Der Gesundheits-Brockhaus
 3765303585, 9783765303586

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

DER GESUNDHEITS-BROCKHAUS

DER GESUNDHEITS BROCKHAUS DRITTE, VÖLLIG NEU BEARBEITETE AUFLAGE

Mit über 1'600, weitgehend farbigen Abbildungen, graphischen Darstellungen, einem Modell der inneren Organe und einer Anleitung zur Ersten Hilfe

Unter Mitarbeit von Professor Dr. med. Meta Alexander, Berlin, Privatdozent Dr. med. Peter H. Althoff, Frankfurt/Main, Professor Dr. med. Gerhard Aumüller, Marburg, Professor Dr. med. Gerhard Baltzer, Marburg, Professor Dr. rer. nat. Jörg Barner, Freiburg i. Br., Professor Dr. med. Wilhelm Blasius, Gießen, Hans-Georg Borowski, Marburg, Professor Dr. med. Georg Brehm, Ludwigshafen/Rh., Dr. med. Sigrun Chrubasik, Freiburg, Dr. med. Joachim Chrubasik, Freiburg, Professor Dr. med. Manfred P. Dierich, Innsbruck, Wolf G. Dörner, Inzell, Professor Dr. phil. Irene Eichberger-Kiener, Wiesbaden, Professor Dr. med. Joachim Eichler, Wiesbaden, Professor Dr. med. vet. Hans Eikmeier, Gießen, Professor Dr. med. Peter Emmrich, München, Professor Dr. med. Gerhart Erdmann, Mainz, Professor Dr. med. Claus-Jürgen Estler, Erlangen, Professor Dr. med. Hans-Georg Fassbender, Mainz, Professor Dr. phil. Hans Fleischhacker, Frankfurt/Main, Professor Dr. med. Hellmuth Freyberger, Hannover, Professor Dr. med. Walter Fuhrmann, Gießen, Dr. med. Eckhard Gebert, Bad Neuenahr-Ahrweiler, Pro­ fessor Dr. phil. Egbert Geyer, Marburg, Professor Dr. med. et Dr. phil. Herbert Göpfert, Freiburg/Br., Dr. med. Heinz Gundlach, Heiden­ heim, Professor Dr. med. Friedhelm Hess, Marburg, Dr. med. Benedikt Hilka, Hannover, Professor Dr. med. Wildor Hollmann, Köln, Dr. med. Jörg D. Hoppe, Düren, Dr. med. Johann Klahn, Freiburg/Br., Professor Dr. med. Karl-Friedrich Klippel, Celle, Dr. med. Will Klun­ ker, Heiden, Dr. med. Erich Krug, Helmstadt/Bargen, Privatdozent Dr. med. Dr. phil. Wolfram Kurth, Wiesbaden t, Professor Dr. med. Paul Lüth, Knüllwald-Rengshausen, Professor Dr. med. Joseph Matzker, Köln, Dr. med. Friedrich Mehlhose, Berlin, Dr. med. Stephan Mies, Hannover, Professor Dr. med. Irmgard Oepen, Marburg, Professor Dr. med. Hansjürgen Raettig, Berlin, Dr. med. dent. Alfred Rau, Wiesbaden, Dr. med. Jörg R. Rether, Hannover, Professor Dr. med. Wolfgang Rotter, Frankfurt/Main, Professor Dr. med. Hans Schadewaldt, Düsseldorf, Dr. med. Christoph Schönle, Kiel, Professor Dr. med. Willi Spielmann, Frankfurt/Main, Gerhard Vogt, Düsseldorf, Oberarzt Dr. med. Klaus-J. Volkmer, Hamburg, Ministerialrat Dr. med. Rolff Wagner, Bonn, Professor Dr. med. Dr. jur. Reinhard Wille, Kiel, Professor Dr. med. Günter Wirth, Heidelberg, Dr. med. Hanns-Dieter Wolff, Trier, Prof. Dr. med. habil. Marian Zierski, Gießen

Begründet von Prof. Dr. H. Mommsen t; in der Lexikon-Redaktion des Verlages bearbeitet von Dr. med. Eberhard Hilka, Wiesbaden

F. A. BROCKHAUS

WIESBADEN

In diesem Buch werden, wie in allgemeinen Nachschlagewerken üblich, etwa bestehende Patente, Gebrauchsmuster oder Warenzeichen nicht erwähnt. Wenn ein solcher Hinweis fehlt, heißt das also nicht, daß eine Ware oder ein Warenname frei ist.

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Der Gesundheits-Brockhaus/unter Mitarb. von Meta Alexander . . . Begr. von H. Mommsen, bearb. von Eberhard Hilka 3., völlig neu bearb. Aufl. - Wiesbaden : Brockhaus, 1984 ISBN 3-7653-0358-5 NE: Alexander, Meta [Mitverf.]; Mommsen, Helmut [Begr.]; Hilka, Eberhard [Bearb.]

Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus auf fotomechanischem Wege zu vervielfältigen (Fotokopie, Mikrokopie) oder in Zeitungen und Zeitschriften, Rundfunk und Fernsehen oder anderen Medien zu verbreiten. © F. A. Brockhaus, Wiesbaden 1984 - V. Nr. W 1640 - ISBN 3-7653-0358-5 - Printed in Germany Schutzumschlag und Einband nach Entwurf von Peter Plasberg, Hamburg Satz: Satzzentrum Oldenburg GmbH, Oldenburg (Oldb) - Druck und Bindung: Neue Stalling GmbH, Oldenburg (Oldb) Druck des Modells >Der Mensche Gloatz, Hille & Co., Berlin

A Aalgift, im Aalblut vorkommendes, dem Schlangen­ gift ähnl. Ichthyotoxin (Fischgift) mit blutzersetzender (hämolytischer) Wirkung; wird durch Erhitzen des Aals zerstört. Abbe, Ernst, Physiker und Sozialreformer, * Eisen­ ach 1840, t Jena 1905, revolutionierte als Mitarbeiter von C. Zeiss (seit 1866) den Bau opt. Geräte durch seine noch heute gültige Theorie der Bildentstehung im Mikroskop und neue Meß- und Prüfverfahren. Nach dem Tod von Zeiss (1888) machte er die von ihm gegr. Carl-Zeiss-Stiftung, in der er wegweisende soziale Neuerungen ein­ führte, zur Alleininhaberin der Zeiss-Werke.

Ab binden, das Zusammendrücken von Blutgefä­ ßen; Notmaßnahme zur vorläufigen -» Blutstillung, wenn größere Gefäße verletzt sind (-»Erste Hilfe, Anhang); auch Maßnahme des Chirurgen, wenn er in Blutleere ope­ rieren will (nach F. v. Esmarch, * 1823,11908), um bes­ sere Übersichtlichkeit im Gewebe zu schaffen oder um stärkeren Blutverlust zu vermeiden, z. B. bei Amputatio­ nen. Zum A. wird meist ein etwa 6 cm breites Gummiband verwendet, mit dem das abzubindende Glied so fest um­ schlungen wird, daß die Hauptschlagader zusammenge­ preßt und dadurch der Durchfluß des Bluts unterbunden wird (nicht länger als 2 Stunden ununterbrochen zulässig; Gefahr von Gewebsschädigungen und Nervenläh­ mungen). Ab|bruchblutung, Blutung aus der Gebärmutter­ schleimhaut, die bei anovulatorischem Zyklus (Men­ struationszyklus ohne Eisprung) oder nach Absetzen ei­ ner Hormonbehandlung infolge Entzug von Östrogen (Östrogenentzugsblutung) oder Progesteron auftritt. Die Schleimhautabstoßung verläuft unvollständig und lang­ samer als bei einer echten Menstruationsblutung.

