten; die Frucht ist eine vielsamige Großbeere (Bild Gemüse). Einlege-G. sind kleinfrüchtig, Salat-G. großfrüchtig und Schäl- und Senf-G. bes. großfrüchtig. Manche Salat-G. gedeihen nur im Gewächshaus (Schlangen-G.). — Der Genuß der G. roh mit oder ohne Schale, meist als Salat zubereitet, för­ dert die Harnausscheidung und gilt als blutreinigend. Äu­ ßerlich wirken Saft und Fleisch der frischen G. auf die Haut weichmachend, zusammenziehend und bleichend. >Gurkenmilch< ist ein mildes und schonendes Mittel zur gründl. Reinigung empfindlicher Haut. Gurkenschalen, in Streifen geschnitten, ergeben eine Gesichtsmaske, wel­ che der Haut Flüssigkeit zuführt (Anwendung 20 Min.). Der Gurkensamen enthält ein fettes öl (Oleum Cucumis sativi); es soll die Haut glätten und frisch erhalten.

Gürtelrose, Herpes zoster, Zoster, gürtelför­

mige, auf das Versorgungsgebiet eines Spinalnervs be­ schränkte Hauterkrankung, diedurch ein neurotropes Vi­ rus hervorgerufen wird. Nach einem 2—3 Tage anhalten­ den Vorstadium mit allgemeinem Krankheitsgefühl (Mü­ digkeit, Abgeschlagensein, Temperaturanstieg) kommt es unter starken Schmerzen zu einer umschriebenen Rö­ tung und Schwellung der Haut und zum Aufschießen klei­ ner Bläschen. Die Bläschen folgen dem Ausbreitungsge­ biet der Nerven in segmentärer Anordnung. Die G. kommt nicht nur am Rumpf (Gürtelgegend) vor, sondern auch an anderen Körperstellen (Gesichtshälfte, Ober­ schenkel u. a.). Wichtig für die Erkennung der G. bleibt die streng halbseitige Anordnung und die gruppierte Bläs­ chenbildung auf gerötetem Grund. Die Lymphknoten der erkrankten Seite sind meist angeschwollen und auf Druck schmerzhaft. Unter allmähl. Eintrocknen der Bläschen heilt die Erkrankung im allgemeinen innerhalb von 2—3 Wochen ab. (Bild Hautkrankheiten) In manchen Fällen verfärbt sich der zunächst klare Bläscheninhalt durch Blutbeimengung braunrot oder schwärzlich, ohne daß sich dadurch am Krankheitsver­ lauf etwas ändert. Nur selten kommt es zu einem eitrigen Zerfall der Bläschen mit nachfolgender Bildung von fla­ chen Geschwürchen. Im letzteren Fall verzögert sich die Abheilung, und es bleiben feine Narben zurück. Behandlung: Schmerzmittel, Vitamin B als Injek­ tionsbehandlung. Beim ersten Auftreten der Bläschen örtl. Chemotherapie mit Spezialpräparaten. Die neuer­ dings bei G. vorgeschlagene Pockenimpfung wird wegen der damit verbundenen Gefahren von Schulmedizin. Seite abgelehnt. Gurtpflicht, -»Kraftfahrzeug. Güsse, wichtigste Form der Wasseranwendungen nach S. Kneipp (-»Kneippkur), deren Ausführung sich nach dem Funktionszustand des Kreislaufs und der Reak­ tionsfähigkeit des Organismus richtet. Die einfachen G.

Güsse: Armguß

werden mit naturkaltem Wasser ausgeführt, man verwen­ det einen Gießschlauch von 20 mm Durchmesser und etwa 2 m Länge. Das Wasser wird aus geringer Entfernung mit einem drucklosen Strahl in langsamer, ruhiger, aber steti­ ger Linienführung über den zu behandelnden Körper­ teil geleitet. Das abfließende Wasser soll den behandel­ ten Teil gleichsam mit einem Wassermantel einhüllen. Die mittlere Dauer eines G. beträgt etwa 1 Minute, dabei ist auf eine ruhige, tiefe und gleichmäßige Atmung zu achten. Allgemeine Regeln. 1) Keine G. bei fröstelndem Körper oder kalten Füßen. Vorher Erwärmung durch Bettruhe oder kräftige Bewegungen. 2) Keine G. bei vol­ lem Magen, am besten 1 1 /2 Stunden nach dem Frühstück. 3) Anwendungen stets im warmen Raum, ohne Zugluft. 4) Gießrichtung herzwärts; die erwünschte Reaktion ist eine deutl. Hautrötung. 5) Nicht abtrocknen. 6) Sofort

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Gutt nach dem G. warme, trockene und saubere Wäsche anzie­ hen, bes. warme Strümpfe. 7) Für gründl. längerdauernde Nacherwärmung sorgen, am besten im Bett. Formen der G. Knie-G., Schenkel-G., Unter-G. (Unterkörper, bes. Kreuz und Lendengegend bis zum Rip­ penbogen), Arm-G., Ober-G. (Oberkörper unter Ein­ schluß von Brust, Hals, Armen und dem oberen Rücken­ teil), Rücken-G. und Voll-G. (als stärkste Belastung für Gesunde zur Vollabhärtung, Kranke sollten vor dieser Anwendung durch Teilgießungen vorbereitet werden). Beim Blitz-G. (Bild Kneippkur) kommt zum therm. noch der mechan. Reiz, hierbei soll der Druck 1—3 bar, die Ent­ fernung mindestens 3 m betragen. Jeder G. kann auch als Wechsel-G. ausgeführt werden (Wassertemperatur 38—42 °C und 12—15 °C in ein- oder zweimaligem Wech­ sel). Man beginnt hierbei mit heißer und endet mit kalter Gießung. Die Wirkung der Wechsel-G. ist im wesentl. die gleiche wie beim einfachen kalten G. Die einfachen kalten G. finden bei fast allen leichten und funktionell bedingten Krankheitszuständen Anwen­ dung, bes. dann, wenn eine allgemeine Kräftigung er­ reicht werden soll; nicht bei Fieber. Gutta, Tropfen, auch tropfenähnl. Fleck; Farbverän­ derung der Haut. Gymnastik, beliebte Form der Leibeserziehung v. a. für Frauen und Mädchen (für Männer mehr im Rahmen der -» Rehabilitation), welche die Schulung der Bewegung durch Entwicklung, Steigerung und Erhaltung der Kör­ perkräfte zur Aufgabe hat. In der G. werden grundle­ gende körperl. Eigenschaften (z. B. Muskelkraft, Beweg­ lichkeit, Lockerheit) und allgemein koordinierte Bewe­ gungsformen durch Gehen, Laufen, Hüpfen, Federn, Springen und Schwingen in harmonisch gestalteten Bewe­ gungsabläufen einzeln und in Gruppen entwickelt. Haltungs- und Bewegungsübungen, auch Dehnlagen sollen die Atmung fördern und die Organe kräftigen. Bodengymnast. Übungen sind z. B. >Radfahren< in der Kerze, Beugestellungen, Spagat, geschmeidiges Hinlegen und Aufrichten, Übungen mit Handgeräten, Schwingen mit Reifen und Keulen, Springen mit dem Sprungseil. Die ein­ zelnen Übungen können durch Stampfen, Klatschen, Tamburin oder Musik rhythmisch unterstützt werden. Die funktionelle G. will als Entspannungs-G. oder Ausgleichs-G. durch vorbeugende und aufbauende Übungen Zivilisationsschäden verhindern oder beheben. Orthopäd., Atem- oder Kranken-G. sind unter ärztl. Kontrolle stehende Sonderformen. DieTrainings-G. dient der Vor­ bereitung auf verschiedene Wettkampfsportarten auch der Männer. Zur G. am Arbeitsplatz, wie in Japan weit verbreitet, rechnet die Bürogymnastik, welche durch ge­ zielte Übungen die Verspannung der beim Schreibtisch­ arbeiter bes. benachteiligten Kopf-, Schulter- und Rükkenmuskulatur bessern und ausgleichen soll. Die rhythmische G. hat zum Zweck, den Menschen durch gesetzmäßige Abläufe von Bewegung und Aus­ druck zu einem eigenrhythm. Bewegungsleben zu führen (Heileurhythmie der -»anthroposophischen Medizin). Ausgehend von der funktionellen G., beeinflußt von der künstler. und Ausdrucks-G., übt sie in Verbindung mit eiGymnastik: Bürogymnastik. Entspannungsübungen am Schreib­ tisch; I Beide Ellbogen fest auf die Schreibtischplatte und Stirn in die Hände stützen. Die Muskeln zwischen den Schulterblättern an­ spannen, etwa 3-5 Sek. lang, dann entspannen. Übung mehrmals wiederholen, anschließend locker mit den Schultern kreisen. 2 Un­ terarme entspannt auf die Schreibtischplatte legen, Wirbelsäule locker rund herausdrücken und wieder einziehen (mehrmals wie­ derholen). Zwischen diesen Übungen Kopf leicht nach rechts und links >rollenWissenschaft von den Leibesübungent. Die gymna­ stischen Übungen begannen im frühen Knabenalter. J. C.

Haar F. Gutsmuths schuf mit seinem Werk >G. für die Jugendr (1793) das erste grundlegende System für die heutige G. Die rhythm. G. entstand um 1900, als Bess Mensen­ dieck mit Beziehung auf die anatom. Voraussetzungen diefunktionelleG.einleitete. E. J. Dalcrozebegründete 1911 die Gymnastikschule Dresden-Hellerau, die als erste eine künstler. G. erstrebte. R. Bode, der Schöpfer der Ausdrucks-G., wurde der eigtl. geistige Vater der rhythm. G. Unter Hinzunahme von Handgeräten schuf H. Medau die heutige Form der dt. G. Die tänzer. G. geht auf Elizabeth und Isadora Duncan zurück und wurde in der Bundesrep. Dtl. von R. von Laban und Mary Wigman vertreten.

Gynäkologie, die -» Frauenheilkunde.

Gynäkomastie, die ein- oder doppelseitige Entwick­ lung des normalerweise nur rudimentär vorhandenen Brust-(Mamma-)Gewebes zum tastbaren Drüsenkörper beim Mann; tritt vorübergehend in der Pubertät bei etwa 50% der männl. Heranwachsenden auf, beim Erwachse­ nen als hormonal bedingte Erkrankung, auch nach Hor­ mongaben (z. B. bei Vorsteherdrüsenkrebs). In seltenen Fällen kann es auch zu einer bösartigen Entartung kom­ men. Bei der Pseudo-G. kommt es zu einer äußerl. Ver­ größerung der Brust durch Fettansammlung bei starker Fettsucht.

H Haarausfall, Alopecia, Alopezie, Haarkrank­ heit, die angeboren als eigenes Krankheitsbild oder bei Haut- und Allgemeinkrankheiten als Begleiterscheinung vorkommt. 1) Die sehr seltene angeborene Kahlheit betrifft entwe­ der nur umschriebene Stellen des Kopfs oder die ganze Körperoberfläche. 2) Der normale allgemeine H. und auch der vorzeitige H. (häufig schon vom 20. Lebensjahr ab) gelten nicht als krankhaft. Die Kopfhaare fallen stärker aus, sie werden nicht mehr so lang, sind dünner und glanzlos. Bei Män­ nern kann die Stirnhaargrenze stark zurückweichen, es bilden sich >eine hohe StirnGeheimratseckenc Der H. kann auch am stärksten in der Gegend des Kopfwirbels ausgeprägt sein; es wachsen dann hier nur noch Wollhaare nach, nach deren Ausfall die Kopfhaut haarlos, glatt und weiß wird (Glatze). Auch Frauen kön­ nen starken H. haben; aber der allgemeine H. ist bei Frauen doch seltener, und eine richtige Glatzenbildung findet man bei ihnen überhaupt nicht. Bei Frauen entsteht Kahlköpfigkeit nur infolge von kreisförmigem H. Ursachen. Der Unterschied im H. bei Mann und Frau weist auf die Bedeutung innersekretor. Vorgänge für das Entstehen von H. hin. Förderlich für den allgemeinen H. ist die kleienförmige Schuppenbildung der Kopfhaut. Dieser Zustand ist auf eine trockene Seborrhö zurückzu­ führen. In anderen Fällen, v. a. bei Frauen, ist das Haar fettiger, schon wenige Tage nach dem Haarwaschen sind die Haare wieder strähnig und kleben aneinander (fettige Seborrhö). Weiter kann eine Ernährungsstörung im Be­ reich der Haarwurzeln zu H. führen. Schließlich kann der vorzeitige H. auch konstitutionell bedingt sein, er ist dann einer Behandlung schwer zugänglich. Die Behandlung des vorzeitigen H. muß in einer sorg­ samen und schonenden -» Haarpflege bestehen; über die Behandlung der Schuppenbildung -♦ Seborrhö. 3) Eine besondere Art des H. ist der kreisförmige H. (Alopecia areata). Ohne irgendwelche Beschwerden und ohne Veränderungen der Kopfhaut fallen die Haare in scharf umschriebenen rundl. Bezirken ganz plötzlich aus oder werden so locker, daß sie sich ohne Schmerzen bü­ schelweise ausziehen lassen. Die Herde können sich randwärts weiter ausbreiten und so verschieden geformte und große, völlig haarlose Flächen bilden. So kann es nicht nur zu völliger Kahlköpfigkeit kommen, sondern es können in gleicher Art alle Körperhaare (Augenbrauen, Wimpern,

Achsel- und Schamhaare) ergriffen werden. Meist wach­ sen die Haare nach monatelanger Kahlheit wieder nach, gelegentlich erst pigmentlos (weiß), später aber wieder in ursprüngl. Farbe. Am häufigsten erkranken Personen zwischen dem 15. und 30. Lebensjahr, Männer überwie­ gen. Für den kreisförmigen H. scheinen trophoneurot. Störungen (durch nervöse Einflüsse bedingte schlechte Ernährungslage der Haarwurzeln), innersekretor. Verän­ derungen oder unbekannte Erreger (H. nach Infektions­ krankheiten) die Ursache zu sein, ohne daß bisher sichere Beweise erbracht werden konnten. 4) Syinptomat. H. findet sich bei anderen Erkrankun­ gen der Kopfhaut, bes. bei Erbgrind, Hautpilzkrankhei­ ten, Hauttuberkulose, Wundrose, Furunkeln und man­ chen Geschwüren; ferner bei Syphilis (Alopecia specifica; kleine, rundl. oder etwas unregelmäßig geformte, haar­ arme Herde). — Als Anzeichen innerer Krankheiten kommt H. vor bei -»Hyperthyreose, Typhus, schwerer Grippe, Scharlach, sept. Prozessen, Lungentuberkulose, chron. Quecksilber- und Arsenvergiftung sowie bei der Therapie mit Zytostatika zur Hemmung des Wachstums bösartiger Geschwülste. Eine wichtige Ursache können kosmet. Behandlungen darstellen (Blondieren, Kaltwelle, Färben u. a.). Auch schlechte Ernährung und Entkräf­ tung kann H. zur Folge haben. Die Behandlung muß sich zunächst gegen das Grund­ leiden richten. Sie bezweckt eine kräftige Anregung der Blut- und Lymphzirkulation der erkrankten Bezirke durch Einreiben mit medikamentösem Haarspiritus oder Tinkturen, bei der hormonal bedingten (androgenet.) Alopezie mit östrogenhaltigem Spiritus; bei Alopecia are­ ata Versuch mit Corticosteroiden unter ärztl. Kontrolle. Haarbalgmilben, Demodicidae, kleine Milben von atyp. Gestalt mit wurmförmig verlängertem Hinter­ leib mit Querringelung und 4 Paaren stummelförmiger Beine. H. leben in den Haarbälgen und Talgdrüsen des Menschen (z. B. Demodex folliculorum, 0,3-0,4 mm lang), gewöhnlich ohne krankhafte Nebenerscheinungen auszulösen. Im Haarbalg von verschiedenen Säugetieren (z. B. Hund, Katze, Pferd, Rind, Schaf, Ziege) sind sie Ur­ sache der Demodexräude. Haare, fadenförmige Horngebilde, die in der äußeren Haut wurzeln und sich aus verhornenden Zellen der Ober­ haut (Epidermis) aufbauen. (Bild Haut) Die Behaarung des Neugeborenen besteht zunächst nur aus Flaumhaar, ein wenig gefärbtes Primärhaar; diesem 279

Haarausfall: kreisförmiger H.

Haarbalgmilhen

Haar folgt ab 6. Lebensmonat das Wollhaar (Lanugo). An seine Stelle tritt später das Dauer-H., zuerst das dünnere und weichere Kinder-H., auf Kopf, Brauen und Wimpern be­ schränkt; dann nach der Geschlechtsreife das End-H. Beim End-H. (Terminal-H.) unterscheidet man Lang-, Borsten- und Woll-H. Lang-H. kommen beim Menschen nur am Kopf, in der Achselhöhle, als Barthaar, Schambe­ haarung und bei Männern auf der Brust vor. Augen­ brauen, Wimpern, Nasen- und Ohren-H. sind kurze starre Borsten-H. Der übrige Körper ist mit Woll-H. be­ deckt. Frei von H. sind nur die Hohlhand und die Fuß­ sohle.

Haargefäße: Haargefäß mit Hüllzellen zwischen der kleinsten zuführenden Arterie und abführen­ den Vene (stark vergrö­ ßert); rechts Haargefäßnetz zwischen der zuführen­ den Arterie und der ab­ führenden Vene aus der Hirnrinde des Men­ schen (etwas verein­ facht, schwach vergrö­ ßert) links

mit Hullzellen

Das Wachstum der H. erfolgt nur an der Wurzel: Von der H.-Zwiebel aus entstehen junge verhornte Zellen, die nach oben allmählich zu Markzellen, Rindenfasern und Oberhautschüppchen werden. Der schon fertige Schaft wird so immer mehr nach außen geschoben. Das Wachs­ tum ist beschränkt, auch die Lebensdauer eines H. ist ver­ hältnismäßig kurz (Wimpern etwa 6 Monate, Kopf-H. '/2—6 Jahre). Das tägl. Wachstum des Haupt-H. beträgt etwa0,2—0,3 mm. Der normale H.-Ausfall beim Kopf-H. beläuft sich im Normalfall auf täglich durchschnittlich 40 H. Dieser natürl. H.-Wechsel findet beim Menschen fort­ während und unmerklich statt. Die H.-Farbe schwankt von weißl. Gelb über Braun bis Schwarzbraun und von weißl. Silbergrau über Dunkel­ grau zu Schwarz; sie wird bestimmt durch Einlagerung von Pigmentkörperchen (Melanin) in die Rindenschicht der H. Das echte Rot kommt bei allen Rassen vor. Eine be­ kannte Erscheinung ist das Nachdunkeln der H.-Farbe während der Pubertät, das auf Einflüsse der inneren Sekretion hinweist. Das Ergrauen der H. beruht auf dem Verschwinden des Farbstoffs aus dem H., da beim alternden Menschen nicht mehr genügend Pigment gebildet wird. Zwischen und in den Zellen des H. entstehen im Alter noch kleine Luftbläschen, die den Glanz des weißen H. hervorrufen. In man­ chen Familien ist frühes Ergrauen erblich. Bei seel. Er­ schütterungen und bei Krankheiten kann das H. in weni­ gen Tagen ergrauen (weiß werden). — Angeborener Farb­ stoffmangel der H. findet sich beim -»Albinismus. Bei Schwund des Hauptpigments (-» Vitiligo) büßen gewöhn­ lich auch die H. an diesen Stellen ihr Pigment ein. So ent­ stehen einzelne weiße H.-Büschel. Eine medizin. Beeinflussung des Pigmentmangels ist nicht möglich, die >Behandlung< kann nur im -» Haarfär­ ben bestehen. Über Ausfallen der H. -»Haarausfall, H.-Entfernung -►Enthaarung, Krankheiten der H. -»Haarkrankheiten, Pflege des H. -»Haarpflege. Haarfärben. Zum H. werden chemisch verschieden­ artig zusammengesetzte Farbstoffe verwendet, die von den vorher entfetteten Haaren gut aufgenommen werden. Es handelte sich früher z.T. um pflanzl. Farbstoffe (Rot­ färbung durch Henna, Blau-/Schwarzfärbung durch Reng, ein Pulver aus den getrockneten Blättern indigolie­ fernder Pflanzen), z.T. um metail. (Silber-, Kupfer-, Wis­ mutverbindungen), z.T. um Anilinfarben (Aureol, Eugatol, Primal). Heute werden fast ausschließlich Oxida­ 280

tionshaarfarben angewendet, meist in Form von Lösun­ gen, Cremes oder Haarwaschmitteln, auch mit Zusatz von Farbstoffen, opt. Aufhellern oder Lichtschutzstof­ fen . Beim H. dürfen die Haare nicht zu stark entfettet und ausgetrocknet werden, und die Kopfhaut darf durch un­ geeignete Färbemittel nicht gereizt werden. Gebleicht (blondiert) werden die Haare durch Sauerstoffeinwir­ kung, z. B. durch 3°/oige Wasserstoffperoxidlösung, oder Kamillenwaschungen (Wirkung des peroxidhaltigen äther. Öls) und auch intensive Sonnenbelichtung, bes. bei feuchtem Haar. H. kann -»Haarausfall zur Folge haben oder eine dahingehende Veranlagung fördern. Haargefäße, Kapillargefäße, Kapillaren, die feinsten, nur mit dem Mikroskop erkennbaren Blutge­ fäße, die den Übergang von den Arterien (Schlagadern)zu den Venen (Blutadern) bilden (-»Blutkreislauf). Sie ha­ ben nur eine einfache, äußerst zarte, durchsichtige Wand und in den verschiedenen Körpergegenden einen Durch­ messer von nur 5—20pm, so daß die feinsten H. gerade noch einem Blutkörperchen den Durchgang gestatten. Durch Verformung der Endothelzellen können sich H. verengen und erweitern. Die H. bilden ein dichtes Gefäß­ netz, das die Gewebe bis zu den Zellen hin mit Blut ver­ sorgt. Nur die oberste Hautschicht (Epidermis) nebst Haaren und Nägeln, der Knorpel, die Linse und die Horn­ haut des Auges besitzen keine H. Durch die dünnen Wände der H. hindurch vollzieht sich die Gewebsatmung. Außer den Blutgasen und den Nährstoffen können bei dem Vorgang der Entzündung weiße Blutkörperchen aus den H. in die Gewebsspalten austreten; auf diese Weise entsteht Eiter. Haarkrankheiten, übergeordneter Begriff für Er­ krankungen des Haarkleides verschiedener Ursache: 1) Haarwuchsstörungen: Sie treten zum einen als übermä­ ßig starke Behaarung, Hypertrichose, zum anderen als Unterbehaarung, Hypotrichose, auf. Bei der Hypertri­ chose bleiben entweder die den ganzen Körper überzie­ henden Wollhaare (-»Haare) bestehen, so daß eine Art Fell entsteht, das den ganzen Körper bedeckt (Haar­ mensch), oder es tritt, manchmal schon im Entwicklungs­ alter beginnend, eine zunehmende, umschriebene Über­ behaarung an ungewohnt. Stellen auf (z. B. Damenbart). Unterbehaarung ist zumeist angeboren. 2) veränderte Beschaffenheit. Das Ergrauen der Haare erfolgt durch Pigmentmangel. Als Ringelhaare bezeich­ net man Haare, bei denen pigmentierte und pigmentarme lufthaltige, also dunkle und helle Abschnitte abwechsein; Ursache unbekannt. Spindelhaare nennt man Haare, de­ ren Schaft in regelmäßigen Abständen stark verdünnt ist, so daß die Haare perlschnurartig aussehen; an diesen ver­ dünnten Stellen brechen die Haare leicht ab. Oft findet man in der Mündung der Haarfollikel Hornpfröpfe, die leicht über die Hautoberfläche hervor­ ragen und ein eingerolltes Härchen in sich schließen. Man bezeichnet diese Eigentümlichkeit als eingewachsene Haare und führt ihr Entstehen auf Veranlagung, im Ge­ sicht auf Schädigungen der Haare bei zu häufigem Rasie­ ren zurück. An manchen Haaren finden sich am Haarschaft in Ab­ ständen weiße, kleine, derbe Knötchen; an diesen Auftrei­ bungen knickt das Haar leicht ab und bricht. Dieses Lei­ den, Trichorrhexis nodosa, entsteht durch zu häufiges Waschen der Haare mit Alkalien und zu schnelles Trock­ nen (Heißluftdusche), also durch zu große Trockenheit der Haare. — Aus gleichen Gründen können sich die Haare an ihren Enden vielfach aufspalten. Behandlung: vorsichtige -»Haarpflege und Einfetten der Haare. (-» Haarausfall) 3) Entzündung der Haarfollikel (Haarbälge). Am wich­ tigsten ist die durch Eiterbakterien hervorgerufene -»Bartflechte. Auch im Verlauf der -»Impetigo können von den Haartalgdrüsen ausgehende, der Bartflechte ähnl. Entzündungen der Haarfollikel entstehen. — Durch Entzündung der Haarfollikel in der Wangengegend kön­ nen sich kahle, feinnarbige, von einem entzündl. Hof um­ gebene Herde entwickeln. 4) Pilzerkrankungen. Hierher gehören der Erbgrind (-►Favus), die durch Pilze hervorgerufene Art der Bart-

Haft flechte und die bei Kindern auf dem behaarten Kopf vor­ kommende Mikrosporie. Eine zweckentsprechende Behandlung der H. ist von gründ!. Untersuchung und Diagnosestellung abhängig und sollte daher fachlich geschulten Ärzten überlassen werden. Haarpflege. Zu jeder H. gehört v. a. das tägl. Käm­ men und Bürsten der Haare. Staub, Schmutz, Kopfhaut­ schuppen und leicht zersetzl. Sekret der Talg- und Schweißdrüsen sollen damit aus dem Haar entfernt wer­ den. Haare und Kopfhaut dürfen nicht durch zu spitze oder harte Borsten und zu scharfe Zinken des Kamms ver­ letzt werden. Gelegentlich werden mit dem Kämmen be­ reits in der Wurzel locker sitzende Haare entfernt. Haarwaschen. Im Interesse der Hygiene wäre eine möglichst häufige Kopfwäsche erwünscht, doch muß da­ von abgeraten werden, da heißes Wasser und Waschmittel im allgemeinen Kopfhaut und Haare stark entfetten. Das wirkt sich bes. ungünstig bei fettarmer Kopfhaut aus. Die Haare werden spröde, glanzlos, brechen leicht ab oder spalten an den Enden auf (— Haarkrankheiten). Deshalb sind im allgemeinen 1—2 Haarwäschen pro Woche zu empfehlen. Es gibt spezielle Haarwaschmittel für den trockenen, normalen und fetten Haartyp. Bei empfindl. Haut ist es angebracht, für die Kopfwäsche weiches (kalkund magnesiumsalzarmes), ggf. enthärtetes Wasser zu­ sammen mit einem milden, alkalifreien Haarwaschmittel zu verwenden, da alkal. Seifen den Haarboden reizen, Kopfhaut und Haare übermäßig entfetten und die Haare aufquellen lassen; wichtig ist reichliches Nachspülen. Um dem Haar Glanz zu verleihen, verwendet man zweckmä­ ßig bewährte Fertigpräparate als Zusatz zum Nachspül­ wasser. Getrocknet können die Haare mit einem nicht zu heißen Fön werden. Eine Nachbehandlung nach dem Haarwaschen ist nur bei starkem Fettgehalt des Haarbodens, vermehrter Schuppenbildung oder Auftreten von Juckreiz notwen­ dig. Bei fettigem Haar soll man die Kopfhaut mit einem fettlosen Haarspiritus einreiben, bei trocknem sprödem Haar sind Einreibungen mit fetthaltigen Präparaten emp­ fehlenswert. Bei -»Seborrhö kann ärztlicherseits durch medikamentöse Zusätze und medizin. Haarwaschmittel geholfen werden. Die Einreibungen sollen mit einer Mas­ sage der Kopfhaut (Friktion) verbunden werden. Dies ge­ schieht am einfachsten in der Weise, daß die Haare zu­ nächst in der Mittellinie gescheitelt werden und in diesen Scheitel mit den Fingerbeeren Spiritus kräftig einmassiert wird. In Abständen von 2 cm wird neu gescheitelt und so fortlaufend der ganze Haarboden massiert. Diese Streich­ massage soll zunächst täglich durchgeführt werden. Bei Haarausfall empfiehlt es sich, diese Massage durch Ver­ schiebungen der Kopfhaut in Längs- und Querrichtung, durch Knetungen und Beklopfungen mit den Fingern zu verstärken. Der Zweck der Massage und auch von Bcstrahlungsmaßnahmen besteht darin, die Blut- und Lymphzirkulation der Kopfhaut zu verbessern und da­ durch ihre volle Funktionsfähigkeit wiederherzustellen, die Haarwachstum, Tätigkeit der Talgdrüsen und deren nervi. Versorgung in sich einschließt. Das Kurzschneiden der Haare, das häufige Kürzen oder Absengen der Haarenden kann, da die Haare abgestor­ bene Hornmassen sind, keinen haarwuchsfördernden Einfluß ausüben. Dagegen bewährt es sich, wenn die Haare aufgespalten sind, um ein fortschreitendes Auf­ splittern zu verhindern. Vom ärztl. Standpunkt sind viele Maßnahmen der Haarverschönerung mit Vorsicht zu beurteilen. Bleichen, Färben, Haarbrennen, Dauerwellen u.a. bedeuten immer eine Belastung für das Haar. Haarpilzflechte, Trichophytie, eine —Hautpilz­ krankheit. Haarwaschmittel, Shampoos [Jamp'u:z], dick­ flüssige oder cremeförmige, wäßrige Tensid-Lösungen (meist Fettalkoholäthersulfate) mit parfümierten, ge­ färbten und konservierten Spezialsätzen (z. B. Eigelb); zur schonenden Reinigung des Haares und der Kopfhaut. Haarwässer enthalten neben Parfüm- und Farbstof­ fen 40—50% Äthyl- und/oder Isopropylalkohol und ver­

schiedene Zusatzstoffe, die die physikal. Eigenschaften des Haares (Glanz, Festigkeit, Elastizität), aber auch den Zustand der Kopfhaut (bessere Durchblutung, Beseiti­ gung der Neigung zur stärkeren Schuppenbildung ü. a.) verbessern sollen. Haarwuchsmittel, Einreibungen und Medikamente, welche das Wachstum der Kopfhaare fördern sollen. Wirksame Mittel sind bislang nicht bekannt. Lediglich ein durch mangelhafte Durchblutung der Kopfhaut behin­ dertes Kopfhaarwachstum kann durch Behandlung mit einem durchblutungsfördernde Zusätze (z. B. Nikotin­ säurederivate) enthaltenden Mittel (z. B. Haarwasser) be­ günstigt werden. Haarzunge, schwarze H., nicht besorgniserre­ gende, jedoch behandlungsbedürftige Veränderung der Zunge, bei der diese v. a. im hinteren Mittelfeld infolge Verlängerung und Dunkelfärbung der fadenförmigen Zungenpapillen wie behaart aussieht. Als Ursache wird Vitamin-B-Mangel vermutet. H. kommt auch als Folge von Penicillin- und Streptomycinbehandlung vor. - Die Behandlung richtet sich nach der Ursache und besteht z. B. in einer Vitaminergänzung. Haass, Friedrich, * Münstereifel 1780, t Moskau 1853, seit 1806 in Moskau praktizierender dt. Arzt, der vom russ. Volk wie ein Heiliger verehrt wurde; die Aner­ kennung seiner besonderen Verdienste findet noch heute in ungewöhnl. Weise Ausdruck durch die Pflege seines Grabs auf dem Moskauer dt. Friedhof. H. setzte sich selbstlos unter Aufopferung seines Vermögens (bei vielen Choleraepidemien auch seiner Gesundheit) bes. für die Leibeigenen und Strafgefangenen ein. Für diese wie auch für Bettler und Obdachlose gründete er ein eigenes Krankenhaus, eine für die damalige Zeit ungewöhnl. soziale Tat. Habitus, äußere Erscheinung, Aussehen, Haltung, Verhalten; habituell, wiederholt und verhaltenseigen auf­ tretend, z. B. habitueller Abortus, sich immer wiederho­ lende Fehlgeburt, habituelle Luxation, eine nach innerem Kapselriß immer wieder auftretende Ausrenkung, bes. des Schultergelenks. Habsburger Unterlippe, dick vorgewulstete Unter­ lippe über grob-schwerer Kinnpartie; bei den Habsbur­ gern durch viele Generationen verfolgbares, dominanterbl. Familienmerkmal. Hackenfuß, — Fußdeformitäten. Hackethal, Julius, Chirurg und Orthopäde, * Rein­ holterode 1921, wurde 1962 Professor in Erlangen; trat in der Öffentlichkeit v. a. durch seine Kritik an der >Patientenfeindlichkeit< des bestehenden Gesundheitswesens und an bestimmten Schulmedizin. Methoden der Krebs­ diagnostik (—Biopsie) und Chirurg. Krebsbehandlung (z. B. Radikaloperation bei Prostatakrebs) hervor. Hacksalz, das — Präservesalz. Hadernkrankheit, — Milzbrand. Hafer, Avena sativa, nahrhafte und gut verträg­ liche, zu den Gräsern (Graminae) gehörende Getreideart (Bild Getreide); verwendet z. B. als H.-Grütze oder als -Schleim (— Schleimabkochungen) bei akutem MagenH. Darm-Katarrh. Haferflocken, eines der gebräuchlich­ sten, aus H. hergestellten Nährmittel, das reich an Eiweiß (16%), Fett (7%), Kohlenhydraten (60%) und Mineralien (1,7%) ist. Haferstrohbad, medizinisches Teil- oder Voll­ bad mit Zusatz der an Kieselsäure reichen Abkochung von Haferstroh; in der Naturheilkunde Anwendung als Hautreizmittel bei Kreislaufstörungen, Gelenkleiden, Ischias u. ä. Haftgläser, die — Kontaktlinsen.

Haftreaktion, seel. Reaktion auf langdauernde, ex­ treme, lebensbedrohl. Belastungen, die bes. von angster­ füllter Isolation in Lager-(Konzentrationslager) oder Gei­ selhaft ausgelöst wird. Unklarheit besteht darüber, wie­ weit solche Haftfolgen mit im nachhinein bestehenden Depressionen (auch Arbeitsunlust und Apathie) ganz oder z.T. einer Konstitutionseigenschaft der Persönlich­ keit zuzuschreiben sind. Im Rahmen der Bemühungen 281

Hage

Samuel Hahnemann

v. a. amerikan. Ärzte, ein einheitl. Symptombild der Haftfolgen (körperl. Schäden und/oder seel. Folgen u. a. mit Angstzuständen, aggressivem Verhalten, Gedächt­ nisschwäche, Mißtrauen) zu gewinnen, entstand der um­ strittene Begriff des KZ-Syndroms, der zunehmend von Gutachtern der psychiatr. Fachrichtung abgelehnt wird. Die H. ist neuerlich vermehrt ins Gespräch gekommen im Zusammenhang mit den Fällen polit, und terrorist. Geiselnahme. Häufig ist psychotherapeutische Behand­ lung nötig. Hagebutte, beerenartige, rote Scheinfrucht der zu den Rosengewächsen (Rosaceae) gehörenden Hundsrose oder Heckenrose (Rosa canina), ein meist kräftiger Strauch mit überhängenden stacheligen Ästen in warmge­ mäßigten Klimazonen. Die getrockneten Scheinfrüchte enthalten Stoffe mit adstringierender (zusammenziehen­ der) und harntreibender Wirkung (Verwendung der Kerne zur Teebereitung). Frische H. enthalten viel Vit­ amin C, daneben Vitamin A, B], B2, P, K und Nikotin­ säure. Die Früchte können zu Süßmost und Marmelade verarbeitet werden. Anwendung: Heilpflanzen, Über­ sicht. Hagelkorn, Chalazion, Verdickung einer oder mehrerer Meibomscher Drüsen, die im Lidknorpel des Augenlids liegen; sie sind in Form eines Knotens deutlich zu fühlen (Bild Augenkrankheiten); Behandlung: opera­ tive Ausschälung. Haglundferse, von dem schwed. Orthopäden P. S. E. Haglund (* 1870, f 1937) beschriebene Fersenbein­ erkrankung: Exostose (-»Knochenauswuchs) am hinte­ ren steilgestellten Fersenbeinanteil, meist bei Hohlfußbil­ dung mit der Folge einer chron. Weichteil- und Knochen­ hautreizung am Ansatz der -»Achillessehne mit Beteili­ gung des Schleimbeutels. Hahn, Johann Siegmund, Arzt, * Schweidnitz (Schle­ sien) * 1664, febd. 1742, wandte Kaltwasserpackungen bei Fieber an. Er und seine Söhne, genannt die >Wasserhähnei, waren die geistigen Väter von V. Priessnitz und S. Kneipp. Hahnemann, Samuel, Arzt, * Meißen 1755, t Paris 1843, lieferte Arbeiten auf den Gebieten der Hygiene und Psychiatrie; 1810 begründete er mit seinem Hauptwerk >Organon der rationellen Heilkunde! die seit 1807 von ihm als erstem vertretene Lehre der -» Homöopathie. Hakenwurmkrankheit, Ankylostomiasis, Bergarbeiter anämie, Grubenwurmkrankheit, Tun­ nelkrankheit, durch den Befall mit 2 nahe verwandten

rungen (Fette, Kohlenhydrate) und Gewichtsverlust. Durchfall mit blutigen Beimengungen, Fettstühle, Appe­ titmangel, Übelkeit, Blähungen und Bauchschmerzen tre­ ten auf. Entwicklung der H. Die von den weibl. Würmern abgesetzten Eier werden mit dem Stuhl ausgeschieden. Bei günstigen Temperaturen schlüpfen bereits nach 1—2 Ta­ gen kleine Larven und wachsen innerhalb weniger Tage zu schlanken, agilen Larven heran, die die Fähigkeit besit­ zen, aktiv auch in die unverletzte Haut des Menschen ein­ zudringen. Sie finden sich bes. in mit menschl. Fäkalien verunreinigtem, feuchtem Erdreich, auch an Sandsträn­ den, von wo aus sie z. B. den Barfußgehenden befallen. Das Eindringen der Larven kann Juckreiz, Rötungen und erhabene, fleckförmige Veränderungen verursachen. Sie gelangen auf dem Blutweg in die Lunge, in der sie kleine Blutungen und entzündl. Infiltrationen auslösen mit der mögl. Folge grippeähnl. Symptome und/oder einer Bron­ chitis. Die Larven erreichen dann über Bronchien, Luft­ röhre, Mundhöhle, Speiseröhre und Magen den Dünn­ darm, wo sie zu geschlechtsreifen Würmern heran­ wachsen. Die H. läßt sich mit Spezialpräparaten wirksam behan­ deln; liegt Eisenmangel vor, so muß dieser ebenfalls besei­ tigt werden. Die wichtigste persönl. Vorbeugung ist das Vermeiden von Barfußlaufen. Halbseitenblindheit, die -» Hemianopsie. Halbwertszeit, Abk. HWZ, die Zeitspanne, in der die Hälfte eines Stoffs zerfallen oder abgebaut ist. Man spricht von einer physikal. und einer biolog. H. Für Ra­ dium beträgt die physikal. H. etwa 1 600 Jahre, nach die­ ser Zeit ist nur noch die Hälfte des ursprüngl. Radiums vorhanden. Die biolog. H. des Albumins im menschl. Se­ rum beträgt 20—25 Tage. Nach dieser Zeit ist die Hälfte des Albumins abgebaut und muß ersetzt werden. Aus phy­ sikal. und biolog. H. ergibt sich in grober Annäherungdie effektive H. nach folgender Formel: HWZ eff - HWZPhys- x HWZbiol. HWZphys. + HWZbiol. Halitosis, der-»Mundgeruch. Hallux valgus, Ballenzehe, X-Zehe, die Ablen­ kung der 1. Zehe als >schiefe< Großzehe in Richtung zum äußeren Fußrand, wird bes. bei Frauen beobachtet (Erb­ anlage). Die Fehlstellung entsteht allmählich, Mitursache ist ein Spreizfuß; enge, spitz zulaufende Schuhe begünsti­ gen und beschleunigen die Entstehung.

Fadenwurmarten, Ancylostoma duodenale und Necator Hallux valgus bei­ americanus (von 0,7— 1,8 cm Länge und mit hakenförmig derseits (Röntgen­ abgebogenem Vorderende), verursachtes Krankheits­ aufnahme). bild; eine der verbreitetsten Seuchen der Menschheit, bes. oben x-förmige in den warmen, feuchten Klimagebieten der Subtropen Abweichung der De­ und Tropen mit mehreren 100 Mio. Wurmträgern. Sie Großzehen. formierte 2. Zehe kann auch in gemäßigten Klimazonen bei entsprechender rechts (Hammer­ Temperatur und Feuchtigkeit (z. B. in Bergwerken) auf­ zehe). treten. - Die Würmer beißen sich mit ihrer Mundkapsel unten nach Ope­ an der Dünndarmschleimhaut fest, schneiden sie an und ration, bei der '/> verursachen Blutverluste, die sehr hoch sein können bei ei­ der Großzehen­ und nem in den Endemiegebieten nicht seltenen Befall mit grundglieder des Grundgliedes 2000 Würmern. Dementsprechend steht die Anämie im der 2. Zehe links Vordergrund des chron. Krankheitsbildes, das in der Aus­ entfernt wurden. prägung von der Anzahl der Parasiten und von der Ernäh­ An der rechten rung (bes. Zufuhr von Eisen und tier. Eiweiß) abhängt. 2. Zehe rechts Zusammen mit dem ebenfalls stetigen Serumeiweiß­ wurde ein Teil des ent­ verlust (Albuminmangel) sind allgemeine Schwäche, Mittelgelenks fernt Ödeme, Herzmuskelschwäche mit Verminderung der körperl. und seel. Leistungsfähigkeit, bei Kindern und Ju­ Am 1. Mittelfußköpfchen bildet sich am Fußinnenrand gendlichen mit Wachstums- und Entwicklungshemmung, durch den Druck des Schuhs allmählich eine knöcherne und nicht selten der Tod Folgen des chron. Siechtums. Die Vorwölbung (Ballen). Darüber befindet sich meist eine unter dem Einfluß eines starken Befalls zusätzl. Verände­ chron. Schieimbeutelentzündung, die bes. bei Kälte rungen der Darmschleimhaut (Verkürzung der Zotten, schmerzt (fälschlich als Frostballen bezeichnet). Durch entzündl. Reaktionen) führen ferner zu Resorptionsstö- die Fehlstellung der 1. Zehe wird die 2. Zehe bedrängt; da­ durch entsteht eine Hammerzehe mit typischem Hühner­ Hakenwurmkrankheit: a Ancylostoma duodenale, links Männchen, rechts auge. Weibchen, b Kopf von Ancylostoma duodenale, c Kopf Die Behandlung der Deformität ist im Jugendalter von Necator americanus, d, e, f, g Hakenwurmeier in noch mit einer Nachtschiene möglich. Einlagen mit einer chronolog. Entwicklung bis zur schlupffähigen Larve, h junge Larve, i infektionstüchtige Larve Spreizpelotte lindern die Schmerzen. StärkereGroßzehen­ 282

Hals abweichungen bedürfen der operativen Korrektur. Bei jüngeren Patienten führt man eine zweifache Durchtren­ nung des 1. Mittelfußknochens durch und beeinflußt da­ mit zusätzlich die Spreizfußbildung. Im Alter über 50 Jah­ ren werden der knöcherne Ballen und ein Teil des Großze­ hengrundgliedes operativ entfernt. Ein künstl. Großze­ hengelenk ist nur bei schweren Deformierungen an Ge­ lenkkopf und -pfanne erforderlich. Schulterzungenbeinmosk.'

Stimmbänder \s

Stimmritze

Brustzungenbeinmuskel

mittlere Halsfaszie

Speiseröhre

//

Kopfdreher

Halshautmuskel

gemeinsame •Halsschlagader

langer Halsmuskel

_____innere Drosselvene

Rippen-__ ■_ halter Gefäß­ scheide

Schulter­ blattheber

Nerven­ stränge ober­ flächliche Halsfaszie

Durchtritt für . Wirbelarterie und Wirbelvene

Querfortsatz

Kappenmuskel Nackenband

Nackenmuskulatui

\ Dornfortsatz

Wirbelkanal

Hals: Querschnitt in Höhe der Stimmbänder Halluzination, Sinnestäuschung, eine Wahrneh­ mung von vermeintlich Vorhandenem; sie kommt ohne Anregung durch äußere Sinnesreize zustande. Die Kran­ ken hören Stimmen oder Geräusche (Akoasmen), sie >sehen< Ungeziefer (auch weiße Mäuse) und anderes. Es gibt auch Geruchs- und Geschmacks-H. sowie Tast-H. und Täuschungen der Leibesempfindungen. H. kommen vor bei -» Schizophrenie (oft mit Wahner­ lebnissen verbunden), anderen seelischen Krankheiten, im —Delirium, im Giftrausch (Meskalin, Haschisch, Opium), bei epilept. — Dämmerzuständen, aber auch bei Erkrankungen des Gehirns, z. B. Geschwülsten im Schlä­ fen- oder Hinterhauptlappen. Die auch beim gesunden Menschen mögl. Wahrnehmungstäuschung heißt — Illu­ sion. Halluzinogene (Phantastika) sind ehern. Stoffe, die H. auslösen können; zu ihnen gehört u.a. Lysergsäurediäthylamid (Abk. LSD), das synthetisch aus Lysergsäure (Stammsubstanz der Mutterkornalkaloide) gewonnen wird (— Psychotomimetika). Halogenkohlenwasserstoffe, Verbindungen von Kohlenwasserstoffen mit Chlor, Brom, Jod oder Fluor; verwendet in Löse-, Extraktions-, Reinigungs-, Kühl-, Treib-, Narkose- und Schädlingsbekämpfungsmitteln. H. wirken in Dampf-oder Staubform überdie Atemwege, in flüssiger Form über die Haut (da fettlösend). Rausch­ zustände (Suchtgefahr), zentrale und peripher-nervöse Störungen, Leber- und Stoffwechselschäden sind mög­ lich. Schwer heilende Hautschäden (Chlorakne, Hyper­ keratosen) können auftreten. Wenn am Arbeitsplatz er­ worben, können die durch H. ausgelösten Schäden Be­ rufskrankheiten sein. Überwachung durch ermächtigte Ärzte beim Umgang mit bestimmten H. ist vorge­ schrieben. Hals, der Kopf und Rumpf verbindende Körperteil. Der rückenwärts gelegene Teil des H. heißt Nacken. Als Stütze des menschl. H. dienen die 7 Halswirbel der Wir­ belsäule, die in ihrem Wirbelkanal den oberen Teil des Rückenmarksenthalten und im Kanal ihrerQuerfortsätze die beiden zum Gehirn verlaufenden Wirbelarterien ein­ schließen. Die Bewegung des Kopfs gegenüber dem H. wird durch die beiden obersten H.-Wirbel vermittelt. Un­ mittelbar unter der Haut des H. liegt in der Mittellinie vorn der Kehlkopf, vor dem Kehlkopf und seitlich von diesem die Schilddrüse. Der Kehlkopf setzt sich nach un­ ten in die Luftröhre fort. Hinter Kehlkopf und Luftröhre

liegt, von beiden verdeckt, der Anfangsteil der Speise­ röhre. Seitwärts befinden sich die vorderen Halsmuskeln, bes. die für die Kopfdrehung bestimmten, vorspringen­ den Kopfdreher. Die Muskeln sind von Häuten umgeben, der oberflächl., der mittleren und der tiefen H.-Faszie. Außerdem sind im H. der Rachen mit der Zungen Wurzel und dem Zungenbein und viele Lymphknoten enthalten. Zwischen diesen Teilen hindurch verlaufen die inneren Drosselvenen und rechts und links die Halsschlagadern. Letztere teilen sich in der Höhe des Kehlkopfs in die äuße­ ren H.-Schlagadern, welche die H.-Organe, das Gesicht und die Schädelwände mit Blut versorgen, und in die für Gehirn und Auge bestimmten inneren H.-Schlagadern. An jeder Seite der H.-Wirbel treten aus dem H.-Teil des Rückenmarks 8 Halsnerven hervor, von denen sich die 4 obersten zum H.-Geflecht vereinigen und an der Haut un­ terhalb des Ohrs, an der Haut des H., der Schulter, der oberen Brustgegend und an den H.-Muskeln verbreiten, während die 4 untersten mit den ersten Brustnerven das Armgeflecht bilden und von diesem aus die Schultermus­ keln und den ganzen Arm versorgen. Weiter liegen am H. der IX., X. und XII. Gehirnnerv (-»Nervensystem) und hinter der gemeinsamen H.-Schlagader der H.-Teil des Grenzstrangs des Sympathikus. Halsbräune, -» Krupp. Halsentzündung, -»Mandelentzündung. Hallux valgus: oben Spreizfuß mit H. v. mittleren Gra­ des. Die Zehen sind aus ihrer natürlichen Richtung erheb­ lich zur Kleinzehenseite abgelenkt, das Großzehengelenk erscheint durch Anlagerung eines verdickten Schleim­ beutels verbreitert; unten derselbe Fuß nach Anlegung der H.-v.-Bandage nach Thomsen Halsfisteln, Halskiemenfisteln, angeborene, eine schleimige Flüssigkeit absondernde schlauchartige Ver­ bindungen mit äußerer Öffnung meist oberhalb des Brustbein-Schlüsselbein-Gelenks und innerer Öffnung im Schlundkopf, seltener im Kehlkopf. Die H. stellen eine Hemmungsmißbildung dar, da sie durch das Offenblei­ ben der in der frühesten Entwicklungsstufe des Embryos vorhandenen Kiemenspalten entstehen. Halsmark, oberer Teil des -* Rückenmarks. Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Abk. HNO, OtoRhino-Laryngologie, Fachgebiet der Medizin, befaßt sich mit Erforschung, Erkennung und Behandlung der Krankheiten der Ohren, Nase, Nasennebenhöhle, des Na­ senrachenraums, der Mundhöhle mit den Speicheldrü­ sen, des Rachenraums mit den Mandeln, des Kehlkopfs sowie der Speiseröhre und der Luftröhre (mit dem Bron­ chialbaum), soweit letztere auf direktem Weg durch den Rachen zu erreichen sind. Halsrippen, unvollständige Rippenbildung z. B. am 7. Halswirbel. Sie kommt bei ungefähr einem Prozent aller Menschen vor und ist als Knochenvorsprung in den Schlüsselbeingruben fühlbar und sichtbar. Die H. können durch Druck auf die Schlagader oder auf die Nerven am Hals zu Zirkulationsstörungen und Nervenstörungen im Arm (-» Skalenussyndrom) führen und müssen dann ope­ rativ entfernt werden. Halsschmerzen, meist mit Brennen, Schluckbe­ schwerden und Engigkeitsgefühl im Rachenbereich ver­ bundene Schmerzen. Sie gehen mit einer entzündlichen Rötung des Rachens einher und finden sich als Frühzei­ chen oder Begleiterscheinung bei allen katarrhal. Erkäl­ tungskrankheiten, bei Mandelentzündung (Angina) und Schleimhautentzündung des Rachens sowie bei einigen Infektionskrankheiten wie Scharlach; ferner bei Diphthe­ rie (süßl. Mundgeruch, weißl. zusammenhängender Be­ lag auf den Mandeln) u. a. Behandlung: feuchte kalte Halswickel, flüssige Kost und in schweren Fällen schmerzstillende Mittel. Steigt die Temperatur an, nimmt die Schwellung im Hals zu oder

Halswirbelsäule mit degenerativen Veränderungen; a harte Rückenmarkshaut, b Rückenmark, c Dorn­ fortsatz, d gelbes Längsband, e Randleisten der Wirbel­ körper mit vermehrter Knochenwucherung,/verschmä­ lerte Zwischenwirbelscheiben, g vorgefallene Zwischen­ wirbelscheiben, h I. Brustwirbel, 1-7Wirbelkörper 283

Hallux valgus

a

Halswirbelsaule

Hals finden sich schmerzhafte Drüsenschwellungen unterhalb des Unterkiefers oder Beläge im Rachenraum, ist der Arzt zu benachrichtigen. Halswickel, -»Prießnitz-Wickel. Halswirbelsäule, Abk. HWS, oberster Abschnitt der Wirbelsäule. Die H. besteht bei allen Säugetieren (also auch bei der Giraffe) aus 7 Halswirbeln. Der oberste wird Atlas genannt, der 2. Halswirbel trägt die Bezeichnung Axis, früher Epistropheus. Im Wirbelkanal befindet sich das Halsmark mit wichtigen Hirnzentren, z. B. für die At­ mung. In den Halswirbeln verläuft auf der rechten und linken Seite die Vertebralarterie (Arteria vertebralis). Durch überstarke Drehung (Unfall) des Kopfes kann eine dieser Arterien gedrosselt werden. Verschleißerscheinun­ gen werden an den Halswirbelkörpern bes. häufig beob­ achtet . Als degenerative Knochenwülste und Randleisten­ veränderungen der Wirbelkörper können sie ihre Umge­ bung durch Druck beeinträchtigen (Rückenmarkkanal, Blutgefäße). Es kommt dann zum -► Halswirbelsyndrom. (BildS. 283) Halswirbelsyndrom, Zervikalsyndrom, vielfälti­ ges Beschwerdebild mit oder ohne erfaßbare Veränderun­ gen der Halswirbelsäule und Gefäßbeteiligung. Ursachen sind: Abnutzungserscheinungen an den Wirbelgelenken, Blockierungen von Wirbelgelenken in physiolog. End­ stellung, Bandscheibenverschmälerung, Bandscheiben­ vorwölbung oder Bandscheibenvorfall (selten), Kno­ chenspornbildung an den Wirbelkörpern. Symptome: Schmerzen im Nacken, treten bei allen Bewegungen, bes. aber beim Drehen des Kopfes zur Seite, auf (Zwangshal­ tung des Kopfes). Beim oberen Zervikalsyndrom bestehen zusätzlich Kopfschmerzen, evtl. Schwindel, Brechreiz; kurzfristige Ohnmächten (selten) sind möglich. Beim unteren Zervi­ kalsyndrom strahlen die Schmerzen in Schulter, Arm, Hand und Finger aus; diese Erscheinungen werden daher als --Schulter-Arm-Syndrom bezeichnet. Behandlung: Ruhigstellung mit Halskrawatte, ent­ zündungshemmende Medikamente, Massagen, Chiro­ therapie oder Einspritzungen in die schmerzhaft ver­ spannte Halswirbelsäulenmuskulatur. Die Behandlung ist oft sehr langwierig. Haltlosigkeit, Persönlichkeitseigenschaft, gekenn­ zeichnet durch einen Mangel an selbständigem, aktivem Willenseinsatz. Die inneren Einflüsse des Menschen sind bei H. über­ wiegend die eigenen Triebe, Gefühle, Stimmungen, Be­ gierden und Leidenschaften, denen er ohne die geringste Willenssteuerung nachgibt; es mangelt an der für ein ge­ ordnetes Leben notwendigen Festigkeit, Selbstbeherr­ schung und Selbstdisziplin. Da aber die inneren Erlebnisse häufig von äußeren Ein­ flüssen angeregt werden, zeigt sich das Fehlen der Willens­ haltung in erhöhter Beeinflußbarkeit und Verführbar­ keit. So ist der Haltlose guten oder schlechten Einflüssen aus seiner Umgebung leicht zugänglich. Aus Mangel an Selbstdisziplin gerät er schnell in schlechte Gesellschaft. H. zeigt sich in den verschiedensten Lebenslagen, z. B. Nachlässigkeit in der Berufsausübung, häufiger zielloser Stellungswechsel, unbegründete Berufsänderung, Ab­ bruch von Ausbildung und Lehre, kritikloser Anschluß an fragwürdige Personen und Gruppen. Anfälligkeit für Schuldenmachen, sexuelle Ausschweifungen sowie der Gebrauch von Rauschmitteln sind typ. Verhaltensweisen. Sozialer Abstieg und häufig auch Verstöße gegen Gesetze sind auf die Dauer kaum vermeidlich. Wie weit dieser so­ ziale Verfall gehen kann, hängt neben dem Ausmaß der Charakter- und Willensschwäche sehr von den Milieu­ einflüssen ab. (--Erziehung) H. kann, muß aber nicht mit intellektueller Minderbe­ gabung verbunden sein. Nur dort kann für den Haltlosen ein günstiger Lebenslaufgesichert werden, wo der Mangel an innerem Halt ersetzt wird durch äußeren Halt, wenn der Haltlose in einer guten Gemeinschaft mit festen Auf­ gaben und Regeln seine Geborgenheit findet. Haltung:

Haltungsfehler; o Kyphose, b Skoliose, c Lordose, d veränderte Hautfaltenbildung durch Haltungsfehler

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Halswirbelsyndrom: links normale Halswirbelsäule, an allen Wirbelkörpern (Pfeil) bei H.

rechts Spornbildung

Haltung, Körperhaltung mit aufrechtem Stand auf der Unterstützungsfläche der beiden Füße und auf den Stützsäulen der beiden Beine. Das Becken, das beide Beine miteinander verbindet, bildet mit dem fest in den Beckenring eingefügten Kreuzbein die Grundlage für den Aufbau der Wirbelsäule, der knöchernen Mittelachse des Oberkörpers, auf deren oberem Ende der Kopf sitzt. Diese aufrechte H., die den Menschen von anderen Säuge­ tieren unterscheidet, ist das Endergebnis einer langen Ent­ wicklung. Erst allmählich ist es zu einer Spezialisierung der Beine zu Tragorganen und der Hände zu reinen Greif­ organen gekommen. Diese Aufrichtung erfolgte v. a. durch eine Streckbewegung in beiden Hüftgelenken, die aber nicht volle 90° erreicht. Die Basis der Wirbelsäule, das Kreuzbein, steht nicht senkrecht, sondern noch erheb­ lich nach vorn geneigt, so daß eine völlig gerade Wirbel­ säule ebenfalls schräg nach vorn aufsteigen müßte. Durch eine Rückbiegung im untersten Teil dicht oberhalb des Kreuzbeins richtet sich die Wirbelsäule weiter auf und nä­ hert sich daher in ihrer Gesamtrichtung der Senkrechten. In ihrem Brustteil wölbt sich die Wirbelsäule dagegen nach hinten (dorsal) vor, während die Halswirbelsäule wiederum eine Verwölbung nach vorn (ventral) aufweist. Die Wirbelsäule bestimmt die äußere Form des Oberkör­ pers und ist sehr wichtig für die Gesamt-H. des ganzen Körpers. Durch ihre reiche Gliederung ist sie ohne weite­ res imstande, Stellungsänderungen ihrer Basis, des Bekkens, wieder auszugleichen, damit das Gleichgewicht nicht verlorengeht. Durch diese Anpassungsfähigkeit wird die Wirbelsäule in ihrer Form sehr stark abhängig von der Stellung des Unterkörpers, bes. des Beckens. Eine Verstärkung der Beckenneigung z. B. führt automatisch zur Verstärkung der Lendeneinsattelung, zum Hohl­ kreuz. Diese Tatsache beweist, wie sehr die einzelnen Teile des menschl. Gliederbaus voneinander abhängig sind und wie sehr alle Zusammenwirken müssen, um eine gute H. zu erzielen. Diese einzelnen Elemente sind: 1) die Knochen, bes. die langen Röhrenknochen der Beine, das Becken und die knöchernen Bausteine der Wirbelsäule, die einzelnen Wirbel; 2) die sehnigen Gelenkbänder, welche die Bewe­ gungsschläge als Hemmungsbänder begrenzen. Von be­ sonderer Bedeutung sind die Seitenbänder der Kniege­ lenke, die eine Überstreckung unmöglich machen, und ebenso die Bänder des Hüftgelenks, die ebenfalls eine Überstreckung verhindern, dagegen eine Beugung erlau­ ben. Der durch diese Hemmungsbänder und die Form der Gelenk flächen bestimmte freie Bewegungsraum in den Gelenken wird beherrscht von der Muskulatur. Ihre Stärke oder Schwäche bestimmt daher auch die Dauerhal­ tung, die der Mensch im aufrechten Stand einnimmt, ent­ scheidend mit. Die Grundhaltung ist ererbt, kann jedoch durch äußere Einflüsse wie Wachstum, Alter, Training der Muskulatur, bes. aber auch durch Krankheiten abge­ wandelt werden. Ob die H. funktionsgerecht ist, hängt von der Wirbelsäule, aber auch von der Muskulatur ab (Trainingszustand der Rücken- und Bauchmuskeln). Die Urteile >gute< und »schlechte! H. orientieren sich an ästhet. Maßstäben. Es gibt dafür keine absoluten Meß­ werte. Die schlechte H. fällt durch eine Störung der Har­

Hama monie auf: Der Kopf wird leicht gebeugt, der Rücken ist stärker gerundet, die Schultern hängen nach vorn, die Schulterblätter heben sich von der Rumpfwand ab. Bei starker Beckenkippung nach vorn und schlaffen Bauch­ decken wölbt sich zusätzlich die Bauch wand vor. Die Len­ denwirbel-Kreuzbein-Gegend ist nach vorn durchge­ drückt; es kommt zum Hohlkreuz (Lordose). Für das Kleinkindalter ist ein Flachrücken charakteri­ stisch. Ab 3 Jahren bilden sich allmählich die normale Lendenlordose (Krümmung nach vorn ohne Seitabweichung) und Brustkyphose (Krümmung nach hinten ohne Seitabweichung) aus. Man unterscheidet zwischen Haltungsfehlern als Ab­ weichungen von der Normal-H., bei denen aktive oder passive Korrektur möglich sind, und Haltungsschäden, bei denen keine aktive, sondern nur noch passive Korrek­ tur durch Korsett oder Operation stattfinden kann. Die Gesamtheit möglicher H. und Fehl-H. wird nach folgen­ den Haltungstypen gegliedert: normaler Rücken, hohl­ runder Rücken, Rundrücken, Flachrücken, unsichere Haltung und Seitabweichungen der Wirbelsäule (Sko­ liosen). 1) normaler Rücken, die durch normale Brustkyphose und Lendenlordose gekennzeichnete H. Auch eine nor­ male H. kann durch Ermüdung oder seel. Belastung Ab­ weichung vom H.-Ideal erkennen lassen. Der selbstbewuß­ te Mensch geht aufrecht, der trauernde zeigt eine mehr ge­ beugte H. Im Alter tritt eine Zunahme der Brustkyphose durch Osteoporose (->• Knochenschwund) auf. 2) hohlrunder Rücken, gekennzeichnet durch ver­ mehrte und teils fixierte Brustkyphose und Lendenlor­ dose. Die Ursachen sind vielfältig. Am häufigsten tritt dieser Formfehler bei der -»Scheuermannschen Krank­ heit im Pubertätsalter und bei alten Menschen (Osteopo­ rose) auf. 3) Rundrücken, Haupttyp der Rückenform bei H.Schwäche im Jugendalter. Zur Beurteilung der Haltelei­ stung dient der Test nach Matthiass: Der Jugendliche wird aufgefordert, bei entkleidetem Oberkörper die Hände und Arme auf 90° anzuheben. Wenn es ihm mög­ lich ist, die aufgerichtete H. über 30 Sekunden unverän­ dert beizubehalten, dann liegt keine H.-Schwäche (Hal­ tungsinsuffizienz) vor. Besteht bei diesem Test keine Aufrichtmöglichkeit, spricht man von einem Haltungs­ verfall. 4) Flachrücken, tritt meist zusammen mit H.-Schwäche auf. Behandlung der H.-Schwäche durch krankengymnast. Übungen, Schwimmen, Handball, Volleyball, Dau­ erlauf. Aus den H.-Typen 2)—4) kann sich im Wachstumsalter eine Skoliose, auch als juvenile Kyphose im Sinn einer Scheuermannschen Krankheit, entwickeln. Deshalb sind alle 6 Monate orthopäd. Kontrolluntersuchungen anzu­ raten. 5) unsichere Haltung, typisch für das Vorschulalter, in dem die Kinder nur wenige Sekunden eine Normal-H. ein­ nehmen können. Sie imitieren fast alle H.-Fehler; Be­ handlung wie bei der Haltungsschwäche beim Flach­ rücken. 6) Seitabweichung der Wirbelsäule (Skoliosen), dau­ ernde seitl. Rückgratverbiegung. Als vorübergehende Seitabweichung der Wirbelsäule wird sie Skoliosierung genannt; sie entsteht z. B. bei Beckenschiefstand infolge einseitiger Beinverkürzung oder ständiger einseitiger Be­ lastung (Schulranzen). Ursachen der Skoliosen sind angeborene Wirbelmiß­ bildungen, Lähmungen, z. B. Poliomyelitis, Wirbelver­ formung (Keilwirbel, Schmetterlingswirbel), z. B. nach Wirbelbrüchen. Am häufigsten jedoch ist die angeborene Veranlagung (idiopathische Skoliose). Die idiopathischen Skoliosen werden eingeteilt in: Säuglingsskoliose, meist verbunden mit Schiefkopf, Hüftdysplasie, Beckenasymmetrie, Knick-Hacken-Füßen oder Klumpfüßen. Die Heilungsaussicht ist günstig. Behandlung: Lagerungsbrett oder Bandagen; infantile Skoliose, tritt zwischen dem 2. und 3. Lebens­ jahr auf, vorwiegend sind Knaben betroffen. Es liegt starke Rotation der Wirbelkörper vor, die Heilungsaus­

sichten sind schlecht. Meist ist operative Behandlung er­ forderlich; juvenile Skoliose, selten, Auftreten zwischen dem 5. und 7. Lebensjahr. Heilungsaussichten wie bei der infan­ tilen Skoliose; Adoleszentenskoliose, häufigster Typ, von dem v. a. Mädchen betroffen sind. Die ersten Veränderungen wer­ den während der Pubertät bemerkt. Die Heilungsaussich­ ten sind je nach betroffenem Abschnitt der Wirbelsäule verschieden. Behandlung: bei Seitabweichung unter 20° (leichte Skoliose) krankengymnast. Übungen. Bei Skoliose von 20—45° (mittelschwere Skoliose) müssen an­ gepaßte Spezialkorsetts getragen werden. Die schweren Skoliosen über 60° bedürfen der operativen Korrektur. Häm, zweiwertiges Eisen enthaltender, eiweißfreier Anteil (prosthet. Gruppe) von Hämoproteiden wie Hä­ moglobin oder Myoglobin der Muskelzellen. Hamamelis, Virginianische Zaubernuß, Hama­ melis virginiana, zu den Hamamelisgewächsen (Ha-

mamelidaceae) gehörender, bis 7 m hoher Strauch, hei­ misch in Nordamerika und Ostasien, dessen Blätter zur Blütezeit (September-Dezember) meist schon abgefallen sind und dessen Früchte erst im nächsten Frühjahr bis Sommer reifen. Die im Herbst gesammelten, getrockne­ ten Laubblätter und die Rinde enthalten den Gerbstoff Hamamelitannin (Verwendung in Heilsalben, z. B. gegen Hämorrhoiden, in kosmet. Präparaten). Anwendung: Heilpflanzen, Übersicht. An Stelle dieser Droge werden oft auch die Blätter des zu den Birkengewächsen (Betulaceae) gehörenden Hasel­ nußstrauches (Corylus avellana) verwendet, die eine ähnl. Wirkstoffkombination enthalten. Häm|angiom das, das -► Blutgefäßmai. Häm |arthros der, ein bluthaltiger -»Gelenkerguß. Hämat|emesis die, das -»Bluterbrechen. Hämatin das, der eisenhaltige, eiweißfreie Teil des Blutfarbstoffs Hämoglobin. Die Verbindung von H. und Salzsäure, das Hämin, ist wichtig z. B. für den Blutnach­ weis in der gerichtl. Medizin (Teichmannsche Hämin­ probe). Hämatoblastosen, bösartige Blutkrankheiten, die auf Entartung (Hämatoblastom) der Blutstammzellen (Blästen) beruhen, z. B. die Leukämie, volkstümlich auch Blutkrebs genannt. hämatogen, aus dem Blut stammend, auf dem Blut­ weg zustande kommend. Hämatokolpos der, Stauung des Menstrualbluts in der Scheide, bes. bei angeborenem Fehlen einer Öffnung im Jungfernhäutchen junger Mädchen, u. U. durch Rück­ stau mit einer -»Hämatometra einhergehend. (-»Ame­ norrhö, -»Jungfernschaft) Hämatokrit, Maß für den Anteil der geformten Blut­ bestandteile in %. Die Bestimmung erfolgt durch Zentri­ fugation von ungerinnbar gemachtem Blut in einer Glas­ kapillare. Der Normalwert liegt zwischen 40 und 50 Vol.-%. Der H.-Wert ist wichtiges Kriterium für die Infu­ sionsbehandlung. Hämatologie, Teilgebiet der inneren Medizin, das sich mit Physiologie und Pathologie des Blutes, der blut­ bildenden Organe und der Erkennung und Erforschung von Blutkrankheiten befaßt. Hämatom das, der -» Bluterguß. Hämatometer, Hämometer, Apparat zur Bestim­ mung des Gehalts an Blutfarbstoff. Hämatometra, Stauung des Menstrualbluts in der Gebärmutterhöhle bei Verschluß des Muttermunds oder des Halskanals der Gebärmutter (-► Gebärmutterkrank­ heiten, -► Hämatokolpos). Hämatopo|ese, die Blutbildung (-»Blutkörper­ chen). Hämatothorax, Hämothorax, Bluterguß in die Haltung: Körperhaltung; menschl. Knochengerüst in aufrechter Haltung, von der Seite gesehen. ////Horizon­ tale, V Vertikale

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Hama Hämoglobinopathi|en, Gruppe erblicher Blut­ krankheiten, bei denen das Globin (Eiweißkomponente des Hämoglobins, -»Blutfarbstoff) eine abnorme Zu­ sammensetzung aufweist. Bei den mischerbigen (hetero­ zygoten) Formen der H. entwickelt sich i. d. R. nur eine leichte hämolyt. Anämie (d. h. eine Blutarmut infolge ver­ kürzter Lebensdauer der roten Blutkörperchen), während die reinerbigen (homozygoten) H. meist recht schwer ver­ laufen. Krankheitszeichen sind Müdigkeit, Schwäche, Atemnot; in schweren Fällen auch Gelenk- und Leib­ schmerzen, Erbrechen und Fieber, häufig bestehen Gal­ len- und Herzbeschwerden. Eine der häufigsten H. ist die Sichelzellenanämie, bei Hämat|urie, Blutharnen, Harnblutung, Beimi­ der die roten Blutkörperchen das krankhafte Hämogloschung von roten Blutkörperchen im Harn. Alleinige binS(Abk. Hb S) enthalten. Bei der Thalassämie wird das Urinrotfärbung bedeutet nicht H. Die Diagnose erfolgt beim Fetus normale Hämoglobin F für das ganze Leben mikroskopisch. Blut im Harn kann aus der Niere (Entzün­ an Stelle des Hämoglobins A des Erwachsenen gebildet. Nachweis von H. gelingt durch kombinierte Verfahren dung, Steine, Tumor, Verletzung), dem Harnleiter, der Blase, der Harnröhre oder aus der Regelblutung stam­ mit Hilfe der Papierelektrophorese und Chromatogra­ men. Auch Überdosierung von Medikamenten zur Blut­ phie. verdünnung (-»Quick-Test) kann H. auslösen. H. muß Hämoglobin|urie, Ausscheidung von Blutfarbstoff ursächlich abgeklärt werden. Die Erhöhung der Trink­ (Hämoglobin) im Harn nach vorausgegangenem Zerfall menge und damit der Urinproduktion verhindert das Ver­ der roten Blutkörperchen in der Blutbahn (-» Hämolyse). klumpen des Blutes in den ableitenden Harnwegen. Die Der freiwerdende Blutfarbstoff wird durch die Nieren frühzeitige Feststellung der Ursachen einer H. durch den ausgeschieden. H. kann ausgelöst werden durch Blutgifte Arzt ist Voraussetzung für einen günstigen Krankheits­ (Morchelgift, Benzolderivate wie Anilin, Pyridin, Nitro­ verlauf. benzol, Kaliumchlorat) und durch Infektionskrank­ Hämiglobin, oxidierte Form des Hämoglobins heiten. Dazu gehört das -»Schwarzwasserfieber bei der Malaria. H. kann auch anfallsweise auftreten, bes. in­ (-» Blutfarbstoff). folge starker Abkühlung und erheblicher körperl. An­ Hammer, anatom. Bezeichnung für ein Gehörknö­ strengung (Marsch-H.). — Die Behandlung richtet sich chelchen im -»Ohr. nach der Ursache. Von der H. zu unterscheiden ist das Blutharnen (-» Hä­ Hammerzehe, hammerähnl. Zehenstellung, entstan­ den durch Sehnenverkürzung (Kontraktur) im Bereich maturie). der Zehenmittelgelenke an der 2. bis 5. Zehe. Durch die 2 3 4 Hämolyse, Austritt des Blutfarbstoffs aus dem Ge­ rüst der roten Blutkörperchen, wodurch das normaler­ Hammerzehe: 1 Hühnerauge (Hornschwiele); 2 Zehenendgelenk; 3 Zeweise deckfarbige (undurchsichtige) Blut iackfarbig henmittelgelenk, in vermehrter Beugestellung, teilver­ (durchsichtig) wird. H. kann hervorgerufen werden: steift; 4 Zehengrundgelenk mit Mittelfußköpfchen 1) durch Säuren, Laugen, Salzlösungen, hypoton. Lösun­ Beugestellung in den Mittelgelenken drückt der Knochen gen (-* Resistenzbestimmung), Tier-, Pflanzen- und Bak­ vermehrt unter der Haut. Zusammen mit dem Druck des teriengifte, Saponine, ferner u. a. durch lipoidlösl. Stoffe Oberleders der Schuhe entstehen -»Hühneraugen. H. wie einwertige Alkohole, Harnstoff, Azeton, Chloro­ werden sehr häufig beim Spreizfuß, aber auch bei anderen form; 2) durch Hämolysine. Werden dem Blut eines Tie­ Fußdeformitäten beobachtet. res A Blutkörperchen einer fremden Art B eingespritzt, Behandlung: H.-Bandagezum Schutz gegen den ver­ bilden sich diese Hämolysine, welche die fremden Blut­ mehrten Druck; Operation. körperchen aufzulösen imstande sind. Der durch H. frei­ Hämochromatose, Siderophilie, Eisenspei­ gewordene Blutfarbstoff wird, soweit nicht an -»Hapto­ cherkrankheit, vermehrte Eisenablagerung im Orga­ globin gebunden, durch die Nieren ausgeschieden. Der nismus mit Dunkelfärbung der Haut (-» Bronzediabetes) Harn sieht dunkelbraunrot aus (-» Hämoglobinurie). Auf und Störung der Funktion zahlreicher Organe. Die pri­ H. beruhen z. B. hämolyt. Anämien, die -»hämolytische märe H. ist eine seltene dominant-erbl. Stoffwechselstö­ Neugeborenenerkrankung und der hämolyt. Ikterus rung, die zu den Speicherkrankheiten gehört, sekundäre (-►Gelbsucht). H. tritt nach chronisch vermehrter Eisenzufuhr, z. B. hämolytische Neugeborenen |erkrankung, nach häufigen Bluttransfusionen auf. Morbus haemolyticus neonatorum, Abk. Mhn, Neugeborenengelbsucht, Erythroblastose, Hämodialyse, -»Dialyse. durch Zerstörung der kindl. Blutkörperchen (Hämolyse) Hämodynamik, die Lehre von den Gesetzen der Blut­ bewirktes Krankheitsbild, bei dem man im Blut häufig bewegung, im wesentl. der die Mechanik der Herz- und kernhaltige Vorstufen der roten Blutkörperchen (Ery­ Gefäßfunktion umfassende Teil der Physiologie des Blut­ throblasten) vermehrt vorfindet. Je nach der Schwere der kreislaufs. Erkrankung beobachtet man Blutarmut, schwere Gelb­ Hämofiltration, ein Verfahren der Blutentgiftung sucht oder angeborene Wassersucht. Gelegentlich ma­ durch Ausfilterung von Stoffwechselendprodukten aus chensicherst beim Schulkind oder später Lähmungen und dem Blut, wobei die physiolog. Vorgänge des Glomeru- Inteiligenzstörungen infolge einer Schädigung der Ner­ lums der Niere z. T. nachgeahmt werden (-► Dialyse). An­ venzellen des Gehirns durch Ablagerung von Blutabbau­ wendung bei Vergiftungen und Niereninsuffizienz. produkten (Kernikterus) bemerkbar. In schwersten Fäl­ len sterben die Kinder schon im Mutterleib ab. Hämoglobin, der-»Blutfarbstoff. Ursache für die Zerstörung der kindl. Blutkörperchen Hämoglobin|ämie, das Auftreten größerer Mengen ist in über 95% der Fälle die Rhesusunverträglichkeit des freien Hämoglobins im Blut, hervorgerufen durch Aus­ Kindes mit der Mutter. Eine solche Unverträglichkeit be­ tritt des Hämoglobins aus den roten Blutkörperchen in­ steht, wenn das Kind vom Vater das Rhesusmerkmal folge von Hämolyse. Der Gehalt an Hämoglobin im (-» Blutgruppen) geerbt hat und damit seine Blutkörper­ Blutplasma bei normaler Blutmauserung liegt unter chen rhesuspositiv sind, während die Mutter rhesusnega4 mg% (Einheit Milligrammprozent). Ein Teil des freien tiv ist und somit ihren Blutkörperchen das Rhesusmerk­ Hämoglobins ist im Blut an Haptoglobine gebunden. mal fehlt. Bei diesem Zusammentreffen entstehen bei Reicht die Bindungsfähigkeit nicht mehr aus, kommt es durchschnittlich 4—5% der Mütter Rhesus-Antikörper, zu Hämoglobinurie. H. tritt z. B. bei erworbenen hämoly­ die auf dem Weg über den Mutterkuchen in den kindl. tischen Anämien, Transfusionszwischenfällen, Infektio­ Kreislauf gelangen und hier die rhesuspositiven Blutkör­ nen, Vergiftungen und nach Schlangenbissen auf. perchen des Kindes zerstören. Nur wenn die Mutter solche

Brustfellhöhle, z. B. bei Geschwülsten des Brust- und Rip­ penfells, auch nach Stich- und Schußverletzungen. Hämatozele die, umschriebene Ansammlung von Blut, meist in der freien Bauchhöhle, wo sie sich der Schwere nach in den Douglasschen Raum absenkt. Sie wird gelegentlich bei inneren Verletzungen beobachtet; meist ist sie die Begleiterscheinung (Tubarabort) einer Ex­ trauterinschwangerschaft. Die H. wird durch Ansaugen des Blutes aus dem Douglasschen Raum erkannt. Sie muß operativ entfernt werden. Als H. wird auch die meist als Verletzungsfolge auftretende Blutung zwischen die bin­ degewebigen Hüllen des Hodens bezeichnet.

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Hand Antikörper gegen die Blutkörperchen des Kindes gebildet hat, erkrankt das Kind. Die Untersuchung auf besondere Immunantikörper ist daher von ausschlaggebender Bedeutung, während die Bestimmung des Rhesusmerkmals nur einen vorläufigen Test darstellt. Dadermütterl. Organismus nur allmählich die Bildung dieser Antikörper lernt, ist das erste Kind im­ mer gesund, falls die Mutter nicht früher rhesusunverträgl. Transfusionen erhalten hat. Auch beim 2. Kind ist die Gefahr noch relativ gering. Aber je mehr rhesusunverträgl. Schwangerschaften eine Frau durchgemacht hat, um so größer ist die Gefahr einer Antikörperproduktion. Ist einmal eineh. N. in einer Familie aufgetreten, so beste­ hen Aussichten auf weitere gesunde Kinder nur dann, wenn der Vater mischerbig rhesuspositiv ist und damit die Möglichkeit gegeben ist, daß ein nachfolgendes Kind rhesusnegativ ist. Behandlung: Einedurchh. N. verursachte Blutarmut läßt sich leicht beheben. Die durch h. N. bewirkte schwere Gelbsucht macht eine möglichst baldige Entfernung des kindl. Blutes und den weitgehenden Ersatz durch rhesusnegatives Blut (-► Austauschtransfusion) erforderlich. Die nicht immer zu beobachtende leichte Gelbsucht des neugeborenen Kindes beruht auf einem Zerfall über­ schüssiger roter Blutkörperchen (nach der Geburt nicht mehr benötigte Erythrozytenanhäufung, welche der ge­ ringeren Sauerstoffversorgung im Mutterleib entsprach). Diese Form der h. N. bedarf keiner Behandlung. Mütter, die nach ihrer Vorgeschichte und ihrer Blutgruppe mit der Geburt eines an h. N. erkrankten Kindes rechnen müssen, sollten zweckmäßig in einem Krankenhaus entbinden, in dessen unmittelbarer Nähe Gelegenheit zu Austausch­ transfusionen (meist in Kinderkliniken) gegeben ist. Da sich eine h. N. meist erst im letzten Schwangerschaftsmo­ nat intensiv zu entwickeln pflegt, ist auch zu erwägen, ob bei gefährdeten Kindern nicht vor dem errechneten Ge­ burtstermin eine Schnittentbindung vorgenommen wer­ den muß. Durch Transfusionen von rhesusnegativem Blut während der Schwangerschaft in die kindl. Bauch­ höhle kann es gelingen, bes. gefährdete Kinder bis zur 34. Schwangerschaftswoche vor größeren Schädigungen zu bewahren, um nach diesem Zeitpunkt die vorzeitige Ge­ burt einzuleiten (meist durch Schnittentbindung). Zur Verhinderung einer Bildung von Rhesus-Antikör­ pern kann heute jeder rhesusnegativen Mutter nach der Geburt eines rhesuspositiven Kindes Anti-Rhesus-Globulin eingespritzt werden; durch diese vorbeugende Maß­ nahme ist die h. N. eine immer seltenere Erkrankung ge­ worden. hämophil, blutbildend; hämophile Bakterien, Gruppe von sehr kleinen, unbewegl., gramnegativen, stäbchenförmigen Bakterien, die auf Agar-Agar-Nähr­ böden nur wachsen, wenn diese Blutbestandteile enthal­ ten, z. B. die Influenzabakterien (Haemophilus influ­ enzae). Hämophilie, die -» Bluterkrankheit. Häm|ophthalmiis, Blutung in den Glaskörper des Auges aus Gefäßen des Strahlenkörpers oder der Netz­ haut; z. B. bei Diabetes, Netzhautrissen, Verletzungen. Die Blutung kann völlig aufgesaugt werden oder sich bin­ degewebig umwandeln und führt dann zum Verlust des Sehvermögens. Augenärztl. Behandlung! Hämo|ptpe, Hämo|ptyse, das-» Bluthusten. Hämorrhagie, die — Blutung.

hämorrhagische Diathesen, -► Blutungsübel.

hämorrhagisches Fieber, Sammelbegriff für eine Reihe von Viruserkrankungen des Menschen, die mit Fie­ ber, Blutungen und Organschäden einhergehen. Die Übertragung erfolgt, je nach Krankheit, durch Stech­ mücken, Zecken oder direkten Kontakt mit Erkrankten. Fast alle Erreger kommen auch bei Tieren vor und können von diesen aus übertragen werden. Die geograph. Ver­ breitung bevorzugt mit unterschiedl. Verteilung die war­ men Länder. Zu den h. F. gehören das -»Gelbfieber, das -»Lassafieber, die Marburg-Krankheit (-»MarburgVirus) und das -► Maridi-Fieber.

Hämorrhoiden, Ausweitung und Wucherung des un­ ter der Schleimhaut des Mastdarms liegenden Blutadern­ gefäßnetzes. Ausgangspunkte sind die 3 in das Gefäß­ netz einmündenden Zuflüsse in Höhe des Übergangs zwi­ schen After und Mastdarm. Man unterscheidet 4 Stadien: 1) Knoten sind von außen nicht sichtbar und tastbar, nur bei Afterspiegelung (Proktoskopie) zu erkennen; keine Schmerzen, aber häufiges Bluten, gelegentlich Juckreiz und Stechen. Behandlung: Stuhlregulierung, lindernde Zäpfchen oder Salben, bei hartnäckigen Blutungen Ver­ ödung. 2) Beim Pressen werden die Knoten sichtbar, glei­ ten aber spontan wieder zurück. Zeichen: Brennen und Nässen, selten Blutung. Behandlung: Verödung, eventu­ ell Operation. 3) Die H.-Knoten fallen beim Stuhlgang vor, gleiten nicht spontan zurück, lassen sich aber zurück­ schieben. Es bestehen schleimige Absonderungen, Juck­ reiz, Ekzem, Schmerzen, keine Blutung. Behandlung: Operation. 4) Wie bei 3), jedoch lassen sich die Knoten nicht mehr zurückschieben. Behandlung: Operation. H.-Venenthrombose, äußerst schmerzhafter Ver­ schluß eines H.-Knotens durch Blutgerinnsel; bes. bei vorgefallenen Knoten; rasches operatives Vorgehen! Hämosiderin, gelbbraune, eisenhaltige Eiweiß­ komplexe, die durch Zerfall des Blutfarbstoffs nach Blut­ austritt ins Gewebe gebildet werden. H. und seine Abbau­ produkte sind eine der Ursachen der blaugrünen und gel­ ben Hautfärbung beim Abklingen der durch Quetschung hervorgerufenen blauen Flecke (—Bluterguß). H. ist je­ doch auch normaler Bestandteil der meisten Organe. Ne­ ben Ferritin dient es der Eisenspeicherung im Orga­ nismus. Hämospermie, Hämospermatismus, Entleerung von blutigem Samen, kann bei Verletzungen, entzündl. Erkrankungen und Geschwülsten der Hoden, der Neben­ hoden, der Samenblase oder der Vorsteherdrüse auftre­ ten. Dis Behandlung richtet sich nach der Ursache. Hämosporidi|en, Ordnung der Sporentierchen mit der Gattung Plasmodium; Blutparasiten der Wirbeltiere, u. a. Erreger der Malaria. Hämostase, Verlangsamung bis Stillstand des Blut­ stroms in den kleinsten Blutgefäßen, bes. den Haargefä­ ßen, bei der Blutstillung oder als Störung des Blutkreis­ laufs (der Mikrozirkulation), z. B. bei Vergiftungen oder im -»Schock. Hämostaseolog ie, Lehre von Störungen in dem Blut und Lymphe führenden System (-»Schlagadern, -»Blut­ adern, — Lymphgefäßsystem), soweit sie die Blutzirkula­ tion, Blutgerinnung und Blutstillung betreffen (-► Hämo­ stase). Hämostyptika, Hämostatika, die blutstillenden Mittel (-► blutgerinnungsfördernde Mittel). Hämotoxine, Gifte, v. a. bakterielle Stoffe, die auf das Blut durch Hämolyse schädigend wirken. Hand, der unterste Teil der oberen Gliedmaße des Menschen, der durch das H.-Gelenk mit dem Vorderarm in unmittelbarer Verbindung steht. Man unterscheidet H.-Rücken und Hohl-H. oder H.-Teller, weiterhin H.Wurzel, Mittel-H. und Finger; endlich 2 abgerundete Knochenränder, den Speichenrand auf der Daumenseite und den Ellenrand auf der Kleinfingerseite. Das Gerüst der H. besteht aus 27 kleinen Knochen, von denen 8 die H.-Wurzel, 5 die Mittel-H. und 14 die -»Fin­ ger bilden. Die H.-Wurzelknochen bilden 2 Reihen von 3 und 4 Knochen, von denen die eine (bestehend aus Kahn­ bein, Mondbein und dreieckigem Bein) an das Ende der Speiche, die andere (gebildet durch das große und kleine vieleckige Bein sowie das Kopf- und Hakenbein) an die er­ ste Reihe und die Mittel-H. angrenzt; dazu kommt noch das dem dreieckigen Bein an der Hohl-H. aufgelagerte Erbsenbein. Kleine, in Zahl und Form wechselnde zusätzl. Knochengebilde werden als >akzessorische Kno­ chen« bezeichnet. Die Knochen jeder Reihe sind durch kurze, starke Bänder fest untereinander verbunden, wir­ ken stets zusammen und gestatten Drehbewegungen fast nach Art eines Kugelgelenks. Die Drehung der H. um ihre Längsachse vermittelt dagegen der Vorderarm im Ellbo­ gengelenk und in dem unteren Ellen-Speichen-Gelenk.

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«

Hämorrhoiden: äußere H.

Hand Band Sehnen der

Zwischenknochen­ muskel Daumen­ anzieher

Regenwurm­ muskel

Mittelhand knochen

Kleinfinger­ gegensteller

Kopfbein

kurzer Daumen­ beuger

kurzer Daumen­

Kleinfinger beuger

Hakenbein

Kleinfinger anzieher

Erbsenbein

Erbsenbein Kahnbein

Mondbein

Querband

----- kurzen Daumenstreckers

des langen Daumenabziehers / volares Handwurzelband

Sehne des ulnaren Handbeugers

Speiche

Sehne des radialen Handbeugers

Hand: Knochen und Muskeln der rechten Hand (Innenseite)

Hierbei dreht sich die Speiche um die Elle und führt die H. mit sich (Einwärtsdrehung, Pronation; Auswärtsdre­ hung, Supination). Die H.-Wurzelknochen bilden einen nach der Hohl-H. offenen Bogen, überden ein breites, fe­ stes Band gespannt ist. Unter diesem verlaufen die Sehnen der Beugemuskeln, eingehüllt in schlüpfrige Sehnenschei­ den. (Modell des Menschen nach S. 400) Die röhrenförmigen Mittelhandknochen II—IV sind untereinander ziemlich straff verbunden; der Mittelhand­ knochen I des Daumens gestattet eine so freie Beweglich­ keit wie ein echtes Fingerglied und kann dadurch den übri­ gen Fingern gegenübergestellt werden (Gegen-H.). Hier­ aufberuht die in vollkommener Weise nur dem Menschen eigene Fähigkeit des Greifens und Erfassens. Die zahlreichen, die H. und die Finger bewegenden Muskeln liegen teils am Vorderarm, teils entspringen sie an der H. selbst. Die Beugemuskeln gehen von der vorde­ ren, dem H.-Teller entsprechenden Fläche des Vorder­ arms und vom inneren Oberarmknochen aus, die Streck­ muskeln von der hinteren Fläche des Vorderarms. Der Zeigefinger besitzt einen besonderen Strecker, der Dau­ men und der kleine Finger, die ihrer freien Lage wegen bes. beweglich sein können, jeder noch eine Anzahl von z. T. in den H.-Ballen gelegenen Muskeln. Die H. wird durch 2 Schlagadern (Arterien), die Spei­ chen- und die Ellenarterie, mit Blut versorgt. Erstere ist die Pulsader, die auf der vorderen Fläche oberhalb der H.Wurzel längs des Speichenknochens dicht unter der Haut liegt. Beide Arterien stehen in der Hohl-H. durch einen oberflächl. und einen tiefliegenden Arterienbogen mit­ einander in Verbindung. Die Haut der H. ist im Bereich der Hohl-H. (H.-Teller) und an den Gelenkfalten fest an die darunterliegenden Ge­ webe angeheftet; sie ist reich an Gefühlsnerven, die v. a. an den Fingerspitzen mit besonderen, das Tasten vermit­ telnden Endorganen, den Tastkörperchen, versehen sind. Durch bes. feste Verwachsung der Haut mit der Unterlage bilden sich in der Hohl-H. mehrere Linien (H.-Linien), zwischen denen sich die Haut hervorwölbt. Verletzungen der Weichteile an der H. und den Fingern sind außerordentlich häufig, heilen aber i. d. R. unter keimfreien Verbänden sehr gut. Schwere Verletzungen er­ fordern Chirurg. Eingriffe. Sehnenverletzungen müssen meist genäht werden. Diagnostische Aspekte. Die H. ist ein dem Men­ schen wesenseigenes Ausdrucksmittel. Der diagnostizie­ rende Arzt kann an der H. oft schon vom Augenschein her verschiedene Krankheitszeichen erkennen. Abgesehen von bestimmten, meist nervös bedingten Störungen der H.-Haltung und H .-Beweglichkeit verdienen Gestalt-Än­ derungen der H. (Trommelschlegelfinger bei mit Blaufär­ bung der Lippen verbundenen Herz- und Lungenerkran­ kungen, Spinnenfingrigkeit, H.-Vergröberung bei der Akromegalie, Kleinfingerverkürzung bei der angebore­ 288

nen Syphilis u. a.) diagnost. Interesse. Weiterhin sind Fin­ gerzittern, Änderungen der H.-Farbe (Akrozyanose, Nikotinflecken), der Haut- und Nagelbeschaffenheit, Schwielenbildung bei angebl. Arbeitsunfähigkeit, Haut­ feuchtigkeit, Hauttemperatur, Pulsationsphänomene und nicht zuletzt der Grad der Hautalterung, die ein sicheres Zeichen für das tatsächl. Lebensalter ist, wich­ tige Anzeichen. Handlesekunst, Chiromantie, ^-Chirologie. Handpflege. Die Hände sind infolge ihrer ständigen, starken Beanspruchung bei der tägl. Arbeit allen von au­ ßen einwirkenden Schädigungen in besonderem Maß aus­ gesetzt, u. a. durch ehern. Reizstoffe der Wasch- und Spülmittelindustrie. Ihre Pflege darf schon im Interesse einer Erhaltung der vollen Arbeitskraft nicht vernachläs­ sigt werden. Gereinigt werden die Hände am besten mit warmem Wasser, milder, überfetteter Seife und weicher Bürste. Bei empfindl. Haut sollte nach dem Abtrocknen eine Handcreme oder ein Gelee in die noch feuchte Hand einmassiert werden, um Austrocknen zu verhindern; ent­ sprechende Präparate enthalten u. a. Glyzerin, Pflanzen­ säfte und Fette (-* Hautpflege, -» Nagelpflege). Handschriftendeutung, -»Graphologie. Handschweiß, übermäßige Schweißabsonderung (Hyperhidrose) an den Handinnenflächen und in den Zwischenfingerräumen; meist Zeichen einer vegetativen Störung, die auch durch Erkrankungen der Drüsen mit in­ nerer Sekretion (Schilddrüse, Eierstöcke) ausgelöst sein kann. Behandlung der Grunderkrankung ist erforderlich. Äußere Mittel (Puder, Salben) helfen nur vorübergehend. Hängebauch, im Stehen im Extremfall bis über die Leistengegend herabhängende, schürzen-, kugel- oder beutelförmige Vorwölbung der vorderen Bauchwand, häufig in Verbindung mit Nabelbruch oder Auseinander­ weichen der geraden Bauchmuskeln (Rektusdiastase), bes. bei Fettleibigkeit. Bei extremer Fettanhäufung im Bauchdeckenbereich kann operative Korrektur notwen­ dig sein. Der Bauchdeckenerschlaffung bei Mehrgebären­ den kann durch Schwangerschafts- und Wochenbettgym­ nastik sowie Tragen eines stützenden Umstandsgürtels vorgebeugt werden. Hängebrust, -»Brustdrüsen. Haptoglobine, Eiweißstoffe im menschl. Blutserum mit der Eigenschaft, Blutfarbstoff (Hämoglobin) zu bin­ den. Man kennt 3 Haupttypen der H., die neben mehreren Untergruppen beim Vaterschaftsnachweis Bedeutung er­ langt haben. Harn, Urin, von den Harnorganen abgesonderte Flüs­ sigkeit, welche die Endprodukte des Eiweißstoffwechsels und Mineralsalze in wäßriger Lösung enthält. Sie wird von den Nieren aus dem Blutplasma abfiltriert, über die Nierenbecken durch die H.-Leiter in die H.-Blase geleitet und dort gesammelt. Der normalerweise klare H. kann durch Beimengungen von Bakterien, Eiter oder Ausfäl­ lung anorgan. Stoffe (z. B. Phosphaturie) getrübt sein. Die Harnblase, ein muskuläres Hohlorgan, entleert den H. über die H.-Röhre durch Muskelzusammenziehung nach außen, wenn bei Füllungsvolumina zwischen 200 und 400 ml H.-Drang auftritt. Der Erwachsene entleert abhängig von der tägl. Trinkmenge in 24 Stunden 1000-2000 ml. Mit dem H. werden in konzentrierter Form Stoffwechselprodukte des Körpers (Schlacken), überschüssige Salze und Säuren ausgeschieden. Die Niere regelt den Säure-Basen-Haushalt des Körpers durch Ein­ sparen oder Abgabe von Säuren in den H. Obwohl die Schlackstoffe oft in 1 OOOfacher Konzentrierung vorkom­ men, benötigt die Niere zur Ausscheidung freies Wasser, das durch Trinken zugeführt werden muß. Konzentrierter H. ist dunkler durch Anreicherung mit Gallenfarbstof­ fen. Das -»spezifische Gewicht schwankt, abhängig vom Salzgehalt der Nahrung, zwischen 1,001 und 1,040, die Norm pendelt um 1,015. Die H.-Reaktion (pH) ist meist sauer, abhängig von der Art der Nahrung (bei vegetar. Kost auch neutral oder alkalisch). Bei Abkühlung können die im H. enthaltenen Salze als Kristalle ausfallen. Farb­

Harn änderungen des H. können u. a. durch Ausscheidung von Arzneimitteln hervorgerufen werden. Der normale H. ist frei von Eiweiß und Zucker. Eiweiß­ ausscheidung findet sich u. a. im Fieber, bei Nieren­ erkrankungen und bei entzündl. Erkrankungen der harn­ ableitenden Wege (Nierenbecken, H.-Blase usw.), Zuckerausscheidung erfolgt bei überhöhtem Blutzucker (-»Glykosurie) oder erniedrigter Blutzuckerschwelle. Die Untersuchung des frisch gelassenen H. gibt dem Arzt wertvolle diagnost. Hinweise. Der H.-Bodensatz (Sedi­ ment) wird durch Zentrifugieren gewonnen, man unter­ sucht ihn mit dem Lichtmikroskop; so können unter­ schiedl. zelluläre oder ungeformte Bestandteile gefunden werden, von denen manche krankhafte Veränderungen an Nieren, den H.-Wegen oder an anderen Organen des Körpers anzeigen. Für Untersuchungen auf Bakterien wird der -»Mittelstrahlurin verwendet sowie der Kathe­ ter-oder Blasenpunktionsurin. Die Untersuchung auf Tu­ berkulosebakterien wird am Morgen-H. vorgenommen (-►Nierentuberkulose). Ein vom Normalen abweichen­ der Harnbefund sollte immer Anlaß zu einer weiteren ärztl. Untersuchung sein. Harnabgang, unwillkürlicher H., kommt vor als Folge zerebraler Störungen, z. B. beim Schlaganfall, im epilept. Anfall, bei Verletzungen und Störungen des Schließmuskels (u. a. als Operationsfolge; -► Harnträu­ feln, -► Enuresis nocturna). Bei Frauen ist H. häufig Folge einer Senkung der Geschlechtsorgane (-»Gebärmutter­ verlagerung). Harnblase, das zur Ansammlung des Harns dienende Organ des Menschen und der meisten Wirbeltiere; ein bir­ nenförmiger, häutig-muskulöser Sack, der in leerem Zu­ stand mit aufeinanderliegender oberer und unterer Wand in der Höhle des kleinen Beckens dicht unter der Scham­ beinfuge liegt. Hinter der H. liegt beim Mann der Mast­ darm, bei der Frau die Gebärmutter. Die H. verengt sich nach unten zum Blasenhals, der in die Harnröhre über­ geht. Die Harnleiter münden am hinteren Teil des Blasen­ grunds in die H., indem sie die Blasenwand schräg durch­ bohren, so daß der Harn aus der Blase nicht in die Harnlei­ ter zurückfließen kann. (Modell des Menschen nach S. 400) Die H. ist innen mit einer gefäßreichen Schleimhaut ausgekleidet, außen, auf der der Bauchhöhle zugekehrten Fläche, teilweise vom Bauchfell überzogen. Zwischen Bauchfell und Schleimhaut liegt eine starke Muskelhaut. Die Muskelbündel verlaufen teils der Länge nach von oben nach unten und bilden so den Harnauspresser, teils sind sie senkrecht gegen den Blasenausgang gerichtet und wirken als Öffnungsmuskel. Sie bestehen aus glatter Mus­ kulatur und sind daher dem Willen nicht unterworfen. Ebenfalls glatt ist der Muskelzug, der schleuderartig den Anfangsteil der Harnröhre von vorn her umgreift. Ge­ meinsam mit dem den Anfangsteil der Harnröhre von hin­ ten her umgreifenden glatten (unwillkürl.) Harnröhren­ schließmuskel bildet jener schleuderartige Muskelzug den Blasenschließmuskel. Dagegen stammt der etwas weiter von der H. entfernte äußere Blasenschließmuskel von der Muskulatur des Damms, ist quergestreift und dem Willen unterworfen. Angeborene Mißbildungen. Bei der Verdopplung der H. finden sich Scheidewände, die die H. in 2 Teile tei­ len. Querverlaufende Klappen (Blasenhalsklappcn) kön­ nen die regelrechte Harnentleerung verhindern. Auch können Ausstülpungen (Blasendivertikel) angeboren sein. Unter Ektopie der H. versteht man eine Spaltung der Bauchdecken, in die sich die Blasen wand hineinwölbt; die Ektopie ist meist mit Entwicklungsstörungen der Ge­ schlechtsorgane, z. B. -»Epispadie, verbunden. Die Ope­ ration dieser Leiden erstrebt die Wiederherstellung des normalen Zustands. Geschwülste der H. Am häufigsten sind gutartige Po­ lypen. Ihre Entfernung ist ohne Eröffnung der Blase mit dem Operationszystoskop möglich. Von bösartigen Ge­ schwülsten sind die Krebsgeschwülste am häufigsten. Bla­ sengeschwülste, z. B. -* Blumenkohlgewächse, verraten sich häufig durch blutig verfärbten Harn. Dieses Anzei­ AB 19

chen sollte immer der Anlaß sein, sofort einen Arzt aufzu­ suchen. Weitere Krankheiten: -»Enuresis nocturna, -»Harn­ blasenentzündung, -» Harnblasensteine. Reizzustände der H. nennt man -» Reizblase. Harnblasendruckmessung. Durch Einlegen eines dünnen Katheters durch die Harnröhre in die Harnblase werden der Füllungsdruck der Blase, der erste Reiz zum Wasserlassen sowie der Entleerungsdruck über Druck­ wandlerelemente elektronisch gemessen und aufgezeich­ net. Die gleichzeitige Messung des Schließmuskeldrucks sowie des Mastdarmdrucks lassen Rückschlüsse auf ner­ venbedingte Lähmungen der Harnblase zu, desgleichen auf mechan. Hindernisse unterhalb der Blase im Bereich der Harnröhre oder auf einen gestörten Blasenentlee­ rungsreflex. Harnblasen|entzündung, Blasenkatarrh, Zy­ stitis, häufigste Erkrankung der Harnblase, hervorgeru­

fen durch Bakterien, meist Kolibakterien (Bakteriurie), die von außen durch die Harnröhre oder unmittelbar durch den Harnleiter von der infizierten Niere in die Blase gelangen können. Frauen sind häufiger betroffen: Durch die 2—4 cm kurze weibl. Harnröhre können Erreger leich­ ter als beim Mann aus der Genitalregion in die Harnröhre ein wandern. Harnabflußhindernisse wie Harnröhrenverengung, Prostatavergrößerung, Harnblasensteine sowie Blasen­ lähmung begünstigen die Infektionsbereitschaft. Allge­ meinerkrankungen, z. B. Zuckerkrankheit oder Krebs, können durch Schwächung der körperl. Abwehr die Ent­ stehung einer Entzündung begünstigen. Kennzeichen: Brennen beim Wasserlassen, bei schwerer Entzündung das Blutharnen am Ende des Was­ serlassens, häufiges sowie schmerzhaftes und zwanghaf­ tes Wasserlassen (-»Harnzwang). Bei Kindern, die sonst nachts trocken waren, kann es durch H. zum Bettnässen kommen. Bei häufigen H. müssen durch -»Zystoskopie eine Tuberkulose oder ein Tumor u. a. ausgeschlossen werden. Behandlung: reichlich trinken, keinen Alkohol. Die Harnmenge sollte bei Erwachsenen mindestens in 24 Stunden 1500 ml betragen. Wärmeanwendung auf die Unterleibsgegend begünstigt die Heilungstendenz, ist aber bei Blutungen zu vermeiden. Der Arzt verordnet harnwegdesinfizierende Medikamente (Sulfonamide, Antibiotika, Nitrofuranderivate). Die Selbstheilungstendenz der einfachen H. ist groß und wird unterstützt durch häufige Blasenentleerung (Auswascheffekt). Vordringlich müssen Abflußhinder­ nisse in den harnführenden Wegen beseitigt werden. In­ strumentationen an den unteren Harnwegen (Katheter, Spiegelung u. ä.) begünstigen die Infektion und sollten, bei angezeigter Zurückhaltung, steril unter Verwendung von Desinfektionsgleitmitteln durchgeführt werden. Harnblasenfistel, 1) durch Punktion über dem Schambein mittels einer Nadel geschaffene Öffnung der Harnblase, in die ein dünner Plastikschlauch eingeführt wird. Die H. kann auch operativ angelegt werden. 2) krankhafte Verbindung der Harnblase mit Nachbar­ organen, meist dem Darm mit Entstehung einer Mastdarm-Blasen-Fistel; kann Folge eines Divertikeldurch­ bruchs (-► Divertikulose) sein. Die H. ist zu unterscheiden von der -► Harnfistel. Harnblasenkrebs, eine meist vom Übergangsepithel der Blasenschleimhaut ausgehende, überwiegend zotten­ artige (papilläre), bösartige Geschwulst (-► Zottenkrebs). Bevorzugt erkranken ältere Menschen, Männer häufiger als Frauen. Ein Teil des H. wird durch ehern. Karzinogene hervorgerufen (-► Berufskrebse), aber auch dem Nikotin­ mißbrauch zugeschrieben. Häufig entsteht H. in Ägypten Harnblase: männl. H. von vorn, geöffnet; 1 Harnleiter, 2 Blasenmuskulatur, 3 Blasengrund, 4 Blasendrcicck, 5 Mündung der Ausführungsgänge der Prostata, 6 Harn­ röhre, 7 Mündung der Samenausspritzungsgänge, 8 Pro­ stata (Vorsteherdrüse), 9 Mündung der Harnleiter, /0 Blasenschleimhaut im Schnitt, 11 Relief der gefalteten Blasenschleimhaut, 12 Harnleiter, 13 mittleres Nabel­ band, 14 Blasenscheitel 289

Harnblase

Harn

W'

Harnblasenslein am Blasenboden (Röntgenbild)

schon bei jüngeren Menschen, die an -»Bilharziose er­ krankt sind (onkogene Parasitenwirkung). Wichtiges Krankheitszeichen ist die -»Hämaturie, die anfangs nur durch eine mikroskop. Untersuchung oder mittels Teststreifen des Harns nachgewiesen werden kann. Die Diagnose läßt sich dann mit Hilfe der -»Zystoskopie stellen. Behandlung: Der H. muß operativ unter Wegnahme gesunden Gewebes der Umgebung entfernt und das Gewebe anschließend mikroskopisch untersucht wer­ den. Die Feststellung des Grades der Bösartigkeit und des von der Geschwulst erreichten Stadiums (-»Krebs­ geschwülste) bestimmt die Art der Nachbehandlung und ermöglicht es, eine Prognose zu stellen. Wie bei gutartigen Polypen besteht auch beim H. eine starke Neigung zu Rückfällen. Harnblasenspiegelung, die -»Zystoskopie. Harnblasensteine, steinähnl. Zusammenballung von festen Harnbestandteilen; entsteht in der Harnblase bei chron. Blasenentleerungsstörungen mit unvollständi­ ger Harnentleerung. Anzeichen sind: Schmerzen in der Blasengegend, bes. bei Bewegung, Harnzwang, plötzl. Unterbrechung des Harnstrahls während des Wasserlas­ sens, Hämaturie, häufige Harnblasenentzündungen. Die Diagnose ist durch Röntgenaufnahme und Blasenspiege­ lung (Zystoskopie) möglich, dadurch Abgrenzung gegen inkrustierte Fremdkörper, Blasentumor und Harnblasen­ entzündung. Ein H. wird entweder während der Zysto­ skopie oder mechanisch durch ein Steinzertrümmerungs­ instrumententfernt, notfalls, v. a. bei bes. harten und gro­ ßen Steinen, durch Bauchschnitt, eine der ältesten Opera­ tionen (>SteinschnittLehrbuch der ChirurgieUrämiegift< gibt es nicht. Die klin. Anzeichen sind vielgestaltig und werden wegen ihrer uncharakterist. Vielfalt anfangs häu­ fig in ihrer Zuordnung verkannt. Krankheitszeichen: Müdigkeit, Leistungsknick, Durst. Zunächst -» Harnflut und -» Nykturie, im weiteren Verlauf geht die Harnausscheidung jedoch oft drastisch zurück. Die Kranken werden anämisch, haben oft eine schmutzig graugelbl. Hautfarbe mit trockener, schup­ pender Haut; sie leiden zunehmend unter Wadenkrämp­ fen und Schlafstörungen. Im weiteren Verlauf kommt es zu Kopfschmerzen, Apathie, Übelkeit, Appetitlosigkeit, Erbrechen, oft quälendem, langdauerndem Schluckauf (Singultus). Charakteristisch ist ein den Kranken umge­ bender Harngeruch (Foetor uraemicus). Der Reststick­ stoff im Blutserum ist erhöht, eine bedrohl. -* Hyperkali­ ämie ist häufig. Weiter finden sich Störungen im KalziumPhosphat-Stoffwechsel, der Blutfarbstoff sinkt ab (An­ ämie). Es kommt zur -» Azidose, weil bei der H. auch die Wasserstoffionen nur unvollständig ausgeschieden wer­ den können. Für das Endstadium der Erkrankung ist die -►Kussmaulsche Atmung kennzeichnend und schließlich die Bewußtlosigkeit im urämischen Koma. Behandlung durch -»Dialyse. Eine Nierentransplan­ tation sollte angestrebt werden. Unerläßlich sind frühzei­ tig einsetzende diätet. Maßnahmen, die dem Einzelfall an­ zupassen sind; der Patient muß über die Durchführung in allen Einzelheiten gründlich unterrichtet werden. Harnverhaltung, -► Harnsperre. Harnwege, die Gesamtheit des harnableitenden Hohlsystems: Nierenkelche, Nierenbecken, Harnleiter, Harnblase und Harnröhre. Harnzucker, überwiegend bei Zuckerkrankheit, sel­ tener auch bei anderen Zuständen (z. B. nach überreichl. Zuckergenuß oder Infusionsbehandlung mit Glucoselö­ sungen) im Harn nachweisbarer Traubenzucker (-»Glykosurie). Wird H. festgestellt, soll immer eine Bestim­ mung des -► Blutzuckers erfolgen. Harnzwang, imperativer Harndrang, häufiger, oft quälender Drang zum Urinieren, teilweise unter bren­ nenden Empfindungen, eine Form der Dysurie; bei gerin­ gem Harnblaseninhalt werden oft nur wenige Tropfen entleert. Ursachen: Harnblasenentzündung, Steine in Blase oder Harnröhre, Entzündungen oder Polypen der Harnröhre, entzündl. Vorhautverengung. Auch ein ge­ ringes Blasenfüllungsvolumen (Schrumpfblase), z. B. als Bestrahlungsfolge, kann die Ursache eines H. sein. Behandlung: DieU rsachen des H. sind stets vom Arzt festzustellen, reizlose Diät und vermehrte Aufnahme mil­ der Getränke verringern die Beschwerden. Hartleibigkeit, die-»Verstopfung. Hartmannbund, Verband der Ärzte Deutsch­ lands e.V., freiwilliger, privatrechtl. Zusammenschluß

von Ärzten in den verschiedenen Tätigkeitsbereichen, mit Schwergewicht jedoch auf der freien Praxis. Der H. hat seinen Sitz in Bonn-Bad Godesberg, er verfolgt die berufspolit. und wirtschaftl. Ziele seiner Mitglieder. Gegründet 1900 durch den Leipziger Arzt H. Hartmann (* 1863, f 1923), ging der H. nach 1933 in der Kassenärztlichen Vereinigungauf; Neugründung nach dem2. Weltkrieg als nicht körperschaftlich gebundene Berufsorganisation. Hartmetall-Lungenfibrosen, seltene Berufskrank­ heit, die durch langzeitige Einwirkung (Einatmen) von Metallrauchen oder -stäuben von Sinterkarbiden (Pulver­ mischung aus Wolfram-, Titan-, Tantalkarbid und Ko­ balt) oder Gußkarbiden (Wolfram-, Molybdänkarbid) verursacht wird. Krankheitszeichen sind Husten, Aus­ wurf, Atemnot. Behandlung symptomatisch. Hartspann, eine Gewebehärte, Verhärtung des gan­ zen Muskels, oft zusammen mit örtl. Muskelhärten (z. B. lumbaler Hexenschuß). Abkühlung begünstigt Störun­ gen der Blutzirkulation und damit den H. Überanstren­ gung und Fehlbelastungen bestimmter Muskelgruppen können ein Mißverhältnis in der Muskelarbeit schaffen. Der H. ist Muskelkrämpfen, z. B. -► Wadenkrämpfen, nicht gleichzusetzen. — Behandlung: Massage, Wärmean­ wendungen, -» Kurzwellenbehandlung.

Haus Harvey [h'a:vi], William, engl. Anatom und Arzt, •Folkestone 1578, fHampstead 1657, Arzt am St.-Bartholomew’s-Hospital, dann Prof, in London, Leibarzt Jakobs I. und Karls L; entdeckte den großen Blutkreis­ lauf und veröffentlichte die neue Lehre 1628 in der Schrift >Exercitatio anatomica de motu cordis et sanguinis in animalibus< (dt. Die Bewegung des Herzens und des Blutes der Tiere). Bei Studien an Tierembryonen kam er in Exer­ citationes de generatione animalium< (1651; dt. Untersu­ chungen zur Entstehung der Tiere) zu der Überzeugung: >Alles Lebendige stammt aus dem EiSchönheitÄrzte für Allgemeinmedizin< (Allgemeinärzte) sowie nie293

William Harvey

Haus dergelassene Ärzte ohne diese Weiterbildung, die die Be­ Hautschichten. Die H. besteht aus 3 in ihrem gewebl. zeichnung >Arzt< oder praktischer Arzt< führen. I. w. S. Aufbau verseh. Schichten (mikroskop. Querschnitt). werden als H. aber auch niedergelassene Ärzte anderer 1) Die Ober-H. (Epidermis) hat mehrere, sich im Sinn Fachgebiete tätig. einer fortschreitenden Verhornung weiterentwickelnde Lagen von Zellen. Von der untersten Lage, der Keim­ Haus|entbindung, -»Geburt. häusliche Krankenpflege, Pflege und Betreuung schicht, her werden alle diese Zellen neu gebildet, die auf eines Kranken im Familienhaushalt (im Ggs. zum Kran­ ihrem Weg von unten nach oben mehr und mehr abplatten kenhaus oder Pflegeheim). Traditionell ging die h. K. von und verhornen. Als Endergebnis entsteht so die Hornden Kirchen (Gemeindekrankenpflege), teilweise auch schicht, eine abgestorbene, fest miteinander verfilzte von Städten und Gemeinden aus. In den letzten Jahren ha­ Masse von verhornten Zellen, die einen festen Abschluß ben in vielen Fällen Sozialstationen die h. K. übernom­ nach außen bildet. Ständig schuppen sich in geringem men. Während in der Gemeindekrankenpflegei, d. R. nur Grad Zellen von dieser Hornschicht ab. In die Zellen der eine geprüfte Krankenschwester (Ordensschwester) tätig Ober-H. sind in mehr oder weniger großer Menge braune war, arbeiten in den Sozialstationen eine oder mehrere Farbkörperchen, das Pigment, eingelagert; es wird eben­ Krankenschwestern mit Pflegehelferinnen, Haushalts­ falls in der Keimschicht gebildet. helferinnen, z. T. auch mit Sozialarbeitern zusammen. Sozialstationen werden staatlich gefördert, weil mit ihrer Hilfe die ambulante Betreuung Kranker und Behinderter verbessert und zugleich in bestimmten Fällen kostspielige Haut: Krankenhauspflege, die ärztlich nicht oder nicht mehr a Oberhaut: notwendig ist, eingespart werden kann. b Lederhaut; Die Aufgaben der h. K. bestehen v. a. in der pfleger. und c Unterhautzellfürsorger. Betreuung von Kranken (zu Hause oder in der gewebe; Pflegestation) sowie in der Unterstützung bei Heil- und d Hornschicht Oberhaut; Hilfsmaßnahmen auf Anordnung des Arztes (z. B. Über­ der e Keimschicht wachen der Ernährung und des Einnehmens der Medika­ der Oberhaut; mente, regelmäßige Injektionen, Auswechseln von Dau­ /Haarmark; erkathetern u. ä.). g Haarrinde; Die Kosten einer h. K. werden von der gesetzl. Kranken­ h Haarzwiebel; versicherung getragen, wenn an sich Krankenhauspflege k Haarpapille; Haarmuskel; geboten wäre, aber nicht ausführbar ist, oder Kranken­ m n Haarbalg­ hauspflege dadurch entbehrlich wird, ferner dann nach drüse; Maßgabe der Satzung, wenn die h. K. zur Sicherung der o Schweiß­ ärztl. Behandlung erforderlich ist (§ 185 RVO). H. K. wird drüsenknäuel; nicht gewährt, wenn eine im Haushalt lebende Person den p Schweiß­ drüsenausfüh­ Kranken pflegen kann. In besonderen Fällen bezahlt die Krankenkasse bei rungsgang; q Blutgefäße Krankenhaus- oder Kuraufenthalt oder wegen Mutter­ der Haut; schaft einer Hausfrau eine Ersatzkraft (Haushaltshilfe), r Fettgewebe; wenn keine andere im Haushalt lebende Person den Haus­ s Nerven halt weiterführen kann. 2) Die Lederhaut (Korium) besteht überwiegend aus ei­ Haustierhaltung. Bei den zahlreichen vom Tier auf nem dichten Geflecht von Bindegewebsbündeln und elast. den Menschen übertragbaren Erkrankungen besitzen be­ Fasern, die eng miteinander verflochten sind. Zahlreiche sonders in Europa die Haustiere als Infektionsquelle die Blut- und Lymphgefäße durchziehen diese Schicht und größte Bedeutung. Die Ursachen liegen in dem engen verzweigen sich in ihr und bes. in den Papillen, die eine mit Kontakt zwischen Haustier und Mensch sowie der Kon­ der Ober-H. wellenförmig verzahnte Grenzlinie bilden. zentrierung vieler Tiere auf engem Raum (Stallhaltung, Pigmenttragende Zellen (Chromatophoren) sind in wech­ technisierte Tierproduktion) mit der Möglichkeit zur selnder Zahl eingelagert. Auch die H.-Anhangsgebilde massenhaften Ausscheidung und Verbreitung von Krank­ (Haare, Talg- und Schweißdrüsen) finden sich in der Leheitserregern. Wichtige auf den Menschen übertragbare der-H. in je nach Körperstelle verschiedener Menge. Die Erkrankungen sind: Haare durchziehen die H. in etwas schräger Richtung, die bei Wiederkäuern: Brucellose, Kuhpocken, Milz­ Haarwurzel zeigt eine zwiebelförmige Verdickung und brand, Q-Fieber, Salmonellose, Trichophytie, Tuberku­ liegt an der unteren Grenze der Leder-H.; an der Haar­ lose und Zystizerkose; wurzel greift ein Bündel glatter Muskelfasern an, welches bei Schweinen: Brucellose, Influenza, Leptospirose, das Haar, z. B. bei Kälteeinwirkung, aufrichten kann. Milzbrand, Rotlauf, Salmonellose, Toxoplasmose, Tri­ Mehrere Talgdrüsen umgeben den oberen Teil des Haa­ chinose und Tuberkulose; res; diese Drüsen erzeugen das H .-Fett und entleeren es in bei Pferden: Mikrosporie und Trichophytie. den Austrittsgang des Haares, den Follikel. Außerdem bei Hund und Katze: Echinokokkose, Hundespul­ gibt es in der Leder-H. noch eine große Anzahl anderer wurm, Leptospirose, Katzenkratzkrankheit, Mikrospo­ Talgdrüsen, die ohne Bindung zu den Haaren den H.-Talg rie, Tollwut, Toxoplasmose (Katze), Trichophytie und in feine Poren der H.-Oberflächeabsondern. Bei Verstop­ Tuberkulose; fung der Talgporen entstehen die Mitesser. Die Schweiß­ bei Geflügel: Ornithose, Salmonellose und Tuberku­ drüsen reichen mit ihrem zu einem Knäuel aufgewunde­ lose. Besonders in den außereurop. Ländern kommen nen Drüsenende tief in die Leder-H., teilweise bis ins Un­ noch zahlreiche weitere Erkrankungen als Ansteckungs­ terhautzellgewebe herunter. In inniger Berührung mit quelle für den Menschen vor. Ein erheblicher Prozentsatz feinsten Blutgefäßen bildet sich in den Schweißdrüsen­ der Erreger von Tierkrankheiten kann besonders in Ein­ knäueln der Schweiß. Er wird durch den senkrecht nach zelfällen auch für den Menschen krankheitserregend (pa­ oben verlaufenden, in der Ober-H. spiralig gewundenen thogen) sein. Neben der Bekämpfung der Tierkrankhei­ Ausführungsgang auf die Oberfläche der H. abgegeben. ten ist die persönliche Hygiene beim Umgang mit Tieren Überall in der Leder-H. sind feinste Endfasern oder auch und bei der Bearbeitung von tierischen Produkten eine un­ bes. ausgebildete Endapparate der verschiedenartigen entbehrliche Vorbeugungsmaßnahme. großen Nervenstränge verteilt, mit ganz zarten Fäserchen Haut, Cutis, Derma, die äußere Bedeckung der gan­ reichen sie sogar bis in die Ober-H. hinein. 3) Das Unterhautzellgewebe (Subcutis) zeigt keine zen Körperoberfläche des Menschen, ein großes und be­ deutungsvolles Organ; die H. stellt die Verbindung mit scharfe Begrenzung gegenüber der darüber befindl. Leund gleichzeitig die Abgrenzung von der Umwelt her und der-H., auch im Aufbau besteht keine grundsätzl. Verhat deshalb wichtige Aufgaben für den Gesamtorganis­ schied.nheit. Blut-, Lymphgefäße und Nervenfasern sind hier ebenfalls vorhanden. Das Bindegewebe lockert sich mus zu erfüllen. 294

Haut nach unten hin auf, Fettgewebe lagert sich in traubenför­ miger Anordnung in wechselnd großer Menge ein. Diese Schicht ist bei den einzelnen Menschen sehr verschieden dick. Anlage, Geschlecht, Alter, Tätigkeit der innersekretor. Drüsen und körperl. Inanspruchnahme spielen hier­ bei eine entscheidende Rolle. Aufgaben, Physiologie. Die H. dient dem Körper als Schutz in mehrfacher Hinsicht. Die derbe, feste Hornschicht läßt Schmutzteilchen und Krankheitserreger nicht in tiefere Gewebsschichten gelangen. Festigkeit der Hornschicht im Verein mit der ständigen Abschuppung und gu­ ter Durchfettung vermindern die Einwirkung von haut­ schädigenden Stoffen (Säuren, Laugen u. a.) wesentlich. Alle H.-Schichten zusammen wirken als schlechte Wär­ me- und Elektrizitätsleiter und geben somit einen gewis­ sen Schutz gegen Wärme, Kälte und die Einwirkungen elektr. Ströme. Der durch Verdunstung des sauren Schweißes sich bildende Säuremantel der H. hemmt die Entwicklung vieler Krankheitskeime. Die unter dem Ein­ fluß der Sonnenstrahlen in der H. einsetzende Bildung von braunen H.-Farbstoffkörnchen (Pigment) vermin­ dert die Schädigung durch zu starke Belichtung ebenso wie der rote Blutfarbstoff der Erythrozyten in den Gefä­ ßen. Bestimmte Bestandteile des Oberhautfetts werden unter der Mit Wirkung von ultravioletten Strahlen des Son­ nenlichts in Vitamin D umgewandelt, das dem Körper auf dem Blutweg zugeführt wird, ein Vorgang, der bei der Verhütung und Heilung der Rachitis wichtig ist. Als Aufnahmeorgan ist die H. von geringer Bedeutung. Die unverletzte H. verhindert auch in hohem Maß das Ein­ dringen von gasförmigen oder gelösten Stoffen. Bei groß­ flächigen H.-Schädigungen (Verbrennungen, Ekzemen) ist allerdings Vorsicht bei Verwendung von stärker wir­ kenden Mitteln (Salizylate, übermangansaures Kalium) in Form von Salben oder Umschlägen geboten; durch Aufsaugen dieser Stoffe kann es zu Vergiftungen kom­ men. Die >H.-Atmung< ist keine Atmung, es erfolgt keine Aufnahme von Sauerstoff und Abgabe von Kohlen­ dioxid, sondern nur eine Wasserabdunstung. Diese Wasserabdunstung ist eine wichtige Funktion der H. im Dienst der Ausscheidung. Schon in Form dieser un­ fühlbaren H.-Atmung werden innerhalb 24 Stunden durchschnittlich 500—600 ml Wasser abgedunstet, ohne daß es dem Menschen zum Bewußtsein kommt. Beim Schwitzen kann die Wasserabgabe bis auf 2 1 ansteigen. Mit dem -► Schweiß werden in kleinen Mengen Kochsalz, Harnstoff und -säure ausgeschieden. Bei schweren Nie­ renerkrankungen können verschiedene für den Organis­ mus schädl. Stoffe in vermehrtem Maß durch den Schweiß abgesondert werden, wodurch eine fühlbare Ent­ lastung der erkrankten Nieren erzielt wird. Eine stark er­ höhte Kochsalzausscheidung im Schweiß findet sich bei der -»Mukoviszidose. An der Wärmeregulierung des Körpers ist die H. maßgeblich beteiligt. Die unzähligen kleinen und größe­ ren Blutgefäßnetze der H. können je nach dem Grad ihrer Füllung einen großen Teil des gesamten Körperbluts in sich aufnehmen. Ihr Füllungszustand wird durch Erweite­ rung oder Verengung der Gefäße vom Zentralnerven­ system automatisch gesteuert (Erröten bei Schamgefühl oder Erregung, Erblassen bei Schreck und Freude). In ähnl. Weise reguliert das Wärmezentrum im Gehirn je nach Notwendigkeit die Blutdurchströmung der H.-Ge­ fäße zum Zweck der Erhaltung einer gleichmäßigen Haut­ temperatur. Die Bedeutung der H. als Sinnesorgan wird durch ihre reiche Versorgung mit Nerven aller Art gekennzeichnet. Feinste Verzweigungen von sensiblen Nervenfasern und -endapparaten in allen Schichten der H. dienen der Aufnahme und Vermittlung der von außen einwirken­ den Reize. Tast-, Schmerz- und Temperatursinn haben in der H. jeweils eigene Aufnahmeorgane. Jede dieser Empfindungen kann nur von bestimmten Punkten der H. aufgenommen werden. Als Wärmepunkte sind die Ruffinschen Spindeln, als Kältepunkte die Krause-Endkoiben, als Druckpunkte die Merkelschen Tastzellen und als Schmerzpunkte freie Nervenenden in der Ober­ haut ermittelt.

Das funktionsgerechte Arbeiten der H.-Gefäße und -Anhangsgebilde, überhaupt die gesamte Lebenstätigkeit der H. und ihr Zusammenspiel mit dem allgemeinen Stoffwechsel, wird von Nerven des vegetativen Nervensy­ stems gesteuert. Haut |abschürfung, Exkoriation, jeder oberflächl. Substanzverlust der Haut, durch den diese ihren schützen­ den, hornartig festen Epidermisüberzug verliert und so­ mit das blutgefäß- und nervenreiche Gewebe der Leder­ haut bloßgelegt wird. H. gehören zu den alltägl. kleinen Verletzungen, kommen z. B. häufig bei Kindern vor, wenn sie sich v. a. durch Hinfallen verletzen. Behandlung: Die Wunde soll nicht ausgewaschen, der Schmutz aber durch Abtupfen vorsichtig entfernt werden, um die Wunde herum auch mit Wasser und Seife. Danach kann die Wunde ggf. mit sauberem Mullappen oder Taschentuch abgedeckt werden. Sobald wie möglich sollte ein Heftpflaster- oder Bindenschutzverband mit ei­ ner speziellen Wundsalbe angelegt werden, um das Ankle­ ben zu vermeiden und eine Infektion zu verhüten. Beim Abheilen bildet sich ein Schorf, der von selbst abfallen soll. Wie bei jeder Verletzung entscheidet der Arzt auch bei einer kleineren H., ob eine Schutzimpfung gegen -►Wundstarrkrampf notwendig ist. Haut|arzt, Dermatologe, Arzt, der nach entspre­ chender Weiterbildung (-»Arzt) in den Fachgebieten der Dermatologie (Lehre von den Hautkrankheiten) und Ve­ nerologie (Lehre von den Geschlechtskrankheiten) als niedergelassener Arzt in eigener Praxis oder als Kranken­ hausarzt Haut- und Geschlechtskrankheiten behandelt. Haut|atmung, -»Haut. Hautlatrophie, der-»Hautschwund. Haut|ausschlag, -»Ausschlag, -»Exanthem. Hautbank, Gewebebank, in der menschl. Haut (Haut­ lappen) für die -» Hauttransplantation aufbewahrt wird. Hautblase, -»Blase, -»Effloreszenz. Hautblüte, volkstüml. Bez. für-»Effloreszenz. Hautbräunungsmittel, -»Bräunungsmittel. Hautcreme, aus Wasser und Fetten oder fettähnl. Stoffen bestehende Emulsion zur Hautpflege. Hautdrüsen, ein- oder mehrzellige -» Drüsen, bes. die Schweiß-, Milch- und Talgdrüsen. Haut|emphysem, krankhafte Ansammlung von Luft oder Gas im Unterhautzellgewebe. Hautentzündung, Dermatitis, eine mit Rötung, Schwellung, Schmerzhaftigkeit, Bläschen- oder Blasen­ bildung, Abstoßung der Hautdecke und Nässen einherge­ hende Reizung der Haut, die an umschriebener (einge­ grenzter) Stelle oder über den ganzen Körper ausgebreitet vorkommen kann. Als Ursachen sind in erster Linie die bereits beim -» Erythem, dem leichtesten Grad der H., ge­ nannten Schädigungen zu erwähnen. Im Berufsleben sind es bes. die ehern. Reizstoffe, die häufig zur H. führen. Säuren, Laugen, Ätzmittel, Beizen, Reinigungsmittel u. a. lösen, wenn eine bestimmte Konzentration über­ schritten wird, bei jedem Menschen eine H. aus. Dasselbe gilt für eine Reihe von äußerlich angewendeten Arznei­ stoffen, z. B. Jod, Silbernitrat (Höllenstein), Teerpräpa­ raten. Einwirkungen von Hitze und Kälte verändern je nach Intensität und Dauer der Einwirkung jede Haut im Sinn einer Verbrennung oder Erfrierung. Bestrahlungen mit Ultraviolettlicht (Sonnenstrahlen, künstl. Höhen­ sonne) oder Röntgenstrahlen werden ebenfalls nur in be­ stimmter Menge vertragen. Wenn sich die H. auf kleine Hautstellen beschränkt, wird das Allgemeinbefinden nicht beeinträchtigt. Je grö­ ßer aber die Ausbreitung und je intensiver die Entzündung ist, um so höher ist zumeist auch die begleitende Fieber­ reaktion. Spielt bei der Krankheitsentstehung eine Überempfind­ lichkeit (Allergie) der Haut entweder bestimmten Stoffen gegenüber oder mehr allgemeiner Natur eine wesentl. Rolle, dann handelt es sich nicht mehr um eine H., son­ dern um das akute Stadium eines Kontaktekzems. Beide Krankheitsbilder können sich in der Erscheinungsform zunächst völlig gleichen, unterscheiden sich aber in ihrer Entstehungsweise und ihrem weiteren Verlauf grundsätz295

Haut

lieh (-»Ekzem). Allerdings können auch hier die Über­ gänge von der H. zum akuten Ekzem fließend sein. Bei der Behandlung der H. wird der Arzt sein Haupt­ augenmerk darauf richten, die reizauslösende Ursache festzustellen und auszuschalten. Bei H., die im wesentl. nur Rötung und Schwellung aufweisen, genügt meist die Anwendung corticoidhaltiger Lösungen oder Cremes für einige Tage. Bei stark nässenden Veränderungen sind feuchte, kühlende, entzündungshemmende Umschläge mit abgekochtem Wasser sowie Unterfetten mit Corticoidcreme empfehlenswert. Vorsicht vor reizenden Stof­ fen wie Arnika, essigsaurer Tonerde, Heilerde. Hautfarbe, die Färbung der menschl. Haut, die von rosigweiß über gelbl. und braune Töne bis tief schwarz va­ riiert. Sie hängt v. a. von der erbl. Fähigkeit ab, weniger oder mehr Pigment (Melanine) in den Zellen der Oberhaut zu bilden. I. d. R. sind bei Hellhäutigen Augenlider, Brustwarzen, Geschlechtsteile stärker pigmentiert als der Rumpf, dieser dunkler als die Gliedmaßen, deren Streck­ seiten dunkler als die Beugeseiten. Geringste Pigmentie­ rung, bei Dunkelhäutigen bes. auffallend, zeigen bei allen Rassen die Innenflächen von Hand und Fuß. Die Hautfarbe dient häufig als Hauptmerkmal in Ras­ sensystematiken (weiße, gelbe, schwarze Rasse). Die Ver­ breitung dunkler Töne in heißen und die heller Töne in ge­ mäßigten und kühlen Zonen ist Folge der Anpassung an die unterschiedl. Intensität der Sonneneinstrahlung, bes. des UV-Lichtanteils. — In (erbbedingten) Grenzen rea­ giert die Haut auf verstärkte Belichtung mit vermehrter 296

Pigmentbildung (Sonnenbräune); bei übermäßiger Be­ strahlung oder ausgeprägter Hellhäutigkeit zeigt sich oft nur Rötung (Sonnenbrand). Der genaue Erbgang der Hautfarbe ist bis heute nicht erforscht; wahrscheinlich wirken mehrere, sich beeinflus­ sende Genkomplexe zusammen. Nachkommen von El­ tern sehr unterschiedl. Hautfarbe (z. B. negrid und europid) stehen i. d. R. zwischen den Ausgangsrassen; in fol­ genden Generationen sind aber oft unterschiedl. Hautfar­ ben bei Geschwistern zu beobachten. — Als extreme Va­ riante gilt der erbl. Farbstoffmangel (Albinismus), eine mutative Veränderung des Pigmentstoffwechsels liegt bei Rothaarigkeit vor. Als lokale Überpigmentierungen der Haut werden z. B. Sommersprossen und Muttermal ge­ wertet. Hautfeuchtigkeit ist ein wichtiges Anzeichen für die Krankheitserkennung. Normalerweise ist die Haut warm, von einer natürl. und zur Abwehr gegen vielerlei Unzu­ träglichkeiten notwendigen, durch Hautfett und geringe Verdunstung filmartig erzeugten, seidenartigen Beschaf­ fenheit. Sie gewinnt an Feuchtigkeit durch Schweiß in­ folge von körperl. Bewegung, seel. Erregung, vegetativer Dystonie, nach Kaffeegenuß u. a. Bes. an Händen und Fü­ ßen findet sich gesteigerte H. gemeinsam mit deutl. Ab­ kühlung bei Kreislaufstörungen. Eine warme und durch vermehrte H. samtartig wirkende Haut kennzeichnet Überfunktion der Schilddrüse (Hyperthyreose). Diagno­ stisch wichtig ist die Zunahme der H. bei Infektionen, wo ihr Auftreten den besten Zeitpunkt für eine Schwitzpak-

Haut kung anzeigt, und bei der Herzschwäche, wo das Wieder­ feuchtwerden der vorher trockenspröden Haut erkennen läßt, daß die Wasserausscheidung, d. h. die Mobilisierung der angestauten Gewebsflüssigkeit, in Gang kommt. Auf­ fallend trockene Haut findet sich bei der Schilddrüsenun­ terfunktion (Hypothyreose; -»Myxödem) und bei ange­ borenem Fehlen der Schweißdrüsen. Hautfinne, volkstüml. Bezeichnung für kleine knöt­ chenförmige oder eitrige Veränderungen in der Haut und an den Haarbälgen. Hautflechte, nässende H., volkstüml. Bezeich­ nung für ein nässendes -► Ekzem.

mitteln weitere wichtige Hinweise. Spezialuntersu­ chungsmethoden ermöglichen meist eine einwandfreie Krankheitserkennung, obwohl viele H. einander sehr äh­ neln. Eine Sonderstellung unter den H. nehmen die Infek­ tionskrankheiten ein, soweit sie mit krankhaften Verän­ derungen der Haut (und auch der Schleimhäute) verbun­ den sind, wie Masern, Pocken, Scharlach u. a. Sie werden als akute exanthematische H., bei Schleimhautverände­ rung als enanthematische H. bezeichnet. In der folgenden Übersicht werden in den einzelnen Sparten nur wenige wichtige H. beispielhaft angeführt.

Hautgeschwülste, gutartige H., Tumoren der Haut, umschriebene, nicht entzündl. Gewebsneubildun­

I. H. mit vorwiegend äußeren Ursachen. A. Lebende Erreger. 1) H. durch tier. Parasiten (Läuse, Krätzmilben): -►Krätze, -» Hautmaulwurf; 2) H. durch Hautpilze: -»Bartflechte, -* Hautpilz­ krankheiten; 3) H. durch Bakterien: -»Impetigo, -»Wundrose, -* Hauttuberkulose; 4) H. durch Viren: -»Herpes, -»Gürtelrose. B. Unbelebte Schadstoffe. 1) H. durch Arzneimittel: -► Arzneiausschläge; 2) H. durch Arbeitsstoffe: -»Mineralöle, -»Ölakne, -►Ekzem; 3) H. durch Überempfindlichkeit gegen Nahrungsmit­ tel: -»Nesselsucht; 4) H. durch mechan. oder therm. Einflüsse: -» Wundsein der Haut, -»Verbrennung, -»Verät­ zung, -»Berufskrebse; 5) H. durch Strahlen: -»Sonnenbrand, -»Strahlen­ schädigungen, -»Xeroderma pigmentosum.

gen, die von den verschiedenen Baubestandteilen der Haut ihren Ausgang nehmen können, das umgebende Ge­ webe zwar verdrängen, aber keine Neigung zu zerstören­ dem Wachstum zeigen. Meist handelt es sich um Neubil­ dungen, die durch ererbte Anlagen bedingt sind und sich erst in späteren Jahren entwickeln. Sie sind abzugrenzen von den bösartigen -»Hautkrebsen. Zu den gutartigen H., die sich aus Zellelementen der Oberhaut entwickeln, gehören das -» Hauthorn und der -►Hautgrieß. Von den Bindegewebsbestandteilen der Lederhaut oder der Unterhaut gehen die häufig auftretenden Bindege­ websgeschwülste (-»Fibrome) aus. Vom Bindegewebe stammt auch die Wulstnarbe (-► Keloid) ab. Örtl. Wucherungen des Fettgewebes der Unterhaut werden als -»Fettgeschwulst bezeichnet. Kleine, platten förmige Hautverhärtungen von Linsen­ bis Markstückgröße, die bes. durch ihre gelbl. Verfär­ bung auffallen, treten gelegentlich bei älteren Menschen v. a. in der Augengegend auf (Xanthelasmen). Es handelt sich um eine geschwulstartige Einlagerung von fettähnl. Stoffwechselprodukten (Lipoiden) in die Bindegewebs­ zellen der Haut. In großknotiger Form kommen sie auch auf der Haut des ganzen Körpers vor. Manchmal bestehen Beziehungen zur Zuckerkrankheit, deshalb ist stets dar­ auf zu untersuchen. (-► Xanthome) Häufig sind die aus Fehlanlagen von Talgdrüsen her­ vorgehenden Balggeschwülste oder Grützbeutel (-» Athe­ rom). Zu den gutartigen H. gehören auch die durch Neu­ bildung von Blutgefäßen entstehenden -► Blutgefäßmale und die durch Wucherung von Naevuszellen gekennzeich­ neten -»Muttermale. Die Behandlung der gutartigen H. besteht meist in ih­ rer Beseitigung durch Operation. Hautgrieß, Acne miliaris, Milium, kleine, harte, weiße, von dünner Haut überzogene Knötchen, bes. an den unteren Augenlidern, in der Jochbein- und Schläfen­ gegend und an der Stirn. H. besteht aus kleinen Zysten, die zwiebelschalenartige Massen aus Horn, Epithelzellen u. a. enthalten; es sind kleine Erweiterungen von Haarfol­ likeln oder Schweißdrüsenausführungsgängen. Bei der ärztl. Behandlung wird mit feinem Skalpell hineingestochen, der Inhalt herausgenommen und die Zy­ stenwand eiektrokaustisch zerstört. Hauthorn, seltene, an das Horn eines Nashorns erin­ nernde feste Hornwucherung der Hautzellen bes. der Al­ tershaut. Solche Gebilde können 0,5 bis mehrere cm lang sein und finden sich bes. im Gesicht und am Kopf. Wegen der Gefahr der krebsigen Entartung ist ihre Chirurg. Ent­ fernung ratsam. Hautjucken, -»Jucken. Hautklammern, Wundklammern, mit denen anstelle einer Hautnaht die Haut nach Verletzungen oder Opera­ tionen zur Vorbeugung von Narbenbildung verschlossen werden kann. Hautkrankheiten, Dermatosen, verschiedene krankhafte Formveränderungen der Haut. Ihre Erken­ nung geht von einer sorgfältigen Betrachtung und Beur­ teilung der bei dem betreffenden Kranken vorliegenden Einzelerscheinungen (-»Effloreszenz) aus; Einblicke in die Art ihrer Entstehung ergibt die Vorgeschichte (Anam­ nese) des Kranken; Anordnung und Ausbreitung der Hautveränderungen und der allg. Krankheitsverlauf ver­

II. H. mit vorwiegend inneren Ursachen. 1) innersekretor. Störungen: -»Akne, Kupferrose (-►Rosacea); 2) erblich-anlagemäßige Grundlage: -♦ Fischschup­ penkrankheit, -»Schuppenflechte; 3) Gefäß- oder Nervenstörungen: kreisförmiger -»Haarausfall, -»Jucken; 4) Fehl- und Neubildungen: -► Muttermal, -»Krampf­ adern mit >BeingeschwürPflanzboden< Anschluß gefunden haben. Bei Hautschrift, Dermographismus, das Auftreten ei­ diesem Verfahren müssen u. U. Gliedmaßen, aus denen nes erhabenen, quaddelähnl., roten oder weißl. Streifens der gestielte Lappen stammt, eine Zeitlang an das Trans­ auf der Haut nach leichter mechan. Reizung mit einem plantationsbett herangeführt und fixiert werden, z. B. ein stumpfem Gegenstand, z. B. Darüberstreichen mit Fin­ Unterarm an die Wange u. ä. gernagel oder Bleistiftende. Die normal reagierende Haut Mit einem besonderen Verfahren läßt sich ein Haut­ spricht darauf nur mit einer schnell vorübergehenden Rö­ transplantat bis auf das Dreifache seines ursprünglichen tung an, während nervös übererregbare und allergisch Ausmaßes vergrößern. Mit Hilfe des Mesh-Dermatoms, veranlagte Menschen mehrere Millimeter dicke Streifen einem speziellen Hautschneidegerät, wird durch Anbrin­ oder Figuren an den beschriebenem Stellen bekommen, gen kleiner Einschnitte ein gitterartiges Auseinanderzie­ die längere Zeit stehenbleiben (15 Minuten und länger). hen der Haut ermöglicht. Hautschwiele, eine gelbl., hornartige Verdickung Haut|tuberkulose, zusammen fassende Bezeich­ der Oberhaut (— Schwiele). nung für alle Hautkrankheiten, die durch das Tuberkel­ Hautschwund, Haut|atrophie, das schichtweise bakterium (Abk. TB) oder seine Giftstoffe hervorgerufen Schwinden bestimmter Baubestandteile, bes. der elast. werden. Eine Erstansteckung der Haut mit Tuberkelbak­ Fasern, aus dem Gefüge der Haut. terien ist selten und kommt nur in frühester Kindheit vor. Abgesehen von den sehr seltenen Fällen von angebore­ Dagegen werden fast alle Menschen bereits im Kindesalter nem H., der mit narbenähnl. Hautschrumpfung im Be­ über die Atmungs- oder Verdauungswege mit Tuberkel­ reich des Kopfs einhergeht, zeigen sich Rückbildungser­ bakterien infiziert. Sie überstehen diese Ersterkrankung scheinungen an der Haut i. d. R. erst im höheren Alter. Die unter dem Bild eines grippalen Infekts oder ohne jede Haut erhält ein fahles, graues Aussehen, wird trocken, krankhafte Entzündung. An der Haut läßt sich nach dünn, runzlig und läßt sich leicht fälteln. Die Hautgefäße Überstehen dieser ersten tuberkulösen Erkrankung mit scheinen durch, weil die Oberhaut dünner wird und Teile Hilfe der Tuberkulinprobe feststellen, daß sich eine be­ der Lederhaut und des Fettgewebes langsam abgebaut sondere Abwehrlage des Körpers (Immunität) gegenüber werden (Altersatrophie). Dieser physiolog. Altersabbau den Tuberkelbakterien entwickelt hat. Von dieser Erstin­ der Haut kann bei Menschen, die stark den Einflüssen von fektion kann im Organismus ein abgekapselter Herd mit Sonne, Wind und Wetter ausgesetzt sind, bereits früher noch lebenden Tuberkelbakterien Zurückbleiben, von als normal beginnen. Die Erscheinungen treten dann ent­ dem aus unter ungünstigen Verhältnissen (anderweitige sprechend ihrer Entstehungsursache am deutlichsten im Erkrankung, schlechte Ernährung) zu einem späteren Gesicht, an den Handrücken und Unterarmen auf, sie be­ Zeitpunkt Keime auf dem Blut- oder Lymphweg ausge­ stehen ebenfalls in Dünnerwerden der Haut, Fältelung schwemmt werden. Neue Herde können sich daraus in den und Durchschimmern der Gefäße. Später zeigt sich eine inneren Organen oder auch an der Haut entwickeln. Die Neigung zu Rauhwerden und Warzenbildung. Infektion mit Tuberkelbakterien von außen her ist äu­ Bei manchen Frauen tritt um die Zeit der Wechseljahre ßerst selten. ein auf die äußeren Geschlechtsteile begrenzter, meist Der Formenreichtum der H. wird durch mehrere Fak­ stark juckender H. auf (—Kraurosis vulvae). toren bedingt, von denen erst einige bekannt sind. So sind Eine besondere Form des H., deren Ursache noch völlig die Menge der infizierenden Erreger, die Abwehrlage des ungeklärt ist, tritt v. a. an den Streckseiten der Arme und Körpers und die Ansteckungsweise (Blut- oder Lymph­ Beine in Form von knittriger Hautverdünnung, rot- weg, von außen her) von Einfluß auf die Gestaltung der Hauttransplantation: bräunl. Verfärbung und Durchscheinen der Gefäße auf. krankhaften Hautveränderungen. Keine wesentl. Rolle die verschiedenen Ent­ Nennenswerte Beschwerden bestehen dabei nicht. Im spielt es dagegen, ob Tuberkelbakterien vom menschl. nahmestellen für Haut­ Stamm (Typus humanus) oder tier. Stamm (Typus boviKrankheitsbereich verschwinden allmählich die Haare, transplantate; und die Schweißabsonderung versiegt (idiopath. Haut­ nus) die Krankheitserreger sind. Fast alle Formen der H. oben Vorderansicht unten Rückansicht sind sehr bakterienarm, eine Übertragungsmöglichkeit atrophie, d. h. H. noch ungeklärter Ursache).

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Haut Haut| Übertragung, Hautverpflanzung, die besteht praktisch nur bei geschwürigen Vorgängen. Bei etwa 30% der an H. Erkrankten besteht eine nachweis­ -» Hauttransplantation. bare Tuberkulose innerer Organe. Hautwassersucht, Haut|ödem, Anasarka, die Die häufigste Erscheinungsform der H. ist der Lupus Ansammlung von wäßriger, dem Blutserum ähnl. Flüs­ vulgaris (fressende Flechte, fressender Wolf, Hautwolf, sigkeit in und unter der Haut über einen größeren Teil des Narbenflechte, Schwindflechte; Bild Tuberkulose). Die Körpers. Sie ist ein Sonderfall der Gewebswassersucht, Erkrankung beginnt meist um die Pubertätszeit, am häu­ des Ödems (-»Wassersucht). Man erkennt die H. daran, figsten im Gesicht (Nase, Wangen, Oberlippe), seltener an daß ein etwas tieferer Eindruck mit dem Finger, der sonst anderen Körperstellen (Hände, Gesäß). Über die Entste­ bei normaler Haut augenblicklich verschwindet, als ein­ hungsweise gilt das oben Gesagte. Die charakterist. Er­ gedrückte Delle stehenbleibt und sich erst nach längerer scheinungen sind die Lupusknötchen, scharf umschrie­ Zeit wieder ausgleicht. Bei Herzleiden und Schwächung bene, stecknadelkopf- bis linsengroße, kaum erhabene, des Herzmuskels durch schwere Allgemeinerkrankung gelblich bis braunrote Knötchen, die, einzeln oder in tritt H. im Anfang an den Unterschenkeln, bei bestimm­ Gruppen angeordnet, länger unverändert bestehenblei­ ten Nierenerkrankungen in dem lockeren Gewebe um die ben können. Im Lauf der Zeit treten aber doch an den Augen auf. H. kann sich weiter ausbreiten; das Krank­ Rändern neue Knötchen auf, vielfach auch an anderen heitsbild wird mit der Ausbreitung bedrohlicher. Es ist im­ Hautstellen neue Herde. Allmählich setzt in den so verän­ mer ein Arzt hinzuzuziehen. derten Bezirken eine verstärkte Abschuppung ein (schup­ Hautwolf, entzündl. Haut Veränderungen. 1) volkspender Lupus). Durch Vergrößerung und Zusammenflie­ tüml. Bezeichnung für-» Wundsein der Haut (Intertrigo), ßen der Herde kommt es zu flächenhafter Ausbreitung, v. a. in der Dammgegend. manchmal mit scheinbarer feinnarbiger Abheilung in der 2) Lupus vulgaris, -► Hauttuberkulose. Mitte. In vielen Fällen zeigen die Knötchen von vornher­ Haüy [aif'i], Valentin, frz. Blindenlehrer, * St.-Justein eine Neigung zu geschwürigem Zerfall, die Herde wei­ sen dann einen leicht blutenden Grund und unregelmäßig en-Chaussee (Picardie) 1745, f Paris 1822, gründete 1784 gezackte, unterwühlte Ränder auf (geschwüriger Lupus). in Paris die erste Blindenanstalt der Welt; durch die Ein­ Der geschwürige Zerfall tieferer Gewebsschichten kann führung des Reliefdrucks Erfinder des Blindenbuchs. zu narbigen Verziehungen im Bereich der Augenlider und (-► Blindenwesen) Haverhill-Fieber [h'eivahil-, n. dem Ort Haverhill, Lippen, durch Einschmelzung des Knorpels zu Verstüm­ melungen der Nase (abgegriffene Nasenspitze) und Ohr­ Massachusetts, USA], -»Rattenbißfieber. muscheln führen. Die Erkrankung kann auch die Hb, Abk. für Hämoglobin (-»Blutfarbstoff). Schleimhaut der Nasenhöhle oder Mundhöhle befallen. Headsche Zonen [h'ed-, n. dem brit. Neurologen Der Verlauf ist immer sehr langwierig, scheinbare Besse­ Sir H. Head, * 1861, 11940], 1893 zuerst beschriebene rungen sollten über das unerbittl. Fortschreiten der Er­ überempfindl. Zonen der Haut, die bei der Erkrankung krankung nicht hinwegtäuschen. Ohne geeignete Behand­ innerer Organe nachweisbar sind. Sie liegen je nach dem lung kommt der Lupus vulgaris nicht zur Ruhe, auch in erkrankten Organ in verschiedener Höhe (Segmentanord­ den schon narbig veränderten Hautpartien können jeder­ nung). Bes. häufig wird ihr Ansprechen auf Hautreize bei zeit neue Knötchenschübe auftreten. Eine dem Lupus vul­ Erkrankungen des Herzens, der Gallenblase, der Bauch­ garis manchmal im Aussehen ähnl., aber nicht tuberku­ speicheldrüse und des Magens beobachtet. H. Z. kommen löse Hauterkrankung ist der Lupus erythematodes folgendermaßen zustande: Die Empfindlichkeit der Haut (-► Erythematodes). (Berührung, Schmerz u. a.) wird durch Empfindungsner­ Die Schwindbeule (Skrophuloderm) geht von infizier­ ven vermittelt, die in den im Rückenmark entspringenden ten Lymphknoten der Halsgegend aus. Ganz allmählich Nervensträngen gesammelt und von dort aus zum Gehirn bildet sich eine derbe, wenig entzündl. Schwellung einer geleitet werden. Zu jedem Wirbelkörper gehört ein Ner­ oder mehrerer Halslymphknoten. Unter langsam zuneh­ venpaar, das eine bestimmte Zone der rechten oder linken mender Entzündung verbackt der Lymphknoten mit der Körperhälfte beherrscht. Wenn an dem erkrankten Organ umgebenden Haut zu einem großen, blaurot verfärbten ein Schmerzreiz empfunden wird, läuft dieser in Empfin­ Knoten, der die Haut immer stärker nach außen vorwölbt, dungsnerven, die zum Sympathikus gehören, zum Ge­ bis unter fortschreitender Erweichung im Innern schließ­ hirn. Auf diesem Weg liegen im Rückenmark Querverbin­ lich der Eiterdurchbruch nach außen erfolgt. Nach wo­ dungen zu den Empfindungsnerven, die von der äußeren chenlanger Absonderung kann unter Bildung einer stark Haut herkommen. Hier springt nun der Schmerzreiz auf verzogenen Narbe die Abheilung einsetzen. die Hautnerven über, so daß bestimmte Hautsegmente Die Schwindwarze (Leichentuberkel) entsteht durch überempfindlich werden. Wenn man mit einer Nadel Wiederansteckung mit Tuberkelbakterien von außen. Die leicht über die Haut von oben nach unten streicht, wird bei einer gewöhnl. Warze ähnl. Veränderung, die infolge Eintritt in die überempfindl. Zone ein deutl. Schmerz chronisch entzündl. Reizzustands blaurot gefärbt ist und (Segmentschmerz) empfunden. Bestimmten Organen immer etwas feucht-eitriges Sekret absondert, sitzt fast sind nun bestimmte Hautzonen zugeordnet; so kann der ausschließlich an den Händen. Befallen werden bes. Flei­ Arzt bei unklaren Bauchbeschwerden auf die mutmaßl. scher, Abdecker, Leichenwärter, Tierärzte und Ärzte, Erkrankung eines bestimmten Organs schließen. Wird die beruflich mit tuberkulösem Material in Berührung auf dem Nervenweg von den sensiblen Hautsegmenten aus auf die zugehörigen Organe einzuwirken versucht, so kommen. spricht man von -► Segmenttherapie, die als umstrittene Die Behandlung der H. liegt in der Hand des Arztes; Methode gilt. es muß eine ausreichend lange, intensive Therapie mit Heb | amme, behördlich geprüfte und anerkannte Ge­ Chemotherapeutika durchgeführt werden. Hierbei wer­ den, um die Gefahr von Nebenwirkungen und die Ausbil­ burtshelferin; neben Beratung während der Schwanger­ dung von Resistenzen zu vermeiden, meist 2 oder 3 Medi­ schaft und Hilfe bei der Entbindung (Geburtshilfe) pflegt kamente kombiniert gegeben. Die Behandlung dauert sie Mutter und Kind in den ersten Tagen des Wochenbetts. mehrere Monate und muß sehr gewissenhaft durchge­ H. können in freier Praxis oder als Anstalts-H. tätig sein. führt werden. Eine zusätzliche Chirurg. Ausräumung des Sie werden in Hebammenlehranstalten in Lehrgängen Krankheitsherds ist zur Verkürzung der Behandlungs­ von 2jähriger Dauer ausgebildet und unterliegen der dauer beim Skrophuloderm erforderlich. Unterstützend Schweigepflicht. Eine Bewerberin soll bei Lehrgangsbe­ ist eine kalorienmäßig ausreichende, eiweiß- und vitamin­ ginn mindestens 18, höchstens 35 Jahre alt sein. Das berufl. Recht, geburtshilfl. Beistand zu leisten, ha­ reiche Kost angezeigt. Klimabehandlung unterstützt den ben in der Bundesrep. Dtl. nurÄrzteund H. Im letzten Jh. Heilverlauf. haben unter den Entbindungen diejenigen, die nicht im Privathaushalt (Hausentbindung), sondern in einer An­ Headsche Zonen: oben bei Gallensteinanfall, Mitte bei schmerzhafter stalt betreut werden, namentlich in den großen Städten, Entzündung der Bauchspeicheldrüse, unten bei Herz­ außerordentlich zugenommen und stellen dort die Regel anfällen (untere Abb. nach Hochrein/Schleicher: HerzKreislauferkrankungen) dar. Inden Anstalten sind meist fest besoldete Anstalts-H. 302

Heil tätig, doch können auch frei praktizierende H. dort ihren Beruf ausüben. Die Berufsverhältnisse der H. sind in der Bundesrep. Dtl. einheitlich durch Gesetz vom 21. 12. 1938 geregelt. Derzeit (1983) wird die Ausbildung neu gestaltet. Voraus­ sichtlich wird die Dauer auf 3 Jahre verlängert. Auch männl. Personen sollen zum H.-Beruf zugelassen werden; für sie ist die Bezeichnung >Entbindungspfleger< vorge­ sehen. Jeder Frau steht Hebammenhilfe bei Schwangerschaft, Geburt, Fehlgeburt, Wochenbett und für das Neugebo­ rene zu. Die H. ist zum Beistand verpflichtet. Sie steht un­ ter Aufsicht des Amtsarztes, dem sie jährlich ihr Tage­ buch zur Nachprüfung einreicht. Im einzelnen regelt eine Dienstordnung ihre Tätigkeit. Durch Fortbildungslehr­ gänge wird sie weitergebildet. H. können nicht gleichzei­ tig Kranken- und Säuglingsschwestern sein. Übernimmt ein Arzt die Geburtsleitung, so ist die H. seine Gehilfin. Die Bekämpfung des Wochenbettfiebers nimmt in der Hebammentätigkeit einen besonderen Raum ein. Hebephrenie, meist in jugendlichem Alter begin­ nende Form der -»Schizophrenie. Heberdensche Knoten [n. dem brit. Arzt W. He­ berden, * 1710, f 1801], anfangs weiche, druckempfindl., später harte, bis etwa erbsengroße Auftreibungen der Ge­ lenkenden der letzten Fingerglieder am 2.-5. Finger, die zum Krankheitsbild der -» Polyarthrose gehören; sie wer­ den oft mit Gichtknoten verwechselt. H. K. kommen häu­ figer bei Frauen (bes. nach den Wechseljahren) als bei Männern vor. Behandlung: Bewegungsübungen in Fango­ schlamm, auch kurzfristige Anwendung von Cortison­ präparaten. HED, Abk. für Hauteinheitsdosis, Hauterythemdosis, die Dosis ionisierender Strahlen, die ein rückbildungsfä­ higes Erythem ohne Dauerschaden erzeugt. Hefen, Sproßpilze, Kleinstlebewesen von charakterist. Wuchsform: Einzelzellen, die sich durch Knospung vermehren, im Ggs. zum Myzel (Gespinst aus vielfältig verzweigten Zellfäden) der übrigen Pilze. Die typ. Stoff­ wechselleistung der H. ist ihre Fähigkeit, mittels Enzymen in Abwesenheit von Sauerstoff zuckerhaltige Substrate schnell zu Alkohol und Kohlendioxidgas zu >vergären< (-♦Gärung). Dies wird bei den Gärhefen einerseits ausge­ nutzt zur Herstellung alkohol. Getränke und techn. Alko­ hols, andererseits zur Teiglockerung bei der Verwendung von Backhefe. Nährhefe wird im Ggs. zur Gärhefe durch Belüftung zu starkem Wachstum angeregt (Wuchshefe). Nach Reinigung und Trocknung ist sie ein wertvolles Nah­ rungsmittel, da sie hohe Mengen an Eiweiß und Vitami­ nen der B-Gruppe enthält (in der Naturheilkunde zur He­ fekur verwendet; soll die Wirkung krankheitserregender Darmkeime günstig beeinflussen). Nährhefe besitzt keine Gärkraft mehr. Heftpflaster, durch Klebeschicht an der Haut haften­ der Streifen aus Kautschuk-, Textil-, Papier- oder Synthe­ tikgewebe. H. dient zum Befestigen von Verbandmaterial oder mit steriler, auch keimtötender Mullauflage als Kurzzeitverband für oberflächl. Wunden; dabei ist ein Luftabschluß der Wunde zu vermeiden. Hegarstifte (n. dem Frauenarzt A. Hegar, * 1830, 11914], Metall- oder Kunststoffstifte steigender Dicke zur Erweiterung des Gebärmutterhalskanals. Anwen­ dung z. B. vor einer Ausschabung.

Heil anstalten, Heilstätten, i. w. S. Anstalten für Kranke, die einer bestimmten, länger andauernden Be­ handlung bedürfen, auf welche die allgemeinen -»Kran­ kenhäuser nicht eingerichtet sind. Je nachdem, ob es sich um ständig Bettlägerige oder Kranke handelt, die sich be­ wegen können, ähnelt die H. mehr oder weniger dem Krankenhaus, doch fehlen i. d. R. größere Operations­ räume. Die Belegung geht heute auch bei öffentl. H. über 6 Betten je Zimmer selten hinaus. Größere H. für Lungen­ kranke besitzen meist medizin. und Chirurg. Abteilungen und werden vorwiegend von den Landesversicherungsan­ stalten unterhalten. H. für Süchtige werden aus öffentl. Mitteln oder auch durch karitative Verbände errichtet und betrieben. Private H. werden als Sanatorien be­ zeichnet. Die Heil- und Pflegeanstalten i. e. S., früher auch Irren­ anstalten oder Irrenhäuser genannt, sind bes. für die Be­ handlungseelisch Krankereingerichtet; in der Bundesrep. Dtl. und der Dt. Dem. Rep. werden sie heute als psychia­ trische Krankenhäuser, psychiatr. Kliniken oder Nerven­ kliniken bezeichnet. Während sie früher bes. dem Schutz der Allgemeinheit vor gefährl. Kranken dienten, steht heute die Behandlung im Vordergrund. Daher unterschei­ den sich neuzeitl. H. für seelisch Kranke wenig von ande­ ren Krankenanstalten; nur für unruhige Kranke sind Sicherheitsmaßnahmen und Einzelräume zur vorüberge­ henden Unterbringung notwendig. In den letzten Jahr­ zehnten sind die -»Arbeitstherapie und die -»Beschäfti­ gungstherapie eingeführt und ausgebaut worden; auch unruhige Kranke werden planmäßig beschäftigt. Patien­ ten, die bei ihrer Entlassung nicht in ihre früheren Lebens­ verhältnisse zurückkehren können, werden häufig in Fa­ milienpflege untergebracht. Die zeitgemäße medizin. Behandlung seel. Störungen hat die Dauer des Anstaltsaufenthalts im Durchschnitt erheblich abgekürzt. Ganz allgemein wird frühzeitige Rückkehr in die gewohnte Umwelt angestrebt. Als Zwi­ schenstation zwischen Anstaltsaufenthalt und ambulan­ ter Nachbehandlung oder Überwachung haben sich Klini­ ken oder Stationen bewährt, in denen sich die Kranken nur tagsüber zur Behandlung oder Nachbehandlung auf­ halten. Am Abend kehren sie in ihre Wohnung zurück. Das Gegenstück sind Nachtkliniken (-»Tages- und Nachtkliniken). Rechtliches. Eine umfassende gesetzl. Regelung für psychiatrische Krankenhäuser fehlt; ein Rahmenvor­ schriften enthaltendes Psychiatrie-Gesetz wird jedoch an­ gestrebt. Diese Anstalten können in öffentl., kirchl. oder privater (dann Konzessionspflicht nach § 30 Gewerbeord­ nung) Trägerschaft stehen. Für eine ausreichende Zahl von psychiatr. Krankenhäusern haben die Landeswohl­ fahrtsverbände zu sorgen; es gilt für sie i. d. R. Anstalts­ recht. Die Betriebsaufsicht obliegt in gesundheitspolizeil. Hinsicht den Gesundheitsämtern. Für die wirtschaftl. Si­ cherstellung gilt das Krankenhaus-Gesetz v. 29.6. 1972. — Die Einweisung in eine H. kann durch gerichtl. Beschluß als -► Maßregel der Besserung und Sicherung im Strafver­ fahren erfolgen (z. B. durch Unterbringungsbefehl), wenn der Straftäter nicht oder vermindert zurechnungsfä­ hig ist, oder auf Antrag des Staatsanwalts oder eines An­ gehörigen des Erkrankten im Verfahren der -» Entmündi­ gung; weiteres -»seelische Krankheiten. Heil|atmung, Begriff der Naturheilkunde für gesun­ des Atmen; ein auf alten Erfahrungen und Lehren des -►Yoga aufgebautes Heilverfahren (Atemtherapie), das durch eine sorgfältig entwickelte -»Atmungsgymnastik Heidelbeere, Blaubeere, Vaccinium myrtillus, den physiolog. Gegebenheiten der Atmung angepaßt zu den Heidekrautgewächsen (Ericaceae) gehörender, wurde. Zur H. gehören auch Maßnahmen des -»autoge­ kleiner Beerenobststrauch in Wäldern und auf Mooren; nen Trainings. Ernte der schwarzblauen Beeren im Spätsommer (Bild Heilbad, -»Bad, -»Heilquellen, -»Heilbäder und Obst). Die getrockneten Früchte sind eine Droge (Fructus Kurorte. myrtilli), die wegen des hohen Gehalts an Gerbstoff stop­ Heilbäder und Kurorte, behördlich genehmigte Be­ fend wirkt; in der Naturheilkunde fein pulverisiert verab­ reicht als Mittel gegen Säuglingsdurchfall. Weitere An­ zeichnung für einen Ort, auch Ortsteil unterschiedl. Größe (auch Kurstadt, z. B. Wiesbaden, Baden-Baden), wendung: Heilpflanzen, Übersicht. in dem mit Hilfe natürl. Gegebenheiten (Klima, HeilquelHeidelberger Kapsel, -»Endoradiosonde. Heil anästhesie, alte Bezeichnung für -»Neural­ Hefen: elektroncnmikroskop. Aufnahme eines Ultra­ dünnschnitts durch eine sprossende Hefezelle mit Sporen therapie. 303

Heberdensche Knoten

Hefen

Heil Orte Aachen Abbach, Bad A. Aibling, Bad A. Alexandersbad, Bad A. Altenau Baden-Baden Badenweiler Baltrum Berchtesgaden

Bergzabern, Bad B. Berleburg, Bad B. Bertrich, Bad B. Boll, Bad B. Boppard Borkum Braunlage Brückenau, Bad B. Bühlerhöhe Burg auf Fehmarn Büsum Camberg, Bad C. Dahme Damp (2000) Dürkheim, Bad D. Dürrheim, Bad D. Eilsen, Bad E. Ems, Bad E.

Endbach, Bad E. Freudenstadt Füssen Füssing, Bad F. Garmisch-Partenkirchen Godesberg, Bad G. Grömitz Hahnenklee Harzburg, Bad H. Heilbrunn, Bad H. Heiligenhafen Helgoland Herrenalb, Bad H. Hersfeld, Bad H. Hinterzarten Höchenschwand Homburg v. d. H., Bad H. v. d. H. Honnef, Bad H. Hörnum auf Sylt Iburg, Bad 1. Isny im Allgäu Juist Kämpen auf Sylt Kassel-Wilhelmshöhe Kissingen, Bad K. Kohlgrub, BadK. König, Bad K. Königstein im Taunus Kreuth, Wildbad K. Kreuznach, Bad K. Krozingen, Bad K. Langeoog Lauterberg im Harz, Bad L. i. H. Lenzkirch Liebenzell, Bad L. Lippspringe, Bad L.

List auf Sylt Meinberg, Bad M. Mcrgenthein, Bad M. Münster am Stein-Ebernburg, Bad M. a. S.-E. Münstereifel, Bad M. Murnau Nauheim, Bad N.

Heilbäder und Kurorte der Bundesrep. Dtl. (Auswahl1) Höhe in m ü. M. 125-450 356 500 590 450-580 150-1000 340-580

Art

Thermen Quellen, Moor Moor Quellen, Moor Mittelgebirgsklima Thermen Thermen Seeklima 480-1 170 Sole

200-300 420-600 165-400 408 60-531

Kneipp Kneipp Thermen Quellen Kneipp Seeklima 560-760 Mittelgebirgsklima 300 Quellen, Moor 800 Mittelgebirgsklima Seeklima Seeklima 218-526 Kneipp Seeklima Seeklima 132-250 Quellen, Sole 700-850 Quellen, Sole, Mittelgebirgsklima 90 Quellen 85-240 Thermen, Mittelgebirgsklima 300-500 Kneipp 700-1000 Mittelgebirgsklima 800 Kneipp 324 Thermen 710-2964 Hochgebirgsklima 65 Quellen Seeklima 600-726 Mittelgebirgsklima 300-600 Mittelgebirgsklima, Thermen, Sole 680 Quellen, Moor Seeklima Seeklima 400-700 Thermen, Mittelgebirgsklima 200-300 Quellen 850-1200 Mittelgebirgsklima 1015 Mittelgebirgsklima

Bioklima

Anwendungsbereiche

reizmild reizmild reizmäßig reizmäßig reizmäßig, reizmild reizkräftig, reizmäßig reizmild reizkräftig reizkräftig, reizmäßig, reizmild reizmild reizmäßig reizmild reizmäßig reizmild reizkräftig reizkräftig, reizmild reizmild reizkräftig reizkräftig reizkräftig reizmild reizkräftig reizkräftig reizmild

1

1 1 1 1 1

1

reizkräftig, reizmäßig reizmild

1 1

Quellen, Moor Quellen Seeklima 126-331 Kneipp 700-1118 subalpines Klima Seeklima Seeklima 230-600 Mittelgebirgsklima 201 Quellen, Moor 900 Moor 180-440 Thermen 400-800 Mittelgebirgsklima 800-1700 Hochgebirgsklima 104 Thermen, Sole 233 Thermen Seeklima

reizmäßig reizmäßig reizkräftig reizmild reizmäßig reizkräftig reizkräftig reizmäßig reizmild reizkräftig reizmild reizmild reizkräftig, reizmild reizmild reizmäßig reizkräftig

1 1

300-450 810 340-600 145-334

reizmäßig, reizmild reizkräftig, reizmäßig reizmäßig

117 300-500 700 144

reizmäßig reizkräftig reizmild reizmild

Thermen, Saline Kneipp Moor Thermen, Sole

reizmild reizkräftig, reizmäßig reizkräftig reizmild

10

11

7

11 8 8 8

10 10

8

10

11

7

7 9

7 7 7

11 11 8

10

7 7 7 8

11 11 11

7 3 4 5 3 5 6 8 10 4 5 7 3 5 6 8 10 3 10 4 5 7 5 8 0 3 4 5 6 7 11 4 5 7

3 4 5

1 1

3

3

1

3

1

3

1

13

11 11

7

5 5

3 4 5 3 5 4 5 3 4 5 3 4 5 4 5 3 5 3 3 4 5 4 5 3 4 5 3 5 3 4 5

11

7 8 8 7

4 5 4 5

1

6

7

8 8 11

8

1

10

7 6 7 6 7

11 11

7

6 6

8

7 7 6

7 8

11

6 7

5 6 8 4 5 7 5

11 10

4 5 7 8 3 4 5 6 7 6 8

10

5 6 7 8 5 6 6 5 7

10

3 1

13

10

3 4 5 6 7 3 5 6 3 4 5 6 7 3 4 5 6 7

reizmäßig reizkräftig reizkräftig 1 1

210 210

9

3 4 5 7 3 5 6 7

reizmild reizmäßig, reizmild reizmäßig reizkräftig, reizmäßig reizmäßig reizkräftig, reizmäßig reizmild reizkräftig reizkräftig, reizmäßig reizmäßig

Kneipp Mittelgebirgsklima Thermen Thermen, Mittelgebirgsklima Seeklima Quellen, Moor Quellen, Sole

3 4 5 3 5 3 5 3 3 4 5 3 5 3 4 5 6 4 5 3 5 6 4 5 3 4 5 6 3 4 5 6 3 5 3 4 5 6 3 4 5 6

3

reizmild reizmild reizkräftig, reizmäßig reizkräftig

200 54-450

3 4 3 3 6 3 5 4 5 7 3 6 7 3 5 7 3 4 5 6 7

3 3 3

11

II

') Deutscher Bäderkalender 1980 1) Stoffwechselerkrankungen einschließlich Zuckerkrankheit. 2) Erkrankungen des blutbildenden Systems. 3) Rheumatische Erkran­ kungen der Gelenke, Muskeln und Nerven. 4) Hautleiden, Hautallergie. 5) Herz-, Kreislauf- und Gefäßerkrankungen. 6) Frauen­ krankheiten, Operationsfolgen und hormonale Störungen. 7) Erkrankungen der Atmungsorgane einschließlich allergischer Erkran­ kungen ohne Tuberkulose. 8) Magen-Darm-Galle-Leber- und Pankreasleiden. 9) Erkrankungen der Nieren- und ableitenden Harn­ wege, Operationsfolgen. 10) Erkrankungen des Nervensystems. 11) Erkrankungen im Kindesalter außer Tuberkulose. 12) Tuberku­ lose der Lungen, Organ-Tuberkulose. 13) Augenleiden. 304

Heil

Heilbäder und Kurorte der Bundesrep. Dtl. (Auswahl1) Orte Nenndorf, Bad N. Neuenahr-Ahrweiler, Bad N.-A. Norddorf auf Amrum Norderney Oberstdorf Oeynhausen, Bad O. Orb, Bad O. Prien am Chiemsee Pyrmont, Bad P. Radolfzell-Mettnau Rappenau, Bad R. Reichenhall, Bad R.

Rothenfelde, Bad R. Rottach-Egern Sachsa, Bad S. Salzgitter, Bad S. Salzschlirf, Bad S. Salzuflen, Bad S. Sankt Andreasberg Sankt Blasien

Sankt Peter-Ording Scheidegg Schlangenbad Schluchsee Schwalbach, Bad S. Soden am Taunus, Bad S. a. T. Sooden-Allendorf, Bad S.-A. Spiekeroog Steben, Bad S. Tegernsee Timmendorfer Strand/ Niendorf Titisee-Neustadt Todtmoos Tölz, Bad T.

Travemünde Triberg im Schwarzwald Überkingcn, Bad Ü. Überlingen Vallendar Vilbel, Bad V. Villingen-Schwenningen Waldkirch Waidsee Wangerooge Westerland Wiesbaden Wiessee, Bad W. Wildbad Wildungen, Bad W. Wimpfen, Bad W. Winterberg Wörishofen, Bad W. Wyk auf Föhr

Höhe in m ü. M. 70-100

Art Quellen, Sole

92

Thermen Seeklima Seeklima 840-2000 Hochgebirgsklima, Kneipp 71 Thermen, Sole 170-540 Quellen, Moor 518-610 Kneipp 110-170 Quellen, Sole, Moor 400-690 Kneipp 227-260 Sole 470-1614 Quellen, Saline, Sole, Moor 112 Quellen, Saline, Sole 740-1700 Hochgebirgsklima

Mittelgebirgsklima Sole Quellen, Sole, Moor Thermen, Sole Mittelgebirgsklima Mittelgebirgsklima, Kneipp Sole, Seeklima 800-1000 Kneipp 320 Thermen, Moor 930-1300 Mittelgebirgsklima Quellen, Moor 330 360-660 150 250-500 75-250 600-894 760

140-380

Thermen, Sole

Sole Seeklima Quellen, Moor 600 732-1264 Hochgebirgsklima

150-250

800-1200 850-1263 670 600-1000 450-750 404-700 60-150 108-190 660-975 263-1243 600-750

100-120 735 430-950 330 190-230 700-842 630

Seeklima Kneipp Mittelgebirgsklima Mittelgebirgsklima, Quellen, Moor Seeklima Mittelgebirgsklima Thermen Kneipp Kneipp Quellen Kneipp Kneipp Kneipp, Moor Seeklima Seeklima Thermen Thermen Thermen Quellen Sole Mittelgebirgsklima Kneipp Seeklima

Bioklima

Anwendungsbereiche

reizmild

3 4

reizmild reizkräftig reizkräftig

1

reizkräftig, reizmäßig reizmild reizmild reizmäßig reizmild reizmäßig reizmild

1 1

1

reizkräftig reizmild reizkräftig, reizmäßig, reizmild reizmild reizmild reizmäßig reizmild reizkräftig, reizmäßig reizkräftig, reizmäßig reizkräftig reizkräftig, reizmäßig reizmäßig reizkräftig, reizmäßig reizmäßig

3

6 7 5

3 4 5 6 7 3 4 5 6

8 9

11 11

3 4 5 6 7 8 3 4 5 6 3 5 3 5 6 8 3 4 5 6 7 8 3 5 6 8 3 6 7 3 3

10 11

10 11

6 7 5 6

11 11

13

4 5 4 5

7 7 6 7 3 3 5 6 3 5 6 7 4 5 7

1 1

11

10

3 4 5 7 8 3 4 5 6 7 5 6 8 3 3 4 5 7 3 5 6

reizmäßig

3 4 5 6 7

reizmäßig reizkräftig reizkräftig reizkräftig, reizmäßig, reizmild

3 7 3 4 5 6 7 3 5 6

reizkräftig reizkräftig, reizmäßig reizkräftig, reizmäßig

3 4 5 6 7 3 5 6 8 4 5 7

reizmäßig reizkräftig reizmäßig, reizmild reizkräftig reizmäßig reizmild reizmäßig reizmäßig, reizmild reizmild reizmäßig, reizmild reizkräftig reizkräftig reizmild reizmäßig, reizmild reizkräftig reizmäßig reizmäßig reizmäßig reizkräftig, reizmäßig reizkräftig

10 10

11 10 10

11 11

7

4 5

1

10

11 10

3 4 5 6 7

J 4 5 6 7 1 1 1

3

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4 5

5 5 5 5 3 3 5 3 5 3 4 5 3 4 5 3 3 4 5 3

3

8 9 10 8 8 10

6 6

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1 1 1

3

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3 3 3

10 10 10

6 8 8 6 6 8 6 7 6 7 7 7

5

11 11

13 9

7

7 4 5 5 6 8 6 4 5 7

10

11

1) Stoffwechselerkrankungen einschließlich Zuckerkrankheit. 2) Erkrankungen des blutbildenden Systems. 3) Rheumatische Erkran­ kungen der Gelenke, Muskeln und Nerven. 4) Hautleiden, Hautallergie. 5) Herz-, Kreislauf- und Gefäßerkrankungen. 6) Frauen­ krankheiten, Operationsfolgen und hormonale Störungen. 7) Erkrankungen der Atmungsorgane einschließlich allergischer Erkran­ kungen ohne Tuberkulose. 8) Magen-Darm-Galle-Leber- und Pankreasleiden. 9) Erkrankungen der Nieren- und ableitenden Harn­ wege, Operationsfolgen. 10) Erkrankungen des Nervensystems. 11) Erkrankungen im Kindesalter außer Tuberkulose. 12) Tuberku­ lose der Lungen, Organ-Tuberkulose. 13) Augenleiden.

len, Moor, Gebirge, Meer) und zweckentsprechender Ein­ richtungen (Sanatorien, Kuranstalten, Spezialkliniken, Bäder, Salinen, Sportgelegenheiten) bestimmte Krank­ heiten oder deren Folgen geheilt oder gelindert werden können oder deren Entstehung vorgebeugt werden kann (—Heilverfahren, —Erholung). H. u. K. haben somit bes. sozialmedizin. Aufgaben innerhalb der Gesundheits­ planung und -Erziehung, da Kuren und Kurerfolg nicht nur der Besserung oder Wiederherstellung körperl. und seel. Funktionsfähigkeit, sondern auch der erneuten An­ passung an die Lebensaufgaben am Arbeitsplatz und in der Familie dienen. Die Kosten für den Aufenthalt in H. u. K. werden, wie die der Krankheit, in der Bundesrep. Dtl. weitgehend von der — Sozialversicherung getragen. (Weitere Übersichten S. 306 und 307) AB 20

Heilberufe, i. e. S. sind in diesen tätig: Arzt, Zahn­ arzt, Apotheker und Tierarzt. I. w. S. treten dazu die nichtakadem., komplementären — Medizinberufe sowie die — Heilpraktiker.

Heil|erde, sterilisiertes, feingepulvertes Gemisch von Aluminiumsilikaten wechselnder Zusammensetzung, wird seit frühesten Zeiten äußerlich und innerlich als Mit­ tel der Naturheiikunde angewendet. Die Wirkung beruht bes. auf dem Adsorptionsvermögen der H., die auf ihre starke Feinkörnigkeit zurückzuführen ist; weiter ist die Pufferkapazität der bas. Mineralstoffe von Einfluß. Für die äußere Anwendung wird H. mit Wasser an­ gerührt und dient zu kalten (u. a. bei Verstauchungen, Fu­ runkeln, Drüsenschwellungen) oder warmen (z. B. bei 305

Heil Orte

Altmünster Aussee, Bad A. Baden bei Wien Badgast ein Bezau Feldkirch-Bad Nofels Gallspach Gaschurn Gleichenberg, Bad G. Gmunden am Traunsee

Goisern, Bad G. Großgmain Hall, Bad H. Häring, Bad H. Hochmoos/Sankt Martin bei Lofer Hofgastein, Bad H. Imst Ischl, Bad I. Kirchbach, Gailtal Kitzbühel Klagenfurt Kleinkirchheim, Bad K. Kötschach-Mauthen Mallnitz

Heilbäder und Kurorte in Österreich (Auswahl1) Höhe in m ü. M. 443

Art

Kneipp, subalpines Klima 650-800 Quellen, Sole 247 Quellen 900-1000 Quellen 649 Kneipp 458 Kneipp 360 Schonklima, Kneipp 979 Kneipp 330 Quellen, Schonklima 440 Kneipp, subalpines Klima 500 alpines Klima, Quellen 522 Kneipp 390 Kneipp, Quellen 630 subalpines Klima 634 860 828 468 642 800 446 1100 706 1200

Mattsee Mayrhofen Millstatt Mitterndorf, Bad M.

505 630 588 800

Obervellach Oetz Pörtschach am Wörther See Puch berg am Schneeberg Reichenau an der Rax Salzburg

680 820 446 585 500 425

Moor Kneipp, Quellen Kneipp Quellen, Sole Kneipp Moor Kneipp Quellen Kneipp, Schonklima Hochgebirgsklima, Schonklima Kneipp, Moor Kneipp Schonklima Quellen, Moor, alpines Klima Mittelgebirgsklima Kneipp Schonklima Schonklima, Kneipp Schonklima Mittelgebirgsklima, Moor, Quellen, Sole

Bioklima

Anwendungsbereiche

reizmild reizmäßig reizmild reizkräftig, reizmäßig reizmäßig reizmild reizmild reizkräftig reizmild

1 1 1 1 1 1 1 1

3 3 5 6 3 4 5 6 3 5 3 5 1 6 3 4 3 5 5

reizmild reizmäßig reizmäßig reizmild reizmild

1 1 1 1 1

3 5 8 7 3 4 5 3 5 8 3 4 5 6 7 3 4 8

10 10 1Ö 10 10

3 5 6 5 6 7 8 3 5 8 3 4 5 6 7 8 3 5 8 3 6 3 5 8 5 5 6 9 3 8 10

10 10 10 11 1Ö 10 10 10

reizmäßig reizmäßig reizmäßig reizmäßig reizmäßig reizmäßig reizmäßig reizkräftig reizmäßig reizkräftig, reizmild reizmild reizmäßig reizmild

reizmäßig reizkräftig, reizmild reizmäßig reizmild reizkräftig, reizmäßig reizmäßig reizmäßig

1 1 1 1

1 1

1 1

1 1 1

V 3

7 8 10 7 8 9 11 3 8 1Ö 10 8 8 10 8 16 7 0 10 10 8 7 8 9

5

10

6 7 8 5 8 5 7

1Ö 10

3 4 5 6 7 8 5 7 3 5 8 7 3 5 8 5 7 3

i'

10 10 10 10 10

6

Sankt Lorenzen im Lesachtal Schallerbach, Bad S. Schruns Seefeld in Tirol Steinbach am Attersee Strobl am Wolfgangsee Telfs Treffen Velden am Wörther See Villach, Warmbad V. Weißbriach W eißenbach/W olfsberg Weißensee Wien

1128 Quelle 4 reizkräftig 1 7 8 308 Quellen reizmild 1 3 4 1Ö 690 Kneipp reizmäßig 1 3 5 8 10 1200 Quellen reizkräftig 5 10 510 Kneipp reizmäßig 1 3 5 8 10 544 Moor reizmäßig 6 633 Kneipp reizmäßig, reizmild 1 3 5 8 10 543 Kneipp reizmäßig 1 3 5 10 8 450 Schonklima 7 reizmäßig, reizmild 5 500 Quellen reizmäßig, reizmild 6 1 10 11 817 Kneipp reizmäßig 1 3 5 8 10 620 Quellen reizmäßig 1 3 5 8 9 10 930 Mittelgebirgsklima reizmild 5 7 10 172 Quellen reizmild 3 4 5 6 7 8 9 ^Österreichs Kurorte und Heilbäder 1982; Österreichisches Heilbäder- und Kurortebuch 1976 1) Stoffwechselerkrankungen einschließlich Zuckerkrankheit. 2) Erkrankungen des blutbildenden Systems. 3) Rheumatische Erkran kungen der Gelenke, Muskeln und Nerven. 4) Hautleiden, Hautallergie. 5) Herz-, Kreislauf- und Gefäßerkrankungen. 6) Frauen krankheiten, Operationsfolgen und hormonale Störungen. 7) Erkrankungen der Atmungsorgane einschließlich allergischer Erkran kungen ohne Tuberkulose. 8) Magen-Darm-Galle-Leber- und Pankreasleiden. 9) Erkrankungen der Nieren- und ableitenden Harn wege, Operationsfolgen. 10) Erkrankungen des Nervensystems. 11) Erkrankungen im Kindesalter außer Tuberkulose. 12)Tuberku lose der Lungen, Organ-Tuberkulose. 13) Augenleiden.

Halsentzündung) Umschlägen. In der Schönheitspflege wird sie zu Gesichtspackungen verwendet; sie dient auch als Desodorans. Zur inneren Anwendung muß die H. vollständig rein und keimfrei sein. Bereits im Rachenraum adsorbiert sie Krankheitserreger und deren Giftstoffe. Im Magen bindet sie überschüssige Salzsäure. H. wird unterstützend eingesetzt u. a. bei akuten und chron. Magen- und Darm­ erkrankungen sowie bei Gärungs- und Fäulnisprozessen im Darm. Heil|erziehung, die -*Heilpädagogik. Heilfasten, -»Fastenkuren. Heilfieber, Umstimmungsbehandlung durch ein künstlich erzeugtes, im Entstehungsmechanismus jedoch echtes -► Fieber; das H. ist von der Überwärmung zu un­ terscheiden, welche durch physikal. Maßnahmen erzeugt wird. Das natürl. Fieber ist eine großangelegte Heilreak­ tion des Körpers, deren künstl. Erzeugung bei manchen fieberlos verlaufenden Krankheiten einen heilenden Ein­ fluß haben kann. Auch bei chron. Erkrankungen, die all­ 306

mählich ihre Ansprechbarkeit verlieren und gegenüber früher wirksamen Mitteln unbeeinflußbar werden, kann das H. angewendet werden, um die Heilungstendenz zu fördern und die naturgemäßen, körpereigenen Heilvor­ gänge auf ein gesteigertes Reaktionsniveau zu bringen. H. kann als gezielte Form der Reizkörperbehandlung durch bestimmte, einen einmaligen Fieberstoß auslösende Bak­ terienmischungen erzeugt werden, in milderer Form durch Einspritzung von abgekochter Milch oder Milch­ präparaten, Schwefelpräparaten u. a. Eine besondere Form der H.-Erzeugung ist die absichtl. Übertragung von Malariaplasmodien (Impfmalaria), wie sie von J. -► Wag­ ner von Jauregg als wirksames Verfahren zur Bekämp­ fung der Hirnparalyse (Syphilis) in die Nervenheilkunde eingeführt wurde. Nach Einführung der Sulfonamide und Antibiotika wird das H. heute kaum mehr angewendet. Heilgymnastik, frühere Bezeichnung für -»Kran­ kengymnastik. Heilklima, -»Klima. Heilkrampfbehandlung, -» Schockbehandlung.

Heil

Heilbäder und Kurorte der Schweiz (Auswahl1)

Adelboden Arosa Ascona Baden Bex-Ies-Bains Breiten/Bister

Höhe in m ü. M. 1340-1400 1720-1900 200-320 388 450 800-1000

Brissago Bürgenstock Chäteau-d’Oex Davos Engelberg Fiesch Gstaad Interlaken Klosters Lavey-les-Bains Lenk im Simmental

200-260 880 960-1020 1540-1600 1000-1100 1050-1100 1050-1110 570 1180-1230 417 1070-1 105

Leukerbad

1380-1420

Orte

Locarno Lugano Lungern

Montana-Vermala Montreux Pontresina Ragaz, Bad R. Rheinfelden/Mumpf Sankt-Moritz-Bad

200-400 270-470 700-750 1460-1670 380-500 1800-1820 520-915 280 1770-1850

Art

Hochgebirgsklima Hochgebirgsklima Schonklima Quellen Quellen Sole, subalpines Klima Schonklima Hochgebirgsklima Hochgebirgsklima Hochgebirgsklima Hochgebirgsklima Hochgebirgsklima Hochgebirgsklima Mittelgebirgsklima Hochgebirgsklima Thermen, Quellen Hochgebirgsklima, Quellen Hochgebirgsklima, Thermen Schonklima Schonklima Mittelgebirgsklima Hochgebirgsklima Schonklima Hochgebirgsklima Quellen, Schonklima Quellen Hochgebirgsklima, Quellen Quellen

Bioklima

reizkräftig reizkräftig reizmild reizmild reizmäßig reizmäßig reizmild reizmäßig reizmäßig reizkräftig reizmäßig reizmäßig reizmäßig reizmild reizkräftig reizmild

reizkräftig

reizkräftig reizmild reizmild reizkräftig, reizmäßig, reizmild reizkräftig reizmäßig reizkräftig reizmäßig, reizmild reizmäßig

Anwendungsbereiche 2 2 1

1

5 4 5 5 3 5 3 6

3

7 7 7 7

5 6 7 5

2 3 4 2 1

2

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3

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3 3

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10 10 10

12 13 10 10 10

7 7 7

5 5 5 5 5 5 5 5 5

11 12 10 10

11

10 10 10 10

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10 7 7

10 10

reizkräftig 1 2 3 5 6 7 8 10 Schinznach-Bad 350 reizmild 1 7 3 4 5 10 Schuls-Tarasp-Vulpera, BadS.-T.-V. Quellen 1 1230 reizkräftig 5 8 9 Schwefelberg-Bad 1400 Quellen, Fango reizkräftig 1 3 4 10 4 5 Sils im Engadin 1800-1810 Hochgebirgsklima reizkräftig 7 347 Quellen 1 Stabio reizmäßig 3 4 10 Vals Quellen 1250 reizkräftig 1 3 5 10 1270-1320 Hochgebirgsklima reizkräftig 2 7 Wengen 1600-1620 Hochgebirgsklima reizkräftig 7 10 Zermatt 344 10 Zurzach Quellen reizmild 1 3 5 ') Das Bäderbuch der Schweiz 1976; Das Klimabuch der Schweiz 1979. 11 Stoffwechselerkrankungen einschließlich Zuckerkrankheit. 2) Erkrankungen des blutbildenden Systems. 3) Rheumatische Erkran­ kungen der Gelenke, Muskeln und Nerven. 4) Hautleiden, Hautallergie. 5) Herz-, Kreislauf- und Gefäßerkrankungen. 6) Frauen­ krankheiten, Operationsfolgen und hormonale Störungen. 7) Erkrankungen der Atmungsorgane einschließlich allergischer Erkran­ kungen ohne Tuberkulose. 8) Magen-Darm-Galle-Leber- und Pankreasleiden. 9) Erkrankungen der Nieren- und ableitenden Harn­ wege, Operationsfolgen. 10) Erkrankungen des Nervensystems. 11) Erkrankungen im Kindesalter außer Tuberkulose. 12) Tuberkulose der Lungen, Organ-Tuberkulose (alle Formen der Tuberkulose in geschlossenen Heilstätten). 13) Augenleiden.

einer solchen >Erfahrungs-H.< leben bei Naturvölkern und in der Volks-H. weiter. I. Frühe Zeit Heilkunde, Lehre und Wissenschaft von der Ent­ Der Überwindung der rein empirischen Stufe folgte stehung, Bekämpfung und Heilung von Krankheiten. das Nachdenken über die Ursache der Krankheit. Die Im Verlauf der Menschheitsgeschichte auf Erfahrungs­ älteste Theorie faßte die Krankheit als ein vom Men­ basis zu zahlreichen Fachgebieten ausgebaut, bedient schen unabhängiges Wesen, zunächst als einen in ihn sie sich verschiedenartiger -»Heilmethoden. Die inner­ eingedrungenen Fremdkörper auf (Fremdkörpertheo­ halb der H. gewonnenen Erkenntnisse werden durch rie). Die magisch-dämon. H. suchte die Krankheitsursa­ die Heilkunst praktisch angewendet. Mit der Zusatz­ che und die Hilfsmittel der Therapie in magisch-dämon. bezeichnung >Kunst< sollen die besonderen kreativen Kräften, welche die Welt erfüllen und die der Kundige be­ und instinktiven Bezüge des ärztlichen Handelns betont herrschen kann. An der Stelle der manuellen oder medika­ werden. mentösen Entfernung des >Fremdkörpers< stand hierbei Die Ausübung der H. ist in allen zivilisierten Ländern die magische Behandlung und Dämonenvertreibung, an der Welt nur dazu bes. ermächtigten Personen gestattet, der Stelle des im Volk lebenden Empirikers der über dem die unbefugte Ausübung unter einer geschützten Berufs­ Volk stehende, vom Schauer des Geheimnisses umwehte bezeichnung ist i. d. R. strafbar (-► Arzt, -» Heilpraktiker, Medizinmann. Kennzeichnend für den Besessenheits­ -►Wunderdoktor). glauben war die Vorstellung von der Zauberkrankheit und vom personifizierten Fremdkörper. — In vielen Reli­ GESCHICHTE DER HEILKUNDE gionen erschien die Krankheit als Strafe oder Prüfung Die Versuche, Krankheiten zu verhüten und zu hei­ Gottes; die Heilmittel waren dem Kult entnommen: Ent­ len, sind so alt wie die Menschheit. Die Not löste instink­ sühnung, Opfer, Heilgebet (theurg., auf Götterglauben tive Hilfeleistungen aus. >Unfallchirurgie< gab es vermut­ beruhende H.). Die H. der frühen Kulturvölker war in ihren lich schon in der Steinzeit, Knochenbrüche wurden ver­ sorgt, Wunden genäht und Verbände angelegt. Eindeutig Grundzügen gekennzeichnet durch eine Mischung von sind vorgeschichtl. Versuche der Krankenheilung durch empirisch-magisch-dämon. und theurg. Medizin ohne Chirurg. Eingriffe seit der Jungsteinzeit in Form von scharfe Grenzen; Volksarzt, Beschwörer, Zauberer und Durchbohrungen der Schädelkapsel bezeugt. Aus der Er­ Priesterarzt wirkten nebeneinander. Die Anfänge einer fahrung (empirisch) wurden Abführ-, Brech- und wissenschaftl. H. hoben sich heraus; die Erfahrungen Schwitzmittel entdeckt, auch schmerzstillende Mittel (wie wurden aufgezeichnet, das in Schriften niedergelegte Er­ Hanf und Opium), Aderlaß, Schröpfkopf und andere fahrungsgut wurde schulmäßig weitergegeben. Die Welt­ Blutentziehungsweisen angewendet. Resterscheinungen anschauung gewann Bedeutung für die medizin. Theorie, Heilkrise, Wendepunkt einer Krankheit zum Aus­ gang in Heilung.

20"

307

Heil

Heilkunde: Geschichte der H. oben links und oben rechts Drei Chirurg. Eingriffe (Hämorrhoidenentfernung, Nasenpolypenope­ ration und Starstich); Miniatur aus einem Chirurg. Manuskript der Schule von Salerno, 11. Jh. unten Der Aderlaß; farbige Buch­ miniatur aus der Handschrift eines unbekannten dt. Meisters, 1471 (Frankfurt a. M., Stadtbibliothek)

die bei den frühen Kulturvölkern nur geringe Unter­ schiede aufwies; in den Mittelmeerländern, im Vorderen Orient, in Ostasien und in Amerika wurden Heilkräuter personifiziert, wobei die Unterschiede zwischen den an den einzelnen Stellen angenommenen Göttern und Dämo­ nen nur die Namen betreffen: Altind. Beschwörungsfor­ meln lauten dem Sinne nach gleich mit altgerman. Heil­ zauber. Gottgesandte Träume wurden für die Diagnose verwendet. Man schlief im Tempel, um die göttl. Inspira­ tion zu empfangen. In Altmesopotamien kam zu dem reli­ giösen Element ein starker astrolog. Einschlag, weniger bei Ägyptern, Juden, Indern, Chinesen und altamerikan. Völkern. Wo neben den magischen und religiösen auch rein natürl. Krankheitsvorstellungen auftraten, bestand die Neigung, den krankhaften Vorgang an eine Verände­ rung der Körpersäfte zu binden. Allmählich zeigten sich Ahnungen eines Zusammenhanges zwischen Symptom und Krankheit; sie ermöglichten vernunftmäßig begrün­ dete Diagnosen und Prognosen. Das prakt. Wissen bei den alten Kulturvölkern war keineswegs gering; Ein altägypt. Chirurgenbuch aus der Zeit um 3000 v. Chr., von dem nur ein Bruchstück erhalten ist, zeigt ein überra­ schend hohes Niveau. In Indien kannte man technisch hervorragend entwickelte plastische Operationen. Die therapeut. Maßnahmen bei inneren Krankheiten bewei­ sen große Erfahrung in der Krankendiät und in der An­ 308

wendung vieler Hilfs- und Heilmittel. In Ägypten, Indien und China waren aus allen 3 Reichen der Natur Medika­ mente von z. T. großem Nutzen und gediegener Indika­ tion bekannt (z. B. Substanzen aus dem tier. Körper, die man der >Dreckapotheke< zurechnet, Rizinus, Mohnsaft, Rhabarber, Hanf, Sesamöl, Granatwurzel, Brech-, Ab­ führ- und Schwitzmittel; Kochsalz, Salpeter, Bleierde, Kupferverbindungen, Quecksilber, Ärsenik, Eisen). Fast alle gegenwärtig noch gebrauchten Verabreichungsfor­ men sind bezeugt. Die genauen Anweisungen für die Zu­ bereitungerinnern an ein neuzeitl. Rezept. Zu den inneren Darreichungen kamen: Einlauf, Stuhlzäpfchen, Salben, Spülungen, Räucherungen und Inhalationen, Kataplasmen, medizin. Bäder und Übergießungen, Aderlaß und andere Blutentziehungsweisen. In Ostasien schätzte man Moxibustion und Akupunktur; auch Massage und Kran­ kengymnastik waren entwickelt. In Altgriechenland vollzog sich der Umschwung zu einer wissenschaftl. H. im heutigen Sinne. Sie suchte ihre Grundlagen in der Erforschung der Natur des Menschen und der Gesetze der natürl. Welt, in die hinein er geboren und von der er abhängig ist. Die Naturphilosophen wirk­ ten wegweisend auf diese Entwicklung: Die Zahlenlehre des Pythagoras (6. Jh. v. Chr.) gewann großen Einfluß auf die H., weil sie zur Erkenntnis der Gesetzmäßigkeit und des Rhythmus im biolog. und patholog. Geschehen führte. Nach Empedokles (* 490, f 430 v. Chr.) bestehen alle Gebilde der Natur aus den 4 >ElementenPrimärqualitäten< Wärme, Feuch­ tigkeit, Trockenheit und Kälte sind. Nach Leukippos (5. Jh. v. Chr.) und Demokrit (um 460 v. Chr.) ist das Le­ ben ein rein mechan. Prozeß, bedingt durch die Bewegung der Atome im leeren Raum. Eine dritte Richtung sieht die bewegende Kraft der Welt und des Lebens in einem in der Luft repräsentierten dynam. Prinzip, dem Pneuma, so Anaximenes (6. Jh. v. Chr.). Diese 3 Grundauffassun­ gen vom Wesen des Lebens, die humorale, die atomistische und die dynamisch-vitalist., sollten als leitende Ideen des medizinischen Denkens allen Wandel der Zeiten über­ dauern und scheinen sich in der Gegenwart zu einer Syn­ these zu vereinigen. Die hippokratische H. verbindet auf dieser Basis die Theorie des Philosophen und Naturfor­ schers mit der ärztlichen Erfahrung (-»Hippokrates). In ihrem Vordergrund steht die Säftelehre. Träger des Le­ bens sind die 4 >KardinalsäfteElementen< mit ihren >PrimärqualitätenBuch der Chirurgia« des Hieronymus Brunschwig, Straßburg 1497. Mitte Muskelfigur aus >De humani corporis fabrica« des Andreas Vesal, Basel 1543. rechts Operativer Nasenersatz (Nasenplastik) aus der Oberarmhaut; nach Gaspare Tagliacozzi >De curtorum chirurgia«, Venedig 1597

praktisches Arzttum. Seine diagnost. Methoden und Kenntnisse sind in manchem noch immer gültig. Die therapeut. Grundsätze haben Dauerwert, bes. das oberste Prinzip: die Heilbestrebungen der Natur zu unterstützen und niemals zu schaden. In der Erkenntnis, daß die Ge­ sundheit das >höchste der Güter« ist, kommt auch die Krankheitsverhütung zu ihrem Recht. II. Entwicklung zur Neuzeit 1) Humoralbiologie und -pathologie. Die hippokrat. Säftelehre wurde von -»Galen weiter ausgebaut. Er sah die seel. Eigentümlichkeiten des Menschen als ab­ hängig von der Beschaffenheit seiner Säfte an. Aber erst mit den Anfängen der Chemie trat die Säftelehre in ein neues Stadium: -► Paracelsus setzte an die Stelle der über­ lieferten 4 Säfte 3 ehern. Prinzipien als Symbole von Kräf­ ten und Stoffen, die das lebendige Substrat des Körpers bilden (Salz, Quecksilber, Schwefel). Ihr Chemismus wurde als maßgebend beim Lebens- und Krankheitsvor­ gang angesehen; daneben blieb der Gedanke an Saft und Flüssigkeit erhalten, mochte Paracelsus selbst auch die Kardinalsäfte im alten Sinne ablehnen. Im 17. Jh. gewann die Chemie so großen Einfluß, daß man im normalen und pathologischen Geschehen nurnoch rein ehern. Vorgänge erblickte. Diese Iatrochemie (vom Arzt betriebene Che­ mie) wurde bes. durch die bedeutenden Kliniker Franciscus Syl.vius (* 1614,11672) und Johann Baptist van Hei.mont (♦ 1577, 11644) vertreten. Damals hatte man den Unterschied zwischen Säure und Alkali erkannt und nahm an, die Krankheiten beruhten auf einer sauren oder alkal. >Schärfe< des Blutes. Als Ausgleich gab man des­ halb entweder ein saures oder ein alkal. Heilmittel. Die Lehre von den Schärfen wurde von Herman Boerhaave (* 1668,11738) weiter ausgebaut; sein Lebenswerk sollte der H. für Jahrzehnte seinen Stempel aufdrücken. Fried­ rich Hoffmann (* 1660,11742) machte ehern. Verände­ rungen für physikal. Abnormitäten der Faser und der Säfte sowie für Eindickungen, Stockungen und andere Störungen in der Bewegung der Säfte verantwortlich. Trotz aller Fortschritte der Chemie und Physik blieb die Humoralbiologie und -pathologie (Säftclehre) das ganze 18. Jh. hindurch im Grunde unverändert. Ihren glanzvol­ len Abschluß erreichte sie erst in der Krasenlehre Kari von Rokitanskys (* 1804.11878), des Meisters der Be­ schreibung und Ordnung der patholog. Strukturen; er leitete alle krankhaften Strukturen aus primären Verän­ derungen der im Blut gelösten Eiweißstoffe (Krasen des Blutes) ab, aus dem sie ausgetreten und erstarrt sein sollten. 2) Mechanistisches und solidarpathologisches Denken. Der erste nachhaltige Vorstoß gegen die Säfte­

lehre ging um 300 v. Chr. von Erasistratos in Alexan­ dria aus, unter dem Eindruck der Atomlehre Demokrits und der dort mit besonderem Erfolg gepflegten Physik. Der menschl. Körper setzt sich danach aus Atomen zu­ sammen, alle Lebensvorgänge sind mechanischer Natur. Um 50n. Chr. entstand in Rom eine neue, strenger mechanist. Richtung, die Methodische Schule, deren Vorläufer Asklepiades (* 124,156 v. Chr.), deren eigtl. Begründer Themison von Laodikeia (um 50 v. Chr.), ein Schüler des Asklepiades, war; sie stand unter dem Einfluß der materialistisch-atomist. Philosophie Epikurs und lehrte, daß die Atome, die den menschl. Körper zusammensetzen, in ihm ein unendlich feines Netzwerk von Röhren bilden, in denen sich unablässig freie Atome bewegen. In ihrer fein­ sten Form stellen sie das Substrat der Seele dar, die nach dem Tode, wie der Körper, in ihre Atome zerfällt und ins Nichts zerstiebt. Bei normaler Atombewegung ist der Mensch gesund; Stockung und Abweichung von der nor­ malen Bewegung bewirken Krankheit. Die Abweichung der Atombewegung von der Norm wird ihrerseits durch die Beschaffenheit der Röhrenwände verursacht, die zu eng oder zu weit sein können. Alle Krankheiten beruhen auf einem status strictus (Anspannung) oder status laxus (Erschlaffung) der Wände. Damit waren die Anfänge ei­ ner Solidarpathologie, nach der alle krankhaften Vor­ gänge auf einer fehlerhaften Beschaffenheit der festen Be­ standteile des Körpers beruhen, gegeben. Im MA. kamdiemethod. Schule nicht zur Geltung, weil der Materialismus der Lehre Epikurs mit der christl. Lehre unverträglich war. — Erst im 17. Jh. erwachten Atomistik und Mechanismus in der H. zu neuem Leben, gestützt auf die großen Fortschritte der Physik und Ma­ thematik. In seiner Entdeckung des Blutkreislaufs (1628) hatte William Harvey (* 1578, 1 1657) ein ausgespro­ chen physikal. Lebensphänomen, bes. mit Hilfe physikalisch-mathemat. Denkensund Rechnens, richtigerkannt. Mit dem Anfang des 17. Jh. erfundenen Mikroskop glaubte man als kleinste Formelemente des menschl. Kör­ pers feine Fasern und Fäserchen nachweisen zu können und schrieb diesen >Fibrae< eine ähnliche Rolle zu wie die spätere Zellentheorie der Zelle: Man machte die Faser zum eigtl. Träger des Lebens. Der normale Tonus der Fa­ ser bedeutete Gesundheit, ihre zu starke oder schwache Anspannung (Spasmus oder Atonie) Krankheit. Mit die­ ser neu formulierten, doch im Grunde alten Hypothese wandte sich die latrophysik gegen die Iatrochemie. Unter dem Einfluß der platonisch-aristotel. Philoso­ phie wurden zweckmäßig wirkende Seelenkräfte als Trä­ ger der physiolog. Funktionen angesehen. Die Pneuma­ tische Arzteschule hatte diese Kräfte im Gefolge der 309

Heil

Heilkunde: Geschichte der H. links Venen und Venen­ klappen an dem durch eine Binde gestauten Arm; Figur 2 zeigt, daß die Venenklappe O den Rückfluß des venösen Bluts in den mit dem Finger leergestrichenen Venenab­ schnitt OH verhindert. Illustrationen aus William Har­ veys »Exercitatio anatomica de motu cordis et sanguinis in animalibus», Frankfurt a. M., 1628, in der er die Entdeckung des Blutkreislaufs bekanntgegeben hat. Mitte Versuche, Heilmittel in die Venen zu injizieren, die der Berliner Arzt Johann Sigismund Elsholtz in den 60er Jahren des 17. Jh. gemacht hat; nach seiner »Clysmatica novaGartenlaube< von 1857. rechts Operation nach der von Joseph Lister entwickelten antisept. Methode; über das Opera­ tionsfeld wird Karbolsäurelösung zerstäubt, Instrumente und Nahtmaterial liegen in Karbolsäurelösung (London 1882)

311

Heil

Heilkunde: Geschichte der H. links Chirurgische Knochensäge von Bernhard Heine (Heinesches Osteotom), zur Resektion erkrankter Knochenpartien und zur Trepanation verwendet, 1830. Mitte links Narkoseapparat von Victor von Bruns, 1847; rechts Chloroform­ apparat, 1869. rechts Lithotriptor von Jean Civiale, 1823, zum Zerbohren und Entfernen von Blasensteinen, links Spritze zum Füllen der Blase mit lauwarmem Wasser

rer Bekämpfung frei zu machen. Sie sieht in den akuten Krankheitszeichen wie Fieber, Durchfall, Hautaus­ schlag, Schweißausbruch Anstrengungen des Organis­ mus, der Schädigungen, die ihn getroffen haben, Herr zu werden. Diese Vorstellungen berühren sich mit uralten ärztl. Ansichten, die von >Ausleitung< des Krankheitsgif­ tes sprachen. Seit etwa 100 Jahren hat die H. der Gegenwart in Anleh­ nung an den techn. Fortschritt des Industriezeitalters zahlreiche Methoden entwickelt, um die Organe in ihrer Funktion zu beurteilen (funktionelle Diagnostik). Der Körper kann dadurch, über das persönliche Eingreifen des Arztes hinaus, bestimmten dosierten Belastungen und Untersuchungen unterworfen, und der darauf folgende Ablauf der körperl. Vorgänge kann exakt gemessen wer­ den. Beispiel: Wenn noch bis zur Mitte dieses Jh. mit Hilfe der fraktionierten (in Abständen wiederholten) Magen­ aushebung die Funktion der Magenschleimhautdrüsen hinsichtl. ihrer Absonderung von Magensaft auf einen funktionellen Reiz hin laufend verfolgt, gleichzeitig auf bestimmte Bewegungsabläufe geschlossen und damit auch Hinweise auf Organ. Krankheitsgeschehen gewon­ nen wurden, kann jetzt durch ein verfeinertes Röntgen­ verfahren mit relativ geringer Strahlenbelastung (Fern­ sehkette) und die Durchführung der -»Endoskopie mit biegsamen Geräten (-»Glasfiberoptik) der Verdauungs­ kanal in großer Ausdehnung mit dem Auge direkt beob­ achtet werden. Nach wie vor wird die Funktion der Inselzellen der Bauchspeicheldrüse, bes. bei der Zuckerkrankheit, durch laufende Untersuchung des Blutzuckers überprüft. Heute kommen zusätzl. Enzymbestimmungen und eine große Anzahl differenzierter Laboratoriumsmethoden, die der mikrobiolog. und ehern. Forschung zu verdanken sind, hinzu. Auf diese Weise können Funktionsabweichungen nahezu aller innerer Organe (z. B. der Leber) bestimmt werden. Die Lehre von den Bakterien wird seit etwa 1890 weiter­ geführt durch die Lehre von den Viren, Forschungsberei­ che, die der ständig wachsenden pharmazeut. Industrie starken Anreiz zur Entwicklung immer wieder neuer synthet. Heilmittel gaben. Dabei hat sich gezeigt, daß trotz sorgfältiger, meist langwieriger Überprüfung und Erpro­ bung Nebenwirkungen schwerster Art (-► Thalidomidembryopathie) auftreten können. Es ist deshalb verständ­ lich, daß Therapieschäden in der wissenschaftl. Diskus­ sion parallel mit der zunehmenden Zahl von Medikamen­ ten eine bedeutende Rolle spielen. Neue Verfahren sollen die Nebenwirkungen möglichst niedrig halten oder durch andere Maßnahmen ausgleichen. Da die Methoden der Naturheilkunde nicht oder kaum mit Nebenwirkungen belastet sind, wird zusätzlich auf naturheilkundl. Heilverfahren wie Bäderbehandlung, Massage, Diätbehandlung und Phytotherapie hingewie­ sen. Auch anderen Verfahren der Erfahrungsheilkunde, z. B. der Zelltherapie, wird Bedeutung zugemessen, zu ihnen gehört nach wie vor die Homöopathie nach S. Hahnemann. Andere, >alternativ< genannte Heilmethoden, die z. T. seit Menschengedenken in der H. ihren Platz haben, kom­ men erneut und bisweilen in bewußter Abkehr von der >Apparatemedizin< der Neuzeit in Gebrauch. So ist seit einigen Jahrzehnten die uralte chines. Akupunktur und 312

Moxibustion in Europa wieder eingeführt worden. Zu­ nehmend sind Verfahren fernöstl. Länder im Gespräch, so die auf den Philippinen angewendeten iGeistheilermethodem, die allerdings von der naturwissenschaftl. Medizin als Scharlatanerie mit Täuschungsphänome­ nen abgelehnt werden. Wenn auch nur eine relativ geringe Anzahl von wohl meist enttäuschten Kranken diesen Heilmethoden ein zu­ nehmendes Vertrauen schenkt, so ist doch die Tatsache nicht zu übersehen, daß in den letzten Jahren ein deutl. Skeptizismus gegenüber den Erfolgen der wissenschaftl. Medizin Verbreitung gefunden hat. Dem ist entgegenzuhalten, daß die klassische und na­ turwissenschaftlich zu begründende H. in den letzten Jahrzehnten geradezu spektakuläre Erfolge erzielt hat und daß lange bekannte techn. Methoden bis zur Voll­ endung weiterentwickelt werden konnten. Beispiele: Die Weiterentwicklung des Röntgenverfahrens zur -►Computertomographie. Sie erlaubt es, auch kleine Krankheitsherde in schwer zugängl. Körperorganen, z. B. im Gehirn, exakt nachzuweisen. Sie wurde in neuester Zeit durch den Einsatz der Kernspinresonanz (-»Kernspinto­ mographie) insofern ideal, wenn auch kostenaufwendig, ergänzt, als mit diesem Verfahren Strahlenbelastungen nicht verbunden sind. Die früher therapeutisch genutzte Ultraschallbehand­ lung wurde als diagnost. Methode (-► Sonographie) zu ei­ ner relativ genauen und den Patienten kaum belästigen­ den Untersuchungsmöglichkeit ausgebaut. Nach Einführung des Herzkatheters (1929) erfuhr die Herzdiagnostik eine wesentl. Erweiterung und ermöglicht heute komplizierte Herzoperationen bis zur Herztrans­ plantation. Diese am Herzen ausgeführten Operationen sind die bedeutendsten Zeugnisse Chirurg. Fortschritts. Sie sind erst nach Einführung der Intubationsnarkose und der künstlichen Unterkühlung möglich geworden. Von großer, auch Sozialmedizin. Bedeutung (Wiedereinglie­ derung in den Arbeitsprozeß) ist die Einpflanzung künstl. Gelenke und künstl. Blutgefäße. In die gleiche Richtung zielen die vielen völlig neuen operativen Erfolge in der Chirurgiedes Gehirns (Mikrochirurgie) und der Urologie. Auf diesem Fachgebiet ist es in neuester Zeit gelungen, auch größere Steinbildungen im Harnsystem mit Hilfe der -» Lithotripsie zu beseitigen, ein Verfahren, das zur Rou­ tine zu werden beginnt und häufig geeignet ist, Operatio­ nen zu vermeiden. Die Laserstrahltechnik ermöglicht es u. a., bei drohen­ der Erblindung in folge Netzhautablösung er folgreich ein­ zugreifen. Sofern sich die H. konservativer Methoden bedient, hat die moderne Psychologie innerhalb der Krankenbehand­ lung neue Aspekte eingebracht. Die >Wiederentdeckung der Seeie< führte zum Begriff der Psychosomatik, zu de­ ren Begründern V. von Weizsäcker (* 1886,1 1957) ge­ hört. R. Siebeck (* 1883,1 1965) undG. von Bergmann führten diese Lehre weiter, die besagt, daß jedes körperl. Geschehen durch seel. Kräfte gelenkt werde. Die Psycho­ logie hat somit Schichten des menschl. Daseins erschlos­ sen, die bisher einer exakten Forschung nicht zugänglich waren, eine Entwicklung, die durch S. Freud und seine Schule schon vor 100 Jahren eingeleitet wurde; diese Leh­ ren sir.d von A. Adler und C. G. Jung fortgeführt worden.

Heil Es steht somit außer Zweifel, daß die moderne H., die bis noch vor wenigen Jahrzehnten von den Naturwissen­ schaften bestimmt wurde, sich in letzter Zeit mit einer starken Zuwendung zur psychosomat. Betrachtungs­ weise gewandelt hat, d. h. zu komplexen Überlegungen über das Zusammenspiel von körperl. und geistig-seel. Krankheitserscheinungen. Während im 19. Jh. und zu Beginn des 20. Jh. mehr die isolierte Organbetrachtung und -erforschung gepflegt wurde, bestätigte die naturwissenschaftl. Forschung in zunehmendem Maß die alte ärztl. Erfahrung, die von den Beobachtungen am Krankenbett zur Konstitutionslehre geführt hat. Nach wie vor ist allerdings bis heute immer noch umstritten, ob Krankheiten mehr als schicksalhafte Ereignisse oder als durch die natürl. oder soziale Umge­ bung induzierte Fehlleistung (des Kranken selbst) verstan­ den werden sollen. So tritt als neue Betrachtungsweise im Krankheitsgeschehen die Einbeziehung einer sozialen Komponente (Sozialmedizin) hinzu, die sich auch als Lehrfach durchzusetzen beginnt. Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit scheint die Ausrottung eine der wichtigsten Infektions­ krankheiten geglückt, der Pocken, so daß die Impfpflicht in vielen Ländern der Erde wie auch in der Bundesrep. Dtl. aufgehoben werden konnte. Im Zuge weltweiter bakteriolog. Forschung sind andere, bisher nicht differenzierte Krankheiten in ihrer Eigenart erkannt worden, so die On­ chozerkose, eine häufig zur Erblindung führende Allge­ meinerkrankung in Afrika, auch die -»Legionärskrank­ heit, eine erstmals in den USA aufgetretene Viruserkrankung. Während in den letzten Jahrzehnten neue Antibiotika praktisch nicht entwickelt wurden, haben die Bemühun­ gen um eine vorbeugende Impfung zum Schutz vor be­ stimmten trop. Infektionskrankheiten, z. B. der Malaria, erste Erfolge gezeitigt. Als ein besonderer Fortschritt in der Bekämpfung bak­ terieller Erkrankungen ist der weitgehende Rückgang der Tuberkulose durch die gezielte Anwendung immer wieder weiterentwickelter Chemotherapeutika zu erwähnen. Diese früher gefährliche Volksseuche ist so weit zurück­ gegangen, daß z. B. in der Bundesrep. Dtl. die Mehrzahl der Lungenheilstätten geschlossen werden konnte. Die auf den Pfeilern exakter naturwissenschaftl. ex­ perimenteller Untersuchungsmethoden ruhenden Fort­ schritte innerhalb der H. haben auf dem Gebiet der Hu­ mangenetik dazu geführt, daß mehr als in früheren Zeiten die Frage des gesunden Nachwuchses schon vor der Ge­ burt definitiv entschieden werden kann und entspre­ chende Maßnahmen eingeleitet werden können; beson­ dere Möglichkeiten bei Empfängnishindernissen wurden mit der Methode der extrakorporalen Befruchtung und des Embryo-Transfers geschaffen. Verschwiegen wer­ den darf allerdings nicht die Befürchtung, daß durch Genmanipulation das Erbgut der menschl. Lebewesen verändert oder sogar beeinträchtigt werden kann; so sind Fragen der ärztl. Ethik auch auf diesem Gebiet in den letz­ ten Jahren verstärkt in die Diskussion gekommen. An fast allen Universitäten der Bundesrep. Dtl. haben sich Ethik­ kommissionen gebildet, welche die Überwachung der Forschung unter diesen Aspekten gewährleisten sollen.

Als unspezifische H. gelten mehr allgemein gehaltene, aber gezielte Maßnahmen, z. B. die Bäderbehandlung, physikal. Therapie, Kneippverfahren. Oft werden H. bei­ der Arten kombiniert angewendet. Die Reichsversicherungsordnung kennt die Bezeich­ nung der kleineren Heil- oder Hilfsmittel, welche die medizin. Behandlung unterstützen und/oder ergänzen. Zu dieser Art H. gehören u. a. Brillen, Zahnprothesen, Krükken, Kunstglieder, Bruchbänder, Rollstühle. — Bei der Gewährung solcher Sozialversicherungsleistungen wird verstärkt die finanzielle -» Selbstbeteiligung der Kranken in Anspruch genommen. Heilnahrung, 1) Diätformen, die in ihrer Zusammen­ setzung der Stoffwechsellage bei verschiedenen Krank­ heiten (Funktionsstörungen von Magen, Darm, Leber, Niere, Herz) angepaßt sind. (-»Krankenhausverpfle­ gung) 2) Nahrungsgemische, die bes. bei akuten und chron. Ernährungsstörungen des Säuglings (auch vorbeugend) verabreicht werden. Die Zusammensetzung richtet sich nach verschiedenen Grundsätzen: Einstelldiät wie Reis­ schleim dient der Überbrückung zwischen der anfängl. Teepause bei -► Dyspepsie bis zur Fütterung milchhaltiger Nahrung. Andererseits bildet die zeitlich begrenzt gege­ bene H. den Übergang zu einer altersgemäßen Dauernah­ rung. Bei Milchunverträglichkeit (Allergie gegen Kuh­ milchproteine) wird von Kinderärzten häufig Sojanah­ rung verordnet. Über den Einsatz von H. entscheidet der Arzt. Zur Behebung eines -► Milchnährschadens wurde früher Malzsuppe gegeben. Bifidogene H. soll für das Ge­ deihen bei Ernährung mit Kuhmilch förderlich sein (-»Bifidusfaktor). 3) nach M. O. -► Bircher-Benner eine Krankenkost mit ausschließlich pflanzl. Rohkost. Heilkunde: oben Gebärstuhl (links) und Bidet (rechts), um 1800. unten links Spreizbett nach Dr. Stein, 1850, für Beinbrüche etc. mit aufdrehbarer Kippklappe für Stuhlgang, unten rechts Den­ tal- und Operationsstuhl nach Dr. Stein, 1851

(ÜBERSICHT S. 314-319) Heilmethoden, die Behandlungsmöglichkeiten der

Heilkunde; i. w. S. die Verfahren innerhalb der -»Schul­ medizin oder der -► Naturheilkunde, aber auch im Rah­ men der -► Erfahrungsheilkunde und Außenseitermedi­ zin (-»Außenseiterverfahren). Die Wahl der H. steht dem Behandelnden frei, für das Ergebnis ist er aber voll verant­ wortlich. I. e. S. wird innerhalb der Schulmedizin v. a. zwischen H. unterschieden, die -»konservativ oder mit Hilfe einer Operation vorgehen. Heilmittel, i. w. S. alle Mittel zur Linderung oder Be­ seitigung von Krankheitserscheinungen. I. e. S. unter­ scheidet man aus ärztl. Sicht spezif. und unspezif. H. Spezifische H. haben eine direkte, auf die Ursachen, z. B. die Erreger bestimmter Krankheiten, gerichtete Wir­ kung: Herzbehandlung mit Digitalis, Antibiotikabehandlung bei Infektionskrankheiten u. a. (-»Arznei­ mittel)

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GESCHICHTE DER HEILKUNDE 18000-um 4000 v. Chr. Mittlere und jüngere Steinzeit. Empirische Heilkunde (instinktive zweckmäßige Heilmetho­ den: chirurgische Maßnahmen, Diätetik, pflanzliche Heilmittel). Erste Krankheitstheorie: Fremdkörper- oder Emanations­ lehre. Dämonologie: Krankheitserreger sind Fremdkörper mit über­ natürlichen Eigenschaften (Krankheitsdämone). Weiterentwicklung zur theurgischen Heilkunde: Krankheit als von den Göttern gesandte Strafe oder Prüfung. Um 5000-500 v. Chr. Medizin der alten Kulturvölker zwischen Euphrat und Tigris: Sumerer, Babylonier, Assyrer. Erste medizinische Systeme mit starker Anlehnung an die dort herrschende Astrologie.