ABC-Schäden, Abk. für atomare, biolog. undchem. Einwirkungen im Rahmen krieger. Handlungen oder bei (Reaktor-, Labor-, Transport-)Unfällen. 1) atomare Schäden, durch Alpha-, Beta-oder Gamma­ strahlen bewirkte -»Strahlenschädigungen. Ihr Ausmaß hängt von der Gesamtmenge der durch den Körper aufge­ nommenen Strahlendosis (-► Strahlenschutz) ab. Sym­ ptome: Übelkeit, Erbrechen, Hautrötung, Blutungen, Haarausfall, Durchfall, Zerstörung des Knochenmarks mit Zusammenbruch der Infektabwehr, Schockwirkung, Fieber, Krampfzustände, Kreislaufversagen. 2) biolog. Schäden, durch Verbreitung von Krank­ heitserregern (Viren, Bakterien, Pilze) ausgelöste Epide­ mien; auch Vernichtung von Nutzpflanzen durch Ein­ bringung von Schädlingen. 3) ehern. Schäden, durch Gifte, Giftkampfstoffe und Pflanzenvernichtungs- (z. B. Entlaubungs-)Mittel her­ vorgerufene Vergiftungen, Verätzungen oder Verbren­ nungen. Kombinationsschäden können z. B. in Form von Ver­ strahlung, Verbrennung und/oder Verbrühung bei Reak­ torunfällen auftreten. Der Beseitigung und Abwehr von ABC-S. dienen spezielle Organisationen, z. B. ABC-Ab­

wehreinheiten der Bundeswehr, Techn. Hilfswerk. (-» Katastrophenmedizin, -»Triage-Index) Abderhaldensche Reaktion [n. dem schweizer. Physiologen E. Abderhalden, * 1877,11950],-»Abwehr­ fermente. Abdomen das, -» Bauch. Aberglaube, Glaube an naturgesetzlich unerklär­ bare und deshalb naturwissenschaftlich geleugnete Kräfte. Wird im religiösen Bereich die Grundbeziehung zum >Heiligen< nicht in der Innerlichkeit ihres religiösen Gehalts erlebt, können die ursprünglich in hl. Personen oder Gegenständen, z. B. Reliquien, verehrten Mächte zu bloßen Zauberkräften werden. Aus der >aufgeklärten< Sicht des Menschen im techn. Zeitalter werden Volks­ bräuche häufig vorschnell als A. abgetan; sie sind jedoch oft Formen eines nach außen verlegten Umgangs mit dem Unbewußten, u. a. der Angst vor unbeherrschten Mäch­ ten (Dämonenvertreibung, magische Reinigungsproze­ duren, karnevalist. Bräuche). Der medizin. Volksglaube enthält neben praktisch bewährtem Erfahrungsgut (Volksmedizin) auch nichtrealitätsbezogene Vorstellun­ gen über den Kranken (-»Exorzismus) und Krankheits­ verläufe; dabei können (teils in betrüger. Ausnutzung abergläub. Vorstellungen) gesundheitsgefährdende Maß­ nahmen angewendet werden (z. B. Gebrauch von Lei­ chenteilen, Verabreichung von Blut, Eiter oder Kot, Aus­ übung von psych. Druck mit Verdächtigung Unschuldi­ ger, die durch ihren >bösen Blickt oder angebl. Zaubereien Unglück bringen sollen). Die Psychologie sieht die Be­ gründung für die mannigfachen Formen des A. der mo­ dernen Gesellschaft in den Motiven der Angst und des Glücksverlangens, also als Ausdruck des Wunschdenkens und Sicherungsbedürfnisses (Verwendung von Hufeisen­ symbolen u. ä.). Abfälle, bei der Verarbeitung und Aufbereitung von Stoffen in Haushalt, Gewerbe und Industrie anfallende, i. d. R. nicht mehr verwertbare Stoffe. Sie können Ge­ sundheit und Wohlbefinden durch Krankheitserreger, Geruch und Aussehen beeinträchtigen, auch auf dem Um­ weg über Boden, Wasser und Luft Schaden anrichten (bes. Giftstoffe und radioaktive Substanzen aus indu­ striellen Fertigungsprozessen und Kernkraftwerken). A. von Nahrungsmitteln gehen leicht in Gärung und Fäulnis über und müssen vor Schädlingen (Insekten, Mäusen, Ratten, streunenden Haustieren) als möglichen Krank­ heitsüberträgern gesichert und schnell beseitigt werden, (-►städtische Abfallstoffe) Abführmittel, Laxanti|en, Ez. das Laxans, Mittel, die eine vermehrte Darmentleerung bewirken, unterschie­ den nach ihrer Wirkung auf den Dickdarm, den Dünn­ darm oder auf beide. Die Dünndarmmittel werden einge­ teilt in mechanisch wirkende und solche, die durch ehern. Reizung der Darmschleimhaut eine vermehrte Darmbe­ wegung (Peristaltik) auslösen. Die ersteren wirken peri­ staltikanregend durch Vermehrung der Wassermasse des Darminhalts; zu ihnen gehören Mineralsalze wie Karls­ bader Salz, Bittersalz, Glaubersalz, Seignettesalz, einige 5