Um 3000v. Chr.-1000 n. Chr. Altindische Medizin: Ausbildung eines besonderen Ärztestan­ des mit sanktionierten Lehrschriften, den >VedasVierelementen­ lehre«. Die Welt besteht nach ihm aus Feuer, Wasser, Luft und Erde. Um 460-377 v. Chr. Begründung der abendländischen wissenschaftlichen Heil­ kunde durch Hippokrates.

304-250/240 v. Chr. Erasistratos begründete zusammen mit Herophilos (4. Jh. v. Chr.) das Studium der Anatomie an der Leiche in Alexandrien. Zahlreiche wertvolle anatomische Entdeckungen, erste patholo­ gische Befunde. 129-199 n. Chr. Galens Anatomie und Physiologie (die Lehre von den Lebens­ vorgängen) werden die Pfeiler der Medizin. Schaffung eines Sy­ stems der gesamten Medizin auf der Grundlage der «Viersäftelehre«, die über 1500 Jahre die ärztlichen Vorstellungen beherr­ schen sollte.

Um 370 n. Chr. Erstes christliches Hospital zur Pflege von Pilgern, Armen, Kranken und Siechen vom Bischof Basilios in Caesarea begrün­ det; ähnliche Anstalten folgen im Abend- und Morgenland schnell nach, berühmtestes Krankenhaus Pantokrator in Kon­ stantinopel, 1163 erbaut. 400-700 Byzantinische Heilkunde: Die ärztliche Wissenschaft verlagert sich ins Byzantinische Reich. Oreibasios(4. Jh. n. Chr.), Aetios von Amida(6. Jh.), Alexander von Tralles (* 525,1605) verfas­ sen medizinische Enzyklopädien, Paulos von Ägina (7. Jh.) zeichnet sich als Chirurg und Geburtshelfer aus.

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400-1000 Mönchsmedizin im Abendland. Die Zerschlagung des Römi­ schen Reiches macht auch die nördlich der Alpen wohnenden Völ­ ker mit lateinischen Übersetzungen griechischer Ärzte bekannt. Dieses Wissen bleibt aber praktisch nur auf die Klöster be­ schränkt.

600-1492 Islamische Medizin: Mit der Ausbreitung des arabischen Rei­ ches (Fall Alexandriens 641, Eroberung Konstantinopels 1453) wird die griechisch-byzantinische Heilkunde durch die islami­ sche aufgesogen. Hauptverdienst ist die Übernahme und Weiter­ verbreitung des antiken Wissens in arabischen Übertragungen, die später wieder ins Lateinische zurückübersetzt werden. Darüber hinaus tragen aber die islamischen Ärzte viel Eigenes zur Arzneitherapie, Augenheilkunde, Psychiatrie und Chirurgie bei. In Ägypten und Spanien entwickeln sich selbständige Ärzte­ schulen. 600-1500 Arabische Heilkunde, eigentlich durch christliche Nestorianer und Perser im Osten, durch Mauren und Juden im Westen be­ gründet und gefördert, jedoch durch die Sprache des Korans schnell verbreitet, bewahrt in der Zeit der Völkerwanderung und des Zusammenbruchs des Römischen Reiches die griechisch-an­ tike Medizin und fügt wesentliche Erkenntnisse vor allem auf dem Gebiet der Psychiatrie, der Augenheilkunde und der Pharmazie hinzu. Hauptvertreter Rhazes(|925), hervorragender Kliniker, Schrift über Masern und Pocken; Avicenna (t 1038), umfassen­ des Lehrbuch der Medizin «Kanon«; Albukasim in Spanien (t 1013?), ausgezeichneter Chirurg; Ibn Al-Nafis(T 1288), Erst­ beschreiber des «kleinen Lungenkreislaufs« des Blutes. 800-1300 Übersetzerschule in Toledo (Gerhard von Cremona, f 1187) und Monte Cassino (Konstantin von Afrika, f 1087) übermit­ teln islamisches Wissen in Form lateinischer Übertragungen. Zu gleicher Zeit Aufblühen einer eigenständigen Heilkunde im Karo­ lingischen Reich. Heilkräutergärten in Klöstern (St. Gallen), Lehrgedicht über die heimischen Heilkräuter von Wai.afrid Str abo (t 849), Sammlung des zeitgenössischen volkskundlichen medizinischen Wissens durch die gelehrte Äbtissin Hildegard von Bingen (t 1179). Das päpstliche Verbot zur Ausübung der Chirurgie durch Geistliche führt zur allmählichen Bildung eines Laienärzte­ standes. In Salerno entsteht eine rein medizinische Lehrstätte. 1137 Erste Erwähnung der Hochschule zu Montpellier. Beginn der Universitätsmedizin, Eindringen der scholastischen Methode in den Unterricht. 1140 Einführung einer Studienordnung und einer ärztlichen Prü­ fung durch König Roger von Sizilien.

1231 Medizinalordnung Kaiser Friedrichs II. mit Trennung des Apothekers vom Arzt, Anerkennung eines philosophischen Vor­ studiums und des anatomischen Unterrichts als unentbehrliche Ausbildungsmethoden für den Arzt. 1286 Erste Sektion einer Leiche zur Klärung einer Seuche. Beginn der anatomischen Bewegung. Erstes anatomisches Lehrbuch, das z. T. auf eigenen Sektionen beruht, von Mondino de Luzzi (t 1326). Andere Anatomen der zu dieser Zeit berühmten oberita­ lienischen Universitäten in Bologna (gegr. 12. Jh.), Padua (gegr. 1222), Florenz (gegr. 1321), Ferrara (gegr. 1391) entdecken den Bau des menschlichen Körpers. Intensive Beschäftigung mit den Seuchen. Um 1300 Allmähliche Lösung von der Vormundschaft der Scholastik. Arnai.d von Villanova (t 1311) weist auf klinische Erfahrung und Beispiel des Hippokrates hin, verwertet aber in seinen Wer­ ken auch die Astrologie. Erstmals deutliche Trennung von innerer Medizin und Chirur­ gie. Die akademische Bildung mit Erwerb des Doktorgrades, der dem niederen Adel gleichgestellt ist, steht der handwerklichen Ausbildung als Barbier, Bader und Wundarzt gegenüber. 1348 Gesundheitsvisitatoren besichtigen pestverdächtige Schiffe im Hafen von Venedig.

1377 Erste schriftliche Fixierung der Quarantäne, ursprünglich auf 30Tag«H5eschränkt, später wie in Marseille 1383 auf 40Tage aus­ gedehnt.

Heil 1492 Mit der Entdeckung Amerikas wird in Europa eine neue Seuche eingeführt, die Syphilis, die erstmals 1495 bei der Belagerung von Neapel bekannt wird. Sie tritt zu den Geißeln des Mittel­ alters wie Pest, Lepra, Ergotismus (Mutterkornvergiftung). Auch andere Krankheiten durch giftige Nahrungsmittel oder Nahrungs- und Wirkstoffmangel sind an der Tagesordnung (z. B. Skorbut).

1493-1541 Theophrast von Hohenheim, genannt Paracelsus, wird zum Reformator der z. T. erstarrten Schulmedizin. Seine Werke verfaßt er auf Deutsch. Er vertritt eine neue chemisch-biologische Auffassung vom Leben und der Krankheit. 1540 Erster historisch belegter Kaiserschnitt an einer lebenden Schwangeren. Ärzte und Chirurgen nehmen sich von nun an ver­ mehrt der Geburtshilfe an, die bisher in erster Linie von z. T. schlecht ausgebildeten Hebammen betrieben wurde.

1543 Andreas Vesal (* 1514, t 1564) veröffentlicht sein berühmt gewordenes Anatomielehrbuch, in dem zum ersten Mal aus­ schließlicheigenes Beobachtungsgut verarbeitet ist. Er begründet damit eine neue Epoche der Heilkunde. Bereits Leonardo da Vinci(* 1452,t 1519) hatteanatomische Zeichnungen vongroßer Eindruckskraft geschaffen. Aus der Anatomie erwächst allmäh­ lich die Pathologie durch die Beschäftigung mit den durch Krank­ heiten im Organismus hervorgerufenen Veränderungen.

1554 Der Pariser Arzt Jean Fernei. (* 1506,11558) verlangt in sei­ nem Werk >Medicina< von jedem Arzt Kenntnisse in der Anato­ mie und unterteilt die Medizin in Physiologie (Beschäftigung mit dem gesunden) und Pathologie (Beschäftigung mit dem kranken Menschen). Gerolamo Fracastoro (* 1478,1 1553) gibt in seinem Lehr­ gedicht tSyphilis sive morbus gallicusi der neuen Seuche ihren heutigen Namen und erkennt die Verbreitung durch Geschlechts­ verkehr. 16 Jahre später trennt er eindeutig den Typhus von ande­ ren schweren fieberhaften Infektionskrankheiten ab, erkennt die große Ansteckungsgefahr bei der Tuberkulose und stellt die erste Theorie über die Verbreitung der ansteckenden Krankheiten durch Erreger auf. 1575 Der französische Chirurg Ambroise Pare(* 1510, t 159O)veröffentlicht seine Gesamtwerke, worin er eine umwälzende Be­ handlung der Schußwunden, die Einführung der Arterienabbin­ dung, zahlreiche neue Instrumente und Prothesen und wertvolle Hinweise zur Entbindungskunst liefert. Er revolutioniert damit die Chirurgie seiner Zeit. Deutsche Vorgänger waren Hierony mus Brunschwig (tvor 1534), Hanns von Gersdorff (tum 1517) und der Schweizer Felix Wurtz (* 1518, f 1574). Der Ita­ liener Gaspare Tagliacozzi (• 1545,1 1599) gibt mehrere Ver­ fahren zum Ersatz verstümmelter Nasen an und wird damit zum Vater der plastischen Chirurgie.

1628 William Harvey (• 1578, t 1657) veröffentlicht sein Werk über den Blutkreislauf, womit er die jahrhundertealte These Ga lens von der Hin- und Herbewegung des Blutes in den Gefäßen und der völligen Trennung von venösem und arteriellem Gefäß­ system überwindet. 1650 Erste Beschreibung der >Englischen Krankheit! (Rachitis) durch Francis Glisson (* 1597,11677).

1651/52 Entdeckung des Brustmilchganges (Ductus thoracicus) durch Jean Pecquet(* 1622,11674) und Thomas Bar ihoi in(* 1616, t 1680), nachdem schon 1622 Gaspare Aselli (* 1581, t 1626) die Chylusgefäße entdeckt hatte. 1660 Der Schnupfen wird von Conrad Victor Schneider (• 1614, t 1680) als örtliche Erkrankung der Nasenschleimhaut erkannt.

1661 Marcello Malpighi (* 1628,11694) entdeckt die Kapillaren als feinste Verbindungswege zwischen Arterien und Venen. Er ist auch der erste, der rote Blutkörperchen (1666) beschreibt. Diese Untersuchungen sind erst durch die Erfindung des Mikroskops möglich geworden (H. und Z. Janssen, um 15907). 1665 Erste intravenöse Injektion von Arzneimitteln am Menschen durch Johann Sigismund Elsholtz (* 1623,11688).

1667 Erste Bluttransfusion vom Schaf auf den Menschen durch Jean Denis (t 1704).

1673 Antony van Leeuwenhoek (* 1632, f 1723) beschreibt die Erythrozyten genauer. 1677 Johan Ham (t nach 1723) entdeckt die >Samentierchen< (männliche Geschlechtszellen).

1683 Erste Darstellung von Bakterien durch Leeuwenhoek. 1683/86 Klassische Beschreibung der Gicht und des Veitstanzes durch Sydenham. 1759 Caspar Friedrich Wolff (* 1734, 11794) stellt eine neue Theorie der Entwicklung auf. Wachstum erfolgt durch Vermeh­ rung von Bläschen und Kügelchen. Erste Anklänge an die Lehre von den drei Keimblättern, aus denen das neue Lebewesen ent­ steht. 1761 Der Wiener Arzt Leopold Auenbrugger (♦ 1722, f 1809) er­ findet die Perkussion. Seine Schrift bleibt aber unbeachtet, bis der französische Mili­ tärarzt Jean Nicolas Corvisart (* 1755, 1 1821) 1806 Auenbruggers Verfahren erneut bekannt macht. Der Perkussion tritt die von Rene Theophile Hyacinthe Laennec(* 1781, 1 1826) angegebene Auskultation mittels des Stethoskops zur Seite.

1761 Giovanni Battista Morgagni (* 1682, f 1771) veröffent­ licht sein auf einer Lebensarbeit beruhendes pathologisch-anato­ misches Werk >De sedibus et causis morborumt, das den Sitz der Krankheiten in den Organen nachweist. Er prägt viele heute noch in der Medizin verwendete Begriffe und ist der Begründer der pathologischen Anatomie. 1762 Albrecht von Haller (* 1708,11777) stellt die Begriffe Irri­ tabilität und Sensibilität der Muskulatur und des Nervensystems auf und weist nach, daß ein Spezifikum des Lebens darin besteht, auf einen Reiz zu reagieren.

1763 FrancoisBoissier Sauvages deLacroix(* 1706,1 1767)in Montpellier begründet unter dem Einfluß des berühmten Botani­ kers Carl v. LinnS (* 1707,t1778) ein >Nosologisches System! der Krankheiten mit einer Einteilung in Klassen, Ordnungen, Fa­ milien, Gattungen usw. und will damit Verwandtschaften inner­ halb der verschiedensten Erkrankungen herausstellen. 1768 Klassische Beschreibung der Angina pectoris durch William Hebfrden (* 1710, t 1801). 1774 Der Mannheimer Arzt Friedrich Casimir Medicus (* 1736, 1 1809) stellt den Begriff der iLebenskrafti auf.

1779 Beschreibung des tuberkulösen Buckels (Karies der Wirbel­ säule) durch Percival Pott(* 1714,1 1788). 1779 Franz Anton Mesmer (♦ 1734, f 1815) vollzieht mit Hilfe des tierischen Magnetismus! zahlreiche Heilungen. Heute erkennen wir in diesem Verfahren den Vorläufer der Hypnose- und Sugge­ stionsbehandlung. 1785 Entdeckung der Wirkung der Fingerhutpflanze (Digitalis) auf Wassersucht und krankes Herz durch W. Witherino (* 1741, 11799). 1789 William Cullen (* 1712, f 1790) begründet seine Lehre von der Nervenkraft, die Neuropathologie. Die Nervenkraft kann durch Reize gesteigert oder vermindert werden. Sein Schüler John Brown (* 1735, f 1788) baut diese Theorie zur Lehre von der Sthenic und Asthenie aus.

1791 Entdeckung der Kontaktelektrizität im Froschschenkelversuch von Luigi Galvani (* 1737, 1 1798), fälschlich von diesem tierische Elektrizität! genannt.

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Heil 1794 Unterscheidung der Zuckerharnruhr (Diabetes mellitus) von einer ähnlichen Harnruhr (Diabetes insipidus) durch Johann Pe­ ter Frank (* 1745,t1821), den Verfasser eines weitverbreiteten Hygienelehrbuches mit dem Titel >System einer vollständigen me­ dizinischen Polizey«.

1796 Einführung der Pockenschutzimpfung durch Edward Jen­ ner (* 1749, f 1823), nachdem schon 1721 durch die Gattin des britischen Gesandten in Konstantinopel Mary Wortley-Montagu (t 1726) eine Schutzimpfung durch Übertragung echter Pocken (Variolisation) eingeführt worden war. 1797 Samuel Hahnemann (* 1755,1 1843) begründet die Homöo­ pathie mit dem Grundsatz »similia similibus curentur«, Gleiches soll durch Gleiches geheilt werden.

1797/98 Der »Galvanismus« wird von Johann Wilhelm Ritter (* 1776, 11810) und Alexander von Humboldt (* 1769, 1 1859) zur Erklärung des Lebens herangezogen. Um 1800 Mit der Naturphilosophie Friedrich Wilhelm Schellings (* 1775,1 1854) wird in Deutschland für kurze Zeit die»Romantische Medizin« führend. Besondere Betonung des Entwicklungs­ gedankens. Krankheit wird einmal als »Folge der Sünde« (Johann Nepomuk Rincseis, * 1785, f 1880), Heilung in der »Entsühnung des Menschen« gesehen, zum anderen jedoch als »Parasit« am Or­ ganismus (Karl Wilhelm Stark, * 1787, f 1845).

1801 Erste Erwähnung der Lehre von der Herdinfektion durch den nordamerikanischen Arzt Benjamin Rush(* 1745, f 1813).

1801 In Erweiterung der Gedankengänge von Morgagni verlegt Francois Xavier Bichat (♦ 1771, f 1802) den Sitz der Erkran­ kungen in bestimmte gleichartige »Gewebe«. 1803/05 Darstellung des Morphins aus Opium durch Friedrich Wil­ helm Sertürner (* 1783, f 1841).

1805 Lorenz Oken (* 1779, f 1851) führt den Entwicklungsgedan­ ken weiter und prägt den Satz »Omne vivum ex ovo« (Alles Leben aus dem Ei).

1836 Der Physiologe Johannes von Müller (* 1801,1 1858) prä­ zisierte das Gesetz von der spezifischen Energie der Sinnesorgane; sein »Lehrbuch der Physiologie« wird bahnbrechend für die neu­ zeitliche Forschung.

1837 Der »Positivismus« von Auguste Comte (* 1798, 1 1857) löst die romantische Bewegung durch die naturwissenschaftliche Ära ab. Bestreben, auch die Weltanschauung naturwissenschaftlich zu unterbauen, exakte Detailforschung mit strengster Kritik.

1838/39 Matthias Jacob Schleiden (* 1804, 11881) erkennt die Zelle als letztes Formelement der Pflanze, Theodor Schwann (*1810, 11882) begründet die tierische Zellenlehre. 1839 Der Würzburger Kliniker Lukas Schönlein (* 1793, t 1864) weist einen Fadenpilz als Verursacher des menschlichen Erbgrinds (Favus) nach. 1847 Ignaz Philipp Semmelweis (* 1818, f 1865) begründet seine Theorie der Infektiosität des Kindbettfiebers und deckt damit die Ursache einer der verheerendsten Krankheiten in Frauenspitälern und »Gebäranstalten« auf. 1849 Alois Pollender (* 1800,11897) sieht zum ersten Mal Milz­ brandbakterien im Blut von Tieren.

1849 Arnold Adolf Berthold (* 1803, f 1861) macht Versuche mit der Wiedereinpflanzung von Hoden bei kastrierten Hähnen und begründet die Lehre von der inneren Sekretion, eines Be­ griffs, den 1855 Claude Bernard(* 1813,1 1878) prägt. 1850 Entdeckung des Augenspiegels durch Hermann v. Helm­ holtz (* 1821, 11894) und seine Anwendung durch Albrecht v. Graefe (* 1828,11870).

1851/52 Der deutsche Tropenarzt Theodor Bilharz (* 1825, f 1862) in Kairo entdeckt den Erreger einer der schwersten Tropenkrankheiten, die später seinen Namen (Bilharziose) erhält, und wird da­ mit zum Begründer der modernen Tropenmedizin.

1854 Der spanische Gesanglehrer Manuel Garcia (* 1805, f 1906) 1813 führt sich selbst erstmals einen Kehlkopfspiegel ein. Johann Gottfried Rademacher (* 1772, t 1850) begründet die Erfahrungsheilkunde. Es kommt allein auf das richtige Heil­ 1857 mittel an, das durch Ausprobieren gefunden werden muß. Eine Louis Pasteur (* 1822,1 1895) weist nach, daß die Milchsäu­ Krankheitsdiagnose ist unnötig. Von allen diesen Einseitigkeiten regärung durch Hefepilze erfolgt. Er erklärt in ähnlicher Weise frei ist der große Kliniker Hermann Boerhaave, Professor in (1866) die Weingärung und die Fäulnis als Werk von Mikroorga­ Leiden (* 1668,11738), der in erster Linieder Heilkraft der Natur nismen. ihren Lauf läßt und diese gezielt unterstützt. Dabei spielen die Diätetik und die exakte Beobachtung des einzelnen Kranken ohne . 1858 Bindung an ein System bei ihm die Hauptrolle. Seine Methode hat Rudolf Virchow (* 1821, 11902) begründet seine »Zellular­ der Begründer des Allgemeinen Krankenhauses in Wien, Ge­ pathologie«; für ihn ist die Zelle der entscheidende Baustein des rard van Swieten (* 1700, 11797), der Leibarzt der Kaiserin Körpers, alle Erkrankungen gehen von den Zellen aus. Ihm ent­ Maria Theresia, übernommen. Er ist der Schöpfer des klinischen stehen Gegner in v. Behring, der für die »Humoralpathologie« Unterrichts der Medizinstudenten am Krankenbett. Zahlreiche (die Reaktionen des Organismus gegenüber krankmachenden Erkrankungen werden nun exakt beschrieben und neue Arznei­ Noxen erfolgen aus den Körpersäften) und in Gustav Adolph mittel in die Therapie eingeführt. Spiess (* 1802, f 1875), der für eine »Neuralpathologie« (alle Er­ krankungen sind letztlich Auswirkungen des gestörten Nerven­ 1819 systems) eintritt. Entdeckung des Chinins in der Chinarinde durch Friedlieb Ferdinand Runge (* 1795, 11867) und die französischen Apo­ 1859 theker Joseph Pelletier (* 1788,1 1842) und BienaimE CavenCharles Darwin (* 1809, f 1882) veröffentlicht sein Werk tou (* 1795,1 1877). »Über den Ursprung der Arten durch natürliche Zuchtwahl«; spä­ ter werden mit seiner Entwicklungslehre die Schlagworte »Kampf 1824 ums Dasein« und »Abstammung des Menschen vom Affen« ver­ Erste Bluttransfusion von Mensch zu Mensch durch James bunden. Blundell(* 1790,11878). 1865 1825 Gregor Mendel (* 1822, t 1884) veröffentlicht seine Ver­ Entdeckung des Keimbläschens im Vogelei durch Johann erbungsgesetze. Evangelista Purkinje (* 1787, f 1867). 1865 Beginn der modernen Hygiene: Betrauung M ax v. Pettenko 1826 fers(* 1818,11901) mit dein Lehrstuhl für Hygiene in München. Beschreibung der Diphtherie durch Pierre Bretonneau Pettenkofer betont die Wichtigkeit von Grundwasser- und Bo­ (* 1771,11862), der dieser Krankheit auch ihren heutigen Namen denverhältnissen zur Gesundheitsförderung und -erhaltung. gibt. 1867 1827 Josef Lister (* 1827, 11912) führt die Antisepsis (Entkei­ Entdeckung des Säugetiereies durch Karl Ernst von Baer mung bei der Operationsvorbereitung mit Hilfe von bakterien­ tötenden Stoffen) ein, die durch die von Ernst v. Bergmann (* 1792,11876). 316

Heil (* 1836, t 1907)ausgebildete Asepsis (Fernhaltender Krankheits­ erreger) verdrängt wird. 1873 Edwin Ki.ebs (• 1834, 1 1913) entdeckt die Diphtheriebakte­ rien, die 1884 von Friedrich Löffler (* 1852,1 1915) auf Nähr­ böden gezüchtet und weitergeimpft werden.

1875 Von Oscar Hertwig (* 1849, 11922) wird erstmals der Be­ fruchtungsvorgang am Seeigelei beobachtet.

1876 Robert Koch (* 1843,11910) kann erstmals Milzbrandbazil­ len auf Nährboden in Reinkultur züchten und damit auf Ver­ suchstiere übertragen. 1879 Ai bert Neisser (• 1855, t 1916) entdeckt den Gonokokkus, den Erreger des Trippers. 1879 Max Nitze (• 1848, t 1906) erfindet das Zystoskop und be­ gründet damit die moderne Urologie. 1880 Charles Louis Laveran (* 1845,11922) findet den Erreger der Malaria. 1881 Friedrich Wilhelm Beneke (* 1824, t 1882) betont die Be­ deutung der Konstitution als Krankheitsanlage. 1882 Robert Koch entdeckt das Tuberkelbakterium und 1884 auch den Erreger der Cholera.

1883 Ilja Metschnikoff (* 1845, 11916) begründet die Phagozy­ toselehre, d. h. der Organismus hilft sich gegen eingedrungene Fremdkörper, indem er seine weißen Blutkörperchen als >Polizei des Körperst mobilisiert. 1885 Louis Pasteur (* 1822,1 1895) führt die Tollwutbehandlung durch wiederholte Zufuhr von kleinsten Wundstarrkrampftoxin­ dosen ein. 1888 Von Wilhelm Waldeyer (* 1836, f 1921) wird der Begriff der Chromosomen als Träger der Erbmasse geprägt.

1890 Emil v. Behring (• 1854, f 1917)entdeckt das Diphtherie-und Wundstarrkrampfantitoxin und baut seine Entdeckung zur Se­ rumtherapie aus. 1895 Der Physiker Wilhelm Conrad Röntgen (• 1845, t 1923) entdeckt eine neue Art von Strahlen, die er zunächst X-Strahlen nennt und die im deutschen Sprachgebiet als Röntgen-Strahlen bezeichnet werden. 1896 Ludwig Rehn (* 1849, t 1930) führt die erste erfolgreiche Naht am verletzten Herzen durch.

1898 F. Löffler und Paul Frosch (• 1860, f 1928) entdecken ul­ travisible Krankheitserreger, die Viren, die sich nur in lebender Substanz vermehren können. 1900 Wiederbelebung der Mendelschen Gesetze durch die Untersu­ chungen von Hugo de Vries (• 1848, t 1935) und Karl Erich Correns(* 1864,11933).

1901 Entdeckung der Blutgruppen durch Kari Landsteiner (• 1868, 1 1943). Isolierung des kreislaufwirksamen Adrenalins durch Thomas Bell Aldrich (* 1861,1 1938) und Jokichi Ta kamine (• 1854, t 1922). 1902 wird von Wii lem Einthoven (♦ 1860,11927) das Saitengalva­ nometer konstruiert, mit dem es gelingt, das Elektrokardio­ gramm (EKG) des menschlichen Herzens aufzunehmen.

1903 entwickelt FerdinandSauerbruch(* 1875, t 1951)seincMethodc der Lungenoperationen in der Ãœberdruckkammer.

1904 Synthetische Darstellung des Adrenalins durch Friedrich Stolz (• 1860,11936), der schon 1897 das Aminophenazon (>Pyramidont) entwickelt hatte. 1905 Entdeckung der Spirochaeta pallida (heute Treponema palli­ dum) als Erreger der Syphilis durch den Zoologen Fritz Schaudinn (* 1871, f 1906) und den Dermatologen Erich Hoffmann (*1868,11959). Ab 1905 wird von Harvey Cushinc (* 1869,11939) in den USA die Ge­ hirnchirurgie systematisch ausgebaut. 1906 Einführung der >Wassermannschen Reaktion! zum Nachweis einer Syphilis im Blut durch August v. Wassermann (* 1866, 11925).

1906 Ernest Henry Starling (* 1866, f 1927) führt für im Orga­ nismus selbst entstehende chemische Wirkstoffe die Benennung >Hormone< ein. 1908 wird die Diathermie, die Tiefendurchwärmung des Körpers, in die Therapie eingeführt. Friedrich Trendelenburg (* 1844, f 1924) schlägt vor, ei­ nen Blutpfropf operativ aus den Hauptschlagadern zu entfernen und damit das Leben des Betroffenen zu retten. Erst 1924 gelingt Martin Kirschner (* 1879, f 1942) erstmals diese Operation.

1910 wird von Paul Ehrlich (* 1854,11915) und seinem Mitarbei­ ter Sahachiro Hata (* 1873,1 1938) das Salvarsan zur Behand­ lung der Syphilis in dieTherapie eingeführt, nachdem bereits 1907 derFreiburger Hygieniker Paul Uhlenhuth(* 1870,11957)mit organischen Arsenverbindungen positive Resultate bei syphilis­ kranken Menschen gewonnen hatte.

1911 wird die erste künstliche Höhensonne, eine Quecksilber­ dampflampe, konstruiert. 1913 Casimir Funk (* 1884, f 1967) prägt für bestimmte Wirkstoffe in der Nahrung die Bezeichnung >VitamineProntosilPrimaquine< in den Arzneischatz; damit wird die Malariabekämpfung weltweit auf eine neue Basis gestellt. Es gelingt, die Krankheit in vielen Län­ dern der Erde einzudämmen, aber nicht sie auszurotten; sie ist in den letzten Jahren infolge der Verschlechterung der hygienischen Bedingungen in der Dritten Welt wieder im Vorrücken. 1950 Von Hans Selye (* 1907,1 1982) durchgeführte Studien über Anpassungssyndrome werden zur Erklärung zahlreicher Über­ empfindlichkeitserkrankungen und Belastungsfolgen herange­ zogen. Die von Selye zu diesem Thema erarbeitete Streßtheorie führte zum besseren Verständnis einer Reihe von bisher unerklär­ baren pathologischen Reaktionen. 1950 Das Nebennierenrindenpräparat Cortison wird weltweit einge­ führt und bei zahlreichen Krankheiten erfolgreich eingesetzt.

1951 Selman Abraham Waksman (* 1888, f 1973) entwickelt im Antibiotikum >Neomycin< ein besonders gegen Tuberkulose wirksames Mittel. 1951 wird eine weitere gegen Tuberkulose wirksame Substanz im >Viomycin< gefunden. 1952 wird, ebenfalls gegen die Tuberkulose, die Gruppe der Isonia­ zidderivate eingeführt. Damit beginnt auf breiter Front der Kampf gegen die Tuberkulose, der zur schnellen Reduzierung der Krankheit führt und die bisherige Behandlung in Heilstätten überflüssig macht. In der Augenheilkunde werden Akryllinsen nach Staroperatio­ nen in den Augapfel eingesetzt und ergänzen damit die seit 1933 bekannten Kontaktlinsen. Mit der Einführung des aus der indischen Rauwolfiawurzel ge­ wonnenen Reinalkaloids >Reserpin< beginnt eine neue Ära der Hochdrucktherapie. Im Laufe der kommenden Jahre und Jahr­ zehnte werden immer neue und wirkungsvollere, mit weniger Ne­ benwirkungen behaftete blutdrucksenkende Mittel mit Erfolg er­ probt. 1953 Nach einer Reihe von Arbeiten über die Zusammensetzung der Eiweißbausteine des Organismus gelingt es den späteren Nobel­ preisträgern Maurice Wilkins (* 1916) und Francis Crick (* 1916), die Natur ihrer wichtigsten Bestandteile als Doppelhelix aufzuklären und ebenso den genetischen Code für die Vererbung bestimmter Eigenschaften zu identifizieren. Dabei bedienen sich diese Forscher enzymatischer Synthesen, die von nun an eine wichtige Rolle bei allen weiteren biochemischen Forschungs­ arbeiten spielen. Einführung der in den USA entwickelten Herz-Lungen-Ma­ schine in die Thoraxchirurgie bei Herz- und Lungenoperationen unter vorübergehender Ausschaltung der Pumparbeit des Her­ zens. 1955 Entdeckung der oralen Antidiabetika (Sulfonylharnstoffe), womit die Behandlung der Zuckerkrankheit z. T. auf einfachere Weise (statt der bei Insulinanwendung notwendigen Injektionen) durchgeführt werden kann. Dem späteren Nobelpreisträger Fre

Heil DERICK Sanger (*1918) gelingt die Strukturaufklärung des Insu­ lins. Damit ist die chemische Synthese dieses wichtigsten Heilmit­ tels gegen die Zuckerkrankheit möglich. Sie wurde von 3 For­ schergruppen, u. a. der Arbeitsgruppe um Helmut Zahn (• 1916) am Wollforschungsinstitut der Technischen Hochschule Aachen, in den Jahren 1963—64 unabhängig voneinander weiter­ entwickelt. 1975 gelang es, auch menschliches Insulin herzu­ stellen. Die Fortschritte der Mikrochirurgie bahnen sich an. Nachdem bereits 1953 die ersten hörvcrbesserndcn Operationen an den klei­ nen Gehörknöchelchen vorgenommen worden waren, nimmt nunmehr die Mikrochirurgic des Ohres ebenso wie die des Auges und des Gehirns mit Hilfe neuer operativer Verfahren und verfei­ nerter Instrumente einen schnellen Aufschwung. Der Ultraschall, der seit 1939 therapeutisch verwendet wurde, wird zur Diagnostik, zunächst zur Größen- und L.agebestimmung des Embryos im Mutterleib herangezogen. Die spätere Weiterent­ wicklung führte zum Ausbau der Sonographie. Erste erfolgreiche Übertragung (Organtransplantation) einer menschlichen Niere bei eineiigen Zwillingen mit Anfängen, Or­ ganspenden zu organisieren. 1962 Einführung oral einzunehmender Ovulationshemmer (Anti­ babypille) zur Empfängnisverhütung. 1964 Der spätere Nobelpreisträger Baruch Samuel Blumberg (* 1925) entdeckt im Blut eines australischen Eingeborenen ein bisher unbekanntes Antigen (Australia-Antigen), das sich als Er­ reger einer Form der Gelbsucht, der Serumhepatitis B, heraus­ stellt. Damit werden neue Erkenntnisse über die Wirkungsweise der Viren im menschlichen Organismus gewonnen. 1967 Laserstrahlen, eine besondere Form gebündelten energierei­ chen Lichts, werden in die medizinische Technik eingeführt und zur Behandlung von Netzhautablösung und von Hauttumoren erstmals mit Erfolg angewendet. Christiaan Barnard (• 1922) führt die erste erfolgreiche Herztransplantation am Menschen aus.

1974 Die spätere amerikanische Nobelpreisträgerin Rosalyn Yalow (• 1921) entwickelt den Radioimmuntest, ein Verfahren der Nuklearmedizin, mit dem es möglich wird, auch kleinste Men­ gen eines Wirkstoffes in Geweben nachzuweisen. Mit Hilfedieser Heilpädagogik, Sonderpädagogik, Heillerzie­ hung, Erziehung, Unterrichtung und Betreuung Behin­

derter, v. a. entwicklungsgehemmter oder schwererzieh­ barer Kinder und Jugendlicher durch spezielle (sonderpädagog.) Maßnahmen und Einrichtungen. Unter medizin. Aspekt setzt H. dann ein, wenn medikamentöse, opera­ tive oder physikal. Behandlungsweisen nicht angewendet werden können oder voraussichtlich erfolglos sind. Die heilerzieherische oder -pädagog. Arbeit wird i. d. R. gemeinsam von Fachärzten, Jugendpsychiatern, Psychologen, Psychagogen, Fürsorgern, Juristen und Heilpädagogen durchgeführt, z. T. im Rahmen der Erzie­ hungsberatung. Sie baut auf den Ergebnissen anderer Dis­ ziplinen wie Psychopathologie, Psychologie, allgemeiner Pädagogik, Medizin, Soziologie und Theologie auf und arbeitet mit diesen zusammen. Die H. geht von dem Gedanken aus, daß jeder Mensch in seinem Organismus genügend Reserven besitzt, die ak­ tiviert werden können, um die nicht mehr rückbildung­ sfähigen Schäden auszugleichen. Die Blinden und Taub­ stummen müssen z. B. lernen, ihre gesunden Sinnes­ organe so auszubilden, daß sie mit deren Hilfe vollwertige Leistungen vollbringen können. Die bildungsfähigen Schwachsinnigen werden mit Hilfe spezieller Lern- und Arbeitsmethoden dahin gebracht, daß sie in einfachen Be­ rufen zur möglichst selbständigen Lebensführung befä­ higt werden. In Sonderanstalten werden alle den Kranken noch verbliebenen Fähigkeiten in gezielter psycholog. Führung so entwickelt, daß viele von ihnen arbeitsfähig werden und eine Befriedigung in der Bewältigung der All­ tagsaufgaben finden. Die heilerzieher. Arbeit an den Hirnverletzten, bei denen wichtige Gehirnteile unersetz­ bar zerstört sind, geht von der Erfahrung aus, daß die ge­ sund gebliebenen Gehirnabschnitte in gewissem Umfang für die geschädigten Teile eintreten können. Der durch

Methoden erfolgt eine außergewöhnliche Ausweitung der dia­ gnostischen Möglichkeiten in der Medizin. Zunehmend werden auch wesentliche neue Erkenntnisse über den Aufbau der Bluteiweißkörpcr, der Immunglobuline, gewon­ nen. Das Ehepaar Ishizaki entdeckt im Immunglobulin Eden für den Ausbruch allergischer Erscheinungen verantwortlichen Anti­ körper und löst damit manche Rätsel bei der Entstehung aller­ gisch bedingter Krankheiten. 1977 Der letzte Fall von Pocken wird in Somalia beobachtet. Die Impfpflicht zur Pockenschutzimpfung wurde 1976 in der Bundesrep. Dtl. aufgehoben. 1978 Einführung der außerkörperlichen (extrakorporalen) Be­ fruchtung, die zur Geburt eines gesunden Kindes führt, durch die brit. Ärzte P. C. STEPTOEund R. G. Edwards. 1979 Einführung der Computertomographie, eines neuartigen Röntgenverfahrens. Die Methode wurde von dem britischen Elektroingenieur Godfrey Hounsfield (* 1919) entwickelt und von dem amerikanischen Physiker Allen Cormack (* 1924) theoretisch begründet. Beide erhielten 1979 dafür den Nobel­ preis.

1980 Entdeckung der an den weißen Blutkörperchen haftenden An­ tigene, die für die Transplantationsmedizin von großer Bedeu­ tung werden soll. Sie spielen nicht nur bei der Abstoßung von Transplantaten, sondern auch bei zahlreichen Krankheiten eine bedeutsame Rolle. 1982 praktische Anwendung der Methode, Steine (Konkremente) der Harnwege auf unblutige Weise mit Hilfe von Stoßwellen zu kleinen Partikeln zu zertrümmern (Lithotripsie) und zum Abgang zu bringen. 1982 Statt der bisher durchgeführten Herzimplantation wird erst­ mals durch den amerikan. Arzt H. De vries ein aus Kunststoff an­ gefertigtes >Herz< (Herzprothese) eingesetzt.

1982 Einführung der Magnetfelddiagnostik, bei der mit Hilfe der Kernspintomographie Querschnittsbilder des Körpers ohne Bela­ stung mit ionisierenden Strahlen gewonnen werden.

linksseitige Gehirnverletzung rechtsseitig Gelähmte wird z. B. zum Linkshänder umgeschult. 1. w. S. gehört zur H. auch die berufl. Umschulung. Auch die an den Folgen von Kinderlähmung und Amputationen leidenden Kranken und bes. auch die Kriegsversehrten müssen zusammen mit der Einweisung in den Gebrauch von Kunstgliedmaßen u. a. durch planmäßige H. in den Stand gesetzt werden, sich von den Auswirkungen ihrer Gebrechen möglichst unabhängig zu machen. Das Ziel, alle diese -»Behinderten soweit wie möglich lebenstauglich zu machen, kann nur erreicht werden, wenn die Persönlichkeit der Kranken im Mittelpunkt der H. steht. Selbstsicherheit, Mut, Gemeinschaftssinn wer­ den geweckt und gefördert, um zu verhindern, daß sich auf dem Boden der Körperbehinderung eine negative Ein­ stellung zum eigenen Ich und der Umwelt entwickelt. In der Bundesrep. Dtl. besteht die Vereinigung >Lebenshilfe für geistig Behindertee. V.< (Marburg), wel­ che Maßnahmen und Einrichtungen fördert, die eine wirksame Lebenshilfe für geistig Behinderte aller Alters­ klassen bedeuten. Dazu gehören z. B. heilpädagog. Kin­ dergärten, heilpädagog. Sonderklassen, Anlernwerkstät­ ten und beschützende Werkstätten. Heilpflanzen, Arzneipflanzen, Wild-oder Kultur­ pflanzen, die zu Heilzwecken benutzt werden. Sie spielen seit ältesten Zeiten in der Therapie eine große Rolle und werden auch heute, v. a. in der -• Naturheilkunde, noch viel verwendet. Die Wissenschaft von der Wirkung der H., seit jeher um die Erforschung wirksamer Naturpro­ dukte im Sinn einer exakten Phytotherapie (Behandlung mit Pflanzen) bemüht, hat in den letzten beiden Jh. einen großen Aufschwung genommen, sie hat für viele altbe­ kannte H. die Wirkstoffe näher erforscht (Pharmakogno­ sie, Pharmakologie) und durch exakte Bestimmung ehern. Wirkstoffe eine gezielte Anwendung und Dosie319

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Bockshornklee Bohne Brechnußbaum Brechwurzel Brennessel 1

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Birke Bitterklee Bittersüß Blasentang

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Betelnußpalme Betonie Bibernelle Bilsenkraut |

Beinwell Berberitze Besenginster

Arnika Artischocke Asant Atropa bella-donna Augentrost Baldrian Bärentraube Basilikum Becherstrauch

Anis

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Andorn Anemone Angelika Angosturabaum

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Aloe

Akelei

Akonit

Ackerwinde Adonis

Heilpflanzen und ihre Wirkungen (Auswahl)

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giftig (ab geringen Mengen)

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entzündungshemmend fiebersenkend galletreibend

harndesinfizierend

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blutdrucksteigernd blutfettsenkend blutharnsäuresenkend blutstillend, gerinnungsfördernd blutverdünnend, gerinnungshemmend

brecherregend durchblutungssteigernd entblähend

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auswurffördernd, schleimlösend betäubend (äußerlich) blutbildungsfördernd blutdrucksenkend

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abführend abwehrsteigernd adstringierend anregend, tonisierend atemanregend

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heilend (äußerlich) Herz-Kreislauf-anregend

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krebshemmend

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leberunterstützend magensaft-, appetitanregend magensafthemmend

menstruationsfördemd milchfördernd (Wochenbett)

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nervenberuhigend parasitenabtötend (äußerlich) pilztötend (äußerlich) reizmindernd schlaffördernd schmerzhemmend schweißfördernd schweißhemmend stimmungsaufhellend

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hormonartig keimhemmend krampflösend krebsfördernd

stoffwechselanregend

• verdauungssaftanregend virushemmend

• vitaminhaltig •

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fragliche Wirkung; • erfahrungsgemäß zu erwartende Wirkung.

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wurmtötend

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Drachenblutbaum Eberesche Efeu Ehrenpreis Eibisch Eichenrinde Eisenkraut Eleutherococcus sentic. Enzian Esche Estragon Eukalyptus Faulbaum Feigenbaum Fenchel Fichte Flohsamen Frauenmantel Galgant Gänsefingerkraut Gelbwurzel Gewürznelke Gewürzsumach Ginkgobaum Ginseng Ginster Goldregen Goldrute Granatapfelbaum

Digitalis

Buchweizen

Catharanthus roseus Chinarinde

Bruchkraut Brunnenkresse Buccoblätter

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Heilpflanzen und ihre Wirkungen (Auswahl)

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anregend, tonisierend atemanregend auswurffördernd, schleimlösend

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betäubend (äußerlich) blutbildungs fördernd

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blutdrucksenkend blutdrucksteigernd

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entblähend entzündungshemmend

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O fragliche Wirkung; • erfahrungsgemäß zu erwartende Wirkung.

harndesinfizierend harntreibend hautreizend (äußerlich) heilend (äußerlich) Herz-Kreislauf-anregend Herz-Kreislauf-beruhigend

herzstärkend hormonartig keimhemmend

schmerzhemmend schweißfördernd schweißhemmend

stimmungsaufhellend stoffwechselanregend verdauungssaftanregend

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milchfördernd (Wochenbett) nervenberuhigend parasitenabtötend (äußerlich) pilztötend (äußerlich) reizmindernd schlaffördernd

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leberunterstützend magensaft-, appetitanregend magensafthemmend menstruationsfördernd

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fiebersenkend galletreibend (giftig (ab geringen Mengen) • giftig (ab größeren Mengen)

krampflösend krebsfördernd krebshemmend

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blutfettsenkend blutharnsäuresenkend blutstillend, gerinnungsfördernd blutverdünnend, gerinnungshemmend blutzuckersenkend brecherregend durchblutungssteigernd

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abführend abwehrsteigernd • adstringierend

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virushemmend • vitaminhaltig wurmtötend

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Kalmus Kamille Kampferbaum | Kapuzinerkresse Kastanie Katzengamander Katzenpfötchen | Khellakraut Kirschlorbeer | Klapperschlangenwurzel | Knoblauch Koka Kolabaum Koloquint(h)e | Kombuchu Kondurangorinde | Königskerze 1

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cgiftigenGefahr für die Volksgesundheit bedeuten würde. Vom H. wird keine wissenschaftl. Ausbildung verlangt, es gibt je­ doch private Ausbildungsstätten, die ein Teil der H. be­ sucht haben und die sie auf die Besonderheiten der Berufs­ ausübung vorbereiten, z. B. auf die Anwendung naturheilkundl. Verfahren. Wenn diese Verfahren von der Schulmedizin auch zurückhaltend beurteilt und bei mög­ licher Gefahr für den Kranken abgelehnt werden, so be­ steht jedoch v. a. in neuerer Zeit in der Öffentlichkeit ein verstärktes Interesse an der Naturheilkunde. Dies ist z. T. mit einer Ablehnung der immer stärker spezialisierten wissenschaftl. Heilkunde und der Anwendung allopath. Arzneimittel verbunden, bei denen man im Ggs. zu den naturheilkundi. Präparaten schädl. Nebenwirkungen fürchtet. Zur Behandlung von Versicherten der gesetzl. Kran­ kenkassen auf Krankenschein ist der H. nicht zugelassen, jedoch können Behandlungskosten durch den H. von pri­ vaten (Zusatz-)Versicherungen bei entsprechender Ver­ einbarung übernommen werden. In der Dt. Dem. Rep. werden H. nicht mehr neu zu­ gelassen; schon praktizierende H. dürfen ihre Tätigkeit weiterführen. In Österreich wurde das H.-Gesetz 1947 aufgehoben; die eigenverantwortl. medizin. Behand­ lung ist den Ärzten Vorbehalten. In der Schweiz gibt es keine bundesrechtl. Regelung; einige Kantone lassen H. (auch >Naturärzte< genannt) nach kantonalem Recht zur Ausübung der Heilkunde zu. Heilquellen, Quellwässer, die eine heilkräftige Wir­ kung auf den Organismus ausüben, entweder in Form des Bades, als Trinkkur oder als Inhalation. H. zeichnen sich dadurch aus, daß sie gegenüber normalen Quellen einen höheren Gehalt an gelösten Stoffen haben. H. mit höherer Temperatur werden Thermen genannt. Der Zweig der me­ dizin. Wissenschaft, der sich mit den H. befaßt, wird als Balneologie bezeichnet; mit der Zusammensetzung der H. beschäftigt sich die Quellenforschung. Auf ihrem mehr oder weniger weiten Weg durch die Gesteine der Erdrinde nehmen H. durch Lösung Gase (Kohlendioxid, Schwefel­ wasserstoff) und Salze (Brom, Chlor, Eisen, Jod, Kalium,

Kalk, Lithium, Mangan, Natrium, Schwefel) in wechseln­ den ehern. Verbindungen auf. Ihre ehern. Analyse bildet die Grundlage für die Beurteilung der einzelnen H., die in -►Heilbädern und Kurorten (Übersicht) angewendet werden. Eine Einteilung der H. ist bei der Vielfältigkeit ihrer Zusammensetzungen schwierig. Am ehesten kann nach ehern. Gesichtspunkten unterschieden werden, wobei der wirksame Bestandteil, nicht die Menge des betreffenden Salzes maßgebend ist. Übergänge der verschiedenen Klas­ sen kommen häufig vor. Jede H. ist eine Einheit, die einen besonderen Heileffekt erzielt. Einzelne ehern. Bestand­ teile können eine ganz andere Wirkung haben als die H., in der sie enthalten sind. Folgende Arten von H. lassen sich nach ehern, und physikal. Eigenschaften unterscheiden: A) Wässer, die mehr als 1 g gelöste feste Mineralstoffe je kg enthalten: 1) Chloridwässer, a) Natriumchlorid­ wässer, Kochsalzwässer (früher >muriatische Wässert) werden bei einem Mindestgehalt von 5,5 g Natrium- und 8,5 g Chloridionen je kg auch >Sole< genannt; b) Kal­ ziumchloridwässer; c) Magnesiumchloridwässer. 2) Hydro(gen)karbonatwässer, a) Natrium-Hydro(gen)karbonatwässer (früher >alkalische Wässert); b) KalziumMagnesium-Hydro(gen)karbonatwässer (früher >erdige Wässert). 3) Sulfatwässer, a) Natriumsulfatwässer (frü­ her >salinische Wässert oder >Glaubersalzwässert); b) Magnesiumsulfatwässer (früher >Bitterwässert); c) Kal­ ziumsulfatwässer (früher >Gipswässert); d) Eisensulfat­ wässer (früher >Eisenvitriolwässert); e) Äluminiumsulfatwässer (früher >Alaunwässert). B) Wässer, die unabhängig vom Gesamtgehalt an gelö­ sten festen Mineralstoffen bes. wirksame Bestandteile enthalten: 1) Eisenwässer (früher >StahlquellenManagerkrankheitUmgang mit der Krankheit«. Trotz mancher günstiger Ergebnisse waren viele Rückfälle zu verzeich­ nen; vor 100 Jahren starb noch jeder zweite Tuberkulo­ sekranke. Eine Infektionskrankheit ist am wirksamsten durch die Vernichtung des Krankheitserregers zu heilen. Diese Möglichkeit besteht bei der Tuberkulose seit der Einfüh­ rung der rationellen, kombinierten antibakteriellen Che­ motherapie, wodurch die Heilstättenkuren mit der Zeit immer mehr an Bedeutung verloren haben. Dementspre­ chend führten neue Richtlinien und Methoden der Tuber­ kulosebehandlung zum Verzicht auf Heilstättenkuren und schließlich zur Schließung vieler Heilstätten. Die

Heir Zahl der Tuberkulosekranken ist weiterhin rückläufig. Bessere stationäre und ambulante medikamentöse Be­ handlungsverfahren können heute die Heilstättenbe­ handlung ersetzen. Heil- und Pflegeanstalten, -»Heilanstalten, -►Krankenhäuser. Heilung, die Wiederherstellung der-»Gesundheit. Heilverfahren, 1) die Summe der von einem Arzt bei einem Kranken angeordneten und überwachten Maßnah­ men zur Wiederherstellung der Gesundheit. 2) von den Versicherungsorganen (bes. der Bundesver­ sicherungsanstalt für Angestellte, Abk. BfA, und den Landesversicherungsanstalten, Abk. LVA) oder ver­ gleichbaren Institutionen nach vertrauensärztl. Untersu­ chung angeordnete oder genehmigte Verfahren zur Erhal­ tung oder Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit (Reha­ bilitationsmaßnahmen durch Kuren) oder zur Verhütung der drohenden Invalidität. Heimdialyse, Durchführung der Dialysebehandlung (-► Dialyse) außerhalb des Krankenhauses; meist in der Wohnung des Kranken, der zusammen mit einem Dialyse­ partner (meist dem Ehepartner) die i. d. R. 3mal wöchent­ lich notwendige Behandlung selbst durchführt. Eine vor­ herige ausgiebige Schulung von Patient und Dialysepart­ ner in einem klin. Dialysezentrum ist erforderlich. Der Vorteil der H. ist die größere Unabhängigkeit des Patien­ ten, dem die Wegezeiten zum und vom Dialysezentrum er­ spart bleiben. Außerdem können die Dialysezeiten besser mit den berufl. und sonstigen Aktivitäten des Kranken ab­ gestimmt werden. Auch die Peritonealdialysebehandlung kann unter bestimmten Voraussetzungen als H. oder als kontinuierl. (continue) ambulante Peritonealdialyse (Abk. CAPD) durchgeführt werden. Die H. wird in der Bundesrep. Dtl. von verschiedenen Organisationen und Stiftungen unterstützt und gefördert (z. B. Kuratorium für H., Neu-Isenburg, oder Patienten-Heimversorgung, Abk. PHV, Bad Homburg v. d. H.). Heimkehrerkrankheiten, zusammenfassende Be­ zeichnung für Erkrankungen, die zwar keine neuartigen Krankheiten imeigtl. Sinn darstellen, wohl aber durch das Heimkehrerschicksal nach dem 2. Weltkrieg besondere Verlaufsformen und Eigenarten angenommen haben. Langandauernde Einwirkung von >extremen Lebensbedingungenr, plötzl. Übergang aus einem Dasein unter Hunger, Kälte, Zwang, körperl. und seel. Not in eine Welt des Überflusses, der Freiheit und materiellen Sicherheit können eine erhebliche leiblich-seel. Belastung hervorru­ fen (-► Haftreaktion). Zu den Folgen rechnen vorzeitige Alterung, Auftreten von Kreislaufkollaps, chron. Leber­ erkrankung u. a. Die seel. Anpassungsschwierigkeiten zeigten sich nach dem 2. Weltkrieg z. B. in der großen Zahl der Ehescheidungen oder in häufigem Berufswechsel .Oft ist auch die Anpassungsfähigkeit an die veränderte Um­ welt unwiederbringlich verlorengegangen. Heimlich-Handgriff [n. dem amerikan. Arzt H. Heimlich], Erste-Hilfe-Maßnahme bei Erstickungsge­ fahr infolge verlegter Luft- oder Speiseröhre (-»Erste Hilfe, Ersticken, Anhang). Heimpflege, stationäre Unterbringung von alten, kranken oder gebrechl. Menschen in Einrichtungen, in denen sie versorgt und bei Bedarf auch gepflegt werden (Altenheime, Pflegeheime). Die Kosten der H. gehen zu­ meist zu Lasten der Betroffenen und ihrer Familien, bei Bedürftigkeit auch der Sozialhilfe. Heine-Medin-Krankheit [n. dem Orthopäden J. von Heine, * 1800, 1 1879, und dem schwed. Kinderarzt K. O. Medin, * 1847,11927], Poliomyelitis, die spinale -»Kinderlähmung.

Heilpflanzen

Pfaffenhütchen Früchte

Rosmorin

Enzian

Lobelie

Schöllkraut

Salbei

Roßkastanie Blütenstand

Berberitze Fruchstand

Roßkastanie Frucht

Berberitze Blütenstand

Maiglöckchen

Weißdorn Blütenstand

Heiratszeugnisse, Ehegesundheitszeugnis­ se, Unbedenklichkeitszeugnisse, korrekt eigtl. ärztl. Befundberichte über den Gesundheitszustand von Brautleuten, Berichte, die Auskunft geben über die allge­

meine Ehetauglichkeit (z. B. die Fähigkeit, Kinder zu be­ kommen, soweit sich das nach einmaliger ärztl. Untersu­ chung feststellen läßt) sowie über das Nichtbestehen von Geistes- oder Geschlechtskrankheiten, von ansteckenden 329

Weißdorn Früchte

Heir Krankheiten, bes. Tuberkulose, und schweren vererbba­ ren Mißbildungen. Die Vorlage von H. bei der standesamtl. Trauung ist in der Bundesrep. Dtl. nicht notwendig. Hingegen müssen Personen, die geschlechtskrank sind oder zu irgendeiner Zeit an Syphilis gelitten haben, sich unmittelbar vor der Bestellung des Aufgebots ärztlich un­ tersuchen lassen (-»Geschlechtskrankheiten). Bestehen keine Bedenken, so wird hierüber ein Zeugnis ausgestellt. Das H. darf nicht verwechselt werden mit dem Ehefähig­ keitszeugnis (§ 10 Ehe-Gesetz), das z. B. bei Ausländern bescheinigt, daß rechtl. Hindernisse einer Eheschließung nicht entgegenstehen. Heiratsziffer, die -»Eheschließungsziffer. Heiserkeit, Veränderung der Stimme; diese klingt rauh, knarrend, gepreßt oder verhaucht, leise und klang­ arm; Steigerung bis zur Tonlosigkeit ist möglich; Ursache meist Erkältung (Verkühlung, Kehlkopfkatarrh) oder Überanstrengung der Stimmbänder, auch falsche Stimm-, Sprech- oder Atemtechnik (-► Kehlkopfkrank­ heiten). Ferner können Infektionskrankheiten (Grippe, Tuberkulose) und Geschwülste zu H. führen. Bei jeder länger als 3 Wochen dauernden H. muß der Arzt aufge­ sucht werden. (-»Stimme) Heißhunger, Hyper|orexie, Anfälle von unge­ wöhnlich heftigem Hunger und Verlangen nach Füllung des Magens, die mit Kopfschmerzen, Reizbarkeit, sogar Zittern, Schweißausbrüchen und Ohnmacht, verbunden sein können. Zuweilen genügen schon einige Bissen zum Abstellen des H. Manchmal sind große Nahrungsmengen erforderlich. Ursache des H. ist das plötzl. Absinken des Blutzuckerspiegels (Hypoglykämie) auf vegetativer Grundlage, vorwiegend bei Asthenikern, auch durch Insulinüberdosierung, Pankreasgeschwülste u. a., selten bei Hirnerkrankungen. Mit H. nicht zu verwechseln ist das Verlangen nach absonderl. Speisen, das häufig im Frühstadium von Schwangerschaften vorkommt. Heißluftbad, ein Schwitzbad, bei dem heiße, trockene Luft den ganzen Körper oder einzelne Körperteile umgibt. Therapeutisch werden Temperaturen zwischen 40 und 80 °C angewendet, die der menschl. Körper gut verträgt, da er sich in trockener Luft am leichtesten durch reich­ liches Schwitzen vor Überhitzung schützen kann und weil trockene Luft ein schlechter Wärmeleiter ist. Das H. wirkt stark schweißtreibend, wobei der Schweiß an der trockenen Luft sofort verdunstet. Es regt den Stoff­ wechsel und die Hauttätigkeit an und ist überall dort dem Dampfbad vorzuziehen, wo man gleichzeitig scho­ nend vorgehen will. Das römisch-irische Bad ist ein H. für den ganzen Kör­ per in Verbindung mit einem allgemeinen Dampfbad, auch türk. Bad genannt. Es besteht gewöhnlich aus 3 Räu­ men. Der Badende geht zuerst etwa 20 Minuten in den Warmluftraum (40—50°C), dann 10 Minuten in den Heißluftraum (60—70°C), endlich 15-20 Minuten in den Dampfraum (45-50°C). Nach dem Aufenthalt im Dampfraum soll der Körper zunächst durch eine küh­ lende Dusche oder ein zimmerwarmes Tauchbad abge­ kühlt werden; danach etwa halbstündige Liegeruhe. Das römisch-irische Bad ist eine angreifende Behand­ lungsart, weil die heiße Luft eingeatmet werden muß und der Kopf nicht genügend vor Blutandrang geschützt wer­ den kann. Daher ist es bes. bei Kreislaufkranken nur nach Anweisung des Arztes erlaubt. Örtliche H. werden angewendet, wenn der Kopf von der Behandlung ausgeschlossen werden soll; hierbei benutzt man ähnl. Kästen wie beim Dampfkastenbad (-»Dampf­ bad). Eine andere Form ist das Schwitzbett, das im allge­ meinen dem Bettdampfbad entspricht; heute geschieht diese Erwärmung durch elektr. Heizwiderstände. Weitere Arten von H. sind die elektrischen Lichtbäder und das Saunabad. H. bewähren sich bei rheumat. Er­ krankungen, Gicht, Nervenleiden und Lähmungserschei­ nungen sowie bei bestimmten Nierenerkrankungen, bei denen eine Wärmeanwendung mit Schweißabsonderung angebracht ist. Heißluftdusche, elektrisch betriebener Ventilator, dessen Luftstrom durch einen gesondert schaltbaren 330

Heizkörper erwärmt und auf eine bestimmte Körperstelle geleitet werden kann. Mit der Erwärmung ist eine Mas­ sage der Haut durch den Luftstrom verbunden. Heilkundl. Anwendung bei rheumat. oder neuralg. Beschwer­ den zur Beschleunigung der Heilungsvorgänge bei oberflächl. Verletzungen oder entzündl. Prozessen. Die H. wird als medizin. Maßnahme heute kaum mehr ange­ wendet. Heizkissen, Heizdecke, durch elektr. Strom er­ wärmtes Kissen oder Decke. H. finden als Bett-, Leib- und Fußwärmer sowie in Krankheitsfällen für bestimmte Heilzwecke Verwendung. Der Heizkörper besteht aus ei­ nem Heizdraht von mindestens 0,08 mm Durchmesser, der um eine Asbestschnur gewickelt und in ein Asbestge­ webe eingebettet ist; das ganze ist von einem dichten Fla­ nellüberzug umgeben. Die äußere Hülle bildet ein abzieh­ barer und abwaschbarer Leinen- oder Kunststoffüber­ zug. Zum Schutz gegen zu hohe Erwärmung und Brandge­ fahr sind außerdem ein Temperaturregler und eine Ab­ schmelzsicherung eingefügt. Das H. wird durch Schnur und Stecker an das Stromnetz angeschlossen und durch ei­ nen Regulierschalter auf die gewünschte Temperatur ein­ gestellt. Mit dem H. läßt sich dem Körper bequem trockene Wärme zuführen. Die gleichzeitige Verwendung feuchter Wärme ist zu vermeiden. Bei Säuglingen und Menschen, deren Haut nicht genügend temperaturempfindlich ist, müssen H. wegen möglicher Verbrennungen mit besonde­ rer Vorsicht angewendet werden. Heizung, das Erwärmen von Räumen zur Schaffung einer physiologisch günstigen Umgebung mit Hilfe einer Heizanlage; auch die Heizanlage selbst. Die Größe der Anlage und deren Bauelemente werden nach dem Wärme­ bedarf des Raums oder Gebäudes ermittelt. Die Berech­ nung des Wärmebedarfs regelt DIN 4701 in Abhängigkeit von der Bauweise und den Raum- und Außentemperatu­ ren für den Auslegungszustand. Energieträger für H. wa­ ren früher vornehmlich Holz und Kohle, Briketts und Koks, heute sind es Öl, Gas und Elektrizität aus verschie­ denen Energiequellen; noch im Versuchsstadium ist die Ausnutzung der Sonneneinstrahlung (-► Solarenergie). Die Einzel-H. stellt eine Energieumwandlung in dem zu beheizenden Raum mit Hilfe von offenen oder geschlosse­ nen Feuerstellen oder der elektr. Widerstands-H. dar. Zu den geschlossenen Feuerstellen (Öfen) gehören der Ka­ chelofen und der Dauerbrandofen. Mit Öl beheizte Öfen werden entweder von einem an den Ofen angebauten Tank oder zentral von einem Kellertank mit Brennstoff versorgt. Gasheizöfen können abgasseitig an einen Schornstein angeschlossen sein oder als Außenwandöfen das Abgas durch die Außenwand ins Freie geben. Zu den elektr. Heizeinrichtungen gehören Heizlüfter, elektr. Heizstrahler und die Elektrospeicher-H. Bei der Zentral-H. (Sammel-H.) erfolgt die Energieum­ wandlung für ein oder mehrere Gebäude zentral. Bei der Warmwasser-H. mit Wassertemperaturen zwischen 60 und 100°C wird die Wärme an den Raum über Heizkörper (Radiator, Konvektor) oder über eine Flächen-H., auch durch ein Röhrensystem unter dem Fußboden, übertra­ gen (Fußboden-H.). Eine Sonderform der Warmwas­ ser-H. ist die Etagen oder Stockwerks-H. — Höhere Heiz­ mitteltemperaturen über 100 °C weisen die Heißwasser-H. und die Dampf-H. auf. Die Größe der für die H. be­ nötigten Heizflächen wird nach dem Wärmebedarf fest­ gelegt. Als Raumtemperatur genügen 20°C, für Kleinkin­ der, Alte und Kranke 22 °C. Nebenräume (Flure, Toilet­ ten) können niedriger temperiert werden. Heizkörper und Heizflächen sollen in der Nähe von Abkühlungsfiächen, z. B. unter Fenstern, angeordnet werden. Bei der Lufthei­ zung wird Warmluft als Heizmittel verwendet. hektischer Zustand, chron. Krankheitszustand, der durch lang anhaltende innere und äußere Unruhe gekenn­ zeichnet ist. Durch die ständige, das vegetative Nervensy­ stem treffende Störung kommt es zu Kräfteverfall und Gewichtsabnahme. Der h. Z. ist Teilsymptom fortschrei­ tender Infektionskrankheiten, z. B. der Lungentuberku­ lose (>hektische< Wangenröte des toxisch Tuberkulose­ kranken); hektisches Fieber, das den h. Z. begleitende Fie­

Hepa ber. Hektik, übertrieben rastlose Vielgeschäftigkeit meist mit wechselnder Zielsetzung. Heliotherapie, Solartherapie, Behandlung durch Sonnenbestrahlung. (-»Sonnenbad, -»Bioklimatologie) Hell-Dunkel-Anpassung, Abk. H.-D.-A., Adap­ tation, Anpassung der Empfindlichkeit der Netzhaut des Auges an den herrschenden Beleuchtungszustand. Sie wird durch die Veränderung der Pupillenöffnung bewirkt (Steigerung der Lichtempfindlichkeit bei völliger Erwei­ terung auf etwa das 20fache), in der Hauptsache jedoch durch die Sinnesrezeptoren der Netzhaut. Kommt man vom Hellen ins Dunkle, sieht man zunächst wenig oder nichts, Farben können nicht unterschieden werden, bis sich das Auge an die Dunkelheit gewöhnt hat. Die Zeit­ dauer bis zur H.-D.-A. richtet sich nach dem Grad der Dunkelheit und ist bei den einzelnen Menschen sehr ver­ schieden, außerdem abhängig von dem jeweiligen Gesundheits- und Kräftezustand des Körpers. Das Dämme­ rungssehen wird durch den in den Stäbchen der Netzhaut enthaltenen Sehpurpur (Rhodopsin) ermöglicht. Bei hel­ lem Tageslicht wird der Sehpurpur in 3-10 Minuten mit Änderung seiner Proteinbindung gebleicht (>zerstörtaußersinnlichnicht-physikal.< (und da­ her nicht objektivierbaren) Wirkungen werden auf eine fiktive Kraft >Psi< zurückgeführt. Ihr empirischer Nach­ weis durch Kartenexperimente ist umstritten. Auf der Bühne wird H. als Trickkunst geboten. H. in >medialen Lebensberatungsstellen< ist mit größter Zurückhaltung zu beurteilen. Bei Gericht wird H. als Beweismittel nicht zu­ gelassen. Helmholtz, Hermann von (seit 1882), * Potsdam 1821, t Berlin 1894, Physiker und Physiologe, entdeckte 1842 den Ursprung der Nervenfasern aus den Ganglien­ zellen und bestimmte 1850 erstmals die Fortpflanzungs­ geschwindigkeit des Nervenreizes. Er erfand den -»Au­ genspiegel und das -»Ophthalmometer. H. gilt als Be­ gründer der modernen musikalisch-akust. Forschung. Auf dem Gebiet der Physik klärte H. die Bedeutung des Energieprinzips und führte den Begriff der freien Energie sowie des Elementarquantums der Elektrizität ein. Helminthiasen, Helminthosen, die -»Wurm­ krankheiten. Hemeralopie, die -» Nachtblindheit. Hemi|anopsie, Halbseitenblindheit, halbseitiger Ausfall des Gesichtsfelds eines oder beider Augen. Die ursächl. Schädigung liegt nicht in Netzhaut oder Sehnerven, sondern gehirnwärts in der Leitungsbahn zum Sehzen­ trum im Hinterhauptslappen des Gehirns oder dort selbst (-♦Gesichtsfeld). Eine H. gibt wichtige Hinweise zur Er­ kennung von Gehirnerkrankungen und ist in vielen Fällen das erste Anzeichen einer solchen Krankheit. Hemikranie, die -»Migräne. Hemiparese die, unvollständige Lähmung einer Kör­ perhälfte. Hemiplegie, vollständige halbseitige -► Lähmung. Hemmhoftest, der -» Lochtest. Hemmung, die Abschwächung, Aufhebung oder Blockierung eines Vorgangs. 1) Physiologie: die Unterdrückung oder Bremsung kör­ perlicher Vorgänge durch bestimmte Nerven. Hemmende Einflüsse auf Reflexbewegungen gehen von bestimmten Teilen des Gehirns aus (Hemmungszentren). Reflexe von dem Willen unterworfenen Muskeln können z. T. auch

durch den Willen gehemmt werden. Bereits die Aufmerk­ samkeit auf das Vollziehen einer Reflexhandlung genügt oft, diese zu hemmen. 2) Psychologie: allgemeine und umfassende Bezeich­ nung für Zustände, die entstehen, weil eine oder mehrere seel. oder willentl. Einflüsse oder soziale Situationen und Gegebenheiten die Wirksamkeit von Antrieben, Aktivitä­ ten oder eines Ausdrucksverhaltens behindern. Der Be­ griff H. spielt eine große Rolle in der -»Verhaltens­ therapie. In der H. des Antriebs-, Motivations- und Ausdrucks­ geschehens sieht die Tiefenpsychologie die Wirkung von Abwehrmechanismen (z .B. Verdrängung) des Ich unter dem Einfluß des Über-Ich, die verhaltenstheoret. Rich­ tung der Psychologie das Ergebnis fehlerhafter Lernpro­ zesse. Gesteigerte H. (Gehemmtheit) ist symptomatisch für Neurosen (bes. Angst- und Schuldkomplexe) und be­ stimmte Psychosen (z. B. -»Schizophrenie, -»manischdepressive Krankheit). Hemmungsbildung,

Hemmungsmißbildung,

-►Mißbildungen. Hepar, die -»Leber. Heparin, ein zuerst in der Leber aufgefundener Wirk­ stoff, der in verschiedene Phasen der Blutgerinnung ein­ greift. Er hemmt die Bildung des Gerinnungsenzyms Thrombin aus seiner Vorstufe (Prothrombin) und die Bil­ dung von Fibrin aus Fibrinogen. Will man Blut ungerinn­ bar machen, so setzt man ihm geringe Mengen H. zu. Zur Verhütung von Thrombosen und Embolien nach Opera­ tionen, Geburten und Venenentzündungen wird H. intra­ venös eingespritzt. Die Wirkung hält etwa 4 Stunden an, dann muß die Einspritzung wiederholt werden. Bei Blu­ tungsgefahr kann die Wirkung des H. durch intravenöse Gaben von Protaminsulfat sofort unterbunden werden. Heparinähnliche Substanzen (Heparinoide) können halbsynthetisch hergestellt werden. Die labormäßige Be­ stimmung der Gerinnungszeit erfolgt durch den -► QuickTest. Hepatitis, herdförmige oder diffus auftretende Ent­ zündung des Leberparenchyms (spezif. Lebergewebe) mit meist sekundärer Leberzellschädigung. Die H. kann durch Viren, Bakterien, Protozoen, Parasiten, tox. Sub­ stanzen, Alkohol sowie Arzneimittel verursacht werden und ist oft mit -► Gelbsucht verbunden. Schon früh wurde vermutet, daß es sich bei der H. um eine Infektionskrank­ heit handelt, da immerwiedereingehäuftes Auftreten von Gelbsuchterkrankungen bes. in Kriegszeiten beobachtet wurde. Im 2. Weltkrieg ist die H. in seuchenhafter Form (H. epidemica oder H. infectiosa) in den Armeen alleram Krieg beteiligten Nationen und auch in der Zivilbevölke­ rung aufgetreten. Die häufigste und wichtigste akute Erkrankung der Le­ ber ist die akute Virushepatitis, früher als Icterus catarrhalis oder Icterus simplex bezeichnet. Sie ist über die ganze Erde verbreitet. In vielen Ländern besteht Melde­ pflicht. Exakte Angaben über die Häufigkeit der H. sind trotzdem schwer zu erhalten, da meistens nur die mit einer Gelbsucht verbundenen (ikterischen) Krankheitsfälle ge­ meldet werden. Durch verfeinerte Untersuchungsmetho­ den (z. B. Bestimmung der -»Transaminasen) weiß man, daß eine H. in zahlreichen Fällen auch ohne begleitende Gelbsucht (anikterisch) verläuft. Entsprechend dem Erre­ gertyp werden folgende Formen der H. unterschieden: 1) Virus-A-Hepatitis, früher auch als epidem. H. be­ zeichnet. Ihre (verhältnismäßig kurze) Inkubationszeit liegt zwischen 15 und 50 Tagen, im Mittel bei 32 Tagen. Das 27 nm große Virus kann in der ersten (präikter.) Krankheitsphase im Stuhl nachgewiesen werden. In der späteren (ikter.) Phase treten Antikörper (-»AntigenAntikörper-Reaktion) gegen dieses Virus auf. Die Über­ tragung erfolgt meist über den Stuhl des Erkrankten als Schmierinfektion, auch durch verunreinigte Lebens­ mittel. Die H. A hinterläßt eine lebenslange Immunität, aber nur gegen diese spezielle Form der Erkrankung. 2) Virus-B-Hepatitis, auch als Serum-H., Spritzen­ oder Transfusions-H. bezeichnet. Ihre (wesentlich län­ gere) Inkubationszeit liegt i. d. R. zwischen 50und 180Ta­ 331

Hermann von Helmholtz

Hepa gen. Die Übertragung kann sowohl parenteral (Bluttrans­ fusionen, verunreinigte Spritzen, -»nosokomiale Infek­ tion) als auch oral erfolgen; Blut, Speichel, Schweiß und alle anderen Körperflüssigkeiten sind als potentiell infek­ tiös anzusehen. Kleinste Mengen Blut (0,0001 ml) reichen für eine Infektion aus. Als krankheitsauslösend werden heute allgemein 42 nm große Partikel angesehen (nach ih­ rem Entdecker als Dane-Partikel bezeichnet), die im Se­ rum von Patienten mit akuter oder chron. Virus-B-H. elektronenmikroskopisch nachweisbar sind. Der Anti­ gennachweis (Australia Antigen) gegen das Virus ist mit einfacheren (nicht elektronenmikroskop.) Methoden möglich. Seine Anwesenheit beweist die Infektion des Or­ ganismus mit dem H.-Virus B. Neben den beiden erwähnten Formen der akuten in­ fektiösen H. ist in letzter Zeit eine weitere H. -Erkrankung bekannt geworden, bei der ein Erregernachweis bisher weder immunologisch noch elektronenmikroskopisch gelang. Diese Form wird als Non-A-Non-B-Hepatitis bezeichnet; ihr Erscheinungsbild ähnelt der Virus-B-H.; sie tritt v. a. bei Bluttransfusionen auf. Das klin. Bild erlaubt im Einzelfall keine Unterschei­ dung zwischen den verschiedenen H.-Formen. Die Krankheit beginnt mit einem Prodromalstadium, das mit uncharakterist. Allgemeinsymptomen wie Mattigkeit und Müdigkeit, Druck im Oberbauch, gelegentlich rheumaähnl. Gliederschmerzen einhergeht. Meist besteht mä­ ßiges Fieber, das mit dem Auftreten der Gelbsucht ab­ klingt. Diese kann beträchtl. Ausmaße annehmen, der Urin wird dunkelbraun, der Stuhl entfärbt sich. Der wei­ tere Verlauf ist sehr unterschiedlich. In leichten Fällen kann die Gelbsucht schon nach wenigen Tagen wieder zu­ rückgehen. Im allgemeinen vergehen bis zur Normalisie­ rung des während der Gelbsucht erhöhten Serum-Biliru­ bins 4—6 Wochen. Außer der mit einer Gelbsucht verbun­ denen H. sind auch Verlaufsformen ohne Gelbsucht (anikterische H.) bekannt. Solche Krankheiten werden häufig als Magenverstimmung, Dyspepsie oder >MagenDarm-Grippe< verkannt oder gar nicht zur Kenntnis ge­ nommen. Nur durch zufällig während derartiger Zu­ stände durchgeführte Blutuntersuchungen ergeben sich Hinweise auf H. Die Angaben zur prozentualen Häufig­ keit derartiger Verläufe müssen daher mit großer Zurück­ haltung aufgenommen werden. In etwa 0,2—0,4% ver­ läuft die H. unter einem schweren Krankheitsbild, der ful­ minanten oder nekrotisierenden H. (akute Leberdystro­ phie, akute Lebernekrose). Dieser Verlauf kann sich ganz plötzlich entwickeln und kann innerhalb weniger Tage zum Tod im Leberkoma (Coma hepaticum, -»Koma) führen. Innerhalb eines Zeitraums von 6 bis spätestens 24 Stun­ den nach Eintritt der Infektion ist eine passive Immunisie­ rung möglich. Bis zur Normalisierung der Bilirubinwerte und der Serumtransaminasen soll Bettruhe eingehalten werden. Die Diät soll kohlenhydrat- und vitaminreich und weitgehend fettarm sein. Alkohol ist mindestens 1 Jahr zu meiden. Eine ursächl. Behandlungsmöglichkeit (Che­ motherapie) besteht nicht. In 80—90% der Erkrankungen heilt die Virus-H. in etwa 12 Wochen spontan und ohne besondere Behandlung aus. Die Letalität schwankt je nach Epidemie zwischen 0,2 und 0,4%. In rd. 10—15 % der Fälle kommt es zu chron. Verlaufsformen, die ausheilen, aber auch in eine -»Leberzirrhose übergehen können. Wichtig ist das Verhüten einer weiteren Ausbreitung der Krankheit durch eine strenge Hygiene beim Umgang mit Erkrankten und deren Körperflüssigkeiten und Ausschei­ dungen (v. a. Blut, Stuhl, Urin). Neuerdings besteht die Möglichkeit einer aktiven Imp­ fung gegen die Virus-B-H. Nach derzeitiger Kenntnis ist sie jedoch nur bei Angehörigen von Risikogruppen ange­ zeigt (z. B. Krankenschwestern, Laborantinnen, Ärzte, Personal in Dialyseeinheiten u. a.). Die Behandlung ist der jeweiligen Erkrankungsform anzupassen (-»Leber). Hepatologie, die Lehre von der Leber. Hepatose, übergeordneter Begriff für degenerative Lebergewebsveränderungen. Sie treffen zunächst nur die Leberzellen, führen aber später infolge gestörter Um­ 332

wandlung der Neutralfette, die nicht mehr abtranspor­ tiert werden können, bei gleichzeitig gesteigerter Fettsyn­ these zu fettiger Entartung des Organs, der Fettleber. Bei sekundärer Beteiligung des Stützgewebes und fortschrei­ tendem Zellzerfall (-» Nekrose) kann der Endzustand eine -» Leberzirrhose sein. Die H. kann bedingt sein durch eine chron. -» Hepatitis, die langdauernde Einwirkung von ehern. Substanzen (be­ stimmte Arzneimittel, -»Arzneimittelmißbrauch, Schad­ stoffe am Arbeitsplatz), bes. aber durch Alkohol (-► Alko­ holgenuß). Herbstzeitlose, Colchicum autumnale, zu den Liliengewächsen (Liliaceae) gehörende Pflanze; blüht im Herbst auf feuchten Wiesen, bes. im Gebirge. Im Früh­ jahr reift die Frucht und wird dann von 3 Blättern umge­ ben (Bild Heilpflanzen). Medizinisch gebraucht werden die Samen (Semen Colchici). Sie enthalten das giftige Al­ kaloid Kolchizin (starkes Kapillar-, Zell- und Mitosegift), das aber auch ein wichtiges Heilmittel ist, vorzugsweise gegen die -»Gicht. Anwendung: Heilpflanzen, Über­ sicht. Vergiftungen kommen namentlich bei Kindern vor, wenn sie die Pflanzen oder die Samen in den Mund genom­ men oder verschluckt haben. Auch durch übermäßige Do­ sen der Colchicumpräparate können Vergiftungserschei­ nungen auftreten: Brennen im Mund, blutige, ruhrartige Durchfälle, Erbrechen und Harndrang, Schmerzen in Ar­ men und Beinen und im Rücken, Krämpfe, Atemnot, Sehund Sprechstörungen, schließlich Lähmung des Atem­ zentrums, die zum Tod führt. ImGgs. zum Menschen sind pflanzenfressende Tiere gegen Kolchizin widerstands­ fähig. Erste Hilfe bei Colchicumvergiftung: Erbrechen her­ beiführen, danach Kohle geben. Wärmezufuhr (Heizkis­ sen, Wärmflasche). Sofort Arzt rufen! Herd, der -»Fokus. Herd|infektion, Fokal infektion, Bezeichnung für einen Infekt (v. a. mit >vergrünenden< Streptokokken), dessen Fern- oder Allgemeinsymptome von einem chron. Ausgangsherd (Fokus) ausgelöst werden; Herde sind bes. Gaumenmandeln und Zahnwurzeln. An Zähnen, deren Nerv tot ist, bilden sich fast immer Granulome (-»Zahn­ wurzelhautentzündung), die als Herde verdächtig sind. Auf H. bezogene Fernsymptome sind bes. Gelenk- und Muskelrheumatismus, Herzinnenhaut- und Nierenent­ zündung; sicher ist, daß diese nach akuter -»Mandelent­ zündung mit hämolysierenden Streptokokken auftreten können. Auf H. bezogen werden auch unklare Allgemein­ symptome wie Müdigkeit, Verstimmung, Kopfschmer­ zen, erhöhte Temperatur u. a. Herdsanierung, also Ent­ fernung chronisch entzündeter Mandeln oder Zähne, hebt oft das Befinden; es ist aber strittig, ob durch Sanie­ rung der H. auch die von ihr ausgelösten Folgen beseitigt werden. Herdnephritis, von M. Löhlein (*1877, 1 1921) 1910 erstmals beschriebene Nierenerkrankung (Glome­ rulonephritis) ohne Blutdruckerhöhung und Ödembil­ dung, die bei lichtmikroskop. Untersuchung keine dif­ fuse, sondern eine herdförmig betonte Ausbreitung auf­ weist (später von F. Volhardt, * 1872, f 1950, als Herdglomerulitis bezeichnet). Mit den heute verfügbaren mikroskop. Untersuchungsverfahren (Elektronenmikros­ kopie, Immunfluoreszenzmikroskopie) erkennt man je­ doch, daß auch diese Nierenerkrankung in ihrem Ablauf eine diffuse Ausbreitung über die gesamte Niere aufweist. Die Krankheit tritt als Folge einer durch Streptokokken verursachten bakteriellen Herzinnenhautentzündung (Endokarditis) mit Verschleppung der Erreger auf dem Blut weg auf. Der klin. Verlauf ist leichter als der der mei­ sten übrigen Glomerulonephritiden. Behandlung mit Penicillin, gute Heilungsaussicht. Mit dem Rückgang der Erkrankungen an Endokarditis ist auch das Auftreten der H. seltener geworden. Heredität, Erblichkeit (-»Vererbung); hereditär, erb­ lich. Heringswurmkrankheit, Anisakiasis, durch Lar­ ven des Fadenwurms Anisakis marina (Heringswurm)

Herz Arterienstamm für rechte Arm- und Kopfseite

linke Schlüsselbeinschlagader linke gemeinsame Halsschlagader

obere Hohlvene eröffneter Herzbeutel

rechtes Herzohr

dreizipflige Klappe (geschlossen) mittleres Segel hinteres Segel

oufsteigende Aorta

Lungenarterie linker Vorhof

obere Hohlvene

rechte Kranzarterie

linke Kranzarterie Herzvene

linker Vorhof Kranz­ arterie

Mitralklappe (geschlossen) hinteres, vorderes Segel

rechte Kammer

Papillarmuskel

linke Kammer rechte Kammer Herzspitze

Aortenklappe und Aorta der länge noch gespalten und aufgeklappt

rechter Vorhof

linkes Herzohr

rechter Vorhof

einer Kranzarterie

linke Kammer

Papillarmuskeln Kammer­ scheidewand

Herz: links H. von vorn gesehen; rechts Längsschnitt eines H. von vorn gesehen

und vermutlich noch anderer Fadenwürmer hervorgeru­ fene Erkrankung des Magen-Darm-Trakts (eosinophile Granulome). Die geschlechtsreifen Würmer schmarotzen in Meeressäugetieren (z. B. Wal, Delphin, Tümmler, See­ hund). Die Larven können vom Menschen durch Genuß roher Heringe aufgenommen werden. Nachweis mit serolog. Methoden. Behandlung mit Spezialpräparaten. Herm|aphroditismus, Zwittertum, seltene Miß­ bildung. Hermaphroditen besitzen männl, und weibl. Ge­ schlechtsorgane und die entsprechenden sekundären Ge­ schlechtsmerkmale. In einigen Fällen konnte durch Ope­ ration eine Geschlechtsumwandlung zum Mann oder zur Frau herbeigeführt werden. Die Bezeichnung H. geht zurück auf die grch. Sage: Der Sohn der Götter Hermes und Aphrodite, Hermaphrodi­ tos, verliebte sich in eine Nymphe; ihrem Wunsch, nie wie­ der von dem Geliebten getrennt zu werden, kamen die Götter nach, indem sie beide zu einem doppelgeschlechtl. Wesen vereinigten. Hernia femoralis, die -► Schenkelhernie (nicht zu verwechseln mit dem Schenkelhalsbruch). Herni|e, der Eingeweidebruch (-► Bruch). Herpes, durch Virusinfektion ausgelöste Haut- und Schleimhauterkrankungen, die durch die Bildung von Bläschen gekennzeichnet sind. 1) Herpes simplex, Bläschenausschlag, Reizbläschen, gutartige Hautkrankheit, bei der Gruppen von kleinen, mit wasserheller Flüssigkeit gefüllten Bläschen auftreten, die mit Vorliebe an den Übergangsstellen von Haut zu Schleimhaut sitzen; an den Lippen als Cheilitis. Die Bläs­ chen schießen unter geringfügigem Brennen auf vorher gesunder Haut plötzlich auf. Erreger sind die H.-Viren Typ 1 und 2. Die Infektion mit dem H.-Virus neigt zur Latenz (Ruhephasen). Die -»latente Infektion wird häufig durch fieberhafte Erkrankungen oder durch die Regelblutung immer wieder provoziert (Neigung zu Rückfällen). Das H.-Virus Typ 2 findet man bes. in den Bläschen an den Geschlechtsteilen. Der Befall der Gebär­ mutter bei Frauen disponiert offenbar für Krebs. Schutz­ impfungen gegen H. werden empfohlen, sind aber noch umstritten. Behandlung: Unter austrocknenden Maßnahmen wie Pudern, Pasten und fettarmen Cremes auch mit virusabtötenden Zusätzen, jedoch ohne Cortison, heilen die Hautveränderungen meist rasch ab. Spezif. Mittel, bes. zur Verhinderung von Rückfällen, gibt es nicht. Die Imp­ fung mit aus Virusmaterial hergestellten Impfstoffen hat keine wesenti. Erfolge gebracht. Neue Präparate zur Stei­ gerung der Immunabwehr sollen in einigen Fällen wirk­ sam sein. 2) Zoster, früher H. Zoster, die -»Gürtelrose. Herrick-Syndrom [h'erik-, n. dem amerikan. Inter­ nisten J. B. Herrick, * 1861, 1 1954], die -*Sichelzellen­ anämie.

Herz, Kardia, Zentralorgan des Kreislaufsystems, das die Aufgabe hat, den Blutstrom ständig in Bewegung zu halten. Gestalt und Lage. Das H. des Menschen ist ein ke­ gelförmiger, muskulöser, etwa faustgroßer Hohlkörper; es wiegt bei Männern durchschnittlich 310 g, bei Frauen 260 g. Das H. liegt im Mittelteil dicht hinter dem Brust­ bein, zu einem Drittel rechts, zu zwei Dritteln links davon (Modell des Menschen nach S. 400). Die der Brustwand zugewendete Fläche gehört der rechten, die nach hinten und abwärts dem Zwerchfell zugewendete und ihm aufru­ hende Fläche der linken H.-Kammer an. Der H.-Beutel (Perikard) umschließt das H. allseitig. Die H.-Beutel­ höhle enthält etwa 35 ml einer serösen Flüssigkeit, das H.-Beutelwasser. Man unterscheidet die linke H.-Hälfte (linkes H.), wel­ che die Triebkraft für den großen oder Körperkreislauf liefert, und die rechte H.-Hälfte (rechtes H.), die den klei­ nen oder Lungenkreislauf antreibt; jede H.-Hälfte besitzt einen Vorhof (Atrium) und eine Kammer (Ventrikel). In den rechten Vorhof münden die aus dem Körper kom­ mende untere und obere Hohlvene und der gemeinsame Stamm der Venen des H.-Muskels selbst; aus der rechten Kammer geht die Lungenarterie (venöses Blut führend) hervor; in den linken Vorhof münden die 4 Lungenvenen, welche arterielles Blut führen; aus der linken Kammer geht die Aorta hervor. Beim Embryo besteht eine Verbin­ dung zwischen beiden Vorkammern. Bleibt diese Verbin­ dung bestehen, so spricht man von einem Vorhof-Sep­ tumdefekt. Beim Erwachsenen sind rechte und linke H,Hälfte vollkommen getrennt. Die muskulösen Wände der Vorhöfe sind dünn, während diejenigen der H.-Kammern weit stärker sind; die Wand der linken H.-Kammer ist 3—4mal so dick wie die der rechten. Die Innenfläche der H.-Höhlen mit Einschluß der Klappen wird von der glatten inneren H.-Haut (Endo­ kard) überkleidet, die sich in die innere Haut der großen Blutgefäße fortsetzt. Der H.-Muskel (Myokard) besteht aus quergestreiften Muskelfasern. - Die Außenhaut des H. (Epikard) schlägt sich an der Wurzel der großen Ge­ fäße um in den H.-Beutel. Ernährt wird das H. durch be­ sondere, aus der Aorta entspringende Blutgefäße, die bei­ den H.-Kranzgefäße (Herzkranz- oder Koronararterien), die in den Längs- und Querfurchen des H. verlaufen und sich dann in der H.-Muskulatur verzweigen. Herzklappen. Die beiden H.-Kammern wirken als Druckpumpe. Wie jede Pumpe ein Ein- und ein Ausfluß­ ventil hat, um ein Zurückströmen der Flüssigkeit zu ver­ hüten, so besitzt jede Kammer 2 H.-Klappen, die eine in der Scheidewand zwischen Vorhof und Kammer (EinHerz: Schema der Arbeitsweise des H. (am rechten Teil dargestellt); oben Diastole, a obere Hohlvene, b Aorta, c rechter Vorhof, d Lungenarterie, e Taschen der Pulmo­ nalklappe, f linker Vorhof, g Segel der dreizipfligen Klappe, h untere Hohlvene, i rechte Kammer, k linke Kammer; unten Systole 333

Herz

Herz flußventil), die andere im Anfangsteil des jeweils aus der Kammer hervorgehenden Blutgefäßes, also der Aorta und der Lungenarterie (Ausflußventil). Die Klappen zwi­ schen Vorhof und Kammer (Segelklappen) bestehen aus segel- oder zipfelförmigen, nach unten spitz zulaufenden, häutigen Lappen (>Segelnakzidentelle H.< oder Strömungsgeräusche), die nichts mit einem Klappenfehler zu tun haben, aber Anlaß zu einer Fehl­ beurteilung in dieser Richtung sein können. Herzgespann, Löwenschwanz, Wolfstrapp, Leonurus cardiaca, zu den Lippenblütern (Labiatae)

gehörende, bis lm hohe Pflanze in warmgemäßigten Kli­ mazonen. Die zur Blütezeit gesammelten, getrockneten oberird. Teile enthalten Stoffe mit bes. beruhigender, krampflösender und blutdrucksenkender Wirkung. An­ wendung: Heilpflanzen, Übersicht. Herzhaken, Schlag gegen die Herzgrube beim Box­ sport, der durch Reflexwirkung zum akuten Herztod füh­ ren kann. Herzhypertrophie, Zunahme der Herzmuskulatur, die eine Vergrößerung des Herzens bewirkt. Sie tritt ein, wenn der Herzmuskel anhaltend gesteigerte Arbeit zu lei­ sten hat, und kann eine oder beide Herzkammern betref­ fen. Physiolog. H. findet sich normalerweise bei Hochlei­ stungssportlern in Ausdauersportarten (-»Sportherz). Am häufigsten entsteht H. bei Herzklappenfehlern, ho­ hem Blutdruck, sklerot. Verhärtung der Aorta, bei man­ chen chron. Lungenkrankheiten und bestimmten Nieren­ krankheiten. H. steigert das Herzgewicht. Überschreitet dieses die krit. Grenze von 500 g, dann spricht man von Herzhypertrophie der linken Herzhälfte infolge ver­ mehrter Herzarbeit bei Schrumpfniere; a rechte Herz­ kammer, b rechter Vorhof, c hypertrophische Wand der linken Herzkammer, d linker Vorhof, e hypertrophischer Papillartnuskel

335

Herzbuckel

Herzhypertrophie

Herz

Herzinfarkt: Risikofaktoren, die zur Entstehung eines H. führen können. Diezeitl. Reihenfolge der einwirkenden Schädlichkeiten ist hier willkürlich

Herzinfarkt: Schmerzlokalisation; oben Vorderansicht, unten Rückansicht

Hyperplasie, ein Vorgang, der die Herzmuskelfasern zah­ lenmäßig vermehrt, ihre Funktionstüchtigkeit und An­ passungsreserve jedoch durch ungenügende Sauerstoff­ versorgung einschränkt. Herz|infarkt, Myokard infarkt, plötzlich auftre­ tendes Mißverhältnis zwischen Sauerstoffbedarf des Herzmuskels und Sauerstoffangebot durch das Blut der zuführenden Herzkranzgefäße. Folge kann das Abster­ ben eines Herzmuskelbezirks, meistens in der linken Herzkammerwand, sein, das durch unzureichende Durchblutung (Ischämie) des Versorgungsgebiets der Hauptstämme der Herzkranzarterien hervorgerufen wird. Überwiegend wird die Ischämie durch eine die Lichtung der Kranzarterien hochgradig verengende oder verschließende Arteriosklerose der Kranzarterien (Koro­ narsklerose) verursacht. Der endgültige Verschluß einer Herzkranzarterie erfolgt häufig durch einen Blutpfropf, der sich über dem arteriosklerot. Geschwür bildet. Beim Verschluß der linken Kranzarterie entsteht ein Vorder­ wandinfarkt, beim Verschluß der rechten ein Hinter­ wandinfarkt. Schweregrad und Lokalisation der Koro­ narsklerose lassen sich durch die -»Angiographie feststel­ len. Wird der H. überlebt, so wird der Infarktbezirk von den Rändern aus durch einwachsendes Granulationsge­ webe ersetzt, aus dem sich später eine feste Narbe oder Schwiele (Herzschwiele) entwickelt. Komplikationen. Von Überleitungsstörungen im -»Reizleitungssystem bis zum -»Herzblock, von der Kammerextrasystolie bis zum -» Kammerflimmern (-► Se­ kundenherztod) oder dem Untergang großer Herzmus­ kelbezirke sind alle Übergänge möglich. Vermag die über­ lebende Herzmuskulatur die zur Aufrechterhaltung des Kreislaufs erforderl. Leistung nicht aufzubringen, so ent­ wickelt sich ein kardiogener -»Schock, der selbst bei In­ tensivmaßnahmen tödlich sein kann. Über dem Infarkt­ bezirk entsteht häufig ein Thrombus; von diesem abge­ schwemmte Teile können zur Quelle zusätzl. arterieller Embolien und Infarkte des Gehirns, der Gliedmaßen, Nieren, Milz oder des Darms, jedoch fast niemals des Herzens werden. Gibt beim frischen H. der infarktgeschä­ digte Herzmuskel dem Innendruck nach, so bildet sich ein -►Aneurysma. Zwischen dem 3. und 10. Tag der Erkran­ kung kann der Herzmuskel an dieser Stelle reißen (Rup­ tur), das Blut ergießt sich dann in den Herzbeutel und preßt die Herzkammern zusammen (Herzbeuteltampo­ nade), so daß es zu tödl. Herzstillstand kommt. Zerreißt eine durch den Infarkt nekrotisch gewordene Herzkam­ merscheidewand, so fließt Blut aus der linken in die rechte Herzkammer, weil der Blutdruck in der linken Kammer höher ist als in der rechten (Links-Rechts-Shunt). Diese Komplikation ist i. d. R. ebenfalls tödlich, weil sich das linke Herz gleichsam in das rechte Herz und den kleinen Kreislauf verblutet, während die arterielle Peripherie und speziell das Gehirn nicht mehr ausreichend mit Blut ver­ sorgt werden. Der Abriß eines nekrot. Papillarmuskels (-►Herz) bedingt eine akute, oft tödl. Mitralinsuffizienz (-►Herzkrankheiten), infolge von Lungenstauung. In­ farktschwielen der Papillarmuskeln können eine chron. Mitralinsuffizienz hervorrufen (Papillarmuskelsyndrom). Infarktschwielen beeinträchtigen die Funktion des Herzens im Regelfall nicht, weil der verbleibende 336

Herzmuskel hypertrophiert und den Muskelausfall aus­ gleicht (Postinfarkt, -»Hypertrophie). Die Prognose hängt vom Zustand der übrigen Kranzarterien ab. Ist die Arteriosklerose nicht oder nur leicht verengend und ha­ ben sich ausreichend Ersatzgefäße (-► Kollateralkreis­ lauf) gebildet, so ist die Prognose gut. Andernfalls besteht die Gefahr weiterer H. (Reinfarkte). Das chron. Herz­ wandaneurysma führt vielfach schnell zum Herzversagen und erfordert die Chirurg. Entfernung (Resektion) der Schwiele. Verlauf. Der H. tritt urplötzlich auf, wenn auch Früh­ zeichen (-» Signa minima) meist schon lange vorher vor­ handen gewesen sind. Die Krankheitszeichen bestehen in einem anfallartig auftretenden, äußerst heftigen Schmerz meist unter der Brustbeingegend, mit Ausstrahlung in Arme, Hals, aber auch in den Oberbauch, so daß nicht sel­ ten an einen Magengeschwürdurchbruch gedacht wird. Charakteristisch ist die qualvolle Unruhe mit Todesangst und Vernichtungsgefühl, der Kranke leidet oft an Atem­ not und zeigt bald Zeichen einer Herzschwäche. Der Blut­ druck kann stark absinken, die Herzaktion wird unregel­ mäßig, Schweißausbruch und der meist schwerkranke Allgemeineindruck runden das Krankheitsbild ab. Sonst wirksame herzkranzgefäßerweiternde Mittel (z. B. Nitro­ glyzerin), wie sie bei der -»Angina pectoris helfen, sind beim H. wirkungslos. In der Vorgeschichte des Erkrankten finden sich häufig Hinweise auf Risikofaktoren, z. B. erhöhter Blutdruck, hoher Cholesterinspiegel (-»Cholesterin), Zuckerkrank­ heit, überhöhter Harnsäurespiegel, Übergewicht und un­ gesunde Lebensweise infolge Bewegungsmangels sowie Nikotin- und Alkoholmißbrauch. Bei familiärer Disposition (z. B. zu hohem Cholesterin­ spiegel) kann der H. auch schon im j ugendl. Alter auftre­ ten. Bevorzugt ist jedoch bei Männern der Zeitraum jen­ seits des 50., bei Frauen jenseits des 60. Lebensjahrs; bei letzteren ist das Auftreten eines H. unterhalb des 40. Le­ bensjahrs außerordentlich selten, wobei allerdings Rau­ cherinnen und Zuckerkranke auszunehmen sind. Bei optimaler Versorgung liegt die Frühsterblichkeit bei 15—20%, bei ausgedehntem Infarkt und höherem Lebensalter steigt die Sterblichkeit rasch an; nach 5 Jahren sind etwa die Hälfte, nach 10 Jahren etwa 70% aller Infarktkranken verstorben. Die Gründe für diese Spätsterblichkeit sind Infarktrückfälle, Herzversagen durch akute Rhythmusstörungen und unvernünftige Lebensweise. Erstaunlich ist, daß etwa 10% aller H. völ­ lig unbemerkt, also ohne jegl. Symptome verlaufen (>stummer H.blauer Säugling«). Die Feststellung eines angeborenen Herzfehlers hat durch Einführung der von dem dt. Nobelpreisträger W. Forssmann begründeten -► Herzkatheterisierung große Fortschritte gebracht. Durch eine exakte Diagnostik ist es heute möglich, im frühen Kindesalter eine operative Kor­ rektur zahlreicher angeborener Herzfehler durchzufüh­ ren, die in Spezialkliniken vorgenommen werden muß. Erworbene Herzfehler sind in der Mehrzahl durch eine Herzklappenentzündung nach Krankheiten aus dem rheumat. Formenkreis entstanden. Sie können aber auch Folge von Verletzungen sein, wenn diese einen Dauer­ schaden herbeigeführt haben. In enger Beziehung zu den Herzklappenentzündungen steht die entzündl. Erkran­ kung der Herzinnenhaut (Endokarditis), meist kombi­ niert mit einer Entzündung des Herzmuskels selbst (Myo­ karditis), und auch des Herzbeutels (Perikarditis). Wei­ tere organ. Erkrankungen am Herzen betreffen das Koro­ narsystem (-► Herzkranzgefäßkrankheiten). Die Herzbeutelentzündung (Perikarditis) tritt nur sel­ ten als selbständige Erkrankung auf, häufiger dagegen im Verlauf des akuten Gelenkrheumatismus, einer chron. Nierenkrankheit, der Lungentuberkulose, bei Blutvergif­ tung und Grippe sowie als Komplikation verschiedener anderer fieberhafter, entzündl. Erkrankungen, z. B. des Wochenbettfiebers. Es kommt dabei zur Ausschwitzung einer wäßrigen oder eitrigen Flüssigkeit (Exsudat) in den Herzbeutel. Das wichtigste objektive Kennzeichen ist ein vom Arzt zu hörendes schabendes Geräusch, das perikardit. Reiben, das nicht selten auch schon durch Auflegen der Hand zu fühlen ist. Das Röntgenbild zeigt einen nach allen Seiten stark vergrößerten Herzschatten. Wenn der Herzbeutelerguß nicht in einigen Wochen aufgesaugt wird oder durch Punktion entfernt werden konnte, kommt es zu einer partiellen oder gänzl. Verwachsung des Herzbeutels mit dem Herzen (-► Panzerherz); oft ist dann ein operativer Eingriff erforderlich. Die gleichzeitige Er­ krankung von Herzinnenhaut, Herzmuskel und Herz­ außenhaut (Pankarditis) ist bes. gefährlich. Die Behand­ lung richtet sich immer nach der Grundkrankheit. Bis zum Abklingen aller Symptome muß, u. U. über eine lange Zeit hinweg, strenge Bettruhe eingehalten werden. Die Herzklappenentzündung (Endokarditis) ist immer Folge einer Entzündung der Herzinnenhaut. Sie tritt nach akutem Gelenkrheumatismus oder chron. Polyarthritis auf, aber auch bei verschiedenen Infektionskrankheiten, z. B. beim Scharlach. Die Herzklappen zeigen dann eine rauhe Oberfläche, sind verdickt und mit warzenartigen thrombot. Auflagerungen überzogen; letztere können durch den Blutstrom abgerissen werden und, in die Arte­ rien verschleppt, entfernte Organe wie Gehirn, Lunge und Nieren erreichen und damit zu einer -»Embolie führen. Kleinste Embolien in den Nieren (Mikroembolien) weisen oft als erstes diagnost. Zeichen auf eine solche entzündl. Herzveränderung hin. Im Verlauf der Klappenentzündung kommt es durch neugebildetes Bindegewebe zu einer vernarbenden Schrumpfung der Klappen und damit zu einer Behinde­ rung des Klappenschlusses und schließlich zum Herzklap­ penfehler. Das entzündl. Krankheitsgeschehen kann sich akut oder von vornherein schleichend abspielen. Es ist ge­ kennzeichnet durch immer wieder ansteigende Tempera­ tur, nachdem ein scheinbar überstandener Infekt bereits abgeklungen ist, und durch auffallend schlechtes Allge­ meinbefinden mit Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Herz­ klopfen und blassem Aussehen. Schon kleine körperl. Be­ anspruchungen, z. B. das Umbetten, führen zu einem starken Pulsanstieg. Behandlung der entzündl. Herzerkrankung: abso­ lute, meist sehr lange Bettruhe, zur Besserung der subjek­ tiven Beschwerden kalte Umschläge oder Eisbeutel auf die Herzgegend, vorsichtige Dosierung von Herzmitteln (Di­ gitalis), medikamentöse Beseitigung von Rhythmusstörungen, bes. aber gezielte Anwendung von Antibiotika und auch Cortisonpräparaten. >Streuende< Eiterherde im Körper (Mandeln) sind frühzeitigzu entfernen. Auf u. U.

Herz nicht ohne weiteres erkennbare Begleiterscheinungen des rheumat. Formenkreises ist sorgfältig zu achten. Einen bes. ungünstigen Verlauf zeigen die ulzerösen oder sept. Formen, bei denen es unter hohem Fieber und typhusähnl. Erscheinungen zur raschen, geschwürigen Zerstörung der erkrankten Herzklappen kommt (Endo­ karditis lenta, Lentasepsis). Heute gelingt es, durch eine intensive, rechtzeitig einsetzende antibiot. Behandlung viele Kranke zu retten. Besteht ein Herzklappenfehler, so ist die Ventilwirkung und damit die hämodynam. Regulation gestört. Ursachen können eine Herzschwäche (Insuffizienz), eine mangel­ hafte Schlußfähigkeit der Klappen oder eine Verengung (Mitralstenose oder Aortenstenose) sein. Bei letzterer ist eine vollständige Klappenöffnung unmöglich, da eine nicht rückbildungsfähige Verengung des Spalts zwischen den bewegl. Teilen der Klappe vorliegt. Die Insuffizienz der Klappen kann auch auf Löchern oder auf Dehnung der Herzmuskulatur (relative Insuffizienz) beruhen. Sol­ che Klappenfehler finden sich bes. an der Mitralklappe, aber auch an der Aortenklappe; der häufigste Herzklap­ penfehler ist somit die Mitralinsuffizienz (35—40% aller Klappenfehler), dann erst folgt die Äorteninsuffizienz (10—20%). Die sichere Diagnose eines Herzklappenfeh­ lers erfolgt durch Abhorchen bestimmter Punkte des Herzens und durch eine Röntgenuntersuchung. Ein Herzklappenfehler kann ausgeglichen (kompen­ siert) sein, wenn sich das Herz, z. B. durch Zunahme der Herzmuskelsubstanz, der hämodynam. Störung anpaßt. Ist das nicht der Fall, kommt es zu einer Herzleistungs­ schwäche mit zunehmenden Zeichen einer -» Herzdekom­ pensation, v. a. wenn eine begleitende Herzmuskelent­ zündung (Myokarditis) nicht ausheilt und zum Herzmus­ kelschaden (Myokardschaden, Myodegeneratio cordis) führt. Diese kann auftreten als eine herdförmige oder all­ gemeine Entzündung des Herzmuskels nach einer Infek­ tion, bes. bei Gelenkrheumatismus, Diphtherie, Schar­ lach, chron. Mandelentzündung, Virusgrippe u. a. Heilt die Herzmuskelentzündung nicht folgenlos aus, kommt es zu örtl. Gewebsveränderungen mit Zelltod und Durch­ setzung des Herzmuskels mit zahlreichen kleinen Binde­ gewebsnarben (Herznarben, Herzschwielen). Bei den sehr seltenen tödl. Zusammenbrüchen eines Hochlei­ stungssportlers oder auch sonst bei besonderer körperl. Belastung werden oft solche Herzschwielen entdeckt. Als Folge einer Herzmuskelerkrankung kann der nor­ male Ablauf der Erregungswellen des Herzmuskels im Reizleitungssystem gestört sein, so daß es zu Unregelmä­ ßigkeiten des Pulses kommt (Extrasystolen, Arrhythmie, Überleitungsstörungen). Die Miterkrankung des spezif. Herznervensystems äußert sich durch Reizbildungsstö­ rungen und Reizleitungsstörungen. Bei allen Erkrankun­ gen des Herzens muß auf eine Regulation des -»Blut­ drucks geachtet werden. Bei Erfassung der Erkrankungsziffern an H. fällt auf, daß die durch funktionelle Leistungsbeeinträchtigung und vorzeitigen Verschleiß herbeigeführten H. stark zu­ genommen haben, während die Organ. Herzveränderun­ gen, bes. die rheumat. Herzklappenfehler, konstante Zahlen aufweisen. Zivilisationsschäden wie Hast, Über­ reizung durch Genußgifte, körperl. Minderbeanspru­ chung, seel. Überlastung durch übergroße Verantwor­ tung (-»Managerkrankheit), Lebensangst, falsche Er­ nährung, unzureichender Schlaf und Arzneimittelmiß­ brauch werden als Gründe für diese Tatsache angesehen. Es handelt sich also bei H. nicht um die Zeichen eines >AltersverschleißesHerz-KreislauferkrankungenerstickenWärmeaustauschers< (in Form von Kühl- und Wärmeschlangen) kann zusätzlich eine rasche Abkühlung und spätere Wiedererwärmung des Bluts be­ wirkt und damit eine Blutstromkühlung außerhalb des Körpers und eine Kombination mit der -»Hypothermie erzielt werden. Herzmassage [-39], erste und wichtigste Methode zur Behandlung des Herzstillstands. Die H. ist nur sinnvoll und erfolgversprechend bei rechtzeitigem Beginn (späte­ stens 3 Minuten nach Herzstillstand) und bei gleichzeiti­ ger künstl. Beatmung. Durch rhythm. Zusammendrükken des Herzens (60mal je Minute, bei Kindern 80— lOOmal) wird eine Zirkulation des Bluts bewirkt, die (bei gleichzeitiger künstl. Beatmung) zur lebenserhalten­ den Sauerstoffversorgung der empfindl. Gehirnzentren ausreicht. Dadurch wird entscheidende Zeit gewonnen zur Beseitigung der Ursachen des Herzstillstands. Die äu­ ßere H. wird ohne Eröffnung des Brustkorbs durch rhythm. Druck auf das untere Brustbein des auf einer har­ ten Unterlage liegenden Kranken durchgeführt. Durch elast. Zurückschwingen des Brustbeins in seine Normal­ lage entsteht ein Sog im Brustkorbinnern, der den venösen Rückstrom zum Herzen fördert. Nach einigen Kompres­ sionen wird die H. zur Belüftung der Lungen durch eine Atemspende (Mund-zu-Nase oder Mund-zu-Mund) un­ terbrochen, sofern nicht 2 Helfer zur Verfügung stehen. In letzter Zeit wird die äußere H. auch auf apparativ-mechan. Weg durchgeführt (-»Herzstimulation). Die innere (direkte) H. ist nur nach operativer Eröff­ nung des Brustkorbs möglich. Sie wird angewendet, wenn die äußere H. nicht alsbald zum Erfolg führt (Pulsieren der Hals- oder Schenkelschlagader, EKG-Anzeige), wenn innere Verletzungen (Rippenbrüche) vorliegen oder wenn sich ein Herzflimmern durch äußere elektr. Stromstöße (Bild Defibrillieren) nicht beseitigen läßt (-»Sekunden­ herztod); selbst mehrstündige H., die auch auf dem Transport ins Krankenhaus weiter fortgesetzt werden soll, hat gelegentlich noch Erfolg. Herzmonitor, eine Kombination von elektron. Gerä­ ten zur Überwachung der Funktion des Herzens mit Elek­ trokardiogrammschreibung, Blutdruck- und Pulskon­ trolle; Anwendung auf der Intensivstation oder direkt am Krankenbett. Herzneurose, -»Herzkrankheiten.

Sauerstoff

—----

—

USX

i

— Herz-Lungen-Maschine: Scheina der H.-L.-M.; 1 obere und un­ tere Hohlvene, 2 venöse Ableitung, 3 Oxygenator, 4 arterielle Pumpe, 5 Wärmetauscher und Luft falle, 6 Oberschenkelschlag­ ader, 7 Sauger zur Ableitung von Blut aus den Herzkammern, S Saugerpumpen, 9 Blutreservoir mit Filter Herzoperationen, Operationen am Herzen und an den herznahen Gefäßen. H. wurden zu Beginn der HerzThorax-Chirurgie fast nur bei -► Herzverletzungen als unumgängl. Eingriff vorgenommen. Die erste erfolgreiche Herznaht gelang 1896 dem dt. Chirurgen L. Rehn (* 1849, 11930). Aber erst die Entdeckung der -»Herz­ katheterisierung (1929) zusammen mit der Entwicklung

Herz der —Hypothermie und der — Herz-Lungen-Maschine (1953) durch amerikan. Wissenschaftler brachten die ent­ scheidende Wende in der Weiterentwicklung der Herz­ chirurgie. Zu ihren Aufgaben gehören heute neben der Be­ seitigung von Verletzungsfolgen bes. die Korrektur ange­ borener und erworbener Herzfehler, z. B. durch Spren­ gung einer verengten Herzklappe (Kommissurotomie, erstmals 1923 durch C. Cuttler), die operative Behand­ lung des — Panzerherzens durch Kardiolyse, von Durch­ blutungsstörungen des Herzmuskels und das Einpflanzen von —Herzschrittmachern. Die Mehrzahl dieser Ein­ griffe muß am stillgelegten oder eröffneten Herzen durch­ geführt werden, wobei der Blutkreislauf mit Hilfe der Herz-Lungen-Maschine aufrechterhalten wird. Pumpmembran in Systole-Stellung (Künstl. Herzmuskel zieht sich zusammen)

^Zuleitungsschlä uche

ul

n' BlutflußKontrolle

Drucksensor

Pumpgas

Kontroll- und Kommandogerät

Herzoperationen: künstliches Herz; das pneumatisch betriebene Pumpsystem übernimmt vorübergehend die Funktion des versa­ genden Herzens. Die beiden Pumpen werden über die Vorhöfe an den Kreislauf angeschlossen, arbeiten also wie die Herzkammern, während sich das Herz erholt

Ist eine Kommissurotomie (operative Durchtrennung narbig verschmolzener Herzklappen) nicht möglich, so werden zum Ersatz defekter oder verengter Herzklappen Klappenprothesen aus Kunststoff oder aus Tierherzen eingepflanzt. Bei Verschluß einzelner Herzkranzarterien durch Verkalkung kann eine oberflächl. Vene vom Bein des Patienten zur Überbrückung eingenäht werden (aorto-coronarer Venenbypass, — Bypassoperation). Viele angeborene Herzfehlbildungen, z. B. die — Fallotschen Kardiopathien, können heute schon im Säug­ lingsalter erfolgreich korrigiert werden. Seit 1967 ist die Herztransplantation technisch möglich (C. — Barnard). Abstoßungsreaktionen des Empfänger­ organismus haben jedoch bisher zu schlechten Langzeit­ ergebnissen geführt; diese Abstoßung medikamentös zu unterdrücken ist Gegenstand heutiger Forschung. Paral­ lel hierzu wird an der Entwicklung eines künstl. Herzens gearbeitet. Versuche, unter Verzicht auf ein Spenderherz eine Herzprothese einzusetzen (1969 und 1981) durch D. Cooley scheiterten. 1982 wurde durch W. DEVRiEsin Sait Lake City (USA) einem 61jährigen Mann ein etwa faustgroßes, aus bes. präpariertem Kunststoff hergestell­ tes Herz implantiert. Dieses war durch ein Schlauch­ system mit einem außerhalb des Körpers befindl. Kom­ pressor (Umbau zum tragbaren Koffer geplant) verbun­ den, der durch Preßluft die Pumpfunktion des Herzens gemäß den physiolog. Gegebenheiten der Herzdynamik nachvollzog. Der Kranke hat den Eingriff fast 4 Monate überlebt. Herzprellung, Contusio cordis, durch stumpfe Verletzung der vorderen Brustwand hervorgerufene Herzschädigung. Um das geschützte und am Gefäß­ stamm frei bewegl. Herz zu schädigen, ist erhebl. Gewalt­ einwirkung notwendig. Die dabei entstehenden hydraul. Druckwellen können zu Zerreißungen des Klappenappa­ ratsoder der Papillarmuskeln führen (H. mit akuter Herz­ erweiterung durch Klappeninsuffizienz), ferner auch zur Verletzung des Herzmuskels, ggf. mit Blutung in den Herzbeutel (Pericard) und mit — Herztamponade, sowie des Gefäßstamms mit Abriß der großen Gefäße. Bei Vor­ liegen degenerativer Koronarveränderungen kann auch ein Infarkt ausgelöst werden.

Herzoperationen: Die heute gebräuchlichsten Klappenprothesen; links Kugel­ klappe, Mitte Kipp-Scheiben-Klappe, rechts Bioprothese

Bei Autounfällen kommt es durch Aufprall auf die Lenkradsäule oft zu Brustwandschädigungen; erfah­ rungsgemäß übersteht ein gesundes Herz eine solche Ge­ walteinwirkung i. d. R. ohne Spätfolgen. Herzrhythmusstörungen, — Herzkrankheiten. Herzruptur, Herzriß, Riß der Herzwandung als Folge von Herzinfarkt oder Herzverletzung, bes. nach Verletzung von außen, u. a. durch Messerstich oder Schußverletzung (— Herztamponade). Herzschlag, 1) die Zusammenziehung (Systole) der Herzmuskulatur. 2) plötzl. Herztod durch Arrhythmie und/oder Kam­ merflimmern (—Sekundenherztod) oder schlagartige Herzlähmung (engl. sudden death, >plötzl. TodNationale Registrierstelle für H.-lmplantation< ge­ schaffen.

Herzschwäche, Herz|insuffizi|enz, Verminde­ rung der Herzleistung, durch die das Herz nicht mehr in der Lage ist, das Blutbedürfnis des Organismus voll decken zu können. Ursachen können sein: Schädi­ gung der Arbeitsmuskulatur des Herzens, mechanische Behinderung der Kontraktions- oder Erweiterungsfähig­ keit, Reizbildungs- oder Erregungsleitungsstörungen seitens des Herznervensystems, Klappenschäden, zu ge­ ringe Füllung in der Erweiterungsphase (Diastole) oder angeborene Anomalien wie Kurzschlüsse, Klappenmiß­ bildungen und Mißbildungen der großen Gefäße. Die häufigsten Ursachen sind ein zu hoher Blutdruck, eine ungenügende Funktion der Herzkranzgefäße und Herz­ klappenschäden. Herzschrittmacher: schematische Darstellung; A Adapter, B Elektrodenzufüh­ rung, CEdelstahlgehäuse, D Mikroelektronik, E Lithiumbatterie, F und G diskrete Bauelemente (Ori­ ginalgröße: 48 mm Höhe, 62 mm Brei­ te, 8,8 mm Tiefe; Gewicht: 50 g). unten implantier­ ter H. (Röntgen­ bild)

oben

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Da das Herz ein doppelseitig angelegtes Organ ist, hän­ gen die Symptome einer H. davon ab, ob beide Kammern gleichzeitig betroffen sind oder eine Kammer stärkere Funktionsbeeinträchtigungen aufweist. Danach wird zwischen einer Links- und einer Rechts-H. unterschieden. Bei der Links-H. entwickelt sich durch die anfänglich nor­ male Funktion des rechten Herzens eine zunehmende Lungenstauung im kleinen Kreislauf. Sie ist gekennzeich­ net durch Husten mit Auswurf und Behinderung des At­ mens, anfänglich nur unter körperl. Belastung, später schon in Ruhe, mit überwiegend nächtl. Atemnotanfäl­ len, bläul. Lippen (Zyanose) u. a. Stauungszeichen bis zum Lungenödem. Die Rechts-H. besteht in Stauungser­ scheinungen im großen Kreislauf, oft beginnend mit Völ­ legefühl im Leib (Leberstauung), Anschwellen der Knö­ chelgegend, Beinödeme, Stauung im Magen-Darm-Kanal (Stauungsgastritis), ungenügende Nierendurchblutung mit entsprechender nächtl. Harnflut. Eigentliche Herz­ beschwerden empfindet der Kranke meistens nicht. Bei jeder Erhöhung der Herzfrequenz, die nicht be­ kannte Anzeichen hat (körperl. oder psych. Belastung, Höhenaufenthalt, Anämie, Schilddrüsenüberfunktion, erhöhte Körpertemperatur), muß an eine beginnende H. gedacht werden. Da das Herz als lebenswichtiges Organ durch viele Me­ chanismen gesichert ist, kann eine H. lange Zeit ausgegli­ chen (kompensiert) sein und ist in allen Stadien beeinfluß­ bar; je früher eine ärztl. Behandlung einsetzt, desto gün­ stiger sind die Heilungsaussichten. Herzschwiele, -»Herzkrankheiten. Herzstiche, stichartige Empfindungen im Bereich des Herzens. Treten sie links auf, haben sie meistens mit dem Herzen nichts zu tun. Wiederholen sie sich jedoch kon­ stant hinter dem Brustbein, kann dies auf Durchblutungs­ störungen infolge ungenügender Funktion der Herz­ kranzgefäße mit unregelmäßiger Herztätigkeit (—Extrasystolie) hinweisen; eine eindeutige Abklärung ist nur durch ein Elektrokardiogramm (-»Elektrokardiogra­ phie), meist unter Belastung, möglich. Das im Sport vielfach geäußerte >Seitenstechen< bei Ausdauerbelastungen wird nicht selten als H. mißdeutet. Die Ursachen des bei gesunden Personen auftretenden Seitenstechens sind letztlich ungeklärt. Kapselbeschwer­ den von Milz und Leber oder Milchsäurebildung im Zwerchfell sollen die Ursache sein. Herzstillstand, das Aufhören der Herztätigkeit. H. ist ohne sofortige Behandlung das am schnellsten zum Tod führende Ereignis im Krankheitsgeschehen. Wieder­ belebungsverfahren, bes. die -»Herzmassage und/oder die Anwendung des Defibrillators (— Defibrillieren) er­ möglichen ein Überleben bis zur Behandlung im Kranken­ haus. Das Defibrillieren verspricht bes. dann Erfolg, wenn es nicht bei einem durch degenerative Prozesse be­ dingten Herzversagen eines alten Menschen eingesetzt wird, sondern zur Beseitigung des — Kammerflimmerns, das im — Schock oder — Kollaps aufgetreten ist. Während früher die Diagnose des H. gleichbedeutend war mit der Feststellung des Todes, können heute unter günstigen Umständen bis zu 50% der Kranken gerettet werden. Bes. der gesunde Herzmuskel ist gegenüber der häufigsten Ur­ sache des H., dem Sauerstoffmangel, widerstandsfähiger als andere empfind!. Organe (bes. das Gehirn), so daß er seine Tätigkeit sofort wieder aufnehmen kann, selbst wenn andere Organe bereits geschädigt sind. Herzstimulation, Maßnahmen zur Behebung eines Herzstillstands durch mechan. oder elektr. Impulse. Als einfachste Methode galt bisher der Faustschlag auf die Brustkorbwand der Herzgegend, um die Erregungszen­ tren des Herzens zu beeinflussen, und/oder die — Herz­ massage. H. mit elektr. Impulsen ist z. B. durch den — Herzschrittmacher oder durch —Defibrillieren mög­ lich. Die Notfallsituation erfordert jedoch bes. außerhalb der Klinik ein weniger risikoreiches und ohne großen Auf­ wand anzuwendendes Verfahren mit Hilfe eines mechan. Herzstimulators. Dabei wird ein elektr. betriebenes Gerät mit Prallplatte der herznahen Brustwand aufgesetzt, durch das mit der jeweils notwendigen Frequenz Druck­ amplituden bis zu 0,2 bar übertragen werden. Der Herzsti-

Hete

mulator dient somit der gezielten Aktivierung von Herz­ aktionen, im Ggs. zum Defibrillator, der ungeordnete Aktivitäten aufhebt. Herzstolpern, die Empfindung des unregelmäßigen Herzschlags, bes. bei -»Extrasystolie. Herztamponade, Behinderung bis zur Aufhebung der Herztätigkeit durch akutes Auftreten großer Flüssig­ keitsmengen im Herzbeutel, meistens bei Herzriß (nach Herzinfarkt) oder nach Herzverletzung mit Blutung, sel­ ten bei akuter rheumat. Herzbeutelentzündung (Peri­ karderguß). Herztod, nicht beeinflußbares Herzversagen mit To­ desfolge (-»Herzschlag, -»Herzstillstand, -»Sekunden­ herztod). Herztöne, durch die Herztätigkeit (Schwingungen des Klappenapparats oder des übrigen Herzens) erzeugte und über dem Herzen hörbare Töne. Bei bestimmten Herz­ krankheiten finden sich durch -»Herzgeräusche über­ lagerte Herzklappentöne. Kindliche H. lassen sich be­ reits ab der 8. Schwangerschaftswoche mit Hilfe des Ultraschall-Echoverfahrens von der Bauchdecke der Mutter ableiten und aufzeichnen. Im späteren Entwick­ lungsstadium des Embryos gelingt auch die genaue Differenzierung krankhafter Herzklappengeräusche und damit die Früherfassung kongenitaler Herzfehler. Ab dem 6. Monat können die kindlichen H. durch die Bauch­ decken der Mutter gut mit dem einfachen Stethoskop ab­ gehört werden. Herztransplantation, -* Herzoperationen. Herzuntersuchung, Gesamtheit der Verfahren zur Herzdiagnostik. Grundlage ist eine sorgfältige Erhebung der Vorgeschichte. Nach Besichtigung (Inspektion) des Kranken im Hinblick auf äußere Krankheitszeichen (Ein­ flußstauung, Ödeme, Bauchwassersucht, Zyanose) fol­ gen Auskultation (Abhorchen) und Perkussion (Beklop­ fen), weiter Herzfunktionsprüfungen wie Funktions­ angiographie, -► Elektrokardiographie, -* Kymographie, Sonographie, -»Herzkatheterisierung und -»Ergo­ metrie. Herzverfettung, -»Fettherz. Herzvergrößerung, Überschreitung eines Durch­ schnittswerts der Größe eines Herzens. Zwischen Herz­ größe und Körpergewicht bestehen enge Beziehungen. Das relative Herzvolumen, d. h. der Quotient Herzvolu­ men in ml dividiert durch Körpergewicht in kg, liegt bei ge­ sunden Personen zwischen 10 und 11 ml/kg. Bei der H. liegt ein deutlich höherer Wert vor. Die H. kann physioiog. Natur sein (-► Sportherz) oder auch auf einem Krank­ heitsgeschehen beruhen (angeborene oder erworbene Herzfehler, zu hoher Blutdruck, schwere Herzmuskel­ schädigung, >Fettherz< u. a.). In einigen Fällen kann aus der Form veränderung bis zu einem gewissen Grad auf ihre Ursache geschlossen werden, z. B. beim Mitralherz, Aortenherz, Hochdruckherz (-► Herzerweiterung, -► Herzhypertrophie).

Herzverletzungen, 1) Stich- oder Schußverletzun­ gen. Sie sind in einem Drittel der Fälle sofort tödlich. Viel­ fach tritt der Tod erst nach einigen Stunden ein durch Ver­ blutung in die miteröffnete Brusthöhle, oder indem sich das Blut in den Herzbeutel ergießt und dadurch das Herz in seiner Aktion behindert und zum Stillstand bringt (-» Herztamponade). 2) stumpfe Brustkorbverletzungen, z. B. durch Stoß, Erschütterung, Prellung, Quetschung (-»Herzprellung). Eine innere Verletzung kann eintreten, ohne daß die sie verursachende Einwirkung auf der äußeren Brustwand Spuren hinterläßt. Als Schädigungsfolge tritt eine Funk­ tionsstörung (Herzerschütterung) oder eine Zertrümme­ rung von Herzgewebe (Abreißen von Sehnenfäden der Herzklappen, Zerreißung von Herzkranzgefäßen u. a.) auf. Die Heilungschancen sind neben der Schwere der Verletzung abhängig vom Lebensalter und vom Grad der Vorschädigung des Herzens. Oft ist frühzeitige Operation erforderlich. Herzvolumenbestimmung, wichtiges Verfahren der funktionellen Herzdiagnostik, wobei das kleinste Vo­ lumen am Ende der Blutauswurfphase (endosystol. Kam­ mervolumen) und das größte Volumen am Ende der Kam­ merfüllung (enddiastol. Kammervolumen) durch Kineangiographie sichtbar gemacht werden. Zur H. wird nach Einführen eines Herzkatheters (-►Herzkatheterisierung) ein Röntgenkontrastmittel di­ rekt in den Ventrikel injiziert; dadurch erscheinen dessen Innenkonturen in ausmeßbarer Darstellung. Das nicht ri­ sikolose Verfahren kann heute durch die echograph. H. ersetzt werden, bei der durch Ultraschallimpulse mit Hilfe eines Echtzeit-Ultraschall-Sektor-Scanners sektorför­ mige Schnittbilder des Herzens erzielt werden. Die Unter­ suchung belastet den Patienten kaum, kann ambulant durchgeführt werden, und es entfällt jegl. Strahlenbela­ stung. Herzwand|an|eurysma, -»Aneurysma. Heterochromie, Verschiedenfarbigkeit der Regen­ bogenhaut beider Augen. H. tritt bes. als Begleiterschei­ nung einer schleichenden Entzündung der Regenbogen­ haut und des Strahlenkörpers (-»Gefäßhautkrankheiten) auf, an die sich eine Linsentrübung (-► grauer Star) häufig anschließt, sowie bei Erkrankung des Nervus sympathi­ cus und als angeborene Abweichung. Krank ist i. d. R. das Auge mit der helleren Regenbogenhaut. Behandlung der Linsentrübung wie beim grauen Star. Heterogenie, verschieden erbliche Bedingtheit eines Merkmals. Bei der Fruchtfliege Drosophila z. B. kennt man 16 verschiedene Gene, von denen jedes einzelne das Merkmal >kurze Borstem verursacht und die in 3 verschie­ denen Chromosomen liegen. Äußerlich gleiche Erbmerkmale können also durch verschiedene Erbanlagen bedingt sein und dann auch einem verschiedenen Erbgang folgen. So können z. B. 2 erblich Taubstumme normalhörende Kinder haben, wenn es sich um 2 verschiedene Erbformen der rezessiven Taubstummheit handelt. Heterophorie, Ungleichgewicht der beiderseitigen Augenmuskeln, die sich bei Aufhebung der -»Fusion in einer Schielstellung bemerkbar macht. Die H. ist selten krankhaft; sie kann zuweilen durch prismat. Brillengläser ausgeglichen werden.

Herzvergrößerung: links normales Herz; Mitte Sportherz; Riesenherz als Folge einer Schädigung (nach Hochrein/ Schleicher >Herz-Kreislauferkrankungen■ Dauertropfinfusion, neuerdings auch mittels einer Infusionsdosierungspumpe. Auf diese Weise kön­ nen auch Lösungen mit hochwirksamen Medikamenten über längere Zeit exakt dosiert infundiert werden. Inguinalgegend, die -»Leistengegend. Ingwer, Gewürz und Heilpflanze. (-► Kalmus) Inhalation, das Einatmen von Heilmitteln, die an sich schon eine atembare Form besitzen (Gase, Dämpfe) oder zu diesem Zweck in atembare Form gebracht sind (durch Zerstäuben oder Vernebelung von Flüssigkeiten). Infolge der guten Aufnahme mancher Stoffe durch die dünnwan­ digen Blutgefäße der Lunge hat sich die I. auch zur ra­ schen Zuführung von Heilmitteln ins Blut bewährt. Das ist jedoch erst durch die neueren I. -Geräte möglich gewor­ den, z. B. durch Aerosolgeräte, die Flüssigkeiten in feinste Tropfen vernebeln, was durch Druckgasvernebler ge­ schieht, die mit Druckluft, kompensiertem Sauerstoff oder auch Wasserdampf betrieben werden. Man unterscheidet die trockene Gas-I. von der Flüssigkeits-I. In beiden Fällen kann man den einzuatmenden Stoff entweder mit Hilfe einer Maske der zu behandeln­ den Person unmittelbar in der gewünschten Menge und Konzentration zuführen (Einzel-L, z. B. auch zu Nar­ kosezwecken), oder man kann die Atmosphäre eines hierzu bestimmten Raumes (Inhalatorium) mit dem ein­ zuatmenden Gas oder dem Flüssigkeitsnebel derart anrei­ chern, daß eine große Zahl von Personen im L-Raum gleichzeitig mit der Atemluft das Heilmittel aufnimmt (Raum-L). Im Hausgebrauch verwendet man gewöhnlich die Flüssigkeits-I.: In einem beheizbaren Kessel (Bronchitiskessel) wird Wasserdampf erzeugt, der aus einer feinen Düse unter Druck austritt und in einen Zerstäuber geleitet wird, aus dem flüssige Medikamente oder Mineralsalzlösungen

Inne (Heilwässer) als feine Tröpfchen mitgeführt und zur I. ausgestoßen werden. Eine einfache und natürl. Art der 1. zu Hause ist das Ka­ millendampfbad, das als heißer Kamillenaufguß in einer Waschschüssel bereitet wird. Der Patient beugt sich über die dampfende Flüssigkeit und atmet die aufsteigenden Dämpfe durch Mund und/oder Nase tief ein. Zur Ab­ schirmung nach außen improvisiert man dazu ein kleines Inhalatorium in Form eines über den Kopf geworfenen großen Badetuches, das die Kopfregion bis zum Schulter­ gürtel glockenartig umhüllt; die Augen sollen durch ein feuchtes Tuch vor dem heißen Dampf geschützt werden. Statt des Kamillentees können auch andere gut verdamp­ fende Heilmittel verwendet werden, z. B. heilwirksame ätherische Öle. In der klin. Behandlung haben sich in jüngerer Zeit durch die Einführung von Ultraschallverneblern und durch die-► Ionentherapie I.-Methoden eingebürgert, bei denen trockene Aerosole mit sehr kleiner Teilchengröße (unter 10-1 jim Durchmesser) erzeugt werden, die frei schweben, nicht nässen und tief in die Atemwege bis zu den Lungenalveolen vordringen können. Eine weitere Neuerung sind die Vibrationsapparaturen, die die Atem­ luft mit dem Aerosol in Schwingungen versetzen und da­ durch Atemhindernisse (z. B. verengte, geschwollene und partiell verstopfte Stellen der Atemwege) besser überwin­ den helfen sollen. Inhalationsbad, Behandlungsverfahren bei chroni­ scher Bronchitis, nicht zur Lösung kommendem Husten u. a. Man setzt den Kranken in ein ansteigendes heißes Halbbad, durch das man Sauerstoff oder ein spezielles Atemgemisch hindurchperlen läßt und das auf der Ober­ fläche mit ätherischen Ölen (Kamille, Latschenöl, Euka­ lyptus u. ä.) bedeckt wird, so daß der heiße Wasserdunst diese Substanzen in die Atemluft mitnimmt. Der Kranke wird, in der Wanne sitzend, zeltartig abgeschirmt und sollte nach einer Badezeit von 30 Minuten sorgfältig einge­ packt nachschwitzen. Als ambulante Heilbehandlung ist das I. nicht geeignet, da sein hoher therapeutischer Wert durch die erhöhte Erkältungsgefahr nach dem Bade in Frage gestellt wird; Vorsicht bei Herz-Kreislauf-Schäden! Eine andere Art von I. wird in Kurorten mit Radonquel­ len verabreicht, wobei das Radongas aus dem Wasser aus­ getrieben und von dem in der Badewanne sitzenden Pa­ tienten inhaliert wird. Ein geringerer Teil wird gleichzeitig von der Haut aus dem Badewasser aufgenommen. Diese 1. werden kurmäßig verordnet bei chron. rheumatischen Leiden, Neuralgien, chron. Neuritiden und sonstigen Schmerzzuständen. Inhibine, antibakteriell wirksame Spurenstoffe im Bienenhonig. Initial|Sklerose, die Verhärtung des Hautgewebes am Ort der Ansteckung, z. B. beim Primäraffekt bei -»Syphilis. Initial|Stadium [lat. initium >Anfang«], das Anfangs­ stadium eines Krankheitsverlaufs. Initialsymptome, erste Krankheitszeichen. Injektion, die -»Einspritzung, injizieren, eine Ein­ spritzung vornehmen. Inkarzeration, die Einklemmung, v. a. der Darm­ schlingen beim Eingeweidebruch. Inkompatibilität [lat. »Unvereinbarkeit«], Unver­ träglichkeit von Stoffen, die in den Körper eingebracht werden, z. B. Nahrungs- und Arzneimittel, auch Eiweiß­ stoffe bei der Bluttransfusion. Inkontinenz die, das Unvermögen, etwas zurückzu­ halten . Die I. für Stuhlgang oder Harn beruht meist auf ei­ ner Erkrankung der Schließmuskeln des Mastdarms, der Harnblase oder einer Erkrankung der diese Muskeln ver­ sorgenden Nerven oder der Ursprungsstellen dieser Ner­ ven im Rückenmark. (-► Harnträufeln, -»Enuresis noc­ turna) Eine frühzeitige ärztl. Behandlung ist notwendig. Inkorporation, Inkorporierung, Einbringen und Aufnahme eines Stoffes in den Körper, bes. auch bei der Anwendung ionisierender Strahlen, z. B. mit Radium. Bei 24*

der Enfernung solcher inkorporierter Stoffe, auch im Rahmen nuklearmedizin. Maßnahmen, spricht man von Dekorporation.

Inkrete, die inneren Sekrete (-»innere Sekretion). Inkubationszeit, die Zeit zwischen Infektion (An­

steckung) und Krankheitsbeginn (Auftreten von Sympto­ men) bei -»Infektionskrankheiten. Inkubator, früher Couveuse [kuv'0:z, frz.] ge­ nannt, Einrichtung zur Pflege von Frühgeburten. Der I. besteht aus einer durchsichtigen, luftdurchströmten Zelle, in der die Innenwärme selbsttätig, der Feuchtigkeits- und Sauerstoffgehalt der Luft von außen geregelt werden. Die Pflegeperson greift durch 2 Öffnungen hin-

Inkubator: Frühgeborenes in einem Inkubator

ein, die ihre Arme selbsttätig umschließen. Sie kann das Frühgeborene im I. messen, trockenlegen, ihm Nahrung reichen, Einspritzungen machen u. a., ohne es herauszu­ nehmen. Es gibt auch L, die nur dem Transport von der Entbindungsstätte zur Frühgeburtenklinik dienen (Transport-I.). Erst wenn das Frühgeborene eine gewisse Reife erreicht hat und seine Körpertemperatur zu halten vermag, darf es aus dem 1. herausgenommen werden. (-► Frühgeburt) inkurabel, unheilbar. Inkurable sind Kranke, die kei­ ner Genesung mehr zugeführt werden können. Die Auf­ klärung durch den Arzt bei Kranken, die keine Krank­ heitseinsicht haben, ist mit hoher Verantwortung bela­ stet. Andererseits kann eine vorsichtige, die Hoffnung nicht zerstörende Krankheitsausdeutung von Seiten des Arztes starke seel. Kräfte und den Gesundungswillen des Kranken in Gang setzen. In Spezialkliniken oder geeigne­ ten Heilstätten können inkurabel Kranke unter einer inte­ grierten Behandlung oft erstaunlich lange Zeit bei relativ gutem Befinden am Leben erhalten werden. innere Krankheiten, Gruppe von Erkrankungen, bei denen sich die funktionellen Störungen oder Organ. Veränderungen im Innern des Körpers, an den inneren Organen, abspielen (z. B. Herz, Lunge, Magen-DarmKanal mit Leber und Bauchspeicheldrüse, Nieren, innersekretor. Drüsen, Gehirn); auch die Infektionskrank­ heiten gelten als i. K. Die i. K. werden durch den Interni­ sten, früher Facharzt für i. K., mit Hilfe internist. Maß­ nahmen (Arzneimittel, Diät, physikal. Therapie u. ä.) be­ handelt. Der Begriff >äußere Krankheiten« besteht heute nicht mehr. innere Medizin, wichtiges Teilgebiet der Medizin, das die Lehre von der Entstehung, Erkennung und Be­ handlung innerer Krankheiten umfaßt. Geschichtliches. Hippokrates, Galen, Paracel­ sus und C. W. Hufeland bestimmten lange Zeit die gei­ stige Konzeption der v. a. empirisch vorgehenden i. M. Erst die starken Impulse durch die Naturwissenschaft machten im 19. Jh. eine nahezu explosive Entwicklung möglich. Seit Ende des 19. Jh. lösten sich einige Fachrichtungen von der i. M. Von der reinen Morphologie über die che­ 371

Inne misch-biolog., die anthropologisch-genet. und die soziolog. Forschungsrichtungen gelangte die theoret. i. M. zur molekularbiolog. und kybernet. Betrachtungsweise. Der Wissenszuwachs hat in den letzten Jahren eine ste­ tig zunehmende Aufspaltung in Sonderfächer bedingt, die sich bevorzugt an Organen oder Organsystemen orien­ tieren (z. B. Kardiologie, Hämatologie, Angiologie, Ga­ stroenterologie, Nephrologie). Besonderen Krankheits­ gruppen widmen sich z. B. die Onkologie (Lehre vom Krebs) und die Rheumatologie (Lehre von den rheumat. Krankheiten). Der techn. Fortschritt ermöglichte die La­ boratoriumsmedizin und die apparativ-diagnost. Medi­ zin. Aus soziolog. Forderungen entwickelten sich Fächer wie Arbeits-, Sozial- und Begutachtungsmedizin, ferner Wehr-, Sport- und Versicherungsmedizin. Der moderne Verkehr bewirkte u. a. die Herausbildung von Verkehrs-, Flug- und Raumfahrtmedizin, Schiffahrtsmedizin, Geo­ medizin, Tropen- und Polarmedizin. Ansprüchen des Zivilisationsmenschen dienen z. B. hygien. und kosmet. Medizin. Alle diese Fächer, die sich stetig ausweiten, haben Fort­ schritt und Bereicherung der i. M. bewirkt. Wenn aber der Mensch in ärztl. Betrachtung seine Ganzheit verliert und gleichsam in Organe und Funktionen aufgeteilt wird, ge­ rät die auf den >ganzen< Menschen ausgerichtete Grund­ ordnung der i. M. in Gefahr, und eine erneute Synthese wird erforderlich. Die Psychosomatik brachte der rein na­ turwissenschaftlich orientierten i. M. die Zusammen­ hänge zwischen Leib und Seele zum Bewußtsein. Aus gleichgerichteten Tendenzen erwuchsen die -»Ganzheits­ medizin sowie die Erkenntnis, daß die bestmögliche i. M. in Form von >TeamworkGesundheitsmedizin< rückt sie vorbeugende Maßnahmen (-► Ge­ sundheitsvorsorge) immer mehr in den Vordergrund. Die für innere Krankheiten weitergebildeten Ärzte (Internisten) sind in der 1882 gegr. Dt. Gesellschaft für Innere Medizin zusammengeschlossen, Sitz: Wiesbaden. innere Sekretion, die Abgabe von Absonderungen (Inkreten) bestimmter Drüsen unmittelbar ins Blut, im Ggs. zur äußeren Sekretion (-»Sekrete). Zu den Drüsen mit i. S. (endokrine Drüsen), die als ein funktionelles Sy­ stem aufzufassen sind, gehören Hirnanhang-, Zirbel-, Bauchspeichel- und Schilddrüse, Epithelkörperchen, Ne­ bennieren, Keimdrüsen (Geschlechtsdrüsen, Gonaden) und Mutterkuchen. Die Stoffe, die sie an die Blutbahn ab­ geben, werden -► Hormone genannt. Sie üben im Körper bestimmte Funktionen in der Regelung des Stoffwechsels, des Wachstums und der Fortpflanzung aus und gelangen mit dem Blut an den Ort ihrer Wirksamkeit. Die Wissen­ schaft, die sich der Erforschung der Drüsen mit i. S. und ihren Erkrankungen (Endokrinosen) widmet, heißt Endokrinologie. I. Hirnanhangdrüse (Hypophyse), etwa kirschgroßes

Organ in einer knöchernen Grube der Schädelbasis mit ei­ nem Vorder-, Mittel- und Hinterlappen. Die Hirnanhang­ drüse bildet eine Vielzahl von Hormonen, die die Tätig­ keit der übrigen innersekretor. Drüsen des Körpers stark beeinflussen und regulieren. Hierdurch nimmt sie eine be­ herrschende Stellung im System der Drüsen mit i. S. ein. Bisher sind folgende Hormone des Vorderlappens und des Hinterlappens bekannt und in ihrer Funktion er­ forscht: A. Vorderlappen: 1) adrenocorticotropes Hormon (Abk. ACTH), regu­ liert die Tätigkeit der Nebennierenrinde. 2) follikelstimulierendes Hormon (Abk. FSH), bewirkt die Reifung der Follikel im Eierstock. 3) Luteinisierungshormon (Abk. LH), löst die Bildung der Gelbkörper aus und reguliert ihre Tätigkeit während der Schwangerschaft. 4) Prolaktin, luteomammotropes Hormon (Abk. LTH), löst die Milchbildung der Brustdrüsen nach der Ge­ burt aus. 372

5) Somatotropin, somatotropes Hormon (Abk. STH), Wachstumshormon, reguliert den Kohlenhydrat- und Ei­ weißstoffwechsel und fördert das Körperwachstum. 6) Thyreotropin, thyreotropes Hormon (Abk. TSH), reguliert die Tätigkeit der Schilddrüse. 7) lipotropes Hormon (Abk. LPH), beeinflußt den Fettstoffwechsel. B. Hinterlappen: 1) Vasopressin, antidiuret. Hormon (Abk. ADH), be­ wirkt eine Hemmung der Diurese, beeinflußt also den Wasserhaushalt. 2) Oxytocin, bewirkt die Kontraktion der Gebärmutter­ muskulatur und fördert die Geburtswehen. C. Mittellappen: Ein Hormon, das ausschließlich im Mittellappen er­ zeugt wird, gibt es nicht, doch wird dort ein Hormon ange­ reichert, das eine spezif. Wirkung auf den Pigmentstoff­ wechsel entfaltet: das Intermedin oder melanophorenstimulierende Hormon (Abk. MSH). Wird die Hirnanhangdrüse (Hypophyse) von einer Schädigung oder Erkrankung betroffen, so kann es zu Störungen ihrer Hormonproduktion kommen. Hypo­ physär bedingt sind eine Reihe von Krankheitsbildern: Riesenwuchs (-»Akromegalie), Minderwuchs und Fett­ sucht (-► Fröhlichsche Krankheit), Fettsucht (-»Cushingsche Krankheit), auch Magersucht und Zuckerkrankheit. Ferner spielt die Hirnanhangdrüse bei den Krankheiten der übrigen innersekretor. Drüsen eine Rolle auf Grund ihrer übergeordneten Stellung. Die Ausschüttung der Hy­ pophysenhormone wird vom Hypothalamus, einer Zen­ tralstelle des Gehirns, gesteuert. Dort entstehen die Releasing-Hormone, die die Freisetzung der Hypohysenhormone bewirken. Am besten bekannt ist das Hormon, das Thyreotropin freisetzt. Es heißt Thyreotropin-ReleasingHormon (Äbk. TRH) und ist als erstes Hormon dieser Art 1972 synthetisch hergestellt worden. II. Schilddrüse (Thyreoidea), aus 2 Seitenlappen und ei­ nem Mittellappen bestehendes Organ, das an der Vorder­ seite des Halses dicht unter dem Kehlkopf der Luftröhre aufgelagert ist. Das Hormon der -»Schilddrüse, das Thyroxin, regt Stoffwechsel und Wachstum an. Zuviel Thyroxin ruft die Erscheinungen der -»Hyperthyreose hervor. Zuwenig Ausschüttung von Thyroxin verursacht das -» Myxödem und Kretinismus (-»Kretin). Weitere Hormone der Schilddrüse sind das Trijodthyronin (Kurzbezeichnung T3), das ähnlich, aber stärker als Thyroxin wirkt, und das Calcitonin (Thyrocalcitonin), das zusammen mit dem Pa­ rathormon den Kalkstoffwechsel regelt. III. Nebenschilddrüsen (Epithelkörperchen), 4 linsen­ große Organe, an der Hinterseite der seitl. Schilddrüsen­ lappen beiderseits der Luftröhre gelegen, deren Hormon, das Parathormon, zusammen mit dem Calcitonin (Thyro­ calcitonin) den -► Kalkstoffwechsel des Körpers reguliert. IV. Nebennieren, 2 kleine Organe von je etwa 12 Gramm Gewicht, halbmondförmig den oberen Polen der beiden Nieren aufsitzend. Sie bestehen aus dem Neben­ nierenmark und der Nebennierenrinde. Im Nebennierenmark sind bisher 2 Hormone bekannt: das Adrenalin und das Noradrenalin. Beide wirken auf den Sympathicus anregend und erfüllen dadurch eine wichtige Funktion bei der Regelung der Tonuslage des ve­ getativen Nervensystems. Sie können den Blutdruck, die Herzschlagfolge und den Blutzuckergehalt, letzteren durch Abbau von Glykogen in der Leber, beeinflussen. Die Nebennierenrindenhormone gehören zu den le­ benswichtigen Stoffen des Körpers; die Entfernung der Nebennieren führt beim Versuchstier zu schwersten Schä­ digungen und nach wenigen Tagen zum Tod. Bisher wur­ den eine ganze Reihe von Hormonen gefunden, die che­ misch zu den Steroiden gehören und in ihrem Aufbau mit den Keimdrüsenhormonen verwandt sind. Der Gehalt der Nebennierenrinde an Hormonen ist quantitativ sehr ge­ ring, die Syntheseleistung aber erheblich, ein Mehrfaches der bleibend vorhandenen Menge wird jede Minute ins Blut abgegeben. Die gesamte im Organismus kreisende Menge wird alle 2—3 Stunden erneuert. Die Rindenhor­ mone werden ihrer Wirksamkeit nach in 2 Gruppen unter­ schieden. Die eine Gruppe beeinflußt vorwiegend den

Inse bens nicht durchführbar, oder zwecklos ist. Auch ein schlechter Allgemeinzustand kann für die Krankheit Inoperabiiität bedeuten. Insektenstiche. Die Stiche von Mücken, Stechflie­ gen, Läusen, Flöhen und Wanzen sind wie auch die Bisse von Ameisen im allgemeinen harmlos und führen zu stark juckenden, auch schmerzenden, mehr oder weniger gro­ ßen Schwellungen, die bald wieder abklingen. Gefährlich können diese I. werden, wenn Erreger einer Infektions­ krankheit übertragen werden oder eine Allergie besteht. Bienen, Wespen, Hornissen und Hummeln können durch ihr beim Stich eingebrachtes Gift gefährlich wer­ den. Die Wirkung des -»Bienengifts ist außerordentlich unterschiedlich. Sie hängt von der individuellen Gift­ empfindlichkeit des Gestochenen, vom Ort des Stichs, von der Jahreszeit und der Bienenrasse ab. An der Stich­ stelle kommt es zu Rötung, Quaddelbildung und schmerz­ hafter Schwellung. Die Schwellung kann an weichen Kör­ perstellen (Ellenbeuge, Oberschenkel) Handflächen­ größe erreichen. Im Frühjahr hat die Biene das meiste Gift. Todesfälle durch einen einzigen Bienenstich kom­ men in seltenen Fällen bei kleinen Kindern und alten, ge­ schwächten Personen vor, wenn die Biene direkt in die Lymph- oder Blutbahn des Kopfs sticht. Ein Stich in die Rachen- und Kehlkopfschleimhaut kann dadurch gefähr­ lich werden, daß die Kehlkopfspalte zuschwillt und so ein Karotisdrüse schweres Atemhindernis entsteht, das nur durch einen Luftröhrenschnitt beseitigt werden kann. Es sind Fälle be­ kannt, bei denen mehrere 100 Bienenstiche gut überstan­ obere den wurden. Zahlen von über 500 Stichen gelten für einen Erwachsenen als tödlich, 30-40 Stiche können schon oberes schwere Erscheinungen auslösen. Dasselbe gilt grund­ Epithelkörperchen sätzlich für Wespen- und Hornissenstiche. Eine besondere Gefährlichkeit der Hornissenstiche ist nicht bewiesen. rechter Schilddrüsenlappen Vergiftungserscheinungen bestehen in Schwindelge­ innere Sekretion: fühl, Herzklopfen, Pulsbeschleunigung und bläul. Ver­ unteres Lage der Epi ­ Epithelkörperchen färbung des Gesichts, dazu Kopfschmerzen, Übelkeit, thelkörperchen Erbrechen. Das Gift der Hornissen und Wespen unter­ untere (dunkel) an der scheidet sich vermutlich nicht wesentlich vom Bienengift. Schilddrüsenarterie hinteren Fläche Vorbeugung: Die Bekämpfung der Insekten hat der Schilddrüse Speiseröhre Luftröhre durch die Entdeckung der -* Kontaktgifte neue Möglich­ V. Bauchspeicheldrüse, Pankreas. In das Drüsenge­ keiten erhalten. Wer sich vor Mückenstichen schützen webe, das die Verdauungssäfte bildet, sind Inseln eines will, reibe die durch Kleidung nicht geschützte Haut mit andersartigen Gewebes, die Langerhansschen Inseln, ein­ einem -»insektenvertreibenden Mittel ein. Behandlung: Der Juckreiz von Mücken-, Fliegengestreut. Diese erzeugen das Hormon Insulin, dem wich­ tige Aufgaben in der Regelung des Kohlenhydratstoff­ u. a. Stichen wird durch Aufträgen antiallerg. Salben oder wechsels zukommen und bei dessen Fehlen die -»Zucker­ Betupfen mit alkoholhaltigen Lösungen (Kölnisch Was­ krankheit auftritt. Ferner wird in den Inseln das Glucagon ser u. a.) bekämpft. — Bei Bienen-, Wespen- u. a. Stichen gebildet, das blutzuckersteigernd wirkt. Dem gegenüber soll zunächst der häufig zurückgebliebene Stachel ent­ hat das Enzym Kallikrein hormonähnl. blutzuckersen­ fernt werden, damit von der an ihm hängenden Giftblase nicht weiteres Gift in den Körper gelangt. Durch Betupfen kende Wirkung. VI. Keimdrüsen, Gonaden. Die Hoden (Testikel) des mit Salmiakgeist oder Zwiebelsaft wird manchmal ein Mannes bilden das -» Testikelhormon, die Eierstöcke Teil des Gifts inaktiviert. Weiter kommen Umschläge mit (Ovarien) der Frau die -»Ovarialhormone (-»Ge­ Alkohol, Borwasser und antiallerg. Einreibungen in Frage. Bei stärkeren Schwellungen der Stichstelle, allge­ schlechtsorgane). VII. Mutterkuchen (Plazenta). Er erzeugt als inner- meiner Schwäche, Herzklopfen, Schwindelgefühl Be­ sekretor. Drüse Choriongonadotropin (Abk. HCG), das handlung durch den Arzt. Injektionen von Kalzium oder ähnlich wirkt wie das Luteinisierungshormon des Hypo­ antiallerg. Mitteln, bes. mit Cortisonpräparaten, dazu physenvorderlappens und das Follikelhormon (-»Mut­ Herzmittel. Falls der Arzt nicht rasch erreichbar ist, so­ fort eine Tasse starken Bohnenkaffee geben, keinen Alko­ terkuchen). VIII. Thymusdrüse (-»Thymus) und Epiphyse (-»Zir­ hol! Ruhe (mit überhöhtem Oberkörper), bei Schockzei­ beldrüse); die hormonale Funktion dieser Drüsen mit i. S. chen (Blässe, kalter Schweiß) flache Lagerung. Bei Bestehen einer Allergie können an sich harmlose ist bisher nur teilweise bekannt. L, bes. von Bienen und Wespen, lebensbedrohl. Reaktio­ Innervation, organisch die Versorgung eines Körper­ teils mit Nerven; funktionell die Zuleitung der für ein Or­ nen (Kehlkopf- und Lungenödem, Schocksymptome) gan bestimmten Reize vom Zentralnervensystem (Gehirn auslösen. Sie müssen deshalb vorbeugend behandelt wer­ und Rückenmark) aus auf der Bahn der zu diesem Organ den. Nach Hauttests mit Insektengiftpräparaten wird un­ führenden Nerven; der Vorgang der Versorgung und An­ ter strenger Indikationsstellung eine vorbeugende spezif. Immuntherapie (meist in einer Spezialklinik) durchge­ regung wird als innervieren bezeichnet. führt. Diese hat die früher übl. >GanzkörperextrakttheraInnungskrankenkasse, Krankenkasse der Innun­ pie< abgelöst. Es kommt dabei zur Bildung blockierender gen, deren Mitglieder in die Handwerksrolle eingetragen Antikörper im Blut. Bei bekannter Allergie ist alljährl. sind. Es können ihr auch freiwillige Mitglieder einer In­ -► Desensibilisierung erforderlich, die am besten im Kran­ nung angehören. kenhaus unter Leitung eines Allergologen durchgeführt in|operabel, nicht operierbar, z. B. bösartige Ge­ wird. Gefährdete Personen sollen immer ein Gegenmittel schwülste, die so weit in das umgebende Gewebe hineinge­ innere Sekretion: Lage der endokrinen Drüsen (schema­ wachsen sind oder Tochtergeschwülste an anderen Stellen tisch); a Zirbeldrüse, b Hirnanhangdrüse, c Epithelkör­ des Körpers gebildet haben, daß eine Operation entweder per, d Schilddrüse, e Nebennieren, /Bauchspeicheldrüse, g Eierstöcke, h Hoden technisch nicht möglich, d. h. ohne Gefährdung des Le­ Mineralstoffwechsel (mineralotrope Nebennierenrinden­ hormone); so bewirkt Aldosteron eine Kochsalzretention und eine Kaliumausscheidung; aus dem Verhältnis von Natrium und Kalium im Harn wird deshalb auf die Funk­ tion der Nebennierenrinde geschlossen. Die andere Gruppe reguliert den Kohlenhydrat- und Eiweißstoff­ wechsel (glucotrope Nebennierenrindenhormone); der wichtigste Vertreter dieser Gruppe ist Cortisol (Hydro­ cortison und Corticosteron). Ein Hormon der letztge­ nannten Gruppe ist das -»Cortison. Kommt es infolge von Erkrankungen der Nebennieren (Tuberkulose, Syphilis, Blutungen, Geschwülste) zu einer Herabsetzung der Hormonproduktion, so sind schwere lebensbedrohl. Zustände die Folge (-»Addisonsche Krankheit). Hierbei besteht gleichzeitig Corticosteronund Adrenalinmangel. Geschwülste der Nebennieren­ rinde, die zu einer Vermehrung des Rindengewebes und damit zu einer vermehrten Hormonausscheidung führen, haben, wenn sie im Kindesalter auftreten, eine geschlechtl. Frühreife (-»Pubertas praecox) zur Folge, ver­ bunden mit zwiegeschlechtl. Entwicklung der Ge­ schlechtsorgane. Treten die Geschwülste im Erwachse­ nenalter auf, kommt es zu zwitterartigen Umbildungen der Geschlechtsorgane und Veränderungen der äußeren Geschlechtsmerkmale.

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innere Sekretion

Inse (Cortisonampulle mit Fertigspritze) bei sich tragen. Bar­ heitsschädigung, >dem Sonnenstich!, führen: Übelkeit, fußgehen und Gartenarbeit, Essen und Aufenthalt in Gär­ Erbrechen und Fieber (Insolationsfieber), Krämpfe und ten mit reifen Früchten sind zu meiden. Kosmetika psychische Verwirrungszustände (Insolationspsychose), (Haarsprays, Parfüms) und lebhafte Kleiderfarben zie­ schließlich Kreislaufkollaps und Koma. Nach tödl. Aus­ hen Bienen und Wespen an. Wird der überempfindl. gang findet man Zeichen einer akuten Gehirnentzündung Mensch gestochen, sollte sofortige Klinikaufnahme erfol­ (Insolationsenzephalitis) mit zahlreichen Gehirnblutun­ gen, bes. bei Stichen im Bereich der Schleimhäute gen. Durch sorgfältiges Bedecken von Kopf, Hals und (Zunge). Bei leichten Schwellungen (Rötung, Jucken, Nacken (Tropenhelm oder ähnlich weite und leichte Brennen) genügt örtl. Anwendung von Salben, die Kopfbedeckung) kann man einer Gesundheitsschädigung vorbeugen. -»■Antihistaminika enthalten. Erste Hilfe: Bei Anzeichen eines Sonnenstichs muß insektenvertreibende Mittel, Repellents [rip'elants, engl.], sich auf der Haut schnell verflüchtigende man den Betroffenen sofort in den Schatten bringen, Klei­ Stoffe wie Nelken-, Zimt- und Senföl oder länger wir­ der öffnen, kühle feuchte Tücher auf Kopf und Hals le­ kende, künstlich hergestellte Verbindungen wie Di- gen, erfrischende Getränke geben, für gute Atmung sor­ methylphthalat, Benzoesäurediäthylamid, Phenylzyklo­ gen. Stets den Arzt rufen! hexanon und Äthylhexandiol. Wieallechem. Verbindun­ Insomnie, die Schlaflosigkeit. (-»Schlaf) gen können auch i. M. zu allerg. Hautreaktionen (Kon­ Inspiration, Inspirium, Einatmung, im Ggs. zu Ex­ taktekzem) führen. spiration, Ausatmung (-»Atmung). Insektizide, insektentötende Mittel, ehern. Instantverfahren ['instant-, engl. instant >im NuVentilen< (z. B. Herzklappen, Bauhinsche Klappe im Da es verschiedene Zelltypen gibt, die unterschiedl. Funk­ Darm, Venenklappen). tionen haben, kennt man I. mit verschiedenen klinischen Insuffizienz|erlebnis, die von Minderwertigkeits­ Bildern. gefühlen begleitete Erfahrung der tatsächl. oder verInsemination, das Einbringen des Samens in die meintl. Unzulänglichkeit der eigenen Person. Wieder­ weibl. Genitalorgane; auf natürl. Wege durch den Ge­ holte I. können zu Komplexen und neurot. Fehlhaltungen schlechtsverkehr oder artifiziell durch die -»künstliche führen. Eine Überwindung des I. stellt die Kompensation Befruchtung. dar, auf deren Bedeutung bes. die Individualpsychologie Insolation, Sonneneinstrahlung bei klarem Himmel, hingewiesen hat. erzeugt auf direkt bestrahlten Flächen erhebl. Tempera­ Insufflation, das Einblasen gasförmiger, flüssiger tursteigerungen, die weit über der jeweiligen Lufttempe­ und pulverförmiger Heilmittel in Körperhöhlen und Blut­ ratur liegen. Beim Menschen kann zu starke und anhal­ gefäße (z. B. Sauerstoff bei Durchblutungsstörungen), tende I. von Kopf und Nacken eventuell zu heftigen Kopf­ auch zu diagnost. Zwecken (z. B. Pneumoenzephalogra­ schmerzen und weiteren Zeichen einer ernsten Gesund­ phie). t 374

Inte Insulin, blutzuckersenkendes Hormon aus dem Insel­

apparat der Bauchspeicheldrüse, ein Eiweiß-(Peptid-) Hormon. Es besteht aus einer A-Kette (21 Aminosäuren) und einer B-Kette (30 Aminosäuren), die durch Disulfid­ brücken verbunden sind. I. wird aus Proinsulin gebildet, indem das C-Peptid als spiralförmige Verbindung zwi­ schen A- und B-Kette abgespalten wird. Als Eiweißhor­ mon würde es bei oraler Aufnahme durch die Salzsäure des Magens weitgehend zerstört, deshalb parenterale (in­ travenöse, intramuskuläre oder subkutane) Verabrei­ chung bei der Behandlung der insulinbedürftigen -► Zukkerkrankheit. Artspezif. I., d. h. Rinder- und Schweine-1., unter­ scheiden sich in der Zusammensetzung von menschlichem 1. (Human-I.). So kann es bei Diabetes mellitus zur Antikörperbiidung gegen die Fremdinsuline kommen. Das Schweine-I. unterscheidet sich nur durch eine von 51 Ami­ nosäuren vom I. des Menschen. Das Human-I. wird heute bereits großtechnisch semi­ synthetisch aus Schweine-I. durch Abspaltung der Ami­ nosäure Alanin und Ankettung der Aminosäure Threonin hergestellt. Durch andere, teilweise noch im Versuchssta­ dium befindl. Verfahren läßt sich aus genmanipulierten Colibakterien Human-I. produzieren. Insulin-Dosiergerät, eintherapeut. System für insu­ linbedürftige Zuckerkranke, zur Errechnung und Zufüh-

Insulin-Dosiergerät: Über dünne Katheter pumpt die automatische Insulinspritze das Hormon in den Körper und hält den Blutzucker­ spiegel möglichst konstant. Das Ge­ rät kann durch Haltegurte unmit­ telbar am Körper getragen werden

rung der jeweils notwendigen Insulinmenge. Zur Vermei­ dung von diabet. Spätkomplikationen muß der Blut­ zucker des Diabetikers möglichst im Normbereich gehal­ ten werden. Mit den Wirkprofilenderz. Z. zur Verfügung stehenden Insulinpräparate ist es nicht möglich, bedarfsund zeitgerecht und rasch den erforderl. Insulinspiegel aufzubauen. Deshalb wurden Insulin-Infusions-Systeme entwickelt, um die körpereigene Insulinsekretion soweit wie möglich nachzuahmen. Man unterscheidet die glu­ cosegesteuerten Systeme (geschlossener Regelkreis, engl. closed loop), bei denen ein intravenös angeschlossener Glucosesensor ständig den Blutzucker bestimmt, ein Computer den Insulinbedarf errechnet und die Insulinzu­ fuhr steuert (wegen der Größe z. Z. nur für klin. For­ schungszwecke verwendbar). Daneben gibt es kleine, tragbare, batteriebetriebene Insulinpumpen (offener Regelkreis, engl. open loop), bei denen der Patient seinen Blutzucker regelmäßig selbst be­ stimmt. Neben einer Insulinbasalrate über 24 Stunden werden vom Patienten selbst je nach Höhe des aktuellen Blut­ zuckers und des Kohlenhydratgehalts der bevorstehenden Mahlzeit zusätzl. kleine Insulindosen als Bolus (Bissen) abgerufen. Die Pumpen werden mittels eines Tragegurts am Körper getragen, die Insulinzufuhr erfolgt über einen Katheter, meist subkutan, seltener intravenös oder intra­ peritoneal liegend. Erste implantierbare Systeme etwa in der Größe von Herzschrittmachern, die von Zeit zu Zeit

durch Einstich in eine unter der Haut liegende Membran mit Insulin aufgefüllt werden können, sind in klin. Erpro­ bung. Insulinom, eine gutartige Geschwulst der Bauchspei­ cheldrüse, die unabhängig von der Höhe des Blutzucker­ spiegels und somit nicht bedarfsgerecht Insulin in die Blutbahn abgibt. Leit-Symptom: Zuckermangelzustände (-►Zuckermangelkrankheit) mit wechselnder Sympto­ matik, bes. morgens, nach einer übergangenen Mahlzeit und nach körperl. Anstrengung. Die kompensatorische Vorliebe für Süßigkeiten ist charakteristisch, sie führt zu Gewichtszunahme. Diagnose durch Bestimmung des Nüchtern-Blutzuckers und Hungertests mit Bestimmung von Blutzucker und Serum-Insulin (Insulin dann unange­ messen hoch bei niedrigem Blutzucker). Behandlung: operative Entfernung des manchmal auch außerhalb der Bauchspeicheldrüse liegenden Tu­ mors. Insulinschock, künstlich durch Insulininjektion ver­ ursachte plötzliche Blutzuckersenkung (Hypoglykämie) mit beabsichtigter Schockwirkung (-►Schockbehand­ lung); auch Folge von zu hoher Insulingabe bei Zucker­ kranken. Insult der, Anfall, (äußere) Verletzung, Schädigung; apoplektischer I., Gehirnschlag (-► Schlaganfall); psychi­ scher I., seelische Schädigung (seelisches -»Trauma). Intelligenz, unterschiedlich definierter Komplex gei­ stiger Fähigkeiten, oft eingeschränkt auf das Vermögen zur Lösung konkreter oder abstrakter Probleme und zur Bewältigung von in der Erfahrung neu auftretenden An­ forderungen und Situationen durch das theoret. Begrei­ fen von Beziehungen und Sinnzusammenhängen sowie die Verarbeitung und prakt. Umsetzung des Erfaßten. Als wesentl. Momente der I. werden meist die Fähig­ keiten des abstrakten Denkens, Auffassungsgabe, -»Ge­ dächtnis, z. T. auch Kreativität angesehen. Die I. stellt ei­ nen Hauptbereich der Persönlichkeit dar. Zu ihrer quanti­ tativen und qualitativen Bestimmung wurden zahlreiche Intelligenztests entwickelt. Der Intelligenzquotient (Abk. IQ) ist das Maß für die Höhe der allgemeinen I. eines Indi­ viduums. Er drückt das Verhältnis des mit einem Intelli­ genztest ermittelten -» Intelligenzalters (IA) zum LebensrA

alter(LA)aus: IQ100.

Die heute übliche Definition des I. geht von der Abwei­ chung eines individuellen Testresultates vom Mittelwert (100) der jeweiligen Altersstufe in Streuungseinheiten aus. Für diesen Abweichungs-IQ gilt folgende ungefähre Staffelung: Klassifikation der Intelligenzhöhe äußerst niedrig ...................... (Schwachsinn) 70- 79 sehr niedrig ........................... (leichte Debilität) 80- 89 niedrig ................................... 90-109 durchschnittlich ................... 110-119 gut............................................ 120-129 sehr gut.................................... 130 und mehr hervorragend ........................

unter 69

Prozentanteil der Bevölkerung 2

16 50 16 2

Eine besondere Rolle spielt in der 1.-Forschung die Frage nach dem Einfluß von Anlage und Umwelt (Milieu) auf den I.-Grad. Wesentl. Beiträge leistete die Zwillings­ forschung, die bei eineiigen Zwillingen in gleichem Milieu eine Korrelation von über 0,90, bei unterschiedl. Milieu von 0,75 feststellte. Milieutheoretiker gehen dagegen von einer genet. Komponente von höchstens 35% aus. Neuere Forschungen stellen gegenüber der in den letzten Jahr­ zehnten vorherrschenden Betonung des Milieus wieder die Anlagentheorie stärker heraus. Entwicklungspsychologisch wurden v. a. die Vorgänge der Ausbildung der I. untersucht. Das I.-Niveau eines In­ dividuums zeichnet sich danach etwa mit 8—9 Jahren ab. Zu einem individuell unterschiedl. I.-Abbau (meist auf best. Teilleistungen beschränkt) kommt es oft in höherem Alter. 375

Inte 1.-Störungen treten bei Schädigungen der Hirnrinde, auch bei psych. Störungen und Erkrankungen auf. (-» De­ menz, -» Schwachsinn) lntelligenz|alter, Abk. IA, Maß für die allgemeine Intelligenzhöhe: Die in einem Intelligenztest erzielte Lei­ stung wird in Bezug gesetzt zu der für das entsprechende Lebensalter typ. Durchschnittsintelligenz. Intensivbehandlung, Intensivtherapie, die in­ tensive Behandlung in akut bedrohl. Fällen unter Einsatz lebenserhaltender techn. Geräte, durchgeführt in Spezial­ stationen (Intensivstationen) für 4— 12 Schwerkranke, bei drohender Lebensgefahr (z. B. Herzinfarkt), nach Vielfachverletzung, Operationen oder bei Komplikationen. Merkmale der I. sind besonderer techn. und pfleger. Auf­ wand im Schichtbetrieb: Möglichkeit der Dauerüberwa­ chung von Herz, Kreislauf und Atmung (-»Reanima­ tion), die Einsatzbereitschaft lebenserhaltender Geräte, Infusionen jeder Art (Blutplasmaersatz) und die Anwen­ dung spezieller Methoden (Herzkatheter, Hirndruckmes­ sung u. a.) für die Steuerung der Therapie (Bild biomedi­ zinische Technik). Meist wird I. durch Anästhesisten betrieben, in größe­ ren Krankenhäusern besteht eine Tendenz zur Spezialisie­ rung der L, z. B. bei Frühgeborenen, Herzoperierten, Schwerverletzten, nach Verbrennungen oder Nierenver­ sagen. Der hohe Stand der medizin. Technik gerade auf diesem Gebiet birgt das Problem eines sorgfältig über­ dachten, gezielten Einsatzes unter humanitären Gesichts­ punkten: Als Ziel dieser Behandlung wird es nicht angese­ hen, das Leben (und Leiden) des Kranken um jeden Preis zu verlängern, sondern nur wenn die durch I. unterstützte ärztl. und pfleger. Hilfe berechtigte Hoffnung auf Wie­ derherstellung eines menschenwürdigen Lebens erwarten läßt. Dabei gilt, daß das Leben als solches höchstes Rechtsgut ist und bleibt. Die Fragen, wieweit und wie lange lebensverlängernde Maßnahmen im Endstadium schwerster Verletzungen oder bösartiger Erkrankungen durchgeführt werden müssen, sind mit einer gewissen Rechtsunsicherheit belastet und bürden dem Arzt eine schwere Verantwortung auf. Interdentalpapille, derjenige Teil des Zahnfleisch­ randes, der als dreiecksförmiger Zipfel die unterhalb des größten Zahnumfangs gelegenen Zahnzwischenräume ausfüllt. Jeder Zahnzwischenraum hat 2 L, eine zur Wange oder zur Lippe hin, eine zur Zunge hin (-»Mund­ höhle). Schwund der I. bei-»Zahnbettschwund. Interferenz die, virologisierte I., der Vorgang bei Infektionskrankheiten, bes. Viruskrankheiten, durch den die Infektion mit einem Erreger die Wirkung eines zweiten für kurze Zeit verhindert. I. beruht auf einem von der infizierten Zelle gebildeten Eiweißstoff, den -»Interferonen. Interferone, Eiweißkörper (Glykoproteine), die von virusinfizieiien Zellen gebildet und abgegeben werden. Sie hemmen unselektiv (ohne besondere Auswahl) die Vermehrung von Viren und können so andere Zellen vor einer Virusinfektion schützen. Sie hemmen aber auch das Wachstum von Tumorzellen und stimulieren das immunolog. Abwehrsystem des Körpers. I. könnten daher als Arzneimittel gegen Virusinfekte und Tumorerkrankun­ gen verwendbar sein. Bisher durchgeführte erste klinische Studien sind er­ folgversprechend, doch steht einer breiten Prüfung und Anwendung entgegen, daß I. artspezifisch sind (d. h. beim Menschen wirken nur menschliche I.) und daher nur in be­ grenzten Mengen zur Verfügung stehen. Bisher ließen sich unter den strukturverwandten Proteinen Alpha-, Betaund Gamma-I. unterscheiden, von denen es jeweils zahl­ reiche verschiedene Typen gibt. Gewonnen werden 1. z. Z. aus Zellkulturen menschl. Leukozyten und Fibroblasten; einegentechnolog. Gewin­ nung aus Coli-Bakterien ist neuerdings gelungen. Interims|prothese, Behelfsprothese, die nach der Vorbehandlung bis zur definitiven prothetischen Versor­ gung zu tragen ist; bei Zahnersatz eine Zahnprothese, die als Zwischenlösung vor einer endgültigen prothetischen Versorgung der Aufrechterhaltung der Kaufunktion 376

dient. Eine 1. kann herausnehmbar oder befristet festsit­ zend (provisor. Brücke oder Krone) sein. Auch die Sofortprothese (Immediatprothese) ist im allgemeinen eine L, die direkt nach Zahnextraktionen eingegliedert wird. Sie dient der sofortigen Wiederherstellung der Kaufunktion und der sofortigen Belastung des nun zahnlosen Kieferab­ schnitts. Man erhofft sich davon einen günstigeren Hei­ lungsverlauf im Kieferknochen. Sie kann durch geeignete Maßnahmen zur endgültigen Versorgung werden. lmorthopäd. Bereich wird eine l.z. B. zur Gehschulung und ähnl. Maßnahmen verwendet. interkostal, zwischen den Rippen gelegen. Inter­ kostalmuskeln, Zwischenrippenmuskeln (-»Brustkorb). Interkostalneuralgie, Schmerzen im Verlauf der Zwi­ schenrippennerven (-»Neuralgie). interkurrent, innerhalb eines Krankheitsgeschehens zwischenzeitlich auftretend, z. B. eine Pulsbeschleuni­ gung im Fieber. Internationale Einheiten, Abk. I. E., IE, Maßein­ heiten für biochemisch wirksame Substanzen: 1) bei Hor­ monen, Vitaminen, Antibiotika u. a. eine Wirkstoff­ menge, die auf Referenzpräparate bezogen ist, die an Hand ihrer biolog. Wirkung (z. B. in Tierversuchen) standardisiert sind; 2) bei Enzymen die Substanzmenge, die unter genau definierten Bedingungen (Zeit, Tempera­ tur u. a.) eine bestimmte Stoffmenge (Substratmenge) umsetzt. Internist, Arzt mit abgeschlossener Weiterbildung (-»Arzt) auf allen Gebieten der inneren Medizin. Inter|renalismus, adrenogenitales Syndrom,

Abk. AGS, durch unterschied!. Enzymdefekte bei der Cortisolsynthese gekennzeichnetes Krankheitsbild. Der damit verbundene Cortisolmangel regt die Nebennieren­ rinde zu vermehrter Produktion von Cortisolvorstufen unterschiedlichster biolog. Aktivität an. Die Erhöhung von Steroiden mit mineralocorticoidem Effekt (11-Desoxycorticosteron) kann zu Natriumretention, Hypertonie und Kaliummangel führen. Der dann vermehrte Anfall von Androgen (Testosteron u. a.) führt u. U. bereits im Kindesalter zur Ausbildung sekundärer Geschlechts­ merkmale (Pseudopubertas praecox) bei Knaben und Vermännlichung (Virilisierung) des äußeren Genitale bei Mädchen (intersexuelles Genitale, Pseudohermaphrodi­ tismus) mit Fehlen der Monatsblutung. Andererseits kann eine Minderleistung der männl. Keimdrüsen eine -»Feminisierung bewirken. Der Aldosteronmangel hat Salzverlustsyndrom, Volumenmangel und Hypotonie zur Folge. Inter|ruptio graviditatis, der -»Schwangerschafts­ abbruch. Intersexualität, Zwischengeschlechtlichkeit,

das Vorhandensein von Merkmalen beider Geschlechter. Vom echten Zwittertum unterscheidet sich die I. durch die meist funktionsunfähigen Geschlechtsorgane oder die Bildung von Gameten nur eines Geschlechts. Intertrigo die, das -»Wundsein der Haut. Intervall [lat. >ZwischenraumReizmagenHautMauerWandNeues au feinen Blick< entdeckt. A. Einstein betonte, daß er seine größten Erfindungen nicht dem logi377

Inui sehen Denken, sondern seiner vorwegnehmenden Vorstellungsgabe verdankt habe. Die I. zeichnet sich gegen­ über dem diskursiven Denken durch größere Tiefe, Un­ mittelbarkeit und Stärke des Erfassens aus; gesicherte Er­ kenntnis bedarf jedoch einer Überprüfung und Begrün­ dung der durch die I. gewonnenen Einsichten. I. umfaßt in der Psychologie auch den Aspekt der ver­ stehenden Methode in Diagnose und Beobachtung. Es gibt eine Diagnose, die auf skalierter Beobachtung beruht und quantitativ mißt, was und wie oft etwas gesehen wird. Einige Psychologen sind der Ansicht, dies sei die einzige wissenschaftlich haltbare Methode; andere Diagnostiker betonen die Notwendigkeit der Ergänzung durch 1., weil nur durch sie Qualitäten (das Wie und die inneren Zuständlichkeiten) erklärbar werden. Inulin [von Inula >AlantKampf aller gegen alle< sei. Be­ reits Darwin hat aber erkannt, daß die Lebewesen auch ei­ nen anderen Kampf zu fechten haben, den Kampf gegen das Unbelebte. Eine Kraft, die jedes Lebewesen zu über­ winden hat, ist z. B. die Schwerkraft; jede Bewegung er­ folgt gegen die Schwerkraft, gleichgültig, ob es sich um die Plasma-Strömungen im Körper einer Amöbe handelt oder um den Blutkreislauf von Mensch und Tier. Alle Le­ bewesen sind von der Natur mit den Fähigkeiten ausgerü­ stet, diesen Kampf für ihre Lebenszeit erfolgreich zu be­ stehen. Ruhepausen zur Sammlung neuer Kräfte (Schlaf) werden stets eingeschaltet. Ferner steht der Einzelne im Kampf gegen Klimareize. Der Kampf gegen das Unbe­ lebte kann nur bestanden werden, wenn der Körper voll­ wertigernährt wird, einen gesunden Stoffwechsel hat und wenn die Bewegungsorgane in regelmäßiger Übung gehal­ ten werden. 25’

Im Ggs. zu dem von Darwin aufgestellten Prinzip wurde von anderen Biologen auf die Bedeutung des Zu­ sammenwirkens bei der Daseinsbewältigung hingewiesen (>Gesetz der gegenseitigen HilfeHündchenGeburtkleines GefäßMorschseinFäulniskleine KohleHerzMagen■ Lab­ ferment), beim Sauerwerden der Milch durch Milchsäure und bei der Verdauung durch den Magensaft. Kaskadenmagen, -> Magenformen. Kaspar-Hauser-Syndrom, eine Form des -* Hospi­ talismus; schwerer körperlich-geistiger Entwicklungs­ rückstand infolge andauernder Vernachlässigung, man­ gelnder Pflege und Liebesentzug im frühen Kindesalter. Kassenarzt, Arzt, der Patienten der gesetzl. Kran­ kenversicherung meist ambulant auf Krankenschein zu behandeln berechtigt und in gewissem Umfang auch ver­ pflichtet ist. Die Zulassung als K. erfolgt durch parität. Zulassungsinstanzen der -»Kassenärztlichen Vereini­ gung und der Krankenkassenverbände. Die Beteiligung und Ermächtigung anderer an der Versorgung teilneh­ mender Ärzte (bes. qualifizierter Krankenhausärzte) er­ folgt unter gleichen Bedingungen, die gesetzlich geregelt sind. (-»Arzt) Kassenärztliche Vereinigung, Abk. KV, in den Bundesländern bestehende öffentlich-rechtl. Zusammen­ schlüsse aller Ärzte, die kassenärztlich tätig sind (-»Kas­ senarzt). Aufgaben: Sicherstellung der ambulanten ärztl. Versorgung für alle -»Kassenpatienten, Vertragsver­ handlungen mit Krankenkassenverbänden über Art, Um­ fang und Honorierung der kassenärztl. Leistungen, Ab­ rechnung und Verteilung der Honorare an die Ärzte, Wahrung der Wirtschaftlichkeit der Versorgung und Ausübung von Disziplinarbefugnissen. Die Selbstverwal­ tungsorgane der KV gehen aus freien und geheimen Wah­ len hervor. Die in der Kassenärztlichen Bundesvereini­ gung (Abk. KBV) zusammengeschlossenen KV nehmen die übergreifenden Aufgaben der Vertrags- und Honorar­ gestaltung für die kassenärztl. Versorgung auf Bundes­ ebene wahr. Kassenpati|ent, Mitglied (oder dessen anspruchs­ berechtigter Familienangehöriger) einer Orts-, Land-, Betriebs- oder landwirtschaftl. Krankenkasse oder einer Ersatzkasse (-»Sozialversicherung), das kassenübl. Lei­ stungen der gesetzl. Krankenversicherung in Anspruch nimmt. Behandlungsausweis ist der -»Krankenschein. Der K. hat freie Wahl unter den Kassenärzten und mit ge­ wissen Einschränkungen (z. B. bei Überbelegung) der Vertragskrankenhäuser. kassenüblich, Bezeichnung für Medikamente, Heilund Hilfsmittel, deren Kosten beim -»Kassenpatienten von den Krankenkassen getragen werden. Kassenzahnärztliche Vereinigung, Abk. KZV,

Abrechnungskörperschaft der Kassenzahnärzte, entspre­ chend der -» Kassenärztlichen Vereinigung. Die KZV sind wie diese und mit den gleichen Aufgaben auf Bundesebene zur Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung KZBV) zusammengeschlossen.

(Abk.

Kastani|e, Echte K., Eßkastanie, Edelkastanie, Maronenbaum, Castanea sativa, zu den Buchenge­ wächsen (Fagaceae) gehörender, bis 35 m hoher Baum in warmgemäßigten Klimazonen, bes. im Mittelmeergebiet. Die im September-Oktober gesammelten und getrockne­ ten Blätter enthalten Stoffe mit auswurffördernder Wir­ kung. Die Samen (Maronen, Kastanienfrüchte) sind ein stärke- und zuckerreiches, leicht gerbstoffhaltiges Nah­ rungsmittel. Anwendung: Heilpflanzen, Übersicht. Kastration, Ausschaltung der Keimdrüsen (Hoden, Eierstöcke) durch operative Entfernung oder Bestrahlung oder (zeitweise) durch Gabe entsprechend wirksamer Arz­ neimittel (hormonale K.); wird oft mit Unfruchtbarma­ chung (Sterilisation) verwechselt. Bei Frauen zu Heil­ zwecken ausgeführte K. (Ovarektomie) wirkt sich ge­ nauso aus wie das natürl. Erlöschen der Eierstocktätigkeit in den Wechseljahren. Beim männl. Geschlecht führt der Hodenverlust (Ent­ mannung) durch Trauma (z. B. Unfälle), schwere Entzün­ dungen (z. B. Tuberkulose), mißglückte Operationen (z. B. Leistenbruch-Operation) sowie als Behandlungs­ maßnahme beim Prostatakarzinom durch Testikelhormon-(Testosteron-)Mangel zu schweren, der K. gleichzu­ setzenden Veränderungen. Für das klin. Bild ist von Be­ 390

deutung, ob der Hodenverlust vor oder nach der Pubertät auftritt. Bei Ausfall der Hoden vor der Pubertät bleiben sämtl. männlichen sekundären Geschlechtsmerkmale aus: Bart­ wuchs, Körperbehaarung, Stimmbruch. Der Körperbau dieser Kastraten zeigt weibl. Formen. Auch das Seelen­ leben bleibt teils auf kindl. Stufe stehen, teils nimmt es weibl. Züge an. Diese Frühkastraten sind sexuell völlig neutral, geschlechtl. Erleben ist ihnen fremd, Libido (sexuelle Appetenz) und Potenz (Erektionsfähigkeit) fehlen. Bei den Spätkastraten nach vollständig abgeschlosse­ ner Pubertät (also nicht vor dem 25. Lebensjahr) werden niemals so deutl. Ausfallserscheinungen beobachtet. Wenn auch im Endergebnis ein ganzähnl. Zustand wie bei der Frühkastration entsteht, so dauert es doch sehr viel länger, bis alle Merkmale ausgebildet sind. Die K. von Sittlichkeitsverbrechern ist eine Notmaß­ nahme, die auf die schwersten Fälle geschlechtl. Abnor­ mität beschränkt bleibt und nur auf freiwilliges Verlangen hin ausgeführt wird. Rechtliches. K. ist nach dem Gesetz über die freiwil­ lige K. v. 15.8. 1969(letzte Fassung v. 23. 11. 1973) zuläs­ sig, wenn sie medizinisch (bei schwerwiegenden Krank­ heiten, seel. Störungen oder Leiden, die mit einem abnor­ men Geschlechtstrieb Zusammenhängen) oder rechtlich (z. B. bei Sexualstraftätern) begründet ist, wenn der Be­ troffene mindestens 25 Jahre alt ist, aufgeklärt wurde und einwilligt (bei Schwachsinnigen Genehmigung des Vormundschaftsgerichts Voraussetzung). Zu erwartende körperl. oder seel. Nachteile dürfen gegenüber dem ange­ strebten Erfolg nicht überwiegen. Ohne gültige Einwilli­ gung gilt K. als strafbare Körperverletzung. Kastrationskomplex, nach S. Freud in der frühkindl. Entwicklung (Ödipusphase) entstehende Kastra­ tionsphantasien, die sich an die Entdeckung der Ge­ schlechtsunterschiede knüpfen (bei Knaben Furcht des Penisverlusts durch väterl. Bestrafung, bei Mädchen Minderwertigkeitsgefühl wegen Fehlens des Penis; >PenisneidniederschlagenherabfließenHaarweh< be­ zeichnet, Absinken des Blutdrucks, Ohnmachtsneigung, kalter Schweiß, gelegentlich Durchfälle); die starke kör­ perl. Beeinträchtigung bewirkt auch die seel. Verstim­ mung. Die Behandlung besteht in vollständiger Nahrungs­ enthaltung. Flüssigkeitsaufnahme ist jedoch nötig; der K. verursacht starken Durst (alkohol. Getränke meiden! Gut tut frischer Orangensaft). Wenn sich Ohnmachtsneigung zeigt, helfen starker Kaffee und Wärmezufuhr von außen. Verkaterte Menschen frieren. Ein Verlangen nach pikan­ ter Nahrung (saurer Hering, saure Gurke) tritt auf; dabei ist nicht nur der Geschmack entscheidend, sondern bes. das Bedürfnis, die durch Erbrechen abgegebenen Koch­ salzvorräte des Körpers aufzufüllen. Es empfiehlt sich, alkalihaltige Brausetabletten einzunehmen, was die Be­ schwerden lindert, Aufenthalt in frischer Luft! K. nach Strahlenbehandlung-»Strahlenschädigungen; als Muskelschmerz nach ungewohnter Anstrengung -►Muskelkater. Katgut [engl. catgut >KatzendarmSchwefelbrükdes K. in der Mühlentechnik führt zu länger haltbaren, kenKern< (Charakter) der Per­ son betreffen und weniger in spezif. Symptomen als in all­ gemeinen kindheitsangelegten Fehlhaltungen bestehen (z. B. zwanghafte und triebhafte Verhaltensweisen); im Unterschied zur Randneurose (-» Neurosen). Kernspintomographie [engl. spin >DrehimpulsUmwelt< zurückgehen. In den Phasen der geistig-seel. Entwicklung vollzieht sich unter Einfluß von Familie, Kindergarten, Schule und Gesellschaft ein wesentl. Teil der Sozialisation (>2. Ge­ burt als sozio-kulturelle Persönlichkeit). Als entschei­ dend werden bes. in der frühen Phase die Zuwendung durch die Bezugsperson(en) und der Aufbau von Ver­ trauen (>UrvertrauenNestwärme/2 Jahren rasch anwächst, ent­ Beaufsichtigung notwendig. Der Spielraum zwischen hält vorerst hauptsächlich Gegenstands-, dann TätigEinschränkung und Gewährenlassen bei der Eroberung keits- und schließlich Eigenschaftsbezeichnungen. Zu­ der näheren Umwelt trägt zum Ausmaß des Freiheitsge­ nächst macht sich das K. durch Ein-Wort-Sätze verständ­ fühls bei. lich; überein Stadium des Zwei-Wort-Satzes geht die Ent­ Schon zum Zeitpunkt der Geburt sind die Sinnesorgane wicklung zum Mehr-Wort-Satz, der vorerst agrammades gesunden K. voll funktionsfähig, sie bedürfen aberder tisch ist. Zwischen dem Alter von 2 '/2und 3 Jahren schrei­ Einübung. Unter zunehmender Reifung des Nervensy­ tet die Entwicklung der Phantasie (Fiktions- oder Rollen­ stems lernt das K. Sinneseindrücke zu unterscheiden und spiel) und des Willens schnell voran. Bei erwachendem zu verarbeiten. Diese sind zunächst gefühlsbetont und we­ Ich-Bewußtsein opponiert das K. häufig gegen die Er­ niger deutlich als beim Erwachsenen, doch kann bereits wachsenen (Trotzperiode, 2.-4. Jahr, je nach individuel­ der gesunde Säugling recht gut sehen, hören, schmecken, ler Entwicklung). Das K. muß dabei seinen Willen formal riechen und tasten. Während der >oralen Phase< überprüft üben und lernen, seine eigenen Wünsche, Antriebe, Be­ das K. Gegenstände gern (lustbetont) mit dem Mund. dürfnisse und Strebungen mit denen der Umwelt abzu­ Bes. auf Wärme, Gebärden und Sprache der Mutter im stimmen. Die Familie sollte dabei dem K. so viel Freiheit Kreise der Familie reagiert das K. mit Wohlempfinden. wie möglich gewähren und so viele soziale Grenzen wie nö­ Sein Bedarf an Zuwendung und Zärtlichkeit, in erster Li­ tig setzen. Etwa ab dem 4. Lebensjahr wird das K. selb­ nie gegeben von der Mutter oder einer sonstigen Bezugs­ ständiger und tritt in die erweiterte Umwelt der Spiel­ person, ist sehr groß. Sinneseindrücke bilden somit wegen gruppe (z. B. im -► Kindergarten) ein. Der hier gegebene ihrer Gefühlsbetonung für das K. stets ein Erlebnis. Kontakt mit Gleichaltrigen erweist sich als vorteilhaft, Beim Säugling erfolgt die Entleerung von Blase und während Kleinkinder von älteren K. gelegentlich schika­ Darm zunächst unbewußt, d. h. automatisch-reflekto­ niert oder tyrannisiert werden. Nur noch in der Pubertät risch in unregelmäßigen Abständen mehrfach am Tag. braucht das K. so viel sicheren Halt, festgefügte Ordnung Bald aber lernt das Kleinkind, die Ausscheidungsfunktio­ und Verständnis wie in dieser Zeit. Das Fragealter ist der nen zu beherrschen, und wird fähig, Erfahrungen zu sam­ Ausdruck dieser Wirklichkeits- und Sinnbezogenheit des meln und diese im Gedächtnis aufzubewahren, sinnvoll zu K.; sein Denken bleibt jedoch noch der Anschauung ver­ handeln und zu planen. Die Erziehung zur Sauberkeit haftet. Aus den Kritzeleien und Farbklecksen des Klein­ sollte erst im Verlauf des 2. Lebensjahrs einsetzen, zu­ kindes entwickeln sich Formen, die erkennen lassen, was nächst mit dem Ziel, die Blasenfunktion im Wachzu­ das K. meint, indem es Eindrücke und Vorstellungen fest­ stand zu beherrschen. Dies wird anfangs durch >Abhal- zuhalten sucht, ohne sich um Richtigkeit der Größenver­ ten< geschehen, später durch Gewöhnung an den Topf. hältnisse, des Formzusammenhangs usw. zu kümmern. Zeitl. Fixierung der Nahrungsaufnahme unterstützt diese Gegen Ende des Kleinkindalters wendet sich das K. dem Bemühungen, weil die Entleerungen dann zu bestimmten Konstruktionsspiel mit Materialien wie Bausteinen, Pa­ Zeiten erfolgen, die es abzupassen gilt. Schließlich lernt pier und Zeichenstift zu. Die gesunde Entwicklung des K. ist für Kinderärzte und das K., Harn oder Stuhldrang zu bemerken. Anfänglich wird es sich erst zu spät melden, mit wachsendem Ver­ -Psychologen an der Entwicklung des K.-Spiels abzule­ stand jedoch bald auch vor dem Wasserlassen oder Stuhl­ sen. Verhaltens- und leistungsgestörte K. zeigen deutl. abgang. Dies trägt dazu bei, daß die Entleerungsvorgänge Spielstörungen wie Unfähigkeit, allein oder mit anderen mit der Zeit willkürlich beherrscht werden können; Mäd­ spielen zu können, Spielstereotypien, Mangel an Rollenchen begreifen dies meist früher als Knaben. und Fiktionsspiel, Mangel an kreativem Umfunktionie­ Bei der Sauberkeitserziehung sind Dressurakte abzu­ ren der Gegenstände, Mangel an Ausdauer, Warten auf lehnen; sie erfordern überdies ungleich mehr Zeit und Ge­ Erwachsenenanregung, bes. dann, wenn diese zu häufig duld. Einige K. verspüren recht früh von sich aus das Be­ gegeben wird. Die einseitige Bevorzugung abstrakter dürfnis, zunächst tagsüber, später auch nachts, sauber zu Konstruktionsspiele, auch techn. Spielsachen, sollte ver­ bleiben. Solche Tendenzen werden mit Vorteil durch Lob mieden werden, da durch diese zuwenig soziale und emo­ und Belohnung unterstützt, während Bestrafung abzu­ tionale Anregung erzeugt wird. lehnen ist. DieK. werden meist im 2. Lebensjahrtagsüber, Das selbständige und ungestörte K.-Spiel ist die wich­ mit 2—3 Jahren auch nachts, trocken; gelegentl. Versagen tigste >Arbeit< im Leben des K., es ist von physiognomiist zu beachten, aber mit Nachsicht zu behandeln. Fort­ schen, totemistischen, magischen, prälogischen und währendes Einnässen oder Wiedereinsetzen von Unsau­ anthropomorphen Vorstellungen belebt. Der Erwach­ berkeit nach dem 3. Lebensjahr gibt allerdings Anlaß zu sene kann sich i. d. R. in diese Welt der Allbeseelung, in eingehender Analyse der Störung und kinderärztl. Be­ der auch die Gegenstände wirklich leben, ein Gesicht ha­ handlung. ben und selbst ein Stück Holz als Puppe erlebt werden Im Säuglingsalter und im Anfang des Kleinkindalters kann, kaum mehr einfühlen und mißdeutet viele Aspekte ist das K. fast noch ein unbeschriebenes BlattDt. Liga für das K. in Familie und Gesellschaft < gegr., der zahlreiche andere Or­ ganisationen angeschlossen sind(u.a. >Dt. Kinderschutz­ bund', >Ges. für Sozialpädagogik», >Ges. für Sozialwai­ sen»). Auch der Staat leistet Hilfe (finanzielle und sonstige Unterstützung sowie Gesetzgebung: K.-Geld, K.-Schutz, Bau von Spielplätzen, Kindergärten). Das Jahr 1979 wurde von der UNO unter Leitung der UNICEF zum internationalen Jahr des K.< proklamiert.

Es sollte 20 Jahre nach der von der UNO angenommenen Erklärung über die Rechte des K. (20. 11. 1959) die Auf­ merksamkeit auf die heutige Lage (v. a. in den Entwick­ lungsländern) lenken und Lösungen zu ihrer Verbesse­ rung erbringen. Nach Statist. Schätzungen werden täglich 334000K. ge­ boren. Die äußere Lage der etwa 1,44 Mrd. K. unter 15 Jahren ist dadurch gekennzeichnet, daß von ihnen etwa 230 Mio. unterernährt sind, 75 Mio. schwerbehindert, 604 Mio. ohne medizin. Hilfe und Betreuung, 417 Mio. unter völlig unzureichenden Wohnverhältnissen leben, 5 Mio. jedes Jahr an einer der häufigsten Infektionskrankheiten sterben, 693 Mio. das 60. Lebensjahr nicht erreichen wer­ den, 250 Mio. (35% der K. im Schulalter) keinerlei Ausbil­ dung erhalten und 2—5 Mio. ein Flüchtlingsdasein führen müssen. Als weiteres Problem gilt die v. a. in den Entwicklungs­ ländern verbreitete K.-Arbeit, die hier häufig wirtschaft­ lich notwendig für das Überleben der Familie ist. Neben der altersungemäßen Belastung und der vielfach gegebe­ nen Ausbeutung des K. stellt sie eines der wesentlichsten Bildungshemmnisse dar. Eine Verbesserung der Lage des K. wird davon abhän­ gig gesehen, daß diese Probleme in die nationale wirtschaftl. und gesellschaftl. Gesamtplanung einbezogen werden und auch Fortschritte in der allg. Entwicklungs­ förderung gemacht werden. Demgegenüber stehen in den Industrieländern neben den physischen Gefährdungen der K. im Straßenverkehr und durch Mißhandlung v. a. die psycho-sozialen Schädi­ gungen im Vordergrund. Sie werden teils durch gestörte Familienverhältnisse hervorgerufen, teils auf ein häufig kritisiertes Klima der >K.-Unfreundlichkeit» der Gesell­ schaft zurückgeführt: K. würden oft als >Störfaktor< in ei­ ner zweckrational organisierten, auf Leistung, Karriere, sozialen Aufstieg und materiellen Wohlstand zentrierten Daseinsgestaltung angesehen. Einen besonderen Pro­ blemkreis stellen die behinderten K. dar sowie die K. von Randgruppen und Minderheiten, speziell die K. ausländi­ scher Arbeitnehmer; ihre Sozialentwicklung ist bes. durch sprachl. Schwierigkeiten und soziale Vorurteile, teils auch durch unterschiedl. kulturspezifisch-normative Verhal­ tensanforderungen von Elternhaus und Schule, belastet. Rechtliches. Das Recht der elterlichen Sorge (bis 1979: elterliche Gewalt) steht bei ehel. minderjährigen K. beiden Eltern zu und umfaßt nach §§ 1626 ff. BGB die Per­ sonensorge und die Vermögenssorge. Dazu gehören im einzelnen das Recht und die Pflicht der Eltern zur Erzie­ hung und Beaufsichtigung, die Bestimmung des Aufent­ haltsorts, das Recht zum persönl. Verkehr mit dem K. (Be­ suchsrecht, Umgangsrecht; früher: Verkehrsrecht) so­ wie — eingeschränkt — das Recht zur religiösen Erziehung des K. Die Eltern dürfen nur angemessene Bestrafungs­ mittel an wenden. Die Eltern haben das Recht, die Herausgabe des K. von jedem zu verlangen, der es ihnen widerrechtlich vorent­ hält. Das elterl. Sorgerecht endet mit der Volljährigkeit des K. Die Personensorge kann Dritten zur Ausübung überlassen werden (Schule, Internat u. a.). Die Verletzung der Pflicht zur Personensorge kann strafbar sein (§§ 170d, 221 StGB) und zu Schadensersatzansprüchen wegen mangelnder Aufsicht oder zur Beschränkung der Personensorge durch das Vormundschaftsgericht führen (§§ 1666, 1676 BGB). — Bei nichtehel. K. steht das Sorge­ recht der Mutter zu (§ 1705 BGB). In der Dt. Dem. Rep. üben die Eltern das Erziehungs­ recht nach § 45 Familiengesetzbuch gemeinsam aus; eine unverheiratete Mutter übt es allein aus. Nach neuem österr. Recht von 1977 sind die elterl. Pflichten von Mutter und Vater gleichgestellt. Im Zweifel steht dem >haushaltführenden Teil» die Pflege zu. In der Schweiz steht die elterl. Gewalt beiden Eltern zu. Das Mitspracherecht des K. ist verstärkt worden. Kindbett, Puerperium, das -► Wochenbett. Kindbettfieber, das -* Wochenbettfieber. Kindchenschema, eine Reihe von Schlüsselreizen im kindl. Erscheinungsbild, die menschl. Pflegeverhal­ ten, unwillkürl. Sympathiegefühle und Liebkosungsbe399

Kind dürfnisse bewirken. Die im K. enthaltenen auslösenden -» Schlüsselreize (K. Lorenz, * 1903) sind: Das Kind ist rundlich, mollig, hat hohe Stirn, große Augen, Pausbakken, kurzfingerige Patschhände. Kinderarzt, weitergebildeter -» Arzt, der in der -» Kin­ derheilkunde tätig ist. Kinderdörfer, Jugenddörfer, karitative Einrich­ tungen, in denen bedürftige und/oder unversorgte Kinder und Jugendliche zur Pflege, Erziehung, schul, und/oder berufl. Ausbildung aufgenommen werden. Je nach weltanschaul. (bes. religiöser oder gesellschaftspolit.) Zielset­ zung haben sich verschiedene Typen von K. entwickelt. Die Idee der K. ging von J. H. Wichern (* 1808, f 1881) aus, der in seinem >Rauhen Haus< bei Hamburg ähnliche Ziele zu verwirklichen suchte. Bes. bekannt sind die von H. Gmeiner (* 1919) gegründeten SOS-K. in mehr als 60 Ländern, in denen man um familienähnl. Lebensformen bemüht ist, aber auch zahlreiche K., die von kirchl. Orga­ nisationen getragen werden, sowie die auf die Ideen J. H. Pestalozzis (* 1745, 1 1827) aufbauenden Einrich­ tungen. Kindergarten, Einrichtung zur Betreuung und pädagog. Förderung der Drei- bis Sechsjährigen. Die Kinder können ganz- (wo sie dann auch verpflegt werden) oder halbtags im K. bleiben. Sie werden von Kindergärtnerin­ nen angeleitet und erzogen; die K.-Leitung hat eine Ju­ gendleiterin. K. sind meist von Städten, Kreisen, Kirchen und freien Wohlfahrtsvereinigungen getragen. Es gibt auch private K., meist mit besonderen Akzentuierungen, z. B. bevorzugt musischer oder religiöser Erziehung, so­ wie heilpädagogische K. zur Behandlung frühkindl. Ver­ haltensstörungen. Für schulpflichtige, jedoch vom Schul­ besuch zurückgestellte Kinder wurden in manchen Städ­ ten Schul- oder Sonder-K. geschaffen, die behinderte Kin­ der (-»Behinderte) aufnehmen und eine Frühförderung oder -heilung dieser Kinder anstreben. Auch Vorschul-K. für nicht behinderte Kinder werden erprobt. Die in den 1970er Jahren entstandenen antiautoritären >Kinderläden< (-» antiautoritäre Erziehung) scheinen die in sie ge­ setzten Erwartungen nicht erfüllt zu haben. Die Kinder werden vor der Aufnahme in den K. ärztlich untersucht und weiterhin überwacht. Für hygien. Einrich­ tungen, Ernährung, Körperpflege sowie Maßnahmen ge­ gen die Ausbreitung von Infektionskrankheiten wird vom Träger Vorsorge getroffen. Für Einrichtung und Ausstattung des K. sind staatl. Richtlinien festgesetzt worden. Siebetreffen u. a. die Zahl der Kinder je Raum, Raumgrößen, Wasch- und Bade­ räume, Toiletten, Kleiderablage, Art der Ausstattung, Spielplätze im Freien und Ausbildung des im K. beschäf­ tigten Personals. Kinderheilkunde, Pädiatrie, Zweig der prakt. Medizin, der sich mit der Erkennung, Behandlung und Heilung der -»Kinderkrankheiten beschäftigt. Dazu gehört die vorsorgende Gesunderhaltung des Kindes durch fürsorger. Maßnahmen im Rahmen der -►Säug­ lingsfürsorge und Schulgesundheitsfürsorge (-»Schule, -»Erholung). Kinderheilstätten, Einrichtungen zur Aufnahme von Kindern, die an langdauernden Krankheiten (z. B. Tuberkulose) leiden oder allgemein erholungsbedürftig sind. Kinderkrankengymnastik, eine physikal. Therapie unter Anleitung von Krankengymnastinnen, die sich auf Kinder spezialisiert haben, zur Beseitigung oder Verbesse­ rung gestörter Körperfunktionen, z. B. durch besondere krankengymnast. Bewegungsübungen. Aktive Methoden der Bewegungstherapie stehen hierbei im Mittelpunkt. Vorbereitet, unterstützt und ergänzt werden sie durch passive Methoden der Massage, der Wärme-, Kälte-, Wasser- und Elektrotherapie. Behandlungsmethoden: bei Säuglingen nach dem Ehepaar Bobath, nach V. Vojta und C. Moralis als passive Durchbewegungen (vom Therapeuten durchge­ führte intensive Beugung oder Streckung einer Glied­ maße) sowie Atemtherapie; bei älteren Kindern zusätzlich alle anderen Methoden der Krankengymnastik. 400

Anwendungsgebiete: Früh- und Nachbehandlung bei hirngeschädigten Kindern, Behandlung nach geburtstraumat. Schädigungen, z. B. Schiefhals, Nervenlähmun­ gen, bei Fehlbildungen, nach Unfällen, Behandlung auf Intensivstationen, bei Muskelerkrankungen, bei inneren Erkrankungen, nach Chirurg. Eingriffen u. a. Kinderkrankengymnastinnen (-»Medizinberufe) sind in freier Praxis, in Kliniken, Früherkennungszentren für Zerebralparese, Sonderkindergärten, Sonderschulen, Grundschulen, Rehabilitationszentren und Sanatorien tätig. Kinderkrankenschwester, -»Krankenpflege­ berufe. Kinderkrankheiten, die dem Kindesalter eigentüml. Krankheiten, hauptsächlich durch das rasche Wachstum des kindl. Organismus bedingt. Eine Krankheit, die fast ausschließlich im frühen Kindesalter auftritt, ist die Ra­ chitis. Auch Ernährungsstörungen mit Durchfall und Ge­ wichtsabnahme sind im Kindesalter bes. häufig, es besteht eine größere Empfänglichkeit für Erkrankungen der obe­ ren Luftwege als im Erwachsenenalter und eine erhöhte Krampfbereitschaft. K. im übl. Sinn sind Infektionskrankheiten, die bevor­ zugt in der Kindheit durchgemacht werden. Hierzu ge­ hören -»Masern, -»Röteln, -»Windpocken, -»Mumps, -►Scharlach und, heute selten, -»Kinderlähmung und -»Diphtherie. K. können auch bei Erwachsenen, die bis dahin nicht angesteckt worden sind, auftreten. Das Über­ stehen einer der genannten K. schützt i. d. R. vor einer Wiedererkrankung, günstigenfalls ist lebenslange Im­ munität zu erwarten. Trotz Ansteckung kann eine K. durch stille Feiung ausbleiben. Da Schutzstoffe von der Mutter über die Plazenta auf die Feten im Mutterleib übergehen, besitzen junge Säuglinge z. B. Masern gegen­ über einen >NestschutzEisernen LungeInteraktionsmuster< zwi­ schen Eltern und Kindern, dieauch durch soziale und Öko­ nom. Verhältnisse mitbedingt sein können. Übereinstim­ mend wird ein wirksamer rechtl. Kinderschutz nur durch eine auf die gesamte Familie bezogene, psycholog. und soziolog. Erkenntnisse einbeziehende Intervention und Therapie für möglich gehalten. Kindheit, Abschnitt der menschl. Entwicklung,!, e. S. der Zeitraum zwischen Geburt und Pubertät, i. w. S. zum Lebensabschnitt der Jugend gerechnet. In der K. vollzieht sich ein wesentl. Teil der körperl. Entwicklung und (nach tiefenpsycholog. Auffassung) der Persönlichkeitsprä­ gung. (-► Kind) Kind im Krankenhaus, Aktionskomitee K. i. K. e. V., gemeinnütziger Verein, der sich für die Verbesse­

rung der Situation von Kindern im Krankenhaus einsetzt. Ziele sind u. a. die Aufrechterhaltung des Mutter- oder Eltern-Kind-Kontaktes durch unbegrenzte Besuchszeiten und kostenfreie Mitaufnahme eines Elternteils bei kleinen Kindern (bis etwa 5 Jahre), behinderten, psychisch labi­ len, schwerkranken und schwerverletzten Kindern, die Anwesenheit der Eltern bei Untersuchungen, kleinen Ein­ griffen, Operationsvorbereitung und in der Aufwach­ phase nach Operationen, die Schaffung familien- und kindgerechter Krankenhausbedingungen in personeller und räuml. Hinsicht, die Einrichtung von Fachambulan­ zen und Tageskliniken zur Vermeidung und Verkürzung von Krankenhausaufenthalten. Über Krankenhäuser, die diesen Vorstellungen entsprechen, werden Listen geführt. Zu den weiteren Anliegen gehören die Elternberatung in Kindergärten und Kliniken sowie Betreuerdienste für Kin­ der, die im Krankenhaus nicht besucht werden können. Sitz des Bundesverbandes: Oberursel (Taunus). Kindsbewegungen, die von der werdenden Mutter als Klopfen und Stoßen gegen die Bauchwand empfunde­ nen und auch sichtbaren Bewegungen des Kindes in der Gebärmutter, die bei der 1. Schwangerschaft in der 20., bei einer wiederholten Schwangerschaft schon in der 16. bis 18. Woche wahrgenommen werden. Verschwinden die vorher vorhandenen K., so besteht Verdacht auf ein -»Absterben des Kindes während der Schwangerschaft. Bei der eingebildeten Schwangerschaft (Grossesse nerveuse) werden gelegentlich Bewegungen des Darms für K. gehalten. Kinds|pech, Mekonium, der schwarze, klebrig­ zähe Darminhalt des noch nicht geborenen Kindes, der auch noch während der ersten 2 Lebenstage des Neugebo­ renen entleert wird. Das K. besteht aus verschlucktem, eingedicktem Fruchtwasser, aus Galleflüssigkeit und aus abgeschilferten, oberflächl. Zellen des Darmkanals. Kinetosen, Bewegungskrankheiten, die >Verkehrsmittelkrankheitenq die bei Reisen auf Schiffen (See­ krankheit), in Flugzeugen (Luftkrankheit), in Kraftwa401

Kinn gen (Autokrankheit) und in der Eisenbahn (EisenbahnKiwi, eigroße Frucht von Actinidia chinensis, einer krankheit) entstehen. Auslösend wirken in jedem Fall Be­ zweihäusigen, sommergrünen Pflanze mit 4—6 m langen schleunigungsänderungen durch entsprechende Bewe­ Trieben. Die Schale ist rauh, das Fruchtfleisch grün, saf­ gungen der Verkehrsmittel, auch psychosomat. Faktoren tig von leicht süß-säuerl. Geschmack und reich an Vitamin sind oft beteiligt. Die heftigsten Erscheinungen werden C. Anbau in Neuseeland und in den letzten Jahren auch in auf längeren Seereisen bei stärkerer Wellenbildung beob­ Frankreich. achtet. Bei den Schiffsbewegungen unterscheidet man: Klappenfehler, Herzklappenfehler, -»Herz­ 1) Rollen, die Drehbewegung um die Längsachse des krankheiten. Schiffs bei seitl. Welleneinwirkung, 2) Stampfen, die Be­ Klapperschlangen, -»Giftschlangen. wegung um die Querachse bei Auftreffen der Wellen von Klapperschlangenwurzel, der junge Wurzelstock vorn, und 3) Schlingern als Kombination von Rollen und Stampfen. Schlingern wirkt am stärksten kinetoseauslö- von der Senega-Kreuzblume (Polygala senega), einer zu send. Lange Wellen wirken stärker als kurze. Ursache der den Kreuzblumengewächsen (Polygalaceae) gehörenden, Mißempfindungen und Reaktionen ist eine rhythm. Rei­ in Nordamerika heimische Erdstockstaude; enthält bis zu zung des Vestibularapparates (>GleichgewichtsorganFrakturkrankheitc (-»Sudecksche Dystrophie). Meist werden die beiden dem K. benachbarten Gelenke in den Gipsverband einbezogen, Knochenvorsprünge werden vorher gepol­ stert. Bei frischem K. muß der Gips immer nach dem Er­ härten der Länge nach bis auf den letzten Faden aufge­ schnitten werden, um bei zunehmender Weichteilschwel­ lung Durchblutungsstörungen mit entsprechenden Kom­ plikationen zu verhindern. In dieser Phase sind das Hoch­ lagern der verletzten Extremität sowie häufige Kontrollen von Durchblutung, Hautgefühl und Beweglichkeit sehr wichtig. Nach einigen Tagen wird dann ein geschlossener, zirkulärer Gips angelegt. Röntgenaufnahmen im Gips und während der Heilung dienen der Kontrolle der Achsenstellung des Knochens und einer — auch unter Teilbela­ stung — möglichen Verschiebung des K.

Querbruch

Schrägbruch

Y-Bruch

Ausheilungszeiten von Knochenbrüchen (Erwachsene) Form

Dauer (in Wochen)

Finger- und Zehenbruch ........................... Mittelhand-und Mittelfußbruch ............. Schlüsselbeinbruch ................................... Speichenbruch........................................... Ellen-und Wadenbeinbruch...................... Oberarm bruch........................................... Oberschenkelbruch................................... Schenkelhalsbruch..................................... Kniegelenkbruch........................................ Unterschenkelbruch................................... Knöchelbruch.............................................

3 3-4 4 4-5 4-5 4-6 8-16 12-16 12-16 8-10 5-8

Drehungsbruch

Bei der Streckbehandlung (Extension) wird z. B. bei ei­ nem Unterschenkeibruch an der Ferse durch den Knochen ein Stahlnagel gebohrt, hieran zieht über eine Rolle lau­ fend ein bestimmtes Gewicht in der Achse des körperna­ hen K.-Abschnitts; dem Muskelzug an den K.-Stücken wird damit entgegengewirkt (Bild Drahtextension). Auf einer entsprechenden Lagerungsschiene wird für minde­ stens 10—14Tagedie 1. Phase der K.-Heilung abgewartet (Bild Schiene), dann kann meist ein Gips angelegt wer­ den. Bei Kindern kann die Befestigung des Gewichts mit­ tels Pflaster an den Weichteilen vorgenommen werden. 4()9

Splitterbruch

Knochenbruch: Bruch formen

Knoc Eine Gefahr bei der Extensionsbehandlung droht durch die ungenügende Ruhigstellung: Auseinanderklaffen des Bruchspalts durch zu stark ziehendes Gewicht und durch die langdauernde Bettlägerigkeit. Eine konservative K.-Behandlung ist beim Kind fast immer möglich und auch wegen des Knochenwachstums sinnvoll. Beim Erwachsenen werden körpernahe (proxi­ male) Oberarmbrüche, körperferne (distale) Unterarm­ brüche, Hand- und Fußbrüche sowie geschlossene Unter­ schenkelbrüche meist konservativ behandelt. Entspre­ chend wird so bei vielen K. ohne Verrenkung und bei we­ nig klaffendem Bruchspalt verfahren. Die funktionelle Behandlung schließt den frühzeitigen Beginn einer aktiven krankengymnast. Übung ohne Bela­ stung des K. ein. Dieses Vorgehen ist —ohne Gips —bei in sich verkeiltem K. möglich und wird bes. bei alten Men­ schen angestrebt (z. B. bei körpernahem Oberarmbruch). 2) Die operative Behandlung (Osteosynthese) wird we­ gen entscheidender Vorteile immer häufiger angewendet. Es werden operative Frühversorgung, übungsstabile und exakte Einstellung und völlige Ruhigstellung im Bruchge­ biet angestrebt. Angezeigt ist die Operation bei K. der Ge­ lenke, bei offenem K., auch bei Nerven- und Gefäßverlet­ zungen. Jeder K. mit schwerer Fehlstellung, auch nach mißglückter Wiedereinrenkung, soll operativ behandelt werden, ebenso der K. des Schafts der langen Röhren­ knochen (Arm und Bein) und der instabile K. mit Ver­ renkungstendenz. In jedem Einzelfall muß der Chirurg entscheiden. Zur Verfügung stehen folgende operative Verfahren: a) Verschraubung: Eine quer durch den Bruchspalt ge­ führte Schraube bringt den Bruchspalt unter Kompres­ sion und ermöglicht bei genauer Einstellung Kontakt­ heilung. b) Verplattung: Nach Einrenkung des K. wird eine Stahlplatte mit verschiedenen, auch asymmetrisch vorge­ bohrten Löchern über dem Frakturspalt und unter Kom­ pression der Fraktur festgeschraubt; dafür steht eine große Zahl verschiedener Platten mit speziellem Instru­ mentarium zur Verfügung. c) Marknagelung: Ein in die Markhöhle von Ober- oder Unterschenkel eingeschlagener Nagel (Küntschersche Marknagelung) führt zur inneren Schienung< eines K. Vorteil: Bei Querbruch in Schaftmitte besteht nach Mark­ nagelung frühzeitig Belastungsfähigkeit. Auch mehrere Nägel (Bündelnagelung) werden verwendet. Nachteil: keine mechan. Ruhe im Frakturspalt, bes. bei Drehbewe­ gungen. d) Zuggurtung: Eine über den Bruchspalt und durch den benachbarten Knochen geführte 8förmige Draht­ schlinge führt nach dem Prinzip von Zug und Gegenzug zur Kompression des Bruchspaltes (z. B. bei K. der Knie­ scheibe und des Ellenbogenköpfchens). e) äußerer Spanner (-» Fixateur externe): Oberhalb und unterhalb des K. werden insgesamt mindestens 4 Stahl­ nägel durch den Knochen geführt, diese werden außer­ halb rahmen- oder zeltförmig durch längslaufende Me­ tallrohre oder -gewinde gegeneinander verspannt. Dieses Verfahren wird häufig bei offenem K. oder bei Behand­ lung der Knochenmarkentzündung angewendet (meist am Unterschenkel). Die operative K.-Behandlung wurde entscheidend von der schweizer. Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthese­ fragen (Abk. AO) entwickelt. Diese Behandlungsform er­ möglicht — meist ohne Gipsverbände — bereits unmittel­ bar nach der Versorgung aktive Übungen zur Verhinde­ rung von Muskelschrumpfung und Gelenkversteifung. Eine Belastung des K. ist meist erst nach Ausheilung er­ laubt. Einliegende Metallteile nach operativer Behand­ lung werdeni. d. R. nach 6Monaten bis 2 Jahren entfernt, können aber auch belassen werden. Komplikationen nach K. können sein: die -» Fettembo­ lie, die bakterielle -»Knochenmarkentzündung sowie Weichteil- und Gelenkkapselschrumpfung (Dystrophie), die -»Sudecksche Dystrophie (meist bei über 40jährigen bei gelenknahem K. und Weichteilverletzung mit langer Ruhigstellung, oft erst nach 4-8 Wochen auftretend) und das -»Kompartment-Syndrom; es zeigt sich nach K. mit Weichteilverletzung durch eine Gewebsdrucksteigerung 410

in den Muskellogen, wobei Muskelfaszien und Knochen ein Nachgeben und somit Druckausgleich verhindern. Viele Spätschäden können bei sorgfältiger Beobach­ tung der Weichteile vermieden werden! Nachbehandlung: Bei jedem K. frühes aktives Trai­ ning der nicht ruhiggestellten Glieder, isometr. Muskel­ anspannung im Gipsverband zur Verhinderung einer Muskelerschlaffung. Nach operativer Behandlung früher Beginn mit krankengymnast. Übung unter Anleitung. Angestrebt wird i. d. R. eine rasche selbständige Beweg­ lichkeit (z. B. mit Hilfe von Unterarmgehstützen). Die Be­ handlung endet erst bei Erreichen des bestmögl. Funk­ tionsergebnisses. Knochenentzündung, Ostitis, durch offene Kno­ chenbrüche, aber auch durch operative Behandlung von Knochenbrüchen oder Folge von Endoprothesenopera­ tionen bewirkte Entzündung der Knochenrinde. Dabei ist das Knochenmark im Ggs. zur -»Knochenmarkentzün­ dung so gut wie nie beteiligt. Es bestehen starke Schmerzen, die bei Belastung, aber auch nachts zunehmen. Allmählich stellt sich Fieber ein. Ursachen sind Krankenhauskeime (->■ Hospitalismus) oder körpereigene Keime, die sich bei einer Schwäche der körpereigenen Abwehrkräfte bevorzugt in Operationsge­ bieten und an Fremdkörpern (Metallimplantaten oder Implantatzement) ablagern. Die K. ist als verhältnismä­ ßig neues Krankheitsbild deshalb in wesentl. Maß mit der operativen Behandlung von Knochenbrüchen durch Im­ plantate und mit der Einführung der Endoprothesenope­ rationen verknüpft. Die Behandlung ist operativ. Durch eine Spül-SaugDrainage werden Antibiotika in das Gebiet der entzünde­ ten Knochenrinde eingeleitet. Eiter und abgetötete Bakte­ rien werden abgesaugt. Endoprothesen und Zementreste sind vorher zu entfernen. Bei Knochenbrüchen (z. B. nach Nagelung) wird das Metall meist erst dann entfernt, wenn eine knöcherne Überbrückung des Bruchspaltes eingetre­ ten ist. Knochenerweichung, Osteomalazie, Symptom verschiedener Grunderkrankungen mit Abweichungen im Kalzium-Phosphat-Stoffwechsel, bei dem die Minera­ lisation der neugebildeten eiweißhaltigen Knochengrund­ substanz (Knochenmatrix, Osteoid) durch Verarmung an Kalksalzen gestört ist. Es tritt unmineralisiertes Osteoid in abnorm großen Mengen auf. Dadurch verlieren die Kno­ chen an Festigkeit, es kommt zu Knochenverkrümmun­ gen (-»Rachitis). Häufige Ursache war früher ein Vitamin-D-Mangel durch ungenügende Zufuhr mit der Nah­ rung oder fehlende Sonnenbestrahlung (UV-Strahlen). Eine weitere Ursache ist der gestörte Vitamin-D-Stoffwechsel bei der chron. Niereninsuffizienz sowie die man­ gelhafte Fähigkeit, Vitamin D aus erkrankten Darm­ abschnitten aufzunehmen. Eine Reihe weiterer seltener Stoffwechselstörungen spielt zahlenmäßig nur eine unter­ geordnete Rolle. Krankheitszeichen: Die Patienten klagen über Glie­ der- und Kreuzschmerzen, im Röntgenbild erkennt man Verformungen des Skeletts, insbesondere im Bereich des Beckens und der Wirbelsäule. Die Diagnose wird gestellt durch eine Kombination von röntgenolog. und laborchem. Untersuchungen; zusätzl. Sicherung durch mikroskop. Untersuchung von Knochengewebe (-»Biopsie). Die Behandlung besteht in der Substitution des feh­ lenden Vitamin D, die ärztlich sorgfältig überwacht wer­ den muß, um Überdosierungen mit der Gefahr von Kal­ ziumphosphatablagerungen in den Gefäßwänden sowie toxische Hypervitaminosen zu vermeiden. Knochenfistel, Knochenfraß, -»Fistel, -► Kno­ chenmarkentzündung. Knochengeschwülste, -* Knochenauswuchs, -»Knochenkrebs. Knochenhaut, Beinhaut, Periost, die aus 2 Schichten (Kambiumschicht und Stratum fibrosum) be­ stehende Haut, die den -» Knochen umgibt. Knochenhaut|entzündung, Periostitis, akute oder schleichend verlaufende Erkrankung, die nur selten ausschließlich die Knochenhaut betrifft.