Ernst Abbe

Abga natürl. Mineralwässer und Quellstoffe wie Agar-Agar und Zellulose. Rizinusöl wirkt durch ehern. Reizung der Darmschleimhaut. Dickdarmmittel sind bes. Sennesblät­ ter, Faulbaumrinde, Aloe und der ostind. Rhabarber. Die in ihnen enthaltenen Anthrachinonabkömmlinge regen auf dem Blutweg die Dickdarmmuskulatur an. Als Gleit­ mittel dient das Paraffinöl. Der ständige Gebrauch kann, auch bei natürl. A., zu Schädigungen der Darmschleimhaut und des Mineral­ stoffhaushalts führen durch Verlust von Wasser und Elektrolyten wie Natrium, Kalium und Kalzium. Die — Verstopfung sollte ursächlich, bes. durch Änderung der Ernährungsweise (schlackenreiche Kost, z. B. Voll­ kornbrot, Obst), Bewegung, Massage u. ä. behandelt werden. Abgase, gasförmige Emission bei Verbrennungs­ prozessen (Feuerungsanlagen, Verbrennungsmotoren) oder aus Industrieanlagen abgehende gasförmige Stoffe, die flüssige oder feste Bestandteile enthalten können. In A. von Verbrennungsmotoren (Auspuffgase) treten bes. lolzstethoskop (19. Jh.) folgende schädl. Bestandteile auf: beim Ottomotor Koh­ lenmonoxid (CO), unverbrannte Kohlenwasserstoffe (HC), Stickoxide (NOX) und bes. Blei (—Antiklopfmit­ tel); die nach den Richtlinien der Weltgesundheitsorgani­ sation (Abk. WHO) vertretbare wöchentl. Bleiaufnahme von insgesamt 30 Mikrogramm (millionstel g) wird im Straßenverkehr vermutlich häufig überschritten; beim Dieselmotor entsteht neben Stickoxiden auch Ruß. A. aus Industrieanlagen und Gewerbebetrieben enthalten als bes. schädliche Bestandteile Kohlenmonoxid, Schwefel­ dioxid (SO2), Schwefelwasserstoff (H2S), Stickoxide, Chlor (CI), Chlorwasserstoff (HCl) und Fluorwasserstoff (HF). — Luftverunreinigung. Abgasgesetze und -Verordnungen legen die Höchst­ grenze der zulässigen Schadstoffemissionen fest. In der Bundesrep. Dtl. sind das im wesentlichen das Bundes-Im­ missionsschutzgesetz v. 15. 3. 1974, die als dessen erste Allgemeine Verwaltungsvorschrift erlassene Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) von 1974, in der die Immissionskenngrößen festgelegt sind, nebst Durchführungsverordnungen, insbes. der 4. Durchfüh­ rungsverordnung vom 14.2.1975, betr. genehmigungsbe­ dürftige Anlagen, sowie das Benzinbleigesetz vom 5.8. 1971. Der A.-Entgiftung dienen die Verfahren der Absorp­ tion, Adsorption, Kondensation und (als beste Lösung) vollständigen Verbrennung. Abgeschlagenheit, die — Abspannung. abgetrennte Gliedmaßen, Amputate, Körper­ teile, die durch äußere Gewalteinwirküng abgetrennt wur­ den. Die Wiedereinpflanzung (—Replantation) ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Am Unfallort sol­ len die a. G. sofort in trockenen, keimfreien Verbandmull eingewickelt und dann in einen wasserdichten Beutel ge­ legt werden. Dieser wird, dicht verschlossen, in einen zweiten, mit Eis und Wasser gefüllten Beutel gelegt. Die Wunde des Patienten wird durch Druckverband versorgt. Der Transport in eine Spezialklinik sollte möglichst rasch vorgenommen werden (Hubschrauber). Größere a. G., z. B. Arm oder Bein, sind etwa 6 Stunden, kleinere etwas länger verwendungsfähig. Die endgültige Einheilungsrate liegt bei über 80%. (Bilder S. 7) Abhärtung, Gewöhnung des Organismus an äußere Einwirkungen (Kälte, Nässe), Änderung des Biorhyth­ mus, der Eß- und Lebensgewohnheiten unter Inkauf­ nahme von Entbehrungen. Ziel ist die Hebung der Wider­ standsfähigkeit und die Verbesserung der Anpassungs­ mechanismen auch seel. Art. A. dient der Vermeidung und Besserung von Zivilisa­ tionskrankheiten, kann eine Konstitutionsschwäche aus­ gleichen und Krankheiten (Erkältung, Muskelschwäche, Verstopfung u. a.) vorbeugen. Sie wird unterstützt durch eine gesunde Ernährung, altersgemäße sportl. Belastung (-♦Training) und autogenes Training. Natürl. Maßnah­ men zur A. — Naturheilkunde. Abhorclien:

Strömungsgeräusche; a-e Abhorchbereiche, a Hals­ schlagader, b Schlüsselbeinarterie, c Armarterie, d Nie­ renarterie, e Oberschenkelarterie 6

Abhorchen, Auskultation, Untersuchung bes. der Brustorgane mit Hilfe eines Hörrohrs (Stethoskop), das aus Holz oder einem beiden Ohren zugeführten Schlauch­ system mit tonverstärkendem Aufsatzteil besteht. Beur­ teilt werden Herztöne, Atemgeräusch und Nebengeräu­ sche, die als Folge von Herzleiden und Lungenerkran­ kung auftreten können (—Rasselgeräusche). Wichtig ist

Abhorchen: Stethoskop; a Ohroliven, h Bruststück, c Membrane, d Gabelschlauch, e Metallbügel

das Erkennen von Gefäßgeräuschen, die bes. dann hörbar sind, wenn die Gefäßlichtung um mehr als 50% eingeengt ist. In Ruhe nicht hörbare Strömungsgeräusche können durch Belastung, z. B. nach Kniebeugen, wahrnehmbar werden. Das seltener angewendete A. der Bauchhöhle dient zur Wahrnehmung von Darmgeräuschen bei gestör­ ten Darmbewegungen. Während der Schwangerschaft sind durch die Bauchdecken hindurch die kindl. Herztöne von der 12. Schwangerschaftswoche ab mit dem Hörrohr wahrzunehmen. Abkauung, Abrasio dentium, mit fortschreiten­ dem Alter einsetzende physioiog. Abschleifung der Zahn­ kronen (Hartsubstanzverlust) mit Veränderung des Kau­ reliefs. Einfluß auf den Grad der A. haben Kaufunktion, veränderter Zustand der Kiefergelenke (z. B. bei Pfeifen­ rauchern und Blasinstrumentenspielern) und die Nah­ rungsbeschaffenheit (Eßgewohnheiten). Folgen der A. kann Zähneknirschen sein.

Abklatschung, — Abreibungen. Ablatio retinae, die — Netzhautablösung.

Ableitung, Heilverfahren, das durch Reizung von Ausscheidungsorganen (Haut, Verdauungsorgane, Nie­ ren, Nasen-Rachen-Raum) oder blutentziehende Maß­ nahmen versucht, gesundheitsschädigende Stoffe aus dem Körper zu entfernen oder den Stoffwechsel zu be­ einflussen (—Blutreinigung). A. auf die Haut erfolgt durch Schwitzen (Arbeitsschwitzen, Trockenschwitzen, Packungen, Sonnenschwitzen, Glühlichtbäder, Heiß­ luftbäder, Dampfbäder, Paraffinpackungen, Sauna­ bad), Hautreizmittel (Senfpackungen, hautreizende Pfla­ ster), Bestrahlungen (Höhensonne). Der A. auf den Darm dienen Abführmittel, Einläufe, subaquales — Darmbad, der A. auf die Nieren harntreibende Mittel, der A. über den Nasen-Rachen-Raum das —Rödern. Blutentzie­ hende Verfahren sind Aderlaß, Blutegelbehandlung, Schröpfen. Abmagerung, funktioneller Vorgang mit organ. Fol­ gen, der von einem tatsächl. oder anzunehmenden Nor­ malzustand ausgeht: Körpersubstanzverlust durch Schwund des Unterhautfettgewebes (auch des Eingewei­ defettes) bis zum Muskelschwund, bes. bei Eiweißman­ gelernährung (—Dystrophie, — Unterernährung). Ursachen: mangelhafte Ausnutzung der Nahrung durch Erkrankungen der Verdauungsorgane (Magen, Darm, Leber, Bauchspeicheldrüse) und/oder Stoffwech­ selkrankheiten, z. B. Zuckerkrankheit. Gesteigerte Ab­ bauvorgänge finden sich bes. bei bösartigen Geschwül­ sten, chron. Infektionskrankheiten, z. B. Tuberkulose, Überfunktion der Schilddrüse (Hyperthyreose) u. a. hor­ monalen Ursachen. Psych. Ursachen sind bes. bei jungen Menschen häufig und können, wie die — Anorexia ner­ vosa, Ausdruck einer Reifungskrise sein. Es gibt auch Menschen, deren Nahrungsbedarf allge­ mein gering ist und die ihr Längendurchschnittsgewicht nicht erreichen; sinkt dieses nicht unter einen bedenkl. Wert, ist kaum Sorge geboten. Über krankhafte A. — Magersucht. Abnabeln, das Durchtrennen der Nabelschnur nach der Geburt.