Knoc Ursachen: direkte Gewalteinwirkung, Quetschung, Entzündung verschmutzter tiefer Wunden oder indirekte Begleitreaktion bei Sehnenentzündung und Bindege­ webserkrankung sowie bei bestimmten Allgemeinerkran­ kungen durch Keimverschleppung auf dem Blutweg; auch Knochentuberkulose mit fortschreitender Entzündung und Abszeßbildung. Bei einer durch Syphilis hervorgeru­ fenen K. kommt es zu zwiebelschalenähnl. Auflagerun­ gen auf der Knochenhaut und später zum spontanen Knochenbruch. Oft bleibt die Ursache der unspezif. K. unklar. Allgemeine Zeichen der K. sind Schwellung des entspre­ chenden Knochenabschnitts, Schmerzen in Ruhe, starke Schmerzen bei Berührung und Belastung, Bewegungsein­ schränkung und eventuell Fieber. Oft sind im Röntgen­ bild Veränderungen zu erkennen, nach längerem Verlauf gelegentlich Kalkschatten. Die K. kann ohne Komplikation mit völliger Aushei­ lung verlaufen. Liegt eine bakterielle Entzündung vor, kommt es zu eitrig-serösem Ausfluß aus einer vorhande­ nen Wunde, auch ein Durchbruch durch die Haut (Weich­ teilfistel) ist möglich. Das Übergreifen auf Knochen (-► Knochenmarkentzündung) und Gelenk hat langwieri­ gen Krankheitsverlauf und Komplikationen zur Folge. Behandlung: Therapie der Grundkrankheit, örtl. Maßnahmen der Entzündungsbekämpfung, Ruhigstel­ lung, auch chirurgisch durch Eröffnung des Herdes und Ausräumung; Antibiotika. Knochenkrebs, Knochensarkom, Osteosar­ kom, bösartige Geschwulst, die von einem Knochen aus­

geht. An K. erkranken vorwiegend Kinder und Jugend­ liche im 2. Lebensjahrzehnt. Bevorzugt entwickelt sich der K. in der Nachbarschaft der Kniegelenke, in Ober­ schenkel und Schienbein und im schulternahen Teil des Oberarmknochens. Frühe Symptome sind Schmerzen und Schwellung. Der K. wächst schnell und erzeugt früh -»Metastasen in der Lunge. Selbst bei frühzeitiger Amputation oder Exartikulation liegt die 5-Jahres-Überlebensrate nur bei etwa 20%.

Knochenkrebs am Oberarmknochen Knochenmark,

-»Knochen.

Knochenmark|entzündung,

Osteomyelitis,

nach plötzl. Beginn meist langwierige bakterielle Entzün­ dung von Knochen, Knochenhaut und Weichteilmantel, auch mit Übergreifen auf benachbarte Gelenke. In 90% der Fälle hervorgerufen durch den Erreger Staphylococ­ cus aureus. Die akute K. entsteht durch Verschleppung von Keimen auf dem Blutweg (hämatogen), begünstigt durch die Ei­ genart des Gefäßsystems der Knochenmarkhöhle. Sie tritt bevorzugt im 2. Lebensjahrzehnt auf. Ursachen sind Ei­ terherde, z. B. Furunkel, eitrige Erkrankungen von Haut, Zähnen und Mandeln. Bes. häufig sind Schienbein-, Oberschenkel- und Oberarmknochen betroffen. Zur traumatischen K. kommt es durch direkten Keim­ befall nach Verletzung, bes. bei offenem -»Knochen­ bruch, lokaler Entzündung oder als Operationsfolge. Die K. kommt oft erst Wochen nach dem ursächl. Ereignis zum Ausbruch. Bei der erstmalig auftretenden K. finden sich die typ. Zeichen örtl. -»Entzündung; häufig besteht Fieber, es

kommt zu eitriger Sekretion mit Fistelbildung und Bil­ dung eines -► Abszesses, später zum Brodie-Abszeß, einer lange Zeit infolge abgeschwächter Erregervirulenz inakti­ ven Eiteransammlung. Führt die meist Chirurg. Behand­ lung der akuten K. nicht zur Ausheilung, so verläuft die langwierige (chron.) Form oft über Jahre. Es kommt dann zu immer wiederkehrenden Eiterungen aus Knochenfi­ steln nach Knochenzerstörung (Knochenfraß), die den Krankheitsherd im Knochen kanalähnlich mit der Haut verbinden. Beim Voranschreiten der Krankheit sterben unter­ schiedlich große Knochenbezirke ab, es bilden sich leblose -»Knochensequester. Diese führen zu einer Verzögerung des Heilungsprozesses und vermindern die Knochenstabi­ lität; wenn sich der Sequester durch Ummantelung mit Granulationsgewebe abhebt, sieht man im Röntgenbild deutlich den als >Totenlade< bezeichneten Knochen­ umbau. Behandlung: lm akuten Krankheitsschub und auch später werden — je nach Keimart und Verlauf — Antibio­ tika gegeben (bes. Cephalosporine und Aminoglykoside); Ruhigstellung im gefensterten (mit Öffnungen versehe­ nen) Gipsverband (-► Verbände). Meist muß der Infekt­ herd zur Entlastung eröffnet und ausgeräumt werden. Wenn operativ eingebrachte Metallteile einen noch nicht verheilten Knochenbruch ruhigstellen, werden sie zu­ nächst belassen. Bei knöcherner Ausheilung oder mangel­ hafter operativer Versorgung des Knochenbruchs werden ebenso wie bei Lockerung des Metalls die Metallteile ent­ fernt. Immer erfolgt eine Ausräumung von Entzündungs­ herden, Sequestern und Fistelkanälen. Entweder werden in die Wunde eine Spül-Saug-Drainage oder antibiotika­ haltige Ketten eingelegt. Zur erneuten Einrichtung und Ruhigstellung des Knochens ist oft ein äußerer Spanner (-» Fixateur externe) notwendig. Nach Abklingen der Ent­ zündung wird mit dem Aufbau des Knochens durch -► Knochentransplantati'on begonnen. Eine besondere Form der K. ist die -» Knochentuberku­ lose, die in schwammiger Knochensubstanz (Spongiosa) und Knochenmark in >verkäsender< Form und mit Ab­ szeßbildung auftritt. Eine K., bes. die chron., ist immer eine schwere Erkran­ kung, die durch Dauer, Kosten und psych. Belastung des Kranken eine große Sozialmedizin. Bedeutung hat. Knochenmarkpunktion, Sternalpunktion, An­ stechen des Brustbeins in Höhe der 3. Rippe mit einer dikken Hohlnadel, um durch Ansaugen Knochenmark zur Untersuchung zu gewinnen. Durch vorherige Einsprit­ zung von Novokainlösung in die äußere Haut und die schmerzempfindl. Knochenhaut (Periost) ist der Eingriff fast schmerzfrei. Die K. ist bei vielen Blutkrankheiten wichtig zur Erken­ nung und richtigen Einordnung der Krankheit. Ferner kann die Auswirkung therapeut. Maßnahmen kontrol­ liert und beurteilt werden, ob Tendenz zum Fortschreiten oder Heilen einer Krankheit vorliegt. Durch K. können in Notfällen auch Arzneimittel unmittelbar in die Blutbahn eingebracht und Bluttransfusionen ausgeführt werden. Um eine Beurteilung der Art und Zusammensetzung der Knochenmarkzellen im Bereich der Knochenbälkchen (Spongiosa) zu ermöglichen, bedient man sich heute meist der Beckenkammtrepanation. Hierbei wird in örtl. Betäu­ bung ein kleiner Knochenteil abgemeißelt oder ein Kno­ chenmarkzylinder mit einer Trepanationsnadel entnom­ men und histologisch untersucht. Knochennarbe, der-»Kallus. Knochensarkom, der-»Knochenkrebs. Knochenschwund,Knochen|atrophie, Schwund der knöchernen Gerüstsubstanz der Knochen (der Rinde und der Bälkchen), im Ggs. zur -»Knochenerweichung, bei der zunächst nur eine Verarmung an Kalksalzen auf­ tritt. Im höheren Alter kommt es regelmäßig zu einem K. (seniler K.). Die Knochen können dabei ganz porös und brüchig werden (Osteoporose). Eine Folge des senilen K. sind die im Alter oft auftretenden Schenkelhalsbrüche am Oberschenkel, auch einzelner Rippen oder Wirbelkörper. K. kann auch bei Nichtgebrauch gelähmter oder ver­ steifter Glieder auftreten (befällt die Lähmung einen Her411

Knochenschwund: oben Querschnitt durch

das Schienbein eines alten, unten eines jungen Menschen

Knoc anwachsenden, bleibt der Knochen im Längenwachs­ tum zurück, z. B. bei Kinderlähmung), bei Knochen­ markentzündung, Knochentuberkulose, infektiösen Gelenkkrankheiten und Nervenschäden im Zusammen­ hang mit Rückenmarkkrankheiten (Tabes dorsalis, Syringomyelie). Auf Störungen der Ernährungsnerven der Knochen be­ ruht die auch nach verhältnismäßig leichten Verletzungen eintretende Sudecksche Dystrophie (im Röntgenbild si­ cher zu erkennen) mit Entkalkung, Festigkeitsverlust des Knochens und Schmerzen. Ferner haben Drüsen mit inne­ rer Sekretion Einfluß auf den Kalkstoffwechsel (Neben­ schilddrüse und Schilddrüse) und das Knochenwachstum (Vorderlappen der Hypophyse). Die Behandlung richtet sich nach der Ursache. Knochensequester, abgestorbener Teil eines Kno­ chens bei -► Knochenmarkentzündung, der allmählich vom gesunden Knochengewebe abgestoßen wird und häu­ fig eine Fisteleiterung bewirkt. Mitunter eitert er von selbst an die Hautoberfläche, meist wird er operativ ent­ fernt (Sequestrotomie). Knochenspan, -► Knochentransplantation. Knochentransplantation, Verpflanzung von Kno­ chenstücken zur Auffüllung von Knochendefekten, z. B. Tumorhöhlen oder Falschgelenken. Die benötigten Kno­ chenteile können entweder direkt von der eigenen gesun­ den Knochensubstanz an anderer Stelle des Körpers (autogen) oder von einem fremden Knochen (allogen) ent­ nommen werden (-»Knochenbank). Meist werden zer­ kleinerte schwammartige Knochen (Spongiosa) oder Späne bis 2 cm Größe verwendet. Die Angehrate beträgt etwa 80%; sie ist abhängig von der Transplantatlage, der Durchblutung und mögl. Infektionen, wobei auch immunolog. Reaktionen auftreten können. Große K. mit direk­ tem Anschluß an den Blutkreislauf durch Gefäßnaht sind im Versuchsstadium. Knochentuberkulose, Knochenerkrankung bes. bei Jugendlichen, hervorgerufen durch Aussaat von Tu­ berkelbakterien auf dem Blutweg. Die K. bevorzugt das Knochenmark, wo sich ein Granulationsgewebe mit zahl­ reichen Tuberkeln entwickelt, das den benachbarten Kno­ chen einschmilzt. Durch Verkäsung und eitrige Erwei­ chung (kalter Abszeß) entstehen Höhlen und -»Sen­ kungsabszesse, nach Durchbrechen der Haut bilden sich Fisteln. Bes. häufig sind die Knochen mit schwammigem Mark betroffen, z. B. die Wirbelsäule, bei deren Aushei­ lung sich mitunter ein Buckel (Gibbus) entwickelt. Bevor­ zugt befallen werden ferner die Enden der Röhrenkno­ chen und die Hand- und Fußwurzelknochen. Bei der Tu­ berkulose z. B. der Fingerknochen (Spina ventosa, >Winddorn Röntgenkontrastmittel. Kontrazeption, die -»Empfängnisverhütung. Kontusion, Prellung, die -» Quetschung. Konvention [lat. >ÜbereinkunftVereinbarungSpielregeln< im zwischenmenschl. Verhalten notwendig (-»Rituale); Abweichungen von den K. werden im allge­ meinen weniger stark mit negativen Sanktionen (meist Mißbilligung) belegt als bei sozialen Normen. Konvergenz, die unwillkürl. Einstellung beider Seh­ achsen auf einen fixierten Punkt. Das geschieht im Zu­ sammenhang mit der -»Akkommodation durch entspre­ chende Drehung der Augäpfel. Konversion, einer der zentralen Inhalte des -»LeibSeele-Problems. Nach Auffassung der Psychoanalyse be­ deutet K. zunächst das Zurückdrängen von bestimmten, bewußt nicht annehmbaren, mit Angst und Selbstvorwür­ fen verbundenen konflikthaften Triebwünschen in das Unbewußte (-► Verdrängung). Danach kommt es zur Um­ setzung der verdrängten Inhalte in körperl. Symptome (bes. vegetative Störungen, Lähmungen oder Schmer­ zen); der verdrängte Konflikt wird durch die K.-Sym­ ptome symbolisch dargestellt. Diese (>hysterischeempfangenK.< bezeich­ net werden, stehen zur echten K. in keiner Beziehung. Kopf |index, kraniometrischer Index, der-»Längen-Breiten-lndex. Kopflage, die häufigste Lage des Kindes bei der Ge­ burt (etwa 96%), bei der im Ggs. zur -» Beckenendlage der kindl. Kopf im Geburtskanal am tiefsten steht und zuerst geboren wird. Man unterscheidet bei der K. die normale Hinterhauptslage von der -»Deflexionshaltung (Bild Geburt). Kopflaus, Pediculus capitis, eine der 3 Läusearten neben der Kleiderlaus und der Filzlaus (-► Läuse), die den Menschen befallen. Die im Mittel etwa 2,5 mm (Männ­ chen) und 3,0 mm (Weibchen) langen blutsaugenden Ek­ toparasiten leben in den Kopfhaaren, bes. am Hinter­ kopf, und an der Kopfhaut, bei sehr starker Verlausung in seltenen Fällen auch an Bart- und Körperhaaren oder den Augenbrauen. Dieetwa0,8 mm langen Läuseeier (Nissen) werden normalerweise an den Ansätzen der Kopfhaare befestigt. Die Entwicklung von der Eiablage über die 3 Larvenstadien bis zur K. dauert unter natürl. Bedingun­ gen 20—25 Tage. Läusestiche sind im allgemeinen mit heftigem Juckreiz verbunden. Kratzen führt oft zu Ekzemen und Geschwü­ ren durch bakterielle Infektion. Bei starker Verlausung kann es durch Absonderungen der gereizten Kopfhaut und Verklebung der Haare durch Nissen zum »Weichselzopf< kommen. Die K. ist, wenngleich in viel geringerem Maß als die Kleiderlaus, auch Überträger der Erreger des -»Rückfallfiebers, des -► Fleckfiebers und des Wolhynischen Fiebers (-»Fünftagefieber). Die Übertragung von K. erfolgt meist durch Kopfhaarkontakt, über verlauste Kopfbedeckungen, Schals, Halstücher, Bettzeug, Bür­ sten u. a. Über Bekämpfung der K. -»Entlausung. Kopflichtbad, Form der Wärmebehandlung, die heute nur noch gelegentlich in der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde angewendet wird (-► Lichtbehandlung). In einem K.-Kasten, der dem liegenden oder sitzenden Kranken über den Kopf gestülpt wird, entsteht durch Glühlampen eine Temperatur von 40—45 °C. Die intensive gleichmäßige Wärme bewirkt durch Gefäßerweiterung eine erhöhte Durchblutung von Haut und Geweben. Das K. wird nach vorheriger Gabe von abschwellenden Nasentropfen angewendet bei Nebenhöhlenentzündun­ gen (Kieferhöhlen-, Stirnhöhlen-, Siebbeinentzündung), Tubenkatarrh, Mittelohrkatarrh (laufendesOhr), Mittel­ ohrentzündung sowie bei Schnupfen und Rachenkatarrh. Behandlungsdauer: 20 Minuten, ggf. mehrmals täg­ lich. Die Augen sind abzudecken. Nach dem K. Kopf warmhalten, Zugluft vermeiden! Kopfnicker, Kopfdreher, Musculus cleidomastoidei us, der am Brustbein und

sterno­

Schlüssel­ bein entspringende, zum Warzenfortsatz und Hinter­ hauptsbein ziehende Muskel. Er bildet oberhalb des Brustbeins auf jeder Seite einen die Kehlgrube (Jugulum) begrenzenden kräftigen Vorsprung. Der K. zieht bei ge­ meinsamer Wirkung der Muskeln beider Seiten den Kopf nach vorn, dreht ihn bei einseitiger Wirkung nach der ent­ gegengesetzten Seite und senkt das Kinn. Kopfrose, -»Wundrose. Kopfschmerz, ein allgemeines Krankheitszeichen, das von Gefäßen und Nerven und/oder von der Hirnhaut im Schädelinnern ausgeht. Spontane Schmerzen ohne äu­ ßere Verletzung entstehen überwiegend durch Druckän­ derung im Gehirn mit Änderungdes pH-Werts im Gewebe oder durch Krampfzustände der glatten Gefäßmuskula­ tur. K. hat seine Ürsache bes. in der Tatsache, daß die in der Schädelhöhle gelegenen Organe von einer festen, all­ seitig geschlossenen knöchernen Hülle umgeben sind und

daher Änderungen des im Innern dieser Höhle herrschen­ den Drucks (Erhöhung und Erniedrigung, z. B. durch Stö­ rungen im Flüssigkeitsaustausch) als dumpfes Druckge­ fühl oder Schmerz empfunden werden. Neben den Nerven und Gefäßen der äußeren Weichteile sind nur ganz be­ stimmte Strukturen des Schädelinnern schmerzempfind­ lich: Teile der harten Hirnhaut, die venösen Blutleiter, die Schlagadern an der Hirnbasis, die großen Blutgefäße der harten Hirnhaut und die sensiblen Hirnnerven. Das Hirn­ gewebe selbst, die weichen Hirnhäute und die kleineren Blutgefäße zeigen keine Schmerzempfindung. K. tritt des­ halb auf, wenn die empfindl. Strukturen durch Zug, Druck, Verschiebung, Dehnung oder Entzündung (alles zusammen z. B. durch Gewalteinwirkung bei Schädelver­ letzungen) gereizt werden. Die häufigste Ursache von K. sind Änderungen der Durchblutung in den Gefäßen außerhalb und innerhalb des Schädels, bes. im Zusammenhang mit Veränderungen der Halswirbelsäule. Diese Änderungen können vegeta­ tiv-funktionell oder organisch bedingt sein. Nervöse, ve­ getativ und seelisch empfindl. Menschen leiden bes. an K. durch Gefäßkrämpfe. Aber nicht nur Blutgefäßver­ krampfungen, sondern auch Erschlaffungen der Blutge­ fäße können zu K. führen, z. B. bei der Migräne. K. ist ein sehr vielschichtiges Symptom, weshalb oft die eigtl. Störung nicht festzustellen ist. Bei den hartnäckigen und schweren Formen spielen wahrscheinlich v. a. Ände­ rungen des Drucks der Gehirnflüssigkeit eine maßge­ bende Rolle. Der gewöhnl. K. ist meist ein Zeichen von Übermü­ dung, geistiger Überarbeitung oder erhöhter nervöser Überbeanspruchung. Er ist oft das erste Anzeichen einer beginnenden fieberhaften Erkrankung; auch bei gestörter Verdauung (z. B. Verstopfung), bei Frauen vor Eintritt der Menstruation, bei Hungerzuständen, bedingt durch >Magenleere< oder Abfall des Blutzuckers (Hypoglyk­ ämie), kann es zu K. kommen. Bei Menschen, die zu K. neigen, treten sie verstärkt bei Wetterwechsel und bes. bei -►Föhn auf. Behandlung: Natürl. Maßnahmen wie Bewegung in frischer Luft, kalte Kompressen auf den Kopf oder in den Nacken (seltener wird Wärme als angenehm empfunden), ein sehr heißes Sitzbad oder Wechselfußbäder, eine Tasse starken Kaffees lassen den akuten Schmerz meist abklin­ gen. Je zeitiger etwas gegen K. unternommen wird, umso leichter ist der sich anbahnende Schmerz zu beheben. Auf dem Höhepunkt des Schmerzes hilft i. d. R. nichts mehr. Am besten sind zu diesem Zeitpunkt ein schmerzstillendes Zäpfchen, Bettruhe und Lagerung auf Nackenrolle. Auf Tabletten sollte verzichtet werden, da sie meist das mit dem K. einhergehende Übelkeitsgefühl nur noch verstär­ ken. Durch langdauernde Einnahme von K.-Mitteln (bes. wenn diese Phenacetin enthalten) können außerdem Nie­ ren- und Blutschäden auftreten. Es gibt kaum andere Be­ schwerden, die derart zu Arzneimittelmißbrauch ver­ leiten. Jeder anhaltende K. sollte vom Arzt auf seine Ursache hin untersucht werden. Häufiger K. tritt oft durch Über­ anstrengung der Augen auf, so daß er durch entspre­ chende Sehhilfen beseitigt werden kann; auch chron. Entzündungen der Augen können K. hervorrufen. Der überwiegend vom Nacken auf den behaarten Kopf aus­ strahlende Schmerz ist häufig Folge einer degenerativen Halswirbelsäulenerkrankung mit dadurch bedingten zentralen Durchblutungsstörungen. Weitere Ursachen für anhaltenden K. können Entzündungen der Nasen­ nebenhöhlen, bes. der Stirnhöhlen, dauernde Erhöhung des Blutdrucks, schwere Allgemeinerkrankungen, bes. Nierenleiden, sein; in seltenen Fällen kann die Ursache im Gehirn selbst (Geschwulst) oder in seinen Häuten (Ge­ hirnhautentzündung) liegen. Über anfallsweise auf­ tretenden Halbseiten-K. -»Migräne. Auch ein Anfall von -►grünem Star ist mitunter Ursache eines starken Halb­ seiten-K. In solchen Fällen ist zur Erhaltung der Sehkraft schnellstes ärzti. Eingreifen erforderlich. Die Behandlung aller dieser Arten von K. richtet sich nach der Ursache und kann nur vom Arzt durchgeführt werden. 421

Kopflaus

Kopflaus: Kopfhaar mit Nissen

Kopf

Kornblume

o

Kopfschuppen, Schinnen, eine kleieartige Haut­ abschuppung des behaarten Kopfes, -»Seborrhö. Kopfschwarte, flächenhafte, haubenförmige, star­ ke Sehne (Aponeurose), die den ganzen Schädel unter der behaarten Kopfhaut bedeckt. Die Stirn- und Hinterhauptsmuskeln strahlen in die K. ein und können sie bewe­ gen. Ein Abriß der K. (Unfallverletzung) hat -»Skalpie­ rung zur Folge. Kopf|uhr, Bezeichnung für die Fähigkeit mancher Menschen, ohne Wecker vorsätzlich und pünktlich zu der von ihnen vorher festgelegten Zeit aufzuwachen. Die Zeit­ schätzung, die ohne äußere Reize wie schlagende Uhren oder Tageslicht die Schlafdauer regelt, scheint an einen unterbewußten seel. Ablauf gebunden zu sein, der erlern­ bar ist. Offenbar hängt er eng mit der Konzentrationsfä­ higkeit und der Willensartung eines Menschen zusam­ men , also mit der Fähigkeit zu bewußter und systemat. Le­ bensführung. Kopliksche Flecke [n. dem amerikan. Kinderarzt H. Koplik, * 1858, 1 1927], zu Beginn der -»Masern auf der Wangenschleimhaut in der Mundhöhle (nicht immer) auftretende kleine weiße Pünktchen auf gerötetem Grund, welche die frühzeitige Erkennung der Masern er­ möglichen. Koppelung, in der Genetik die gemeinsame Übertra­ gung von Erbanlagen, die nahe benachbart im gleichen Chromosom liegen (-»Vererbung). Koprolithe, die -► Kotsteine. Korakoid, Rabenschnabelfortsatz, der nach sei­ ner Form benannte Knochenfortsatz des Schulterblattes, an dem Muskeln und Bänder ansetzen. (-»Schulter) Korbhenkelriß, häufigster Meniskusschaden des Kniegelenkes bei Überlastung und gleichzeitiger Gelenk­ torsion. Das Trauma, das vorwiegend bei Skiläufern und Fußballspielern auftritt, bewirkt einen Längsriß des Me­ niskus, meist parallel zum Seitenrand und eine Verlage­ rung des medialen Meniskusanteils ins Gelenkinnere. (Bild Meniskus) Koriander, Coriandrum sativum, zu den Doldenblütern (Umbelliferae) gehörende, bis 50 cm hohe Ge­ würzpflanze mit gestreiftem Stengel, weißen Blüten und pfefferkorngroßen, kugeligen, hohlen Früchten; hei­ misch im östl. Mittelmeergebiet, auch in Europa ange­ baut. Die Früchte enthalten bis zu 1% äther. Öl, haupt­ sächlich Linalool. Anwendung: Heilpflanzen, Über­ sicht. (Bild Gewürze) Korium, die Lederhaut (-»Haut). Kornblume, Centaurea cyanus, zu den Korbblütern (Compositae) gehörende, bis 70 cm hohe Pflanze mit meist blauen Strahlblüten. Die getrockneten oberird. Teile enthalten Stoffe mit vermutlich harntreibender, entzündungs- und keimhemmender Wirkung. Anwendung: Heilpflanzen, Übersicht. Kornea, Cornea, die Hornhaut des -»Auges. Körnerkrankheit, ägyptische Augenkrankheit,

das -»Trachom.

die Herzkranzarterien. Verschluß einer Koronararterie durch ein Blutgerinnsel (-» Embolie); verläuft klinisch un­ ter dem Anzeichen eines -► Herzinfarkts und wird wie die­ ser behandelt. Koronargefäße [lat. corona >Kranzein Herz zu habenreinen< Typ, son­ dern eine >Mischung< verschiedener Körperbauelemente. Körperbehinderung, -► Behinderte. Körpergewicht, das u. a. von Alter, Körpergröße, Geschlecht und Ernährungszustand abhängige Gewicht des Menschen. Einen groben Anhaltspunkt für das Soll­ gewicht liefert die -»Broca-Formel. Einen zuverlässige­ ren Bezugspunkt für das Sollgewicht bietet das Idealge­ wicht, das Gewicht mit der höchsten statistisch errechne­ ten Lebenserwartung, das je nach Körpergröße und Ge­ schlecht meist 10— 15 % unter dem nach der Broca-Formel errechneten K. liegt. Wird das Sollgewicht um 10% über­ schritten, spricht man von Übergewicht, bei 20% oder mehr von-»Fettleibigkeit. Das K. großer Teile der Bevöl­ kerung hochindustrialisierter Staaten liegt über dem Soll­ gewicht. (Tabelle S. 424) Körpergröße, Körperlänge, die vom Scheitel bis zur Sohle gemessene Länge des Menschen. Die normale K. beträgt beim Neugeborenen 48—54 cm, beim Erwachse­ nen etwa 150— 190 cm. Frauen sind durchschnittlich 10 cm kleiner als Männer. Ein Zurückbleiben der K. unter der Altersnorm wird als Minderwuchs mit den Abstufungen Klein wuchs (etwa 130—150 cm) und Zwergwuchs (etwa 80-130 cm) bezeichnet. Von Riesenwuchs spricht man, wenn die K. bei der Frau 185 cm, beim Mann 200 cm über­ steigt. (-»Zwergwuchs, -»Riesenwuchs, -»Wachstum, -► Entwicklungsbeschleunigung) Körpermaße, die Abmessungen des menschl. Kör­ pers mit den Vergleichswerten von Körperlänge und Kör­ pergewicht. Um die Entwicklung im Kindes- und Jugendalter beur­ teilen zu können, vergleicht man Länge und Gewicht, auch Brustumfang und andere K. der untersuchten Perso­ nen mit Mittelwerten (-»Wachstum, -»Körpergewicht, -►Körpergröße). Die Verwendung solcher Mittelwerte läßt Konstitutions- und sonstige Bevölkerungsunterschiede, die nicht krankhaft sind, unberücksichtigt. Für die verschiedenen Typen müßten dazu verschiedene Beziehungen zwischen Gewicht und Länge, Brustumfang und Länge usw. als Normalwerte zugrunde gelegt werden. Man hat ferner beobachtet, daß die Kinder heute grö­ ßere Längen und höhere Gewichte aufweisen als gleich­ altrige Kinder etwa in der Zeit vor dem 1. Weltkrieg. Diese >Wachstumsbeschleunigung< (Akzeleration) betrifft gleichzeitig Länge und Gewicht. Die Erscheinung, daß die Menschen im Durchschnitt in heutiger Zeit etwas größer sind als die Menschen im vorigen Jh., hängt hiermit nicht unmittelbar zusammen. Denn der Unterschied bei der durchschnittl. Endgröße des Erwachsenen ist weit gerin­ ger als bei der kindl. Wachstumsbeschleunigung, die zum wesentl. Teil durch ein verfrühtes Erreichen der endgülti­ gen Körpergröße abgeschlossen wird (-»Entwicklungs­ beschleunigung). Die Statistik von Körpergröße ergibt erstaunl. Regel­ mäßigkeiten der Streuung, weshalb sie schon seit den grundlegenden Untersuchungen von A. Quetelet (* 1796, 1 1874) zu Anfang des 19. Jh. zu den meistbear­ beiteten Gegenständen der biolog. Statistik gehört. Körperpflege, Teil der prakt. Gesundheitspflege, dient der-»Gesunderhaltung. Zur K. gehören u. a. -»At­ mungsgymnastik, -»Bad, -»Fußpflege, -»Gymnastik, -► Haarpflege, -» Hautpflege, -► Hygiene, -► Leibesübun-

gen, -»Mundpflege, -» Nagelpflege, -»Schönheitspflege, -►Zahnpflege. Körperpfleger, Berufsgruppe der allgemeinen Dienstleistungsberufe, umfaßt die Berufsordnungen Fri­ seure und sonstige K., zu denen z. B. Kosmetikerinnen und Fußpfleger gehören. Die Berufe der medizin. Fußund Handpfleger(innen) sind staatlich noch nicht aner­ kannt, daher gibt es keine Aus- und Weiterbildungsvor­ schriften. Ausbildung: nach 2jähriger Anlernzeit in einem Kör­ perpflegebetrieb Besuch einer Körperpflegefachschule unter ärztl. Aufsicht. Kenntnisse in Orthopädie und in den Hautfunktionen sind erforderlich. Kosmetikerinnen werden an Fachschulen ausgebildet. Körperproportionen, das Größenverhältnis der ein­ zelnen menschl. Körperabschnitte untereinander und zum Gesamtkörper; die K. wechseln nach Alter, Ge­ schlecht, Rasse, Körperbautyp, Berufs-, Ernährungsu. a. Verhältnissen (-►Wachstum). Körperschema, die als leibhaftig und wirklich zum eigenen Ich gehörig erlebte Raumgestalt des eigenen Körpers. Das K. entsteht im Lauf der Entwicklung auf Grund der erfahrenen Kraft- und Bewegungserlebnisse sowie der Berührungswahrnehmungen. Abnorme Ver­ zerrungen oder Störungen des K. können durch Rausch­ mittel oder neurolog. und psychot. Erkrankungen ver­ ursacht werden. Körperschutzmittel, i. e. S. für Einzelpersonen her­ gestellte Schutzausrüstungen am Arbeitsplatz, die im Rahmen des -►Arbeitsschutzes am Körper getragen oder gehalten werden; zu ihnen rechnen v. a. Schutzanzüge, -schürzen, -schuhe, -helme, -masken, -brillen, Greif­ schutz, Atemschutzgeräte, Gehörschutz, Sicherheits­ schuhe und -gurte sowie die Seilsicherung. K. sind not­ wendig, wenn andere Arbeitsschutzmaßnahmen nicht möglich oder nicht ausreichend wirksam sind. I. w. S. werden auch Mittel, die zum Schutz des Kör­ pers benutzt werden, z. B. Hautschutzsalben und Haut­ desinfektionsmittel, alsK. bezeichnet.

Körperschutzmittel: Flammen- und Hitzeschutz für den Stahl­ arbeiter (weitere Bilder Atemschutzgeräte, Unfallverhütung) Körpertemperatur, die beim Menschen und den Warmblütern des Tierreichs durch ehern. Umsetzungen im Körper aufrechterhaltene, von der Temperatur der Umgebung mehr oder weniger unabhängige Körper­ wärme. Der Mensch gehört zu den Lebewesen, die mit Hilfe be­ stimmter Regulierungseinrichtungen ihre Körperwärme auf gleicher Höhe halten. Sie beträgt im Durchschnitt 37 °C. Die normale Temperatur des Menschen schwankt in engen Grenzen. Die Morgentemperatur ist etwas niedri­ ger als die Abendtemperatur. Die Schwankungen sind bei den einzelnen Menschen verschieden. Abweichungen von 0,3 °C nach oben und nach unten von dem Durchschnitts­ wert von 37 °C sind als normal zu betrachten. Bei rektal ge­ messener Temperatur von 38 °C besteht -» Fieber. Die Wärme im Körper entsteht durch den Stoffwechsel.

423

Körpergewicht: Durchschnitts- und Idealgewichte Erwachsener

Größe (in Schuhen) cm

Idealgewicht2) in Kilogramm (in Hauskleidern), 25 Jahre und älter

Durchschnittsgewicht1) in Kilogramm (in Hauskleidern)

153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177 178 179 180 181 182 183 184 185 186 187 188 189 190 191 192 193 194 195

44,9 45,6 46,3 47,2 48,1 49,0 49,9 50,8 51,7 52,6 53,5 54,4 55,3 56,1 57,0 57,9 58,8 59,7 60,6 61,5 62,4 63,3 64,2 64,9 65,7 66,4 67,1 67,8 68,5 69,2 70,0 70,9 71,7 72,6 73,5 74,4 75,3 76,2 77,1 78,0

148 149 150 151 152 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177 178 179 180 181 182 183 184 185

44,4 44,9 45,4 46,0 46,5 47,1 47,9 48,6 49,3 50,0 50,6 51,1 51,7 52,2 52,8 53,4 54,1 54,8 55,5 56,2 56,9 57,4 58,0 58,6 59,4 60,1 60,8 61,5 62,2 62,9 63,6 -

-

-

50-59 Jahre

60-69 Jahre

leichter Knochenbau

mittelschwerer Knochenbau

schwerer Knochenbau

59,7 60,3 60,8 61,3 61,9 62,5 63,2 63,9 64,7 65,4 66,1 66,8 67,5 68,2 68,9 69,7 70,4 71,1 71,8 72,5 73,2 73,9 74,7 75,5 76,4 77,3 78.0 78,7 79,5 80,4 81,3 82,0 82,7 83,5 84,4 85,3 86,2 87,1 88,1 89,2 90,2 91,3 92,4

Männer 61,1 62,0 61,6 62,5 62,2 63,1 62,7 63,6 64,1 63,2 63,9 64,7 65,2 64,6 65,3 65,8 66,0 66,5 66,7 67,2 67,9 67,5 68,2 68,6 69,4 68,9 69,6 70,0 70,8 70,3 71,5 71,1 72,4 72,0 73,3 72,9 74,1 73,6 74,8 74,3 75,5 75,0 76,2 75,8 76,9 76,5 77,3 77,8 78,7 78,2 79,6 79,1 79,8 80,5 80,5 81,3 81,3 82,2 82,2 83,1 83,1 84,0 84,7 83,8 85,4 84,5 85,3 86,2 87,1 86,2 87,1 88,0 88,9 88,0 89,8 88,9 89,9 90,8 91,9 91,0 92,9 92,0 94,0 93,1 94,2 95,1

60,7 61,2 61,7 62,2 62,8 63,3 63,9 64,4 65,1 65,8 66,6 67,3 68,0 68,7 69,4 70,2 71,1 72,0 72,7 73,4 74,2 75,1 76,0 76,9 77,8 78,7 79,5 80,4 81,3 82,2 83,1 84,0 84,9 85,8 86,7 87,6 88,5 89,4 90,3 91,4 92,5 93,6 94,6

50,5-54,2 51,1-54,7 51,6-55,2 52,2-55,8 52,7-56,3 52,3-56,9 53,8-57,4 54,3-57,9 54,9-58,5 55,4-59,2 55,9-59,9 56,5-60,6 57,2-61,3 57,9-62,0 58,6-62,7 59,4-63,4 60,1-64,2 60,8-64,9 61,5-65,6 62,2-66,4 62,9-67,3 63,6-68,2 64,4-68,9 65,1-69,6 65,8-70,3 66,5-71,0 67,2-71,8 67,9-72,5 68,6-73,2 69,4-74,0 70,1-74,9 70,8-75,8 71,5-76,5 72,2-77,2 72,9-77,9 73,6-78,6 74,4-79,3 75,1-80,1 75,8-80,8

53,3-58,2 53,8-58,9 54,3-59,6 54,9-60,3 55,4-60,9 55,9-61,4 56,5-61,9 57,0-62,5 57,6-63,0 58,1-63,7 58,6-64,4 59,2-65,1 59,9-65,8 60,7-66,6 61,4-67,4 62,1-68,3 62,8-69,1 63,5-69,9 64,2-70,6 64,9-71,3 65,7-72,0 66,4-72,8 67,1-73,6 67,8-74,5 68,5-75,4 69,2-76,3 69,9-77,2 70,7-78,1 71,4-79,0 72,1-79,9 72,8-80,8 73,5-81,7 74,4-82,6 75,3-83,5 76,2-84,4 77,1-85,3 78,0-86,1 78,9-87,0 79,8-87,9

56,9-63,7 57,4-64,2 58,0-64,8 58,5-65,3 59,0-66,0 59,6-66,7 60,1-67,5 60,7-68,2 61,2-68,9 61,7-69,6 62,3-70,3 62,9-71,1 63,6-72,0 64,3-72,9 65,1-73,8 66,0-74,7 66,9-75,5 67,6-76,2 68,3-76,9 69,0-77,6 69,7-78,4 70,4-79,1 71,2-80,0 71,9-80,9 72,7-81,8 73,6-82,7 74,5-83,6 75,2-84,5 75,9-85,4 76,7-86,2 77,6-87,1 78,5-88,0 79,4-88,9 80,3-89,8 81,1-90,7 81,8-91,6 82,5-92,5 83,2-93,4 84,0-94,3

52,4 52,8 53,1 53,7 54,2 54,8 55,3 55,8 56,3 56,9 57,4 58,0 58,5 59,0 59,6 60,1 60,7 61,2 61,9 62,6 63,2 63,8 64,3 65,0 65,7 66,4 67,1 67,9 68,6 69,3 70,0 70,9 71,8 72,7 73,6 74,5 75.4 76,3

Frauen 55,6 56,9 55,9 57,3 57,7 56,3 56,9 58,2 57,4 58,8 57,9 59,3 58,5 59,8 60,4 59,0 59,5 60,9 61,4 60,0 60,6 62,1 61,1 62,8 61,7 63,5 62,4 64,2 64,9 63,1 65,7 63,8 64,3 66,4 64,8 67,1 65,5 67,8 66,2 68,5 69,2 66,9 67,6 69,9 68,4 70,6 69,1 71,3 69,8 72,1 70,5 72,8 71,2 73,5 71,9 74,2 72,8 75,1 73,7 75,9 76,8 74,6 77,7 75,5 76,4 78,6 77,2 79,6 80,7 78,1 79,0 81,8 82,9 79,9 80,8 83,9

42,0-44,8 42,3-45,4 42,7-45,9 43,0-46,4 43,4-47,0 43,9-47,5 44,4-48,0 44,9-48,6 45,4-49,1 46,0-49,6 46,5-50,2 47,1-50,7 47,6-51,2 48,2-51,8 48,7-52,3 49,2-52,9 49,8-53,4 50,3-53,9 50,8-54,6 51,4-55,3 52,0-56,0 52,7-56,8 53,4-57,5 54,1-58,2 54,8-58,9 55,5-59,6 56,3-60,3 57,0-61,0 57,7-61,9 58,4-62,8 59,1-63,6 59,8-64,4 60,5-65,1 61,3-65,8 62,0-66,5 62,7-67,2 63,4-67,9 64,1-68,6

43,8-48,9 44,1-49,4 44,5-50,0 45,1-50,5 45,6-51,0 46,1-51,6 46,7-52,1 47,2-52,6 47,7-53,2 48,2-53,7 48,8-54,3 49,3-54,8 49,9-55,3 50,4-56,0 51,0-56,8 51,5-57,5 52,0-58,2 52,6-58,9 53,3-59,8 54,0-60,7 54,7-61,5 55,4-62,2 56,1-62,9 56,8-63,6 57,5-64,3 58,3-65,1 59,0-65,8 59,7-66,5 60,4-67,2 61,1-67,8 61,8-68,6 62,5-69,3 63,3-70,1 64,0-70,8 64,7-71,5 65,4-72,2 66,1-72,9 66,8-73,6

47,4-54,3 47,8-54,9 48,2-55,4 48,7-55,9 49,2-56,5 49,8-57,0 50,3-57,6 50,8-58,1 51,3-58,6 51,9-59,1 52,4-59,7 53,0-60,2 53,5-60,8 54,0-61,5 54,6-62,2 55,2-62,9 55,9-63,7 56,7-64,4 57,3-65,1 58.1-65,8 58,8-66,5 59,5-67,2 60,2-67,9 60,9-68,6 61,6-69,3 62,3-70,1 63,1-70,8 63,8-71,5 64,5-72,3 65,2-73,2 65,9-74,1 66,6-75,0 67,3-75,9 68,1-76,8 68,8-77,7 69,5-78,6 70,2-79,5 70,9-80,4

20-24 Jahre

25-29 Jahre

30-39 Jahre

51,7 52,1 52,6 53,2 53,7 54,3 55,1 55,8 56,5 57,2 58,0 58,7 59,4 60,1 60,8 61,6 62,2 62,9 63,6 64,3 65,1 65,8 66,5 67,2 67,9 68,6 69,3 70,1 70,9 71,8 72,7 73,4 74,1 74,8 75,5 76,2 76,9 77,7 78,4 79,1 79,8 80,5 81,2

55,7 56,2 56,7 57,2 57,8 58,4 59,1 59,9 60,6 61,3 61,9 62,5 63,0 63,5 64,1 64,6 65,1 65,7 66.4 67,1 67,8 68,5 69,2 69,9 70,6 71,4 72,1 72,8 73,6 74,5 75,4 76,1 76,8 77,5 78,2 79,0 79,7 80,4 81,0 81,5 82,1 82,6 83,2

58,4 58,9 59,5 60,0 60,5 61,2 61,9 62,6 63,1 63,7 64,2 64,8 65,3 66,0 66,7 67,3 67,9 68,4 69,1 69,8 70,5 71,2 71,9 72,6 73,4 74,1 74,8 75,5 76,3 77,2 78,1 79,0 79,9 80,8 81,7 82,6 83,3 84,0 84,7 85,4 86,2 86,9 87,6

45,3 45,8 46,3 46,9 47,4 48,1 48,8 49,5 50,2 50,9 51,5 52,1 52,6 53,3 54,0 54,8 55,5 56,2 56,7 57,3 57,8 58.3 58,9 59,6 60,3 61,0 61,7 62,4 63,1 63,8 64,6 65,5 66,4 67,3 68,2 69,1 70,0 70,9

46,6 47,2 47,7 48,2 48,8 49,4 50,1 50,8 51,3 51,9 52,4 53,0 53,5 54,0 54,6 55,2 55,9 56,6 57,3 58,1 58,7 59,2 59,8 60,5 61,2 61,9 62,6 63,3 64,0 64,7 65,5 66,4 67,3 68,2 69,1 70,0 70,9 71,8

48,9 49,4 50,0 50,5 51,0 51,6 52,1 52,6 53,2 53,7 54,3 54,8 55,3 55,9 56,5 57,0 57,7 58,5 59,2 59,9 60,5 61,1 61,6 62,3 63,0 63,7 64,4 65,1 65,8 66,6 67,3 68,2 69,1 70,0 70,9 71,8 72,7 73,6

15-16 17-19 Jahre Jahre

40-49 Jahre

57,8 58,2 58,6 58,9 59,3 59,8 60,3 60,8 61,3 61,9 62,5 63,2 63,9 64,7 65,4 66,1 66,8 67,5 68,2 68,9 69,7 70,4 71,1 71,8 72,5 73,2 73,9 74,7 75,4 76,1 76,8 — -

-

') NachSocietyof \ctuaries(Hrsg,.), Build and Blood Pressure Study. Bd. l,Chicago(1959),S. 16; auf metrische Maße umgerechnet !) Nach Metropolitan Life Insurance Company. Slatislical Bulletil, Bd. 40 (1959); auf metrische Maße umgerechnet. Idealgewicht: Gewicht mit der höchsten Lebenserwartung.

Koxa Bei lebhaftem Stoffwechsel, z. B. bei intensiver Muskel­ arbeit, bei reger Tätigkeit der großen Verdauungsdrüsen (Leber, Bauchspeicheldrüse usw.) entsteht viel Wärme, bei trägem Stoffwechsel wenig Wärme (ehern. Wärme­ regulation). Im Hungerzustand kommt es zu Untertempe­ raturen (-»Hypothermie). Daneben besitzt der Körper Möglichkeiten, die Wärmeabgabe zu steuern (physikal. Wärmeregulation). Die Wärme wird durch die Körper­ oberfläche, die-» Haut, abgegeben. Das Maß der Wärme­ abgabe ist abhängig vom Temperaturgefälle. Wenn die Umgebungstemperatur tief liegt, strömt von einem 37 °C warmen Körper mehr Wärme ab als bei höherer Außen­ temperatur. Die Wärmeabgabe von der Haut kann weiter reguliert werden durch verschiedene Einstellung der Hautdurchblutung. Das umlaufende Blut sorgt für gleichmäßige Verteilung der Wärme. Wenn die Haut gut durchblutet und warm ist, strömt mehr Wärme ab, als wenn die Hauptgefäße eng gestellt sind, wie es als zweck­ mäßige Reaktion in der Kälte geschieht. Schwitzen führt ebenfalls zu vermehrter Wärmeabgabe, weil der Schweiß auf der Haut verdunstet und bei dem Verdunstungsvor­ gang ein Wärmeverlust eintritt. Die K. wird durch ein Zen­ trum im Gehirn, das Temperaturregulationszentrum, fälschlicherweise häufig nur Wärmezentrum genannt, ge­ steuert, das seine Impulse auf dem Weg des sympath. und parasympath. Nervensystems zu den Erfolgsorganen lei­ tet (z. B. Regulierung der Einstellung der Hautgefäße, Abbremsen des Stoffwechsels im Hungerzustand). Um­ gekehrt ist es möglich, von der Haut aus dem Körper Wärme zuzuführen, in einfachster Form durch eine Wärmflasche, intensiver durch ein heißes Bad (-► Über­ wärmungsbad). Vor zu starkem Wärmeverlust schützt sich der Mensch durch die Kleidung, die in ihrer Dichte den Jahreszeiten angepaßt wird. korpulent, beleibt, dick. Korpulenz, Beleibtheit, Fettleibigkeit. Korpuskarzinom, -► Gebärmutterkrebs. Korsakoffscher Symptomenkomplex [n. dem russ. Psychiater S. S. Korsakoff, * 1854, f 1900], hoch­ gradiger Verlust der Merkfähigkeit, verbunden mit -►Konfabulation als Folge von übermäßigem Alkolgenuß. Die durch die Merkstörungen entstehenden Lücken sucht der Kranke auszufüllen. Da er im nächsten Augen­ blick vergessen hat, was er vorher gesagt hat, läßt er seiner Phantasie freien Lauf. Der K. S. wird auch bei vielen Hirnkrankheiten beobachtet; er kann vorübergehend auftreten, bei fortschreitendem Hirnlciden sind die Er­ scheinungen aber bleibender Natur. Kortison, -»Cortison. Kortison-Glaukom, -»Cortison-Glaukom. Korundschmelzerlunge, diffuse, im Lungenzwi­ schengewebe (Interstitium) ablaufende Lungenfibrose mit hochgradiger Schrumpfungsneigung und erhebt. Atem- und Herzkreislaufstörungen. Es ist nicht geklärt, ob sie durch amorphe Kieselsäure oder Gamma-Tonerde verursacht wird. K. kann als -» Berufskrankheit bei Ofen­ arbeitern in Betrieben auftreten, die Elektrokorund her­ stellen (Inhalation von beim Schmelzprozeß anfallenden Stäuben, Verhütung durch Atemmaske), und kann als Staublungenerkrankung (Silikose oder Aluminose) ent­ schädigungspflichtig sein. Kosmetik, 1)-»Schönheitspflege. 2) ärztliche K. Ihr fällt die Aufgabe zu, durch operative Eingriffe der verschiedensten Art Schönheitsfehler der Haut zu beheben, vorzeitige Alterserscheinungen auszu­ gleichen und störende oder entstellende Abweichungen des Äußeren zu beseitigen, sobald derartige Veränderun­ gen durch konservative Behandlung nicht mehr beein­ flußbar sind. Solche Maßnahmen können notwendig wer­ den, um schwere Benachteiligungen im persönl. und berufl. Leben oder Minderwertigkeitsgefühle und ernstere seel. Störungen zu verhüten oder zu beseitigen (-»Häß­ lichkeit). Beispiele: Lästiger Haarwuchs wird am besten auf elektrokaust. Weg (Kaltkaustik) behandelt. Pigmentmaie (Vorsicht geboten, Facharzt fragen!), Gefäßmaie und Warzen können mit dem Messer oder derelektr. Schlinge

entfernt werden. Jedoch ist man hierbei heute mit einer eingreifenden Behandlung sehr zurückhaltend und wartet die spontane Rückbildung ab, die fast immer im Laufe ei­ niger Jahre erfolgt. Nur wenn ein schnelles Wachstum mit Gefahr der Zerstörung wichtiger Organe wie Auge, Nase, Lippe, Genitale vorliegt, wird mit hochdosierten Gaben von Cortison (beim Säugling) oder mit Röntgenstrahlen behandelt. Ein operatives Vorgehen kann bei gut- und bösartigen Geschwülsten (-► Hautgeschwülste, -»Mela­ nom) notwendig werden. Die Knollennase (Rhinophym), eine stark entstellende Wucherung der Nasentalgdrüsen, ist ein besonderes Bei­ spiel für die Notwendigkeit eines operativen kosmet. Ein­ griffs. Auch größere Geschwülste und entstellende Nar­ ben können chirurgisch beseitigt werden, ggf. mit nach­ folgender Deckung der Schäden durch Hautplastik. Stär­ kere Hautfaltenbildungen und Verziehungen in der Mund- und Augengegend sind durch Hautspannungsope­ rationen (Liften) auszugleichen. Ausgedehnte Krampf­ adern bilden sich durch gefäßverödende Einspritzungen zurück oder lassen sich operativ gänzlich beseitigen. Ver­ unstaltungen nach Verletzungen und angeborene Mißbil­ dungen der Nase und der Ohrmuscheln können durch plast. Operationen verbessert werden. Die Beseitigung verunstaltender Formveränderungen der Brust und des Bauchs ist durch plast. Brust- und Bauchoperationen möglich (-»plastische Chirurgie). Alle derartigen Eingriffe sollten durch fachlich erfah­ rene und bes. geschulte Ärzte ausgeführt werden. Gerade bei den hier z. T. vorliegenden heiklen, den Gesamtein­ druck eines Menschen beeinträchtigenden Leiden muß die ärztl. Beratung die Besonderheiten jedes Einzelfalls sorg­ fältig ab wägen. Kostendämpfung im Gesundheitswesen,-»So­ zialversicherung, -► Krankheitskosten. Kostmaß, von C. Voit(* 1831,1 1908) geprägter und heute umstrittener Begriff für die Berechnung des Nah­ rungsbedarfs bei Massenernährung. Über das K. für den einzelnen Menschen -»Ernährung. Kot, Faeces, Fäzes, der -»Stuhl. Kot|erbrechen, Miserere, Erbrechen von in den Magen rückgestautem Darminhalt, ein höchst alarmie­ rendes Krankheitszeichen bei -»Darmverschluß. Kotfistel, die -» Darmfistel. Kötschau, Karl, Internist, * Apolda 1892, beschäf­ tigte sich v. a. mit Einflüssen des Klimas und anderer na­ türl. Umweltbedingungen auf den gesunden und kranken Menschen und stellte die Grundlagen für eine biologische Medizin < auf. Sein besonderes Augenmerk galt der Ge­ sunderhaltung nach seinem Motto >Vorsorge oder Für­ sorger. Kotsteine, Koprolithe, Darmsteine, steinartige Gebilde aus eingedicktem Stuhl mit Einlagerung von koh­ lensauren oder phosphorsauren Salzen. Sie kommen häu­ fig im Wurmfortsatz vor und können hier gelegentlich durch Verlegung der Öffnung oder durch Druck auf die Wand eine Blinddarmentzündung verursachen. Im Wurmfortsatz können die K. die Größe eines Kirschkerns erreichen, auch entwickeln sie sich in Divertikeln. Im Dickdarm sind K. in seltenen Fällen Ursache eines Darm­ verschlusses. Kotyledonen, die durch flache Furchen voneinander getrennten Lappen des -» Mutterkuchens, deren Zahl zwi­ schen 15 und 30 liegt. Kousa-Diät, eine nach dem grch. Arzt A. Kousa be­ nannte -► Weizenschlcim-Diätkur. Koxarthrose, Coxarthrose, Hüftarthrose, dege­ nerative Veränderung eines oder beider Hüftgelenke mit Gelenkspaltverschmälerung, Umformung der Hüftge­ lenkpfanne und randständigen Knochen Wucherungen an Becken und Oberschcnkelkopf. Man unterscheidet eine primäre K., die als konstitutionell oder endokrin beding­ tes Aufbrauchleiden auftritt, von der sekundären K. als Folge übermäßiger Belastung, nach Verletzungen (Schenkelhalsbruch, Verrenkung), Wachstumsstörungen und/oder Entzündungsvorgängen im Gelenk (Rheuma, 425

Koxi Kraftfahrzeug: Sicherheitsvorkeh­ rungen; links Kopfstützen verrin­ gern bei einem Unfall das Risiko ei­ nes Genickbruchs. Sicherheitsgurte vermindern die Wucht, mit der der Körper bei einem Aufprall nach vorn geschleudert wird, rechts Spezialsicherheitssitz für Kinder

Tbc u. a.). Beschwerden: Schmerzen bei Belastung, aber auch in Ruhe (Nachtschmerz); Rotationsbehinderung, Kreuz-Lenden-Schmerzen durch Fehlhaltung der Wirbel­ säule bei Beckenschiefstand. Bei fortgeschrittener K. wird heute der Einsatz einer Hüftgelenksendoprothese ande­ ren Behandlungsverfahren vorgezogen. Eine besondere Form der K. ist die — Perthessche Krankheit. Koxitis [zu lat. Coxa >HüfteDummies< (le­ bensgroße Puppen mit eingebauten Meßgeräten) einge­ Kraftfahrzeug: Sicherheitsvorkehrungen; Crash-Test (mit Dummies) zur Untersuchung des Verhaltens von Kraftfahrzeugen und Insassen bei Unfällen

426

hend untersucht. Dabei scheint das wichtigste Ergebnis zu sein: Die meisten tödlich endenden Verkehrsunfälle könnten glimpllich für die Betroffenen ablaufen, wenn diese angeschnallt wären. Dies gilt auch für Unfälle, bei denen schwere Verletzungen die Folge sind. Um so schwerwiegender ist die Tatsache, daß trotz bestehender, aber nicht mit Bußgeld bedrohter Anschnallpflicht (§ 21 a Straßenverkehrsordnung) die Anschnallquote von an­ fangs über 50% zeitweise auf etwa 30% gesunken ist. Voraussetzung für die Sicherheit ist bes. das verantwor­ tungsbewußte Verhalten aller am Straßenverkehr Betei­ ligten. Zu lange Fahrtstrecken ohne ausreichende Pausen (mindestens alle 3 Stunden) verursachen außer Ermü­ dungszeichen Rückenschmerzen, steifen Hals, SchulterArm-Schmerz, Kopfschmerzen; Bewegungsmangel hat Verdauungsstörungen zur Folge. Die Konzentration des Fahrers läßt mit zunehmender Fahrdauer nach. Dies gilt bes. bei ungünstigen Bedingungen im Wageninnern (Wärme, verbrauchte Luft, Tabakrauch und dgl.). Um­ welteinflüsse wie Hitze, Föhn, Abgase können Streßreak­ tionen zur Folge haben. Behinderungen müssen das Führen eines K. nicht aus­ schließen, können aber durch Erhöhung der Reaktions­ zeit das Risiko für den Behinderten selbst und andere ver­ größern. Krankheiten, bes. bei einer zusätzl. Belastung durch bestimmte Medikamente (Anregungs-, Beruhigungs-, Schlafmittel, Schmerz- und Betäubungsmittel), erhöhen das Risiko, ebenso der Gebrauch von Genußgif­ ten (Kaffee, Kola-Getränken, Nikotin) im Übermaß. Al­ kohol sollte prinzipiell nicht genossen werden. Gute Seh­ fähigkeit ist wichtigste Voraussetzung für sicheres Fah­ ren. Sie wird durch eine Untersuchung des Sehvermögens im Rahmen der Fahrprüfung überprüft. Es gibt keine gesetzlich vorgeschriebene obere Alters­ grenze, ab der ein K. nicht mehr sicher geführt werden darf. Da jedoch mit zunehmendem Alter Konzentration, Reaktion und i. d. R. auch die Sehfähigkeit abnehmen, wäre eine freiwillige regelmäßige Leistungskontrolle rat­ sam. Vernünftige Ernährung vor und während einer länge­ ren (Urlaubs-)Fahrt tragen dazu bei, die Leistungsfähig­ keit des Fahrers aufrechtzuerhalten. Deshalb sollten in den notwendigen Ruhepausen keine schweren Speisen eingenommen werden, da der Verdauungsvorgang dem Gehirn Blut entzieht. Zur besseren Durchblutung und Entspannung der Muskulatur sind in den Fahrpausen leichte gymnast. Übungen empfehlenswert. Die maxi­ male Fahrzeit pro Tag sollte 8 Stunden (mit Pausen nach jeweils 2-3 Stunden) möglichst nicht überschreiten. Bei Fahrten ins Ausland sollte man sich vor Reiseantritt (z. B. bei den Automobilclubs oder den zuständigen Versi­ cherungsgesellschaften) über abweichende Vorschriften (Promille-Grenzen, Anschnallpflicht mit Strafandro­ hung, Rauchverbot am Steuer u. a.) informieren. Eine dem Klima und den besonderen Verhältnissen des Ziellan­ des angepaßte Reiseapotheke, die auch bei Unfällen Maß­ nahmen zur >Ersten Hilfe* ermöglicht, ist im K. mitzufüh­ ren . Auskünfte darüber gibt der Arzt oder Apotheker. Krähenfüße, kleine Fältchen an den äußeren Augen­ winkeln als Zeichen beginnenden Altersumbaus der Haut. (-»Schönheitspflege) Krallenhand, krallenförmige Stellung der Finger, wie sie für Lähmung des Ellennervs (Nervus ulnaris) charak­ teristisch ist (-► Klauenhand). Krallen nagel, -► Nagelkrankheiten. Krampf, Spasmus, unwillkürl. Zusammenziehung von Muskeln. Der K. ist eine Reaktionsform des lebenden Gewebes auf bestimmte Reize. Alle mit Muskeln ausge­ statteten Organe können sich verkrampfen (-»Muskel­ krampf). Bes. an den Beinen treten K. (-»Wadenkrampf) nach Überanstrengung auf oder werden durch Durchblutungs­ störungen ausgelöst. Die Gallenwege oder die Harnleiter verkrampfen sich, wenn sie durch ein mechan. Hindernis, z. B. einen Stein, oder durch eine Entzündung gereizt sind. Die Migräne beruht wahrscheinlich auf K. der Hirnge­ fäße. Entzündung der Magenschleimhaut bewirkt Magen-K.; bei Durchfällen kommt es zu K. des Darms.

Kram Viele Vergiftungen, die das Nervengewebe schädigen, führen in fortgeschrittenen Stadien zu K., ebenso die Harnvergiftung bei Nierenleiden, die Säurevergiftung (Azidose) bei der Zuckerkrankheit, die durch Störungen des Kalkstoffwechsels entstehende Spasmophilie und die -»Tetanie. Beim -»Wundstarrkrampf (tonischer K.) ist der K. durch das Gift des Tetanusbazillus verursacht, das am Nervensystem angreift (Neurotoxin). Überladung des Bluts mit Kohlendioxid bei Erstickungen ist eine weitere Ursache; der Erstickende verfällt zum Schluß in einen Erstickungs-K. Da alle muskulären Organe von Nerven versorgt (innerviert) sind, ist die Ursache von K. häufig eine Störung der Tätigkeit des Nervensystems. Das Gehirn antwortet auf Schäden (Geschwülste, Entzündungen, Verletzungen) häufig mit K. aller Muskeln (allgemeine K.-Anfälle) oder nur bestimmter Muskelgruppen (Jackson-Anfälle bei umschriebenen Krankheitsherden). Diese vom Gehirn ausgelösten K. zeigen gewöhnlich zuerst ein tonisches Sta­ dium (Starre), später eine klonische Phase (rhythm. Zukkungen). Am Schluß löst sich ein solcher K.-Anfall in all­ gemeiner Erschlaffung, ein typ. Zustand bei der -»Epi­ lepsie. Behandlung: Fast alle K.-Anfälle dauern nur wenige Minuten. Unbedingt erforderlich ist es aber, in jedem Fall bald einen Arzt zu konsultieren, dessen Aufgabe es ist, eine Behandlung mit -»krampflösenden Mitteln einzu­ leiten. Erste Hilfe: den Kranken bequem lagern, so daß er sich nicht verletzen kann, ihn von beengenden Kleidern befreien, ihn nach beendetem Anfall ruhen lassen. Mög­ lichst Kieferschluß verhindern, um Zungenbiß zu vermei­ den: zusammengefaltetes Taschentuch von der Seite her wenige Zentimeter zwischen die Zähne schieben und fest­ halten. Über K. als Ausdruck seel. Spannung -»Verkramp­ fung. Krampf|aderbruch, Varikozele, krampfader­ artige Umbildung der Venen des Samenstrangs; i. d. R. beim Heranwachsen auftretend, sichtbar am stehenden Patienten als wurmähnl. Gefäßknäuel im oberen Ab­ schnitt des Hodensacks. Da auf der linken Körperseite der venöse Abfluß der Hodengefäße über die Nierenvenen er­ folgt, ist bei dieser harmlosen Erkrankung eine mögliche Geschwulst der Niere beim linksseitigen Auftreten des K. diagnostisch auszuschließen. Behandlung durch Opera­ tion. Krampf |adern, Varizen, krankhaft erweiterte, ver­ längerte und geschlängelte Blutadern (Venen) im Bereich der Unterschenkel, seltener der Oberschenkel. DieK. sind deutlich als bleistiftdicke oder noch dickere, mehr oder Wadenschmerz bei Rückwärtsbeugung des Fußes

Kniekehlen­ schmerz

Zerreißschmerz

Meyersche

anziehenden Muskeln Fußsohlenschmerz bei Druck auf die mittlere Fußsohlenmuskulatur

Krampfadern: Schmerz­ lokalisation

weniger stark gewundene, stellenweise sackartig ausge­ buchtete, bläulich gefärbte Stränge zu erkennen oder zu tasten. Bei Druck mit dem Finger lassen sie sich schwammartig eindrücken. Sie entstehen auf Grund einer Stauung des Blutrücklaufs an den unteren Gliedmaßen bei Menschen mit allgemeiner Bindegewebsschwäche, wie sie anlagemäßig in manchen Familien vorkommt. Außer zur Bildung von K. neigt dieser Konstitutionstyp auch zu Hämorrhoiden, Krampfaderbruch, Eingeweidebrüchen, Haltungsschäden, Plattfüßen und Spreizfüßen. Werden

Menschen dieser Veranlagung besonderen Belastungen des Blutumlaufs in den Beinen ausgesetzt, z. B. durch Schwangerschaft, anhaltendes Stehen im Beruf, Unter­ leibs- oder Lebererkrankungen, so treten im Lauf der Zeit die K. stärker hervor. Sie verursachen zunächst kaum Be­ schwerden, erst allmählich machen sich Schweregefühl im Bein, zeitweise ziehende oder krampfartige Schmerzen (Wadenkrämpfe), Anschwellungen der Füße und Ge­ lenke bemerkbar. Verhältnismäßig selten ist die K.-Blutung. Durch Ge­ walteinwirkung irgendwelcher Art (Stoß, Fall) kann die manchmal recht dünne Hautbedeckung über der K. plat­ zen, das Blut strömt dann bedrohlich aussehend in dickem Strahl heraus. Hochlagerung des Beins und fester Druck­ verband lassen die Blutung bald zum Stehen kommen. — Häufiger sind dagegen die mehr oder weniger ausgedehn­ ten Blutungen unter der Haut, die durch die Stauung und leichte Verletzbarkeit der Gefäßwände hervorgerufen werden. Als Begleiterscheinung der K. tritt häufig eine Ve­ nenentzündung (Phlebitis) auf. Die leicht verletzt. Innen­ wand der K. neigt zu örtl. Entzündungsprozessen, von denen ausgehend sich Pfropfbildungen (Thromben) innerhalb der gestauten Blutsäule entwickeln können (variköse Thrombophlebitis). Die K. zeigen sich dann als gerötete, verhärtete, sehr schmerzhafte Stränge (Phlebo­ sklerose). Zunehmende Entzündung des umgebenden Hautgewebes, Schwellungen im Bereich des Fußrückens und der Knöchelgegend, Fieberanstieg, manchmal sogar Schüttelfrost, vervollständigen das Krankheitsbild. Man unterscheidet 2 Formen der varikösen Thrombophlebitis, die häufig harmlos verlaufende Venenwandreizung und die seltene, lang dauernde Form (Phlebothrombose), die zuweilen zur -»Embolie führt. Als Restzustände verblei­ ben in den Gefäßen nach der Abheilung rundl., verkalkte Blutgerinnsel (Venensteine) zurück, die als Knoten tast­ bar sind. Als Folge von K. oder einer der erwähnten Komplika­ tionen kann sich ein K.-Geschwür (Beingeschwür, offe­ nes Bein«, Unterschenkelgeschwür, Ulcus cruris) entwikkeln. Die Blutstauung, die damit zusammenhängende Versorgung der Gewebe mit zudem noch sauerstoffar­ mem Blut und kleine zufällige Verletzungen bereiten den Boden für diese langwierige, schmerzhafte und im Ver­ lauf wechselvolle Geschwürsform, die meist im unteren Drittel des Unterschenkels auftritt. Bei längerem Be­ stehen können sich die anfangs etwa pfenniggroßen Geschwüre ausdehnen, sie heilen im allgemeinen nur sehr schwer. Vorbeugende Maßnahmen sind bei Neigung zu K.Bildung dringend anzuraten. Bei der Berufswahl muß vor einer Betätigung, die langes Stehen erfordert (Kellner, Schreiner, Friseur, Verkäufer, Zahnarzt u. a.) gewarnt werden. Bes. gilt das auch für Frauen, die zusätzl. Bela­ stung durch Schwangerschaft ausgesetzt sind und daher in noch höherem Maß unter K. und ihren Folgeerscheinun­ gen zu leiden haben. Ringförmig abschnürende Knie­ strümpfe dürfen z. B. nicht getragen werden. Durch tägl. Selbstmassage der unteren Gliedmaßen und regelmäßige Beingymnastik können Blut- und Lymphumlauf angeregt werden. Läßt sich längeres Stehen nicht vermeiden, kann durch kleine Hilfsmaßnahmen die Stauung in den Beinen gemildert werden. Selbst bei größter berufl. Inanspruch­ nahme wird es immer möglich sein, das Körpergewicht im Stehen durch wippende Bewegungen einige Male auf die Fußspitzen und wieder zurück zu verlagern, auch einige kreisende Fußbewegungen im Sprunggelenk lassen sich immer ausführen. Bei sitzender Beschäftigung Beine hochlagern. Das rechtzeitige Tragen von Stützstrümpfen oder das Wickeln der Beine mit elastischen Binden kann dem Fortschreiten des Leidens vorbeugen. Behandlung: Leichtere Fälle, bei denen nur eine Er­ weiterung der Bein venen, aber noch keine ausgesproche­ nen K. vorliegen, lassen sich, wenn sie Beschwerden (Spannungsgefühl) erzeugen, durch die Wirkstoffe der Roßkastanie günstig beeinflussen, die in vielen Präpara­ ten enthalten sind. Diese können örtlich angewendet, ein­ genommen oder intravenös eingespritzt werden. Sind die K. einmal ausgeprägt oder machen sich bereits Komplika427

Krampfadern

Kram tionen bemerkbar, kann die Verödung durch Einsprit­ zung geeigneter Mittel für Jahre Beschwerdefreiheit brin­ gen. Bei der Verödung handelt es sich um eine mäßige Schädigung der Gefäßwände, die miteinander verkleben. Leider ist ein Rezidiv, d. h. ein Wiederdurchgängigwer­ den der K. nicht ausgeschlossen. Daher ist in dazu geeigne­ ten Fällen, wenn dicke K. der oberflächl. Beinvene her­ vortreten, die Operation vorzuziehen. Auch eine Kombi­ nation von Operation und Verödung ist möglich. Jegliche Behandlung der Komplikationen bleibt erfolg­ los, wenn nicht das Grundleiden, eben die K., angegangen wird. Der an einer Venenentzündung Erkrankte muß nicht unbedingt liegen, wie man auch heute noch vielfach meint. Frühzeitiges Aufstehen mit einem elast. Verband (Elastopiast mit Schwammgummikompression der ent­ zündeten Venenstränge) kann die Weiterentwicklung der Venenentzündung verhindern und damit die Behand­ lungszeit abkürzen; ein solcher Verband muß vom Arzt Krankengymnastik: links aktive Beinübung an der Sprossen­ angelegt werden, der auch den Umfang der möglichen Be­ wand; rechts Dehnung bei Hohlkreuz lastung bestimmt. Nach Abklingen der akuten Erschei­ nungen kann die Venenentzündung in ein chron. Stadium übergehen, wobei nicht selten auch die tieferen Beinvenen ergriffen werden. Daher sollte die eigtl. Behandlung der K. möglichst frühzeitig durchgeführt werden. Das Beingeschwür, überwiegend an der Innenfläche des Unterschenkels, ist mit die am schwierigsten zu behan­ delnde Komplikation der K., zumal wenn akute entzündl. Veränderungen der Geschwürsumgebung einsetzen oder das Geschwür sich auf Handtellergroße und darüber aus­ dehnt. Nach Abklingen der akuten Erscheinungen (Bett­ ruhe, feuchte Verbände, Kompressionsverbände mit Schwammgummi, unterstützt von einer medikamentösen Behandlung) muß sofort das Grundleiden örtlich ange­ gangen werden, entweder durch Operation oder Ver­ ödung. Große Beingeschwüre werden erfolgreich durch Transplantation größerer Hautlappen gedeckt. Anschlie­ ßend entsprechende Nachbehandlung (elast. Verbände oder Strümpfe), unterstützt durch Bewegung in gesun­ dem Schuhwerk. links Kriechübung mit Dehnung und Mobilisierung der Wirbel­ Krampfhusten, jeder -»Husten, der mit spastisch säule; Mitte Hockergymnastik; rechts fahrbares Gestell zur krampfhafter Zusammenziehung der Schlund- und Kehl­ Kräftigung der Beinmuskulatur kopfmuskulatur verbunden ist, so daß v. a. die Einat­ mung erschwert wird. (-»Keuchhusten) krampflösende Mittel, Antispasmodika, Spas­ molytika, Arzneimittel, die Krampfzustände (Spasmen)

oben passive Dehnung und Beugung der Lendenwirbelsäule; un­ ten links Übung der Arm- und Schultermuskulatur gegen einen Federwiderstand; unten Mitte Schwungübung mit Keulen; un­ ten rechts Armkräftigungsübung an einem abbremsbaren Rad

an der glatten Muskulatur von Atemwegen, von Magen und Darm, Gallen- und Harnwegen, Gebärmutter und Gefäßen beseitigen. 1. e. S. sind k. M. Stoffe, die eine di­ rekte krampflösende Wirkung auf die glatte Muskelzelle besitzen, z. B. Papaverin, Nitrite, Theophyllin u. a. Eine krampflösende Wirkung kann aber auch durch Hem­ mung eines übererregten Parasympathikus mit Hilfe von Atropin und ähnlich wirkenden Verbindungen oder Hem­ mung eines übererregten Sympathikus durch a-Sympatholytika wie Dihydroergotoxin oder Tolazolin in be­ stimmten Organen herbeigeführt werden. An einzelnen glattmuskulären Organen, z. B. Bronchien und Gefäßen, wirken ß-Sympathomimetika (Isoprenalin u. a.)erschlaf­ fend. - K. M. werden je nach Hauptangriffspunkt ihrer Wirkung zur Behandlung von Magen-Darm-, Gallen­ oder Blasenkoliken, Durchblutungsstörungen, Hoch­ druck und Bronchialasthma verwendet. Kraniologie [grch. kranion >SchädelK.MedizinKostenexpIosion im Gesundheitswesen< kritisiert. Zu den Gegenmaßnahmen rechnet die zum 1.1. 1983 eingeführte Eigenbeteiligung der Sozial­ versicherten (außer Kinder bis zu 18 Jahren) an den Kran­ kenhauspflegekosten in Höhe von 5 DM tägl. (maximal 70 DM). -► Krankenhausstatistik Geschichte. Das K. ist eine Schöpfung des frühmittel-

Krankenhäuser: oben Valetudinarium des Legionslagers Vetera bei Xanten; Modell (Rheinisches Landesmuseum Bonn). unten Großklinikum Aachen

431

Kran

Krankenpflege: 1 Hochziehen am Bettzügel. 2 Ausziehen des Hemdes. 3 Hoch­ heben der Kranken durch eine Person. 4 Auswechseln der Bettwäsche; eine neue gerollte Unterlage wird unter dem Körper der Kranken hindurchgerollt. 5 Lagerung der Kranken mit Kopf- und Armstütze

alterl. Ost-Christentums. Wohlfahrtseinrichtungen für Kranke und Pflegebedürftige finden sich zwar auch in vorchristl. Kulturen, Nachrichten über K. im eigtl. Sinn sind jedoch unsicher. In der grch. und röm. Antike gab es eine Art Vorläufer der K.: Privatkliniken im Besitz von Ärzten, die aus öffentl. Mitteln subventioniert wurden, >Valetudinarien< für verwundete und kranke Soldaten und für die Sklaven auf den Latifundien. Die christl. Gründungen waren anfangs nur besondere Abteilungen für Krankenpflege im Rahmen größerer Wohlfahrtsan­ stalten (Xenodochien, Pilgerheime) mit den verschieden­ sten Aufgaben (Alters-, Krüppel-, Findlings-, Wöchne­ rinnen-, Waisen-, Fremden- und Pilgerbetreuung). Spä­ ter entstanden daneben Spezialspitäler, z. B. für Aussät­ zige (unabhängige und außerhalb der Ansiedlungen gele­ gene) Leprosorien oder in Epidemiezeiten Pesthäuser. In Byzanz wurde 1135 in Verbindung mit dem Männer­ kloster des Pantokrator ein hygienisch, organisatorisch und in der ärztl. Betreuung ganz modern anmutendes K. gegründet. Inzwischen hatten sich auch im mittelalterl. Westen die vielseitigen Wohlfahrtsstätten meist im Zu­ sammenhang mit den Klöstern verbreitet und gelegentlich zur Bildung selbständiger K. geführt. In der Neuzeit hat sich das selbständige, ausschließlich der Pflege und Be­ handlung Kranker dienende Hospital durchgesetzt. Ne­ ben die K. der Klostergenossenschaften und karitativen Organisationen sind K. unter städt. und staatl. Verwal­ tung getreten. Für Militärhospitäler bürgerte sich der Ausdruck Lazarett ein. Sehr früh entwickelten sich Spe­ zialkrankenhäuser für seelisch Kranke. Orientierte sich die Bauweise der K. in der Frühzeit an Kirchengrundrissen, so entstanden im 17. Jh. Typen des >Hofbaus< (zentraler Hof, von Bauten mit Krankenräu­ men umschlossen) und des >Kreuzbaus< (4 sich rechtwink­ lig schneidende Hallen, >KorridorsystemPavillon­ 432

systemBarackensystemHochhausMagenschonkostGallendiätLeberdiätNierendiätHerzdiätKaffeesatzspitze NaseFunktions- ginn einerschweren K., z. B. eine bösartige Geschwulst, in pflege< möglich. Die Dt. Krankenhausgesellschaft, Düs­ sich trägt. Umgekehrt kann er sich subjektiv krank füh­ seldorf, hat Regelungen für die Weiterbildung von Opera­ len, ohne daß mit verfügbaren Methoden objektiv ein tionsschwestern und -pflegern erlassen, die allerdings bis krankhafter Befund erhoben werden könnte. Wahrheits­ zum 30. 6. 1981 befristet waren. Daneben bestehen in gemäße Angaben vorausgesetzt, ist der Mensch auch mehreren Bundesländern landesrechtl. Weiterbildungs­ dann als krank zu betrachten, da die Begriffe K. und Ge­ und Prüfungsordnungen für Vollpflegekräfte. Außer­ sundheit zunächst in dem subjektiven Bewußtsein veran­ dem gibt es Wochenpflegerinnen mit einer verkürzten, kert sind. Die zunehmende Verfeinerung der Untersu­ auf diesen Tätigkeitsbereich begrenzten Ausbildung. chungsmethoden, bes. für bestimmte Organleistungen, erlaubt das Erheben von objektiven Befunden da, wo der Krankenpfleger(innen), für die -»Krankenpflege Arzt bisher auf subjektive Angaben angewiesen war. Vor­ ausgebildete Personen (-► Krankenpflegeberufe). geschützte K. sind i. d. R. keine K., bewußtes Vorschützen Krankenschein, Berechtigungsschein für-»Kassen­ und subjektives >Einbilden< sind allerdings nicht dasselbe patienten zur Inanspruchnahme kassenärztl. Leistungen. (-►eingebildete Krankheit). Es ist zu unterscheiden zwischen der Ursache einer K. Ausstellung durch die Krankenkasse oder Ersatzkasse, auch Zusendung (Krankenscheinheft) durch diese. Ein­ und ihren Anzeichen (Symptomen). Fieber, Husten, Er­ mal jährlich wird allen Kassenpatienten überdies ein Be­ brechen u. a. sind keine K., sondern Anzeichen einer K. rechtigungsschein zur Inanspruchnahme der -► Krebsvor- und können die verschiedensten Ursachen haben. Meist müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein, damit die sorge (ggf. auf Anforderung) zugesandt. Der K. berechtigt zur Inanspruchnahme ärztl. oder eigtl. Ursache wirksam wird. In manchen Fällen ist die Ur­ fachärztl. Hilfe für die Dauer des laufenden Vierteljahrs sache einer K. eindeutig, so z. B. bei Verletzungen, Kno­ (Quartals). Wird ein zweiter Kassenarzt hinzugezogen, chenbrüchen durch äußere Gewalteinwirkung. Aber auch z. B. bei der Überweisung vom Hausarzt zu einem Arzt für hier kommen u. U. schon die beiden großen Ursachen­ Radiologie u. a., wird dem Patienten vom Hausarzt ein komplexe zur Geltung: auf der einen Seite der im Men­ schen selbst liegenden inneren (endogenen) Ursachen, auf Überweisungsschein ausgehändigt. der anderen Seite der durch die Umwelt wirkenden äuße­ Krankenschwester, -► Krankenpflegeberufe. ren (exogenen) Ursachen. Starke Gewalteinwirkungen lö­ Krankenseelsorge, die Seelsorger. Betreuung von sen bei allen Menschen etwa die gleichen Verletzungen Kranken, bes. im Krankenhaus, durch Geistliche beider aus. Es lassen sich jedoch Beispiele denken, bei denen Konfessionen, aber auch Diakone oder Gemeindehel­ auch innere Ursachen mitwirken. So fallen etwa bei Glatt­ ferfinnen). In möglichst engem Zusammenwirken mit eis unter sonst völlig gleichen Bedingungen an derselben dem Arzt und den Pflegekräften soll dem Kranken, wenn Stelle ein junger und ein alter Mensch infolge Ausrut­ er das wünscht, durch Zuspruch, Gebet, auch Beichte, schens auf die Hüfte: Der junge steht unverletzt auf, der Kommunion oder Abendmahl seel. Beistand zur Gesun­ alte erleidet einen Knochenbruch des Oberschenkelkopfs. dung, zum Ertragen von Leiden oder als Geleit zum Tod Nicht der Sturz allein (äußere Ursache), sondern die Be­ gegeben werden; zum letzteren gehören auch die (kath.) sonderheit des Stürzenden (innere Ursache) führte zum Sterbesakramente. K. erfordert besonderes Eingehen auf Knochenbruch. die Lebens- und Konfliktsituation des einzelnen Kran­ Zu den äußeren Ursachen rechnen mechan., therm. ken. Die konfessionellen Krankenhausträger betrachten oder ehern. Schädigungen sowie physikal. oder umwelt­ die K. als einen wichtigen Teil ihres kirchl. Auftrags bedingte Faktoren, einschließlich der Infektionen mit K.(-► Religion). Erregern. Äußere Gewalteinwirkungen wie Druck, Schlag, Stoß, Krankenstand, -»Krankenkassenstatistik. Geschoß-, Explosionswirkung führen zu groben Gewebs­ Krankentransport, -»Rettungswesen. zerstörungen, Einwirkung hoher Hitzegrade zu Verbren­ Krankenversicherung, -»Sozialversicherung, nung, starker Säuren und Laugen zu Verätzung und be­ -► Privatversicherung. stimmter elektr. Ströme zu Starkstromverletzung. Die Gifte dagegen greifen im inneren Lebensgefüge an Krankheit, grch. nosos, pathos, lat. morbus, Störungen der Gesundheit, d. h. des Zustands vollkom­ bestimmten Stellen an, sie können so auch völligen Aus­ menen körperl., seel. und sozialen Wohlbefindens (nach fall wichtiger Lebensvorgänge (Lähmung des Atemzen­ Formulierung der Weltgesundheitsorganisation), die je trums oder anderer Teile des Gehirns, der Herztätigkeit nach Form und Ausmaß der K. einen unterschiedl. Beein­ u. a.) verursachen, den Stoffwechsel und die Zelltätigkeit trächtigungsgrad bis hin zur Bedrohung des Lebens oder beeinflussen oder schwer faßbare Allgemeinerscheinun­ im Extremfall zu dessen Aufhebung (Tod) erreichen kön­ gen hervorrufen. Gifte können durch den Mund einge­ nen. K. ist demnach ein an Leben gebundener Zustand, nommen werden oder vom Magen und Darm aus in den ein Leben unter veränderten, von der Norm abweichen­ Körper gelangen, sie können eingeatmet werden (giftige Gase) oder von der verletzten, in seltenen Fällen auch von den Bedingungen. Bei der Abgrenzung des Kran ken vom Gesunden ist eine der unverletzten Haut aufgenommen werden. Auch Strahlen können krankheitserregend wirken. Die bestimmte, aus einer Vielzahl von Beobachtungen mit Hilfe Statist. Methoden gewonnene Schwankungsbreitc Kurzwellen und die ultravioletten Strahlen haben biolog. zu berücksichtigen, innerhalb derer der Betreffende noch Auswirkungen, Röntgen- und Radiumstrahlen dringen tief in die Zellen ein und können schwere Zerstörungen als normal, d. h. als gesund, angesehen wird. ihrer Struktur verursachen, in bestimmten Dosierungen Die Lehre von der K. ist die -» Pathologie. 1) Ursachen und Formen. Die Störungen entstehen aber auch zur Therapie von K. eingesetzt werden. Auch im Ablauf der normalen Lebensvorgänge in Organen oder Schallwellen (Luftschwingungen) jenseits der vom Ohr 437

Kran wahrnehmbaren Grenze, die als Ultraschallwellen be­ zeichnet werden, haben Auswirkungen auf das Körper­ gewebe. Aus den Witterungseinflüssen ergeben sich weitere krankheitserregende Ursachen. Starke Abkühlung, ver­ bunden mit Durchnässung, führt zu Erkältungen und Er­ frierungen. Ebenso kann Hitze gesundheitsschädlich sein (Sonnenstich). Falls die Luft zu wenig Sauerstoff enthält, wie es in größeren Höhen der Fall ist, kommt es zur Hö­ henkrankheit. Ein wichtiger Ursachenkomplex ist in der Ernährung zu suchen. Falsch zusammengesetzte Nahrung führt zu den verschiedensten K. Besonders gefährlich sind die schlei­ chend auftretenden Schäden, die als Zivilisations-K. be­ zeichnet werden und in erster Linie wohl mit der Denatu­ rierung der Nahrung, in zweiter Linie mit der Fernhaltung natürl. biologischer Reize Zusammenhängen. Zu den äußeren Ursachen zählen auch die Bakterien, Rickettsien, Viren, Protozoen und Parasiten (Würmer, Läuse u. a.). Schließlich können die äußeren Lebens­ umstände des Menschen zur krankheitsauslösenden Ur­ sache werden, so z. B. drückende Not, dauernde Sorgen, Ekelgefühl, Schreckerlebnisse, seel. Schmerz; sie wirken über das vegetative Nervensystem und führen zu psycho­ somatischen K. Zu den inneren Ursachen gehören die -»Konstitu­ tion und die -»Disposition, welche die Reaktionsart des Organismus bestimmen, sowie Lebensalter und Immuni­ tät. Grundlage der Konstitution sind die erbl. Anlagen. Mit der durch die erbl. Anlagen bedingten Begrenzung muß der Mensch sich abfinden. In seltenen Fällen ist aber die Grenze so eng gezogen, daß das Leben wesentlich be­ einträchtigt wird. Schwere Erbkrankheiten sind selten; dagegen kommt es häufig vor, daß erbl. Anlagen bei der Entstehung von K. mitwirken. Das Lebensalter eines Menschen spielt eine wesentl. Rolle bei der Entstehung von K. Beim Säugling z. B. über­ wiegen die K., die mit der Ernährung Zusammenhängen. Beim alternden Menschen stehen Störungen des Kreis­ laufs im Vordergrund, da die Elastizität der Gefäße nach­ gelassen hat und die Muskeln einschließlich des Herzmus­ kels verbraucht und weniger leistungsfähig geworden sind. Bösartige Geschwülste wie der Krebs sind im Kindes­ alter selten. Sie befallen bevorzugt das mittlere und hö­ here Lebensalter. Das Überstehen einer K. ändert die Bereitschaft des Menschen zu ihr. Ein Kind, das z. B. Masern durchge­ macht hat, wird immun gegen sie (-»Immunität). Narben, Verstümmelungen und Verlust von Gliedmaßen oder Or­ ganen sind Dauerfolgen, die den Körper in seiner Erschei­ nung und seiner Leistungsfähigkeit verändern können, durch Anpassung wird Weiterleben gewährleistet. Nach dem Verlauf unterscheidet man die akuten (plötz­ lich einsetzenden, heftig verlaufenden) und die chroni­ schen (langsam beginnenden, schleichend verlaufenden) K. Abgeschwächte Formen sind der subakute und der sub­ chronische Verlauf. Manche K. verlaufen in Schüben, d. h. es wechseln Besserungen mit Verschlimmerungen (Exazerbationen), oder sie treten nach scheinbarem Ab­ klingen wieder auf (Rezidiv). Befragung und Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese) sowie die Untersu­ chung des Kranken dienen der Feststellung (Diagnose) der K., die durch die Bewertung der verschiedenen K.-Zei­ chen (Symptome) erhärtet wird. Die exakte Diagnose er­ möglicht eine wirksame Behandlung (Therapig) und eine relativ sichere Voraussage des K.-Ausgangs (Prognose). Eine besondere Bedeutung hat die K.-Früherkennung durch diagnost. Maßnahmen, die z. B. bei bösartig ver­ laufenden K.-Prozessen von ausschlaggebender Bedeu­ tung und lebensrettend sein können (-» Vorsorgeuntersu­ chungen). Eine K., die weder Neigung zur Selbstheilung zeigt, noch durch geeignete Maßnahmen zur Heilung angeregt werden kann, wird als Leiden bezeichnet. Leiden sind die Summe der nach einer K. bleibenden Ausfallerscheinun­ gen im menschl. Körper. Zu den Leiden gehören u. a. die Verstümmelungen und Verkrüppelungen des Körpers, die durch Unfall oder andere K. erworben oder auch ange­ boren vorhanden sind, Herzklappenfehler, manche 438

Stoffwechselstörungen wie die Zuckerkrankheit u. a. Der Begriff des Leidens ist unabhängig von den Folgen, dieder Träger eines Leidens zu erdulden hat: Es kann den Men­ schen in seiner Berufsausübung wenig beeinträchtigen, z. B. ein gut ausgeglichener (kompensierter) Herzklap­ penfehler; in anderen Fällen führt ein Leiden zu einer ein­ schneidenden Behinderung des Lebens oder gar zu völli­ ger Hilflosigkeit, wie der Verlust ganzer Glieder, schwere Verkrüppelungen, angeborenes Fehlen von Organen, Ausfall von Teilen des Gehirns oder Lähmungen wichti­ ger Nerven. Die seelischen K., soweit sie nicht bereits als Gehirn­ krankheiten erkannt werden konnten, sind nach gut be­ gründeter wissenschaftl. Auffassung größtenteils nicht auf seel. Ursachen, Erlebnisse, sondern auf noch wenig erforschte körperl. Störungen zurückzuführen. Neuro­ sen sind jedoch in der Lebensgeschichte des Kranken ver­ ankert und psychisch begründet. 2) Psychische Einflüsse. Die psych. Dimension der K. ist von besonderer Bedeutung für Entstehung, Verlauf und -»Prognose. Bei psychisch bedingten körperl. Stö­ rungen (psychosomat. Erkrankungen) läßt sich im allge­ meinen die Wirkung einer zurückliegenden psych. Schä­ digung (psychodynam. Basissyndrom) unterschiedl. Aus­ prägung nachweisen. So geht der ersten Manifestation der psychosomat. Störung (oder dem Rezidiv) zumeist der Verlust eines subjektiv wichtigen Beziehungsobjekts (-►Objektverlust) voraus, z. B. bei nicht bewältigtem Trauererlebnis. Grund dafür ist die in irgendeiner Form seit der Kindheit (meist infolge von Störungen in der frühkindl. Entwicklung) erhaltene Abhängigkeit von Schlüs­ selfiguren, die in der Funktion eines Hilfs-Ich für die Be­ friedigung typ. regressiver (frühkindl.) Bedürfnisse un­ umgänglich sind. Im Zug des Objektverlusts bleiben diese Abhängigkeitswünsche unerfüllt (Versagung); es kommt zur Entgleisung des Selbstwertgefühls infolge Unterbre­ chung der äußeren Zuwendungen und somit zu einer IchKränkung mit Trennungsängsten und Gefühlen der emo­ tionalen Ohnmacht (narzist. Konflikt). Dabei auftre­ tende, durch die Versagung bedingte aggressive Regungen werden vom Patienten unterdrückt, da er fürchtet, im Fall ihres Auslebens die Zuwendung der Umwelt zu verlieren (Aggressionskonflikt). Im Gefolge der Abwehr dieser ag­ gressiven Regungen kann ferner eine Depression auftre­ ten, die häufig der körperl. Erkrankung unmittelbar vor­ ausgeht und in Zustände der Hilflosigkeit (asthen. Ent­ mutigung) und Hoffnungslosigkeit (apathisch-düstere Resignation) einmünden kann. Nicht zuletzt wegen der im allgemeinen faßbaren Einschränkung der -► Introspek­ tionsfähigkeit ist dem psychosomat. Patienten eine situa­ tionsgerechte Konfliktlösung nicht möglich. Hieraus er­ wächst die körperl. (somatische) Störung. Die Minderung der Selbsterkenntnis zeigt ihrerseits beim Patienten eine Verknüpfung mit Zügen teilweiser oder ausgeprägter seel. Leere, verbunden mit Einförmigkeit des Gedanken­ ablaufs, Verarmung des Wortschatzes und Verminde­ rung der Phantasie, reduzierter Kontaktfähigkeit und Unfähigkeit, hinreichend Emotionales in zwischenmenschl. Beziehungen einzubringen. Es kommt zu gestei­ gerter hypochondr. Selbstbeschäftigung. Ausgehend von den beiden Basisprozessen -»Konversion und -»Resomatisierung erreichen nunmehr die inneren Spannun­ gen unmittelbar den Körper, ohne seelisch bewältigt worden zu sein. Beispiele einer psychosomat. Erkrankung sind das Ma­ gengeschwür, die geschwürige Dickdarmentzündung (Colitis ulcerosa) und die Crohnsche Krankheit, die Fett­ sucht (>KummerspeckHerzneurose< und der Reizdarm (Colon irritabile). Die Symptombildung bei der psychosomat. Erkrankung enthält für den Patienten insofern einen »sekundären KrankheitsgewinnLife eventstrockenFleischerzeugensinnloses< Wachstum. Die Schnel­ ligkeit, mit der eine K. wächst, schwankt je nach Ge­ schwulsttyp und von Fall zu Fall. Im Greisenalter z. B. pflegt das Wachstum der K. weniger stürmisch zu sein. Unter best. Bedingungen kann man messen, in welcher Zeit sich eine K. verdoppelt (Verdoppelungszeit). Krebszellen lösen sich aus ihrem Verband und infiltrie­ ren in Zapfen oder als Einzelzellen die Saft- und Lymphspalten des benachbarten Gewebes und zerstören es. Die­ ses schrankenlose, in gesundes Gewebe hineinwuchernde (infiltrierende) und Zerstörer, (destruierende) Wachstum ist ein sicheres Kennzeichen aller bösartigen Geschwülste, mit dessen Hilfe sie sich u. a. von den gutartigen Ge­ schwülsten abgrenzen lassen. Zunächst breitet sich die Primärgeschwulst am Ort ihrer Entstehung nach allen Sei­ ten aus. Es gibt keine Struktur, die ihr Einhalt bieten könnte, selbst Knochen wird angefressen (arrodiert) und zerstört. Plötzliche Brüche (Spontanfrakturen), z. B. der Wirbelsäule oder der Glieder, machen darauf aufmerk­ sam . K. zerstören auch die Wand der Lymph- und Blutge­ fäße; gelangen Krebszellen in die Lichtung der Gefäße, so können sie kontinuierlich darin fortwachsen. Häufig lö­ sen sich kleine Geschwulstbrocken oder Einzelzellen und werden mit dem Lymph- und Blutstrom verschleppt. Blei­ ben sie stecken, so können sich unter für sie günstigen Bedingungen entfernt vom Primärtumor Sekundärge­ schwülste (Tochtergeschwülste, -»Metastasen) bilden (diskontinuierl. Wachstum). Die fortschreitende, zunächst kontinuierl., später dis­ kontinuierl. Ausbreitung der K. wird in Stadien eingeteilt. Das Stadium 1 kennzeichnet die K., die am Entste­ hungsort eine best. Größe noch nicht überschritten haben. Dem Stadium II werden K. zugeordnet, die größer sind und bei denen schon einzelne Lymphknotenmetastasen entstanden sind.

K. des Stadiums III sind bereits in die weitere Nachbar­ schaft eingewachsen, und die Zahl der Lymphknoten­ metastasen ist größer geworden. In dem i. d. R. bereits inoperablen Stadium IV haben die Größe des Tumors, ferner Zahl und Größe der lymphogenen (auf dem Lymphweg verschleppten) und jetzt auch der hämatogenen (auf dem Blutweg verschleppten) Metastasen weiter zugenommen. Das Stadium, das eine K. erreicht hat, gibt dem Arzt Hinweise für den weiteren Verlauf und die nach einer Ope­ ration einzuschlagende unterstützende Behandlung. K. entstehen aus maligne entarteten Zellen körpereige­ ner Gewebe (Kanzerisierung). Auch nach ihrer Kanzerisierung behalten die Krebszellen einen Teil der Eigen­ schaften jener Gewebe (>MuttergewebeSickerblutungen< aus arrodierten Blutgefäßen oder Metastasen im blutbildenden Gewebe (Knochenmark) sein. Von großer Bedeutung ist die Gewichtsabnahme des Krebskranken, die schließlich zur Auszehrung (-»Kach­ exie) führt. Die Ursachen dieser Auszehrung, die mit einer Störung des Eiweiß-, Fett-, Wasser- und Elektrolytstoff­ wechsels einhergeht, sind nicht einheitlich; u. a. entziehen die Krebszellen dem Organismus wichtige Bausteine des Eiweißstoffwechsels (Aminosäuren), welche die Zellen bes. der Leber und der Darmschleimhaut selber dringend benötigen. Die fortschreitende Kachexie ist eine der wich­ tigsten Todesursachen des Krebskranken; unter Einwir­ kung des mit ihr verknüpften Zusammenbruchs aller Ab­ wehrkräfte entsteht am Ende häufig noch eine -» Lungen­ entzündung oder eine -» Blutvergiftung (Sepsis). Der Tod wird aber in etwa 50% der Fälle schon früher durch Kom­ plikationen von Seiten der K. hervorgerufen. So können K. die Wand großer Schlagadern zerstören mit der Folge massiver, tödl. Blutungen. Auch Darmverschluß und/ oder Geschwulstdurchbruch in die freie Bauchhöhle mit nachfolgender Bauchfellentzündung oder Metastasen in lebenswichtigen Organen können den Tod vorzeitig her­ beiführen. 3) Heilung, Rezidiv, Remission. Heilung ist i. d. R. nur durch eine möglichst frühe operative Beseitigung aller Krebszellen oder durch ihre Vernichtung mit Hilfe ionisie­ render Strahlen, oft zusammen mit zytostatisch wirksa­ men Medikamenten (-»Zytostatika), zu erreichen. Ver­ bleiben Krebszellen im Körper, so wachsen sie in der Nachbarschaft des entfernten Primärtumors oder im Be­ reich seiner Metastasen weiter; es entsteht ein Wiederauf­ leben (— Rezidiv). Therapeut. Erfolge werden statistisch durch die Zeit­ spanne bewertet, während der ein Geschwulstkranker rückfallfrei bleibt; man spricht z. B. von einer 5-, 10-oder 15-Jahres-Heilungs- oder -Überlebensrate. Es kann näm­ lich auch nach vielen Jahren noch zu einem Spätrezidiv kommen, erklärbar dadurch, daß zurückgebliebene Krebszellen jahrelang nicht wachsen (schlafende Zellen), weil das Immunsystem des Körpers ihr Wachstum hemmt. Remissionen, d. h. vorübergehende Einstellung des Wachstumsund Rückbildung der K., können z. B. durch Strahlen- oder Chemotherapie erreicht werden. Spontane Remissionen dagegen sind selten. Spontane Heilungen ei­ ner K. mit durch mikroskop. Untersuchung gesicherter Diagnose sind extrem selten; darauf sollte bei der Beurteilungvon >Wunderheilungen< geachtet werden! Eine Stati­ stik spricht von 1 Fall auf 100000. Hinzu kommt, daß es sich dabei meist um bestimmte Tumortypen gehandelt hat, die relativ gut von den körpereigenen immunolog. Abwehrsystemen erreicht werden können. 4) Entstehung und Entwicklung. Eingeleitet (initiiert) wird die Krebsbildung durch Umwandlung körpereigener Zellen in Krebszellen (Kanzerisierung); die Initiierung kann durch ehern, oderphysikal. Reize, kanzerogene oder onkogene (-»Onkogenität) Faktoren erfolgen. Bei einer bestimmten Zahl von K. aber ist die Ursache der Kanzeri­ sierung z. Z. nicht bekannt. Läßt man ein ehern. -»Karzi­ nogen auf die Haut eines Versuchstiers ein wirken, so ent­ stehen zunächst nur uncharakterist. und rückbildungsfä­ hige Veränderungen. Erst nach einer längeren Zeitspanne entwickelt sich eine Geschwulst, und zwar auch dann, wenn das Karzinogen nur eine begrenzte Zeitspanne ein­ gewirkt hat, eine Beobachtung, die bei der Beurteilung der Berufskrebse von großer Bedeutung ist. 442

Die erste Phase, während der sich die Krebszellen weder licht- noch elektronenmikroskopisch, noch mit biochem. Methoden als solche erkennen lassen, wird Latenz- oder Inkubationszeit oder Induktionsphase genannt. Beim Menschen hält sie i. d. R. 15—30 Jahre an. Danach erst be­ ginnen die Krebszellen, unaufhaltsam in die gesunde Nachbarschaft einzuwachsen. Diese Invasions-(Infiltrations-)Phase hält 1-5 Jahre an. Dann kommt es zur Phase der Metastasierung, die nach 1—5 Jahren durch den Tod des Geschwulstträgers endet. Entwicklung der Krebsgeschwülste Latenzzeit

Stadium 0

Induktions­ phase 15-30 Jahre

ln-situPhase 5-10 Jahre

Stadium I—IV Invasions­ phase 1-5 Jahre

Metastasie­ rungsphase 1-5 Jahre

Von größter prakt. Bedeutung wäre es, die entarteten Krebszellen bereits während der Latenzphase zu entdekken und zu bekämpfen, während sie noch am Ort ihrer Entstehung bleiben, ohne die Nachbarschaft zu infiltrie­ ren und bes., noch ehe sie in die Lymph- und Blutgefäße eingebrochen sind; das ist bisher nur an bestimmten Stel­ len möglich, so im Plattenepithel der Haut, der Mund­ höhle und des Gebärmutterhalses. Hier lassen sich Kernatypien und Differenzierungsverlust, wie sie für die K. charakteristisch sind, bereits am Ende der Latenzphase erkennen. Solche Veränderungen bilden das Stadium 0 oder die In-situ-Phase (noch auf das Plattenepithel be­ schränkte Wucherung der Krebszellen) der Krebskrank­ heit. Sie werden als Vorkrebskrankheiten (Präkanzerö­ sen) bezeichnet, weil sie 5—10 Jahre oder länger bestehen können, ehe die atyp. Zellen die das Plattenepithel be­ grenzende Basalmembran durchbrechen und das angren­ zende Gewebe zu infiltrieren beginnen. Je nach dem Grad der Zellatypie und des Differenzierungsverlusts werden noch einmal 3 Stufen der Vorkrebskrankheit unterschie­ den, nämlich die leichte Dysplasie, die schwere Dysplasie und das Carcinoma in situ (-► Vorkrebskrankheiten), die kontinuierlich ineinander übergehen. Bei den leichteren Veränderungen besteht die Möglichkeit der spontanen Rückbildung. Je stärker aber die Atypien sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß sich aus dem Vor­ krebs eine ab einem gewissen Punkt unaufhaltsam fort­ schreitende K. entwickelt. Wird ein solcher Vorkrebs z. B. am Gebärmutterhals durch in regelmäßigen Zeitab­ ständen vorgenommene Krebsvorsorgeuntersuchungen rechtzeitig entdeckt, so genügt ein einfacher und nahezu ungefährl. Eingriff (Konisation), um die noch latente K. im präinvasiven >Stadium 0< zu beseitigen. Über die Einflüsse, die zur Umwandlung der Normal­ zelle in die Krebszelle führen, bestehen noch unzurei­ chende Kenntnisse. Ergebnisse der tierexperimentellen Forschung mit ehern, und physikal. Kanzerogenen aber lassen einige Schlußfolgerungen zu, die sich hypothetisch mit aller gebotenen Zurückhaltung auch auf den Men­ schen übertragen lassen. Danach müssen v. a. zwei Vor­ aussetzungen für die Entwicklung einer K. erfüllt sein: a) Die meisten ehern .und physikal. Kanzerogene sind in der Lage, den Stoffwechsel der Kernsäuren (-»Nuklein­ säuren) der Zellen und damit ihre genet. Information in charakterist. Weise zu verändern. Sehr wahrscheinlich entstehen unter der Einwirkung dieser genotox. Karzino­ gene zahlreiche Mutationen somat. Zellen (somat. Muta­ tionen), die Mutationsrate ist also erhöht. Durch Muta­ tion werden genet. Informationen und somit Eigenschaf­ ten der Zelle verändert, hinzugewonnen oder verloren. Behalten die Zellen ihre Teilungsfähigkeit, so wird die ver­ änderte genet. Information an alle aus der mutierten Zelle hervorgehenden Zellgenerationen weitergegeben. Befin­ det sich unter den vielen mutierten Zellen eine oder eine ge­ wisse Zahl von Zellen mit der Eigenschaft, autonom und unaufhörlich zu wachsen, so sind die Voraussetzungen für die Entwicklung einer K. geschaffen (Mutationstheo­ rie von K. H. Bauer, * 1890,11978). b) Die zweite, allgemeinere Voraussetzung für die

Kreb Krebsentstehung ist eine starke Wucherung (Prolifera­ tion) der Zellen. Sie ist erforderlich, damit die zu Krebszel­ len mutierten Zellen sich so lange weiter teilen, bis sie sich gegenüber dem Immunsystem (-»Immunität) des Orga­ nismus durchgesetzt haben. Man darf nämlich anneh­ men, daß bes. in diesem Initialstadium die Überwachungsfunktion des Immunsystems einen beträchtl. Teil, vielleicht die überwiegende Mehrheit entstehender Krebs­ zellen zu vernichten in der Lage ist. Die Proliferation als solche kann von zahlreichen Rei­ zen ausgehen: zum einen vom genotox. Karzinogen selbst, zum anderen von epigenet. (umweltgesteuerten) Fakto­ ren, die selbst nicht karzinogen (genotoxisch)sind. Durch ihren ausgeprägten und anhaltenden Proliferationsreiz verkürzen sie die Latenzzeit bereits kanzerisierter Zellen, so daß die Invasionsphase früher einsetzt; die K. kommt vorzeitig zustande, >realisiert< sich früher. Weil diese Rea­ lisationsfaktoren somit die Wirkung der Karzinogene un­ terstützen und damit die Krebsentstehung fördern, wer­ den sie auch Kokarzinogene oder Promotoren genannt. Realisationsfaktoren sind z. B. alle die Zellwucherung fördernden Hormone wie Östrogen, im Prinzip aber auch alle langzeitlich chronischen, entzündl. und regenerator. Reize, die zur Aufstellung der Virchowschen Reiztheorie als Krebsursache führten. So entstehen K. der Gallenblase fast ausschließlich bei Menschen, die viele Jahre bis Jahr­ zehnte an einer chron., meist rezidivierenden Entzündung der Gallenblasenschleimhaut gelitten haben, wobei das Andauern der Entzündung zu immer erneuter Schädi­ gung, Regeneration und Wucherung der Epithelien führt. 5) Häufigkeit der K. Etwa 20-30% aller Menschen ster­ ben an K. Viel diskutiert wird die Frage, ob und wie stark die K. in der Vergangenheit zugenommen haben und ob die Zahl der Krebserkrankungen derzeit im Steigen begrif­ fen ist. Unbestritten ist, daß der zu Anfang dieses Jh. noch sehr seltene Lungen- und Bronchialkrebs etwa seit 1930 fortlaufend so stark zugenommen hat und stetig weiter zu­ nimmt, daß er mittlerweile zur häufigsten K. der Männer geworden ist. Für die Gesamtheit der übrigen K. dagegen dürfte es nicht zu einer starken Zunahme gekommen sein, sofern man folgende Tatsachen berücksichtigt: a) Die durchschnittl. Lebenserwartung eines Neugebo­ renen hat sich während der letzten 300 Jahre etwa verdop­ pelt, sie nimmt, wenn auch weniger schnell, immer noch zu. Da K. mit steigendem Lebensalter zunehmend häufi­ ger werden, ist die Wahrscheinlichkeit, an einer K. zu er­ kranken, um so größer, je älter ein Mensch wird, denn zwei Drittel aller K. treten nach dem 60. Lebensjahr auf. b) Weil sich diediagnost. Möglichkeiten, eine K. zu er­ kennen, laufend verbessern, erscheinen Angaben über K. in den Krankheits- und Todesfallstatistiken immer häu­ figer. Dies schließt natürlich nicht aus, daß Schwankungen in der Häufigkeit verschiedener Tumortypen nach oben wie nach unten beobachtet werden. Die immer wieder geäu­ ßerte Befürchtung jedoch, die Zahl der K. würde bes. we­ gen der Verschmutzung und Verseuchung unserer Um­ welt mit kanzerogenen Schadstoffen stark ansteigen, trifft nach Untersuchungen weder fürdie Bundesrep. Dtl. noch für die USA zu, sie blieb vielmehr — vom Bronchial­ krebs abgesehen — während der letzten 20 Jahre annä­ hernd konstant, sofern gleiche Altersklassen miteinander verglichen wurden (>altersbereinigte Statistikern). 6) Ursachen (Ätiologie). Eine einheitl. Ursache der K. gibt es nicht. Vielmehr sind zahlreiche kanzerogene (on­ kogene) Faktoren, sogenannte -♦ Risikofaktoren, be­ kannt, die einzeln oder in Kombination (Synkanzerogenese) die Bereitschaft, an einer K. zu erkranken, hervorru­ fen oder begünstigen. Bis vor kurzem war man der An­ sicht, daß die Ursache von 85—90% aller K. derzeit noch ganz unbekannt wäre. Epidemiolog. Untersuchungen aus jüngerer Zeit haben jedoch ergeben, daß die Zahl der K., deren Entstehung durch bekannte Umweltfaktoren ver­ ursacht oder wenigstens begünstigt wird, viel größer ist und bei etwa 75-80% aller Krebskrankheiten liegt. Diese Feststellung ist von außerordentl. Tragweite, zeigt sie doch, daß die Entstehung einer beträchtl. Zahl von K. ver­ mieden werden könnte (Prävention), wenn es gelingen

sollte, die krebsfördernden Umweltfaktoren auszu­ schalten. Das Wissen über die kanzerogene Wirksamkeit von Umweltfaktoren beruht auf folgenden Methoden: a) Zahlreiche ehern. Substanzen, darunter Industriepro­ dukte, bei der Verbrennung entstehende Emissionen, Zu­ sätze oder Verunreinigung in Luft, Wasser und Nahrung, Medikamente u. a. werden mit Hilfe von Bakterien-, Zell­ kulturen und Tierexperimenten auf ihre Kanzerogenität getestet. Erweisen sie sich als kanzerogen, so werden sie von nationalen und internationalen Behörden verboten, es wird gewarnt oder zu äußerster Vorsicht bei ihrer Ver­ wendung geraten. Da solche experimentellen Ergebnisse sich aber nur sehr bedingt auf den Menschen übertragen lassen, haben b) epidemiolog. Untersuchungen zuneh­ mend an Bedeutung gewonnen. Sie lassen u. a. erkennen, daß in bestimmten Regionen, Ländern oder Kulturen ge­ wisse K. um ein Vielfaches häufiger vorkommen als in an­ deren Gegenden. Es liegt nahe, diese Unterschiede auf Be­ sonderheiten der Umwelt, z. B. die Ernährung, zurückzu­ führen, die für die Region typisch sind. Eindeutig lassen sich solche Zusammenhänge analysieren, wenn Men­ schengruppen aus ihrer Heimat in ein Gastland auswan­ dern. Z. T. schon in der ersten, häufiger in der zweiten und dritten Generation erkranken diese Menschen nicht mehr an den in ihrer Heimat typ. und häufigen K., sondern an den im Gastland üblichen. Zu den wichtigsten krebserre­ genden Umwelteinflüssen gehören Zigarettenrauchen, Luftverschmutzung, ehern. Stoffe am Arbeitsplatz und physikal. Einwirkungen unterschiedl. Art. Zigarettenrauchen. Unter den karzinogenen Umwelt­ faktoren führt mit weitem Abstand das Zigarettenrau­ chen, das für 22—40% (im Mittel 30%) aller krebsbeding­ ten Todesfälle verantwortlich ist. Im Vergleich zu Nicht­ rauchern erkranken starke Zigarettenraucher 10—25mal häufiger am Lungen-Bronchial-Krebs, 5mal häufiger am Kehlkopfkrebs, 4mal häufiger am Mundhöhlenkrebs, 3—4mal häufiger am Speiseröhrenkrebs, 2mal häufiger am Harnblasenkrebs und l-2mal häufiger an Krebs der Nieren, Bauchspeicheldrüse u. a. Bei Zigarren- und Pfei­ fenrauchern ist das Risiko weniger stark, jedoch erkran­ ken Pfeifenraucher häufiger an Lippen- und Zungen­ krebs. Die K. entstehen i. d. R. erst nach einer langen Latenz­ zeit von durchschnittlich 15—20 Jahren und länger, und zwar um so häufiger, je mehr und je länger geraucht und je früher damit angefangen wurde. Personen, die mit dem Rauchen aufhören, weisen etwa 10 Jahre später das glei­ che geringere Erkrankungsrisiko auf wie Nichtraucher. Auffälligerweise erkranken Frauen viel seltener an Bron­ chialkrebs als Männer, bedingt durch die unterschiedl. Rauchgewohnheiten von Frauen und Männern. Mit der Angleichung dieser Gewohnheiten beginnt sich das unter­ schiedl. Erkrankungsrisiko jedoch auszugleichen. Verursacht werden diese K. durch mehrere im Zigaret­ tenrauch und bes. im Kondensat enthaltene polyzykl., aromatische Kohlenwasserstoffe (Teerabkömmlinge), die bei der unvollständigen Verbrennung der Zigarette entstehen und bes. bei der Inhalation des Zigaretten­ rauchs an den Epithelien der Schleimhäute haften und sie kanzerisieren. Nikotin selbst ist kein Kanzerogen, ledig­ lich eines der Nebenalkaloide (10%) des Nikotins, das N'-Nitrosonornicotin, hat krebserzeugende Eigenschaf­ ten. Ob und wie stark sich das Rauchen von Zigaretten, die weniger Teerabkömmlinge enthalten, auf die Krebserkrankungs- und Sterberate auswirken wird, läßt sich we­ gen der langen Latenzzeit heute noch nicht übersehen. Für die nächsten Jahre jedenfalls wird noch mit einem weite­ ren Anstieg gerechnet. Eine gesundheitsschädigende Wir­ kung des -* Passivrauchens konnte bisher weder bewiesen noch sicher ausgeschlossen werden. Luftverschmutzung wird überwiegend durch den Rauch aus Schornsteinen der Industrie, der Kraftwerke und Müllverbrennungsanlagen, der beheizten Wohnhäu­ ser und durch Abgase der Kraftfahrzeuge hervorgerufen (-•Luftverunreinigung). Die verschmutzte Luft enthält unterschiedl. Schadstoffe, darunter eine Vielzahl kan­ zerogener polyzykl. aromatischer Kohlenwasserstoffe (Abk. p. a. K.), die beider Verbrennung entstehen, ferner 443

Kreb Asbest und Arsen. Somit liegt der Gedanke nahe, daß ein bestimmter Gehalt an p. a. K. in der Luft wie der Zigaret­ tenrauch Bronchialkrebs entstehen läßt. Für diese An­ nahme sprechen epidemiolog. Untersuchungen, die erga­ ben, daß Stadtbewohner in Ballungsgebieten häufiger an diesem Leiden erkranken als Bewohner von Reinluftge­ bieten. Wurden jedoch Raucher und Nichtraucher ge­ trennt untersucht, so fanden sich bei den Rauchern keine Unterschiede mehr. Offensichtlich überlagert der viel >wirksamere< Faktor Zigarettenrauchen die Auswirkun­ gen der Luftverschmutzung. Bedeutsam ist die Feststel­ lung, daß der Gehalt der Luft an p. a. K. in manchen Bal­ lungsgebieten während der letzten 10 Jahre drastisch ab­ genommen hat. So haben Untersuchungen in Düsseldorf, Dortmund und Krahm (Oberbergischer Kreis) ergeben, daß die Luft 1979 nur noch 8—12% der 1969 gemessenen p. a. K.-Konzentration enthielt. Dies soll in erster Linie auf der verbesserten Heiztechnik und auf der Verwen­ dung emissionsarmer Brennstoffe beruhen. Sollten in Zu­ kunft wieder mehr feste fossile Brennstoffe wie Kohle, Koks oder Müll eingesetzt werden, so könnte die Konzen­ tration von p. a. K. in der Luft allerdings wieder ansteigen. Bei krit. Sichtung der z. Z. verfügbaren Daten kann angenommen werden, daß die in der Luft enthaltenen p. a. K. in Ballungsgebieten etwa 10% aller Bronchial­ karzinome, d. h. 2% (1 —5 %) aller K. entstehen lassen. Da die krebserzeugenden Effekte auch kleinster Einzeldosen sich addieren, dürften die im Vergleich zum Zigaretten­ rauch relativ geringen Mengen an p. a. K. sich bes. verstär­ kend auf das Krebsrisiko der Raucher auswirken. Den Auswirkungen weiterer karzinogener Substanzen, die in die Luft gelangen können, wie Asbest oder Arsen, wird derzeit eine wesentl. Bedeutung für die Allgemein­ heit nicht zugesprochen; ein Risiko besteht jedoch unmit­ telbar am Arbeitsplatz. chemische Kanzerogene. Die Zahl der als kanzerogen eingestuften, im Berufsleben (-»Berufskrebse) anfallen­ den Substanzen stieg von 3 im Jahr 1958 auf 75 im Jahr 1979. Diese Vermehrung beruht überwiegend auf der fort­ schreitenden Verbesserung der experimentellen Untersu­ chungsmethoden. Die Anzahl der Substanzen, die erwie­ senermaßen K. erzeugen, ist weitaus geringer. Auf die kanzerogene Eigenschaft vieler ehern. Substanzen, die in Bergwerken, industriellen Betrieben u. a. auch in der Pharmaindustrie anfallen, wurde man in Vergangenheit und Gegenwart häufig dadurch aufmerksam, daß be­ stimmte Berufsgruppen auffallend häufig an K. erkrank­ ten. So beobachtete bereits gegen Ende des 18. Jh.einbrit. Arzt, daß sich bei Schornsteinfegern häufig K. der Haut, bes. am Hodensack (Skrotalkrebs, Schornsteinfeger­ krebs), bilden. Ihre Entstehung konnte später auf p. a. K., z. B. Benzpyren oder Methylcholanthren, zurückgeführt werden, die im Ruß und Teer enthalten sind. Mittlerweile ist bekannt, daß K. der Haut bei Arbeitern, welche mit Mi­ neralöl, Paraffin, Asphalt, Pech, Brikett, Korkstein u. a. umgehen, auf die gleichen p. a. K. zurückzuführen sind. Parallel zur weltweit stark zunehmenden Förderung und Verarbeitung von Asbest (-»Asbesterkrankungen) nahm die Zahl der durch diese Substanz hervorgerufenen K. sehr stark zu. Die Inhalation von Asbeststaub ruft eine Er­ krankung der Lungen (Asbestose) hervor. Bei 20—25% der an dieser Krankheit Verstorbenen wurden K. der Bronchien und Lungen festgestellt, darunter häufig Mes­ otheliome, die von den Deckzellen des Lungenfells ausge­ hen. Dabei ist bedeutsam, daß unter der Asbesteinwir­ kung nahezu ausschließlich Raucher an Krebs erkranken (Synkarzinogese). Dies beruht darauf, daß Asbest keine genotox. Eigenschaften besitzt und daher die Krebsent­ stehung nur unter der Voraussetzung begünstigt, daß be­ reits kanzerisierte, aber bisher nur latente Krebszellen vorhanden sind. Bei Anilinarbeitern (-► Anilinvergiftung) beobachtete man schon zu Anfang des 20. Jh. das gehäufte Vorkom­ men von K. der Harnblase. Anilin selbst erzeugt keine K. Als karzinogen erwies sich vielmehr ein bei der Fabrika­ tion von Azofarbstoffen und Kautschuk anfallendes aromat. Amin, das 2-Naphthylamin, das nach seiner Auf­ nahme in den Körper durch die Nieren ausgeschieden wird und erst in der Harnblase Papillome (-»Papillomatose) 444

und Karzinome entstehen läßt. - Bei Arbeitern, die mit Benzol umgehen, besteht ein erhöhtes Risiko zur Entste­ hung von Blutkrebs. Berufskrebse können sich ferner beim Umgang mit anorgan. Substanzen bilden, z. B. mit Arsen in Haut oder Leber, mit Cadmium in der Vorsteher­ drüse, mit Chrom in Bronchien und Lungen oder mit Nik­ kei in Atemwegen und Lungen. Durch Verbesserung der Schutzmaßnahmen am Ar­ beitsplatz konnte die Zahl der Berufskrebse beträchtlich gesenkt werden. Nach Angaben der Weltgesundheits­ organisation werden 1—5% aller K. am Arbeitsplatz er­ worben. Inder Bundesrep. Dtl. lagder Anteil der entschä­ digungspflichtigen Berufskrebse während der letzten 40 Jahre bei 0,3—1,2%, der Anteil der Todesfälle bei 0,02—0,03% der Gesamtbevölkerung. physikal. karzinogene Faktoren. Energiereiche ionisie­ rende Strahlen (Röntgen-, Alpha-, Beta- und Gamma­ strahlen), ferner Korpuskularstrahlen, bes. Neutronen, rufen im Gewebe durch Abgabe von Energie schwere Schäden, u. a. an den Nukleinsäuren der Chromosomen in den Zellkernen, hervor. Eine bedeutsame Folge der -»Strahlenschädigungen und höchstwahrscheinlich die Ursache des Kanzerisierungseffekts ist die starke Erhö­ hung der Mutationsrate. Voraussetzung für die Entstehung von K., die oft erst nach einer langen Latenzzeit von 10—25 Jahren entstehen, ist die Überschreitung der Toleranzdosis (-»Strahlen­ schutz). Je höher die verabreichte Strahlendosis, desto größer ist das Erkrankungsrisiko. Dabei kann die Kanze­ risierung durch eine einzige sehr hohe Dosis, z. B. bei einer Atombombenexplosion, oder durch Summation vieler kleiner Dosen erreicht werden. Junge Menschen sind stär­ ker gefährdet als ältere. Die größte Gefahr besteht für den Fetus im Mutterleib und für Kinder während der ersten beiden Lebensjahre. Männer erkranken häufiger als Frauen. Nach örtl. Strahleneinwirkung bilden sich K. der Haut. Sie entstanden z. B. während der Pionierzeit der Strahlenforschung bei nahezu allen Physikern und Ärz­ ten, weil sie die Spätfolgen der Strahleneinwirkung noch nicht kannten und bes. Hände und Arme der Strahlung ohne Schutzmaßnahmen aussetzten (-»Röntgenpio­ niere). Nach Einwirkung höherer Strahlendosen entste­ hen K. auch im Inneren des Körpers, bes. häufig als Blut­ krebs (Leukämie). Nach Ganzkörperbestrahlung entwikkelten sich, z. B. nach den Atombombenexplosionen in Japan, vorwiegend akute und chron. Leukämien, viel sel­ tener dagegen Organkrebse anderer Art und Lokalisa­ tion, z. B. Schilddrüsenkrebse. Die Latenzzeit, nach der sich nach den Atombombenexplosionen in Japan Leuk­ ämien entwickelten, war auffallend kurz; sie betrug 2— 15 Jahre, das Maximum lag bei 6—8 Jahren. Die seit dem 16. Jh. bekannte erhöhte Gefährdung der Schneeberger und Joachimsthaler Bergleute, an Lungen­ krebs zu erkranken, konnte auf die Inhalation der in der Grubenluft enthaltenen Radiumemanation (Radon) der Uranpechblende zurückgeführt werden. Der natürl. Ge­ halt an Radioaktivität in der Luft, im Wasser und in der Nahrung dagegen ist so gering, daß er als Ursache der K. nicht herangezogen werden kann. Auch ultraviolette (UV-)Strahlung schädigt die Haut. I. d. R. bilden sich jedoch erst nach sehr langen Latenzzei­ ten und daher vorwiegend bei alten Menschen K. der Haut, und zwar bevorzugt im Gesicht, wenn es der Son­ nenstrahlung ohne Schutz über viele Jahre ausgesetzt war. Bes. gefährdet sind deshalb Personen, die viel im Freien arbeiten. Das Melaninpigment der Haut schützt die Deck­ zellen vor der Einwirkung der UV-Strahlen des Sonnen­ lichts. Menschen mit pigmentarmer Haut, z. B. Rothaa­ rige und v. a. Albinos, sind daher stärker gefährdet. Dunkle Rassen haben sich durch ihre starke Pigmentie­ rung angepaßt; sie entwickeln trotz der in ihrer Heimat starken und lang anhaltenden Sonneneinstrahlung viel seltener Hautkarzinome als hellhäutige Rassen, die den gleichen Bedingungen ausgesetzt sind (z. B. in Austra­ lien). Durch UV-Strahlung erzeugte K. der Haut (-► Haut­ krebs) entstehen in unseren Breiten häufig, ihre Prognose ist aber je nach Einordnung durch die -* Broders-Klassifikation im Vergleich zu anderen K. relativ gut. Alkohol soll 3% aller K. hervorrufen. Unbestritten ist.

Kreb daß übermäßiger Genuß, bes. von hochkonzentriertem Alkohol über viele Jahre, das Risiko, an Mundhöhlen-, Rachen- und Speiseröhrenkrebs zu erkranken, um ein Vielfaches erhöht, und zwar bes. dann, wenn gleichzeitig stark geraucht wird. So steigt das Risiko, an einer K. zu er­ kranken, bei starken Trinkern um das 2,3fache, bei star­ ken Rauchern um das 2,4fache, bei starken Trinkern je­ doch, die zugleich viel rauchen, um das löfache an. Da die Latenzzeit lang ist, entstehen die K. meist erst im höheren Alter und vorwiegend bei Männern. Der Alkohol allein ist wahrscheinlich kein Kanzerogen, aber gefährlich, weil er die Schleimhaut reizt und die Regeneration der Deckzel­ lenerhöht. Auch muß an Verunreinigung der alkohol. Ge­ tränke mit andersartigen karzinogen wirksamen Substan­ zen gedacht werden. Ernährung. Der Einfluß der Nahrung auf die Krebsent­ stehung wird unterschiedlich beurteilt. Die Angaben schwanken zwischen 10 und 70% aller Krebstodesfälle. Die Unsicherheit in der Beurteilung liegt daran, daß gesi­ cherte Zahlenangaben, im Ggs. z. B. zu den Auswirkun­ gen des Zigarettenrauchens, nicht zu erhalten sind, alle Schätzungen daher überwiegend auf mehr oder weniger begründeten Spekulationen beruhen. Durch Tierexperi­ mente belegt und auch für den Menschen erwiesen ist je­ denfalls, daß übermäßige Nahrungszufuhr und dadurch bedingtes Übergewicht die Entstehung gewisser K. begün­ stigt. Am höchsten ist das mit steigendem Körpergewicht stetigzunehmende Risiko bei Frauen, an Krebs des Gebär­ mutterkörpers und der Gallenblase zu erkranken. Bei an­ deren Organkrebsen ist der Einfluß des Übergewichts bei Männern und Frauen weniger stark ausgeprägt oder fehlt sogar, wie beim Lungenkrebs. Die Mechanismen, welche die Krebsentstehung bei Übergewichtigen fördern, sind mit einer Ausnahme unbekannt. Im Fettgewebe wird un­ ter der Stimulation der Nebenniere Östrogen gebildet; das Fettgewebe ist bei Frauen nach der -► Menopause die ein­ zige, mit steigendem Körpergewicht sich vergrößernde Östrogenquelle. Der proliferationsfördernde Einfluß die­ ses Hormons auf die Drüsen der Gebärmutterschleimhaut begünstigt wahrscheinlich im Sinn eines Kokarzinogens die Karzinomentstehung an dieser Stelle. Besondere Beachtung verdienen epidemiolog. Unter­ suchungen, die ergaben, daß das Risiko, an Krebs der Speiseröhre, des Magens und des Darms zu erkranken, in verschiedenen Ländern oder Kulturen auffällige Unter­ schiede aufweist. An Darmkrebs z. B. erkranken in Japan 3, in der Bundesrep. Dtl. 15, in den USA 29 Personen je 100000 Einwohner. Demgegenüber ist in Japan die Zahl der Magenkarzinome am höchsten. Die Beobachtung, daß Auswanderer z. T. schon in der ersten, noch deutlicher in der zweiten und dritten Genera­ tion das gleiche Erkrankungsrisiko aufweisen wie die Ein­ wohner des Gastlandes, zeigt, daß mit großer Wahr­ scheinlichkeit Besonderheiten der Ernährung die Entste­ hung der K. entscheidend beeinflussen. Die Feststellung schließlich, daß Magenkarzinome seit einiger Zeit selte­ ner, die K. der Speiseröhre und des Darms dagegen häufi­ ger werden, läßt erkennen, daß unterschiedl. kanzerogene Faktoren an der Verursachung dieser Geschwülste betei­ ligt sind. Der Speiseröhrenkrebs wird bes. häufig in Ge­ genden beobachtet, in denen viel konzentrierter Alkohol getrunken wird (Calvados in Frankreich). Hinweise, daß Darmkrebse bei Arbeitern gehäuft vorkommen, die in As­ bestminen, in der Kunstfaser- oder Lederindustrie be­ schäftigt sind, haben keine überregionale Bedeutung. Von allgemeinem Interesse dagegen ist die Beobachtung, wonach die bei den westl. Industrienationen übliche, an Fleisch und Fett reiche, an Vegetabilien u. a. Ballaststof­ fen dagegen arme Kost die Darmkrebsentstehung begün­ stigt. Im Vergleich dazu ist das Risiko, an Darmkrebs zu erkranken, in den sozioökonomisch armen Ländern, de­ ren Einwohner sich - wie auch die Japaner - überwiegend mit an Ballaststoffen reichen Nährstoffen wie Gemüse, Reis, Getreideprodukten, Obst u. a. ernähren, sehr ge­ ring. Die Schutzfunktion der -»Ballaststoffe beruht wahrscheinlich darauf, daß sie eine rasche Entleerung des Darminhalts begünstigen. 'Heisch- und fettreiche Nah­ rung erhöht die Ausscheidung von Galle in die Darmlich­ tung, zugleich fördert sie die Vermehrung der zur Darm­

flora gehörenden Clostridien, die, wie jüngst gezeigt wer­ den konnte, in der Lage sind, aus Nahrungsbestandteilen und bes. aus Gallensäuren Substanzen zu bilden, die sich im Tierexperiment als kanzerogen erwiesen haben. Auch wurde festgestellt, daß sich im Darminhalt von Patienten, die an Darmkrebs erkrankt sind, weit mehr Clostridien und Gallensäuren nachweisen lassen als bei Gesunden. Aus diesen Beobachtungen wurde geschlossen: 1) Fleisch­ und fettreiche Nahrung fördert die Galleausscheidung und zugleich das Wachstum der Clostridien, die wie­ derum — vorwiegend aus Gallensäuren - kanzerogene Substanzen bilden; 2) Fleisch- und fettreiche Nahrung verlängert die Verweildauer des Kots in der Dickdarmlich­ tung und damit die Zeitspanne, während der die gebilde­ ten Kanzerogene auf die Darmschleimhaut einwirken können, und zwar überwiegend auf die Schleimhaut des Mastdarms und des ihm vorgeschalteten S-förmigen Teils des absteigenden Darms (Colon sigmoideum), weil hier der Kot eingedickt wird und vor seiner Entleerung am längsten verharrt. Damit steht in Übereinstimmung, daß Dickdarmkrebse sich am häufigsten an diesen Stellen bil­ den. Größte Aufmerksamkeit ist darauf zu richten, daß keine als karzinogen erkannten Substanzen in die Nah­ rung gelangen, z. B. -»Nitrosamine, Pestizide u. a. Ob­ wohl sich kein schlüssiger Beweis dafür hat erbringen las­ sen, daß diese Substanzen einen wesentl. Einfluß auf die Krebsentstehung des Menschen haben, bedarf es großer Anstrengung bei der laufenden Überwachung der Nah­ rung. Nicht unerwähnt sollte bleiben, daß die Forschung sich um die Entdeckung von Stoffen bemüht, die in der Lage sind, karzinogene Substanzen zu inaktivieren; so wird vermutet, daß das im Karotin enthaltene Vitamin A dazu in der Lage sein könnte. Karzinogene Substanzen kommen auch in Naturpro­ dukten, z. B. in Pflanzen und Pilzen, vor, jedoch sind sie überwiegend noch nicht genügend erforscht, um ein kla­ res Bild über die möglichen Auswirkungen auf den Men­ schen zu geben. Besondere Beachtung haben unter diesen Substanzen die -»Aflatoxine gefunden, Produkte des Schimmelpilzes Aspergillus flavus, die im Tierversuch bei Ratten Magen- und Leberkrebs hervorrufen. Die künftige Forschung läßt weitere wichtige Ergebnisse über kanzero­ gene Substanzen dieser Art erwarten. vom Arzt (iatrogen) hervorgerufene K. Eine radio­ aktive Substanz, das Thorotrast (kolloidales Thorium­ dioxid), wurde vor Jahrzehnten als Kontrastmittel zur Er­ kennung peripherer Durchblutungsstörungen in die Lichtung von Blutgefäßen injiziert (Angiographie), weil es auf Röntgenbildern die Blutgefäßveränderungen bes. kontrastreich zur Darstellung bringt. Viele Jahre später auftretende K., bes. in der Leber, hatten wahrscheinlich in dieser Untersuchungsmethode ihre Entstehungsursache. Nach der früher übl. Behandlung der Bechterewschen Krankheit mit Röntgenstrahlen bildeten sich gehäuft nach einer Latenzzeit von 3—5 Jahren Leukämien und nach 9—20 Jahren unterschiedl. Organkrebse. Durch Arz­ neimittel hervorgerufene K. dürften derzeit keine allzu große Rolle spielen. Beispielhaft seien das Blumenkohlge­ wächs und die Deckgewebsgeschwülste genannt, die sehr selten nach langfristiger Einnahme sehr hoher Dosen phe­ nazetinhaltiger Analgetika entstehen. Weniger günstig ist die Situation unter extrementherapeut. Bedingungen. K., die ohne Therapie zum Tod führen würden, müssen, wenn andere Methoden versagen oder nicht anwendbar sind, mit hohen Strahlendosen und/oder massiven Dosen zyto­ statisch wirksamer ehern. Substanzen (-»Chemothera­ peutika) behandelt werden, die derzeit allein in der Lage sind, K. zu zerstören oder wenigstens ihr Wachstum ein­ zuschränken. Solche Behandlungsmethoden erhöhen an­ dererseits das Risiko einer Leukämieerkrankung. Dieses Risiko zeigt nach 3-8 Jahren ein Maximum, um dann wie­ der abzusinken. Um ein Vielfaches höher wird das Risiko, wenn Strahlen- und Chemotherapie miteinander kombi­ niert werden. Bei alleiniger Behandlung der -» Lympho­ granulomatose z. B. mit Röntgenstrahlen steigt das Ri­ siko um das 3,5fache, bei alleiniger Behandlung mit Zyto­ statika um das 4,3fache, bei Kombination beider Metho­ den jedoch um das 29fache. Da das Immunsystem eines Organempfängers Allo445

Kreb transplantate (z. B. Nieren, Herz) abstößt, muß dieser Vorgang mit Hilfe von Medikamenten unterdrückt wer­ den. Damit allerdings wird zwangsläufig in Kauf genom­ men, daß diese Patienten 35— lOOmal häufiger an K. er­ kranken als gleichaltrige gesunde Personen. Infektionen. Viren sind in der Lage, bei Hühnern und bes. bei Nagern Blut- und Brustkrebs zu verursachen. Die Frage, ob ein Virus auch beim Menschen K. erzeugen kann, ist derzeit, von wenigen Ausnahmen (-»Tumorviren) abgesehen, zu verneinen. Zwar werden Viren bes. als Ursache des Blutkrebses intensiv diskutiert, und diese Vermutung wird sogar mit guten Gründen als wahrschein­ lich bezeichnet, schlüssige Beweise aber stehen noch aus. Mit absoluter Sicherheit ist Krebs keine von Mensch zu Mensch übertragbare Infektionskrankheit. Sollte sich die Virustheorie für gewisse Krebstypen absichern lassen, so kann angenommen werden, daß die Mehrzahl der Men­ schen mit solchen Viren latent, d. h. ohne bemerkbare Symptome, infiziert ist und daß K. nur dann entstehen, wenn die latente Infektion durch besondere Umstände, z. B. durch Einwirkung ehern, oder physikal. Karzino­ gene, psychosomat. Einwirkungen oder noch unbekannte andere Faktoren aktiviert wird. Die onkogene (krebser­ zeugende) Wirkung der Viren beruht wahrscheinlich dar­ auf, daß die Nukleinsäuren der Viren in die Zellen des infi­ zierten Organismus gelangen und diesen ihre eigene gene­ tische Information aufzwingen. Damit werden die Eigen­ schaften der infizierten Zelle wie bei einer Mutation ver­ ändert, die Zelle wird kanzerisiert. — Über die onkogene Wirkung von Parasiten -» Harnblasenkrebs. Einflüsse des Sexuallebens. Geschlechtsverkehr ist die Hauptvoraussetzung für die Entstehung von Gebärmut­ terhalskarzinomen (-» Gebärmutterkrebs). So ist das Ent­ stehungsrisiko bei Frauen, die im Zölibat leben, extrem gering. Demgegenüber steigt das Risiko bei Frauen, die frühzeitig mit dem Geschlechtsverkehr beginnen, die häu­ fig den Partner wechseln, und bei unzureichender Schei­ denhygiene. Die Annahme, daß das Risiko auch mit der Zahl der vorausgegangenen Geburten ansteigt, wird neu­ erdings wieder bezweifelt. Angenommen wird, daß das -►Smegma des Mannes karzinogene Substanzen enthält, u. a. Herpesviren vom Typ 2, die beim Geschlechtsakt übertragen werden. Für die kanzerogene Wirksamkeit des Smegmas spricht die Beobachtung, daß Partnerinnen von Männern, bei denen bald nach der Geburt eine Zirkumzision (-» Beschneidung) vorgenommen wurde, ein mini­ males Erkrankungsrisiko aufweisen. Desgleichen erkran­ ken Männer nach Zirkumzision praktisch niemals an ei­ ner K. des Gliedes (Penis). Das Risiko, am -»Brustkrebs zu erkranken, sinkt mit der Zahl der vorausgegangenen Geburten und mit der Zahl der Kinder, die gestillt wurden. Unter diesen Voraus­ setzungen werden offenbar das Zusammenspiel der die Funktion der Brustdrüse regulierenden Hormone am be­ sten harmonisiert und hormonelle Störungen ausge­ schlossen, die für die Entstehung des Brustkrebses vor­ rangig verantwortlich gemacht werden. Je später die Me­ narche und je früher die Menopause einsetzen, desto ge­ ringer ist das Krebsrisiko. Hormone. Langzeittherapie mit Östrogen begünstigt die Entstehung von K. des Gebärmutterkörpers (nicht des Gebärmutterhalses). Ein Risiko, auf Grund der Östro­ genbehandlung an Brustkrebs zu erkranken, kann bislang nicht als wahrscheinlich angenommen werden. Für die Annahme, daß die langfristige Einnahme von Hormo­ nen , meist Hormongemischen, zur Verhütungder Schwan­ gerschaft das Risiko zur Entstehung von K. erhöht, haben sich exakte Beweise bis jetzt nicht erbringen lassen. genetische (endogene) Faktoren. Die K. sind keine Folge einer Erbkrankheit. Jedoch kann die Bereitschaft, an Krebs zu erkranken, im Erbgefüge verankert sein. Diese Bereitschaft schwankt je nach Krebsart zwischen ei­ nem Maximum (80% bis annähernd 100%) und einem kaum erfaßbaren Minimum. Eine maximale Bereitschaft zur Erkrankung besteht z. B. beim -»Xeroderma pigmentosum. Bei diesen Kran­ ken entstehen an der dem Sonnenlicht und damit der UVStrahlung ausgesetzten Haut Entzündungen und bereits in früher Jugend K. DieUV-Strahlen erzeugen stets, auch 446

beim Gesunden, Schäden an den Chromosomen, die aber durch ein Enzym weitgehend >repariert< werden, so daß Schäden der Haut meist erst im höheren Alter auftreten. Beim Xeroderma jedoch kann dieses Enzym wegen eines Gendefekts nicht gebildet werden. Die UV-Strahlung er­ zeugt daher bei diesen Kranken bereits in frühester Jugend schwere Störungen im Zellkern-(DNS-)Stoffwechsel mit einer hohen Rate somat. Mutationen, die höchstwahr­ scheinlich für die Krebsentstehung verantwortlich sind. Genannt seien ferner das Blastom der Retina und die mit der Entstehung überaus zahlreicher Polypen der Dick­ darmschleimhaut einhergehende Polyposis intestini, eine Erbkrankheit, bei der es bereits in früher Jugend zu einer krebsigen (karzinomatösen) Entartung der Polypen kommt. Wie bedeutsam im Genbestand verankerte Be­ reitschaften sich selbst auf K. auswirken, die vorrangig durch Umweltfaktoren hervorgerufen werden, sei am Beispiel des Bronchialkrebses erläutert. Neuere Untersu­ chungen haben gezeigt, daß ein Enzym, die Aryl-Kohlenwasserstoff-Hypoxylase (Abk. AHH), erforderlich ist, um die im Zigarettenrauch enthaltenen aromat. Kohlen­ wasserstoffe in kanzerogene Substanzen zu überführen. Die Bildung der AHH wird von einem einzigen Gen mit 2 Allelen geregelt. Das eine Allel ist hoch (H), das andere leicht (L) wirksam. Nach den Mendelschen Gesetzen sind 3 Kombinationen möglich: HH, HL und LL. Darauf aus­ gerichtete Untersuchungen ergaben, daß Personen mit der Kombination HH ein um das 36fache höheres Risiko aufweisen, am Bronchialkrebs zu erkranken, als Perso­ nen mit der Kombination LL. Eine sehr geringe, genetisch verankerte Bereitschaft, z. B. am Magenkrebs zu erkranken, besteht bei Menschen mit der Blutgruppe A. Eine nicht erbl., vielmehr durch somat. Mutationen er­ worbene Anomalie des Chromosoms 22, das Philadelphia-(Phr)Chromosom, findet sich gehäuft bes. bei chro­ nisch myeloischer Leukämie. Dieses scheint den Verlauf der Krankheit entscheidend zu beeinflussen, da Fälle ohne Ph|-Chromosom eine ungünstigere Prognose aufweisen. Bereits bei der Befruchtung erworbene Chromosomen­ anomalien, z. B. die-»Trisomie des Chromosoms 21 beim Down-Syndrom, gehen häufig mit chronisch myeloischer Leukämie einher. Immundefekte. Die wahrscheinlich wichtigste Funk­ tion des Immunsystems besteht darin, den Organismus zu überwachen und davor zu bewahren, daß sich Körper­ fremdes in seinen Geweben einnistet. Dazu gehören le­ bende Erreger, Allotransplantate und höchstwahrschein­ lich auch autonome Krebszellen. Ein Beweis für diese zwar unvollständige, gleichwohl höchst bedeutsame Schutzfunktion gegenüber der Krebsentstehung wird darin gesehen, daß bei defektem Immunsystem (z. B. AIDS) das Risiko, an Krebs zu erkranken, sehr hoch ist. 7) Krebserkennung und Untersuchungsverfahren. K.

beginnen mit unspezif. Symptomen wie schnelle Ermüd­ barkeit, Appetitlosigkeit, Gewichtsabnahme, Blässe; schon in diesem Stadium geben aber verschiedene Labor­ parameter nützl. Hinweise, z. B. die Blutsenkungsge­ schwindigkeit (-»Blutsenkung). Bereits beim geringsten Verdacht müssen alle zur Krebserkennung zur Verfügung stehenden Hilfsmittel hinzugezogen werden wie die -» Röntgenuntersuchung einschließlich der -► Computer­ tomographie und -* Kernspintomographie, die Isotopendiagnostik (-► Nuklearmedizin, -»Szintigraphie), heute auch zunehmend die Ultraschalldiagnostik (-► Sonogra­ phie), ergänzt durch endoskop. Untersuchungen (z. B. -►Luftröhrenspiegelung, -»Magenspiegelung, -»Darm­ spiegelung und -»Kolposkopie), oft zusammen mit Ge­ fäßdarstellungen (Angiographie) und Gewebsentnahmen zu feingewebl. Untersuchung. Auch durch die -»Punk­ tion mit Hohlnadeln (z. B. der Prostata) können Gewebs­ proben zur mikroskop. Untersuchung gewonnen werden, desgleichen durch Abstriche z. B. vom Gebärmuttermund (-►Zytodiagnostik, nach G. N. Papanicolaou). Die rechtzeitige Krebserkennung ist eine der wesentl. Voraus­ setzungen der Krebsheilung. 8) Krebsverhütung (Prävention). Dies ist die wichtigste Maßnahme, um des >Krebsübels< Herr zu werden, und

Kreb verspricht große Erfolge, wenn ihre Bedeutung von jedem Einzelnen rechtzeitig und richtig erkannt wird. Wenn 85% aller Krebstodesfälle durch Umwelt faktoren hervor­ gerufen werden, solltees möglich sein, das Krebsrisiko je­ des Menschen drastisch zu senken. Allein durch den Ver­ zicht auf das Rauchen sowie durch maßvolle Aufnahme alkohol. Getränke lassen sich 35% der zum Krebstod füh­ renden Faktoren ausschalten. Die Aufnahme einer opti­ mal zusammengesetzten Nahrung (Fleisch und Fett in Maßen und viel an Ballaststoffen reiches Gemüse, Salate, Kartoffeln, Obst usw.) in einer Menge, welche die Entste­ hung eines Übergewichts verhindert, kann das Krebsri­ siko um etwa weitere 20% herabsetzen. Werden Alkohol- und Nikotinmißbrauch als Ausdruck einer neurot. Fehlhaltung gedeutet, so sind damit psycho­ somat. Zusammenhänge aufgezeigt (-»Krankheit). Der Krebskranke sollte auch dann psychosomatisch behan­ delt werden, wenn Anhaltspunkte für Hoffnungslosig­ keit, Isolierung, Unfähigkeit zur aggressiven Entlastung und überhaupt eine Gefühlsabwehr vorliegen, da tiefge­ hende seel. Veränderungen den Krankheitsverlaufschnel­ ler fortschreiten lassen. Das Krebsrisiko am Arbeitsplatz konnte durch Schutz­ maßnahmen gegenüber ehern, und physikal. Karzinoge­ nen nachhaltig gesenkt werden. Auch haben nationale und internationale Institutionen große Anstrengungen darauf verwendet, karzinogene Faktoren in der Umwelt zu entdecken und durch entsprechende Prozesse nach Möglichkeit auszuschalten; dies scheint zu einem gewis­ sen Erfolg geführt zu haben, denn der befürchtete Anstieg der krebsbedingten Todesursachen blieb bisher aus. 9) Krebsverhütungsmaßnahmen. Darunter werden Un­ tersuchungen (-»Vorsorgeuntersuchungen, -» Krebsvor­ sorge) verstanden, die zum Ziel haben, eine oder auch mehrere bestimmte K. in einem so frühen Entwicklungs­ stadium zu entdecken, daß sich ihre optimale Heilung mit möglichst einfachen und ungefährlichen therapeut. Maß­ nahmen ermöglichen läßt. Sie müssen in einem Lebensal­ ter einsetzen, in dem die zu entdeckende Geschwulst noch extrem selten ist. Derzeit können in der Bundesrep. Dtl. nach § 181 Reichsversicherungsordnung (Sozialversiche­ rung) Männer und Frauen jährlich einmal im Rahmen kassenärztl. Leistungen eine Krebsvorsorgeuntersuchung an sich vornehmen lassen, durch die einige bes. gefähr­ liche Organkrebse frühzeitig erkannt werden sollen. Bes. aussichtsreich ist die zytolog. Untersuchung des Gebär­ mutterhalses. Die während der letzten beiden Jahrzehnte im In- und Ausland bei einer großen Zahl von Frauen ge­ wonnenen Erfahrungen haben eindeutig gezeigt, daß sich bei einer mit dem 20. Lebensjahr beginnenden, in regel­ mäßigen Abständen von einem Jahr fortgesetzten Vor­ sorgeuntersuchung dieser Art die krebsige Entartung des Gebärmutterhalses bei 85-90% der Beteiligten in einem Stadium erfassen läßt, das eine noch optimale Heilung mit einfachen und ungefährlichen therapeut. Mitteln erlaubt. 10) Behandlung der K. Sie verfolgt je nach Sachlage unterschiedl. Ziele. kurative Therapie (lat. curare >heilenunterstützenim gesunden Gewebe< Krebszellen im Körper verbleiben, die sich für den Opera­ teur unsichtbar in näherer oder weiterer Entfernung vom Primärtumor angesiedelt haben (diskontinuierl. Mikro­ metastasen). In solchen Fällen ist eine der Operation nachfolgende unterstützende (adjuvante) Strahlen- oder Chemotherapie, ggf. in Kombination, angezeigt. palliative Therapie (lat. palliare >mit einem Mantel be­ decken«): Wenn endgültige Heilung oder wenigstens län­ gere Remissionen nicht zu erreichen sind, muß versucht werden, die durch die Krankheit bedingten Beschwerden durch unterschied!., der Situation angepaßte Maßnah­

men zu lindern. Dabei stehen Beseitigung oder Linderung von Schmerzen im Vordergrund, auch vorsorgl. Maßnah­ men zur Vermeidung krebsbedingter Komplikationen, und die Sorge für eine qualitativ und quantitativ ausrei­ chende Ernährung, um der drohenden Kachexie entge­ genzuwirken; ferner die Stärkung der körpereigenen Ab­ wehr gegenüber Infektionen, aber auch gegenüber dem ei­ genen, bereits festgestellten Krebsleiden, wobei es unter gewissen Voraussetzungen nützlich sein kann, die Geschwulst durch Operation, Bestrahlung oder Chemo­ therapie wenigstens zu verkleinern. Die körpereigene Immunabwehr verliert in dem Maß an Wirksamkeit, in dem die Zahl der Krebszellen im Körper zunimmt. Für die Krebsbehandlung stehen derzeit 4 Methoden zur Verfügung: Operation, Strahlen-, Chemo- und Hor­ montherapie, jeweils einzeln oder in Kombination. Wel­ cher oder welchen Methoden in Kombination der Vorzug zu geben ist, hängt ab: vom Typ der K., von ihrer Lokali­ sation, von der bereits erreichten Ausbreitung (Stadium I—IV), vom Grad des Differenzierungsverlusts und nicht zuletzt von der Empfindlichkeit, mit der ein bestimmter Krebstyp erfahrungsgemäß auf die Einwirkung von Strahlen, Zytostatika oder Hormonen reagiert (Krebssen­ sibilität). Chirurg. Therapie. Bei örtlich noch begrenzten K. ist die operative Beseitigung bis weit in das gesunde Gewebe in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle die bevorzugte Me­ thode. Bei radikaler Operation werden die regionalen Lymphknoten mit entfernt. Von der Zahl der darin nach­ weisbaren Metastasen hängen u. a. Art und Umfang der adjuvanten (unterstützenden) Nachbehandlung ab. Strahlentherapie. Die ionisierenden Strahlen sollen, so­ weit möglich, alle erreichbaren Krebszellen zerstören. Es sind die gleichen Strahlen, die oben als Krebsursache be­ schrieben wurden. K. können also durch ionisierende Strahlen in schädl. Dosierung nicht nur erzeugt, sondern in richtiger Dosierung auch >geheiltdaß aufgefundene Verdachtsfälle einge­ hend diagnostiziert und der weiteren ärztl. Behandlung zugeführt werden sollens Für die K.-Untersuchungen, die einmal jährlich vorgenommen werden sollen, erhalten die Versicherten von den Krankenkassen einen Berechti­ gungsschein, der dem Arzt vor der Untersuchung auszu­ händigen ist; ihn nachzureichen, ist nicht gestattet. Ge­ mäß §181, Abs. 2 RVO hat der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen Richtlinien über die Früherkennung von Krebskrankheiten beschlossen (Änderung v. 26. 2. 1982). Sie dienen a) bei Frauen der Früherkennung von Krebserkrankungen der Brust, des Genitale, des Darms, der Nieren, der Harnwege und der Haut vom Beginn des 20. Lebensjahrs an, b) bei Männern der Früherkennung von Krebserkrankungen des Dickdarms, der Prostata, des äußeren Genitales, der Nieren, der Harnwege und der Haut vom Beginn des 45. Lebensjahrs an. Die einzelnen vorgeschriebenen Untersuchungen sind in den Richtlinien enthalten. Kreislauf, -»Blutkreislauf. Kreislaufkollaps,

Kreislaufmittel,

-»Kollaps.

auf Herz und Blutkreislauf wir­

kende Mittel. Kreislaufperipherie, der Bereich der den großen ar­ teriellen Gefäßen nachgeordneten Strombahnen: Arte­ riolen (kleinste Arterien, die sich zum Kapillarsystem aufzweigen), Kapillarsystem, Venolen (aus den venösen Kapillaren hervorgehende kleinste Venenaufzweigungen) und Venen. In der K. liegen mehr kreislaufregulator. Fähigkeiten als in Herz und Arterien; sie bestimmt daher wesentlich die Größenordnung im örtl. und allgemeinen Kreislaufanpassungsgeschehen. (-*Blutkreislauf) Kreislaufschock,

-»Schock.

Folge einer ungenügenden Blutversorgung der Organe; sie entsteht durch 1) abnorm weite Blutgefäße, 2) Mangel an Blutvolumen (z. B. durch Blutverlust), 3) Beeinträchtigung der Herztätigkeit, ’m ersten und zweiten Fall besteht eine periphere K. (-»Kol­ laps, -» Kreislaufperipherie), im dritten Fall eine zentrale (kardiale) K. (-» Herzschwäche) Kreislaufstörungen, Regulationsstörungen des Ge­ samtkreislaufs (-► Blutkreislauf) oder bestimmter Gefäß­ bereiche. Die Störungen im Gesamtkreislauf äußern sich in schwankenden Blutdruckwerten. In den Gefäßberei­ chen treten u. a. folgende Erscheinungen auf: an der Lunge funktionelle Durchblutungsstörung, >Atemkorsetteingeschlafene Füßeunruhige Beinein Wehen liegens >gebärenaufgehängtKör­ perbau und Charakter< (1921) eine Typengliederung auf. (-» Körperbautypen) Kreuzbandriß, das Ein- oder Abreißen eines oder bei­ der Kreuzbänder im -» Kniegelenk nahe ihrer Ansatzstelle an der Knochenerhebung in der Mitte der Schienbeinge­ lenkfläche. Manchmal ist diese selbst mit abgerissen. Meist ist das vordere Kreuzband betroffen, z. B. durch Stoß gegen den gestreckten oder gebeugten U nterschenkel bei Auto- und Motorradunfällen, bei gewaltsamer Über­ streckung des Unterschenkels (beim Fußballspiel) oder durch plötzl. Einwärtsdrehung des gebeugten und ge­ spreizten Unterschenkels. Erscheinungen: Gelenkerguß mit heftigen Schmer­ Krebsgeschwülste: ein vom Plattenepithel ausgehendes Lippen­ zen, Unsicherheit beim Gehen. Der Unterschenkel ist ge­ karzinom, das in die angrenzende Muskulatur eingewachsen ist gen den Oberschenkel in Richtung von vorn nach hinten und sie zerstört (infiltrierendes und zerstörendes Wachstum) abnorm beweglich (Schubladenzeichen). Im Röntgenbild ist nach Luft- oder Kontrastmitteleinspritzung die Verlet­ Krepitation [lat. crepitare >rasselnKummerspeckStomaversorgung< ist heute durch weitere

öffnung mit magnetischem Verschluß. Lage des im­ plantierten magnetischen Rings zwischen Unterhautfaszie und Muskel­ faszie

Unterhaut­ faszie Magnetring Muskel­ faszie - Muskel

Bauchfell

Die Anlage eines künstl. Enddarmverschlusses kann auch dann notwendig werden, wenn z. B. bei Kindern oder Jugendlichen mit angeborenen oder erworbenen Nerven­ defekten (1982 in der Bundesrep.Dtl. etwa 4500 Kinder) die Steuerung der Darmentleerung gestört ist (Inkonti­ nenz). Bei dieser Form der Störung kann die Anlage eines K. durch Implantation eines Magnetverschlusses (Ma­ gnetring aus Samarium-Kobalt) vermieden werden. Kunst|auge, -»künstliches Auge. Kunstfehler, -» Behandlungsfehler. Kunsthonig, Invertzuckercreme, dickflüssige bis feste, im allgemeinen aromatisierte und gefärbte Masse aus meist durch Säuren mehr oder weniger stark abgebau­ ter Saccharose (Haushaltszucker). — Die Nachfrage nach dem früher vorwiegend zum Backen (Lebkuchen) ver­ wendeten K. ist heute gering, da -» Bienenhonig bevorzugt wird. Künstler-Sozialversicherung, -»Sozialversiche­ rung. künstliche Atmung, Beatmung, lebensrettende Sofortmaßnahme, wenn ein Kranker oder Verletzter von sich aus nicht mehr in der Lage ist, ausreichend zu atmen. Sie wird außerdem im Zusammenhang mit Narkosen an­ gewendet, ferner bei spinaler Kinderlähmung, Arnzeimittelvergiftung, Starrkrampf, Hirnschädigung u. a. sowie nach elektr. Ünfällen und bei Ertrunkenen. Als Maßnahme der Ersten Hife muß die k. A. bei Atem­ stillstand unverzüglich durchgeführt werden, bei gleich­ zeitigem Herzstillstand in Verbindung mit der äußeren Herzmassage. Künstl. Gebisse sind zu entfernen, bei Er­ trunkenen sind Mund und Rachen von Sand und Schlamm zu befreien. Bei der -»Atemspende bläst der Helfer seine Aus­ atmungsluft dem Verunglückten ein. Diese Methode hat sich gegenüber allen anderen Beatmungsverfahren als überlegen erwiesen. Ein mit der Hand bedienbarer Appa­ rat zur k. A. ist z. B. der Atembeutel mit einer den Mund und die Nase bedeckenden Maske, die Beatmung muß aber in einer Notsituation auch bei Fehlen jeden Hilfsmit­ tels begonnen werden. Die früher zur k. A. verwendete Eiserne Lunge ist heute durch technisch bessere -► Beatmungsgeräte ersetzt worden. künstliche Befruchtung, Besamung, Insemi­ nation, die instrumentelle Einbringung von Samenflüs­

sigkeit in die Gebärmutter oder die Deponierung von Sperma in einem napfförmigen Gefäß, der Portiokappe, vor dem äußeren Muttermund zum Zweck der Befruch­ tung einer Eizelle. Unterschieden wird zwischen der Befrucht ung mit dem Samen des eigenen Mannes (homologe Insemination) und der Einbringung von Sperma eines fremden Mannes (heterologe Insemination). Eine weitere Art der k. B. ist die-»extrakorporale Befruchtung. 453

Kuns

Kürbis: männl. Blüten (oben), weibl. Blüte (Mitte), junge Frucht (unten)

Die homologe Insemination kann dann durchgeführt werden, wenn bei intakter Empfängnisfähigkeit der Frau eine Ausübung des Beischlafs wegen seel. oder körperl. Störungen des Mannes (-»Impotenz) nicht möglich ist, oder aber infolge eines krankhaften Verschlusses der ab­ leitenden Samenwege der im Hoden gebildete Samen nicht entleert werden kann. Durch operatives Einbringen und Aufnähen eines Kunststoffgefäßes auf den Nebenho­ den läßt sich aussichtsreicher als durch eine einfache Punktion des Nebenhodens in den genannten Fällen mit Samenzellen angereicherte Samenflüssigkeit gewinnen, die zur homologen Insemination verwendet wird. Die Er­ folgsquote hinsichtlich einer Befruchtung beträgt jedoch lediglich 10—20%. Erfolgreicher verläuft meist die heterologe Insemina­ tion, gegen die jedoch viele eth., religiöse, psycholog. und jurist. Gründe sprechen. Im Ggs. zu anderen Staaten be­ steht inder Bundesrep. Dtl. in bezug auf diek. B. keine gesetzl. Regelung. künstliche Ernährung, bei fehlender natürl. Nah­ rungsaufnahme (Unfähigkeit zu schlucken, Bewußtseins­ einschränkung u. a.) durchzuführende Zufuhr notwendi­ ger Nahrungsbestandteile: Kohlenhydrate, Fett, Eiweiß, Vitamine, Spurenelemente, Elektrolyte und Wasser. Techn. Durchführung durch Sondenernährung, parente­ rale Ernährung oder in Kombination beider. Sondenernährung, Zuführung flüssiger Nahrung in al­ len ihren notwendigen Bestandteilen durch einen etwa bleistiftdicken Schlauch, der in Form einer Plastik- oder Gummi-Magenverweilsonde durch die Nase bis in den Magen geführt wird. Wenn dem Körper lediglich Wasser, Traubenzucker und Salze zugeführt werden sollen, ist die­ ses auch durch ein Nährklistier in beschränktem Umfang möglich. Diese Methode wird dann angewendet, wenn die parenterale Ernährung nicht möglich oder nicht mehr ausschließlich notwendig ist. parenterale Ernährung, Infusion der Nahrungsbe­ standteile in steriler Lösung in eine größere Körpervene. Das Verfahren muß unter streng sterilen Vorsichtsmaßre­ geln mit genauer Beachtung der Infusionszeit, am besten in einer Klinik, durchgeführt werden. Es erfolgt nach ei­ nem meist täglich neu zu errechnenden Infusionsplan mit Infusionslösungen, die nach Kalorienbedarf, Wasserund Elektrolythaushalt der jeweiligen Krankheitssitua­ tion angepaßt werden. Über die k. E. ohne oder gegen den Willen des Betroffenen -► Zwangsernährung. künstliche Niere, -»Dialyse. künstliches Auge, Kunst|auge, Nachbildung des menschl. Auges aus Glas oder Kunststoff bei Verlust die­ ses Organs; dient zur Behebung der Entstellung und schützt gleichzeitig die Augenhöhle vor Entzündung und Schrumpfung. Es ist deshalb auch als Heilmittel anzuse­ hen und gehört zu den Pflichtleistungen der Kranken­ kasse. Bei Kindern ist das k. A. häufig zu erneuern, um eine Schrumpfung des Bindehautsacks zu verhindern, bei Erwachsenen etwa jährlich. Bei zu langem Tragen zeigt das k. A. Abnutzungserscheinungen, die leicht eine Bin­ dehautreizung verursachen. Abends ist das k. A. stets her­ auszunehmen. Durch Einsetzen von Kugeln in den Binde­ hautsack bei der operativen Entfernung eines Auges kann man den Sitz des k. A. fast unsichtbar gestalten und sogar eine gewisse Beweglichkeit dieser Augenprothese er­ zielen.

künstliches Auge künstliches Blut, Kunstblut, Präparate, mit denen nicht nur bei akuten Blutverlusten die verlorengegangene Flüssigkeit ersetzt wird (-► Blutersatzflüssigkeiten), son­ dern auch die wichtigste lebenserhaltende Funktion der

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Erythrozyten, der Gasaustausch, für eine kurze Zeit auf­ rechterhalten werden kann. K. B. im engeren Sinn ist eine Emulsion von wasserunlösl. Partikeln, die etwa die Größe der roten Blutkörperchen besitzen und chemisch zu den Perfluorocarbonverbindungen gehören. Zur Zeit wird k. B. nur in Tierversuchen erprobt. I. w. S. rechnet man zumk. B.auch menschl. Hämoglobin-Lösungen. Sie sind nur dann für den Menschen ungefährlich, wenn sie völlig frei von den Membranbestandteilen (Stromata) der roten Blutkörperchen sind. künstliches Glied, Körperteilersatzstück (-»Pro­ these). künstliches Herz, -»Herzoperationen. künstliche Zähne, in zahlreichen Form- und Farb­ abwandlungen aus Porzellan oder in neuerer Zeit auch aus Kunststoffen hergestellter -► Zahnersatz. Küntschersche Marknagelung [n. dem Chirurgen G. Küntscher, * 1900, f 1972], -»Knochenbruch. Kupfernase, Burgundernase, -»Rosacea. Kupfer]rose, die -► Rosacea. Kupieren, Behandlung, die beabsichtigt, den Aus­ bruch oder die Weiterentwicklung einer Krankheit durch gezielt eingesetzte Heilmethoden in ihren ersten Anfän­ gen zu verhindern oder wenigstens zu hemmen. Kur, ein -»Heilverfahren mit planmäßiger Anwen­ dung spezifisch zusammengestellter Heilmittel (physikal. Therapie, -» Badekur) und/oder Diätformen. Die Durch­ führung erfolgt meist in -»Heilbädern und Kurorten (Übersicht). Kurare das, Curare, eingedickter Pflanzensaft ver­ schiedener südamerikan. Strychnos-Arten, der von den Indianern als Pfeilgift verwendet wurde. Das gereinigte K. (Kurarin) besitzt muskelerschlaffende Wirkung (-►muskelerschlaffende Mittel) und wird z. B. gegen Wundstarrkrampf und bei der -»Narkose angewendet. Kur|arzt, Bade arzt, von der Ärztekammer verlie­ hene Zusatzbezeichnung für einen Arzt, der ein Jahr lang in einem Heilbad oder Kurort tätig war und eine Weiter­ bildung auf den Gebieten der physikal. Therapie, Balneo­ logie und Klimatologie nachgewiesen hat. Kürbis, Cucurbita, Gattung der zu den Kürbisge­ wächsen (Cucurbitaceae) gehörenden Nutz-(Gemüse, Viehfutter) und Zierpflanzen in Europa, Nord-und Süd­ amerika. Der Riesen- oder Zentner-K. (Cucurbita ma­ xima) hat 75—100 kg schwere Früchte (Speise-K.); der Garten-K. (Cucurbita pepo) liefert Futter-, Öl- und Spei­ sesorten, z. B. den buschförmigen Öl-K. (Cucurbita pepo giromontina oleifera), dessen schalenlose Kerne einen Fettgehalt bis zu 54% und einen Eiweißgehalt von rd. 25% aufweisen. Weitere Speise-K. sindu. a. der Moschus-oder Bisam-K. (Cucurbita moschata) und der Feigenblatt-K. (Cucurbita ficifolia).

Der K. steht als Nahrungsmittel zwischen Gurke und Melone; im frischen Fruchtfleisch sind 5-6% Gesamt­ zuckerenthalten. Das Öl der schalenlosen Samen (Öl-K.) dient als Speise- oder Brennöl. Die Inhaltstoffe der K.Kerne werden in der Naturheilkunde als Mittel gegen Spul- und Bandwürmer, auch Prostataleiden empfohlen, in der Homöopathie bei Seekrankheit und Schwanger­ schaftserbrechen. (Bild Gemüse) Kürettage [-33], die -»Ausschabung. Kur|orte, -► Heilbäder und Kurorte, Übersicht. Kurpfuscher, eine Person, die ohne Approbation oder ohne Erlaubnis als Heilpraktiker Kranke berät oder behandelt (-»Wunderdoktor). Die Kurpfuscherei wird nach der-» Bundesärzteordnung mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. In Österreich ist sie nach § 184 StGB strafbar, in der Schweiz bestehen kan­ tonale Strafvorschriften. Kuru-Kuru, chronisch-degenerative, tödlich verlau­ fende Erkrankung des Zentralnervensystems, die heute zu den Slow-virus-lnfektionen gerechnet wird. Die mit Hirn­ material verstorbener, infizierter Affen geimpften Tiere erkrankten nach langer Inkubationszeit (9 Monate bis zu mehreren Jahren) auf ähnl. Weise wie der Mensch. Das

Kuta vermutete Virus ist noch nicht identifiziert. Eine Übertra­ gung von Mensch zu Mensch ist bisher nur bei Ureinwoh­ nern Neuguineas durch Kannibalismus (Menschenfres­ sen) beobachtet worden. Kurvatur, gekrümmter Teil eines Organs, v. a. die große und kleine K. des Magens. Kurzatmigkeit, Dyspnoe, einehinsichtlichderZahl der Atemzüge, der Atemtiefe und der Luftfülle der Lunge gestörte Atemfunktion mit Anzeichen von Atemnot bei erschwerter und/oder gesteigerter Atembewegung. Zu den akuten Ursachen rechnet z. B. die Atemwegsverle­ gung (Obstruktion) von Kehlkopf, Luftröhre oder Bron­ chien. K. kann organisch bedingt sein durch Lungen­ krankheiten, durch Herzerkrankungen infolge Stauung im kleinen Blutkreislauf, Schädigung des Atemzentrums oder vermindertem Sauerstoffgehalt des Blutes (Anämie). Physiologisch bedingt tritt eine Atemnot bei vermehr­ tem Sauerstoffbedarf infolge verstärkter körperl. An­ strengung oder bei vermindertem Sauerstoffangebot (Höhenlage, Smog, Stäube, Rauch) wie auch aus psych. Gründen (Angst) auf. Die Atemnot kann plötzlich entste­ hen, anfallsweise oder schleichend sich verstärken und dauernd vorhanden sein. Ausgehend vom Lufthunger bei einfacher Atemnot entspricht ihr Grad dem vom Sauer­ stoffangebot abhängigen subjektiven Empfinden, ihr Ausmaß kann durch Lungenfunktionsuntersuchungen erkannt und gemessen werden. Die Behandlung richtet sich nach den Ursachen und besteht ggf. in einer Heilung der Grunderkrankung. Bei akuten Störungen der Atemfunktion sind Sofortmaßnahmen wie etwaige Befreiung der Atemwege von Fremdkör­ pern, Sekret sowie entsprechende Beatmung und Lage­ rung des Patienten notwendig, in allen Notsituationen ist rasche ärztl .Hilfe nötig. Als Notfälle gelten bei obstrukti­ ven Atemwegserkrankungen der schwere Asthmaanfall (Status asthmaticus), akute Verschlechterung einer chron. Kurzatmigkeit, auch plötzl. Spannungspneumo­ thorax sowie Ventilpneumothorax (Luftbrust) nach Lun­ genriß. Kurzfingerigkeit, Brachydaktylie, Verkürzung der Finger-, teilweise auch der Mittelhandknochen in ver­ schiedenem Ausmaß. Es gibt verschiedene erbl. Formen mit sehr ähnl. Ausprägung in der jeweiligen Familie. An­ hand einer Sonderform wurde 1903 erstmalig die autoso­ mal-dominante Vererbung beim Menschen nachge­ wiesen. Kurzpausen, Arbeitspausen von etwa 5 Minuten Dauer nach jeweils 55 Minuten Arbeit, die, betrieblich organisiert und als Arbeitszeit bezahlt, bei bestimmten Tätigkeiten (z. B. bei Monotonie oder einseitig belasten­ den Arbeiten) einen besonderen Erholungswert haben. Sie sollten zu körperl. Ausgleichsübungen genutzt wer­ den. (-»Arbeitspausen) Kurzschlußhandlung, rational unkontrollierte, un­ mittelbar durch starke emotionale Impulse (Affekte, Triebe, Stimmungen, Depressionen) ausgelöste Reak­ tion; kommt in psych. Belastungssituationen bes. bei labi­ len Persönlichkeiten vor, z. T. auch symptomatisch bei Psychosen. Kurzsichtigkeit, Myopie, ein Brechungsfehler (Refraktionsanomalie) des Auges, bei dem nur von nahe gesehenen Gegenständen ein deutl. Bild auf der Netzhaut entworfen wird, während ferne Gegenstände nur undeut­ lich gesehen werden können. Bei der K. ist das Auge zu lang gebaut, so daß aus der Ferne kommende, also parallel in das Auge einfallende Strahlen bereits vor der Netzhaut vereinigt werden. Der Fernpunkt des kurzsichtigen Auges liegt nicht, wie beim normalsichtigen Auge, im Unend­ lichen, sondern, je nach dem Grad der K., in einer Entfer­ nung von lm bis kurz vor dem Auge. Um ferner gelegene Gegenstände scharf sehen zu können, muß man ein Zer­ streuungsglas (Konkavglas) vor das Auge setzen. Das sehr häufig familiäre Auftreten der K. spricht für eine erbgebundene Anomalie. Darüber hinaus können schädigende äußere Einwirkungen zu einer Zunahme der K. beitragen, so z. B. übertriebene oder unter ungünstigen Bedingungen ausgeführte Naharbeit. Auch eine angebo­

rene oder früher erworbene, geringe Widerstandskraft der Lederhaut dürfte für die Entstehung der K. von Be­ deutung sein. Komplikationen der hohen K. sind Dehnungsvorgänge der Netzhaut, so daß auch mit Brille kein brauchba­ res Sehvermögen erzielt werden kann, und v. a. die -»Netzhautablösung. Auch Glaskörpertrübungen, als schwimmende Punkte (-► entoptische Wahrnehmungen) wahrnehmbar, können (in seltenen Fällen) das Sehvermö­ gen beeinträchtigen. Meist überschreitet die K. mäßige Grade nicht und nimmt mit dem Abschluß der Wachstumsperiode nicht mehr zu. Während der Wachstumsjahre ist beim Lesen Wert zu legen auf gute -» Beleuchtung und gerade Haltung am Schreibpult. Das erforderl. Brillenglas sollte dauernd getragen werden. Die Ansicht, daß durch das Tragen der Brillengläser die K. stärker würde, ist nach augenärztl. Auffassung falsch. Ebenso ist die Vorstellung, daß im Al­ ter die K. zurückginge, nicht richtig, denn das zu lang ge­ baute Auge wird im Alter ja nicht kürzer; wohl aber be­ merkt ein Kurzsichtiger die Altersichtigkeit ohne Nah­ brille deswegen nicht so leicht, weil sein Auge normaler­ weise schon ohne Brille für die Nähe eingestellt ist, der Fernpunkt also, je nach dem Grad der K., bis höchstens 1 m vor dem Auge liegen kann. Hat ein Mensch eine K. von 3 -» Dioptrien, so liegt sein Fernpunkt in 30 cm. Er kann dadurch auch in höherem Alter ohne Brille gut lesen (-»Akkommodation), für die Ferne muß er aber dann ebenso eine Brille tragen wie in der Jugend. Außer mit ei­ ner Brille läßt sich die K. gut durch -► Kontaktlinsen korri­ gieren. Ob Kontaktlinsen das Fortschreiten der K. aufhal­ ten können, ist noch nicht geklärt. Augengymnastik und Sehübungen zur Verringerung oder sogar Beseitigung der K. sind in ihrer Wirkung umstritten. Kurzwellenbehandlung, Anwendung von elektromagnet. Wellen zwischen 6 und 30 m zur elektrotherapeut. Behandlung, eine Form der Hochfrequenzbehand­ lung. Mit gleicher Wirkung werden heute bevorzugt -» Ul­ trakurzwellen eingesetzt. Zur Kurzwellen-Durchflutung (Diathermie) des zu behandelnden Körperteils verwendet man entweder verstellbare Kondensatorelektroden, die auf einen gewissen Hautabstand eingestellt werden, oder man legt induktiv wirkende Spulenelektroden an, die indi­ viduell angepaßt (z. B. um Arme oder Beine geschlungen) werden. Die therapeut. Wirkung der K. beruht auf der im Innern des menschlichen Körpers entstehenden Wärme, die sich bes. bei der Muskulatur und dem angrenzenden Fett- und Bindegewebe, weniger aber in der Haut auswirkt. Die Er­ wärmung auf der Hautoberfläche wird dabei als geringer empfunden als bei den sonst üblichen Wärmeanwendun­ gen. Im ganzen Bereich der Temperaturerhöhung kommt es zur Durchblutungssteigerung, der Stoffwechsel wird angeregt, die Muskeln entspannen sich, und eine schmerz­ stillende Wirkung tritt ein. DieK. hat Heilwirksamkeitbei Krankheiten der Bewegungsorgane, bei Neuralgien, Durchblutungsstörungen und anderen chron. Leiden bes. auch im Gelenkbereich. Dabei ist zu beachten, daß vor dem Erfolg einer z. B. schmerzlindernden Wirkung oft erst eine Befundverschlimmerung eintritt, die in Kauf ge­ nommen werden sollte. Kussmaulsche Atmung [n. dem Internisten A. Kussmaul, * 1822,1 1902], stark vertiefte, große Atmung bei relativ geringer Erhöhung der Atemfrequenz; Zeichen einer kompensator. CO2-Abgabe bei stoffwechselbeding­ ter (z. B. diabet.) -»Azidose im Koma. kutan, die Haut (Cutis) betreffend, zur Haut gehö­ rend. Kutanreaktion, Gegenwirkung der Haut auf einen künstlich erzeugten Hautreiz, der entweder durch äußere Auftragung (Perkutanreaktion, z. B. Morosche Salben­ probe, Hautläppchenproben) oder durch Einbringung in die Haut (-»Pirquetsche Hautreaktion durch AllergenExtrakte) hervorgerufen wird. Kurzfingerigkeit: a Verkürzung eines End-, b eines Mit­ tel-, e eines Grundglieds, d Fehlen eines Glieds, e Verkür­ zung eines Mittelhandknochens 455

Q

b

c

d

e

Kurzfingerigkeit

Kwas Die K. dient zur Absicherung einer Krankheitsdiagnose (Tuberkulose, Hautpilze, Syphilis) oder zur Feststellung einer Krankheitsursache (Asthma, Ekzem, Heuschnup­ fen). Auftreten von Rötung und Quaddelbildung (positi­ ver Ausfall) kennzeichnen den betreffenden Stoff als Krankheitsursache.

Kwaschiorkor bei 2jährigem Jungen Kwaschiorkor, Kwashiorkor [-J-], eine in trop. und subtrop. Ländern vorkommende schwere Gesundheits­ störung, die bes. bei Kindern kurze Zeit nach dem Abstil­ len als Folge einseitiger kohlenhydratreicher und eiweiß­ armer Kost auftritt. Auch Mangel an anderen Nährstof­

fen (Magnesium, Kalium) wirkt mit. K. ist ein -* Mehl­ nährschaden. Krankheitszeichen: Zurückbleiben des Längen­ wachstums, Ansammlung von Gewebswasser unter der Haut und in der Bauchhöhle, Blutarmut, Leberschwel­ lung, Entstehung einer Fettleber, anhaltende Durchfälle, Pigmentierungsstörungen in Haut und Haaren, Muskel­ schwund u. a. Schwere Fälle führen häufig zum Tod. Vorbeugung: Verbesserung der Ernährung (eiweißund mineralstoffreiche Nahrung), der hygien. Situation (Bekämpfung von Parasiten und Infektionskrankheiten, Trinkwassersanierung). Die Unterrichtung der Mütter spielt eine wichtige Rolle! Kwaß, russ. Volksgetränk; man läßt 1 1 Wasser, 80—100 g geröstetes Brot, 3-5 g Zucker, Hefe und Mehl 2 Tage gären. K. ist alkoholarm und nahrhaft. Kymographie [grch. kyma >WellearbeitenScheibeBlattWolle< und oleum >Ö1KnalltraumenVerletzungverborgen seinSeitekünstl. Leber< gibt, die Heilungsaussichten oft we­ niger günstig. (-»Transplantation, -»Organspender) Leberzirrhose, Leberverhärtung, Schrumpf­ leber, fortgeschrittene, diffuse, chron. Erkrankung der

Leber. Nach meist langdauernden entzündl. oder toxi­ schen Vorgängen haben — Nekrosen zu einem Untergang des Leberzellgewebes mit nachfolgender Wucherung und Vermehrung des Bindegewebes geführt, dadurch wird der eigtl. Leberzellanteil (-»Parenchym) vermindert. Durch die bindegewebige Narbenbildung hat die normalerweise glatte Leberoberfläche bei der L. eine fein- bis grobhöckrige Oberfläche. Die Häufigkeit der L. ist in der Bundes­ rep. Dtl. unter Schwankungen in Zunahme begriffen.

Leberzirrhose: Sterblichkeit infolge L. in der Bundesrep. Dtl. (pro 100000 Einwohner), unten Alkoholkonsum in Liter reinem Alkohol berechnet pro Kopf der Bevölkerung nach J. Ch. Bode, 1981)

oben

1956 starben jährlich 13,7, 1968:24,1 und 1980: 26,6 von 100000 Einwohnern an L. Männer erkrankten doppelt so häufig wie Frauen. Die häufigste Ursache der L. dürfte chron. Alkoholismus (-► Alkoholgenuß) sein. Die Zu­ nahme der Zirrhosehäufigkeit hat sich parallel mit der Zu­ nahme des Alkoholverbrauchs pro Kopf der Bevölkerung entwickelt, die Häufigkeit der L. ist unter Alkoholikern 6—8 mal größer als bei der Durchschnittsbevölkerung. Das Risiko der Entstehung einer L. ist nach überstande­ ner -»Hepatitis wesentlich geringer. Auch eine nicht ausgeheilte chron. Gallengangsent­ zündung (-»Cholangitis) sowie eine Reihe seltener

Leib Stoffwechselerkrankungen (z. B. -»Bronzediabetes, -»Speicherkrankheiten) können zur L. führen. Krankheitszeichen. Bei der inaktiven Form können typische klin. Erscheinungen fehlen. Die Diagnose wird u. U. zufällig gestellt. Die Anfangssymptome sind uncha­ rakteristisch: Müdigkeit, Leistungsverminderung, Appe­ titstörungen, Verdauungs- und unklare Oberbauchbe­ schwerden mit Völlegefühl, im weiteren Verlauf gelegent­ lich mäßig stark ausgeprägte -»Gelbsucht. Häufig ma­ chen erst Komplikationen der weiter fortgeschrittenen Er­ krankung auf deren Bedrohlichkeit aufmerksam, z. B. schnell zunehmende-» Bauchwassersucht, Blutungen aus -► Ösophagusvarizen. Behandlung: Eine einmal eingetretene L. ist nicht mehr rückbildungsfähig, sie kann jedoch bei konsequen­ ter dauernder Alkoholenthaltung und sorgfältiger ärztl. Überwachung oft jahrelang in kompensiertem Stadium gehalten werden. Lecithine, Lezithine, -»Lipoide. Lederhaut, 1) Korium, Teil der -»Haut. 2) Sklera, Teil des -»Auges. Lederhautkrankheiten, 1) Entzündung der Leder­ haut des Auges; oberflächlich als Episkleritis in Form rasch auftretender, abgegrenzter entzündl. Knoten, meist mit Beteiligung der darüberliegenden Bindehaut, in tiefe­ ren Schichten als Skleritis mit rotbläul. Verfärbung und Anschwellung. Die Krankheit ist schmerzhaft, langwierig und neigt zu Rückfällen. Nach Abheilung kann infolge Verdünnung des Lederhautgewebes die Gefäßhaut dun­ kel durchscheinen. Ursachen sind Erkrankungen des rheumat. Formen­ kreises, selten ist die L. Symptom der Syphilis. Behandlung: Wärme, Augensalbe, Allgemeinbe­ handlung des Grundleidens. 2) angeborene Pigmentablagerungen in der Lederhaut, meist bedeutungslos; man muß jedoch ihre Vergrößerung wegen der Möglichkeit bösartiger Entartung (-»Augen­ geschwülste) beobachten. Leerdarm, Jejunum, Teil des Dünndarms (-► Darm). Leeuwenhoek [1'e:vanhu:k], Antoni van, niederländ. Naturforscher, ♦ Delft 1632, febd. 1723, entdeckte mit selbstgefertigten Mikroskopen u. a. die Blutkörper­ chen und verschiedene lebende Mikroorganismen.

einer Kriegsteilnehmerorganisation (>American LegionGesetzKunstkunstgerechte< den! Für die Diagnose sind folgende Fragen wichtig: 1) (nach den Regeln der Kunst) durchgeführte Behandlung. Wo ist der Ausgangspunkt der Schmerzen? 2) Sind diese Legionärskrankheit, längere Zeit ursächlich unge­ örtlich beschränkt oder über größere Teile des Bauchs klärte Form einer Lungenentzündung, die nach schwe­ ausstrahlend? 3) Werden die L. als ziehend, stechend, rem epidem. Verlauf oft tödlich endet. Erreger ist ein brennend oder krampfartig empfunden? 4) Sind Blähun­ stäbchenförmiges (Durchmesser: 0,3—0,9 pm, Länge: gen abgegangen? 5) Besteht Durchfall oder Stuhlverstop­ 2,0—3,0 um), gramnegatives Bakterium (Legionella fung? 6) Ist Erbrechen vorausgegangen? Besondere Vorsicht ist bei L. der Kinder geboten; bei pneumophilia). Bisher sind 7 Arten der Familie Legionellaceae bekannt. Aus ökolog. Sicht ist der Erreger in die stärkerem Schmerz, großer Unruhe oder Fieber ist der Außenweltkeime einzuordnen (Gewässer, Erdboden). In Arzt zu rufen. Behandlung: Bis zum Eintreffen des Arzts Bettruhe mehreren Fällen ist Übertragung durch Kühlluft aus Kli­ maanlagen nachgewiesen. Die Namengebung des Erre­ einhalten, nichts essen und nichts trinken. Vorsicht mit gers geht zurück auf die Tatsache, daß 1976 beim Treffen örtl. Wärmeanwendung, auch wenn diese als angenehm 469

Leib empfunden wird. Patient aber warm zudecken, Wärmfla­ sche an die Füße. Fieber messen. Keine schmerzstillenden Arzneimittel einnehmen, da hierdurch für den Arzt das Krankheitsbild verschleiert wird. Bei dem leichten harm­ loseren L., der einem unangenehmen Druckgefühl ähnelt und keine alarmierenden Begleiterscheinungen aufweist, soll v. a. für Stuhlgang gesorgt werden. Mit dem Stuhl­ gang gehen auch versetzte Winde ab. Weiter ist ein Diät tag einzulegen, an dem nur Haferschleim, Apfelsaft, Pfeffer­ minztee, trockener Zwieback oder Knäckebrot gegessen werden. Leib-Seele-Problem, die Frage nach den Formen und Gesetzmäßigkeiten der Verknüpfung von seel. und körperl. Erscheinungen. Unter den verschiedenen Model­ len, die zur Erklärung seel. Einwirkungen auf körperl. Vorgänge entwickelt worden sind, nimmt die -^-Konver­ sion einen bedeutenden Platz ein. Als bahnbrechend er­ wies sich dabei die neugefundene Wirkung unbewußter Vorstellungsinhalte für die körperl. Symptombildung und -wähl. Der Konversionsablauf bleibt jedoch, wie das L.-S.-P. überhaupt, so lange ein vornehmlich theoret. Be­ griff, bis es gelingt, jene psychophysiolog. und psychochem. Prozesse zu erkennen, die der psychosomat. Wech­ selbeziehung zugrunde liegen. Erst nach Erforschung die­ ser Vorgänge ist eine gezielte Annäherung in Richtung der Lösung des »Sprungs vom Psychischen in das Somatische< zu erwarten, die dann auch praxisbezogene diagnost. wie therapeut. Schritte ermöglicht. Für das derzeitige praktisch-ärztl. Handeln stellt die psych. Dimension der -►Krankheit den zentralen Inhalt des L.-S.-P. dar. Leibwickel, -» Packung. Leichdorn, das-»Hühnerauge. Leiche, Leichnam, der tote Körper eines Lebewe­ sens. Nach dem Erlöschen des Lebens treten Veränderun­ gen ein, die als L.-Erscheinungen bezeichnet werden. Bei Warmblütern und beim Menschen kühlt sich der Körper ab (Leichenkälte), das Blut gerinnt, die Muskeln werden starr (Totenstarre), das Blut senkt sich der Schwere nach, wodurch an den tiefgelegenen Stellen rotblaue Flecken der Haut (Totenflecke) entstehen. Später folgen Zeichen der Auflösung (-»Todeszeichen). Die Organe weichen auf; am reinsten ist die Auflösung (Mazeration) bei den im Mutterleib keimfrei abgestorbenen Früchten zu beobach­ ten. Sonst wird sie meist durch die auf anaeroben Prozes­ sen beruhende -»Fäulnis vermehrt und damit verdeckt. Diese beruht auf der Tätigkeit von Fäulnisbakterien, die auf der Haut und im Darm immer vorhanden sind, die aber erst die toten Gewebe angreifen können, die keinen Sauerstoff enthalten. Die Fäulnis ist gekennzeichnet durch schmutzige Verfärbungen, Fäulnisgeruch und Auf­ treten von Fäulnisgasen. Geht die Zersetzung bei reichl. Zufuhr von Luftsauerstoff vor sich, so spricht man von -♦Verwesung, bei der Oxidationen die Hauptrolle spie­ len. Etwa vorhandene Krankheitserreger können sich in der Leiche längere Zeit lebensfähig erhalten, so daß bei der L.-Öffnungeine vorhandene Infektion weitergegeben werden kann (-► Leichenvergiftung). Die bei der Fäulnis entstehenden Produkte (Ptomaine) können allein nicht schaden, wohl aber in Kombination mit anderen, bes. anaeroben Krankheitserregern; ein spezif. Leichengift gibt es nicht. Das Fortschreiten der Fäul­ nis ist von Feuchtigkeit und Wärme abhängig. Nach der üblichen Erdbestattung verlangsamen sich die Zerset­ zungsvorgänge, wobei neben den Fäulnis- und Verwe­ sungsvorgängen tier. Lebewesen (Fliegenlarven, Faden­ würmer, Käfer u. a.) sowie Schimmelpilze mitwirken. Bei manchen Vergiftungen (Arsenik u. a.) kann die Zerset­ zung gehemmt werden. Bei L. Erwachsener sind in durch­ schnittlich 2-3 Jahren die Weichteile verschwunden, während die festeren Bänder und Knorpel 5 Jahre und mehr standhalten. Die Knochen können später austrock­ nen und viele Jh. lang erhalten bleiben. Je nach Bodenart, Feuchtigkeit u. a. ist das Zeitmaß der Zersetzung verschie­ den. Unbestattete L. können bei bewegter, sehr trockener und warmer Luft ohne stärkere Fäulnis eintrocknen (Mu­ mifikation). In Mooren können versunkene L. durch die fäulniswidrigen Humussäuren lange Zeit erhalten blei­ 470

ben. Auch durch Einbalsamieren läßt sich die L. vor Fäul­ nis schützen und konservieren. Leichenbestattung darf erst 3 Tage nach Eintritt des Todes sowie nach Ausfertigung eines Totenscheins (-►Leichenschau) durch einen Arzt erfolgen. Bei Erdbe­ stattung liegt die Oberkante des Sargs mindestens 90 cm unter Erdgleiche. Bei Feuerbestattung, die ausschließlich in einem Krematorium durchgeführt werden darf, werden Leiche und Sarg in einer Kammer durch Zufuhr heißer Luft verbrannt, wobei eine nicht zerstörbare Kennummer eine Verwechslung von Asche oder Urne ausschließt. Leichengift, -►Leiche. Leichen|öffnung, Autopsie, Obduktion, Sek­ tion, erfolgt zur Feststellung der Todesursache und zur

nachträgl. Erkennung von Krankheiten durch einen Arzt; wird in patholog. Abteilungen von größeren Krankenan­ stalten durchgeführt, bei berechtigtem Interesse auch ge­ gen den Willen eines Verstorbenen oder seiner Angehöri­ gen. Immer sollte an die Möglichkeit einer Organspende (-►Organspender) gedacht werden. Die Ergebnisse die­ nen in hohem Maß der ärztl. Forschung, aber auch der Ge­ richts- und Versicherungsmedizin. Eine gerichtl. L. findet beim Strafprozeß statt, wenn die Todesursache bei Verdacht eines nicht natürl. Todes nicht durch bloße Leichenschau festgestellt werden kann. Sie wird nach §§ 87—91 StPO im Beisein des Richters und ei­ nes Protokollführers durch 2 Ärzte vorgenommen, unter denen sich ein Gerichtsarzt befinden muß. Der Arzt, der den Verstorbenen unmittelbar vor dem Tod behandelt hat, darf der L. beiwohnen, sie aber nicht vornehmen. Leichenschau, die Feststellung des Todes durch ei­ nen Arzt. Dieser stellt hierüber den amtl. Leichenschein (Totenschein) aus, der von den Angehörigen dem Stan­ desbeamten vorgelegt und von diesem an das Gesund­ heitsamt weitergeleitet wird. Die L. soll die Bestattung Scheintoter verhüten und verhindern, daß gewaltsam ums Leben gekommene Personen vor der Feststellung der To­ desursache begraben werden. Die L. dient auch der Auf­ stellung einer Todesursachenstatistik. Leichenvergiftung, Leichen|infektion, die In­ fektion mit aus Leichen stammenden Erregern von Infek­ tionskrankheiten oder Anaeroben, die durch kleine Haut­ wunden (z. B. Schnittverletzung bei Sektionen) eindrin­ gen können. Es kommt dadurch zu Lymphgefäß- und Lymphknotenentzündungen; die Infektion kann auch zu schweren Phlegmonen führen, mitunter, je nach der Ge­ fährlichkeit der übertragenen Erreger, sogar tödlich ver­ laufen. Rechtzeitige Anwendung von Antibiotika kann die früher sehr gefährl. L. verhindern. Leiden, 1) seel. (Leid)oder körperl. -»Schmerz, meist von größerer Dauer und Tiefe; kann durch äußeres Geschick (persönl. Katastrophen, Zukunftssorgen, menschl. Verluste) oder durch (seel. oder organ.) Krank­ heit verursacht werden und durch ständige Beschwerden, von Unbehagen bis zu anhaltenden Schmerzen, gekenn­ zeichnet sein. Neben Krankheits- und Schmerzbehand­ lung stellt die persönl. Bewältigung des L. einen wesentl. Beitrag zu dessen Überwindung und zur Persönlichkeits­ reifung dar. 2) -»Krankheit. Leidensdruck, bedrückendes Gefühl einer als Last empfundenen inneren oder äußeren Beeinträchtigung; meist bestehen seel. Ursachen mit Minderwertigkeitsge­ fühlen, Versagensängsten, die zu chron. Deprimiertheit führen; aber auch körperl. Mängel oder organ. Krank­ heiten können einen L . erzeugen, einerseits durch die Furcht, von den Mitmenschen nicht mehr voll anerkannt zu werden, andererseits durch die Sorge vor Symptomver­ schlimmerungen und Unheilbarkeit, auch in Anklage des persönl. Geschicks. Wesentl. Hilfe können eine verständ­ nisvolle Umwelt, tragende persönl. Beziehungen, ggf. Psychotherapeut. Behandlung bieten. Leim, Gelatina alba, wasserlösl. Klebstoff in farb­ losen durchsichtigen Tafeln; offizinell wird L. für die Herstellung von Arzneikapseln verwendet (Gelatinekap­ seln), in die schlecht schmeckende oder schlecht riechende Arzneimittel verarbeitet werden.

Leis Lein, Flachs, Linum usitatissimum, zu den Lein­ gewächsen (I.inaceae) gehörende krautige Pflanze, zur Gewinnung von Flachsfasern und Leinsamen kultiviert. Die getrockneten reifen Leinsamen enthalten etwa 25% Eiweiß, 30-40% fettes öl, Schleimstoffe, Pektin, Blau­ säureglykoside; Verwendung v. a. innerlich gegen Ver­ stopfung. Das durch kaltes Pressen der Samen gewonnene fette Leinöl enthält eine je nach Herkunft unterschied!. Zusammensetzung an ungesättigten Fettsäuren, Linol-, Linolen-, öl- und Palmitinsäure. Anwendung: Heilpflan­ zen, Übersicht. Leishmaniasen, Leishmaniosen n. dem brit. Tropenarzt W. B. Leishman, * 1865,1 1926], durch Gei­ ßeltierchen der Gattung Leishmania verursachte Krank­ heiten, deren Vorkommen auf warme Länder beschränkt ist. Die 2-4 gm großen Erreger, die im menschl. Körper unbcgeißclt sind, leben im Zellinneren (intrazellulär) und vermehren sich durch Teilung. Die Übertragung erfolgt durch kleine Stechmücken (Schmetterlingsmücken, Phle­ botomen), in deren Magen sich die Parasiten begeißeln, vermehren und innerhalb 1 Woche zur lnfektionsreife entwickeln. Für den Menschen krankheitserregende Leishmanien kommen auch bei Tieren vor (Hunde, Na­ ger). In bestimmten Gebieten stellen solche Tiere gefährl. Erregerrcservoircdar, von denen eine Übertragung durch Phlebotomen auf den Menschen möglich ist. Beim Men­ schen treten die L. in 3 Krankheitsbildern auf. 1) Kala-Azar, Eingcweide-L., Erreger: Leishmania donovani. Verbreitung: Tropen und Subtropen mit unter­ schied!. Häufigkeit, bes. Mittelmeerraum, Indien. Nach einer Inkubationszeit von einigen Tagen bis zu einigen Monaten kommtcszuallmähl. Fieberanstieg, zunehmen­ dem Kräfteverfall sowie einer dunkelgrauen Hautverfär­ bung (Kala-Azar, indisch >schwarze Krankheit Steinkind). Lithotripsie, Litholypaxie, Zertrümmerung von Steinen, v. a. Blasensteinen, meist auf dem Weg durch die Harnröhre mittels Steinzange; in neuerer Zeit auch durch elektrohydraul. Stoßwellen. (-► Nierensteinzertrümme­ rung). Littlesche Krankheit [litl-, n. dem engl. Arzt W. J. Little, * 1810, 11894], -»infantile zerebrale Kinderläh­ mung. livid(e) [lat. lividus >bleifarbigblau■ Lungenoperationen). Lobeli|e, Lobelia inflata, zu den Glockenblumen­ gewächsen (Campanulaceae) gehörende, bis 60 cm hohe Pflanze in warmgemäßigten Klimazonen, bes. in Nord­ amerika. Die gegen Ende der Blütezeit gesammelten, ge­ trockneten oberird. Teile (Lobeli|enkraut) enthalten u. a. reichlich Alkaloide (hauptsächlich Lobelin mit Wirkung auf das Atemzentrum). Anwendung: Heilpflanzen, Übersicht. Lochi|en Mz., der Wochenfluß (-»Wochenbett). Lochtest, 1) Hemmhoftest, Laboratoriumsverfahren zur Empfindlichkeitsprüfung von Krankheitserregern ge­ genüber Sulfonamiden und Antibiotika in lochförmigen Nährböden. 2) Prüfung des zentralen Sehens mit Hilfe einer Loch­ brille zur differentialdiagnost. Unterscheidung, ob eine organ. oder funktionelle (Refraktionsanomalie) Augen­ erkrankung vorliegt. Locus minoris resistentiae [lat. >Ort des gering­ sten Widerstandst, ein Organ, Organteil oder bestimmte Körpergewebe, die einem Krankheitsprozeß eine gerin­ gere Widerstandskraft entgegensetzen, als es bei voller Gesundheit der Fall wäre. Z. B. ist eine geschädigte Leber der L. m. r. bei Alkoholgenuß. Löffel, scharfer L., ein Chirurg. Instrument; als lin­ sen- bis markstückgroßer scharfrandiger L. mit festem Griff vielfach zum Auskratzen von Weichteil- und Kno­ chenhöhlen, aber auch von oberflächl. Hautgeschwülsten gebraucht; mit gefenstertem Endstück und langem Stiel (Kürette) zur -»Ausschabung der Gebärmutter verwen­ det. Löffelkraut, Cochlearia officinalis, zu den Kreuz­ blütern (Cruciferae) gehörende, bis 30 cm hohe, krautige Pflanze in warmgemäßigten Klimazonen auf salzhaltigen Böden. Das von Mai bis Juni gesammelte, getrocknete Kraut enthält reichlich Vitamin C und bis zu 0,3% äther. Öl. Anwendung: Heilpflanzen, Übersicht. Logasthenie, Sprach- oder Sprechstörung, bei der die Wörter verdreht oder auszusprechen vergessen wer­ den; bei nervösen Störungen oder bei -»Aphasie. Logopäde, Medizinberuf, der bei der Heilung von Stimm- und Sprachgestörten, bes. Kindern, mitwirkt. Die Berufsbezeichnung wurde durch Bundesgesetz v. 7.5.1980 geschützt. Die Erlaubnis zu deren Führung setzt i. d. R. abgeschlossene Realschulbildung oder eine gleich­ wertige Ausbildung sowie eine 3jährige theoret. und prakt. Ausbildung an hierfür staatlich anerkannten Schu­ len für Sprachheilkunde (Logopädie) voraus. Logorrhö, krankhaft ungehemmter, häufig unzu­ 478

sammenhängender Redefluß, Symptom bes. bei Alters­ demenz, sensor. -»Aphasie und Psychosen (Paranoia, Schizophrenie); Ggs.: -» Aphrasie. Logotherapie, auf der -► Existenzanalyse (V. E. Frankl, * 1905) aufgebaute Psychotherapeut. Methode zur Behandlung von seel. Störungen. Sie zielt auf die Ak tivierung der >noetischen< (das Erkennen betreffenden) Schichten der Persönlichkeit, um den Patienten in die Lage zu versetzen, den Sinn seines Daseins zu finden und sich dadurch von den neurot. Fehlhaltungen zu befreien. Wesenti. Verfahren sind die paradoxe Intention (Patient soll das anstreben, was er fürchtet; bes. bei Phobien) und die De|reflexion (Patient soll stärker den Mitmenschen er­ leben als sich selbst und eigene Unvollkommenheiten ak­ zeptieren; bes. bei neurot. Zwängen). Lokalanästhesie, örtl. Betäubung, -»Anästhesie. Lokalisation [von lat. locus >OrtStelleSferics< (-» Atmospherics) über die ganze Erde, die als Störwellen im

Rundfunk bekannt sind und denen man möglicherweise auch biolog. Wirkungen zuschreiben muß. Obwohl die luftelektr. Erscheinungen in ihren Grund­ lagen zum großen Teil erforscht sind, ist man sich über ihre biolog. Wirkungen, die Arbeitsgebiet der Elektro­ bioklimatologie sind, noch nicht klar. Bes. haben die zahl­ reichen Versuche, die Wetterabhängigkeit vieler Krank­ heiten (-» Wetterkrankheiten) auf das luftelektr. Gesche­ hen zurückzuführen, bisher zu keinem eindeutigen Ergeb­ nis geführt, da die luftelektr. Vorgänge eng, im einzelnen aber recht unübersichtlich, mit den anderen meteorolog. Erscheinungen verflochten sind. Dagegen haben diese Versuche den Anstoß zur Entwicklung der -»Ionentherapie gegeben, bei der die Luft künstlich mit Ionen gleicher Ladung angereichert und vom Kranken eingeatmet wird. Nach den bisherigen Erfahrungen sind heilsame Wirkun­ gen auf Blutkreislauf und Nervensystem anzunehmen. Die verwendeten lonenkonzentrationen übersteigen aber die natürlich vorkommenden um das mehr als Hundertfa­ che; ebenso sind biolog. Wirkungen künstl. Wechselfel­ der im günstigen (Kurzwellentherapie) wie im ungünsti­ gen Sinn (>SenderkrankheitHilusdrüsent, hinziehen.

Freßzelle elastische Faser

der Lunge. Bei der Entstehung der L. werden verschiedene Mechanismen biochem. und genet. Art wirksam. Sie füh-

Lung ren zu einer nicht rückbildungsfähigen Erweiterung der Lufträume aufwärts von den kleinsten Endbronchiolen (Bronchiolae terminales) infolge Überdehnung bei chron. Husten oder Zerstörung der Wandstruktur der Lungen­ bläschen. Dieser Zustand bewirkt eine Verminderung der Gasaustausch fläche und damit Störungen in der Atem­ funktion. Die chronische (diffuse) L. ist ein krankhaftes Zu­ standsbild, das sich durch Jahre hindurch entwickeln kann. Die Diagnose, bes. im Frühstadium, ist sehr er­ schwert, kann aber durch Röntgenbild und -► Lungen­ funktionsprüfungen auch schon zu diesem Zeitpunkt ge­ stellt werden. Leitsymptom ist die Atemnot (Dyspnoe), die im späteren Stadium immer stärker auftritt und schließlich auch schon in Ruhe besteht. Die L. ist oft von einer chron. Bronchitis und Herz-Kreislauf-Störungen (Überlastung der rechten Herzkammer) begleitet. Man unterscheidet nach Krankheitsverlauf und Konsti­ tutionstyp der Kranken: 1) den Emphysem-Typ von asthen. Körperbau (normal bis untergewichtig) mit schlankem Brustkorb und -»Tropfenherz. Bei diesem Typ besteht in Ruhe relativ ge­ ringe Atemnot, die sich jedoch schon bei kleiner Bela­ stung deutlich steigert. Die Gesichtshaut ist rosig-blaß, gelegentlich treten Herzbeschwerden auf; 2) den Bronchitis-Typ von mehr pyknischem Körper­ bau (meist übergewichtig). Im Vordergrund stehen der ständige Husten und Auswurf, anfallsweise stärkere Atemnot, bes. bei Belastung, deutl. Zyanose des Gesichts (Blausucht), Herz-Kreislauf-Störungen. Mit fortschreitendem Verlauf sind die sich dann ver­ mischenden Krankheitszeichen der Typen 1) und 2) nur durch genaue klin. Untersuchung und Funktionsprüfun­ gen zu unterscheiden, um eine gezielte Behandlung durch­ führen zu können. Meist sind Personen im Alter von 40—60 Jahren, Männer häufiger als Frauen, und bes. Rau­ cher betroffen. Die chron. L. gehört zu den -»obstruktiven Lungen­ krankheiten, da Störungen in der Atemventilation wie bei der chron. Bronchitis das Krankheitsbild beherrschen. Die Behandlung richtet sich auf die Hemmung eines Fortschreitens des Leidens und entspricht derjenigen bei chron. Bronchitis (-► Bronchialkatarrh). Die Prognose ist stark vom Zeitpunkt des Behandlungsbeginns abhängig. Frühzeitig einsetzende Behandlung kann einer zu erwar­ tenden Thoraxstarre vorbeugen. Von der chron. obstruktiven L. sind zu trennen: die pri­ märe Alters-L., bei der es zur Überblähung der Lungen in­ folge von Verlust der elast. Fasern im Lungengewebe kommt. Abzugrenzen sind ferner akute, vorübergehende Zeichen einer L. bei Bronchialasthma wie auch die örtl. Lungenausdehnungsformen in der Umgebung von narbi­ gen, schrumpfenden Lungenbezirken (Narbenemphy­ sem), die kompensator. (ergänzende) Lungenausdeh­ nung nach operativen Eingriffen an der Lunge, isolierte Emphysemblasen sowie andere die Lungenfunktion be­ treffende Veränderungen des Luftvolumens. Lungenbluten, das Aushusten von Blut, das aus den Lungen stammt (-► Bluthusten). Lungenbrand, die -» Lungengangrän. Lungen|egelkrankheit, Paragonimiasis, eine durch Saugwürmer (Trematoden) der Gattung Paragonimus verursachte, auf warme Länder beschränkte Krank­ heit. Natürl. Endwirte sind Haustiere und freilebende Säugetiere. Menschl. Erkrankungen kommen vereinzelt oder endemisch im trop. Afrika, in Südamerika, am häu­ figsten in SO-Asien vor. Die 7—12 mm langen, kaffeeboh­ nenförmigen Würmer leben in der Lunge. Die Eier gelan­ gen mit Auswurf oder Kot ins Freie. Die aus dem Ei schlüpfende Larve muß zur Weiterentwicklung zunächst in eine Süßwasserschnecke eindringen. Nach einem Reifungs- und Vermehrungsprozeß verlassen die Larven (Zerkarien) die Schnecke und suchen bestimmte Krebs­ tiere auf, in denen sie sich in Zystenform ansiedeln. Beim Verzehr dieser Flußkrebse nimmt der Endwirt die Parasi­ ten auf, die vom Darm aus durch die Bauchhöhle und das Zwerchfell in die Lunge (seltener in Gehirn, Haut, Mus­ kulatur oder andere Organe) wandern. 31-

Beim Menschen äußert sich die L. durch chron. Husten und blutigen Auswurf. Das Allgemeinbefinden ist kaum beeinträchtigt. Komplikationen oder Todesfälle treten nur beim relativ seltenen Befall des Gehirns auf. Eine Behandlung der L. ist heute chemotherapeu­ tisch möglich. Die Vorbeugung besteht im Verzicht auf den Genuß rohen Fleisches von Süßwasserkrebsen in trop. Ländern. Lungenlembolie, Gefäßverschluß im arteriellen Lungenkreislauf durch einen verschleppten Blutpfropf (Thrombus), seltener durch Luft, Fett, Fremdkörper (-» Embolie). Bei Verschluß des Stammes der Lungenarte­ rie oder der Hauptäste kommt es schlagartig zu schweren Herz-Kreislauf-Störungen und Schockzuständen, oft mit Todesfolge. Bei vollständigem Verschluß kleinerer Äste der Lungenarterien oder bei unvollständigem Verschluß größerer Gefäße kann der Kranke überleben. Die kleinen, nicht massiven L. treten meist gehäuft und mit Rückfällen auf, wobei es infolge der ständigen Über­ lastung der rechten Herzanteile zur Entwicklung eines -►Cor pulmonale kommen kann. Vorwiegend betroffen sind ältere, lange Zeit bettlägerige Personen, bes. mit Herzinsuffizienz, Kranke nach schweren Infektions­ krankheiten und größeren Operationen sowie Krebs­ kranke; bei jüngeren Altersgruppen sind v. a. Frauen mit Beckenvenenthrombosen während oder nach der Schwangerschaft bedroht. Eine Komplikation der L. ist der -» Lungeninfarkt, der meist durch Fieber gekenn­ zeichnet ist. Das klinische Bild der L. gestaltet sich je nach Umfang, Anzahl und Ort derembolischen Vorgänge. Bei leichteren Formen ist die L. oft schwer von anderen akuten und subakuten Lungenkrankheiten abzugrenzen. Man unter­ scheidet Verlaufsformen mit oder ohne Schock. Die typ. Krankheitszeichen sind die plötzl. Atemnot, starker ein­ seitiger Brustkorbschmerz, auch mit Ausstrahlung in den Arm, Rücken und Oberbauch, so daß die Abgrenzung ge­ genüber einem Herzinfarkt erschwert ist. Dazu kommen Pulsbeschleunigung, Schweißausbrüche, Unruhe und starkes Angstgefühl. Schon bei Verdacht auf L. muß der Betroffene möglichst schnei) in eine entsprechende Inten­ sivstation oder Chirurg. Abteilung eingewiesen werden. Der weitere Verlauf ist vom Ausmaß der L. abhängig. Die Überlebensaussichten bessern sich, wenn mit Hilfe der Intensivmaßnahmen die ersten Stunden überstanden wurden. Je nach Sitz des Embolus kann ein operativer Eingriff lebensrettend sein. Bei leichteren Formen der L. besteht die Behandlung bei Kranken ohne Schock in Verhütung weiterer Embo­ lien durch blutgerinnungshemmende Mittel (Antikoagu­ lantia) oder auch in der Anwendung von blutgerinnselauf­ lösenden Medikamenten. Bei -»Schock sind besondere Maßnahmen erforderlich. Bei lange Zeit Bettlägerigen, Frischoperierten, Patien­ ten mit Erkrankung des Gefäßsystems (bes. Venenthrom­ bosen) werden — bei stationärer Behandlung ohnehin meist routinemäßig — vorbeugende Maßnahmen getrof­ fen (frühes Aufstehen, kontrollierte Bewegungsübungen durch Krankengymnastik) und blutgerinnungshemmende Mittel verabreicht. Lungen|emphysem, die -► Lungenblähung. Lungen|entzündung, Pneumonie, alle entzündl. Prozesse des Lungengewebes, die durch verschiedene Ur­ sachen, meist Infektionen, ausgelöst werden, wobei die pathologisch-anatom. Reaktionsvorgänge hauptsächlich im Raum der Lungenbläschen (Alveolen) stattfinden und weniger das Lungengerüst (Interstitium) betreffen. Die L. kann als lobäre oder kruppöse Pneumonie (-►kruppös) kleinere oder größere Lungenabschnitte (Segment, Läppchen, Lungenlappen) betreffen oder sich als -»Bronchopneumonie begrenzt und herdförmig mit Beteiligung der kleinen Bronchien entwickeln. Trotz großer Fortschritte der letzten Jahrzehnte in der antibakteriellen Behandlung und starkem Rückgang der Mortalität nimmt die L. weiterhin zu, bes. in den Alters­ gruppen zwischen 20 und 50 Jahren. Ferner sind die Neu­ geborenen und Kleinkinder sowie die Altersgruppen über 60 Jahre auch heute noch gefährdet, wobei die L. am häu­ 483

Lung figsten als Begleitkomplikation anderer Erkrankungen auftritt. Die bisherigen Vorstellungen über die (morpholog.) Einstufung und Unterscheidung der L. nach der Ausdeh­ nung und dem patholog. Bild haben sich in neuerer Zeit geändert. Die L. wird heute nach ursächl. Faktoren klassi­ fiziert. Man unterscheidet allgemein die als selbständige Erkrankung entstandenen primären L. von den sekundä­ ren Formen, die durch eine andere, vorausgegangene Er­ krankung im Lungensystem begünstigt werden. Zu den primären L. zählen die bakteriellen und durch andere Mi­ kroorganismen wie Mykoplasmen und Viren ausgelösten Formen. Die sekundären L. können sich oft entwickeln bei Kranken mit Zirkulationsstörungen der Lungen (Stauung, Ödem, Infarkt), mit Veränderungen in den Bronchien (Bronchialkatarrh, bes. die chron. Form, Bronchiektasen, Neubildungen), bei lange Zeit bettlägeri­ gen Patienten mit verminderter Abwehrkraft (z. B. Krebs­ kranke), als Aspirationspneumonien (-»Aspiration) bei Verschlucken und durch Mischinfektionen mit anaero­ ben Keimen. Die bakteriellen L. werden meist durch Pneumokokkuskeime, seltener durch andere grampositive Strepto­ kokken und Staphylokokken, oder auch durch gramne­ gative Bakterien wie Klebsiellen, Haemophilus und Legionella pneumophilia (-* Legionärskrankheit) hervorge­ rufen. Die >klassische< Pneumokokkenpneumonie tritt ausgedehnt in einem oder mehreren Lungenlappen (Lap­ penpneumonie) auf, zeigt einen charakterist. klinischen Verlauf und ist häufig auch von einer Rippenfellentzün­ dung (Pleuropneumonie) begleitet. Sie beginnt mit Schüt­ telfrost, hohem Fieber, Brustschmerz, Husten; ihre volle Entwicklung kann bei schnellem Einsetzen einer entspre­ chenden Antibiotikatherapie verhindert werden. Die ent­ zündl. Lungenveränderungen bilden sich schnell zurück. Komplikationen wie Lungenabszeß und Rippenfellverei­ terung sind heute selten geworden. Gefahr besteht bei zu schwacher oder zu starker Dosierung der antibakteriellen Mittel. Bes. bei Alkoholikern und Kranken mit abge­ schwächter Abwehrkraft kann es dann zu verzögerter Rückbildung, Fibrosierung und Schrumpfung des ent­ zündl. Lungengewebesund auch zu Rückfällen kommen. Einen schweren Verlauf zeigen L., die durch gramnega­ tive Krankheitserreger hervorgerufen werden; dazu gehö­ ren bes. die sekundären, im Krankenhaus übertragenen Formen (Hospitalismus). Der wahrscheinlich häufigste Erreger der L., der etwa 30—40% aller Erkrankungen verursacht, ist das gram­ negative Mykoplasma pneumonie, das in der mikrobiolog. Klassifizierung zwischen Bakterien und Viren einge­ ordnet wird. Befallen werden bes. junge Erwachsene und Kinder. Der klin. Verlauf ist mild mit schleichendem Be­ ginn, Vorboten sind Entzündungen der oberen Luftwege. Die langsame Temperatursteigerung führt schließlich zu hohem Fieber. Charakteristisch sind heftige Kopfschmer­ zen, v. a. im Stirnbereich. Der Frühverdacht dieser Er­ krankung kann auch durch den Röntgenbefund bei Ab­ grenzung gegen andere Verdichtungen, wie bei Tuberku­ lose und flüchtigen Infiltraten oder Neubildungen, bestä­ tigt werden. Ergebnisse durch serolog. Untersuchungen sind dagegen erst nach 2—3 Monaten erreichbar. Die Pro­ gnose ist gut. Komplikationen sind selten; meist kommt es (auch ohne Antibiotika) innerhalb von 3—4 Wochen zur vollen Genesung. Der Erreger reagiert auf Antibiotika der Tetracyclin- und Erythromycingruppe bes. empfindlich. Die Viruspneumonien treten i. d. R. epidemisch auf. Reine Viruspneumonien sind selten: Da Viren als häufig­ ste Erreger von Erkrankungen der oberen und mittleren Luftwege Schrittmacher bakterieller Entzündungspro­ zesse sein können, kommt es häufig zu Mischformen. Bei Neugeborenen und Kleinkindern sind die Adeno- und RSViren die häufigsten Erreger, sie führen zu einem schwe­ ren Krankheitsbild. Anfangserscheinungen sind Frö­ steln, Kopf- und Gliederschmerzen, hartnäckiger Hu­ sten, allmähl. Temperaturanstieg. Weitaus häufiger sind Influenzaviruspneumonien, die meist in Form einer herd­ förmigen Bronchopneumonie auftreten. Außer wenigen schweren Formen dieser Art der L. zeigen die reinen Virusinfektionen i. d. R. einen leichten Verlauf, ähnlich dem 484

der Mykoplasmapneumonie. Die reinen Virusinfektionen sind resistent gegen Antibiotika. Nur wenn es zu einer zusätzl. bakteriellen Infektion (Mischform) kommt, ist die Behandlung mit Antibiotika anzuwenden. Alle bakteriellen L. haben eine akute Anfangsphase und verlangen Bettruhe. Dieantibiot. Behandlung muß der Art der Erreger (Keimbestimmung im Auswurf) ange­ paßt sein. Wenn die Erregerbestimmung nicht gelingt, kann ein Breitbandantibiotikum eingesetzt werden. An­ dere ergänzende Behandlungsmaßnahmen müssen sich nach dem Einzelfall richten. Wichtig ist die sorgfältige Überwachung von Herz und Kreislauf, um einer durch toxische Bakterien verursachten Herzinsuffizienz recht­ zeitig zu begegnen. Die schweren Formen der L. sollten grundsätzlich stationär behandelt werden. Lungen|erweiterung, die -»Lungenblähung. Lungenfell, der die Lungenoberfläche überkleidende Teil des -*Brustfells. Lungenfibrose, Vermehrung des Bindegewebes in der Lunge, die als herdförmig umschriebene Erscheinung möglicher Endzustand aller chronisch-entzündl. Lungen­ krankheiten ist. Dabei können auch immunolog. Reak­ tionen im Lungengerüst (Interstitium) auslösend wirken. Die L. verläuft chronisch schleichend, aber auch mit aku­ ten entzündl. Schüben (pneumon. Herdbildung), Atem­ not, Zyanose und Lungenfunktionsstörungen. Die Dia­ gnose kann durch das Röntgenbild, notfalls durch Probe­ biopsie gestellt werden. Die diffuse L. ist wesentlich selte­ ner und wird durch zahlreiche Faktoren verursacht. Oft finden sich Zusammenhänge mit Berufskrankheiten (Asbesterkrankungen, Farmerlunge). Die L. ist ein gefährl., zu Invalidität und häufig zum Tod führendes Leiden. Lungenfunktionsprüfungen, wichtige Hilfs­ methoden zur Bestimmung der respirator. Funktion der Atmungsorgane, zur Messung der Atmungsparameter, der Ventilation (-► Lunge), der Diffusion (Austausch von Sauerstoff und Kohlendioxid) und -» Perfusion. Dadurch können allgemeine Funktionsstörungen oder gestörte Teilgebiete der Lunge erkannt werden. Durch entsprechende Messungen und graph. Aufzeich­ nungen lassen sich verschiedene Atemgrößen bestimmen: Die Atemmechanik durch -» Spirographie, wobei mit dem einfachen Spirometer die -► Vitalkapazität und die expirator. -» Sekundenkapazität als wichtigste Funktionsergeb­ nisse erfaßbar sind. Weiter können durch spezielle Spirographen (Glockenspirometer, Pneumometer usw.) zu­ sätzlich auch das durchschnittl. Atemzugvolumen, die Atemfrequenz und, mit Hilfe von Gasmischtechniken (Heliumanalysator), noch das Residualvolumen (die nach Ausatmung verbleibende Restluft) gemessen werden. Durch die -»Spiroergometrie wird gleichzeitig das Lei­ stungsverhalten von Herz, Kreislauf und Atmung beur­ teilt. Alle spirograph. Methoden sind von der Mitarbeit der untersuchten Person abhängig. Im Ggs. zur Spirographie ermöglicht die Ganzkörper­ plethysmographie eine von der Mitarbeit der untersuch­ ten Person unabhängige Prüfung des Atemwiderstands (Resistenz) und Messung des gesamten Gasvolumens in­ nerhalb des Brustraums. Der Meßvorgang bei dieser ge­ naueren, aber auch aufwendigeren Methode wird in einer geschlossenen Kabine durchgeführt. Gemessen werden die Druckschwankungen der Luft in den Lungen, die spie­ gelbildlich zu den Druckverhältnissen im abwechselnd komprimierten und dekomprimierten Thorax auftreten. Sie werden gleichzeitig mit der am Mund gemessenen Atemstromstärke aufgenommen (-»Pneumotachogra­ phie); damit werden der Strömungswiderstand in den Atemwegen registriert und kurvenmäßig die Meßgröße des Gasvolumens ermittelt. Die Lungenelastizität und Atemarbeit können zusätzlich durch die Druckmessung in der Speiseröhre, kombiniert mit Spirographie, be­ stimmt werden. Die weiteren respirator. Funktionen (Gasaustausch in den Lungen, d. h. die Diffusion) werden durch Messung der Diffusionskapazität für Kohlenmonoxid geprüft. So können auch die arteriellen Blutgase (in der Ruhe und un­ ter Belastung) berechnet und bestimmt werden. Ein nied-

Lung riger Sauerstoffpartialdruck beweist einen gestörten Gas­ austausch in der Lunge. Weitere, mehr gezielt auszufüh­ rende Methoden, die vorwiegend den Fachkliniken Vor­ behalten bleiben, sind: die Bestimmung der regionären Verteilung der Lungenzirkulation (Perfusionsszinti­ gramm), die Druckmessung in der Pulmonalarterie und die Überprüfung der Atemmuskulatur durch ein Elektro­ myogramm. Lungen|gangrän die, Lungenbrand, das bran­ dige Absterben eines Teils der Lunge, entsteht wie ein -►Lungenabszeß, wenn Fäulniserreger an der Entzün­ dung beteiligt sind. Die Prognose des L. ist ernst, die Be­ handlung mit Antibiotika hat jedoch die Heilungsaus­ sichten wesentlich gebessert. Lungengeschwülste, vom Lungengewebe ausge­ hende Neubildungen. Man unterscheidet gutartige und bösartige L. Zu den relativ seltenen gutartigen L. gehören Neubildungen von langsamer Entwicklung, die begrenzt bleiben (kein infiltrierendes Wachstum, keine Metasta­ sen). Sie gehen von verschiedenen Gewebearten aus und werden entsprechend klassifiziert, z. B. als Polypen und Adenome, bei Überwucherung der Schleimhaut und Bronchialdrüsen als Osteochondrome (Knochen- oder Knorpelgewebe), als Fibrome und Neurofibrome (Binde­ gewebe, Neurozellen) sowie Lipome (Fettgewebe). Häufiger sind die bösartigen L., die sich durch schnelles Wachstum, Infiltration und Metastasenbildung auszeich­ nen und bei Fortschreiten zu allgemeinem Körperverfall führen. Zu den bösartigen L. gehören das Bronchialkarzi­ nom, das Alveolarzellkarzinom (der eigtl. Lungenkrebs) und das seltener auftretende Lungensarkom, eine bös­ artige Bindegewebsneubildung. Die L. können lange Zeit symptomlos bleiben. Die Dia­ gnose erfolgt oft durch Zufall bei einer Röntgenuntersu­ chung. Eine wichtige Hilfsmethode ist die Bronchosko­ pie, auch zusammen mit einer Probeexzision für die zytologisch-histolog. Untersuchung. Zur Entstehung der L. -► Krebsgeschwülste. Klinischer Verlauf und Behandlung -► Lungenkrebs. Lungen|induration, die -* Lungenschrumpfung. Lungen|infarkt, umschriebener, durch mangelnde Blutversorgung entstandener Gewebszerfall in der Lunge, immer die Folge einer Lungenembolie. Durch diese entsteht zunächst ein weißer L., die völlige Blutleere des hinter dem Embolus liegenden Lungenabschnitts. Durch Rückfluß aus den gestauten Venen der Nachbar­ schaft tritt sekundär Blut in die Lungenbläschen ein, es entsteht ein roter L. Die Folge ist ein scharf begrenzter ke­ gelförmiger Verdichtungsherd, dessen Spitze an der Stelle des Blutpfropfs und dessen entgegengesetzte Abgrenzung nach dem Brustfell zu gelegen sind. Entweder erfolgt vollkommene Rückbildung des L., oder es bleibt ein Schrumpfungsherd mit Kalkeinlagerung zurück, sofern es nicht bei nachfolgender Infektion zur Bildung eines -► Lungenabszesses gekommen ist. Die Be­ handlung entspricht den Maßnahmen bei -»Lungen­ embolie, bei zusätzl. Entzündung denen bei -»Lungen­ entzündung. Lungenkollagenosen, eine dem -»rheumatischen Formenkreis zuzuordnende Lungenerkrankung. Sie be­ trifft als Systemerkrankung kein einzelnes Organ, son­ dern kann mit unterschiedlichen patholog. Veränderun­ gen im Gewebe oder einer Zellart, die in verschiedenen Or­ ganen vorkommt, auftreten. Bei der >Kollagenkrankheit< sind die Elemente des Bindegewebes betroffen. Die Ursachen der -» Kollagenosen sind unbekannt. Bei der L. kommt es zu zerfallenden und schrumpfenden Pro­ zessen im Bindegewebe der Lungen, die häufig auch das Bindegewebssystem der Gefäße, der Bronchien, des Lungengerüsts (Interstitium) wie auch des Rippenfells (Pleura) einbeziehen. Die Lungenbeteiligung zeigt sich in Atemnot, Husten, manchmal Thoraxschmerzen, blutigem Auswurf, Mü­ digkeit, Temperatursteigerung. Auch Krankheitszeichen anderer Organe treten auf, z. B. Hautveränderungen (Ausschläge, Verdickungen) und Gelenkbeschwerden. Die Nieren können ebenfalls beteiligt sein.