Abse Abnutzungskrankheiten, Verschleißkrank­ heiten, durch lang dauernde Überbeanspruchung von

Organen oder Organsystemen auftretende Erkrankun­ gen; meist beruflich bedingt, z. B. Meniskusschäden im Kniegelenk bei Berufssportlern. Bei A. wird der an sich unpräzise Oberbegriff Degeneration dann gebraucht, wenn das überbeanspruchte Gewebe Abweichungen als Folge eines Teilschadens der Zelle oder als Folge geweb­ licher Stoffwechselstörungen im Zellverband mit funk­ tionellen Auswirkungen aufweist. Abort, 1) Abtritt, Klosett, Toilette [twa-], Ort (lat. lo­ cus, daher volkstümlich >LokusKörperfrische< versprechen (Puder, E. Abderhalden (* 1877, 1 1950) nachgewiesene Fer­ Sprays). Auch das Entfernen der schützenden Behaarung mente (Enzyme), die in Blut und Harn gebildet werden, (Rasieren verursacht oft kleine Hautverletzungen) kann wenn blutfremde Stoffe (bes. artfremdes Eiweiß) unter eine Entzündung hervorrufen. Eine Hautschädigung be­ Umgehung des Darms (hauptsächlich durch Injektion) in günstigt das Eindringen von Infektionserregern, so daß es den Körper gelangen. Ihr Nachweis (durch die Abderhal- zu einer Eiteransammlung (-»Schweißdrüsenabszeß) densche Reaktion) diente früher zur Schwangerschafts­ kommen kann. diagnostik und zur Erkennung von Organkrankheiten; A|chylie, das Fehlen von Verdauungssäften, z. B. im heute wegen der Vieldeutigkeit aufgegeben. Magen (Pepsin und Salzsäure; Magen-A.) bei schwerer Abwehr|reflex, reflektor. Schutzreaktion (z. B. He­ Magenschleimhautentzündung, Magenkrebs, perniziö­ ben des Arms, Schließen der Augenlider) auf einen plötz­ ser Anämie, nach Magenresektion. In höherem Alter feh­ lich auftretenden, tatsächlich oder vermeintlich schädi­ len bei A. auch die Verdauungssäfte der Bauchspeichel­ drüse (Bauchspeicheldrüsensaftmangel; Pankreas-A.); genden Reiz. ferner bei Verlegung des Ausführungsgangs durch Tu­ Abwehrspannung, für die Erkennung entzündl. mor, Steine. Baucherkrankungen (Bauchfellentzündung, Blinddarm­ Ackerwinde, Convolvulus arvensis, zu den Win­ entzündung) wichtiges Zeichen: Drückt man auf den Bauch, so spannen sich die Bauchmuskeln an, die Bauch­ dengewächsen (Convolvulaceae) gehörendes Acker­ wand wird straff. Es handelt sich dabei um einen reflek­ unkraut in warmgemäßigten Klimazonen; in allen Teilen tor. (unwillkürl.) Vorgang, ausgelöst durch Entzündun­ der Pflanze rd. 10% gummiartige, harzige Stoffe mit ab­ gen an den Organen der Bauchhöhle, die das äußerst führender Wirkung, auch ein gerinnungsfördernder, schmerzempfindliche Bauchfell in Mitleidenschaft blutdrucksenkender und krampflösender Wirkstoff. An­ wendung: Heilpflanzen, Übersicht. ziehen. Aconitum napellus, -»Akonit. Abzehrung, veraltete, volkstüml. Bezeichnung für Acorus calamus, -»Kalmus. Kräfteverfall (-»Auszehrung, -»Dystrophie, -»Inanition, -»Kachexie). ACTH, Corticotropin, adrenocorticotropes Hor­ Achillea millefolium, -»Schafgarbe. mon des Vorderlappens der Hirnanhangdrüse, ein Wirk­ stoff, der in der Nebennierenrinde die Bildung und Ab­ Achilles|sehne, die Sehne des dreiköpfigen Waden­ muskels (Bild Bein). Zwischen Fersenknochen und A. gabe von glukotropen Nebennierenrindenhormonen befindet sich ein Schleimbeutel, der mit Beteiligung der (Glucocorticoide), z. B. Cortison, anregt. Der Anwen­ dungsbereich von ACTH als Arzneimittel, dessen Verab­ Sehne entzündlich erkranken kann (-»Haglundferse). folgung funktionstüchtige Nebennierenrinden voraus­ A|cholie, verminderte oder fehlende Ausscheidung setzt, deckt sich weitgehend mit dem der Nebennierenrin­ der von der Leber abgesonderten Gallenflüssigkeit in den denhormone. Dünndarm, entweder Folge einer Gallenstauung (CholoAdamsjapfel, der hervortretende Teil des Schild­ stase) in den Gallengängen der Leber, eines Verschlusses des Gallenblasenausführungsgangs oder der großen Gal­ knorpels, gilt beim Mann als sekundäres Geschlechts­ lengänge durch Steine, Geschwülste oder entzündl. Vor­ merkmal am Kehlkopf. gänge. Diagnostische Hinweise: Gelbsucht, weißlich­ Adams-Stokesscher Symptomenkomplex graue Stuhlverfärbung. In jedem Fall ist ärztl. Klärung ['eedamz stauks-, n. den brit. Ärzten R. Adams, * 1791, (Röntgen-, Ultraschalluntersuchung durch die Sonogra­ 1 1875, und W. Stokes, * 1804,1 1878], lebensbedrohen­ phie) notwendig. des Krankheitsbild mit hochgradiger Verlangsamung des 10