Im Verlauf einer fortschreitenden chron. Gelenk­ krankheit werden die L. als >Rheumalunge< mit Knöt­ chenbildung beschrieben: Es kommt zur Fibrosierung im Lungengerüst (-»Lungenfibrose), auch mit Rippenfell­ entzündung (Pleuraerguß). Man findet die L. außerdem als Begleiterkrankung bei -» Sklerodermie (Bindegewebs­ veränderungen der Haut und Unterhaut) und bei der Schmetterlingsflechte (-» Erythematodes). Eine schwere Form der L. stellt die Wegenersche Gra­ nulomatose dar, bei der sich geschwürartige Granulome (Herde) im Nasen-Rachen-Raum, in den oberen Luft­ wegen wie auch in den Lungen bilden. Auch die seltene Systemerkrankung des Gefäßgewebes der Arterien und der Venen, die Pan | arterijtis nodosa, wobei auch das Bin­ degewebe der Arterien und der Venen beteiligt ist, tritt zu­ sammen mit einer L. auf. Die Prognose der L. ist ernst, Spontanrückbildungen kommen nur gelegentlich vor. Die Behandlung erfolgt stationär mit Medikamenten der Corticosteroidgruppe. Lungenkollaps, das Zusammenfallen eines Teils (Segment, Lappen) der Lunge oder des ganzen Lungen­ flügels durch Veränderung der physiolog. Druckverhält­ nisse im Brustraum mit Aufhebung des Unterdrucks zwi­ schen den Brust- und Lungenfellblättern (Absinken des Pleuradrucks). Ein solcher Zustand entsteht z. B. durch einen Lungenriß (Emphysemblase, Lungenfistel). Es kommt zum Spontan- oder Ventilpneumothorax (Luft­ ansammlung im Pleuraraum), meist mit Ergußbildung in der Brusthöhle. Die Kollapstherapie durch einen künstl. -»Pneumo­ thorax spielte früher bei der Behandlung der Lungentu­ berkulose eine große Rolle; die Ruhigstellung der Lunge sollte zur Vernarbung und Schließung der Abszeßhöhlen und Kavernen beitragen. Lungenkrankheiten, funktionelle Störungen der Atmungsfunktion und organ. Erkrankungen der Lunge, die das Lungengewebe selbst, das Bronchial-, aber auch das Lungengefäßsystem betreffen; auch das Rippenfell (Pleura) und der Mittelfellraum (Mediastinum) können einbezogen sein. Durch die Fortschritte in der Lungendiagnostik (Rönt­ genuntersuchungen, Tomographie, Sonographie, Lun­ genfunktionsprüfungen) sowie bes. infolge der stark ver­ besserten Heilungsaussichten durch die Chemotherapie der Lungentuberkulose hat sich in den letzten Jahren, nicht zuletzt unter der Verbesserung der Umweltverhält­ nisse in den zivilisierten Ländern, die Verteilung der L. wesentlich gewandelt. Die wichtigsten L. sind nach wie vor die verschiedenen Formen der -»Lungenentzündung, die immer noch bei Kindern und älteren Personen als gefährl. Krankheit an­ zusehen ist, ferner die chronisch obstruktiven L., zu de­ nen der chron. -»Bronchialkatarrh, die -* Lungenblä­ hung und das -»Bronchialasthma gehören. Wenn auch die -► Lungentuberkulose nach dem 2. Weltkrieg stark zu­ rückgegangen ist, so ist sie doch immer noch wegen ihres unterschied!. Verlaufs und der Gefährdung geschwächter (älterer oder unterernährter) Menschen zu den wichtigen Infektionskrankheiten zu zählen. Von zunehmender Bedeutung sind die im Mittelpunkt neuerer Forschung stehenden Krebsgeschwülste der Lunge (-»Lungenkrebs), wobei bes. den Umwelteinflüs­ sen und dem -»Rauchen eine auslösende Funktion zuge­ schrieben wird. Weniger verbreitet, aber wegen des oft schwerwiegen­ den Verlaufs wichtig, sind die früher selten erkannten -►Lungenfibrosen, die zu Vernarbungen im Lungenge­ rüst führen können, ferner die Beteiligung der Lunge bei Systemkrankheiten, zu denen die -► Lungenkollagenosen und die -► Lungensarkoidose gehören. Als Zweitkrank­ heiten sind zu nennen die -»Lungenembolie und das -►Lungenödem. Parasitäre L. (-► Lungenparasiten) und Pilzkrankheiten der Lunge (-► Lungenmykosen) sind im europ. Raum selten anzutreffen; sie bedürfen aber im Zeitalter des Ferntourismus durchaus der Beachtung. Die Behandlung der L. richtet sich nach der jeweili­ gen Ursache. Zur allgemeinen Therapie gehören Rauch­ verbot und Ausschaltung anderer Inhalationsschäden, 485

Lung

Lungenkrebs: Röntgenaufnahme der rechten Lunge. links Normalbefund, rechts Krebsgeschwulst (Pfeil); Darstel­ lung des Bronchialsystems mit Kontrastmittel (Bronchographie)

eine angepaßte Lebensführung mit zweckmäßiger Ernäh­ rung, physikal. Maßnahmen wie Inhalations- und At­ mungstherapie, auch Rehabilitationsmaßnahmen mit Klimatherapie; medikamentöse Behandlung mit schleim­ lösenden, bronchienerweiternden und entzündungshem­ menden Mitteln; bei Zusatzinfektionen gezielte Therapie mit Chemotherapeutika. Oft ist eine Mitbehandlung des durch Veränderungen im kleinen Kreislauf geschädigten Herzen erforderlich. Lungenkraut, Pulmonaria officinalis, zu den Bo­ retschgewächsen (Boraginaceae) gehörende, etwa 20 cm hohe krautige Pflanze in warmgemäßigten Klimazonen. Verwendet werden die getrockneten oberird. Teile. An­ wendung: Heilpflanzen, Übersicht. Lungenkrebs, Lungen-Bronchial-Krebs, Bron­ chialkarzinom, eine bösartige, meist von der Schleim­

haut der Bronchien ausgehende Lungengeschwulst (-► Krebsgeschwülste), die seit den letzten 50 Jahren stetig im Zunehmen begriffen ist. Mit rd. 27% aller Krebstodes­ fälle ist der L. derzeit die häufigste Ursache des Krebs­ todes beim Mann. Der L. wird überwiegend durch Zigarrettenrauchen, d. h. durch die im Zigarettenrauch enthal­ tenen karzinogenen Teerprodukte hervorgerufen; dies ist wissenschaftlich bewiesen. Frauen erkranken seltener als Männer (etwa 1:5). Nachdem jedoch die Frauen sich den Rauchgewohnheiten der Männer weitgehend angepaßt haben, nimmt der L. auch bei Frauen stetig zu. So wird an­ genommen, daß die Frauen z. B. in den USA etwa seit 1983 gleich häufig an L. erkranken werden wie Männer. Kennzeichen für die L. ist ein anfangs oft als Rau­ cherkatarrh verkannter Husten mit schleimigeitrigem, ge­ legentlich blutigem Auswurf. Später kommt es zu einem oft als Lungenentzündung mißdeuteten wochenlangen Fieber mit Brustschmerzen. Behandlung: Rechtzeitig erkannt, ist Heilung durch Resektion eines Lungenlappens oder Lungenflügels mög­ lich. Insgesamt jedoch ist die Rate der 5-Jahresheilung ge­ ring. Die relativ beste Prognose hat der Stachelzellen­ krebs, die schlechteste der kleinzellige Lungenkrebs. Lungenmykpsen, durch Pilze hervorgerufene Er­ krankungen der Lungen, meist entzündl. Charakters. L. entstehen durch Einatmen von Pilzsporen, die aber auch auf dem Blut- oder Lymphweg ins Körperinnere ver­ schleppt werden können. Ihr Auftreten im europ. Raum ist infolge der für eine Infektion ungünstigen klimat. Be­ dingungen relativ selten. Krankheitsauslösend können Fadenpilze (Erreger der Aspergillosen) und Sproßpilze (Erreger der Kandidamy­ kosen) sein. Die seltene Form der Lungenaspergillose be­ fällt vorwiegend Personen mit herabgesetzten Abwehr­ kräften oder nach langdauernder Behandlung mit Immunsuppressiva; auch die langdauernde Anwendung 486

mancher Antibiotika oder ionisierender Strahlen kann die Abwehrfähigkeit vermindern. Eine sekundäre Form der L. kommt etwas häufiger vor, z. B. bei der Lungentuberkulose in Form einer zusätzl. In­ fektion tuberkulöser Kavernen. Auch Lungenabszesse, Bronchiektasen und das chron. Lungenemphysem kön­ nen zusätzlich mit L. infiziert werden. Die Lungenasper­ gillose ist manifestiert durch das Aspergillom, eine tumor­ artige Form der Pilzanhäufung. Die Lungenaspergillose entwickelt sich langsam, zunächst weitgehend symptom­ arm, bis es zu chron. Husten, auch mit blutigem Auswurf und Fieberschüben kommt. Eine weitere häufigere Form der L. ist die Aspergillose des Bronchialsystems, die meist im Zusammenhang mit einem schweren, langdauernden Bronchialasthma auftre­ ten kann. Die exakte Diagnose einer L. erfolgt ausschließlich durch mikroskop. Nachweis charakterist. Pilzsporen im Auswurf oder Bronchialsekret und ergänzend durch den Nachweis spezif. Antikörper mit Hilfe serolog. Untersu­ chungsmethoden. Die Behandlung kann heute mit Spe­ zialpräparaten (Antimykotika) einigermaßen erfolgreich durchgeführt werden, bei ausgedehnten Lungenverände­ rungen, z. B. beim Aspergillom, ist bisweilen ein operati­ ver Eingriff nicht zu umgehen. Eine besondere Form der L. ist die Lungenkandidamy­ kose. Die durch Sproßpilze ausgelöste Erkrankung ist seL ten und entwickelt sich vorwiegend bei kleinen, in ihren Abwehrkräften geschwächten Kindern im Zusammen­ hang mit einer anderen Grundkrankheit. Auch hier kann die langzeitige Anwendung von Antibiotika und immunsuppressiven Präparaten auslösend wirken. Die Lungenaktinomykose ist eine L., die durch Sproß­ pilze der Aktinomyzes-Gattung hervorgerufen wird (-* Strahlenpilzkrankheit). Diese Erreger nehmen eine Zwischenstellung zwischen Bakterien und Pilzen ein. Die Lungenaktinomykose ist meist eine Sekundärerkran­ kung, die durch Keimverschleppung bei einer Aktino­ mykose an anderer Stelle des Körpers, z. B. bei einer Kno­ chenmarkentzündung des Kiefers, hervorgerufen wird. Diese Erregergruppe ist penicillinempfindlich. Die Abgrenzung der L. gegen andere entzündl. Lungen­ erkrankungen ist oft mit erhebl. Schwierigkeiten verbun­ den, aber wichtig, um gezielt therapeutisch vorgehen zu können. Die Behandlung sollte grundsätzlich durch einen Lungenfacharzt erfolgen. Lungen|ödem, ein Zustand, bei dem zunächst das Lungengewebe, schließlich auch die Lungenbläschen mit wäßriger, aus dem Blutserum stammender Flüssigkeit an­ gefüllt sind, wodurch der Sauerstoffaustausch in der Lunge behindert und schließlich aufgehoben wird. Das L. entsteht 1) bei akutem Versagen des linken Her­ zens (z. B. Herzinfarkt, krisenhafte, erhebl. Blutdruck­ steigerung, Herzklappenfehler); dies führt zu ungenügen­ dem Abfluß des Blutes aus der linken Herzkammer und dadurch zum Druckanstieg in den Lungenvenen und -ka­ pillaren (-»Blutkreislauf). Die Folge dieser Druckerhö­ hung ist ein Austritt von Flüssigkeit aus den Kapillaren in Lungengewebe und Lungenbläschen; 2) bei Steigerung der Kapillardurchlässigkeit durch Toxine (z. B. Schlaf­ mittelvergiftung, verschiedene Inhalationsgifte, Phos­ gen, E-605-Vergiftung und bestimmte Allergien) und rasch fortschreitend bei Nierenversagen; 3) seltener bei Schäden im Zentralnervensystem als Gehirndruckfolge (Gehirntumoren, Gehirntraumen). Die Erscheinungen bestehen in schnell zunehmender hochgradiger Atemnot, beschleunigter Atmung, rasseln­ den Atemgeräuschen, die auch ohne Hilfsmittel aus der Distanz wahrnehmbar sind (Distanzrasseln, Distanzrö­ cheln), sowie reichlich dünnflüssigem blutigschaumigem Auswurf. Ein L. tritt häufig auch bei Sterbenden in den letzten Stunden vor dem Tode auf. Behandlung; intensivmedizin. Maßnahmen mit Oberkörperhochlagerung, Injektion schnell wirksamer harntreibender Medikamente (Diuretika), rasch wirken­ der Herzmittel (Digitalis), Sauerstoffatmung und notfalls auch Aderlässen. Lungen|operationen, Chirurg. Eingriffe an den

Lung Lungen; L. sind erst seit der 1904 von F. -»Sauerbruch entwickelten Unterdruckkammer technisch möglich, heute aber durch die einfachere Überdruckbeatmung nach -»Intubation in größerem Umfang durchführbar. Nach Rückgang der Tuberkulose werden L. vorwiegend zur Entfernung bösartiger Geschwülste an Lunge oder Bronchien durchgeführt. Dabei kann die Entfernung ei­ nes Lungenlappens (Lobektomie oder eines ganzen Lun­ genflügels erforderlich sein (Pneumektomie). Letzterer Eingriff gelang erstmalig 1931 dem Chirurgen R. Nissen (* 1896,1 1981). Weitere Gründe für eine L. sind: 1) schwerere Brustkorb- oder Lungenverletzungen nach Unfällen, bes. wenn Fremdkörper aus Brustkorb oder Lunge entfernt werden müssen; 2) Lungengeschwülste verschiedener Art; 3) größere, die Lungenfunktion beeinträchtigende Zy­ sten im Lungengewebe, auch Teile einer einseitigen Wa­ benlunge, raumfordernde Prozesse, z.B. isolierte Rund­ herde unbekannter Ursache oder mit Aspergillommassen (-» Lungenmykosen) gefüllte Höhlen; 4) ausgedehnte Mißbildungen im Bronchialsystem, zu denen auch verschiedene Formen der Bronchiektasen ge­ hören; 5) funktionsbehindernde Verdickungen, Verklebun­ gen und Verschwartungen des Brustfell-Rippenfell­ raums, die mit einer Versteifung und Verschrumpfung ei­ ner Brustkorbseite einhergehen, z. B. als Folgen einer frü­ her durchgeführten Kollapstherapie (-► Lungenkollaps) bei Lungentuberkulose. Die früher häufig durchgeführte Chirurg. Behandlung wegen eines Lungenabszesses oder einschmelzender tu­ berkulöser Veränderungen des Lungengewebes ist seit der gezielten Anwendung von Antibiotika und der Chemo­ therapie der Lungentuberkulose zur Seltenheit geworden. In einzelnen Fällen kann auch ein Chirurg. Eingriff zwecks Entfernung einer dickwandigen Resthöhle (Kaverne) noch angezeigt sein, bes. dann, wenn therapieresistente Bakterien den Kranken weiter gefährden. Die früher häufig ausgeführte -»Thorakoplastik mit partieller oder totaler Entfernung verschiedener Rippen des Brustkorbs, ist eine heute seltener ausgeführte Opera­ tion. Das gleiche gilt für die früher bei der Lungentuber­ kulose wegen der Verklebung des Lungenfellraums durchgeführte Ablösung der Lunge von der inneren Brustwand, der -»Pneumolyse. Heute entfallen auch weitgehend die Maßnahmen, die früher im Zusammen­ hang mit der Kollapstherapie durchgeführt wurden, z. B. die Anlegung eines -»Oleothorax. Eine Kavernendrai­ nage, wie sie früher nach V. Monaldi (* 1899) vorgenom­ men wurde, ist ebenfalls nicht mehr gebräuchlich. Lungenparasiten, von Tier oder Pflanze stam­ mende Schmarotzer (Parasiten), die selbst oder deren Larven auf dem Atemweg oder durch Verschleppung auf dem Blut- oder Lymphweg die Lunge erreichen und dort zu Entzündungen (meist mit Granulombildung) führen. Beim Krankheitsbild einer Lungenparasitose kommt es auch zur Verstopfung von kleinen Gefäßen im Lungen­ kreislauf. Die wichtigsten L.-Krankheiten, die meist in Form ei­ ner Lungenentzündung auftreten, werden durch spezif. Erreger ausgelöst, z. B. durch Pneumocystis carinii, ein Protozoon. Der Erreger befällt Säuglinge, wenn diese durch langdauernde Erkrankung geschwächt sind, oder wenn durch Antibiotika, Immunsuppressiva oder andere chemotherapeut. Stoffe sich die Widerstandsfähigkeit vermindert hat. In außereurop. Ländern kann die Lunge bei der Amö­ benruhr miterkranken (Lungenabszeß). Bei der Bilhar­ ziose kommt es ebenfalls zum Lungenbefall. Auch bei Aufnahme von Eiern der Nematoden-, Trematoden- und Hydastidenwürmer werden die Lungen befallen. Die Krankheitszeichen, die sich schleichend entwickeln, bestehen in Husten, blutigem Auswurf, Atemnot und Fie­ berschüben. Im Röntgenbild lassen sich abgegrenzte Ver­ änderungen mit Verschattung und blasigen Aufhellungen erkennen. Serolog. Untersuchungen können die Dia­ gnose bestätigen. Eine sorgfältige Erhebung der Vor-

geschichte weist auf den möglichen Kontakt mit Tieren (Hund, Schaf, Reh) hin, die als Wirte der Parasiten und damit als Überträger in Frage kommen. Die im europ. Raum vorkommenden Wurmerkran­ kungen führen gelegentlich zu Lungeninfiltraten flüchti­ ger Art. Sie sind Ausdruck eines umschriebenen allerg. Vorgangs und sind mit Hilfe einer Blutbilduntersuchung (Vermehrung der eosinophilen Zellen) leicht zu diagnosti­ zieren und entsprechend zu behandeln. Lungenpest, -»Pest. Lungensarkojidose, Systemerkrankung mit hauptsächl. Beteiligung der Luftröhren- und Bronchiallymph­ knotengruppen und des Lungengewebes. Sie ist eine der wichtigsten, häufigeren Lungenkrankheiten (-»Sarko­ idose). Lungenschrumpfung, Lungeninduration, bin­ degewebige Wucherung mit Narbenbildung als Ausdruck einer nicht vollkommenen Heilung und Rückbildung ent­ zündl. Vorgänge in den Lungen, z. B. nach ausgedehnter Lungentuberkulose. Dabei wird das zerstörte Lungenge­ webe durch nicht funktionsfähiges Narbengewebe mit oft ausgedehnter Verschwartung und Kalkeinlagerung er­ setzt. Die Atmungsfähigkeit ist eingeschränkt, wenn die L. größere Abschnitte umfaßt, bes. wenn eine Verlage­ rung des Mediastinalraumes durch Zugwirkung vorliegt. Innerhalb der L. spielen sich auch Vorgänge der -»Lun­ genfibrose ab. Lungenspitzenkatarrh, ältere, heute nicht mehr übliche Bezeichnung für eine beginnende Lungentuber­ kulose; ihr lag die Annahme zugrunde, daß sich ein tuber­ kulöser Herd zunächst in der Lungenspitze bildet, um sich von dort aus auf andere Lungenabschnitte auszudehnen. Etwa 70% aller Erkrankungen an Lungentuberkulose ge­ hen tatsächlich vom Oberlappenbereich der Lunge aus. Die über der Lungenspitze hörbaren Atmungsgeräusche galten vor Einführung der Röntgendiagnostik als wichtig­ stes Früherkennungszeichen (Initialsymptom) einer tu­ berkulösen Lungenerkrankung. Lungenstauung, -► Stauungslunge. Lungentuberkulose, die häufigste Form der Er­ krankung an -»Tuberkulose, ausgelöst durch einen spe­ zif. Erreger, das Mycobacterium tuberculosis (-»Tuber­ kelbakterien). Krankheitsgeschehen. Die Tuberkelbakterien ge­ langen durch Tröpfchen- oder Staubinfektion mit der Atemluft durch die Luftwege in die Lunge. Dies geschieht meist bei engem persönl. Kontakt mit Ausscheidern (ge­ meinsames Schlafen und Arbeiten in schlechtbelüfteten Räumen, Aufenthalt in überfüllten Verkehrsmitteln u. a.). Besondere Übertragungsmöglichkeiten bietet eine Partnerbeziehung. Werden die Erreger von einer bisher nicht infizierten Person eingeatmet, kann es nach Ansiedlung in der Lunge, meist einige Wochen nach der Infektion, zur Bil­ dung einer entzündl. Reaktion in Form eines Erstherdes (Primärherd) mit gleichzeitiger Schwellung der regionä­ ren Lymphknoten im Lungenwurzelgebiet (Hilus) kom­ men. Dieser Vorgang, der sich zu etwa 70% im Lungen­ oberlappen-Spitzenbereich abspielt, wird als Primär­ komplex bezeichnet. Bei ungefähr 95% aller Erstinfektio­ nen an Tuberkulose sind die Lungen Sitz des Primär­ herdes. Bildung und Verlauf dieser entzündl. Erstreaktion voll­ ziehen sich bei der Mehrzahl der infizierten Menschen un­ bemerkt und zunächst ohne jegl. Krankheitszeichen. Es kommt jedoch bereits in diesem Stadium zu einer Umstel­ lung im Immunsystem, dieTuberkulinreaktion wird posi­ tiv, so daß bereits jetzt eine Tuberkulindiagnostik (-»Tu­ berkulin) stattfinden kann. Klinische Frühzeichen sind kurzfristige leichte Temperatursteigerungen bei allgemei­ nem Unwohlsein; bisweilen finden sich auch Hautreak­ tionen an den Unterschenkeln (-»Erythem) und leichte Gelenkbeschwerden. Der Primärkomplex, der eine initiale Entzündungsreakt ion auf die Ansiedlung der Keime darstellt, kann sich in einigen Wochen zurückbilden und sogar vollständig auflösen; es kann aber auch zu einem granulomatösen 487

Lung

Lungentuberkulose: 1 Gesunde Lunge mit Orientierungsskizze zum Vergleich mit den erkrankten Lungen (2 und 3); a rechte, b linke Lunge, c rechtes, t/linkes Schlüsselbein, ehintere,/vordere Rippen,g Herz,/1 Zwerchfell. 2Tuberkulose-Infiltrat abgeheilten< Herden können zeit­ lich unbegrenzt noch lebensfähige Tuberkelbakterien Zu­ rückbleiben, die unter ungünstigen Bedingungen und im Zusammenhang mit anderen die Körperabwehrmecha­ nismen schwächenden Krankheiten erneut zu einem akti­ ven tuberkulösen Krankheitsgeschehen führen können (Reaktivierung). Alle Personen, die eine positive Tuberkulinreaktion nach der tuberkulösen Erstinfektion aufweisen, sind in diesem Sinn mit dem Risiko einer späteren Neuerkran­ kung belastet; der Umfang dieses Risikos richtet sich nach dem Vorhandensein natürl. oder erworbener Abwehr­ mechanismen. Nur sehr selten und bes. bei starker Virulenz der Tuber­ kuloseerreger und ungünstiger Abwehrlage kann sich, z. B. als Folge der Verkäsung eines Primärherdes mit Ka­ vernenbildung (-► Kaverne) oder auch ausgehend von ver­ käsenden Lymphknoten, das tuberkulöse Krankheitsge­ schehen fortsetzen; die Verlaufsformen sind dann viel­ fältig. Beim Kleinkind und Kind treten die tuberkulösen Ver­ änderungen in den Lungenlymphknoten mehr in den Vor­ dergrund : Einmal eingeschmolzen, brechen sie leichter in die Bronchien ein und entfalten innerhalb des engen Bron­ chialraums ein bisweilen schweres Krankheitsbild. Das tuberkulöse Geschehen innerhalb des Lungenge­ webes selbst zeigt beim Kind wie beim Erwachsenen im all­ gemeinen die gleiche Verlaufsform: Die Aussaat der Bak­ terien erfolgt vom Primärherd aus über die Bronchien (bronchogen), auf dem Lymphweg (lymphogen) oder auf dem Blutweg (hämatogen) auf benachbarte Lungenab­ schnitte zunächst der einen Seite, dann aber auch auf Lymphknoten und die Lunge der anderen Seite, um schließlich auch andere Organe (Organtuberkulose) ein­ zubeziehen. Diese Vorgänge können durchaus bald nach oder un­ mittelbar im zeitl. Zusammenhang mit dem Primärkom­ plex auftreten, wenn es nicht nach einer Zeit der -» Latenz zu den obengenannten Streuungen kommt, die erst nach 488

Monaten oder Jahren als Fortsetzung der tuberkulösen Ersterkrankung sichtbar werden. Die Ansiedlung von Tuberkelbakterien außerhalb der Lungen wird als extrapulmonale Tuberkulose bezeichnet; diese kann u. a. Knochen, Gelenke, Nieren, Geschlechts­ organe und Lymphknoten des peripheren Lymphsystems einbeziehen. Beim Versagen der Abwehrkräfte (z. B. bei älteren Menschen, Zuckerkranken und Geschwulstkranken) kann es durch umfangreiche Streuung bes. virulenter Bakterienstämme, meist innerhalb der ersten 4 Monate nach dem Primärinfekt, selten später (im ungünstigsten Fall noch nach Jahren), zu einem generalisierten Verlauf des tuberkulösen Geschehens mit der Entwicklung einer -»Miliartuberkulose kommen. Im Zusammenhang mit dieser schweren Erkrankung wird bes. eine Beteiligung der weichen Hirnhäute (Meningitis tuberculosa, -*• Ge­ hirnhauttuberkulose) gefürchtet. Diese früher meist tödl. Entwicklungsform der L. kann heute bei rechtzeitiger An­ wendung der Chemotherapeutika geheilt werden. Als postprimäre L. oder Spät-L. wird jene Form der tu­ berkulösen Lungenerkrankung bezeichnet, die nach einer (meist unbekannt lange) zurückliegenden Erstinfektion auftritt. Bei den heute immer häufiger zu beobachtenden relativ späten vermeintl. >Erstinfektionen< (meist erst im Erwachsenenalter) kann man annehmen, daß es sich wahrscheinlich um postprimäre oder Spät-L. handelt. Die klin. Bilder und der Verlauf der genannten Formen der L. zeigen keine wesentl. Unterschiede. In den europ. Industrieländern erkranken heute häufiger ältere Perso­ nen als jüngere, Männer häufiger als Frauen. Die Auffas­ sungen über die Entstehung und Entwicklung der postprimären L. sind umstritten. Man nimmt an, daß das Krank­ heitsgeschehen seine Ursache in der Reaktivierung der al­ ten Initialherde hat, wenn der Abwehrmechanismus des Körpers geschwächt ist und bei Zunahme der Virulenz der tuberkulösen Erreger die Bildung eines frischen Infiltrats (Frühinfiltrat) mit begrenzter Entzündung entstehen kann. Eine zusätzl. Infektion mit dem gleichen Erreger (Superinfektion) kann dabei mitwirken. In den Entwicklungsländern, in denen das Infektions­ risiko noch groß ist, überwiegt offensichtlich bes. die von außen kommende Superinfektion als auslösender Faktor der Spät-L. In Ländern mit geringerem Infektionsrisiko wird die Erkrankung bei höheren Altersgruppen mehr als Folge einer inneren Reaktivierung älterer Herde ange­ sehen.

Lung Der Verlauf der postprimären L. ist vielgestaltig, sie kann sich schleichend, schubweise wie auch akut entwikkeln, sie kann auf Einzelherde begrenzt bleiben, zum Still­ stand kommen oder sich auf breite Lungenabschnitte bei­ der Seiten ausdehnen. Pathologisch-anatomisch ist zu unterscheiden: 1) die akute oder subakute, exsudative (Flüssigkeit ab­ sondernde), vorwiegend entzündl. L., die bei schneller Ausdehnung und, wenn nicht sofort therapeutisch einge­ griffen wird, zur Verkäsung, Höhlenbildung und zu einer käsigen Lungenentzündung führen kann. Diese wurde früher als Lungenschwindsucht bezeichnet; 2) die produktiv-fibrot. L., die mehr schleichend und chronisch verläuft; die entzündl. Vorgänge sind weniger ausgeprägt, der durch Granulombildung gekennzeich­ nete tuberkulöse Prozeß geht oft in Narben- und Schwar­ tenbildung über, nur selten ist diese Form von Verkäsung und Gewebszerfall begleitet; 3) die produktiv-zirrhot. L. Bei dieser überwiegt die Neigung zu starker Bindegewebs- und Schwartenbildung mit Schrumpfung, Verdichtung und Verkalkung des Lun­ gengewebes. Diese morphologisch verschiedenen Gewebsverände­ rungen können gleichzeitig als Mischformen auftreten. Weil eine präzise Trennung der organ. Veränderungen mit den zur Verfügung stehenden Untersuchungsmethoden (Röntgenverfahren) nicht möglich ist, wurde die Ein­ teilung der L. nach diesen Begriffen heute aufgegeben. Auch haben diese morpholog. Gesichtspunkte ihren prognost. Wert seit den Erfolgen der Chemotherapie verlo­ ren, da sie keine Aktivitätsbeurteilung mehr zulassen. Krankheitszeichen der L. und ihr Verlauf sind sehr un­ terschiedlich. Ein Drittel der Erkrankten wird meist zufäl­ lig (früher durch die Röntgenreihenuntersuchungen, die infolge der damit verbundenen erhebl. Strahlenbelastung jetzt nur noch selten durchgeführt werden) erfaßt. In etwa 50—70% der Fälle wird die Krankheit erst dann diagnosti­ ziert, wenn Beschwerden entstehen, wobei die uncharakterist. Krankheitszeichen (oft als harmloser Infekt der At­ mungsorgane gedeutet) die Krankheitserkennung stark verzögern können. Geht die Krankheit im Anfangssta­ dium mit trockenem Husten und Schwächegefühl einher, werden >grippeähnliche< Symptome vermutet. Schmer­ zen im Brustraum entstehen meistens erst dann, wenn es zur trockenen oder feuchten (wäßrigen) -» Rippenfellent­ zündung kommt; die erkrankte Lunge selbst vermittelt keine Schmerzempfindung, da sie keine schmerzleitenden Nervenfasern hat. Bekannt ist ein >maskierter Verlaufs wenn Erscheinungen des Magen-Darm-Kanals, z. B. Ver­ dauungsstörungen, Oberbauchschmerzen, Magen- oder Gallenblasenbeschwerden im Vordergrund stehen. Wenn gleichzeitig Fieber auftritt, wird dann eher an eine typhöse Infektionskrankheit als an eine L. gedacht. Oft entdeckt man bereits ausgedehnte Lungenbefunde bei Menschen, die sich anscheinend gesund fühlen und auch ihrer Arbeit nachgehen. Bei unklaren fieberhaften Erkrankungen sollte immer an eine L. gedacht werden. Dabei ist von besonderer Be­ deutung die Erhebung einer eingehenden Anamnese (Vor­ geschichte), da gerade bei der Tuberkulose die familiäre Belastung eine Rolle spielt; bei entsprechenden Hinweisen sind gezielte Ergänzungsuntersuchungen, bes. die Durch­ führung einer Röntgenuntersuchung der Brustorgane mit Aufnahme, vorzunehmen. Wichtig für die Deutung des Krankheitsverlaufs und die Einleitung der Therapie sind die Begriffe >Aktivität< oder >InaktivitätoffeneSäurelocker< (Gewürze) zu mei­ den sind. Magendurchleuchtung, -»Röntgenuntersuchung. Magenjerweiterung, Gastrektasie, eine über das normale Maß (-»Magenformen) hinausgehende Form­ veränderung des Magens und Dehnung der Magenmusku­ latur. Die unmittelbare Ursache der M. ist stets eine Er­ schlaffung der Magenmuskulatur. Die normalen Magen­ bewegungen hören auf, es kommt zum Tonusverlust (Atonie). Der Mageninhalt bleibt länger als normal im Magen liegen, dadurch treten krankhafte Gärungs- und Zersetzungsvorgänge auf. Auch die von der Magen­ schleimhaut in den Magen ausgeschiedene Flüssigkeit (Magensaft) wird nicht zeitgerecht weitertransportiert; so kommt es zu erheblichen zusätzl. Flüssigkeitsansamm­ lungen. Derartigeaton. Zustände (Magenatonie) sind fast ausschließlich Begleiterscheinungen anderer Grund­ krankheiten, z. B. bei zahlreichen Formen des längerdau­ ernden Kreislaufschocks, aber auch nach schweren, län­ gerdauernden Operationen. Eine akute M. wird (als reflektor. Vorgang) auch bei akuter Bauchspeicheldrüsen­ entzündung sowie im Koma bei der Zuckerkrankheit be­ obachtet. Auch bei sonst gut eingestellten Zuckerkranken kann es gelegentlich zu Entleerungsstörungen des Magens und in der Folge zu einer M. kommen. Das meist psycho­ gen bedingte vermehrte Luftschlucken (Aerophagie) ist keine M. im eigtl. Sinn. Sehr viel ausgeprägter als bei der Atonie kann die M. sein, wenn ein Hindernis am Magenausgang die Entlee­ rung erschwert oder schließlich unmöglich macht (z. B. narbige Verformung bei Zwölffingerdarmgeschwüren oder seltener bei Krebsgeschwülsten im Bereich des Ma­ genausgangs). Krankheitszeichen. Bei leichteren Formen besteht Druck- und Völlegefühl im Oberbauch. Eine längerdau­ ernde Atonie führt schließlich zu häufigem Erbrechen von Speisebrei und großer Mengen von Magensaft. Immer sollte auf Blutbeimengungen (schwärzl. Verfärbung des Erbrochenen) geachtet werden. Die Behandlung richtet sich nach Grundkrankheit, z. B. auf die Beseitigung des Hindernisses. Bei ausgepräg­ ter Atonie (nach Operationen oder nach Bauchspeichel­ drüsenentzündung) Ableiten des Magensaftes durch eine Magensonde, bis der Magen die normale Funktion wieder aufgenommen hat. Intensivbehandlung kann notwendig werden, z. B. bei M. nach Schock. Magenfistel, durch Gastrostomie operativ angelegte Verbindung des Magens nach außen, meist in Form einer Witzel-Fistel (nach F. O. Witzel, * 1856, 1 1915). Nur noch selten angewendetes Verfahren, um einen Patienten, der keine Nahrung über die Speiseröhre aufnehmen kann, ernähren zu können, z. B. im Endstadium eines Speise­ röhrenkrebses; heute wird die künstl. Ernährung durch -► Infusion bevorzugt. Magenformen, die verschiedenen Gestaltbilder des muskulären Magenschlauchs (häufigste Form wieBiLDa), deren unterschiedl. Ausprägung funktionelle, organische oder auch konstitutionsbedingte Ursachen haben können und im Röntgenbild meist leicht erkennbar sind. 1) Angelhakenmagen, i. d. R. die Form des mit Kon­ trastmittel gefüllten Magens beim stehenden schlanken Patienten (BiLDb). 2) Bei fettleibigen (adipösen) Menschen Stierhorn-

form, da der Magen durch Fettansammlung des Gekröses hochgedrängt ist (Bild c). 3) Bei diesem Konstitutionstyp findet sich auch der Kas­ kadenmagen, bei dem das obere Magendrittel eine nach vorn oder hinten zu gelegene Aussackung (Kaskade) auf­ weist (Bild d). Der Kaskadenmagen kann durch Verzöge­ rung des Speisentransports Beschwerden verursachen, die durch Lageänderung (Bauch-, Seiten- oder Rückenlage nach größeren Mahlzeiten) meist zu beheben sind. 4) Veränderung der M. durch äußere Einflüsse (Opera­ tion, Verletzungsfolgen), meist durch Adhäsionen (Ver­ wachsungen), Geschwüre oder Geschwülste hervorgeru­ fen. Dazu gehört der Sanduhrmagen mit sanduhrförmi­ ger Einschnürung meist in Magenmitte bei Narbenzug nach Geschwürs- oder Geschwulstbildung (Bild e); letz­ tere kann erhebliche Formveränderung zur Folge haben bis zu einer stark unregelmäßig begrenzten nur fingerdikken >MagenstraßeK. o.< mit Gefahr des Herzstillstands eintreten. Magenkatarrh, die -»Magenschleimhautentzün­ dung. Magenkrebs, von der Magenschleimhaut ausge­ hende, bösartige Geschwulst. Vor 60 Jahren stand der M. an der Spitze der krebsbedingten Todesfälle. Seither ist er aus nodi ungeklärter Ursache zunehmend seltener gewor­ den, so daß er in der Bundesrep. Dtl. (1982) mit einer Ster­ berate von 18000 Menschen pro Jahr an dritter, in den USA sogar an fünfter Stelle der Krebstodesfälle steht. Magenkrebs: Röntgenaufnahme des Magens nach Kontrastbrei­ füllung. links Normalbefund; rechts Magenkrebs mit handbrei­ tem, unregelmäßig begrenztem Füllungsdefekt (Pfeil), a Magen­ eingang, b Magenausgang

495

c

Magenformen

Mage

2

3

Männer erkranken häufiger als Frauen. Die Ursache des M. ist unbekannt, wahrscheinlich nicht einheitlich. Erwo­ gen werden Besonderheiten der Ernährung, in neuerer Zeit auch Umwelteinflüsse. (-*Krebsgeschwülste) Die ersten Erscheinungen pflegen gering und uncharak­ teristisch zu sein: Druck- und Völlegefühl, Appetitlosig­ keit, Widerwillen gegen Fleisch, Aufstoßen, Erbrechen, zunehmende Blässe und Abmagerung. Bei Verlegung des Mageneingangs oder -ausgangs versuchen Speiseröhre und Magen durch vermehrte schmerzhafte Zusammen­ ziehung den Inhalt durchzupressen. Gelingt dies nicht mehr in genügendem Maß, so sammelt sich Speisebrei vor der Magenenge (Isthmus) an und zersetzt sich. Im Erbro­ chenen können dann mehrere Tage alte Speisereste gefun­ den werden. Frisches rotes oder kaffeesatzähnl. Blut im Erbrochenen oder schwarzes Blut im Stuhl sind verdäch­ tige Hinweise. Bei mageren Kranken kann die Geschwulst durch die Bauchdecke hindurch tastbar sein. Wichtige Untersuchungen zur Erkennung des M. sind Magenaus­ heberung (-► Magensaftprüfung), -»Magenspiegelung, -»Röntgenuntersuchung und -»Sonographie. Behandlung durch Resektion des Magens und aller regionärer Lymphknoten oder -»Gastrektomie. Erfolgt die Operation im fortgeschrittenen Stadium, so sind die Heilungsaussichten gering, weil meist schon -»Metasta­ sen vorliegen. Es kommt daher darauf an, den M. im Sta­ dium des >Frühkarzinoms< zu entdecken. Die Geschwulst wächst anfangs langsam und kann 2-10 Jahre lang in der Schleimhaut verharren, ohne die Muskulatur zu infiltrie­ ren. Gelingt es, die Chirurg. Behandlung in diesem Sta­ dium vorzunehmen, so kann mit einer 5-Jahres-Überlebenszeit von 75-90% gerechnet werden. Allerdings be­ darf es großer Wachsamkeit, um den M. in diesem Sta­ dium zu erkennen, weil die darauf hinweisenden Sym­ ptome spärlich sind. Immerhin gelang es, durch die auch bei uncharakterist. Beschwerden zunehmend angewen­ dete Magenspiegelung in 5—15% aller vorgenommenen Untersuchungen durch gezielte Entnahme verdächtiger Schleimhautproben und ihre mikroskop. Untersuchung ein Karzinom zu entdecken. Ob es sich dabei allerdings noch um ein Frühkarzinom handelt, kann erst am teilent­ fernten (resezierten) Magen entschieden werden. Wichtig ist die -»Vorsorgeuntersuchung bes. gefährdeter Grup­ pen. So ist das Entartungsrisiko bei -»perniziöser Anämie um das 2- bis 21fache, beim operierten Magen< (Magen­ stumpf) um das lOfache und beim >Polypen tragenden Magen< um das 14fache erhöht. Die Annahme, daß sich beim chron. Magengeschwür in 1 —2% der Fälle oder häu­ figer ein M. entwickelt, wird neuerdings bezweifelt. Magenmittel, Stomachika, Arzneimittel, die auf die Magenverdauung und Magensaftabsonderung einen fördernden Einfluß ausüben. Die meisten sind Bittermit­ tel, die den Appetit anregen und die Magensaftabsonde­ rung steigern, wodurch eine verdauungsfördernde Wir­ kung ausgelöst wird. M. werden im allgemeinen eine halbe Stunde vor den Mahlzeiten eingenommen. Offizinelle M. sind die Bittere Tinktur (Tinctura amara) und die Aromatische Tinktur (Tinctura aroma­ tica). Verdauungsfördernd wirken auch bestimmte Ge­ würze, bes. Senf, Ingwer, Pfeffer, Muskatnuß, Zimt, Meerrettich und Salze, (-»appetitanregende Mittel) Magenpförtnerkrampf, Pylorolspasmus, Pylo­ russtenose, eine krampfhafte Zusammenziehung der

♦— Speisebrei

♦——Gallen- und Bauch­ speicheldrüsen­ absonderung

Magenresektion:

Muskulatur am Magenausgang bis zur -»Stenose mit weitgehender Behinderung der Magenentleerung. Man unterscheidet: 1) den M. der Kleinkinder, -» hypertrophi­ sche Pylorusstenose; 2) den M. der Erwachsenen als be­ sondere Form einer krampfhaften Magenausgangsveren­ gung, die sich bes. häufig bei dem immer wieder mit neuer Narbenbildung abheilenden Zwölffingerdarmgeschwür findet; sie ist im Ggs. zu der durch Krebsgeschwülste be­ 1 Schemat. Darstellung des Magen-Darm-Kanals (schraffierte Fläche ist Resektionsausmaß), 2 Tech­ nik Billroth I, 3 Technik Billroth II, 4 Technik Roux-Y; a Einmündungsöffnung von Gallen- und Bauchspeichel­ drüsengang (Papilla Vateri). Die Erhaltung des Zwölf­ fingerdarms ist wegen der für die Verdauung benötigten Säfte von Galle und Bauchspeicheldrüse erforderlich 496

dingten Entleerungsbehinderung des Magens gutartig, kann aber zu erhebl. -»Magenerweiterung führen. Magenresektion, Chirurg. Teilentfernung der unte­ ren 12/3 des Magens einschließlich des Übergangs zum Zwölffingerdarm; 1881 erstmals erfolgreich durchge­ führt von C.T. Billroth (* 1829, f 1894). Nach ihm sind 2 Techniken benannt. Danach wird der Magenrest mit dem Zwölffingerdarm (Billroth 1) oder dem obersten Teil des Dünndarms (Billroth II) vereinigt. Die Technik >Billroth 11 < wird heute mehr und mehr zugunsten der Y-förmi­ gen Dünndarmanastomosierung nach P. Roux (* 1780, 1 1854) aufgegeben. Eine M. wird bes. bei einem durch an­ dere Maßnahmen nicht zu beeinflussenden Magen- und Zwölffingerdarmgeschwür durchgeführt, um den Teil des Magens, der die Magensäure produziert, zu entfer­ nen. Beim Magenkrebs wird heute eher der ganze Magen (-»Gastrektomie) entfernt. Magenrollkur, früher häufig durchgeführte Behand­ lung bei Magenschleimhautentzündung. Unter der Vor­ stellung, die Magenschleimhaut von säurehaltigem Ma­ gensaft zu reinigen und zu beruhigen, mußte der Kranke morgens in nüchternem Zustand je 5 Minuten auf dem Rücken, der linken Seite, dem Bauch, und der rechten Seite liegen und vor jedem Lagewechsel (>Rollenübernatürl. KräftenBerufenböser Geister«, ferner Versuche, Krank­ heiten auf andere Lebewesen oder Gegenstände zu über­ tragen u. a. Diese Mittel sind nicht ungefährlich, weil hier­ auf vertrauende Kranke nicht selten notwendige medizin. Maßnahmen versäumen. Die -» Parapsychologie bemüht sich als wissenschaftl. Disziplin, magische Praktiken auf­ zuhellen. Magnesium, zu den Erdalkalimetallen gehörendes, zweiwertiges Leichtmetall. Seine Verbindungen sind in der Natur weit verbreitet in Mineralien und Pflanzen, z. B. im -»Chlorophyll. M.-Sulfat ist in vielen natürl. Bitter­ wässern enthalten. Der Mensch benötigt M. als Spurenelement; der tägl. Bedarf beträgt 200—350 mg. M.-Mangel führt zu Funk­ tionsstörungen der Nerven und Muskeln. In der Heil­ kunde findet M.-Sulfat als Abführmittel Verwendung. M.-Carbonat und M.-Oxid werden als -»Antazida zur Neutralisation von übermäßig abgesonderter Magensalz­ säure eingesetzt. Magnetfeldbehandlung, der therapeut. Einsatz von niederfrequenten elektromagnet. Feldern, denen der Körper ausgesetzt und deren Wirkung ggf. durch chirur­ gisch implantierte Überträger örtlich konzentriert wird; Anwendung z. B. im Bereich von Knochenbrüchen bei verzögerter Heilungstendenz, Pseudarthrosen oder son­ stigen Wundheilungsstörungen. Ferner wird über Heil­ erfolge bei weiteren Erkrankungen oder nicht ausgeheil­ ten Verletzungen des Stütz- und Bindegewebes sowie bei Neuralgien, Paresen und gynäkolog. Erkrankungen be­ richtet. Die M. befindet sich noch im Stadium der Erprobung. Die bisher festgestellten Heilwirkungen für die angegebe­ nen Indikationen, bes. bei verzögerter Knochenbruchhei­ lung, müssen durch weitere klin. Erhebungen bestätigt und abgesichert werden. Auch die Wirkungsweise ist nicht abschließend geklärt; einige experimentelle Unter­ suchungen sprechen für einen Einfluß durch Wärmewir­ kung. Die künstl. Erzeugung eines Magnetfelds zu therapeut. Zwecken darf nicht verwechselt werden mit dem angeb­ lich vom Körper selbst ausgehenden animalischen -» Ma­ gnetismus. Magnetfeld|diagnostik, die -► Kernspintomogra­ phie. Magnetismus, animalischer M., angeblich vom Organismus ausströmende, ihrem Wesen nach ungeklärte Kraft, die durch streichende Berührung mit der Hand (>magnet. Striche«) wirksam werden soll. Die Lehre vom tierischen M. geht auf F. A. Mesmer (* 1734, f 1815) zu­ rück, der hierauf eine Heilbehandlung gründete (-»Mes­ merismus). Diese Lehre hatte ihre Blütezeit in der Ausgangszeit des 18. und der ersten Hälfte des 19. Jh., war aber schon da­ mals umstritten. Als nachgewiesen wurde, daß der hypnot. Zustand der nach Mesmer behandelten Menschen auch durch monotone Reize herbeigeführt werden kann, wurden zunehmend Zweifel an der Lehre vom M. laut. Später galt sie zwar als überwunden, die Annahme eines >magnet. Fluidums« lebt jedoch noch heute in den Prakti­ ken mancher Heilbehandler weiter, auch in der vielfach 498

angeblich bestätigten Erfahrung, daß manche Menschen >heilende Hände« haben. Mit Hilfe der physiolog. Grund­ lagenforschung des 20. Jh. wurde festgestellt, daß leben­ des Gewebe Ströme und damit auch Magnetfelder er­ zeugt. Diese sind'äußerst schwach (ein 10—100 Millionstel des Erdmagnetfeldes), jedoch kann dieser «Biomagnetismus« aufschlußreiche Informationen über den Funk­ tionszustand von Organen liefern. Heilende Einflüsse werden nach der bisherigen wissenschaftl. Erfahrung in Abrede gestellt; allenfalls sind suggestive Wirkungen an­ zunehmen. Magnetpflaster, nach einem alten japan. (Taiki-) Verfahren hergestellte Heilpflaster, die eine permanente magnet. Stromstärke von 0,05 Tesla (früher 500 Gauß) in das Gewebe abgeben sollen und damit angeblich um­ schriebene Magnetfelder erzeugen; diese sollen die Durchblutung regulieren, die Muskulatur entkrampfen und dadurch schmerz- und spannungslösend wirken. Maiglöckchen, Convallaria majalis, zu den Li­ liengewächsen (Liliaceae) gehörende, bis 20 cm hohe Pflanze mit weißen Blüten und roten Beeren in gemäßig­ ten Klimazonen. Die getrockneten, zur Blütezeit gesam­ melten, oberird. Teile enthalten mehr als 20 verschiedene Glykoside mit digitalis- oder strophantinähnl. Herzwir­ kung. Wie bei allen herzwirksamen Drogen ist exakte, der Herzkrankheit angepaßte Dosierung unter Beachtung der -»Kumulation Voraussetzung des Heilerfolgs. Anwen­ dung: Heilpflanzen, Übersicht. Mais, Zea mays, bedeutende Getreideart, bes. in Mittel- und Südamerika (etwa 21% der Weltgetreide­ erzeugung), überwiegend für Futtermittel verwendet. Das Eiweiß im M. ist geringwertig und der Vitamingehalt nied­ rig, was jedoch nur bei einseitiger Kost zu Mangelernäh­ rung führt (-» Pellagra). Wegen seiner großen Härte ist M. im Haushalt nur schwer zu verarbeiten. Aus den im Han­ del befindlichen M.-Schroten und anderen M.-Nährmit­ teln ist der wertvolle Getreidekeim grundsätzlich entfernt worden. Unreife M.-Kolben von Zucker-M. (Zea mays convar. saccharata), gekocht, mit Butterzusatz oder ge­ braten, sind ein wohlschmeckendes Gemüse (Bild Ge­ treide). M. wird auch für gliadin-(kleber-)freie Backwa­ ren verwendet (-»Zöliakie). Make up [melk Ap, engl. «Aufmachung«] das, dekora­ tive Kosmetik des Gesichts. Seine Aufgabe ist es, die Ge­ sichtshaut zu pflegen, sie vor äußeren Einflüssen zu schüt­ zen und ihr Aussehen zu verbessern. Zum Make up gehö­ ren die Tagescreme als Unterlage, die Tönungscreme oder -flüssigkeit, die verschiedenen, meist gefärbten Kom­ pakt- oder Cremepuder, die verschiedenen Rougetypen, Augenbrauen-und Kajalstift, Wimperntusche, Lidschat­ ten, Eyeliner, Lippen- und Konturenstift. Während des Tages sollte das Make up dezent sein, weil es bei Tageslicht sonst leicht künstlich wirkt; das AbendMake up kann intensiver und auf die künstl. Beleuchtung abgestimmt sein. In jedem Fall sollte das Make up die per­ sönl. Note unterstreichen und mit der Kleidung harmonie­ ren. Mit Hilfe des Make up den Typ verändern zu wollen, führt i. d. R. zu einem ungünstigen Ergebnis. Ausführung. Auf die gut gereinigte Haut von Gesicht und Hals kommt zuerst eine Tagescreme oder Milchemul­ sion als Unterlage, darüber kann eine den Farbton der Haut ausgleichende oder abdeckende Tönungscreme ge­ geben werden. In Höhe des Jochbein-Schläfenwinkels wird etwas Fettrouge dreieckförmig verrieben. Die Au­ genbrauen lassen sich mit einem gut gespitzten Augen­ brauenstift betonen, indem man kleine Striche setzt in der Art, wie die einzelnen Härchen stehen. Hier keinen dicken Strich ziehen! Die Wimpern können mit Wimperntusche hervorgehoben und dabei leicht nach oben gebürstet wer­ den, jedoch darf die Tusche nicht schmieren. Je nach In­ tensität des Make up wird anschließend der Lidschatten in verschiedenen Schattierungen auf das Oberlid aufgetra­ gen sowie der Unter- und/oder Oberlidrand durch Fär­ bung mit dem Kajalstift oder Eyeliner betont. Zuletzt zieht man mit einem Konturenstift die Kontur der Lippen nach und füllt dann die Lippen mit einem zu Rouge, Na­ gellack und Kleiderfarbe passenden Lippenstift farbig aus. Mit einem Hauch Puder in nicht zu heller Farbe ist das

Mala Make up beendet. Vor der Nachtruhe sollte das Make up wieder sorgfältig von der Haut entfernt und eine Nacht­ creme aufgetragen werden. Makro|angiopathie, die Wanderkrankung der grö­ ßeren und großen arteriellen Blutgefäße an Arterioskle­ rose, bes. bei der Zuckerkrankheit. (-»Mikroangio­ pathie) Makrobiotik, die >Kunst, lange zu lebenMiasmen< oder schlechte Lüftet (ital. mala aria), bes. in Sumpfgebieten, als Ursache der M. 1880 entdeckte der frz. Militärarzt und Nobelpreisträ­ ger C. L. A. Laveran(* 1845,1 1922) die Plasmodien im 500

Blut von Erkrankten. 1898 beschrieb G. B. Grassi (* 1854,11925) die Rolle der Anophelesmücken als Über­ träger. Die Kenntnisse über die verschiedenen Plasmodienarten und ihren Entwicklungszyklus stammen aus diesem Jahrhundert. Malazie, krankhafte Erweichung von Gewebsteilen z. B. des Knochens (Osteomalazie, -»Knochenerwei­ chung) oder Knorpels (Chondromalazie). Die M. kann je nach Ort und Ausdehnung schwere Auswirkungen auf Organ- und Gliederfunktion haben. Maldigestion, Störung der Verdauung im Dünn­ darm. Häufigste Ursachen: 1) mangelhafte Produktion oder Sekretion von Verdauungsenzymen, z. B. Mangel an fettverdauender Lipase bei chron. Pankreatitis (-► Bauchspeicheldrüse); 2) Mangel an Gallensäuren bei bestimmten Erkrankungen der Gallengänge und der Le­ ber sowie bei verschiedenen Dünndarmerkrankungen. Krankheitszeichen sind Durchfälle, oft sehr voluminös, Fettstühle, oft schwer vom -► Malabsorptionssyndrom abzugrenzen. Die Behandlung richtet sich nach der Ursache (z. B. ausreichende Gabe von Verdauungsenzymen bei chron. Pankreatitis); situationsangepaßte Ernährung ist erfor­ derlich. maligne, -»bösartig. Malignom, bösartige Geschwulstbildung, wie z. B. das Karzinom. Malleoli, die -»Knöchel. Malle|us, die Tierkrankheit-»Rotz. Malmignatte [-p'ata], zu den Kugelspinnen gehö­ rende Giftspinne (-» Latrodectus). Maltafieber, -»Brucellosen. Malum [lat. malus >schlecht AbsetzenZerfall< der Persönlichkeit. Nach Abklingen einer Krankheitsphase sind die Patienten wieder so wie vor der Krankheit: ausgeglichen (synton) oder ernst-grüblerisch, auch heiter, lebhaft (hypoma­ nisch). Die ersten Erscheinungen treten meist erst im reiferen Lebensalter, manchmal erst- und einmalig zur Zeit der Le­ benswende, also um das 45.-55. Lebensjahr, auf. Viele Kranke zeigen Merkmale pykn. Körperbaus. Eine erbl. Veranlagung, über deren Erbgang nichts bekannt ist, scheint als Vorbedingung unerläßlich. Die Krankheit er­ scheint bevorzugt bei Menschen aus den sozial und kultu­ rell gehobenen Schichten. Die einzelnen Krankheitszu­ stände dauern durchschnittlich 4-6 Monate. Es gibt aber auch Melancholien, die mehrere Jahre dauern und trotz so langer Dauer völlig ausheilen. Die leichteren Formen der Depression können mit nervösen Erschöpfungszustän­ den und Neurosen verwechselt werden. Behandlung mit Neuroleptika, durch die eine Ver­ kürzung der Krankheitsphasen zu erreichen ist, aber keine endgültige Heilung. Klin. Einweisung ist bisweilen wegen der immer wieder drohenden Selbstmordgefahr nicht zu umgehen. Mann, der männl. Erwachsene. Die bestimmenden körperlich-seel. Merkmale des M. ergeben sich wie bei der Frau aus den sich z. T. wechselsei­ tig beeinflussenden, in ihrer Bedeutung unterschiedlich beurteilten Momenten von geschlechts- und individual-

spezif. Eigenart und von soziokulturell geprägten Rollen­ schemata, die von der Geschlechter-, Entwicklungs- und Sozialpsychologie, Sexualwissenschaft und Soziologie untersucht werden. Von der Frau unterscheidet sich der M. genetisch durch das geschlechtsdeterminierende Y-Chromosom. In der embryonalen und späteren Entwicklung führt dies zur Ausbildung der primären und sekundären Geschlechts­ merkmale. Wesentliche körperl. Merkmale sind der gegenüber der Frau im allgemeinen kräftigere Körper- und Knochen­ bau, stärkere Muskulatur und sekundäre Körperbehaa­ rung (Bart), größerer Kehlkopf und tiefere Stimme. Als geschlechtsspezifische psych. Merkmale wurden früher u. a. Rationalität, Willensbetontheit, höhere Gefühls­ konstanz und eine >polygame< Tendenz im geschlechtl. Verhalten angesehen. Heute geht man mehr von der prägenden Funktion gesellschaftlich-kultureller Rollen­ schemata aus. Soziale Stellung und Leitbilder des M. sind in den ver­ schiedenen Kulturen und Gesellschaften sehr unter­ schiedlich und waren erheblichen geschichtl. Wandlun­ gen ausgesetzt. Grundlegend war v. a. in der christlichabendländ. Gesellschaft lange Zeit die durch festgefügte Rollenverteilung verankerte Vorherrschaft des M. Be­ stimmende Leitbilder waren u. a. das Ideal des Ritters, des Höflings, des Gentleman, in neuerer Zeit des dynami­ schen, jugendlich-sportl. Erfolgsmenschen. Im Bürger­ tum kam ausschließlich dem M. die Rolle des Erwerbs, der öffentl. Wirksamkeit in Gesellschaft, Politik und Kultur und der leitenden Autorität und Beschützerfunktion in Ehe und Familie (Kindererziehung) sowie die größere oder alleinige Rechtsfähigkeit zu. Dieser Status wurde auf eine entsprechende, theologisch untermauerte Weltord­ nung und/oder naturgegebene Geschlechtsunterschiede zurückgeführt, unter denen neben der größeren phys. Kraft v. a. eine ausgeprägtere Fähigkeit zu Schöpfer, gei­ stigen Leistungen geltend gemacht wurde. In der Neuzeit, v. a. seit der industriellen Revolution, wurden die Privilegien des M. in Ausbildung, Beruf und öffentl. Leben (später im Rahmen des Feminismus schlag­ wortartig >Phallokratie< oder >Sexismus< genannt) unter dem Einfluß der Frauenbewegung zunehmend abgebaut und eine grundsätzl. Gleichberechtigung erstrebt. Die stärkere Berufstätigkeit der Frau, die auch Zugang zu >männl.< Berufsfeldern und höheren Positionen fand und in ihrem gesellschaftl. Status von der Bindung an einen M. in Ehe und Familie unabhängiger wurde, änderte z. T. auch das traditionelle Rollenbild des M. im Sinn einer Rol­ lenangleichung bei zunehmend gleichartigen Lebensan­ forderungen und der partnerschaftl. Aufgabenteilung bei deren gemeinsam verantworteter Bewältigung. Einseitige Vorteile bestehen für den M. immer noch im Berufsleben (Bezahlung, Karriere). Ausgeprägten Vorrang besitzt er noch in den roman. Ländern, meist noch stärker als in Entwicklungsländern. Manna die oder das, eingedickter süßer Saft aus der Rinde der zu den Ölbaumgewächsen (Oleaceae) gehören­ den Manna|esche (Fraxinus ornus), die im Mittelmeerge­ biet beheimatet ist. Durch Einschnitte in die Stamm- oder Astrinde läßt sich der Saft gewinnen, der an der Luft fester wird. Hauptbestandteil ist Mannit. M. ist ein mildes Ab­ führmittel für Kinder (Sirupus Mannae, teelöffelweise ge­ geben), überwiegend jedoch als Nährboden für Bakterien in der Bakteriologie und zur Herstellung von Kunstharzen u. a. in der Industrie verwendet. Anwendung: Heilpflan­ zen, ÜBERSICHT.

manuelle Medizin, international gebräuchl. Be­ zeichnung für den ärztl. Tätigkeitsbereich, der sich auf die Behandlung schmerzhafter Funktionsstörungen von Wirbelsäule und Gliedmaßengelenken bezieht und sich dabei in Diagnostik und Therapie u. a. spezieller Hand­ grifftechniken bedient. Der Begriff der m. M. deckt sich weitgehend mit dem der -»Chirotherapie. Die m. M. hat sich aus z. T. sehr al­ ten Vorformen der Volks- und Laienmedizin (Knochen­ flicker, Knochenbrecher, -»Chiropraktik, -»Osteo­ pathie) dadurch weiterentwickelt, daß Ärzte sich mit den

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Maoh

manuelle Medizin: Gezielte Handgrifftechnik zur Behandlung einer Blockie­ rung der 1. Rippe rechts; rechts gezielte Handgrifftechnik zur Behandlung einer Blockierung im Kopfgelenkbereich rechts links

offensichtl. Heilerfolgen dieser nichtärztl. Behandler be­ faßten. Mit Wissenschaft). Methoden wurden überlieferte Hypothesen korrigiert und neue Konzepte entworfen; da­ mit wurde die m. M. in fast allen europ. Ländern in die akadem. Ausbildung eingegliedert. Im Mittelpunkt der Lehre steht der Begriff der >Blockierung■ Monoaminooxi­ dasen. Marasmus, durch schwere Erkrankungen (bösartige Geschwülste, fortgeschrittene Tuberkulose, bösartige Blutkrankheiten u. a.) eingetretener Körperverfall mit schwerster Entkräftung. Im allgemeinen gleichbedeutend mit -»Kachexie. Marburger Bund, Verband der angestellten und be­ amteten Ärzte Deutschlands e. V., 1946 in Marburg ge­ gründet. Er vertritt die mit über 50000 angestellten und beamteten Ärzte inzwischen größte Ärztegruppe, sat­ zungsgemäß auch Medizinstudenten. Der M. B., dessen Repräsentanten in Führungspositionen der Gesamtärzte­ schaft in zunehmendem Maße die ärztl. Berufspolitik prä­ gen, hat für die angestellten und beamteten Ärzte wirt­ schaftlich und rechtlich die gleiche Bedeutung wie die Kas­ senärztliche Bundesvereinigung und die Kassenärztlichen Vereinigungen der Länder für niedergelassene Ärzte. Sitz des Bundesverbandes ist Köln. Marburg-Virus, erstmals 1967 in Marburg bei Men­ schen nach Kontakt mit Affen aus Uganda beobachtet. Das Virus gleicht dem Ebola-Virus, das 1976 im Sudan und in Zaire entdeckt wurde. Es ist ein ätherempfindl., längliches, zu den Rhabdo-Viren rechnendes RNÄ-Virus und läßt sich im Gewebe mit dem Elektronenmikroskop oder indirekter Immunfluoreszenz nachweisen. Das Vi­ rus kann auf Affen, Meerschweinchen, Mäuse und Gold­ hamster übertragen werden. Deutliche Zellschäden wie Zellzerstörung oder Riesenzellbildung treten nicht auf, jedoch Virusansammlungen (Einschlußkörper) im Zy­ toplasma. Übertragungen von Tier auf Mensch oder Mensch zu Mensch kommen durch direkten Kontakt mit Blut, Gewebe, Urin oder Atemwegssekreten zustande. Das Krankheitsbild der Marburg-Krankheit ist gekenn­ zeichnet durch hohes Fieber, nervi. Störungen, Hämor­ 504

rhagien (-»hämorrhagisches Fieber) und Durchfälle. Nach einer Inkubationszeit von 3—8 Tagen kommt es zu Kopf- und Muskelschmerzen, Fieber und Bindehautent­ zündung, nach weiteren 2—3 Tagen zu Übelkeit, Erbre­ chen und Durchfällen sowie zu Verminderungen der Leu­ kozyten und Blutplättchen, gefolgt von einem fleckenund knötchenförmigen Hautausschlag und Blutungen in die Schleimhäute und in Injektionsstellen. Bauchspei­ cheldrüse, Leber und Niere werden betroffen. Bei schwe­ rem Verlauf tritt der Tod ein durch Blutungen, Nierenver­ sagen oder Schock; die Sterblichkeitsrate liegt bei 25%. Die Diagnose läßt sich stellen durch Virus- oder Antikör­ per-Nachweis. Eine spezifische Behandlung ist nicht be­ kannt. Marfan-Syndrom [marf'ä-, n. dem frz. Arzt J. B. A. Marfan, * 1858, T1942], dominant erbl. Bindegewebs­ anomalie mit Übergröße, langen Extremitäten, Gelenk-, Augen- und Herzbeteiligung. Krankheitsbild. Hochwuchs, schlanke, leicht bre­ chende, fragile Röhrenknochen, >Spinnenfingrigkeit< (Arachnodaktylie), >Vogelgesicht< mit hohem Gaumen und Zahnstellungsanomalien, allgemeine Muskelschwä­ che. Sehfehler durch Linsenverlagerung (Ektopie), Lin­ senschlottern infolge Ziliarmuskelschwäche und Konver­ genzschwäche; oft Gefäßerweiterung (Aneurysma) durch Gefäßwandschwäche. Margarine, der Butter ähnl. Streichfett, das aus pflanzl. und z. T. auch aus tier. Fetten hergestellt wird. Das M.-Gesetz von 1897i.d.F.v. 1.7.1975 bestimmt, daß M. mindestens 80% Fett enthalten muß und der Anteil an Milchfett 1 % des Gewichts nicht übersteigen darf. Außer­ dem werden Format, Verpackung und Beschriftung vor­ geschrieben, um Verwechslungen mit Butter zu verhin­ dern. Um Verfälschungen von Butter mit M. zu vermei­ den, muß der M. außerdem ein gesetzlich vorgeschriebe­ ner kleiner Teil Stärke oder Sesamöl zugesetzt werden. Als Fettrohstoff dienen überwiegend Pflanzenöle so­ wie gehärtete, umgeesterte und fraktionierte Fette, bes. aus Soja-, Erdnuß-, Baumwollsamen-, Palmöl und Palm­ kernfett, Kokosfett und Sonnenblumenöl. Einige M.Sorten werden mit tier. Fetten (Waltran) hergestellt. Je nach den verwendeten Fetten und deren Anteil im Ge­ misch lassen sich bestimmte Eigenschaften der M. entwikkeln (z. B. Schmelzverhalten, Streichbarkeit, Gehalt an -►Linolsäure). Als wäßrigen Anteil benutzt man meist mit Reinkultu­ ren von Milchsäurebakterien gesäuerte Magermilch, da hiermit die Aromabildung unterstützt wird. Halbfett-M. enthält statt 80% nur 39—41% Fett. Der stark erhöhte Wasseranteil (etwa 60% statt 20%) wird mit pflanzl. Quellstoffen gebunden. Zur Herstellung von M. werden die geschmolzenen Fette und der wäßrige Anteil nach Zusatz eines Emulga­ tors emulgiert. Zur Geschmacksverbesserung und aus Gründen der Haltbarkeit werden Geschmacksstoffe, An­ tioxidantien, Farbstoffe, Vitamine u. a. zugesetzt. Fär­ bung, Art der Vitaminierung und Zugabe von Konservie­ rungsstoff müssen auf der Packung angegeben werden. Hinsichtlich der Frage nach der gesundheitl. Bedeu­ tung der M. (v. a. gegenüber der Butter) herrscht folgende Auffassung: Nach dem gegenwärtigen Stand des Wissens ist (laut Bundesgesundheitsamt) eine vermehrte Zufuhr einzelner Nahrungsbestandteile, z. B. von Linolsäure (aus linolsäurereicher M.), nicht allgemein zu empfehlen. Dies gilt auch dann, wenn bei überhöhter Zufuhr von Nah­ rungsenergie lediglich ein Austausch von gesättigten ge­ gen mehrfach ungesättigte Fettsäuren erfolgt. Wichtig ist in erster Linie eine Begrenzung des Gesamtfettverzehrs. Maridi-Fieber [n. dem Dorf Maridi im südl. Sudan], Ebola-Fieber [n. dem zentralafrikan. Fluß Ebola], zu den -»hämorrhagischen Fiebern gehörende trop. Viruskrankheit, die 1976 erstmals im südl. Sudan und nördl. Zaire auftrat. Die mit Fieber, Blutungen, Hautverände­ rungen und Organschäden einhergehende Krankheit hat eine Sterblichkeit von etwa 50%. Daneben scheint es leichtere und symptomlose Verläufe zu geben. Eine spezif. Behandlung existiert nicht; Rekonvaleszentenserum hat sich als günstig erwiesen.

Mask Mari|endistel, Frauendistel, Silybum marianum, zu den Korbblütern (Compositae) gehörende, bis

1,5 m hohe, dornige Pflanze in warmgemäßigten Klima­ zonen auf trockenen, sonnigen Böden. Die kleinen, etwa 7 mm großen Früchte enthalten in der Eiweißschicht unter derSchaleden LeberschutzstoffSilymarin; sie werden da­ her medizinisch in erster Linie innerlich bei Leberleiden verwendet. Anwendung: Heilpflanzen, Übersicht. Marihuana, das -► Haschisch. Marknagelung, von G. Küntscher (* 1900,1 1972) eingeführtes Verfahren der operativen Behandlung des -►Knochenbruchs, bei dem nach Aufbohren der Mark­ höhle über einen Führungsdraht ein nach dem Prinzip der elast. Verklemmung genau passender Stahlhohlnagel in den starren Knochen eingeschlagen wird. Durch diese in­ nere Schienung wird eine stabile und frühzeitig bela­ stungsfähige Versorgung des Knochenbruchs erreicht. Eine mögl. Gefahr durch bestehenbleibende Drehinstabi­ lität im Bruchspalt kann durch Verriegelung mit Schrau­ ben vermindert werden (Verriegelungsnagel). Angezeigt ist die M. bei Quer- und kurzen Schrägbrü­ chen im mittleren Drittel von Schienbein- und Oberschen­ kelknochen. Bei anderen Knochenbrüchen gibt es kon­ kurrierende Verfahren, hier muß die M. oft miteinerinne­ ren oder äußeren Fixation (Drahtumschlingung, Schrau­ ben, Gipsverband u. a.) kombiniert werden. Bei Armbrü­ chen wird primär keine M. durchgeführt, jedoch zur Kor­ rektur fehlerhaft verheilter Knochenbrüche oder bei Falschgelenkbildung. Bei der geschlossenen M. wird der Nagel am Oberschen­ kel vom großen Rollhügel aus oder am Unterschenkel vom vorderen Schienbeinkopf aus unter Röntgendurch­ leuchtung und nach Einrenkung des Knochenbruchs in die Markhöhle eingeschlagen. Bei der offenen M. wird nach operativer Freilegung des Bruchspalts der Nagel unter Sicht bei genauer Einstellung der Knochenfragmente eingeschlagen; häufig werden da­ bei zusätzlich stabilisierende Maßnahmen der Knochen­ bruchbehandlung angewendet. Marmelade, dickbreiiges, streichfähiges Fruchtmus, aus frischen oder konservierten Früchten, Obstpulpe oder Obstmark durch Einkochen mit Zucker hergestellt. Häu­ fig werden Zusätze von Obstpektin, Obstgeliersaft, Stär­ kesirup, Zitronen-, Wein- oder Milchsäure verwendet. Es werden Einfrucht-, Mehrfrucht- und gemischte M. unter­ schieden. Obstkonfitüren enthalten im Ggs. zu M. Fruchtstückchen oder ganze Früchte und bestehen nur aus einer Fruchtart. Zusätze von Konservierungsstoffen zur Oberflächenbehandlung und Farbstoffe müssen kenntlich gemacht sein. M. enthalten etwa 50-60% Zucker.

akute, von Hautausschlag beglei­ tete Infektionskrankheit (Bild Infektionskrankheiten), die wegen ihrer leichten Übertragbarkeit überwiegend im Kindesalter auftritt und lebenslängl. -»Immunität hinter­ läßt. Die M. sind weltweit verbreitet, der Durchseu­ chungsindex liegt sehr hoch. Der Erreger ist ein Virus, das zur Familie der Paramyxoviridae gehört; es wird sehr leicht durch Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch übertragen. Ansteckungsgefahr besteht i. d. R. vom vor­ letzten Tag der Inkubationszeit bis zum Beginn des Aus­ schlags. Tiere sind unter natürl. Bedingungen für das M.Virus nicht empfänglich. Die Krankheit beginnt 11 Tage nach erfolgter Anstekkung mit fieberhaftem Katarrh der Luftwege und der Bin­ dehaut. Dieses Vorstadium ist durch Lichtscheu, Schnup­ fen, krampfhaften Husten und die den M. eigentüml. -» Kopiikschen Flecke in der Wangenschleimhaut zu er­ kennen. Es dauert im allgemeinen 3 Tage, worauf unter Zunahme des Fiebers zunächst im Gesicht, dann am Hals, an der Brust und schließlich am ganzen Körper zahlreiche linsengroße, rundl. rote Flecke aufschießen, die an man­ chen Stellen zusammenfließen. Mit dem vollen Ausbruch des Ausschlags beginnt die Temperatur abzufallen, und die Flecke blassen in der Reihenfolge, wie sie aufgetreten sind, wieder ab. In gutartigen Fällen ist der Ausschlag schon am 8. Krankheitstag bis auf Reste verschwunden; manchmal schuppt die Haut kleienförmig. Masern, Morbilli,

Wenn die Bevölkerung, wie im europ. Raum, hochgra­ dig >durchmasert< ist, tritt die M.-Erkrankung relativ harmlos auf. Im Säuglingsalter sind herdförmige Lungen­ entzündungen gefürchtet, die antibiotisch behandelt wer­ den müssen. Gefährlich ist weiter die allerdings seltene M.-Meningoenzephalitis (Hirnhautentzündung). Da die Marmorknochenkrankheit, Albers-Schön- M. die allgemeine Abwehrlage des Patienten schädigen, bergsche Krankheit [n. dem Röntgenologen H. E. Al­ ist das Zusammentreffen mit anderen Infektionskrank­ bers-Schönberg, * 1865, 11921], Schwund der Mark­ heiten, bes. Diphtherie und Keuchhusten, gefürchtet; eine höhle des Knochens durch Ausfüllung mit abnormem fe­ schon bestehende Tuberkulose kann durch die M. ver­ stem Knochengewebe, begleitet von schwerer Blutarmut, schlimmert werden. Schwellung der Milz und Neigung zu Knochenbrüchen. Behandlung: Masernkranke Kinder müssen Bettruhe marode, ursprünglich >marschunfähignatürl. Konserve< Getreidekorn liche antibiot. Wirksamkeit besitzen (Bild Gemüse). An­ mit mehreren Hüllschichten wird durch das Vermahlen wendung: Heilpflanzen, Übersicht. zerstört, wodurch der gesamte Inhalt, bes. wegen des zer­ Meersalz, aus Meerwasser in Salzgärten oder Meer­ kleinerten, fetthaltigen Getreidekeims schnell verderben salinen durch Verdunsten unter Einfluß von Sonne und kann. Ziel des Mahlprozesses ist es deshalb, Keim und Wind oder andere techn. Verfahren gewonnenes, i. d. R. Randschichten des Korns wegen ihrer weniger guten durch fraktionierte Kristallisation gereinigtes Industrie­ Backfähigkeit und dunklen Färbung (als Kleie, etwa 20% oder Speisesalz. M. enthält viele Spurenelemente und be­ des Korngewichts) vom hellen Inneren (M.-Körper, etwa steht zu mindestens 79%, meist über 90% aus Natrium­ 80%) möglichst exakt abzutrennen und den M.-Körper chlorid; daher sollte es, wie auch -» Kochsalz, nur sparsam dann fein zu vermahlen. Die so erzeugten Auszugs-M. (niedrig ausgemahlenen M.) sind sehr lange lagerbar. Je zum Würzen von Speisen verwendet werden. weniger Kleie sich im M. befindet, desto heller ist es; zu­ Meerträubchen, Ephedra, zu den Fiederblättrigen Nacktsamern (Cycadophytina) gehörende, bis lm hohe gleich sinkt aber sein gesundheitl. Wert durch das Fehlen Rutensträucher in subtrop. und warmgemäßigten Klima­ der in der Kleie reichlich vorhandenen Vitamine, Mineral­ zonen. Die getrockneten, im Herbst gesammelten jungen stoffe einschließlich der Spurenelemente und Ballast­ Zweige enthalten bis zu 3,3% verschiedene Alkaloide, stoffe. Als Gegenmaßnahme zu dieser Entwertung des hauptsächlich -»Ephedrin. Anwendung: Heilpflanzen, Getreides wird in einigen Ländern — nicht jedoch in der Bundesrep. Dtl. — eine Vitaminierung des M. durchge­ Übersicht. führt. Meerwasserbehandlung, Thalassotherapie, Mehlnährschaden, eine chron. Ernährungsstörung die therapeut. Anwendung von Meerwasser. Das am mei­ sten verwendete Nordseewasser ähnelt im Salzgehalt der (-»Dystrophie) des Säuglings infolge einseitiger Ernäh­ Zusammensetzung des menschl. Blutserums. Es enthält rung mit Mehlen (Kohlenhydraten) bei mangelhafter Zu­ alle lebens- und funktionswichtigen Elemente, auch jene fuhr von Eiweiß (Milcheiweiß zusammen mit Milchfett) vorwiegend katalytisch wirkenden Metalle, von denen der und Vitaminen. Durch weitgehende Aufklärung der Be­ völkerung kommt dieser Ernährungsfehler heute in zivili­ Körper nur Spuren benötigt (Mangan, Zink, Kupfer). sierten Ländern nur noch selten vor, wohl aber in Ent­ Anwendung: Meerwasser in entsprechender Zuberei­ wicklungsländern. Die betroffenen Kinder lagern Wasser tung als Getränk hat sich in der Naturheilkunde zur zu- ins Gewebe ein, wodurch sie wie aufgeschwemmt wirken; sätzl. Behandlung von Magen- und Darmkrankheiten so­ ihre Haut ist blaß, die Widerstandskraft gegen Infekte wie von Leber- und Gallenblasenerkrankungen bewährt. deutlich herabgesetzt. Als besondere Variante des M. tritt Es wirkt normalisierend bei Salzsäuremangel oder -Über­ in Ländern der Dritten Welt bei großer Armut häufig schuß. Durch seinen Einfluß auf den Mineralhaushalt -» Kwaschiorkor auf. regt es den Stoffwechsel, die Funktionen der Drüsen und Mehrfachbehinderte, -»Behinderte. des Verdauungskanals an. Bei Kindern fördert Meerwas­ Mehrt ingrigkeit, die -* Polydaktylie. ser den Appetit; darüber hinaus wird es bei allgemeiner Körperschwäche und zur Erhaltung der Widerstands­ Mehrlinge, mehrere, im Verlauf einer Schwanger­ kraft bei Infektionen angewendet. Wegen des hohen Ge­ schaft gleichzeitig entwickelte Früchte. Nach der Wahr­ halts des Meerwassers an Bor und Magnesium wird aus scheinlichkeitsrechnung (Hellinsche Regel) entfällt auf 85 Schulmedizin. Sicht ein längerer Meerwassergenuß mit Geburten eine Zwillingsgeburt. Für Drillinge lautet dieses Skepsis beurteilt. Verhältnis 1:852 (1:7225), für Vierlinge 1:85’(1:614125) Äußerlich dient Meerwasser zur allgemeinen Kräfti­ und für Fünflinge 1:854 (1:5 2 200 625) Geburten. Noch gung (kalte und warme Seebäder), für feuchte Verbände größere Mehrlingszahlen sind Seltenheiten. Die Lebens­ bei großen Abszessen, Knochenmarkeiterungen und fähigkeit sinkt mit der Zahl der M. Über die Entstehung Beingeschwüren. Bei Kuren im Seeheilbad spielen außer von M. -»Zwillinge. dem Meerwasser noch weitere wichtige Komponenten wie Meibomsche Drüsen [n. dem Arzt H. Meibom, Umwelteinflüsse, Klimareize, Bewegungstherapie am *1638, 1 1700], in den Augenlidknorpeln eingelagerte Strand und im Wasser eine wesentl. Rolle. Talgdrüsen (-» Auge). Meerzwiebel, Urginea maritima, zu den Lilienge­ Meiose, Meiosis [grch. >VerminderungSchwarzgalligkeitTapirmaulHäutchenAufgeblähtseins< einhergeht; dabei kann das bolismus, der Summe der abbauenden Prozesse, an denen Zwerchfell hochgedrückt sein, der Arzt stellt -»Tympanie Anabolite oder Katabolite beteiligt sind. Endogene M. fest. M. tritt selten auch in der freien Bauchhöhle bei synthetisiert der Organismus selbst (z. B. Hormone), exo­ -»Pneumoperitoneum auf. Zu Folgezeichen -»Roemgene M. werden durch andere Organismen erzeugt und heldscher Symptomenkomplex. von außen aufgenommen, z. B. Vitamine. (-»Anabo­ Meteorobiologie, Biometeorologie, -► Biokli­ lismus) matologie. Metacarpus, Mittelhand, Teil der -» Hand. Meteoropathologie, wissenschaftl. Grenzfach zwi­ Metalldampf|fieber, Gießfieber, Vergiftungs­ schen Meteorologie und Medizin, Teilgebiet der Geo­ erscheinungen, die durch das Einatmen von Metalldämp­ medizin, erforscht den Einfluß des Wetters auf Gesunde fen verursacht werden, z. B. beim Messinggießen oder und Kranke, auf Entstehung und Verlauf von Krank­ Schweißen von Messing oder Zinkblechen (Zinkfieber). heiten. (-»Wetterkrankheiten) Hierbei kann es nach mehrstündiger Latenzzeit zu Müdig­ Meteorotropie, Wetterfühligkeit oder Witterungs­ keit, Schüttelfrost, Fieber bis zu 40 °C, Schweißausbruch, Gelenk- und Muskelschmerzen sowie Pulsbeschleuni­ abhängigkeit. Bei meteorotropen Krankheiten liegt eine gung kommen. Diese Form des M. wird als kennzeich­ besondere Wetterempfindlichkeit vor (-► Wetterkrank­ nende, aber harmlose arbeitsbedingte Erkrankung be­ heiten), sie sind zu unterscheiden von den -► Saisonkrank­ trachtet. Eine Behandlung ist nicht erforderlich. Vorbeu­ heiten. Met|hämoglobin, Hämiglobin, oxidierte Form des gung: arbeitshygien. Verbesserungen. Das Einatmen von Kadmium- oder Berylliumdämpfen, Hämoglobins (-» Blutfarbstoff). 519

Meth Methanolvergiftung, -» Methylalkoholvergiftung.

schwefelhaltige, essentielle Aminosäure, die für physiolog. Methylierungsvorgänge mit Einbau der CHj-Gruppe in Organ. Verbindungen wichtig ist. Methyl | alkoholvergiftung, Gesundheitsschädi­ gung, die durch Trinken von Methylalkohol (Methanol), Einatmen der Dämpfe oder Aufnahme über die unver­ letzte Haut hervorgerufen wird. Methylalkohol wird in der Technik u. a. als Lösungsmittel für Farben, Harze und Klebstoffe und zur Denaturierung von Äthylalkohol (Vergällungsmittel im Brennspiritus) benutzt. Seine Ver­ wendung in arzneilichen oder kosmet. Präparaten ist in der Bundesrep. Dtl. verboten. — Die M. beruht einmal auf der narkot. Wirkung von Methylalkohol selbst, die schwächer ist als die des Äthylalkohols, und zum anderen auf der Umwandlung von Methylalkohol in Formaldehyd und Ameisensäure, die zur Säuerung des Gewebes (Azi­ dose) und Schädigung des Sehnerven führen. Die akute M. beginnt mit einem Rauschzustand, der wie beim Ätha­ nolrausch in eine tödl. Atemlähmung übergehen kann (-»Alkoholgenuß). Die schweren Schädigungen machen sich erst nach 9—10 Stunden in vollem Umfang bemerk­ bar. Wird die akute Phase überlebt, so kann es nach Stun­ den bis Tagen zur Azidose und zu Sehstörungen bis zur Blindheit kommen. Letztere sind i. d. R. nicht rückbil­ dungsfähig. Die tödl. Dosis beträgt 30—100 ml. Erblin­ dung tritt schon nach wenigen ml auf. Die häufige Auf­ nahme kleiner Mengen Methylalkohols über die Atem­ wege kann zur -» Lösungsmittelvergiftung (Berufskrank­ heit) führen. Erste Hilfe: benetzte Haut und Schleimhäute mit viel Wasser spülen. Bei versehentl. Trinken sofort Erbrechen auslösen (nicht bei Bewußtlosen!). Sofort Arzt rufen, der in erster Linie die -»Azidose behandelt. Sofortige Kran­ kenhauseinweisung, v. a. wegen der Erblindungsgefahr. Metritis, die Entzündung der Gebärmutterwand (-♦Gebärmutterkrankheiten). Metrorrhagie, Blutung aus den weibl. Geschlechts­ organen, die im Ggs. zur -»Menorrhagie keine Regelmä­ ßigkeit und damit keinen Zusammenhang mit der -► Men­ struation erkennen läßt (azyklische Blutung). Sie tritt auf als Zwischenblutung zwischen 2 Menstruationen, als ein­ malige, kurzdauernde Blutung oder auch als Dauerblu­ tung in der Zeit der Geschlechtsreife, in den Wechseljah­ ren oder der Postmenopause. Stets muß zum Ausschluß eines Gebärmutterkrebses, dessen erstes Anzeichen M. sein kann, der Arzt aufgesucht werden. Dieser wird versu­ chen, durch eine genaue Untersuchung, die ggf. auch die mikroskop. Untersuchung des durch Ausschabung oder andere Entnahme gewonnenen Gewebes einschließt, die Ursache der M. zu finden (-»Kolposkopie). Die Blutung kann aus der Scheide (Verletzung, Entzün­ dung, geplatzte Krampfader) stammen, jedoch liegt die Blutungsquelle häufiger im Halsteil oder Körper der Ge­ bärmutter. In seltenen Fällen kann das Blut auch aus dem Eileiter herrühren. Folgende gutartige Erkrankungen können M. verursa­ chen: Erosion (Substanzverlust der Haut) und Ektopie (Ausstülpung) des Muttermunds, Polypenbildung der Schleimhaut des Halskanals und der Gebärmutterhaut, Muskelgeschwülste der Gebärmutter (-► Myom), Entzün­ dungen der Gebärmutterschleimhaut (-»Gebärmutter­ katarrh), Gewebsreste nach Fehlgeburten und -»Extra­ uterinschwangerschaften. Auch Störungen der Funktion der Eierstöcke, Allgemeinerkrankungen und seel. Er­ schütterungen können eine Blutung aus der Gebärmutter auslösen. Bes. in den Wechseljahren oder in der Postmenopause sollte sich eine Frau nie damit beruhigen, daß Blutungen in dieser Zeit unregelmäßig sein müßten oder daß die Re­ gel noch einmal wiedergekommen sei. Bei jeder Blutungs­ unregelmäßigkeit muß der Arzt aufgesucht werden. mg%, Abk. für-»Milligrammprozent. Miasma [grch. >Verunreinigung(Schmerz in einer) Kopfhälftedrainiertklein< und skopein >sehenKulturkammernt, die mit einer Nährlösung (z. B. physiolog. Kochsalzlösung) gefüllt oder durchströmt werden, unter­ sucht. Die Mehrzahl der mikroskop. Dauerpräparate für die medizinisch-biolog. Routineanwendung müssen mit bestimmten Farbstoffen angefärbt werden, damit sie im Mikroskop kontrastreich abgebildet werden. Die be­ kanntesten Färbungen sind die nach A. Pappenheim (* 1870,11916) für die Hämatologie, nach G. N. -»Papanicolaou für die Krebsdiagnostik und HämatoxylinEosin für die Histologie. Als das beste Beleuchtungsver­ fahren für alle gefärbten Präparate wird das Köhlersche Beleuchtungsverfahren angesehen, bei dem Leuchtfeld und Beleuchtungsapertur unabhängig voneinander ver­ ändert werden können. Ungefärbte Präparate, wie bei­ spielsweise Gefrierschnitte für die Schnelldiagnose, Zell­ ausstriche sowie lebende Zellen und Gewebe, können durch Eingriffe in den mikroskop. Strahlengang kon­ trastreich dargestellt werden (-► Phasenkontrast, ->■ Dun­ kelfeld, Interferenzkontrast, -» Differentialinterferenz­ kontrast, Reflexionskontrast). Wichtige Spezialverfah­ ren sind die Polarisations-M., mit der doppelbrechende Strukturen, wie z. B. Kristalle, dargestellt werden kön­ nen, sowie die Fluoreszenz-M. (-»Fluoreszenz), die ihre größte Bedeutung in der Immunologie als Immunfluoreszenz-M. erlangt hat. Moderne Mikroskope können heute zur Mikrophotographie, Mikrokinematographie, Mikro­ photometrie und -Stereometrie ausgebaut werden. Spe­ zielle Fernsehkameras und Bildwandler erweitern den An­ wendungsbereich bis zum UV- und Infrarotbereich. Die M. ist eine wichtige Methode der modernen Wissen­ schaft. Zytologie, Histologie, Pathologie, Zell- und Krebsforschung, Mineralogie, Metallphysik u. a. Spezial­ wissenschaften wären ohne Mikroskope undenkbar. In der medizin. Diagnostik spielt das Mikroskop eine ent­ scheidende Rolle. R. Koch begann bereits 1875 mit der Untersuchung des Milzbrands. Weltberühmt wurde er durch die Entdeckung des Tuberkulose-Erregers, wofür er 1905 den Nobelpreis erhielt. Zusammen mit P. Ehr­ lich hat er neue mikroskop. Färbemethoden entwickelt. Heute wird das Mikroskop in der ärztl. Praxis und im klin. Labor eingesetzt für die Blutbilddifferenzierung, die Krebsvorsorge sowie für die Schnelldiagnose in der gynäkolog. und urolog. Praxis. Erreger von Infektionskrank­ heiten, wie z. B. Malaria, Syphilis und Cholera, können nur mit dem Mikroskop erkannt werden. In der For­ schung hat das Lichtmikroskop einen wesentl. Beitrag zur Aufklärung der Struktur von Zellen und Geweben gelei­ stet. Bereits W. Flemming (* 1843, 1 1905) erkannte in Zellen das >Chromatin< und den Vorgang der Zellteilung. Die Licht-M. mit umgekehrten (inversen) Mikroskopen hat heute einen wesentl. Anteil an den bahnbrechenden Untersuchungen und Ergebnissen in der Zellforschung, Zell- und Entwicklungsbiologie und -► Gentechnologie. Mikrosomen, feinste Körnchen (Granula) im Zyto­ plasma der lebenden Zellen. Mikrosporie, Kleinsporenflechte, -»Hautpilz­ krankheiten. Mikrotom, ein Spezialgerät zur Herstellung regelmä­ ßig aufeinanderfolgender Schnitte von Geweben und Punktaten von einigen tausendstel Millimetern (pm) oder

Bruchteilen eines pm Dicke für die mikroskop. und elek­ tronenmikroskop. Untersuchung. In Paraffin eingebet­ tete Präparate werden entweder mit dem Schlitten-M. (Objekt wird auf einer Gleitbahn an dem feststehenden Messer vorbeigeführt) oder mit dem Rotations-M. (Ob­ jekt wird am feststehenden Messer durch Kurbeldrehung entlanggeführt) in Serienschnitte aufgearbeitet. Die Schnittbänder werden auf einem vorgesetzten Förder­ band langsam vom Messer fortbewegt. Bei allen Gefrier-M. wird das Messer gleichzeitig gekühlt. Die älteren Verfahren benutzen zur Kühlung Kohlensäureschnee, der durch eine Düse auf den Messerrücken gesprüht wird. Bei den Kry otomen oder Kry ostaten befindet sich das M. in ei­ ner Kältekammer. Gefrierschnitte sind für die Fermenthistochemie und zur Schnellschnittdiagnose am unfixier­ ten Material in der Pathologie unentbehrlich. Für die Be­ arbeitung ganzer Organe gibt es Spezial-M. Mit den Hochleistungs-M. lassen sich auch knochenhaltige, ver­ hornte, chitin- und kalkhaltige sowie verholzte Präparate mit Schnittdicken von 30—0,1 pm schneiden. Für noch dünnere Schnitte (Ultradünnschnitte bis 50 nm) für die Licht- und Elektronenmikroskopie muß das zu untersu­ chende Material in Kunststoff (Plexiglas oder Polyester) eingebettet werden. Die dafür eingesetzten Spezial-M. ar­ beiten mit Stahl-, Glas- oder Diamantmessern. Mikrowellenbehandlung, die therapeut. Bestrah­ lung mit sehr kurzen elektromagnet. Wellen, wobei elektr. Energie in Wärme umgesetzt wird. Über Technik Mikroskopie: und medizinische Indikationen -»Dezimeterwellen-Dia­ Lebende Zellen in einer thermie. Zellkulturkammer; Mikrowellengaren, Garverfahren, bei dem im Gar­ oben Phasenkontrast, raum, einem Metallbehälter, der hermetisch abgeschlos­ UNTEN Interferenzkontrast sen sein muß, von einem Mikrowellengenerator hochfre­ quente Strahlungsenergie erzeugt wird (meist etwa 2450 MHz). Die Mikrowellenenergie wird von vielen Materia­ lien, bes. allen wasserhaltigen, absorbiert und erzeugt da­ bei einen Temperaturanstieg. Dies kann zum Garen und Aufwärmen von Speisen genutzt werden, lm Vergleich zu anderen Gar- und Erhitzungsverfahren besitzt das M. Vorteile bezüglich verkürzter Gar- und Aufwärmzeit und eines geringeren Energieverbrauchs bei der Zubereitung kleiner Mengen. Daher wird es bes. bei der Verpflegung einzelner Personen (Imbißstand, Nachtschicht) verwen­ det. Nachteilp sind (selten) gesundheitl. Gefahren, die durch Leckstrahlung entstehen können. Im Ggs. zu ande­ ren Garverfahren können solche Mängel am Gerät vom Verbraucher im allgemeinen nicht wahrgenommen wer­ den. Sie werden erst festgestellt, wenn bereits Verbren­ nungen aufgetreten sind. (Bild S. 524) Mikrozephalie, abnorme Verkleinerung des Gehirn­ schädels bei meist normaler Größe des Gesichts, verur­ sacht durch Wachstumshemmung des Gehirns; dadurch fast immer -»Idiotie und andere Störungen, z. B. Sprach­ behinderung. M. kann durch äußere Einflüsse in der Schwangerschaft bewirkt sein und ist häufig mit anderen Fehlbildungen verbunden. Ein Teil der Fälle folgt ein­ fach-rezessivem Erbgang. Mikrozirkulation, Durchblutung im Bereich der Ka­ pillarendes menschl. Blutkreislaufs, lebensnotwendig für die Sauerstoffversorgung der Gewebe. Miktion, das Harnlassen. M.-Beschwerden, Be­ schwerden bei der Harnentleerung. Milben, Acarinae, achtbeinige, z. T. sehr kleine Spinnentiere. Manche, gewöhnlich an Pflanzen lebende M.-Arten sowie einige Haus-M. lösen bei empfindl. Per­ sonen, wenn sie mit der Haut in Berührung kommen, allerg. Erscheinungen aus. Hartnäckig juckende Haut­ krankheiten verursachen die Krätze-M. (-»Krätze). Milch, Absonderung der Brustdrüsen bei Mensch und Säugetieren. Sie ist als einziges Erzeugnis originär (dem Ursprung nach) von der Natur als Nahrungsmittel be­ stimmt. Die artspezif. M. entspricht in vollem Maß dem Ernährungsbedürfnis des Neugeborenen. M. ist eine Mikroskopie: oben Pappenheimfärbung; Blutausstrich. Zwei weiße Blutkörperchen (Leukozytenj neben zahlrei­ chen roten Blutkörperchen (Erythrozyten), unten Papanicolaoufärbung; Zellabstrich für die Krebsvorsorge 523

Mikroskopie

Mile weißlich-bläul. oder weißlich-gelbl., undurchsichtige, wäßrige Flüssigkeit. Sie stellt ein polydisperses (vielfach verteiltes) System mit komplizierter biochem. Zusam­ mensetzung dar, in dem Fett in emulgierter Form als fein­ ste Tröpfchen, Eiweiß überwiegend in kolloidaler Lö­ sung, d.h. als Schwebeteilchen, Zucker und Mineralsalze in echter Lösung enthalten sind. M.-Arten und Zusammensetzung. Für den menschl. Säugling ist die Mutter-M. von höchstem Wert (-»Frau­ enmilch). Dies gilt auch trotz ihrer mögl. allgemeinen Be­ lastung mit verschiedenen ehern. Stoffen, welche die Mut­ ter je nach Umweltbelastung aufgenommen hat. Wertvoll für den Menschen sind ferner Kuh-M. und Ziegen-M., auch Schaf-M. zur Käseherstellung. Lebensmittelrecht­ lich und im allgemeinen Sprachgebrauch wird unter M. ausschließlich Kuh-M. verstanden, M. anderer Tierarten muß entsprechend gekennzeichnet sein. Über vegetabile M .-Ersatzpräparate -* P flanzenmilch. 2 Wellenrührer

Wellenleiter

Glaskeramik-Bodenplatte

Mikrowellengaren: Mikrowellenherd (schematisch)

Die Zusammensetzung der einzelnen M.-Arten ist ver­ schieden. Sie richtet sich nach der Wachstumsgeschwin­ digkeit der jeweiligen Tierart. Je rascher das Junge wächst (sein Geburtsgewicht verdoppelt), um so höher ist der Ge­ halt der M. an Eiweiß und Mineralstoffen. Frauen-M. be­ sitzt die niedrigsten Eiweiß- und Mineralstoffgehalte; der menschl. Säugling wächst am langsamsten. Zusammensetzung von Milch (Durchschnittswerte in %)

Milchart

Frauenmilch Kuhmilch Ziegenmilch

Milch

Wasser Eiweiß

Milch­ zucker

Fett

Mineral­ stoffe

1,2-1,5 3,0-3,5 3,0-3,8

6,5-7,0 4,5-5,0 4,0-4,8

4,0 3,5—4,0 4,0-4,5

0,2 0,7 0,8

88 88 87

Bei längerem Stehen rahmt M. auf: Die Fettkügelchen (2,5-5 pm Durchmesser, 2—6 Mrd. je ml) sammeln sich an der Oberfläche als gelbl. Rahm, da Fett ein geringeres spezif. Gewicht hat als Wasser. Der Rahm kann abgeschöpft werden; in der Molkerei wird er teilweise oder vollständig abzentrifugiert und teils zu -*Butter verarbeitet. Dabei wird der Fettgehalt der M. normiert: Vollmilch: meist 3,5% (natürl. Fettgehalt über 3,5%), teilentrahmte (fettarme) M.: 1,5—1,8%, entrahmte M.: höchstens 0,3%. Das Fett ist wegen seiner feinen Verteilungin der M. im allgemeinen sehr gut bekömmlich. Da (teil-)entrahmter M. ein Großteil der fettlösl. Vitamine fehlt, ist sie für Kleinkinder nicht zu empfehlen.

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Verarbeitung. Da M. leicht verderblich ist, werden seit den Anfängen der M.-Gewinnung mit verschiedenen Verfahren besser haltbare -»Milchprodukte daraus her___________ '

Vollmilch I

___________

|süße Sahne = Rahm| | (teil-)entrahmte Milch |

Säuerung ] [ Säuerung ]

Milch

Sauerrahm­ butter

Buttermilch

Süßrahm­ butter

gestellt. Wichtig sind bes. die Säuerung, die starke Ver­ minderung des Wassergehalts nach Ausfällung des Eiwei­ ßes, d. h. M.-Gerinnung (Käse), meist in Verbindung mit dem gezielten Zusatz bestimmter Mikroorganismen (Sauermilchprodukte, Käse). Darüber hinaus dienen ver­ schiedene Erhitzungsverfahren, z. T. mit anschließender Kühllagerung, zur Haltbarmachung. Die Säuerung von M. zur Herstellung von Sauermilch­ erzeugnissen (Dick-M., Joghurt, Kefir, Bioghurt, Butter-M.) geschieht überwiegend durch M.-Säure, die aus dem M.-Zucker in der M. selbst erzeugt wird. Diese Um­ wandlung, wie auch die Bildung verschiedener Aroma­ stoffe, bewirken die M.-Säurebakterien, die in jeder ro­ hen M. von Natur aus enthalten sind. Zur gezielten und beschleunigten Säuerung können sie auch durch Impfung mit einer kleinen Menge Sauer-M., die reichlich M.-Säu­ rebakterien enthält, zugegeben werden. Die jeweils ver­ wendeten Bakterien, z. T. auch Hefen, sowie Dauer und Höhe der Erwärmung, bei der sich die Mikroorganismen rasch vermehren, sind spezifisch für die einzelnen Sauer­ milcherzeugnisse. Die Säuerung führt zum Ausflocken (Gerinnen) des Eiweißes. Dies kann jedoch auch durch Zugabe von Lab, einem eiweißspaltenden Enzym, be­ wirkt werden. Dabei wird -*■ Kasein (Käsestoff) aus seiner Vorstufe, dem Kaseinogen, in feine oder gröbere Flocken überführt und ausgefällt. Auch das Fett wird mit einbezo­ gen und findet sich in den Flocken des Kaseins. Die übrig­ bleibende grünl. Flüssigkeit heißt -»Molke. Sie wird bei der Quark- und Käseherstellung mehr oder weniger voll­ ständig abgetrennt, z.T. auch durch Pressung und Sal­ zung. Je nach Dauer der Pressung und Höhe des Preß­ drucks entstehen -» Käse mit verschiedenen Trockenmas­ segehalten und unterschiedl. Konsistenz. Auch bei der Käseherstellung bewirken Zusätze verschiedener Kultu­ ren von Bakterien, Schimmelpilzen u. a. die Reifung und Ausbildung der typ. Aromen. Die zugelassenen Schim­ melpilzkulturen sind nicht gesundheitsschädlich. Erhitzungsverfahren. Die Haltbarkeit hygienisch einwandfrei gewonnener Roh-M. beträgt bei Aufbewah­ rung unter 10 °C etwa 3 Tage, bei 20 °C etwa 20 Stunden. Um M. in der Molkerei auch nach mehreren Tagen Lage­ rung noch technisch verarbeitbar zu halten und bei der Abgabe als Trinkmilch Händlern und Verbrauchern eine gewisse Haltbarkeit garantieren zu können, muß die Zahl der Mikroorganismen in der M. durch Kühllagerung mög­ lichst niedrig gehalten und durch Erhitzung (-»Pasteuri­ sieren) stark vermindert werden. Auch etwaige Krank­ heitserreger in der M. sollen dabei abgetötet oder abge­ schwächt werden. Als Erhitzungsverfahren sind üblich: 1) Kurzzeiterhitzung: 40 sec, 71-74 °C; häufigstes und ver­ gleichsweise schonendstes Verfahren, die Haltbarkeit der M. wird um einige Tage verlängert; 2) Hocherhitzung: 8—16 sec, mindestens 85 °C; vorgeschrieben für Butte­ rungsrahm; 3) Ultrahocherhitzung: wenige Sekunden, 135-150 °C bei >H-MilchH-Milch< darf nicht als Frisch-M. bezeichnet werden und ist als Säuglings­ nahrung weniger geeignet; 4) Sterilisation: 20 Minuten, 120 °C bei Steril-M. und Kondens-M.; erhebl. Vitamin­ verluste und Eiweißschädigungen.

Milc Roh-M. (nicht erhitzt) darf vom Hersteller ohne beson­ dere Überwachung nur in beschränkter Menge direkt an Verbraucher abgegeben werden. Als Vorzugs-M. wird Roh-M. bezeichnet, die einer verstärkten hygien. Kon­ trolle unterliegt. Sie kann unbedenklich ohne vorherige Erhitzung genossen werden. Ohne Zweifel besitzt allein Vorzugs-M. ungeminderte Vitamingehalte und die höch­ sten Geschmackswerte. Bei der als Kinder-M. bezeichneten M. handelt es sich vorwiegend um Säuglings-M. (-»Säugling), die einer zusätzl. Verarbeitung durch >Adaption< (z. B. Säure- oder Zuckerzusatz, Bestrahlung) oder einer Pasteurisierung unterzogen wird. Nahrungswert. DaM. von Natur aus dazu bestimmt ist, das Neugeborene in der Zeit stärksten Wachstums eine Zeitlang fast ausschließlich zu ernähren, muß sie alle in dieser Zeit notwendigen Nährstoffe enthalten. M. und verschiedene Milchprodukte sind auch nach der Säug­ lingszeit außerordentlich wertvolle Nahrungsmittel; sie bieten den Vorteil einer großen Vielfalt an Geschmacks­ richtungen und Zubereitungsmöglichkeiten. Zudem ist M.-Eiweiß erheblich billiger als eine gleich große Menge Fleisch-Eiweiß. Bedeutsam bei der heutigen Ernährungssit uat ion ist in erster Linie der Gehalt der M. an hochwerti­ gem Eiweiß, Kalzium, Magnesium, Vitamin D, B; und B,,. Für Kinder und Jugendliche ist wegen des Gehalts an Kalzium und Vitamin B2 ein mittlerer tägl. Verzehr von etwa1 /2 Liter wünschenswert. In Speisen vermischtest M. zum Teil besser verträglich als in größeren Mengen ge­ trunken. Auch sollte man sich darüber klar sein, daß M. kein Getränk i. e. S., sondern ein flüssiges Nahrungsmittel ist. Sie ist daher zum Durstlöschen weniger geeignet. Auch für den Fieberkranken stellt sie eine zu hohe Belastung der Verdauung dar. Da M. ein starkes Sättigungsgefühl gibt, sollten Kinder, v. a. appetitschwache, ihre M. erst nach dem Essen trinken. In seltenen Fällen besteht eine angeborene oder im Lauf des Lebens sich entwickelnde Überempfindlichkeit gegen M., die sich gegen Bestandteile des M.-Eiweißes oder den M .-Zucker richtet. In weiten Teilen der Welt, in denen tra­ ditionell keine oder nur geringe M.-Wirtschaft besteht, tritt Unverträglichkeit von M.-Zucker gehäuft beim größ­ ten Teil der erwachsenen Bevölkerung auf. Sie ist in dem Mangel eines Verdauungsenzyms begründet. Rechtliches. Das Milchgesetz v. 31.7. 1930 (mit vie­ len Durchführungsverordnungen der Länder) regelt die Anforderungen, die an Gewinnung und Handel mit M. und Milcherzeugnissen hinsichtlich des Gesundheits- und Verbraucherschutzes zu stellen sind. Zur verkaufsferti­ gen Abgabe abgefüllte M. darf nur in fest verschlossenen Gefäßen und mit Angaben über Sorte, Einfüller und Ab­ fülldatum (auch Haltbarkeitsdatum) in Verkehr gebracht werden. Durch das Milch-und Fettgesetz i. d. F. v. 10. 12. 1952 wird der Weg vom Erzeuger bis zum Verbraucher ge­ regelt. Das Gesetz trifft auch Bestimmungen zur Förde­ rung der Qualität und ermöglicht Preisregelungen. Milchbrustgang, der -» Brustlymphgang. Milchdrüsen, die -*Brustdrüsen. Milchfieber, gelegentlich am 2.-3. Tag des Wochen­ betts beim Einschießen der Muttermilch auftretende, ge­ ring erhöhte Temperatur, der im allgemeinen keine Be­ deutung beizumessen ist. Das Fieber klingt bald wieder ab. Sollte in seltenen Fällen Schüttelfrost auftreten, Fie­ ber über 38,5 °C (rektal) bestehen oder die Temperatur­ erhöhung über mehrere Tage anhalten, ist ein Arzt zu Rate zu ziehen, da dann der Verdacht auf ein beginnendes -►Wochenbettfieber oder auf eine Brustdrüsenentzün­ dung (-► Brustdrüsen) besteht. Milchfluß, der unwillkürl. Abgang von Milch aus der weibl. Brust während der Stillzeit. M. kann bei reichl. Milchbildung und mangelhaftem Verschlußmechanis­ mus der Milchkanälchen in der Brustwarze auftreten. Behandlung: Für das Vorlegen und den häufigen Wechsel eines sauberen Brusttuchs und ein möglichst weitgehendes Trockenhalten von Brustwarze und War­ zenhof durch ausgiebiges Pudern ist zu sorgen. Besteht kein Bedarf mehr für eine Stilltätigkeit, so können bei M.

die beim -»Abstillen gebräuchl. Maßnahmen durchge­ führt werden. Vom M. ist die -* Galaktorrhö zu unterscheiden. Milchgebiß, das kindl. Gebiß bis zum Durchbruch des ersten bleibenden Zahnes. Mit 2‘/2 bis 3 Jahren hat das Kleinkind ein vollständiges M. mit 20 Zähnen, also je Kie­ fer 4 Schneidezähne, 2 Eckzähne und 4 Backenzähne, de­ ren normale Stellung den Kauakt gewährleistet (Bild Ge­ biß). Angewohnheiten wie das Fingerlutschen können die normale Entwicklung der Kiefer und die ordnungsge­ mäße Stellung v. a. der Schneidezähne verändern: Die Oberkieferfrontzähne werden durch den angesaugten Finger, meist Daumen, nach vorn und die Unterkiefer­ frontzähne nach hinten zur Zunge hin gedrückt. Diese Veränderung kann so stark sein, daß ein normaler Lip­ penschluß nicht mehr möglich ist, ja sogar die Unterlippe hinter der oberen Schneidezahnebene liegt. Es kann auch ein >offener Biß< entstehen, bei dem sich die Schneide­ zähne des Oberkiefers und des Unterkiefers nicht mehr berühren können und das Kind nicht mehr richtig abbei­ ßen kann. Fehlentwicklungen im M. führen i. d. R. auch zu unregelmäßiger Entwicklung des bleibenden (Erwachsenen-)Gebisses. Das M. soll durch entsprechende Nahrungskonsistenz regelmäßig und nachhaltig belastet werden. Nur die im­ mer wieder geübte Kaufunktion führt zu einem gesunden Kieferwachstum und zu einer guten Entwicklung des blei­ benden Gebisses. Schließlich sichert auch nur eine starke Kautätigkeit die erforderl. Nahrungsaufbereitung und damit eine gute Ernährung des Kindes. Das M. ist wie das bleibende Gebiß sorgfältig zu pflegen (-» Zahnpflege). Milchzähne dürfen nicht vorzeitig verlo­ ren gehen, weil sie Platzhalter für die bleibenden Zähne sind. Wird ein Milchzahn zu früh gezogen, bleibt das Kie­ ferwachstum im entsprechenden Abschnitt zurück, und der bleibende Zahn kann sich später wegen Platzmangels nicht ordnungsgemäß in die Zahnreihe einstellen. Gehen gleich mehrere Milchzähne zu früh verloren, gerät die Entwicklung des gesamten bleibenden Gebisses in Unord­ nung. Das M. erfordert daher die genaue Überwachung durch den Zahnarzt ab dem dritten Lebensjahr. Die Be­ handlung von Zahnfehlstellungen und fehlerhaften Kie­ ferentwicklungen ist Aufgabe des Kieferorthopäden. Milchküche, Einrichtung in Kinderkliniken zur Her­ stellung der z. T. sehr unterschiedlich zuzubereitenden Säuglingsnahrung (Trockenmilch, trinkfertige Milch). Durch industrielle Fertigung der Säuglingsnahrung konnte die Arbeit in den M. wesentlich erleichtert werden. Milchleiste, eine sich sowohl beim weibl. wie auch beim männl. Embryo in den ersten Wochen einer Schwan­ gerschaft von der Brust bis zur Leistengegend erstrekkende verdickte Leiste der oberen Hautschichten, aus der sich im Brustabschnitt beim Menschen beiderseits je ein Milchhügel entwickelt. Normalerweise bilden sich die Re­ ste dieser Leiste etwa im dritten Schwangerschaftsmonat zurück, geschieht dies unvollständig, verbleiben überzäh­ lige Brustdrüsenanlagen (Polymastie). Milchnährschaden, eine Form der chronischen Er­ nährungsstörungen (-»Dystrophie) des Säuglings, die heute kaum mehr vorkommt, früher aber durch Verfütterung von Kuhvollmilch ohne Kohlenhydratzusatz bei j ungen Säuglingen gelegentlich auftrat. Die Kinder neigen zu hartnäckiger Verstopfung, der faulig riechende Stuhl ist trocken und grau gefärbt (Kalkseifenstuhl). Behandlung: Zufuhr von Kohlenhydraten in Form von Malzsuppe oder einer speziellen Heilnahrung unter kinderärztl. Anleitung beseitigt diesen Zustand schnell. Milchprodukte, aus Milch hergestellte Erzeugnisse, v. a. -» Butter, -» Buttermilch, -» Käse, -» Kefir, -► Molke, -►Quark und -»Joghurt. Im Ggs. zum Trinkmilchkon­ sum hat der Verzehr von M. in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen. Vielfältige, verzehrfertige Zuberei­ tungen von M. in kleinen Portionen und zahlreichen Ge­ schmacksrichtungen ermöglichen bequeme Zwischen­ mahlzeiten und Desserts; sie enthalten vielfach größere Mengen an Zucker, Bindemittel und anderen Zusatzstof­ fen, z. B. Aromastoffe und Konservierungsmittel, wo­

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Mile durch das an sich sehr hochwertige Lebensmittel Milch an Wert verlieren kann. Milchpulver, die -»Trockenmilch. Milchpumpe, Vorrichtung zur künstl. Entleerung der weibl. Brustdrüsen während der Stillperiode. Sie kann als Handmodell oder in Form einer elektrischen M. angewen­ det werden. M. werden benötigt, wenn ein natürl. Saugen unmöglich ist, z. B. bei trinkschwachen Neugeborenen, bei Hohlwarzen, bei Brustwarzenentzündung, auch bei Brustdrüsenentzündung zur schonenden Entleerung der Brust. Sie werden auch zur Förderung der Brustdrüsentä­ tigkeit und zur vollständigen Entleerung der Brust zu Be­ ginn der Stillzeit verwendet. Bei der Benutzung ist auf äu­ ßerste Sauberkeit (regelmäßiges Auskochen der Glasteile vor Gebrauch) zu achten.

Milchpumpe: links elektrisch betriebenes fahrbares Stand­ modell. Festgelegter Saugrhyth­ mus, erforderliche Soghöhe ein­ stellbar. rechts Handmodell

der -»Chylus. -»Milch. Milchschorf, bei der -»exsudativen Diathese an der Haut auftretendes Krankheitszeichen. milchtreibende Mittel, Lakt|agoga, Mittel, wel­ che die Milchbildung in der Stillperiode steigern sollen. Ihr Wert ist zweifelhaft. Eine kräftige, gemischte Kost in ausreichender Menge mit genügend Vitaminen und etwa 1 Liter Vollmilch täglich ist zweckmäßig. Malzbier und verschiedene Heilpflanzen sollen milchfördernde Wir­ kung haben (Heilpflanzen, Übersicht). Zur Anregung und zum Inganghalten der Milchbildung ist die regelmä­ ßige völlige Entleerung der Brust, ggf. mit Hilfe einer Milchpumpe, empfehlenswert. Sie sollte jeweils zur glei­ chen Zeit mindestens 4mal am Tag durchgeführt werden. Eine zusätzl. Bindegewebsmassage kann sich bei ungenü­ gender Stilleistung positiv auswirken. Milchzucker, Laktose, Laktobiose, ausTraubenzucker und Galaktose bestehendes Disaccharid, ein Hauptbestandteil der Milch der Säugetiere (Kuhmilch etwa 5%). M. ist als Saccharum Lactis offizinell. Da er an der Luft nicht so leicht feucht wird wie Rohrzucker, dient er als Grundsubstanz (Konstituens) für wasseranziehende Pul­ vermischungen und zur Herstellung von Tabletten. Auch die homöopath. Verreibungen und Streukügelchen wer­ den mit M. hergestellt. In größeren Mengen (30-50 g) wirkt er harntreibend; bei Säuglingen wird er in kleinen Mengen als leichtes Abführmittel gegeben. Milchzyste, mit Milch gefüllte Höhlen in den Milch­ gängen der Brust der stillenden Frau. Ursache ist meist Milchsaft,

Milchsäure,

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eine Brustdrüsenentzündung. Durch Zersetzung der Milch in diesen Zysten können Käse- oder Seifenzysten entstehen. Miliaria, der-»Schweißfriesel. Miliartuberkulose [von lat. milium >Hirsekornnatürl.< Gleichheit des Menschen und seiner Veränder­ barkeit durch die Umgestaltung des M. verknüpft. Die Auseinandersetzungen um M. und Vererbung wa­ ren oft von ideolog. Vorentscheidungen geprägt. Auswir­ kungen fanden sie u. a. in der Kriminologie (Problem der Täterverantwortlichkeit) und Pädagogik (Frage der Bild­ barkeit des Menschen, des Einflusses von Begabungen). Nach einer stärkeren Betonung des M. in der neueren Zeit (z. T. unter neomarxist. Einfluß) brachte die Intelligenz­ forschung wieder Belege für die bestimmende Bedeutung der Anlage vor, die allerdings nicht unbestritten blieben. In der gegenwärtigen Aggressionsforschung sind beide Positionen ersichtlich, lm allgemeinen geht man in den Sozialwissenschaften heute mit im einzelnen unterschiedl. Gewichtung von der Bestimmtheit des Menschen durch genet. Momente wie auch durch die kulturelle und gesellschaftl. Prägung, v. a. in der Sozialisation, aus. Milium, der -» Hautgrieß. Milligrammprozent, Abk. mg°/o, Konzentrations­ maß, das angibt, wieviel mg einer Substanz in 100 g Le­ bendgewicht (manchmal auch in 100 ml) enthalten sind. Milz, das größte, in den Blutstrom eingeschaltete lymphoretikuläre Organ des -»retikulo-endothelialen Sy­ stems. Die M. liegt in der linken Seite des Oberbauchs, be­ deckt von der 9,—11. Rippe (Modell des Menschen nach S. 400); sie ist etwa 200 g schwer. Im embryonalen Leben bildet die M. rote Blutkörperchen, später nur noch weiße. Sie speichert die wertvollen Baustoffe, die durch den na­ türl. Zerfall der roten Blutkörperchen frei werden, bes. das Eisen. Bei Infektionskrankheiten ist die Bildung wei­ ßer Blutkörperchen stark gesteigert, wodurch die M. an­ schwillt. Die z. B. nach Unfall lebensnotwendige Entfer­ nung der M. hat i. d. R. keine schwerwiegenden Folgen. Milzschwellung (Splenomegalie), Vergrößerung der M., kann durch folgende Ursachen entstehen: 1) bei Herz­ schwäche. Zu den übrigen Stauungserscheinungen im Kreislauf gesellt sich auch eine Stauungs-M.; 2) bei Leber­ zirrhose. Durch Behinderung des Pfortaderkreislaufs kommt es zur Stauung in der M.; 3) bei Infektionskrank­ heiten, z. B. Sepsis, Typhus, Rückfallfieber, Malaria, Kala-Azar; 4) bei myeloischer und lymphat. Leukämie so­ wie (selten) bei Agranulozytose. Das Lymphgewebe wu­ chert dann geschwulstartig und überschwemmt das Blut mit großen Mengen von weißen Blutkörperchen (iflüssiger TumorSagomilzGliedertaxenOrgan-M.überwertigenKrankheitsgewinn< zu einem fiktiven Machterlebnis füh­ ren kann. Die Kompensation von M. -Gefühlen kann auch zu außergewöhnl. Leistungen führen. Minderwuchs, Körpergröße unterhalb der altersge­ mäßen Maße (-»Zwergwuchs). Mineral, Mz. Minerale, Mineralien, übergeordne­ ter Begriff für die chemisch und physikalisch einheitl., natürl. Bestandteile der Erdkruste; sie sind fast ausschließ­ lich feste und kristallisierte anorganisch-chem. Verbin­ dungen. In nicht kristalliner Beschaffenheit (amorph) fin­ den sie sich als wasserhaltige Mineralgele und ihre Ab­ kömmlinge, flüssig sindz. B. Quecksilber und Wasser. M. mit gleicher ehern. Zusammensetzung und gleicher Kri­ stallstruktur bilden eine Mineralart. Viele M. sind wichtige Bestandteile des menschl. Kör­ pers, z. T. müssen sie ständig durch die Nahrungsauf­ nahme ergänzt werden (essentielle, d. h. lebens- und zu­ fuhrnotwendige M.), was innerhalb des Mineralstoff­ wechsels geschieht. Innerhalb dieses Stoffwechselvor­ gangs erfolgen Aufnahme, Ein- und Umbau und später Ausscheidung der anorgan. Nahrungsbestandteile, von denen viele eine lebensnotwendige Funktion haben (z. B. Eisen im Hämoglobin der Blutkörperchen). Mineral |öle, Kohlenwasserstoffgemische, z. B. Schmier-, Zylinder- und Bohröle, soweit sie bei 30°C und mehr sieden. Sie können, wenn ungereinigt, krebsbil­ dende Substanzen enthalten und bei langzeitiger Einwir­ kung auf die Haut zu Hautkrebs oder zur Krebsbildung neigenden Hautveränderungen führen, die u. U. eine Be­ rufskrankheit sind. Sie wirken darin biologisch ähnlich wie -»Ruß, Rohparaffin, Steinkohlenteer, Anthrazen und Pech. (-» Hautkrankheiten, -»Ölakne) Mineralsalze, anorgan. Salze, die als Minerale, aber auch als anorgan. Bestandteile der Lebewesen vorkommen. Die löslichen, größtenteils in Ionen gespaltenen M. spielen eine wichtige Rolle bei allen Lebensvorgängen. Sie bestimmen die Konstanz des osmot. Drucks und sind be­ deutsam für den Wasserhaushalt, das Säure-BasenGleichgewicht, auch im Bau-und Betriebsstoffwechsel als Aktivatoren und Wirkgruppen von Enzymen. Die M. werden v. a. durch die Elemente Kalium, Natrium, Kal­ zium, Magnesium, Chlor, Brom, Jod, Schwefel, Phos­ phor, Stickstoff, Eisen, Mangan, Kupfer, Zink und Sili­ cium gebildet. Beim Menschen und bei Tieren werden M. durch Niere und Dickdarm ausgeschieden und durch die Nahrung oder durch Osmoregulation (-»Osmose) wieder ergänzt. Der größte Teil der M. macht jedoch nur einen inneren Kreislauf beim Ab- und Aufbau von Körpersubstanz und Zellen (Mineralstoffwechsel) durch. M. sind erforderlich u. a. für die Erregbarkeit von Muskeln, peripheren Ner­ ven und des Zentralnervensystems. Nutztiere benötigen die ständige Zufuhr von Mineralstoffen und Spurenele­ menten, in Gegenden mit Mineralstoffmangel auch die Wildtiere. Bei Mangel sinken Fruchtbarkeit und Leistun­ gen, körperl. Schäden treten auf. Mineralstoffe, Bezeichnung für die beim Veraschen von Körpersubstanzzurückbleibenden mineral. Bestand­ teile des pflanzl. und tier. Organismus. M. mit Spurenele­ ment-Charakter, die v. a. katalyt. Funktionen erfüllen (z. B. Fluor, Brom, Jod, Eisen, Kupfer), überwiegen die als Bau-und bes. Skelettstoffe vorkommenden (z. B. Kal-

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Mine zium, Natrium, Kalium, Phosphor, Schwefel, Magne­ sium, Chlor). Durch zusätzliche Maßnahmen der Land­ wirtschaft (Mineralfutter, Düngung) oder durch Diät­ maßnahmen im Rahmen einer zusätzlichen Ernährungs­ behandlung können Mängel im Mineralhaushalt ausge­ glichen werden. Mineralwasser, zum Trinkgebrauch geeignetes mi­ neralhaltiges Wasser aus natürl. oder künstlich erschlos­ senen Quellen, das mindestens 1000 mg/1 gelöste feste Be­ standteile enthält und häufig einen höheren Gehalt an freiem Kohlendioxid (>KohlensäureVerkleinerungErbarme dich!FadenBindezerhackteAbklatschgeschwüre< entstehen an den Stellen der ist anomal und hat auch meist einen ungünstigen Einfluß Wangen, die dem Zahnfleisch gegenüberliegen, auch an auf die Gestaltung des Nasengerüstes und die Sprache. der Zunge. Der größere vordere Teil, der harte Gaumen, ist mit einer Ein Patient mit M. sollte sich in zahnärztl. Behandlung festen Schleimhaut bedeckt, die im Abschnitt unmittelbar begeben. Bis dahin sind Spülungen mit Kamille oder ver­ hinter den Schneidezähnen mehrere derbe Querfalten dünnten Wasserstoffsuperoxidlösungen und Ernährung zeigt und in ihren mehr hinteren seitl. Teilen mit Fettge­ mit konzentrierter Flüssigkost hilfreich. Die weiteren the- webe unterpolstert ist. Etwa in der Verbindungslinie der rapeut. Maßnahmen richten sich nach der Ursache. letzten Backenzähne endet die knöcherne Unterlage, und Die unkomplizierte, nicht mit Geschwürbildung ein­ es schließt sich der weiche, bewegl. Gaumen an, der nach hergehende Stomatitis ist von der M. abzugrenzen. Zu ihr hinten zu den Gaumenbögen und dem Zäpfchen (Uvula) gehört die Stomatitis apthosa (-»Apthen). Eine beim führt. Der weiche Gaumen ist für den Schluckakt und Menschen seltene Krankheit ist die Stomatitis epidemica, auch für die Sprache wichtig. Er schließt beim Schluckakt ausgelöst durch die zur Maul- und Klauenseuche der Wie­ den Nasenrachen gegen den Mundrachen lüft- und was­ derkäuer und Schweine führenden Gruppe der Picona- serdicht ab und verhütet somit das >Verschlucken< in Nase viren. Die Seuche ist durch die in den meisten europ. Län­ und Nasenrachen. Weiterhin steuert der weiche Gaumen dern durchgeführte Schutzimpfung der Tiere selten ge­ den Atemstrom wahlweise durch Mund oder Nase: Auch worden. Bei der Stomatitis epidemica erscheinen neben bei geöffnetem Mund kann man bei entsprechender Gau­ schmerzhaften linsengroßen Blasen an der Mundschleim­ meneinstellung ausschließlich durch die Nase ein- und haut auch solche an Fingern, Zehen, der Augenbindehaut ausatmen. Zwischen den Gaumenzungenbögen und dem Gaumenschlundbogen sind beiderseits die Gaumenman­ und den äußeren Geschlechtsorganen. Mundflora, die in der Mundhöhle vorkommenden deln eingebettet. (Bild Mandeln) Mikroorganismen (Bakterien). Die verschiedenen Bakte­ rienstämme leben in der gesunden Mundhöhle in symbiot. Ordnung, wobei die Zusammensetzung in den einzelnen Regionen verschieden sein kann. Bei Erkrankungen der Mundhöhle (Zahnfleischentzündung, faule Zähne, Man­ delentzündung) verschiebt sich das Verhältnis zugunsten der krankheitserregenden Bakterienstämme. Die Zusam­ mensetzung der M. kann auch durch Medikamente, v. a. Antibiotika, verändert werden. Mundgeruch, Foetorex ore, Halitosis, Folge von Fäulnisvorgängen bei Erkrankungen der Mundhöhle oder des Rachens. Häufigste Ursache ist die fortgeschrit­ tene Karies der Zähne mit der Bildung von Hohlräumen, in denen Bakterien zurückgebliebene Speisereste zerset­ zen. Auch starke Zahnbeläge, bedingt durch mangelnde Mundhöhle: links untere Fläche der Zunge und Boden der M. bei Zahnpflege, sowie Zahnfleischbluten, die (eitrige) Ent­ erhobener Zungenspitze, an der linken Seite der Zunge ist die Zun­ zündung der Rachenmandeln und bestimmte Magen­ genschleimhaut entfernt, a Zungenspitzendrüse, b Zungenbänd­ chen, c Unterzungendrüse, d Speichelwärzchen mit den einmün­ erkrankungen führen zu M. denden Ausführungsgängen der Unterzungen- und Unterkiefer­ Die Behandlung besteht in sorgfältiger Zahnpflege, drüse, e Ausführungsgang der Unterkiefer- und Unterzungen­ v. a. vor dem Schlafengehen, und der Sanierung schad­ drüse. rechts Mundboden nach Abtragung der Zunge, der Weishafter Zähne. Bei einer Mandelentzündung ist der Fach­ heitszahn fehlt auf beiden Seiten. f Kehldeckel, g hinterster Teil der arzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, bei vermuteter Zunge mit Zungenmandel, h Schnitt durch das Verbindungsstück Magenbeteiligung oder Magenbeschwerden der Arzt für zwischen aufsteigendem und waagerechtem Ast des Unterkiefers, i großes Horn des Zungenbeins, k Unterkieferdrüse, m Zungen­ Allgemeinmedizin oder der Internist aufzusuchen. nerv, n Teil des XII. Hirnnervs, o Unterzungendrüse, p Ausfüh­ Mundhöhle, Körperöffnung für die Atmung und rungsgang der Unterzungendrüse, r Speichelwärzchen (linke Abb. Nahrungsaufnahme. Zusammen mit dem Gebiß und der nach Rauber-Kopsch, Lehrbuch der Anatomie; rechte Abb. nach Schultze und Lubosch, Atlas und kurzgefaßtes Lehrbuch der topo­ Zunge ist die M. nicht nur der äußerst wichtige Anfangs­ graphischen und angewandten Anatomie) teil des Verdauungswegs, sondern hat auch einen bestim­ menden Einfluß auf den Gesichtsausdruck und die Bei Erkrankungen ist die M. ein sehr wichtiges Beob­ menschl. Sprache. Die Lippen mit ihrer kräftigen Musku­ achtungsgebiet. Viele Krankheiten lassen erste Anzeichen latur begrenzen nach außen den Mundvorhof. Die in der M. erkennen (-»belegte Zunge, -»Mandeln). Schleimhaut der Lippen und Wangen zieht über eine Um­ Mündigkeit, 1) die -»Volljährigkeit. 2) die Fähigkeit schlagsfalte zu den Kiefern und den Alveoiarfortsätzen, den zahntragenden Teilen der Kiefer. In der Umschlags­ zur verantwort!. Selbstbestimmung des Daseins, unter faltengegend ist die Schleimhaut noch locker und zart, medizin. Aspekt v. a. im Sinn einer gesunden Lebensfüh­ während sie im Zahnfleischabschnitt derb und fest mit der rung aus der Verantwortung für den eigenen Körper. Er­ Knochenhaut des Alveolarknochens verwachsen ist. Ge­ nährungsfehler, Mißbrauch von Genußmitteln, Mißach­ gen die Zahnkronen ist das Zahnfleisch girlanden- oder tung grundlegender Gesundheitsregeln, Überbeanspru­ arkadenförmig begrenzt, in die Zahnzwischenräume ragt chung des Körpers durch Unausgewogenheit von Arbeit jeweils eine Spitze oder ein Zipfel des Zahnfleisches, die und Erholung u. a. werden in diesem Sinn als Zeichen von Interdentalpapille. Auf der Innenseite der rückwärtigen Unmündigkeit verstanden; dies gilt für den Kranken, oberen M. in Höhe des dritten Backenzahns (erste Mo­ wenn er die zu seiner Heilung notwendigen Maßnahmen lare) sieht man eine stecknadelkopfgroße Erhebung, das und die Anpassung seiner Lebensweise an seinen Zustand Ende des Ausführungsgangs der Ohrspeicheldrüse (Par­ unterläßt. (-»Compliance, -»Patientenrolle) Mundpflege wird beim gesunden Menschen i. d. R. otis), die die Hauptmenge dünnflüssigen Speichels ab­ zusammen mit der Zahnpflege durchgeführt. Sie vermit­ sondert. Beim öffnen des Munds zeigt sich als erstes die telt zwar das Gefühl von Sauberkeit und Frische, darf je­ -►Zunge, die als stark muskulöses Gebilde in ihrer Funk­ doch keinesfalls so weit gehen, daß die natürl. -»Mund­ tion entscheidend für die Sprache, das Schlucken und flora gestört wird. Prinzipiell reinigt sich die Mundhöhle auch für den Kauakt ist. Im vorderen Teil des Mundbo­ von selbst. So soll auch beim gesunden Säugling keine M. dens liegen auf jeder Seite 2 kleine Papillen, die Ausfüh­ durchgeführt werden. Abschilfernde Epithelien werden mit dem Speichel und rungsgänge von 2 Speicheldrüsen, der Unterzungendrüse und der Unterkieferspeicheldrüse. Diese beiden Drüsen der Nahrung abtransportiert, die Speicheldrüsen sorgen bilden hauptsächlich zähflüssigen Speichel (Bild Spei­ für die Anfeuchtung der Mundschleimhaut, und die Zunge ist in der Lage, Mundschleimhaut und Zahnreihen chel). 533

Mund von groben Speiseresten zu befreien. Selbstverständlich müssen aber die Zähne immer einer speziellen Zahnpflege unterzogen werden. Eine separate M. ist nur bei Erkrankungen der Mund­ höhle und ihrer Beteiligung bei Allgemeinerkrankungen durchzuführen. Dies betrifft v. a. Krankheiten des Kin­ desalters (Masern, Scharlach, Diphtherie, Mundfäule). Hier kann die häusl. M., außer den vom Arzt verordneten Maßnahmen, im Gurgeln und in Spülungen mit Kamillen­ tee, verdünnter Wasserstoffperoxidlösung (0,3%) oder Lösungen von doppeltkohlensaurem Natron (1 Messer­ spitze auf ein Glas Wasser) bestehen. Auch aromat. Mundwässer können angewendet werden. Mundschleimhaut|erkrankungen, — Zahn­ fleischerkrankungen, -»Mundfäule. Mundsperre, die -»Kieferklemme. Mundtrockenheit, Xerostomie, Trockenheit der Mundschleimhaut infolge verminderten Speichelflusses, z. B. nach starker Entwässerung, nach langem starken Schwitzen, hohem Fieber und Durchfällen; medikamen­ tös hervorgerufen durch Atropin und ähnl. Mittel. Die ex­ treme Form wird als Zagari-Krankheit (nach G. Zagari, * 1863,11946) bezeichnet. Ursachen sind völliges Fehlen der Speichelabsonderung. Es bestehen Mundschleim­ hautdefekte und Lippenrisse. Behandlung mit künstl. Speichel. Mund-zu-Mund-Beatmung, -»Atemspende (Bild Erste Hilfe, Atemspende, Anhang). Muschelvergiftung, durch den Genuß einiger Mu­ schelarten hervorgerufene Vergiftung, deren Anzeichen denen der —Fischvergiftung ähneln. M. kann hervor­ gerufen werden durch die eßbare Miesmuschel, die häufig Massenerkrankungen verursacht, und die gewöhnl. Auster, die bisweilen während der Laichzeit (von Mai bis Juli) gesundheitsschädlich ist (Austernvergiftung). Die M. verläuft entweder mit nesselartigen Hautaus­ schlägen oder mit Magen-Darm-Störungen, teils unter (auch tödl.) Lähmungserscheinungen. Das Muschelgift (Saxitoxin) entsteht nicht erst bei Fäul­ nis, sondern kann bereits in den lebenden Muscheln nach­ gewiesen werden; es ist v. a. in der Leber der Muschel ge­ speichert. Es entstammt den von den Muscheln als Nah­ rung aufgenommenen Mikroorganismen (Dinoflagella­ ten, Plankton). Das Gift findet sich nur bei Tieren, die in stehendem, verunreinigtem Wasser leben, wogegen die auf klarem, sandigem Grund in freier See gezüchteten oder gefangenen Muscheln im allgemeinen unschädlich sind. Erste Hilfe: rasche Entleerung von Magen und Darm; Brechmittel, Rizinusöl, medizin. Kohle; sofort Arzt hinzuziehen, auch bei Verdacht! Musiktherapie, Psychotherapeut. Hilfsmittel, um die seelisch-körperl. Gesamtverfassung eines Menschen günstig zu beeinflussen. Bei der passiven (rezeptiven) M. wird Musik vorgespielt, bei der (wichtigeren) aktiven M. musizieren die Patienten in Instrumentalgruppen oder Chören selbst. Anwendung v. a. bei psych. Erkran­ kungen. Nach neueren Untersuchungen wurden auch fördernde Wirkungen der Musik auf den Arbeitsprozeß festgestellt: Arbeitsbewegungen werden durch Rhythmus ökonomi­ siert, d. h. sparsamer und gezielter; >Ablenkung< durch Musik kann die Konzentration bei der Arbeit erhöhen. Musikai. Reize beschleunigen den Gesamtstoffwechsel, die Muskeltätigkeit weist unter Musikeinfluß größere Energie auf. Muskarin, ein Pilzgift (—Pilzvergiftung). Muskel, Körpergewebe, das durch Spannungsände­ rungen der Zellen aktive Körperbewegungen ermöglicht, wobei unter Wärmeentwicklung ehern. Energie in Arbeit umgesetzt wird. Die Gesamtheit der M., die Muskulatur, Muskel: ist ein sehr großes, differenziertes Organ und macht etwa Lokalisation 40% des Körpergewichts aus (Modell des Menschen der am häufigsten auftretenden Muskel­ nach S. 400). Man unterscheidet 2 Arten von M.: die quergestreiften härten; oben Vorder-, oder willkürl. M. und die glatten oder unwillkürl. M. unten Rückansicht 534

Die quergestreifte Muskulatur stellt die weitaus größte Masse der M. dar. Sämtl. am Knochensystem angreifen­ den M. gehören zu ihr, ebenso der Herz-M., der jedoch nicht dem Willen unterworfen ist und einen besonderen Aufbau zeigt. Ein quergestreifter M. des Skeletts besteht aus einzelnen, zylindrisch geformten Muskelfasern, die einen Durchmesser von 0,01 bis 0,06 mm und sehr unter­ schiedl. Längen (bis 10 cm) haben. Die einzelne Faser setzt sich wiederum aus feinsten Fäserchen, den Muskelfibril­ len, zusammen, die aus den kontraktilen Filamenten (sich verkürzenden Fäden), den Aktin- und Myosinfilamenten, bestehen. Bei der Betrachtung unter dem Mikroskop zei­ gen die M.-Fibrillen eine feine Querstreifung, die dieser M .-Art den Namen gegeben hat und die auf der bes. regel­ mäßigen Anordnung der Aktin- und Myosinfilamente be­ ruht. Die einzelnen M.-Fasern sind durch Bindegewebe zu größeren Bündeln zusammengefaßt. Den Abschluß nach außen bildet eine derbe Haut, die Faszi|e. An seinen En­ den mündet der M. in eine Sehne, die als breite Sehnen­ platte am Knochen ansetzen kann oder, wie z. B. an den Gliedmaßen, als langer Sehnenstrang dorthin führt, wo die Kraft des M. am Knochen wirken soll. Die Sehne strahlt weit in den M. aus und ist durch viele Ausläufer mit ihm verbunden. Die Sehnen sind die Verbindung zwischen M. und Knochen. Niemals setzt ein M. direkt am Knochen an. Während derM. die lebendige, aktive Kraft gibt, sind die Sehnen passive und, wie der M. selbst, elast. Leitseile und Verbindungsstücke, die ihre Bewegung vom M. emp­ fangen und auf den Knochen übertragen. Jeder M. ist mit einem Bewegungsnerv versorgt, der die von bestimmten Teilen des Gehirns ausgehenden Befehle zu seiner Zusammenziehung überträgt. Dieser Vorgang untersteht dem Willen (daher willkürliche Muskulatur). Sehr viele nervöse Impulse, die nicht mit einem bewußten Willensakt verknüpft sind, laufen ebenfalls zu den M. Der Nerv spaltet sich in feinste Ästchen und endet an den mo­ tor. Endplatten. Außer den Bewegungsnerven ziehen zu jedem M. auch Empfindungsnerven und Fasern der vege­ tativen Nerven (—Nervensystem). Der Mensch besitzt etwa 500 einzelne Skelett-M., die je nach ihrer Lage, Form oder Wirkungsweise eigene Namen haben. Der Form nach unterscheidet man länglich-runde M., die vorzugsweise an den Gliedmaßen vorkommen, und breite oder Flächen-M., die sich am Rumpf befinden; letztere sind flach und glatt und enden in breiten Sehnen­ häuten. Der M. hat die Fähigkeit, sich zu verkürzen oder ohne Verkürzung nur seine Spannung zu erhöhen. Die physioMuskel

A Sehne

Gruppe von Muskel fosern

Blutgefäße Muskel: die Bandelemente des Muskels; im Muskel (A) sind einzelne Faser­ bündel (B) ent­ halten. Diese bestehen aus Muskel fibrillen (C). Myosinund Aktin­ stränge (E, E') bauen die kon­ traktilen Fila­ mente (D) auf, die in den Muskelfibrillen liegen

Z-Streifen

A-Streifen

Myofibrille

|.Streifen

Musk log. Vorgänge, die der M.-Verkürzung zugrunde liegen, sind erst durch neuere Forschungen weitgehend geklärt worden. Ein M., der sich verkürzt hat, kann sich nicht allein wie­ der strecken, sondern wird durch den gegensinnig wirken­ den M., den Antagonisten, wieder gedehnt. An den Glied­ maßen unterscheidet man z. B. die Beuger und Strecker (Bild Beugemuskeln), die in diesem Sinn gegenseitig wir­ ken (Agonisten und Antagonisten). Im Körper wirken im­ mer viele M. zusammen, um eine bestimmte Bewegung auszuführen. Wennz. B. der Unterarm gebeugt, d. h. dem ruhigstehenden Oberarm genähert wird, ist es nicht nur erforderlich, daß die entsprechenden Beuge-M. sich ver­ kürzen, sondern andere M.-Gruppen müssen ihre Span­ nung erhöhen, um das Schultergelenk, den Ursprung der beugenden M., ruhigzustellen, damit der Unterarm zum Oberarm und nicht umgekehrt der Oberarm zum Unter­ arm bewegt wird. Der Säugling hat bereits alle M., kann sie jedoch noch nicht zweckmäßig gebrauchen. Er lernt erst allmählich zu greifen, zu laufen usw. Auch komplizierte Tätigkeiten, die später erlernt werden, wie Schreiben, Basteln, Turnen, Radfahren u. a., müssen erst bewußt geübt werden, um eine sinnvolle Zusammenarbeit der M.-Gruppen zu erler­ nen. Je reibungsloser dies abläuft und je genauer die M. für den geforderten Zweck eingesetzt werden, desto voll­ kommener ist die Beherrschung des Körpers für den be­ treffenden Bewegungsvorgang. Der Mensch lernt auch nicht, bestimmte M. zu gebrauchen, sondern bestimmte Bewegungen auszuführen, zu denen immer Gruppen von M. notwendig sind. Nach der Art der Bewegung, welche die willkürl. M. veranlassen können, tragen diese fol­ gende Bezeichnungen: Beuge-M. oder Flexoren, StreckM. oder Extensoren, Anzieh-M. oder Adduktoren, Abzieh-M. oder Abduktoren, Roll-M. oder Rotatoren. (Modell des Menschen nach S. 400) Auch der ruhende M. befindet sich in einem bestimm­ ten Spannungszustand (Tonus). Dieser wird stark durch das vegetative Nervensystem beeinflußt und ist kenn­ zeichnend für den Zustand des betreffenden Indivi­ duums. Schlaffe Haltung kann Ausdruck einer Übermü­ dung oder seel. Bedrückung sein. Die gleichmäßig erscheinende Bewegung eines M. setzt sich aus vielen einzelnen Zuckungen infolge kleiner An­ triebsimpulse von M.-Fasern zusammen. Je mehr M.-Fa­ sern beteiligt sind, desto stärker ist die Kraft, die entwikkelt wird. Es gilt für die einzelne M .-Faser das > Alles-oderNichts-GesetzOrganismus< zwischen 2 Organis­ men: Mutter und Kind. Der scheibenförmige, flache, schwammige, braunrote M. ist etwa 2—3 cm dick und hat einen Durchmesser von etwa 20 cm; seine Größe und Form können stark wech-

Muskelzerrung, unvollständiger -»Muskelriß mit Zerreißung einzelner Muskelfasern durch Überdehnung oder Anprall. Es bestehen Druckschmerz und leichter Bluterguß bei erhaltener Muskelfunktion. Behandlung: Ruhigstellung, feuchte Verbände, wel­ che die Abschwellung fördern, auch durch heparinhaltige Salben. Muskulatur, die Gesamtheit der -»Muskeln; mus­ kulär, die M. betreffend; muskulös, mit gut ausgebilde­ ten Muskeln versehen. Musterung, Verfahren zur Feststellung der Wehr­ dienstfähigkeit. Dabei werden die geistige und körperl. Tauglichkeit untersucht, Wehrpflicht- und Wehrdienst­ ausnahmen geprüft und die Art des zu leistenden Wehrdiensts festgestellt. In der Bundesrep. Dtl. geschieht die M. auf Grund des Wehrpflichtgesetzes v. 7. 11. 1977 und der Musterungsverordnung v. 5. 3.1975 durch 2 M.-Ärzte und die bei den Kreiswehrersatzämtern gebildeten M,Ausschüsse. (-» Wehrpflicht) Mutation [lat. >VeränderungstummUrvertrauenoverprotecschnitt durch ein Köpfchen, d krugförmige Vertiefung tionSchleimPilz< ent­ halten, deutet nicht auf eine Pilzerkrankung hin, sondern beschreibt nur das letzte Stadium der Erkrankung mit pilzartigen, braunroten, oft blutig-geschwürigen Haut­ knoten. Die M. f. beginnt meist mit allgemeinem Juck­ reiz, es treten dann fleckige und flächenförmige Haut­ rötungen mit Schuppungen auf, schließlich kommt es zu Hautknotenbildungen. Die Behandlung sollte immer durch den Hautarzt er­ folgen: Beginn mit cortisonhaltigen Salben und UV-Be­ strahlung, in fortgeschrittenem Stadium auch innerliche Anwendung von Cortison, im Spätstadium Versuch einer Behandlung mit Röntgenstrahlen. Mydriasis, die Erweiterung der Pupille, eine normale Erscheinung beim Blick in die Ferne und bei Dunkelein­ stellung des Auges. Auch Krankheiten, z. B. Vergiftungen (Atropa bella-donna), oder Arzneimittel, wie sie z. B. zur Untersuchung des Augeninnern verwendet werden (Atro­ pin u. a.), können M. verursachen. Konstante, durch Lichtreize nicht zu beeinflussende M. (über 5 mm) gilt als eines der Todeszeichen. Myelitis, Rückenmark|entzündung, seltene, stets iebensgefährl. Erkrankung in 2 Formen: Querschnitts-M., mit ausgebreiteten (diffusen) Entzündungen im Rückenmark nach Infektionskrankheiten (Typhus, Malaria, schweren Eiterungen u. a.), und disseminierte M., mit verstreuten (disseminierten) Entzündungsher­ den, wohl meist identisch mit -» multipler Sklerose, deren eigtl. Ursache unbekannt ist. Die Behandlung bekämpft die Grundkrankheit. Myelographie, das Einbringen eines Kontrastmittels mit Hilfe der -»Subokzipitalpunktion oder -»Lumbal­ punktion in den mit Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit ge­ füllten Spaltraum, der zwischen weicher und harter Rükkenmarkhaut liegt (Subarachnoidalraum). Das Kontrast­ mittel erscheint auf dem Röntgenschirm als Schatten. Wenn im Rückenmarkkanal raumbeengende Prozesse (Geschwulst u. a.) vorliegen, wird das Kontrastmittel an der betreffenden Stelle ganz oder teilweise gestoppt. Mit der M. sind die genaue Lage und der ungefähre Umfang des krankhaften Geschehens festzustellen. Myelographie: Stopp des Kontrastmittels (A) im Sub­ arachnoidalraum oberhalb einer Rückenmarkge­ schwulst (B), deren Umriß dabei hervortritt, links im Röntgenbild Wirbelkörper (Pfeil)

das-»Plasmozytom. die -► Fliegenlarvenkrankheit. Mykobakteri|en, stabförmige Bakterien, die sich von allen anderen Bakterien dadurch unterscheiden, daß sieeinen hohen Gehalt an Fettstoffen haben, in der Kultur langsam wachsen und nach der Färbung Säure-AlkoholFestigkeit aufweisen. Einige dieser Arten rufen beim Menschen und vielen Tierarten meist tuberkuloseähn­ liche Krankheiten (Mykobakteriosen) hervor. Ihr Cha­ Myelom das, multiples M., Myiasis,

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Myelographie

Myko rakteristikum ist, daß sie mit granulomatösen und nekro­ tisierenden Gewebsveränderungen verschiedener Aus­ dehnung verlaufen. Es werden etwa 40 Arten definiert, die man grundsätzlich unterteilt in tuberkulöse, nichttuber­ kulöse und atypische M. Das Hauptkennzeichen der tuberkulösen M., zu denen das Mycobacterium tuber­ culosis (-»Tuberkulose) und das Mycobacterium leprae (-»Lepra) zählt, ist der epidemiologisch infektiöse Ver­ lauf. Dabei ist die Übertragung von Mensch zu Mensch (oder von Tier zu Tier bei der Rindertuberkulose) die Hauptvoraussetzung für ihre fortschreitende Existenz. Die nichttuberkulösen M. zeichnen sich bes. durch ihre Resistenz gegen die sonst außerordentlich wirksamen Tu­ berkuloseheilmittel (Tuberkulostatika) aus. Sie haben ab­ weichende biolog., biochem. und serolog. Merkmale. Die Mehrzahl der bisher definierten nichttuberkulösen M. ist weder für Menschen noch Tiere krankheitsauslösend; meist vegetieren sie außerhalb lebender Organismen in der Natur als -»Saprophyten. Lediglich bei besonderer Ab­ wehrschwäche des Wirtsorganismus können sie, in diese als Begleitbakterien in Form einer Superinfektion einge­ drungen, pathogen werden. Die dann hervorgerufenen Lungenkrankheiten zeigen zwar der Tuberkulose ähn­ liche Bilder, haben jedoch meist einen symptomarmen, uncharakteristischen Verlauf und sind der exakten Dia­ gnostik schwer zugänglich. Um den krankheitserregen­ den Charakter der Bakterien zu beweisen, müssen diese durch mehrfach wiederholte Untersuchungen und Anle­ gung von Kulturen nachgewiesen werden. Zu diesen For­ men der M.-Erkrankung gehört z. B. die Geflügeltuber­ kulose. Mykoplasmen, kleinste zellwandlose, daher stark verformbare und selbst durch bakteriendichte Filter fil­ trierbare, auf künstl. Nährböden züchtbare Bakterien. Seit 1898 als Erreger von Pleuropneumonien bei Rindern bekannt (daher zunächst als PPLO bezeichnet, Abk. von engl. pleuro-pneumonialikeorganisms). Erst 1962 gelang die Zuordnung zu Erkrankungen des Menschen. Durch M. verursachte Krankheiten treten auf im Bereich der Atemwege durch Mycoplasma pneumoniae (z. B. atyp. Pneumonie), im Bereich der Harnwege und Geschlechts­ organe durch Mycoplasma hominis und die verwandte Art Ureaplasma urealyticum. Mycoplasma pneumoniae wird durch engen Kontakt von Mensch zu Mensch über­ tragen und ist weltweit verbreitet. Mycoplasma hominis und Ureaplasma urealyticum werden durch Geschlechts­ verkehr übertragen. Sie finden sich oft auch beim Gesun­ den im Urogenitalbereich und führen nur unter bisher un­ geklärten Umständen zu Entzündungen. Die Diagnose wird entweder durch Erregernachweis oder durch Fest­ stellung von Antikörpern im Serum gestellt. Zur Behand­ lung eignen sich Tetracykline und Erythromycin. Myom:

I Bauchfellüberzug, 2 intramurale M., 3 subseröses M., 4 Gebärmutterschleimhaut, 5 Gebärmutterhöhle, 6 Ge­ bärmutterkörper, 7submuköses M., 8 Gebärmutterhals Mykosen, Pilzkrankheiten, die durch höhere Pilze verursachten Erkrankungen. Zu ihnen gehören die Aktino-M. (-»Strahlenpilzkrankheit) und die Dermato-M. (-»Hautpilzkrankheiten). Zur Krankheitserken­ nung dient der Nachweis der Pilze, der auch für die Be­ handlung von Bedeutung ist. Diese wird je nach der Art des Erregers, seiner Empfindlichkeit und dem Sitz der Er­ krankung mit pilzabtötenden Lösungen, Pudern, Salben oder innerlich durch die Gabe von Breitbandantimyko­ tika durchgeführt. (Bilder Bartflechte, Hautkrank­ heiten, Strahlenpilzkrankheit) Myodegeneratio cordis, Myokardschaden, der Herzmuskelschaden (-» Herzkrankheiten). Myogelose, die-»Muskelhärte. myogen, durch Muskeln verursacht, z. B. myogene Lähmung, eine Bewegungseinschränkung, die durch Schwund bestimmter Muskeln entstanden ist. Myoglobin, roter Muskelfarbstoff, sauerstoffbin­ dendes Protein des Muskels, das aus einer Peptidkette mit 153 Aminosäuren und einer Hämgruppe besteht, deren

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Eisenatom ein Sauerstoffmolekül reversibel (wiederauf­ lösbar) binden kann. M. hat eine höhere Affinität zum Sauerstoff als Hämoglobin und stellt den Sauerstoffspei­ cher für den Muskel dar. Myoglobin|ämie, Einschwemmung von Muskel­ farbstoff (Myoglobin) aus der durch Trauma (Verlet­ zung), Toxine (Gifte) oder Minderdurchblutung geschä­ digten quergestreiften Muskulatur in die Blutbahn. Der M. folgt je nach Art und Schwere der Schädigung eine kontinuierl. oder anfallsweise auftretende (paroxysmale) Ausscheidung von Myoglobin im Harn. Bei schwerem Muskeltrauma kommt es zum -»Crush-Syndrom. Myographie, neurophysiolog. Verfahren zur graph. Darstellung von Muskelzuckungen. Die Elektromyogra­ phie registriert die Entladungsfrequenzen der Muskel­ fasern. Myokardie, Myokardose, ursprünglich aus der frz. Medizin stammende Bezeichnung für Störungen im Vit­ aminhaushalt oder in der hormonellen Steuerung im Herzmuskel sowie für Störungen unbekannter Ursache. Die M. tritt familiär gehäuft auf und kann zu einer nicht beeinflußbaren Herzschwäche führen. Die Ursache ist nicht eindeutig geklärt. Myokardinfarkt, der-► Herzinfarkt. Myokarditis, Entzündung des Herzmuskels (-► Herz­ krankheiten). Myokardschaden, Myodegeneratio cordis, der Herzmuskelschaden (-» Herzkrankheiten). Myoklonie, blitzartige Muskelzuckungen, die nicht rhythmisch, sondern unregelmäßig auftreten. Myom das, Sammelbezeichnung für meist gutartige, vornehmlich aus Muskelgewebe aufgebaute Geschwül­ ste. Während die von der quergestreiften Muskulatur und der Herzmuskulatur ausgehenden M. außerordentlich selten sind, findet man M. sehr häufig in der glatten Mus­ kulatur der Gebärmutterwand. Etwa 10% aller Unter­ leibserkrankungen der Frauen werden durch M. verur­ sacht, die häufig nach dem 30. Lebensjahr und meist in größerer Zahl auftreten; sie können Kopfgröße erreichen. Je nach der Lage unterscheidet man subseröse M., un­ ter der Bauchfellbedeckung der Gebärmutter, intra­ murale M., inmitten der Muskelwand, und submuköse M., unter der Gebärmutterschleimhaut gelegen. Die Bildung und das Wachstum der M. scheinen mit der Tätigkeit des Eierstocks in engem Zusammenhang zu ste­ hen, denn nach dem natürl. oder künstlich herbeigeführ­ ten Erlöschen dieser Funktion wachsen sie nicht mehr wei­ ter und können sogar etwas schrumpfen. Die Behaup­ tung, daß Frauen, die nicht geboren haben, zur M.-Bil­ dung neigen, läßt sich statistisch nicht bestätigen. Während einerseits viele M. überhaupt keine krankhaf­ ten Erscheinungen hervorrufen und nur zufällig bei einer frauenärztl. Untersuchung entdeckt werden, können an­ dererseits die durch sie verursachten Krankheitszeichen sehr vielseitig sein. Durch die Größe der Geschwulst kön­ nen Verdrängungserscheinungen und Völlegefühl im Leib auftreten; auch kann es zur Vortäuschung einer Schwangerschaft kommen. Direkter Druck auf Blase oder Mastdarm verursachen häufigen Harndrang oder Verstopfung. Bei subserösen M. kann sich ein aus Binde­ gewebe bestehender >Stiel< zwischen dem M. und der Ge­ bärmutter bilden. Wenn dieser Stiel sich um seine Achse dreht, was gelegentlich vorkommt, werden die in ihm ver­ laufenden Blutgefäße abgeschnürt; es treten mit Fieber und starken Schmerzen einhergehende Ernährungsstö­ rungen des M. auf. Die in der Muskelwand gelegenen M. hemmen die Zu­ sammenziehungsfähigkeit der Gebärmuttermuskulatur. Da die Blutstillung in diesem Organ durch eine Zusam­ menziehung der Muskulatur und somit auch der in ihr ver­ laufenden Blutgefäße bewirkt wird, außerdem die myomatöse Gebärmutter bes. stark mit Blut versorgt wird, kommt es zu sehr heftigen und langanhaltenden Men­ strualblutungen (Menorrhagien). Sitzt das M. direkt un­ ter der Gebärmutterschleimhaut und wölbt diese vor, so treten oft unregelmäßige Blutungen (Metrorrhagien) auf.

Myze Behandlung: Jedes M., das Beschwerden oder Blu­ tungsstörungen hervorruft, sollte operativ behandelt wer­ den; die Operation besteht meist in der Entfernung der Gebärmutter. Lediglich bei jüngeren Frauen, zudem wenn noch der Wunsch nach Kindern besteht, kann ver­ sucht werden, durch Ausschälen eines isoliert sitzenden M.-Knotens die Gebärmutter zu erhalten. Bei Frauen mit M., die sich bereits den Wechseljahren nähern und bei de­ nen keine Störungen vorhanden sind, läßt sich ein operati­ ves Vorgehen u. U. vermeiden, da i. d. R. mit Beginn der Postmenopause (-»Menopause) ein Schrumpfungspro­ zeß der M. einsetzt. Jedoch sind dann bis weit in die Post­ menopause hinein regelmäßige, mindestens halbjährl. Kontrollen mit Überprüfung des Tastbefunds erforder­ lich. Sollte der operative Eingriff nicht möglich sein, so kann man durch eine Radium- oder Röntgenbehandlung die M. zur Schrumpfung bringen. Die Umwandlung eines M. in eine bösartige Geschwulst ist selten. Myopathi|en, die -*Muskelkrankheiten. Myopie, die -»Kurzsichtigkeit. Myositis, Muskel|entzündung, -* Muskelkrank­ heiten. Myotonie, Muskelspannung, tonischer -»Muskel­ krampf. Myotonia congenita, Thomsensche Krankheit, erbl. Anomalie der Muskeln, die dadurch gekennzeichnet ist, daß die Muskeln nach Anspannung nicht gleich wieder er­ schlaffen, sondern sich aus der Zusammenziehung nur langsam lösen; so entsteht eine mehrere Sekunden bis Mi­ nuten dauernde Muskelsteife, die vom Willen unabhängig ist. Kinder mit M. fallen durch Blickstörungen auf: nach Augenschluß werden die Lider verspätet geöffnet; nach Geschrei bleiben die Gesichtszüge eine Zeitlang starr. Pathologisch anatomisch besteht eine Volumenzu­ nahme (Hypertrophie) der Muskelfasern. Formen: de Lange-Syndrom (n.C. de Lange, * 1871, 1 1950). Die angeborene Muskelhypertrophie ist mit einer Gehirnleistungsschwäche (Hirnatrophie) vergesellschaf­ tet; es finden sich Entwicklungsverzögerung, Debilität, motor. Störungen, auch die Kombination mit anderen Mißbildungen. Das Talma-Syndrom (n. S. Talma, * 1847, f 1918) wird als myoton. Krankheitsbild im Anschluß an ver­ schiedene Primärerkrankungen beobachtet. Umstritten ist, ob es sich dabei um eine erworbene (ausheilbare) Stö­ rung handelt oder um eine Spätmanifestation der angebo­ renen M. Myrrhe, Echte M., Myrrha, der eingetrocknete Milchsaft der zu den Balsambaumgewächsen (Burseraceae) gehörenden Myrrhenstrauch-Arten Commiphora abyssinica und Commiphora molmol, die in trop. Trokkengebieten vorkommen. Das aus Rissen der Rinde und Einschnitten austretende Gummiharz enthält bis zu 10% äther. Öl. Die Myrrhentinktur (Tinctura Myrrhae), ein alkohol. Auszug aus M. mit adstringierender Wirkung, dient in starker Verdünnung hauptsächlich zu Mundspü­ lungen und zum Bepinseln entzündeten Zahnfleisches. Das durch Wasserdampfdestillation gewonnene äther.

Myrrhenöl wird in der Parfümerie verwendet. Wohlrie­ chender M.-Duft spielte im Altertum (Bibel) eine große Rolle. Anwendung: Heilpflanzen, Übersicht. Myrte, Echte M., Braut-M., Myrtus communis,

zu den Myrtengewächsen (Myrtaceae) gehörender immer­ grüner, meist buschiger Strauch in warmgemäßigten Kli­ mazonen, bes. im Mittelmeergebiet. Die getrockneten Blätter enthalten bis zu 0,6% äther. Öl. M.-Kränze als Brautschmuck gehen auf einen uralten babylonisch-jüdi­ schen Hochzeitskult zurück. Heilkundl. Anwendung: Heilpflanzen, Übersicht. Mystik, die unmittelbare Erfahrung des Göttlichen in der Tiefe der eigenen Seele. Der Weg des Mystikers ist auf den höchsten Grad der Vereinigung mit Gott gerich­ tet: die geistl. Vermählung (unio mystica), in der die individuelle Seele im Wesen Gottes aufgeht. Die Lehre der M. unterscheidet verschiedene Stufen dieses Weges (z. B. Reinigung, Erleuchtung); in der myst. Ekstase wird die auf der letzten Stufe dauernde Vereinigung vor­ übergehend erreicht. Psychosomat. Einflüsse myst. Erle­ bens sind als wahrscheinlich anzusehen (-»Stigmatisa­ tion). Die Schriften der Hl. Theresia von Avila, der großen span. Mystikerin im Zeitalter Philipps II., sind Quellen für die eigentüml., seelisch-geistigen Erlebnisse der myst. Erfahrung. Mystiker waren u. a. Meister Eckhart, Suso, Tauler, J. Böhme, Ruysbroek, An­ gelus Silesius. Myxödem, durch Unterfunktion der Schilddrüse (Hypothyreose) verursachte Krankheit, auch mit Kropf­ bildung, die zu einer Ansammlung schleimartiger, eiweiß­ haltiger Flüssigkeitsmengen im extrazellulären Raum des Körpers führt. Die Haut, bes. des Gesichts, ist gespannt und gedunsen, im Ggs. zum Ödem hinterläßt Fingerdruck keine Dellenbildung. Es besteht eine ausgeprägte Herz­ funktionsstörung sowie eine Fettstoffwechselstörung mit Fettleibigkeit. Die Oberhaut ist trocken, rissig und runz­ lig, die Augenbrauen sind spärlich und borstig. Es entwikkeln sich eine allgemeine körperl. Schwäche (mit Hypoto­ nie) und geistig-seelische Schwerfälligkeit. - Als postope­ ratives M. wird der Zustand der Cachexia thyreofstrumijpriva nach weitgehender operativer Entfernung der Schilddrüse bezeichnet. — Behandlung: Substitution (Er­ satz) der Schilddrüsenhormone mit Schilddrüsenpräpa­ raten. (-»Hormonbehandlung, -»Hormone) Myxom, schwulst,

Gallertgeschwulst,

Schleimge­

seltene, dem embryonalen Schleimgewebe, also dem gallertartigen Gewebe der Nabelschnur äh­ nelnde, knollige Geschwulst der Weichteile, meist die Va­ riante einer -» Fettgeschwulst. Bösartige, v. a. in Lunge und Leber -» Metastasen bildende Typen des M. werden Myxosarkome genannt; sie finden sich bevorzugt im retroperitonealen Bauchraum. Behandlung: Da das M. keine Kapsel besitzt, muß es unter Mitnahme gesunden Gewebes operativ entfernt werden; beim Myxosarkom kann die Amputation des be­ troffenen Glieds erforderlich sein. Myzetom,

der -*Madurafuß.

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Myxödem

N Nabel, rundl. bis sternförmige Einziehung in der Mitte des Bauchs. Zur Zeit des Lebens im Mutterleib mündet im N. der N .-Strang, der die Verbindung zwischen Mutterku­ chen und Embryo darstellt. Durch den N. laufen die bei­ den N.-Arterien und die N.-Vene (-»Blutkreislauf). So­ bald das Kind nach der Geburt zu atmen beginnt, hört der Blutkreislauf in den N.-Gefäßen auf. Durch die Hebamme wird der N.-Strang unterbunden und durchgeschnitten. Während gleichzeitig die in der Leibeshöhle gelegenen N.-Gefäße veröden, vernarbt der N., indem der Rest des N.-Strangs schrumpft und nach wenigen Tagen abgestoßen wird. Der N. ist zunächst noch eine offene Wunde und daher mit großer Sauberkeit zu be­ handeln. Er wird mit einem geeigneten Puder bestreut, ei­ nem keimfreien Mulltupfer bedeckt und einer N.-Binde verbunden. Erst wenn er trocken ist, darf das Kind geba­ det werden. Es ist wichtig, nach dem Baden den N. mit Zellstoffwatte trockenzutupfen und nachzupudern. Stö­ rungen im Verlauf des Abheilens der N.-Wunde machen sich in einer entzündl. Rötung, auch Schwellung des N,Rings oder in einer Absonderung von Eiter aus dem N. be­ merkbar. In diesen Fällen ist sofort ein Arzt zu befragen. Entzündung des N. (Omphalitis) ist gefährlich, da die eben erst verödeten Gefäße des N. leicht infiziert werden können und diese Infektion in die Bauchhöhle eindringen kann. Selten kommen Diphtherie des N. und von der N.Wunde ausgehender Wundstarrkrampf vor. Nabelbrüche kommen durch entsprechende Neigung des N.-Rings zur Ausbildung. Man erkennt den Bruch an einer Vorwölbung des N. Leichtere N.-Brüche sind beim Säugling außerordentlich häufig. Meist schließt sich die N.-Lücke im Verlauf des ersten Lebensjahrs von selbst, so daß sich eine Behandlung erübrigt. N.-Brüche können durch einen Streifen Heftpflaster, der die Haut schont, zurückgehalten werden; dabei wird eine Falte gebildet, in diese der N. eingelegt und durch einen Pflasterstreifen zu­ sammengehalten. Hierdurch soll der N.-Ring zusammen­ gezogen werden und bindegewebig verwachsen. Wenn das nicht gelingt, muß der N.-Bruch operativ beseitigt werden, im allgemeinen erst nach Vollendung des ersten Lebensjahrs. Abgesehen von dieser Regel kann eine Ope­ ration notwendig werden, wenn Gefahr besteht, daß sich im (größeren) N.-Bruch Darmschlingen einklemmen. Auch beim Erwachsenen kann sich ein N.-Bruch ausbil­ den, bes. durch Erschlaffung der Bauchdecke, z. B. bei Frauen nach Geburten; meist operative Behandlung. Nabelkoliken sind anfallsweise auftretende Bauch­ schmerzen bei Kindern, bes. im 3.—10. Lebensjahr; in schweren Fällen können sie mit allgemeiner Blässe, Erbre­ chen und Schweißausbrüchen einhergehen. Ursache: krampfhafte Zusammenziehungen (Spas­ men) der glatten Muskulatur des Dickdarms, die durch psych. Ursachen (Schreck, Schulangst, Wutausbrüche u. a.), Verdauungsstörungen oder Infektionen ausgelöst werden können; AusstrahlungsschmerzindieN.-Gegend. Behandlung: im akuten Anfall Bettruhe, feuchte, heiße Leibwickel, Trinken von Fencheltee, vorüberge­ hend keine Nahrung. — Vorbeugung: Maßnahmen zur allgemeinen Kräftigung (Hautpflege, Gymnastik, Schwimmen), auch Psychotherapie. Bei anhaltenden N.-

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Koliken muß auf Organ. Erkrankungen, z. B. -* Mesente­ rialdrüsentuberkulose, untersucht werden. Naboth-Eier [n. dem Arzt Martin Naboth, * 1675, 11721], bis kirschkerngroße, mit Schleim gefüllte Bläs­ chen in der Nähe des äußeren Muttermundes. Es handelt sich um von Scheidenepithel überwachsene und somit ver­ schlossene Schleimdrüsen als Zeichen der Heilung einer Erosion oder einer Ektopie (-»Gebärmutterkrank­ heiten). N. haben keine krankhafte Bedeutung und wur­ den früher fälschlich für Eizellen gehalten. Nachblutung, eine mehrere Stunden oder Tage nach der ursprüngl. Verletzung einsetzende neuerl. Blutung aus Gefäßen, die noch nicht oder nur ungenügend durch Blutgerinnsel verschlossen waren. Durch sorgfältige Blut­ stillung (Gefäßkontrolle) und Beobachtung des Verletz­ ten (Kreislaufverhalten) können N. vermieden werden. Nachgeburt, -»Geburt, -»Mutterkuchen. Nachstar, -»grauer Star. Nachtarbeit, Arbeit zwischen 20 und 6 Uhr. Aus physiolog. Gründen ist die -» Leistungsbereitschaft, bes. von 23—5 Uhr (Leistungstief: 3 Uhr), stark herabgesetzt. Nachtarbeiter sollten zu dieser Zeit nicht zu Mehrarbeit herangezogen und betriebsärztlich betreut werden. Es gibt ein grundsätzl. N.-Verbot für Arbeiterinnen von 20 bis 6 Uhr und für Jugendliche von 20 bis 7 Uhr (hiervon ab­ weichend bestehen gesetzlich geregelte Ausnahmen). -►Schichtarbeit. Nachtblindheit, Hemeralopie, das herabgesetzte Anpassungsvermögen der Augen an geringe Helligkeit. Man unterscheidet 2 Formen: 1) die angeborene erbl., schwere Schädigung oder der völlige Ausfall des Stäb­ chenapparats der Netzhaut. Dabei kann das Tagessehen völlig normal sein, da sich in der Mitte der Netzhaut nur Zapfen und keine Stäbchen befinden. Die Betroffenen sehen wie durch ein Schlüsselloch und sind infolge dieses röhrenförmigen Gesichtsfelds häufig sehr hilflos. Eine sichere Behandlung gibt es nicht, doch kann versucht wer­ den, ein Fortschreiten der Erkrankung aufzuhalten. 2) N. infolge von Mangelerscheinungen durch Fehl­ ernährung, bes. durch Mangel an Vitamin A. Sie tritt bes. auf in Notzeiten (Krieg) und bei allgemeiner Unterernäh­ rung, auch in Begleitung mit anderen Krankheiten oder Vitaminmangel im Frühjahr. Eine entsprechende Vit­ aminbehandlung kann hier schnellen Erfolg bringen. Nachtklinik, -»Tages- und Nachtklinik. Nach|tripper, volkstüml. Bezeichnung für katarrhal. Erscheinungen in der Harnröhre, die sich an den -»Trip­ per anschließen. Sehr oft handelt es sich um einen nicht ge­ heilten, chronisch gewordenen Tripper. Nachtschweiß, starkes nächtl. Schwitzen. Bei Ge­ sunden kommt N. nach erhebl. körperl. Anstrengungen vor. Als Begleiterscheinung von Krankheiten tritt N. in der Genesungszeit nach schwerer Ernährungsstörung auf, bei Überfunktion der Schilddrüse, Zuständen vege­ tativer Dystonie mit Entgleisung des Wasserhaushalts so­ wie bei der aktiven Tuberkulose. Gegen N. helfen Abrei­ bungen mit Essigwasser oder Franzbranntwein, Verzicht

Nahp auf Flüssigkeitszufuhr ab Mittag sowie salzarme Kost. Bei langdauerndem N., der zu erhebl. Schwächung führt, muß der Arzt um Rat gefragt werden. Nachtwandeln, das -»Schlafwandeln. Nachwehen, die nach Beendigung der Geburt in den ersten Stunden und Tagen des Wochenbetts auftretenden schmerzhaften Zusammenziehungen der Gebärmutter­ muskulatur, die der Blutstillung aus der Geburtswunde der Gebärmutter und deren Verkleinerung bis zur norma­ len Größe dienen. Sie können bei Frauen, die schon mehr­ fach geboren haben, bes. heftig auftreten. Nacken, Genick, der zum Rücken (dorsal) gelegene Teil des Halses, dessen Knochengrundlage von der Hin­ terhauptsschuppe des Schädels und den Halswirbeln ge­ bildet wird. An die Halswirbel legt sich zu beiden Seiten die N.-Muskulatur an (Modell des Menschen nach S. 400), in der Mittellinie verläuft das elastische N.-Band. Nackensteifigkeit, schmerzhafter Spannungszu­ stand der Nackenmuskulatur, ähnlich dem -»Hexen­ schuß. Nacktkultur, die -»Freikörperkultur. Naevus, das-»Muttermal. (-»Blutgefäßmal) Nagel, Unguis, Onyx, die dünne, durchscheinende, gebogene Hornplatte auf der Rückenfläche des Endglieds der Zehen und Finger. Jeder N. liegt seiner Hautunter­ lage, dem Nagelbett, fest auf und wird seitlich und hinten von einer Erhebung der Haut, dem Nagelwall, begrenzt. Nagel: 1 Finger­ endglied mit halbseitig ent­ fernter Nagel­ platte. 2 Schnitt durch die Na­ gelwurzel bei starker Vergrö­ ßerung (senk­ recht zu Bild 1; nach Benninghoff); a Nagel­ bett, b Nagel­ wall, c Nagel­ möndchen, d Nagelplatte, e Nagelwurzei, /Nagel falz

Hinten und seitlich senkt sich die Nagelplatte in den Na­ gelfalz ein. Der N. wächst nur von der im hinteren N.-Falz liegenden Nagelwurzel aus, einer weichen unverhornten Mutterzellschicht. Die Nagelzellen schieben sich von hier

auf dem N .-Bett nach vorn und verhornen dabei mehr und mehr. Das Längenwachstum der N. beträgt etwa 3 mm im Monat. Die halbmondförmige weiße Stelle vor der N.Wurzel heißt N.-Möndchen. Die weißl. Färbung ist durch die darunterliegende, verhältnismäßig undurchsichtige Oberhautschicht bedingt; weiter vorn ist diese weniger dick und läßt die blutreiche Unterlage rosa durchschei­ nen. Vom N.-Wall schiebt sich ein feines Häutchen, das N.-Oberhäutchen, auf den N. vor. Der über die Finger­ kuppe hervorragende Teil der N.-Platte wird freier N.Rand genannt. Nagelbett|entzündung, Onychie, -»Panaritium, -» Nagelkrankheiten. Nägelkauen, das Abbeißen der Nägel bis in das dann oft blutende Nagelbett, auch gelegentlich der Zehennägel; meist bei Kindern, häufig aber auch noch bei Jugendli­ chen und Erwachsenen. N. gilt als Ersatzbefriedigung im Sinn einer gestauten Erregungsabfuhr, als aggressiver Ausdruck von Enttäuschung und Unbefriedigtsein. Behandlung: Psychotherapeut. Hilfe durch Beseiti­ gung der spannungsgeladenen Ursachen ohne Anwen­ dung von Strafe oder Zwang. Nagelkrankheiten, Onychosen, krankhafte Ver­ änderung der Nägel. Sie können als selbständige Krank­ heitsbilder auftreten, sind aber häufig Teilerscheinung ei­ ner inneren Erkrankung oder einer Hautkrankheit. Die Ursachen vieler N. sind noch ungeklärt. Das angeborene Fehlen der Nägel (Anonychie) ist selten und tritt meist familiär auf.

Völliges Ausfallen der Nägel (Onycholysis) kommt bei schweren inneren Krankheiten oder Hauterkrankungen vor; nach Abheilen des ursächl. Leidens wachsen die Nä­ gel meist von selbst nach. Eine Teilloslösung der Nagel­ platte vom Nagelbett kommt beim Ekzem als Entzün­ dungsfolge und bei Pilzerkrankungen (Bild Hautkrank­ heiten) vor; auch als Berufsschädigung beim dauernden Umgehen mit schädigenden Arbeitsstoffen (Wasch­ frauen, Fleischer, Konditoren, Chemiearbeiter). Die Weißfärbung der Nägel (Leukonychie) tritt in Form von weißen Punkten oder Streifen auf; die Verfär­ bung wird darauf zurückgeführt, daß Luftbläschen in feine Verletzungen der Nagelsubstanz eingedrungen sind. Querfurchen der Nagelplatte entwickeln sich im An­ schluß an schwere innere oder Hauterkrankungen, sie sind Ausdruck einer zeitweiligen Störung des Nagel­ wachstums im Bereich der Nagelwurzel (schlechte Durch­ blutung, Giftstoffe von Krankheitserregern oder Stoff­ wechselgifte, Ekzem, Schuppenflechte). Aus ähnl. Gründen kann eine abnorme Brüchigkeit der Nagelsubstanz (Onychorrhexis) entstehen, aber auch durch Entfettung der Nägel bei Staubarbeiten, bei Um­ gang mit Kalk und bestimmten Lösungsmitteln. Auch Kalk- oder Vitaminmangel und Pilzkrankheiten der Nä­ gel können diese Veränderung hervorrufen. Der Krallennagel (Onychogryposis) ist durch übermä­ ßiges Verhornen des Nagelbetts, starke Verdickung und krallenartige Verbiegung der Nagelplatte gekenn­ zeichnet. Behandlung: erweichende Seifenbäder, Salizylsal­ ben und ständiges Abfeilen halten die Deformierung in Grenzen. Der Niednagel oder Neidnagel entsteht durch Eintrock­ nen und Einreißen des Nageloberhäutchens bei mangeln­ der Pflege. Der Riß setzt sich in die Haut des Nagelwalls fort, vertieft sich und ist bei jeder Berührung schmerz­ empfindlich. Behandlung: Der Niednagel muß nach einem Seifen­ bad vorsichtig mit feiner gebogener Schere abgeschnitten werden. Durch falsche Behandlung eines Niednagels, Verlet­ zungen bei ungeschickter Nagelpflege und bei eitrigen Hauterkrankungen können sich infolge Eindringens von Eitererregern eine Nagelfalz- und Nagelwallentzündung (Paronychie) oder eine Nagelbettentzündung (Onychie) entwickeln. Sehr heftige, klopfende Schmerzen, stark entzünd!. Rötung der ganzen Nagelgegend und später gelbl. Verfär­ bung unterhalb der Nagelplatte infolge Eiteransammlung kennzeichnen das Krankheitsbild in seiner akut verlau­ fenden Form; die Erkrankung kann aber ebenso unter ständigen Rückfällen mit gelegentl. Absonderung eines Eitertropfens aus dem Nagelfalz und der Bildung einer warzenähnl. Wucherung von >wildem Fleisch< am Nagel­ wall einen chron. Verlauf nehmen. Die ärztl. Behandlung versucht, durch heiße Seifen­ bäder, alkohol. Umschläge mit antisept. Zusätzen und mit antibiot. Salben die Entzündung auszuheilen. Bei Verzögerung der Heilung führt ein kleiner Chirurg. Ein­ griff bei örtl. Betäubung meist schnell zum Ziel. Über das Einwachsen des Großzehennagels in den vor­ deren Nagelfalz -»eingewachsener Nagel. Nagelpilzerkrankung, -» Hautpilzkrankheiten. Nagelpflege. Zu den selbstverständlichen allgemeinhygien. Erfordernissen gehören das Abschneiden und Abfeilen des freien Nagelrands sowie das Reinigen des Raums darunter. Das Nageloberhäutchen wird mit einem Stäbchen (mit Watte umwickelt und mit Nagelhautentfer­ ner angefeuchtet) vorsichtig zurückgeschoben. Verlet­ zungen sind dabei zu vermeiden, um keine Eintrittspforte für Krankheitserreger zu schaffen. Der Glanz der Nägel kann durch Abreiben mit etwas Zitronensaft und Nach­ polieren mit Lederkissen sowie durch Nagellack erhöht werden. Alle Geräte zur N. sind peinlichst sauberzu­ halten. Nagelpsoriasis, Einbeziehung der Nägel bei der -»Schuppenflechte. Nahpunkt, -»Akkommodation. 543

Nähr Nährhefe,

-»Hefen.

Ernährung. Nährpräparate, fabrikmäßig hergestellte Zuberei­ tungen (meist Mischpräparate) aus Lebensmitteln, die bei bestimmten Krankheiten oder Ernährungsstörungen die Kost ergänzen sollen. N. sind konzentrierte Nahrungsmit­ tel, sie enthalten einen oder mehrere, z. T. durch Vorbe­ handlung aufgeschlossene Nährstoffe. Salze und Vit­ amine werden häufig angereichert, um bei Schwächlichen und Genesenden eine rasche Gewichtszunahme zu errei­ chen. Überwiegend kohlenhydratreiche N. enthalten Zucker, Traubenzucker, Dextrin, Maltose, Stärke u. ä., für Dia­ betiker wird Sorbit bevorzugt. Bei Getreidemehlpräpara­ ten ist die Stärke z.T. in Dextrin umgewandelt. — Vorwie­ gend fetthaltige N. werden meist auf der Basis von Leber­ tran und angereicherter Milch hergestellt. — Verstärkt ei­ weißhaltige N. enthalten leichtverdaul. Eiweiß oder abge­ baute Eiweißstoffe, die meist aus Milch oder Fleisch her­ gestellt werden. — Die Multi-Vitamin-Präparate enthal­ ten Vitamine, Mineralsalze und Spurenelemente. Nährsalze, frühere Bezeichnung für Salzgemische, die eine Reihe von Mineralstoffen (z. B. Kalium, Na­ trium, Kalzium, Magnesium, Eisen) in Form von Salzen verschiedener anorgan. und organ. Säuren enthalten. Die N. sollen als isolierte Mineralstoffzugaben die heute meist üblichen Kost formen aufwerten, die großenteils aus Nah­ rungsmitteln bestehen, deren Verarbeitung Mineralstoff­ verarmung zur Folge hat, z. B. Auszugsmehl, Zucker. Vorzuziehen ist eine vollwertige, betont pflanzl. Ernäh­ rung, bei der sich ein Zusatz von N. erübrigt. Nährschäden, Erkrankungen, die durch falsche Er­ nährung bedingt sind. (-»Mangelkrankheiten, -»Mehl­ nährschaden, -► Mesotrophie, -»Milchnährschaden, -»Spurenelemente, -»Vitalstoffe, -»Vitamine) Nährstoffe, in der Nahrung enthaltene Stoffe, die ei­ nem Lebewesen Energie und/oder Bausteine für Wachs­ tum und Regeneration liefern und damit einen als Bauund Betriebsstoffanlieferer besonderen Nährwert haben. Dieser wird nach Menge und Art in Joule (früher Kalo­ rien) gemessen. Als essentielle Nahrungsinhaltsstoffe werden jene N. bezeichnet, die ein Lebewesen nicht selbst zu bilden vermag unddiei.d.R. nicht durch andere ersetz­ bar sind. Der Nährstofftransport ist die Verlagerung der aufgenommenen N. vom Aufnahmeort, z. B. der Schleim­ haut des Magendarmkanals, bis zum Verbrauchsort, letztlich der Körperzelle. (-»Nahrung, -»Ernährung) Nahrung, alle Stoffe, die lebende Organismen zu ihrer Erhaltung und zur Lebenstätigkeit aufnehmen müssen. Da die einen Lebewesen meist die N. anderer Lebewesen sind, entstehen N.-Ketten oder -Netze, an denen ein er­ hebt. Teil der Materie in der Biosphäre beteiligt ist. Art, Zusammensetzung und Zustand der menschl. N. können sehr unterschiedlich sein. Sie werden von zahlrei­ chen Faktoren beeinflußt und geprägt, z. B. Klima, Stand der gesellschaftl. Entwicklung (Wirtschaft, Technologie, Religion, kulturelle Tradition u. a.). Individuelle Fakto­ ren sind: Geschmacksempfindung, Alter, Ausmaß kör­ perl. Aktivität, Gesundheitszustand, Stimmung u. a. Die N. muß die Bedürfnisse (Hunger, Durst) befriedigen und alle physiolog. Funktionen (z. B. Wachstum, Regenera­ tion, Fortpflanzung) gewährleisten. Die weitgehenden Möglichkeiten des Menschen, in die Umwelt einzugreifen und dieN. auszuwählen und zu verändern, könnenauchzu ungünstiger oder unzureichender Zusammensetzung und Qualität der N. (Fehlernährung) führen, wodurch Wohl­ befinden und Leistungsfähigkeit beeinträchtigt werden. Qualität, Nährwert. Die große Zahl von Merk­ malen, nach denen die Qualität der N. beurteilt wird, läßt sich entsprechend ihrer verschiedenen Zwecke in 3 Teil­ begriffe gliedern: 1) Genußwert: Farbe, Form, Geruch, Geschmack, Konsistenz und Temperatur sind Eigenschaften, die ein Mensch beim Genuß eines N.-Mittels mit seinen Sinnen wahrnehmen kann. Als allgemeine Qualitätsanforderung kann gelten, daß Aussehen und Geschmack sich entspre­ chen müssen. Während beim Einkauf von N.-Mitteln der Nährklistiere, -» künstliche

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opt. Eindruck bestimmend ist, kommen beim Verzehr zu­ sätzl. Geruchs- und Geschmacksaspekte zur Geltung. 2) Eignungswert: Zusammenfassung von Merkmalen, die sich in Kosten oder Arbeitszeitaufwand ausdrücken lassen. Sie sind entsprechend den unterschiedl. Interessen von Verbrauchern, Erzeugern und Händlern verschieden. Hierbei versucht jeder Beteiligte, seinem Qualitätsbegriff allgemeine Geltung zu verschaffen. Für den Verbraucher sind v. a. günstiger Kaufpreis, Haltbarkeit und küchentechn. Eignung wichtige Merkmale. 3) Gesundheitswert: die Eignung eines N.-Mittels oder Genußmittels, nach dem Verzehr zu Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit des Organismus beizutragen. Der Ge­ sundheitswert ist vom Verbraucher in wesentl. Gesichts­ punkten (z. B. Gehalt an essentiellen Inhaltsstoffen, uner­ wünschten Mikroorganismen oder Giften) nicht oder nur schwer wahrnehmbar und allenfalls nur sehr beschränkt an Hand der Zutatenliste und der teils angegebenen ehern. Zusammensetzung erkennbar. Um lebensmittelchem. o.ä. Untersuchungsergebnisse zu verstehen und angemes­ sen in die prakt. Ernährung umsetzen zu können, sind zu­ dem Fachkenntnisse erforderlich. Hilfreicher und anschaulicher ist deshalb bei Auswahl und Zubereitung der Vollwert der N.: Durch die N. muß der Organismus mit allen essentiellen, d. h. lebensnotwen­ digen Bestandteilen, die der Körper nicht selbst bilden kann, versorgt werden. Die Wahrscheinlichkeit, daß eine Gesamt-N. alle diese Stoffe in ausreichender Menge ent­ hält, ist um so größer, je frischer und naturbelassener die Lebensmittel sind. Denn fast jede Verarbeitung vermin­ dert den natürl. Gehalt der essentiellen Inhaltsstoffe und beschleunigt die Zerstörung des Ordnungsgefüges, in dem höchstwertige Energieformen gespeichert sind (-» Nah­ rungsenergie). Der Grad der Naturbelassenheit und um­ gekehrt der Verarbeitungsgrad ist demnach bei einem sehr großen Teil der heutigen N. ein geeigneter Maßstab für den Gesundheitswert. Da die analyt. Wissenschaft nicht ausschließen kann, daß außer den z. Z. bekannten essen­ tiellen Inhaltsstoffen noch weitere unbekannte existieren, wird empfohlen, sich bei der N.-Wahl sicherheitshalber an eine traditionell bewährte Kost zu halten. Hierauf be­ ruht der Grundsatz von W. -► Kollath: >Laßt unsere Nah­ rung so natürlich wie möglich !< Das bedeutet, daß die Le­ bensmittel nicht völlig unverändert sein müssen und z. T. auch nicht sein sollen (z. B. Hülsenfrüchte, Kartoffeln). Zudem wird auch eine Kost mit bis zu 40% erhitzter N. noch als ideale Vollwertkost angesehen. Neben dem Vollwert ist der Reinwert der N. ein weiteres entscheidendes Merkmal des Gesundheitswerts. Der Reinwert eines Lebensmittels gibt das Ausmaß der Rein­ heit (Fehlen von Schadstoffen) an. Häufigste Schadstoff­ quellen sind: a) Rückstände von Chemikalien, die in der Landwirtschaft eingesetzt werden (z. B. Tierarzneimittel, Pestizide), dazu gehören auch Hormonsubstanzen im Tierfutter; b) Schadstoffe, die aus der Umwelt in die Le­ bensmittel gelangen (z. B. Schwermetalle); c) zugelassene Zusatzstoffe, die langfristig bei hohen Konzentrationen oder bei unsachgemäßer Anwendung gesundheitsschäd­ lich sein können (z. B. Fruchtbehandlungsmittel); d) Gifte, die sich bei der Verarbeitung oder Lagerung bilden (z. B. -»Benzpyren, -»Nitrosamine, -»Aflatoxine); sie können meist nicht durch Erhitzen zerstört werden; e) Gifte, die von Natur aus in Lebensmitteln vorkommen; manche können durch geeignete Bearbeitung unschädlich gemacht werden (z. B. durch Kochen das in grünen Boh­ nen enthaltene Phasein oder das Aalgift). Zu einer Erhöhung des Rein werts der N. tragen deshalb bes. die landwirtschaftl. Produktionsmethoden bei, die weniger oder keine bedenkl. Stoffe erfordern, ferner umweltfreundl. Technologien in Verkehr, Haushalt und In­ dustrie und schließlich jene Verfahren der Lebensmittel­ verarbeitung und Konsumgewohnheiten, die weniger oder keine (schädl.) Zusatzstoffe erfordern. Zusammensetzung. Zur Beschreibung der N.-Mittel werden vielfach die Ergebnisse ehern. Analysen herange­ zogen. Diese geben über den Gesundheitswert eines N.Mittels jedoch nur einen beschränkten Aufschluß. Über­ dies sind solche Analyseergebnisse, wenn sie überhaupt ausgewiesen werden, beim Kauf schwer zu deuten.

NAHRUNG

Ei

Leberwurst Rindfleisch, mager

Schweinefleisch, fett Schweinefleisch, mager Schellfisch

Hering Schinken, geräuchert

Zervelatwurst Fleischwurst

Speck, geräuchert, gesalzen

Schweineschmalz Milchschokolade

Colagetränke Weißwein

AB 35 : :

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Nähr Nach ihrer Bedeutung für den menschl. Organismus teilt man die N.-Inhaltsstoffe ein in: 1) Hauptnährstoffe, bes. -»Kohlenhydrate, -»Eiweiß, -»Fette, in zweiter Linie treten Alkohole und Hydroxysäuren (Milchsäure und >FruchtsäurenReinwertKünstlichkeit< der Nahrungsmittel und fordert eine entsprechende Verbraucheraufklärung. Nahrungsverderb, qualitätsmindernde Beeinträch­ tigung von Nahrungsmitteln bis hin zur völligen Genuß­ 546

untauglichkeit. Man unterscheidet zwischen mikrobiel­ lem N., von Mikroorganismen (Bakterien und Schimmel­ pilzen) bewirkt, deren Vermehrung und Tätigkeit verrin­ gert werden kann, und biochem. N. durch Enzyme, wel­ che die ehern. Reaktionen beschleunigen und häufig aus dem Lebensmittel selbst stammen. Gegen beide Arten hilft z. B. Erhitzen. Chem. N. vollzieht sich meist bedeu­ tend langsamer (z. B. in Konserven und Fetten) und kann durch Abschluß von Licht und Luftsauerstoff stark ver­ zögert werden. Kühllagerung dient fast immer der Ver­ langsamung des N. (-»Kältetechnik). Nahrungsveredlung, Bezeichnung für die Um­ wandlung von für den Menschen geeigneten pflanzl. Nah­ rungsgütern (z. B. Getreide) in (tier.) Veredlungspro­ dukte (Fleisch, Eier), v. a. durch ihre Verwendung als Tierfutter. In der Bundesrep. Dtl. wird etwa 4mal soviel Getreide verfüttert, wie direkt, also als Brei- und Brot­ getreide, von der Bevölkerung verzehrt wird. Die Vered­ lungsprodukte sind vom Ökonom. Gewinn her höherwer­ tig, dies trifft jedoch nicht gleichermaßen auf den gesund­ heitl. Wert zu. Bei der N. treten erhebl. Verluste an Nah­ rungsenergie, Nahrungseiweiß u. a. Nährstoffen auf. Bei der Erzeugung von tier. Nahrungsmitteln gehen im Durchschnitt von 7 Joule (1,7 Kalorien) aus pflanzl. Nah­ rung 6 Joule (1,4 Kalorien) verloren, so daß nur 1 Joule (rd. 0,3 Kalorien) in dem tier. Nahrungsmittel für den Menschen verbleibt. Praktisch bedeutet dies, daß bei ei­ ner Ernährung mit hohem Anteil tier. Nahrungsmittel we­ sentlich weniger Menschen von der gleichen Ackerfläche ernährt werden können als bei einer überwiegend pflanzl. Ernährung. Das ist für die Ernährung der Weltbevölke­ rung von entscheidender Bedeutung. Nährwert, -»Nährstoffe, -»-Nahrung. Nährzucker, leicht verdauliches Kohlenhydratge­ misch aus Dextrin und Maltose (Malzzucker), hergestellt durch Abbau von Stärke. N. wird lediglich besser vertra­ gen als andere Kohlenhydrate, ernährt aber nicht etwa be­ sonders gut (was die Bezeichnung vermuten ließe). N. ist im Darm weniger gärfähig und wird deshalb hauptsäch­ lich bei Dyspepsie verwendet. Im Vergleich zum Haushaltszucker süßt N. weniger, weshalb oft Süßstoff zusätz­ lich gegeben wird. Bestimmte Heilnahrungen enthalten i. d. R. 5% N. Er wird ärztlich verordnet bei Neigung zu dünnen Stühlen und zwecks Aufbau einer Diät nach aku­ ten oder mit Rückfällen auftretenden leichten Ernäh­ rungsstörungen. Naht, 1) Anatomie: Verwachsungslinie (Sutura) von Organ- oder Gewebeteilen, z. B. von Knochen am Schädel (Pfeilnaht). 2) Chirurgie: die künstl. Vereinigung durchtrennter Ge­ webe. Als N.-Material dient z. B. Katgut, ferner Seide, Draht und synthet. Material (Polyamid, Polyäthylenterephthalat u. a.). Nanosomie, der -»Zwergwuchs. Narbe, Cicatrix, Ausheilungszustand einer durch Verletzung, Krankheit oder Operation entstandenen Wunde an der Haut und/oder im Körperinneren. Die N. besteht aus Bindegewebe, das nach Bildung von -► Granu­ lationen auf dem Wundgrund und Zusammenziehung der Wunde (Kontraktion) ein Ersatzgewebe im Bereich der ehemaligen Wunde darstellt. Eine einfache Deckschicht aus Epithelzellen bedeckt das im Vergleich zur Haut nur wenig elast. und kaum belastungsfähige Bindegewebe. Während kleine N. meist keine Beschwerden verursa­ chen, bestehen im Bereich größerer N. oft Berührungs­ empfindlichkeit, Gefühlverlust, Schwellung, Juckreiz, Schmerzen und Verwachsungsstränge. Nach verzögerter Wundheilung ist eine solche N. verbreitert. Im Gesicht bedeuten entstellende N. eine ernste psych. Belastung; durch N. auf den Augenlidern kann der Lid­ schluß behindert sein (Hasenauge). Derbe und ziehende N. über Gelenken (z. B. Hand) führen zu Funktionsbehin­ derung oder sogar fixierter Fehlstellung (-»Kontraktur). Übermäßige bindegewebige Wucherung führt, bei Kin­ dern und Dunkelhäutigen vermehrt, zum -»Keloid. Bei problemat. N.-Bildung, z. B. nach ausgedehnten Verbrennungen, sind häufig Maßnahmen der —»plasti-

Nark sehen Chirurgie erforderlich. Nach Verätzung und Ent­ zündung in Speiseröhre und Darm können narbige Veren­ gungen entstehen; die Überdehnung einer Bauchdecken­ narbe kann einen -» Narbenbruch verursachen. N. in der Bauchhöhle können zu -* Verwachsungen führen. N.-Schmerzen. Während N. nach oberflächl. Wunden keine Beschwerden verursachen, kommt es nach Opera­ tion, Knochenbruch, Amputation und Verletzung größe­ rer Nervenäste häufig zu langdauernden Schmerzzustän­ den im N.-Bereich bei Ruhe, Berührung oder bei Tempe­ ratur- und Wetterwechsel. Ursache dieser Mißempfin­ dung (-► Kausalgie) ist nach Amputation die Wucherung der unterbrochenen Nervenstümpfe, z. B. in Form eines Neuroms (-»Nervengeschwulst); auch werden Fehlregu­ lationen im peripheren oder zentralen Nervensystem an­ genommen. (-» Phantomschmerz) Behandlung: örtl. Einspritzungschmerzausschalten­ der Mittel, N.-Pflege und N.-Korrektur; in hartnäckigen Fällen auch medikamentöse Nervenblockaden und Chir­ urg. Eingriffe am Nervensystem. Narbenpflege, die Verhinderung von Druck- und Scheuerstellen durch Kleidung oder Prothese. Reinhal­ tung, Massagen und Einreibungen dienen der Verhütung von Hautkrankheiten und Durchblutungsstörungen. Narbenbruch, meist im Bereich einer Bauchnarbe entstehender Bauchdecken- oder Eingeweidebruch. Der N. entwickelt sich bes. dann, wenn eine Wunde erst nach längerer Eiterung geheilt ist. Das sich bildende Narbenge­ webe besitzt keine ausreichende Elastizität und Festigkeit, um dem dauernden Druck der Eingeweide, bes. bei Hu­ sten und schweren körperl. Arbeiten, Widerstand entge­ genzusetzen. Behandlung: N. sind nach Möglichkeit zu operieren, bes. wenn dieGefahr der Einklemmung besteht (-»Bruch). Narbenflechte, Lupus vulgaris, -» Hauttuber­ kulose. Narbengeschwüre, infektiöse, chronisch eiternde Hautdefekte in ausgedehnten Narbengebieten, die wegen der schlechten Durchblutung der Narben nicht heilen. Sie erfordern deshalb gelegentlich plast. Operationen. Narbenkarzinom, Narbenkrebs, Krebsge­ schwulst, die v. a. in höherem Lebensalter auftritt und an den unteren Gliedmaßen auf Verbrennungsnarben oder chron. Beingeschwüren entsteht. Charakteristisch sind blutende Fleischwärzchen (-»Granulationen), ein derber Grenzwall gegen die Umgebung, schmierige Nekrosen (-• Brand), schlechte Heilungsneigung. Behandlung: Das N. wird mit der darunterliegenden -►Faszie unter Mitnahme gesunden Gewebes ausge­ schnitten und der Defekt plastisch gedeckt. Die Heilungs­ aussichten sind günstig. Narbenleber, Ausheilungszustand nach akuter nekrotisierender infektiöser Leberentzündung; durch narbige Schrumpfung entsteht eine grobe Höckerung der Leberoberfläche. Die Erkrankung neigt i. d. R. nicht zum Fortschreiten. Mit längerer Dauer der entzündl. Verände­ rungen (Entwicklungeiner chron. Hepatitis) ist jedoch ein Übergang in eine hepatit. -»Leberzirrhose mit narbigen Veränderungen möglich. Die Schrumpfung des Narben­ gewebes kann zur Pfortaderstauung (-»Ösophagusvari­ zen) führen. Narben|niere, höckerige Einziehungen der Nieren­ oberfläche nach Verschluß der Arterien oder Arteriolen der Niere (Niereninfarkt, -* Infarkt) durch Embolie. Das beim Niereninfarkt zerstörte Gewebe wird durch Binde­ gewebe ersetzt. Narbentetanus, -»Wundstarrkrampf. Narkolepsie, eine im Zusammenhang mit den Folge­ zuständen der epidem. Gehirnentzündung selten auftre­ tende, auch ohne erkennbare Ursache (idiopathisch) vor­ kommende Erkrankung. Dabei handelt es sich um plötzl. Funktionsausfälle in den vegetativen Zentren des Mittel­ und Zwischenhirns im Bereich des 3. Ventrikels. Die Stö­ rungen äußern sich in vorübergehendem Einschlafen (Dauer 5-15 Minuten), das mehrmals täglich auftritt. Ein weiteres Symptom ist die Kataplexie in Form von plötzl. 35‘

affektivem Tonusverlust der Muskulatur: Beim Lachen (>Lachschlagtoten< Klang. ferhöhle, i Gerüst der unteren Muschel, k unterer Teil der Die Untersuchung des N.-Innern von vom (vordere hinteren Nasenscheidewand, l Oberkieferknochen, Rhinoskopie) erfolgt mit dem N .-Spekulum; zur Üntersum Nasenboden (Gaumenbein), n unterer, o mittlerer, p oberer Nasengang, q Jochbein, r Stirnbein chung der hinteren N.-Höhle und der Choanen (hintere 548

Nase Rhinoskopie) dient der dem Kehlkopfspiegel ähnl. kleine N.-Rachenspiegel, durch den die hintere N.-Höhle von der Rachenhöhle aus beleuchtet wird. Näseln, Rhinolalie, organisch oder funktionell be­ dingter oder angewöhnter Sprachfehler: Der Nasenraum bleibt zur Mundhöhle hin offen, wenn er geschlossen, oder geschlossen, wenn er offen sein sollte. Nasenlaute sind m, n, ng; ist dabei die Nase verlegt, so wird >geschlossen< genäselt (Rhinolalia clausa, >Stockschnupfenspracheoffen< genäselt (Rhinolalia aperta), z. B. bei Gaumensegellähmungen oder Gaumenspalten, normal bei genäselten Selbstlauten im Französischen. Nasenbein, — Nase. Nasenbluten, Epi|staxis, Ausdruck einer örtl. Stö­ rung im Bereich der Nase oder allgemeinen Erkrankung. Bei örtlich bedingtem N. blutet es i. d. R. aus einem klei­ nen Gefäß im vorderen Teil (Locus Kiesselbachi) der Na­ senscheidewand, vielfach ausgelöst durch unvorsichtige Berührung oder heftiges Schneuzen. Auch Austrock­ nungserscheinungen, Geschwülste in der Nase oder äu­ ßere Gewalteinwirkung, z. B. Schädel- oder Nasenverlet­ zung, können Ursachen von N. sein. Als Zeichen einer Allgemeinerkrankung kommt N. vor: bei Krankheiten des Kreislaufs (hoher Blutdruck), der Gefäße (Arterienverkalkung und dadurch bedingte Gefäßbrüchigkeit) und der Nieren, bei hämorrhag. Dia­ these (Blutungsneigung durch Schädigung feinster Blut­ gefäße aus verschiedener Ursache), auch als vikariieren­ des (>stellvertretendeskalten< Abszeß übergehen kann, der dann die Haut durchbricht. Diese Form der N. hat oft eine tuberkulöse Ursache. Behandlung: Bettruhe, Hochlagern des Hodensacks; feuchte kühlende Umschläge, Antibiotika. Bei unspezif. N. Anlegen eines -»Suspensoriums, heiße Sitzbäder, Kurzwellenbehandlung. Die Entfernung des Neben­ hodens kann notwendig sein. Bei Tuberkulose Anwen­ dung von Tuberkulostatika. Nebenhöhlen, Höhlenbildungen des Gesichtsschä­ dels, die mit der Nasenhöhle in Verbindung stehen: Kie­ ferhöhlen (-»Oberkiefer), Stirnhöhlen (-»Stirnbein), Siebbeinzellen oder Siebbeinlabyrinth (— Siebbein), Keil­ beinhöhlen (-»Keilbein). Über Erkrankungen der N. — N asenkrankheiten. Neben|nieren, zwei den oberen Nierenpolen halb­ mondförmig aufsitzende, flache, etwa 12 g schwere Drü­ sen mit innerer Sekretion. Entwicklungsgeschichtlich, der Funktion und dem Gewebsaufbau nach lassen sich zwei Organanteile unterscheiden: das Nebennierenmark (Abk. NNM) und die Nebennierenrinde (Abk. NNR). Beide erzeugen mehrere lebenswichtige Hormone. Das Hormon des Nebennierenmarks, das — Adrenalin, wirkt steigernd auf den Blutdruck und den Zuckergehalt des Blutes. Es ist das erste Hormon, dessen ehern. Konsti­ tution um die Jahrhundertwende geklärt wurde. Die Auf­ findung des Noradrenalins folgte erst 1944. Die NNR-Hormone zeigen in ihrem Aufbau große Ähnlichkeit mit den männl, und weibl. Keimdrüsenhor­ monen sowie mit dem Cholesterin; sie gehören zu den — Steroiden. Die Hauptgruppen werden nach ihrer peri­ pheren Wirkung unterschieden. Zu ihnen zählen: 1) die Glucocorticoide. Hauptvertreter sind Cortisol und Cortison als die Streßhormone i. e. S. mit Wirkung auf Kohlenhydrat-, Fett- und Eiweißstoffwechsel. 2) die Mineralcorticoide. Hauptvertreter ist Aldosteron mit Wirkung auf Wasser- und Elektrolytstoffwechsel. 3) die Androgene. Zu ihnen gehört u.a. Testosteron mit Wirkung auf die Ausprägung der sekundären Ge­ schlechtsmerkmale. Cortison und seine synthet. Derivate haben bei der Pharmakotherapie besondere Bedeutung erlangt (Hor­ monbehandlung). Nebennierengeschwülste und geschwulstartige Wuche­ rungen von Rinde oder Mark sind verhältnismäßig selten: Sie machen sich gelegentlich durch gesteigerte Hormon­ erzeugung (Hyperkortizismus) bemerkbar, wie z. B. die Cushingsche Krankheit. N.-Rindengeschwülste im Kin­ 551

Nebe desalter führen zum vorzeitigen Auftreten von sekundä­ ren Geschlechtsmerkmalen. Bei Erwachsenen kann es zur Umkehr der äußeren Geschlechtsmerkmale kommen (z. B. Bartwuchs bei Frauen). Von den N.-Markgeschwül­ sten werden oft blutdrucksteigernde Hormone gebildet (-►Phäochromozytom). Über Unterfunktion der N. (Hypokortizismus) -► Addisonsche Krankheit. Nebenschilddrüsen, Epithelkörperchen, Or­ gane mit -*innerer Sekretion. Nebenwirkungen von Arzneimitteln, uner­ wünschte Begleiterscheinungen der angestrebten therapeut. Arzneimittelwirkungen, die bei nahezu allen Arz­ neimitteln auftreten können. Sie haben ihre wichtigsten Ursachen darin, daß Arzneimittel meist mehrere Wirk­ orte (Zielorgane, Zielgewebe) und damit auch mehrere Wirkungen haben. Weiterhin sind die Funktionen der ein­ zelnen Organsysteme so eng miteinander verbunden, daß der Eingriff in ein System fast zwangsläufig Funktions­ änderungen auch in anderen Systemen bewirkt. Die mei­ sten Nebenwirkungen sind abhängig von der Arzneimit­ teldosis, d. h. bei geeigneter Dosierung halten sie sich in vertretbaren Grenzen. Hyperergie oder Idiosynkrasie ist eine bei manchen Menschen mit erblich bedingter Veranlagung vorkom­ mende, extrem starke Reaktion auf manche Medika­ mente. Allergische Reaktionen (-»Allergie) sind weitge­ hend dosisunabhängige, abnorme Reaktionen auf Arz­ neimittel u. a. Stoffe. Vergiftungen können bei unsachge­ mäßem Gebrauch (zu hohe Dosis, falsche Anwendung von Arzneimitteln u. a.) auftreten. Negativismus, Verhaltensstörungen, die sich als all­ gemeiner Widerstand gegen die Umwelt, starre, feind­ selige Haltung und geringe Beeinflußbarkeit zeigen. Beim aktiven N. wird mit einem zur äußeren Erwartung gegen­ teiligen Verhalten, beim passiven N. mit Unterlassung ei­ ner erwarteten Handlung reagiert. Vorkommen bes. bei Katatonie (-»Schizophrenie); i. w. S. abgeschwächt als negative Phase auch in den Trotzperioden der kindl. und jugendi. Entwicklung. Negativliste, ein durch den Gesetzgeber mit Wirkung v. 1.4. 1983 geänderter Text des § 182 f. RVO (Reichsver­ sicherungsordnung). Danach sind für Kranke, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, Arzneimittel bei Erkäl­ tungskrankheiten und grippalen Infekten, Mund und Ra­ chentherapeutika (außer bei Pilzinfektionen), Abführ­ mittel und Arzneimittel gegen Reisekrankheit von der kassenärztl. Versorgung ausgeschlossen. Die Verord­ nung kann also nur noch auf Privatrezept (Kostenerstat­ tung durch den Patienten selbst oder seine Privatkrankenkasse) erfolgen. Neidnagel, Niednagel, -»Nagelkrankheiten. Nekrobiose, das langsame Absterben von Zellen im Zwischen-(Intermediär-)Stadium zwischen Leben und Zelltod, im Ggs. zu dem als Nekrose bezeichneten, rasch einsetzenden Gewebstod als Endstadium einer örtl. Stoff­ wechselstörung. Nekrose, umschriebener (abgegrenzter) Gewebstod als Folge einer Stoffwechselstörung durch Zellschädi­ gung, z. B. im Fettgewebe (Fettgewebs-N.) und bei der Ar­ teriosklerose (atheromatöse N.). Ursachen sind oft Durchblutungsstörungen, wobei ehern, (bakterielle Gifte) oder physikal. Ursachen (Hitze, Kälte, Strahleneinwirkung) eine zusätzl. Rolle spielen können. Die N. führt zum Krankheitsbild des -»Brands. Nelken |öl, das in den Blütenknospen des zu den Myr­ tengewächsen (Myrtaceae) gehörenden Gewürznelken­ baums, Syzygium aromaticum (auch Eugenia caryophyllata genannt), enthaltene äther. Öl; es ist als Oleum caryophylli offizinell. N. enthält 80—96% Eugenol sowie Azetyleugenol und ist eine fast farblose bis schwach gelb­ lich gefärbte Flüssigkeit; wegen der schwach anästhesie­ renden und antisept. Wirkung in der Zahnheilkunde ver­ wendet, als Duft- und Würzstoff in der Parfümerie und Aromenherstellung. Heilkundl. Anwendung: Heilpflan­ zen, Übersicht. Nematoden, die -»Fadenwürmer.

552

Neoplasma,

abnorme Gewebsneubildung (-»Ge­

schwulst).

operative Entfernung einer Niere. die — Nierenentzündung. Nephrographie, Isotopen|nephrographie, die Bestimmung und Aufzeichnung der Durchblutungsgröße und Ausscheidungsleistung der Nieren nach intravenöser Injektion einer harnpflichtigen, mit Radionukliden mar­ kierten Substanz (z. B. 131 J-Hippursäure) mittels sym­ metrisch über den Nierenlagern angebrachter Szintilla­ tionszähler (Szintigramm). Die N. ergänzt die Röntgen­ untersuchung der Nieren und ermöglicht Erkennung und Lokalisierung von Nierenfunktionsstörungen. Die Weichteildarstellung des Nierenparenchyms nach intra­ venöser Injektion eines nierengängigen Röntgenkontrast­ mittels (Radionephrographie) gilt als Zeichen der begin­ nenden Ausscheidung. Nephrolithiasis, die Nierensteinkrankheit (-»Nie­ rensteine). Nephrologie, die Lehre vom Bau der gesunden und kranken Niere, ihren Funktionen und den Auswirkungen von Nierenkrankheiten auf den Gesamtorganismus. Der Nephrologe, ein internistisch weitergebildeter Arzt mit besonderen Kenntnissen auf dem Gebiet der Nieren­ krankheiten, behandelt diese konservativ, der Urologe operativ (-»Urologie). Nephrom, vom Nierengewebe ausgehende Ge­ schwulst. (-»Nierenkrebs) Nephroptose, die -»Wanderniere. Nephros, die -»-Niere. Nephrose, früher übliche Bezeichnung für Nieren­ erkrankungen sehr unterschiedl. Entstehung und Ver­ laufsform, deren gemeinsames Symptom eine erhebliche Eiweißausscheidung im Urin ist. Mit den früher zur Ver­ fügung stehenden mikroskop. Methoden konnten krank­ hafte Veränderungen in Gefäßschlingen der Filterkörper­ chen (Glomerula) der Nieren nicht gefunden werden. Man stellte hingegen mikroskopisch deutlich erkennbare Ver­ änderungen an den Epithelzellen der Harnkanälchen (Tu­ buli) fest und deutete diese als Hinweis auf eine mögliche degenerative Erkrankung ohne Entzündungsbeteiligung. Seitdem durch verbesserte mikroskop., elektronenmikroskop. und immunhistolog. Untersuchungsmetho­ den erwiesen ist, daß eine erhöhte Glomerulusundurchlässigkeit für Serumeiweißkörper unabhängig von der Grundkrankheit zu vermehrter Eiweißausscheidung im Urin führt, gilt die Bezeichnung -»nephrotisches Syn­ drom. Nephro|sklerose, -► Schrumpfniere. nephrotisches Syndrom, engl. minimal-changes-nephritis [m'iniml tJ'eindjiz nefr'aitis], früher Lipoidnephrose, eine Erkrankung überwiegend im Kindesalter, bei der die feingewebl. Veränderungen so ge­ ring sind, daß sie nur mittels besonderer mikroskop. Techniken (Elektronenmikroskopie) erkannt werden können. Mit Hilfe der Serumelektrophorese ist zu erse­ hen, daß sich die Zusammensetzung des Serumeiweißes deutlich von der Gesunder unterscheidet. Ursache ist fast immer eine vorangegangene Nierenschädigung, die zum Auftreten von Fett (Lipurie) und Eiweiß (Proteinurie) im Harn führt. Die Kinder sind anfällig für Infektionen, die Erkrankung erstreckt sich über Monate und Jahre. Auch beim n. S. der Erwachsenen liegt in einem hohen Prozentsatz eine primäre Nierenkrankheit vor. System­ erkrankungen, z. B. eine längerdauernde Zuckerkrank­ heit, die oft die Nieren beteiligt, können ebenso zu einem n. S. führen wie seltenere andere Erkrankungen. Die Behandlung richtet sich immer nach der Grund­ krankheit, wobei bes. nach der Ursache der primären Nie­ renerkrankung zu fahnden ist. Eine Behandlung mit Ne­ bennierenrindenpräparaten (Cortison) ist oft nicht zu umgehen. Nephrotomie, Einschnitt in die operativ freigelegte Niere. N. kann notwendig sein bei Nierenabszeß, Nieren­ steinen, zur Entlastung (Dränage) des Nierenbeckens. Nephrektomie,

Nephritis,

Nerv das Nervensystem und Teile von ihm betref­ fend. N. ist abzugrenzen von nervös (-»Nervosität). Nerven, gebündelte Nervenzellfortsätze, die der Erre­ gungsleitung zwischen dem Zentralnervensystem und dem übrigen Organismus dienen. Sie bestehen aus mark­ haltigen und marklosen N.-Fasern. Die einzelnen N.-Fa­ sern werden von zartem Bindegewebe (Endoneurium) umhüllt, einige bis zu mehreren hundert N.-Fasern von strafferem Bindegewebe zu Kabeln zusammengefaßt (Pe­ rineurium), das Epineurium verbindet alle Kabel unter­ einander und mit der Umgebung. Die großen N.-Stämme sind Stricknadel- bis fingerdick, die feinsten Verästelun­ gen mikroskopisch klein. Die vom Zentralnervensystem (Gehirn und Rücken­ mark) ausgehenden N. werden nach Funktion und Lei­ tungsrichtung unterschieden. Die von den Sinnesendigungen (Endkörperchen, Rezeptoren) zum Zentralner­ vensystem leitenden N. heißen Empfindungs-N. (sen­ sible, sensorische oder afferente N.), die vom Zentralner­ vensystem zu den motorischen Endplatten der willkür­ lichen Skelettmuskeln ziehenden N. heißen Bewegungs-N. (motorische, efferente N.). Dazu kommen die N. des vegetativen Nervensystems. Die zerebrospinalen N. gliedern sich in Gehirn-N. und Rückenmarks- oder Spinal-N-, deren Anzahl von der Länge des Rückenmarks abhängt. Die größeren N. entspringen aus N.-Geflechten und enthalten sowohl motorische als auch sensible Fasern nerval,

(gemischte N.).

Die Nervenleitungsgeschwindigkeit beträgt 0,1—135 m/s und ist um so höher, je dicker und markhaltiger die N.-Faser ist. Die ruhende Membran der N.-Faser ist au­ ßen positiv, innen negativ geladen (Ruhepotential), bei Erregung erfolgt eine Spannungsumkehr (Aktionspoten­ tial, -»Aktionsstrom). Der Impuls pflanzt sich entlang der N.-Faser fort, bei markhaltigen Fasern verläuft er sprung­ haft von einem Ranvierschen Schnürring zum andern (sal­ tatorische Erregungsleitung). Dadurch wird die Leitungs­ geschwindigkeit erhöht und der Energieverbrauch ernied­ rigt. Wird ein N. verletzt, so verliert der von der N.-Zelle abgetrennte Teil seine Erregbarkeit und zerfällt (N.-Dege­ neration). Die Faser kann jedoch (außer in Gehirn und Rückenmark) von der N.-Zelle wieder in die alten Bahnen hineinwachsen, sofern der N. nicht völlig durchtrennt war (N.-Regeneration). -»Nervensystem Nervenchirurgie, die ->■ Neurochirurgie. Nervenentzündung, Neuritis, krankhafte Vor­ gänge an den peripheren Nerven, hervorgerufen durch Entzündungen, Vergiftungen (z. B. Blei, Alkohol) oder Verletzungen. Auch dauernde, übermäßige Beanspru­ chung kann das Bild einer N. verursachen (-► Beschäfti­ gungsneuralgien). Es gibt auch N. in fortgeschrittenen Stadien bösartiger Krankheiten, z. B. bei Krebs; sie sind anders zu beurteilen als die N., die zu dem Formenkreis der rheumat. Erkrankungen gehören. Verlauf. Eine N. beginnt entweder mit Empfindungs­ störungen, z. B. Kribbeln, Taubsein (Parästhesien, -►Einschlafen der Glieder), Schmerzen, oder mit Schwä­ che, Unsicherheit bei der Ausführung bestimmter Bewe­ gungen . In diesem Stadium bestehen fließende Übergänge zur -»Neuralgie. Schreitet die N. fort, so treten ausge­ prägte Empfindungslosigkeit und Lähmung im Gebiet der betroffenen Nerven auf. Die N. kann entweder nur ei­ nen oder viele Nerven befallen (-»Polyneuritis). Der Verlauf ist meist günstig. Nur wenn lebenswichtige Nerven befallen werden, können sich, selten auftretende, ernste Komplikationen ergeben. Für die Behandlung steht dem Arzt eine große Zahl erprobter medikamentöser, physikal. und diätet. Verfah­ ren zur Verfügung. In schweren Fällen ist Bettruhe gebo­ ten. Dabei muß darauf geachtet werden, daß die Glieder zweckmäßig gelagert sind, um Versteifungen der Gelenke zu verhüten. Im Heilungsstadium ist von Krankengymna­ stik ausgiebig Gebrauch zu machen. Ist die N. Anzeichen einer bekannten Grundkrankheit, z. B. der Zuckerkrank­ heit, so muß in erster Linie diese behandelt werden. Liegt eine gewerbl. Vergiftung vor, muß der schädigende Stoff dem Kranken ferngehalten werden. Handelt es sich bei der N. um Folgen eines mechan. Drucks durch Geschwulst,

Geschoßsplitter, Bandscheibenvorfall, so kommt auch Operation in Betracht. Nervengeschwulst, Neurom, eine an den Nerven vorkommende, gutartige Geschwulst, die nicht vom eigentl. Nervengewebe, sondern von der Hülle, dem Neuri­ lemm, ausgeht und daher eigtl. als Neurilemmom zu be­ zeichnen ist. Sie kann je nach Sitz (z. B. am Gehör- und Gleichgewichtsnerv, Nervus statoacusticus) die Erschei­ nungen einer Gehirngeschwulst oder (an einem periphe­ ren Nerv) Lähmungen hervorrufen. An Amputations­ stümpfen entwickeln sich zuweilen an den abgeschnitte­ nen Nervenenden Nervenknoten, die hauptsächlich aus Bindegewebe bestehen und starke Schmerzen auslösen können (Amputationsneurom, -»Amputation). Nervengifte, Neurotoxine, Stoffe, die auf Grund einer Affinität das Nervensystem in besonderem Maß schädigen. Bei höherer Dosierung oder Mißbrauch kön­ nen sich auch andere Substanzen, z. B. Arzneimittel oder Alkohol, alsN. auswirken. Nervenkrankheiten, zusammenfassende, volkstüml. Bezeichnung für alle Krankheiten des Nervensy­ stems. Zu den N. gehören alle organ. Störungen des Ge­ hirns (-► Gehirnkrankheiten), des Rückenmarks, der peri­ pheren Nerven (-»Nervenentzündung) und des -»vegeta­ tiven Nervensystems. Vielfach werden fälschlicherweise auch die seelischen Krankheiten den N. zugerechnet. Ein Zusammenhang mit Erkrankungen der inneren Or­ gane ist bisweilen anzunehmen; sind diese aber seelisch ausgelöst, so besteht keine organ. N., sondern eine Stö­ rung leiblich-seel. Vorgänge. Nervenlähmung, -»Lähmung. Nerven|naht, -»Neurochirurgie. Nervenpunktmassage, von A. Cornelius!* 1865, 1 1933) eingeführte Form der — Massage. Nervenschmerz,

die-»Neuralgie.

Nervenschwäche, — Nervosität. Nervensystem, ein den gesamten Körper durchzie­ hendes System aus Nervenzellen und Nervenfasern (Ner­ vengewebe), die Informationen aufnehmen, weitergeben, blockieren oder speichern können und somit ein Kommu­ nikationssystem bilden, das es dem Körper ermöglicht, auf innere oder äußere Reize zu reagieren. Aus letzterem Grund unterscheidet man das Umwelt- oder zerebrospi­ nale N., das den Kontakt mit der Außenwelt ermöglicht, vom Lebens-N. oder autonomen (vegetativen) N., wel­ ches die Steuerung der Körperfunktionen (Herz, Darm, Drüsen u. a.) übernimmt. Beide hängen aber funktionell und anatomisch eng zusammen. Die Unterteilung deutet nur die jeweilige Richtung der Arbeitsweise des N. an. Das zerebrospinale N. wird nach den beteiligten Gebil­ den unterteilt in 1) das aus Gehirn und Rückenmark beste­ hende Zentral-N. und 2) das periphere N., das aus den Kopf- oder Hirnnerven, den Rückenmark- oder Spinal­ nerven und dem angegliederten vegetativen N. besteht. Die funktionelle und morpholog. Baueinheit des N. ist die Nervenzelle (Ganglienzelle), die mit ihrem Zelleib und den zugehörigen Fortsätzen als Neuron bezeichnet wird. Diese Neurone sind so miteinander verschaltet, daß die In­ formation von ihnen auf andere Neurone verteilt (Diver­ genzprinzip) oder die Information aus mehreren Neuro­ nen auf eines konzentriert werden kann (Konvergenzprin­ zip). Bestimmte komplizierte Schaltungsmuster, wie sie im Gehirn vorkommen, sind in der Elektronik übernom­ men worden. Neben den Nervenzellen sind am Aufbau des N. auch Gljazellen beteiligt. Sie haben u. a. Stütz- und Ernäh­ rungsfunktion und sind bei der Regeneration zerstörter Nervenfasern von großer Bedeutung. Feinbau des N. Die Nervenzellen verarbeiten und lei­ ten Signale (elektr. Impulse) weiter. Im menschl. Gehirn kommen 10l2= 1 Billion Nervenzellen vor. Sie unterschei­ den sich durch ihre Form, bes. die Fortsätze (Axone oder Neuriten und Dendriten), die vom Zelleib (Perikaryon) abgehen. Im Perikaryon kann man mit Spezialfärbungen die Nisslsubstanz (Nisslschollen) darstellen. Es handelt sich dabei um Ribonukleinsäure, die der Bildung von Ei-

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Nerv Großhirn

Nervenbahnen zum Hirnstamm und Rückenmark

Auge

Zwischenhirn

I

parasympathische Fasern, dem III. Hirnnerven, /II. Hirnnerven beigemischt Speicheldrüsen Blutgefäße des Kopfes

Schilddrüse verlängertes

Herz

Halswirbel