Adon Pulses bis auf 12—15 (oder weniger) Schläge in der Minute, dazu anfallsweise auftretende Bewußtseintrübung und gelegentlich epilepsieähnl. Krämpfe. Ursache: Unterbrechung der nervösen Reizleitung des Herzens (-► Reizleitungssystem), so daß Vorhof und Kammer unabhängig voneinander schlagen (Herzblock); dadurch kommt es zu einer mangelhaften Durchblutung des Gehirns mit Funktionsstörung des Atemzentrums. Erste Hilfe: Sofort Arzt rufen, Lebensgefahr! Adaptation, 1) die -»Hell-Dunkel-Anpassung des Auges. 2) Anpassung des Organismus an verschiedene Reizeinwirkungen (-» Adaptationssyndrom). Adaptationssyndrom, Abk. AAS, Bezeichnung für alle vorwiegend unspezif. Anpassungsvorgänge als Reaktion auf unterschiedl. Reize (z. B. durch Wärme, Kälte, Infektionen, auch Einwirkung psych. Art). Das A. kann als eine Form der Selbstverteidigung des Organis­ mus gegenüber einer drohenden oder bereits eingetrete­ nen schädl. Einwirkung angesehen werden. Nach H. Selye(* 1907,11982), der den Begriff A. ge­ prägt hat, wird der physiolog. Ablauf einer solchen -» An­ passung vom Zwischenhirn aus, bes. dem Hypophysen­ vorderlappen mit Hormonausschüttung, ebenso auch der Nebennierenrinde (-»Hormone), gesteuert. Dabei wer­ den 3 Phasen unterschieden: 1) die Alarmreaktion mit Blutdruckabfall, Blutveränderungen, auch Schocksym­ ptomen, 2) eine Gegenschockphase mit Anpassungsvor­ gängen durch Gegenregulation, 3) das Resistenzstadium nach erfolgter Anpassung. Auslösend kann bes. Streß sein, wobei Selye auf Zusammenhänge mit einer zivilisa­ torisch bedingten >Anpassungskrise< des Menschen von heute hinweist. Ungenügende Anpassung, z. B. bei Er­ schöpfung, kann zu Adaptations-(Anpassungs-)Krankheiten (Hochdruck, Magengeschwüre, Stoffwechsel­ krankheiten und Krankheiten des rheumat. Formenkrei­ ses) führen. Addisonsche Krankheit [' aedisn-, n. dem brit. Arzt T. Addison, * 1793, f 1860], Bronzekrankheit, seltene Erkrankung der Nebennieren, früher zu 70—90% Folge einer Tuberkulose mit Schädigung oder Zerstörung der Nebennierenrinde. Heute gilt die A. K. überwiegend als Autoimmunkrankheit, bei der -»Antikörper gegen Ge­ webe der Nebennierenrinde, der Schilddrüse, der Neben­ schilddrüse, der Bauchspeicheldrüse und der Magen­ schleimhaut gebildet werden. Seltenere Ursachen sind u. a. -»Metastasen, -»Amyloidose, -»Sarkoidose sowie langdauernde Behandlung mit Nebennierenrindenhor­ monen. Anzeichen der A. K. sind leichte Ermüdbarkeit, -» Adynamie, Braunfärbung der Haut und Schleimhäute, Gewichtsverlust, Übelkeit und Erbrechen, erniedrigter Blutdruck, Salzhunger und spontane Hypoglykämie. Die Behandlung besteht in einer Zufuhr (Substitution) der fehlenden Nebennierenrindenhormone. adenoide Wucherungen, -»Mandeln. Adenom [greh. aden >DrüseÜbertransfusion< mit Blut, bei verschlechteter Fließ­ eigenschaft (Viskosität) des Blutes sowie bei Störungen der Mikrozirkulation des Gehirns ein A. von Bedeutung sein. Hierbei erfolgt während des A. eine -»Infusion von Blutplasmaersatzlösung mit günstigen Fließeigenschaf­ ten. Weiterhin ist der A. bei -» Bronzediabetes und bei der krankhaften Vermehrung der Blutzellen (-»Polyzythä­ mie) eine mögliche Behandlungsart. Die Notwendigkeit eines A. ist wegen der Gefahren für den Kreislauf und die Sauerstoffversorgung kritisch abzuwägen. Bei akuter Herzschwäche ist zur Verminderung des Kreislaufvolu­ mens zuerst die Gabe stark wirkender harntreibender Mit­ tel (Diuretika) angezeigt. Als rasch wirkende Maßnahme wird hier auch der unblutige A. durchgeführt, indem mit Staubinden oder Blutdruckmanschetten an Armen und Beinen eine künstl. Rückflußbehinderung für das sauer­ stoffarme Blut der Venen angestrebt wird. Diese Vermin­ derung der zum Herzen strömenden Blutmenge entlastet den Herzmuskel. Adern, blutführendeelast. Röhren sehr verschiedenen Durchmessers aus Muskulatur und elast. Bindegewebe (-►Blutgefäße). Die Schlagadern (Arterien) führen das Blut vom Herzen weg, die Blutadern (Venen) zum Herzen hin. Adgo, Abk. für Allgemeine Deutsche Gebührenord­ nung, die 1928 vom -» Hartmannbund als Grundlage der Honorierung von Ärzten durch Privatpatienten vorge­ schlagen wurde; sie ist heute im Leistungsverzeichnis durch die Entwicklung überholt und wurde seit 1965 durch die amtl. Gebührenordnung für Ärzte und Zahn­ ärzte (Abk. GOÄ) ersetzt. Nach der neuen Gebührenordnungv. 12.11.1982 darf sie auch nicht mehr vertragsweise angewendet werden. Adhäsion, die bindegewebige Verklebung oder Ver­ wachsung verschiedener, im normalen Zustand nicht mit­ einander verbundener Organe, z. B. der Darmschlingen nach Operationen. Adie-Syndrom ['eidi-, n. dem brit. Neurologen W. J. Adie, * 1886, f 1935], Pupillotonie, harmlose An­ omalie: Die sich auf Lichteinfall zusammenziehende Pu­ pille erweitert sich nur langsam und täuscht damit eine echte Pupillenstarre vor; oft gekoppelt mit einem Fehlen der Sehnenreflexe. Das A.-S. kann daher mit -»Tabes dorsalis verwechselt werden. Adipositas die, -»Fettleibigkeit. Adjuvans [lat. adjuvare >unterstützen(Gemüts)zustandSchwips< bezeichnet), bei l%o zu deutl. Kritikschwäche, würde. Die größten Schwierigkeiten bereitet dieeigtl. Ent­ bei 2%o zu Sprach- und Gehstörungen. Die bei 3%o zu be­ wöhnungsbehandlung, weil man auf der völligen Absti18

Allo nenz bestehen muß. Kontrolliertes Trinken ist Alkoholi­ kern i. d. R. nicht möglich. Rückfälle sind sehr häufig, können aber zuweilen abgefangen werden und stellen oft auch eine heilsame Erfahrung dar. Endziel der Entwöh­ nungsbehandlung muß darüber hinaus der Abbau alter Fehlhandlungen und der Aufbau neuer positiver Einstel­ lungen sein. Die psycholog. Betreuung, die auch die Angehörigen einschließen muß, ist die Basis für jede andere Therapie. Die Psychotherapie (Verhaltenstherapie) mit Psychoana­ lyse hat sich bei einigen Konflikttrinkern als sinnvoll er­ wiesen. Wichtig ist ein Versuch des autogenen Trainings, der Hypnose oder Aversionstherapie, mit deren Hilfe eine Abneigung gegenüber Alkohol geweckt werden soll. Als wirksamste Methode hat sich die Gruppentherapie erwie­ sen, die zu Ichentlastung und Ichstärkung, der Festigung oder Bildung einer Gewissensinstanz und damit zur Selbstkontrolle mit verbesserten zwischenmenschl. Be­ gegnungen führen soll. Nach diesem Prinzip arbeiten Selbsthilfegruppen wie die >Anonymen Alkoholiker (Abk. AA) u. a. Geheilte Alkoholiker können den Kran­ ken auf Grund ihrer eigenen Erfahrungen oft am besten helfen. Die medikamentöse Behandlung mit Disulfiram oder Psychopharmaka kann letztlich nur eine Unterstüt­ zung der Therapie sein. Rechtliches. Bei Trinkern, welche die Familie schwerwiegend schädigen, kann der Ehepartner die Ent­ mündigung nach §6 Absatz 3 BGB beantragen. Verkehrs­ delikte nach A. werden u. a. nach § 315 c StGB abgeurteilt. A. kann aber auch strafrechtlich bei anderen Delikten als Verkehrsstraftaten zu verminderter Schuldfähigkeit und so zu gemilderter Bestrafung führen (§21 StGB). Bei Voll­ rausch und patholog. Rausch ist Schuldunfähigkeit gege­ ben und damit eine Bestrafung ausgeschlossen (§ 20 StGB). Wer sich jedoch fahrlässig oder vorsätzlich in ei­ nen Rausch versetzt und in diesem Zustand eine Straftat begeht, wird nach § 330a StGB bestraft. Die Strafe darf nicht schwerer sein als diejenige, die für das bei vollem Be­ wußtsein begangene Delikt angedroht ist. Bei der Gefahr erhebl. Straftaten kann der Täter der im Rausch begange­ nen Delikte auf Anordnung des Gerichts in einer Entzie­ hungsanstalt untergebracht werden (§ 64 StGB). Alkoholismus, -gegenseitigAndersempfindlichkeitkonfliktuöse< Bedeutung erhalten können. In Anlehnung an spätere, ähnlich gelagerte Bela­ stungssituationen kann es zur Wiederbelebung des Kon­ flikts unter dem Bild einer allerg. Reaktion kommen. Behandlung: Kennt man das Allergen, so kann man es ggf. meiden. Zur genaueren Diagnose kann es mittels Einspritzung oder Einreibung in die Haut oder Aufbrin­ gung von Pflastern getestet werden. Dann kann man durch steigende Gaben des stark verdünnten Allergens eine Gewöhnung durch Beeinflussung der immunolog. Vorgänge mit Antikörperbildung erreichen. Dieses Ver­ fahren nennt man Desensibilisierung. Gegen allerg. Er­ scheinungen wirken Glucocorticoide, Adrenalin, Kal­ zium u. a., weniger stark die Antihistaminkörper und manche Beruhigungsmittel. Wer an A. leidet, sollte einen Allergiepaß bei sich führen. Allergiepaß, ein auf die Person ausgestellter Aus­ weis, auf dem der Arzt die Überempfindlichkeiten sowie gegebenenfalls Datum und Art der durchgemachten al­ lerg. Krankheiten einträgt, z. B. Allergosen (-»Allergie) gegen Penicillin u. a. Arzneimittel, gegen Serumeinsprit­ zungen oder gegen gewerbl. Allergene, bes. auch gegen In­ sektenstiche. Der Allergiker soll den A. stets bei sich füh­ ren, damit ihm nicht solche Medikamente gegeben wer­ den, die ihm auf Grund seiner Allergie gefährlich werden können. Allgemein|arzt,

Arzt für Allgemeinmedizin,

-►Arzt, -»Hausarzt. Allgemeine Ortskrankenkasse, Abk. AOK, -» Sozialversicherung. Allheilkraut, der-»Ginseng. Allium sativum, -»Knoblauch. Allopathie, eine von S. Hahnemann eingeführte Be­ zeichnung: Heilmethode, welche durch die Verwendung von Heilmitteln gekennzeichnet ist, die den Krankheits­ symptomen entgegenwirken, im Ggs. zur -»Homöopa­ thie. Der A. bedient sich im allgemeinen die Schulme­ dizin. Alloplastik, Ersatz bestimmter Körperteile (jedoch keiner inneren Organe) durch tote Fremdstoffe (-»Arthroplastik, -»plastische Chirurgie). Beispiele: Deckung 19

Alit von Lücken im Schädeldach, Ersatz der weibl. Brust, ei­ nes Unterkiefers, Lendenwirbels, einer Beckenschaufel, eines Oberschenkels, einer Herzklappe, Arterie oder einer Vene. Materialien: Kunststoffe, z. B. Polyäthylen, Poly­ vinyl, korrosionsbeständige Metalle, z. B. Vitallium, Protasul 10, Keramik (Aluminiumoxid) oder Kohlenstoff. Alltagsbeschwerden, gesundheitl. Störungen wie Mißempfindungen, leichtere Beeinträchtigungen des Lei­ stungsvermögens, Unpäßlichkeiten u. ä., die von der Männer

Frauen

40% 30% 20% 10%

Kopfschmerzen Rheuma

Rückenschmerzen Wetterfühligkeit

Magenbeschwerden

Sodbrennen Völlegefühl Blähungen

12EZ 10EZ

123

119

8EZ □ 7 6 EI 7EZ □ 6 9EZ □ 6 3C ____ |13

12EZ

□7

6[Z Ü4

9 EZ

Halsschmerzen1

5E

Erschöpfung/Abgeschlagenheit 111 Stress 17|

Altersbeschwerden Kreislaufbeschwerden

ZZJn

"EZ

Husten

Erkältung

|27

15|

Verstopfung Schnupfen

10% 20% 30% 40%

|17 5E

111

Z16 ZZJ12 □6 122

Alltagsbeschwerden: Häufigkeit von Alltagsbeschwerden (Personen im Erwerbsalter)

Alpha-Rezeptorenblocker, Alpha-Blocker, Al­ pha-Sympatholytika, Stoffe, welche als -»Sympathi-

kolytika die Wirkung von Adrenalin und anderen Sub­ stanzen auf den Sympathikus dadurch hemmen, daß sie die hierauf empfindlich reagierenden Alpha-Rezeptoren in den Gefäßen blockieren; eine Wirkung dieser Stoffe ist dann nur noch über die Beta-Rezeptoren möglich. Hier­ durch wird eine über diese -* Rezeptoren wirksame Blut­ drucksenkung hervorgerufen. A.-R. werden deshalb u. a. zur Behandlung peripherer Durchblutungsstörungen ein­ gesetzt. Alpinia officinarum, -»Galgant. Altenhilfe, Altenfürsorge, wird in Form der indivi­

duellen Unterstützung oder der Anstaltspflege in Zusam­ menarbeit mit den Trägern der freien Wohlfahrtspflege geleistet. Kommunen und karitative Einrichtungen unter­ halten Altenklubs, -heime und -pflegeheime, mobile Dienste für die Beköstigung alter Menschen (>Essen auf Rädemphys., psych. und soziales Wohlbefindent) aber als Krankheit einge­ stuft werden. So werden die A. grundsätzlich auch zu La­ sten der Sozialversicherung behandelt. Im Zug der Ko­ stendämpfung wird versucht, sie aus der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung herauszunehmen und damit die Ausgaben für Medikamente erheblich zu senken. Von der Leistung ausgenommen wären dann nicht nur die Abführ- und die Kopfschmerzmittel, son­ dern etwa auch Mittel gegen zu niedrigen Blutdruck u. a. Im wesentl. handelt es sich um Beschwerden, deren Be­ handlung z. T. auch durch Naturheil- und Hausmittel möglich ist und keine zusätzl. Maßnahmen (z. B. Rönt­ gen) erfordern. Problematisch ist, daß sich hinter A. Vor­ stadien gefährl. Erkrankungen verbergen können. Durch dieses Verkennen der A. kann die gesundheitspolit. For­ derung nach Ausdehnung der Vorsorge und Früherken­ nung der gefährl. Krankheiten in Frage gestellt werden. Alo|e, Bezeichnung verschiedener krautiger, strauch­ öder baumartiger Gewächse, zu den Liliengewächsen (Li­ liaceae) gehörend, mit über 200 Arten, heimisch in Af­ rika, nach Asien, Amerika und Europa eingeführt. Der eingedickte Saft der Blätter verschiedener trop. Arten, die Bärengalle (Succus Aloes inspissatus, Abk. Aloe), enthält mindestens 18% Anthracenderivate, hauptsächlich Aloin, mit abführender Wirkung. Anwendung: Heil­ pflanzen, Übersicht. Alopezie, der -» Haarausfall. Alpdrücken, volkstüml. Bezeichnung für nächtl. Angstträume (-»Traum). Altern, Alterung, i. w. S. Vorgang des Altwerdensim Alpha-Blocker, -► Alpha-Rezeptorenblocker. Lebenszyklus der Organismen. Die landläufige ursächl. Alpha-Fetoprotein, Eiweiß, das vom -»Fetus gebil­ Vorstellung von der Abnutzung der Organe gilt als über­ det wird. Bei Vorliegen von Fehlbildungen wie Anenze­ holt; Tod infolge eines natürl. Verschleißes von Geweben phalie oder Spina bifida tritt es vermehrt ins Fruchtwasser und/oder Organen ist eine Ausnahme, i. d. R. setzt krank­ und in das mütterl. Blut über. Sein Nachweis dort kann haftes Geschehen dem Leben ein Ende. I. e. S. ist das A. zur pränatalen Diagnostik solcher Störungen benutzt nicht nur von gesundheitlichen, sondern auch von vielen werden. psychosozialen Voraussetzungen und Einflüssen abhän­ 20

Alte gig(z. B. Bildungsstand, Berufstätigkeit, Sozialkontakte, Freizeitaktivitäten). Der Alterungsvorgang läßt sich nach P. Lüth in Typen einteilen: Zeitpunkt des Alterungsbeginns

Alterungstyp

vor dem 20. Lebensjahr vor dem 50. Lebensjahr

Progerie (frühzeitiges A.) Proterogerie (vorzeitiges A., auch: Vor-A.)

zwischen dem 50. und 65. Lebensjahr

Eugerie (physiolog. A.)

nach dem 65. Lebensjahr

Diatrigerie (verzögertes A.)

Ursachen genetisch meist exogen (soziale Umwelt, Arbeit, Familie, Streß) konstitutionell (Zusammenwirken von Erbanlage und Umwelt) genetisch

Demgemäß ist der Alterungsprozeß mit genet, und in Ab­ hängigkeit von der jeweiligen Lebensphase mit psycho­ sozialen Faktoren verbunden. Eigtl. >Alterskrankheiten< gibt es lediglich in Form von krankhaften Vorgängen, die das A. beschleunigen und als typisch für es erscheinen (z. B. die Arteriosklerose). Der Alterungsprozeß ist ein komplexes Geschehen, bei dem biochem., physiolog. Vorgänge und funktionelle psycholog. Veränderungen mit entsprechender Auswir­ kung auf die Persönlichkeit unter dem Einfluß wechseln­ der sozialer Gegebenheiten wirksam werden. Nicht zu­ letzt spielen auch Alterungsveränderungen eine Rolle, die auf einer Auseinandersetzung des Individuums mit der ei­ genen Alterssituation beruhen. Physiologie des A. Mit steigendem Alter nimmt die Fähigkeit der Zellen ab, die für sie zum Weiterbestehen notwendigen Stoffe aufzunehmen, zu verarbeiten und die Stoffwechselendprodukte auszuscheiden. Als Folge bil­ den sich in den Zellen u. a. körnige Niederschläge (> Alterspigmenteinneren Nähe durch äu­ ßere Distanz < kommt, dadurch treten Persönlichkeits­ reife, Finden der eigenen Mitte und das Bewußtsein von Werten und Distanz zu Lebensproblemen in den Vorder­ grund. Individuelle Voraussetzungen und soziale Belange haben erhebl. Einfluß darauf, ob die psychischen Alte­ rungsvorgänge mit den physischen gleichzeitig, verfrüht oder verspätet auftreten. Aus Sicht der -► Psychosomatik ist das A. in jeder Lebensphase bes. dann problembela­ stet, wenn bestimmte Reifungsschritte, z. B. beim Über­ gang in das Erwachsenenalter, verwirklicht werden müs­ sen. Entsprechende Vorgänge sind bei Frauen am Anfang der 2. Lebenshälfte festzustellen, wenn der Verlust hor­ monaler Funktionen und andersartige Trennungserleb­ nisse nicht ausgleichend verarbeitet werden können. Dies spricht für die Auffassung des A. als Krisenphase (ähnlich der Pubertät), in der sich eine Veränderung der Sozialkon­ takte (bes. durch das Ausscheiden aus dem Berufsleben, Tod von Verwandten und Freunden) vollzieht, die eine vom Einzelnen unterschiedlich bewältigte Anpassung fordert. Für die Krisentheorie sprechen u. a. die erhöhte Sterblichkeitsrate bei Antritt des Ruhestandes (>Pensionierungskrankheitt, >Pensionstodpartnerfähig< bleiben. Infolge der Zunahme des Lebensalters spricht man be­ reits von einem >Zeitalter des A. i---- 1---- 1—i---- 1---- 1------ 1--- 1 14 12 10 8 6 4 2 0 0 2 4 6 8 10 12 14 Auf 1000 der gesamten Bevölkerung

10

8642002468 10 Auf 1000 der gesamten Bevölkerung

Altersgliederung der Bevölkerung im Dt. Reich: a Geburtenausfall durch den Krieg von 1870/71; b Verluste des 1. Weltkriegs; c Geburtenausfall durch den 1. Weltkrieg; d Ge­ burtenrückgang in den wirtschaftl. Krisenjahren Alters | auf bau, -* Altersgliederung. Altersbeschwerden ergeben sich aus den Verände­

Lebensjahr

Pyramide

Glocke

Zwiebel

Altersgliederung: Formen der A.

rungen, die durch das Altern bewirkt werden, wobei nach neueren Erkenntnissen die Abnahme der Leistungsfähig­ keit im Immunsystem eine wesentl. Rolle spielt. Das Alter selbst ist keine Krankheit, deshalb darf man Krankheiten im Alter nicht mit Beschwerden verwechseln, die nur durch das Alt werden entstehen. Bei A. ist bes. auf eine ge­ sunde Lebensführung (in dieser Lebensphase nach Weg­ fall berufl. Belastung meist auch eher möglich) zu achten. Ausreichende Körperbewegung mit regelmäßigem HerzKreislauftraining, Atemübungen und (mit ärztl. Zustim­ mung) auch -» Alterssport sowie knappe, streng das Kör­ pergewicht berücksichtigende Ernährung tragen maßgeb­ lich zum Wohlbefinden bei. Dem unterschiedl. Schlafbe­ dürfnis (Mittagsschlaf) sollte entsprochen werden; es ist keinesfalls so, daß ältere Menschen grundsätzlich ein bes. geringes Schlafbedürfnis haben. Von großer Bedeutung sind regelmäßige ärztl. Vorsorgeuntersuchungen. Altersbestimmung, Anthropologie: 1) die Feststel­ lung oder Abschätzung des Alters fossiler Menschenfor­ men . Lagerung und Begleitfunde (Kultur-, Tierreste, Pol­ len) liefern Hinweise für eine relative A. (älter-jünger). Zur absoluten A. von Fundschichten und ihren Einschlüs­ sen dienen neben zeitabhängigen Ablagerungsvorgängen (Bändertone, Warvenchronologie) und Wachstumsvor­ gängen (Jahresringe der Bäume, Dendrochronologie) in neuerer Zeit v. a. chemisch-physikal. Veränderungen im Fundgut (Radiokarbon-, Kalium-Argon-, Thermoluminiszenz-Methode, Aminosäuren-Test u. a.), die infolge ihrer Zeitabhängigkeit auf das Alter schließen lassen. 2) die Abschätzung des individuellen Alters (Sterbe­ alter) ausgegrabener Skelette. Sie stützt sich auf alters­ abhängige Entwicklungsschritte (Gebißentwicklung, -abnutzung, Nahtverknöcherungen u. a.) und liefert die Grundlage für das wirtschafts- und sozialpolit. Gesamt­ bild vergangener Gesellschaften. Altersblödsinn, Dementia senilis, -»Demenz, -»Alzheimersche Krankheit. Altersbrand, Gewebstod, der vorwiegend durch Ge­ fäßverschluß (Arteriosklerose, embolische Vorgänge) mit den Folgen mangelnder Gewebsernährung verursacht ist. A. ist erkennbar durch Verfärbung der Haut bis ins Schwarze und Austrocknung, Abschuppung, üblen Ge­ ruch. Betroffen sind vorwiegend die Beine älterer Men­ schen. Behandlung: trockene, sterile, gegen Druck schüt­ zende Verbände, weiches Schuhwerk, Sauerstoffbehandlung (Einbringen von Sauerstoff oder Ozon in die Blut­ 22

adern, ein allerdings umstrittenes Verfahren). Operatives Vorgehen kann erfolgversprechend sein (Einsatz einer Gefäßprothese aus Kunststoff). Bei Mißerfolg ist Ampu­ tation des abgestorbenen Gliedteils nicht zu vermeiden. Altersdiabetes, -► Zuckerkrankheit. Altersflecke, bei älteren Menschen häufig auftre­ tende gelbbräunlich bis dunkelbraun gefärbte, scharf be­ grenzte Flecke, meist auf den Handrücken, auch auf Ge­ sicht und Hals. Bei Größenzunahme, Schuppung und Juckreiz Hautarzt befragen, um (seltener) krebsiger Ent­ artung vorzubeugen. Altersforschung, Gerontologie, die Untersu­ chung der Alterungsvorgänge und ihrer biolog. Gesetz­ mäßigkeiten, die jeder Lebensepoche und jeder darin auf­ tretenden Erkrankung ihr Gepräge geben. Altersgliederung, Altersaufbau, Statist. Gliede­ rung der Bevölkerungszahl nach Altersjahren. Die A. wird bei Volkszählungen ermittelt und durch Fortschrei­ bungen auf den neuesten Stand gebracht. Neben der Bestimmung des Verhältnisses der Ge­ schlechter zueinander zählt die A. zu den wichtigsten Merkmalen einer Bevölkerung. Sie wird bestimmt durch die Zahl der Geburten, Zahl und Alter der Gestorbenen und der über die Staatsgrenzen wandernden Personen. Sie bestimmt den Anteil der Schüler, Erwerbsfähigen, Rent­ ner und damit die volkswirtschaftl. Belastungsquote; fer­ ner durch den Anteil der Zeugungsfähigen das mögliche Wachstum der Bevölkerung. Die A. ist daher Grundlage jeder gesellschaftl. Planung. Dargestellt als Pyramide, zeigt sie (getrennt für Männer/Frauen) die Stärke jedes Altersjahrgangs, die von Kriegen, Wirtschaftskrisen, Wanderungen, höherer Männersterblichkeit u. a. be­ stimmt wird. Infolge des Geburtenrückgangs ist in Indu­ strieländern aus der Pyramide (vgl. Graphik) eine Glocke oder,z. B. in der Bundesrep. Dtl., eine Zwiebel geworden. In Entwicklungsländern mit starker Besetzung der jünge­ ren Jahrgänge führen gegenwärtige A. auch bei allmäh­ lich beginnender Beschränkung der Geburtenzahl noch über Jahrzehnte (>Schwungkraft< der A.) hinweg zu ho­ hen Wachstumsraten.

Bevölkerung nach Altersgruppen in der Bundesrep. Dtl. (in %)

unter 15 Jahre........... 15 bis unter 21 ........... 21 bis unter 45........... 45 bis unter 65........... 65 Jahre und mehr . .

. . . . .

. . . . .

1950

1961

1975

1981

23,3 8,7 34,1 24,5 9,4

21,7 8,2 32,6 24,4 H,1

21,2 8,8 33,5 21,9 14,6

17,8 10,2 34,4 22,1 15,5

Bevölkerung nach Altersgruppen in der Dt. Dem. Rep., in Österreich und der Schweiz (in %) Dt. Dem. Rep. 1980 19,4 unter 15 Jahre........... ........... 10,1 15 bis unter 21........... ........... 34,1 21 bis unter 45........... ........... 45 bis unter 65........... ........... 20,5 65 Jahre und mehr . . ........... 15,6 ') 15 bis unter 25 Jahre; 2) 5 bis unter 45 Jahre.

Öster­ reich Schweiz 1980 1980 20,5 10,2 32,7 21,0 15,5

19,2 15,6') 29,52) 21,9 13,8

Die A. der Bundesrep. Dtl. ist durch einen Rückgang des Anteils von Jugendlichen infolge des säkularen (auf das Jh. bezogenen) und sich seit Mitte 1960 verstärkenden Geburtenrückgangs (>PillenknickSchülerberg< befinden sie sich in der Sekundarstufe 1 und II und werden mit zunehmendem Alter in naher Zukunft die berufsbil­ denden Schulen und Hochschulen erreichen. Dem Schü­ lerberg folgt aber ein >SchülertalGenerationenvertrag< bleiben. Alter in Jahren Männer

Gefallene des 1. Weltkriegs

Frauen

Frauenüberschuß

des 2. Weltkriegs

Geburtenausfall im 1. Weltkrieg

|

,----\___

Geburtenausfall während der Wirtschaftskrise um 1932 Geburtenausfall { Ende des 2. Weltkriegs

Männerüberschuß

Tausend je Altersjahr

Altersgliederung in der Bundesrep. Dtl. (1980) Altersgrenze, imöffentl. Dienst das Lebensalter, mit dessen Erreichen der Bedienstete aus dem Dienst ausschei­ det. In der Bundesrep. Dtl. wird die A. nach dem Bundes­ beamtengesetz und den Beamtengesetzen der Länder grundsätzlich mit Vollendung des 65. Lebensjahrs er­ reicht. Abweichende Regelungen bestehen für einzelne Beamtengruppen, z. B. Berufssoldaten, hohe Richter (bis 1976 für Hochschullehrer). Lebenszeitbeamte können auf Antrag bereits mit Vollendung des 63. Lebensjahrs in den Ruhestand versetzt werden. Bei Angestellten und Ar­ beitern des öffentl. Dienstes wird die A. i. d. R. mit Voll­ endung des 65. Lebensjahrs erreicht. Auch in der Rentenversicherung ging man ursprünglich nur von einer A. aus, die mit Vollendung des 65. Lebens­ jahres (noch heute nach einer gesetzl. Wartezeit von 15 Beitragsjahren oder Ersatzzeiten) erreicht wird. Diese A. wurde jedoch später vielfältig modifiziert, zuletzt durch Reformgesetz vom 16.10. 1972(flexible A.). Danach wird Altersruhegeld auf Antrag auch gewährt nach Vollen­ dung des 63. Lebensjahres, bei anerkannten Schwerbe­ hinderten, Berufs- oder Erwerbsunfähigen aber schon nach Vollendung des 60. Lebensjahres (jeweils nach einer verlängerten Wartezeit von 35 anrechnungsfähigen Versi­ cherungsjahren mit der Beitragsleistung von mindestens 15 Jahren). Neben dieser Rente darf nur noch geringfügig oder gelegentlich gearbeitet werden. Nach einjähriger Ar­ beitslosigkeit und einer Mindestbeschäftigung im letzten Jahrzehnt von 8 Jahren wird ebenfalls Rente schon ab 60. Lebensjahr gezahlt (Wartezeit 15 Versicherungsjahre). Frauen erhalten die Rente von der Vollendung des 60. Le­ bensjahres an, wenn sie in den letzten 20 Jahren mehr als 10 Jahre berufstätig und versichert waren (Wartezeit ebenfalls 15 Versicherungsjahre). Der Versicherte kann die Rente aber auch erst von einem späteren Zeitpunkt an (alsdas60., 63. oder65. Lebensjahr) in Anspruch nehmen und dadurch die Anrechnung weiterer Versicherungszei­ ten erreichen. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Arbeitslosen­ zahlen wird zu Beginn der 80er Jahre in den westl. Indu­ strieländern die Verkürzung der Lebensarbeitszeit durch Herabsetzung der A. zur Entlastung des Arbeitsmarkts verstärkt diskutiert. Altershaut, durch Rückbildung aller Hautschichten

mit fortschreitendem Alter bewirkte Veränderungen; die Haut verliert an Elastizität und Feuchtigkeit; sie ist bes. an denjenigen Hautstellen, die dem Licht ausgesetzt sind, oft dünn, fein gefältelt und zeigt ein buntscheckiges Bild mit Pigmentflecken, Depigmentierungen und warzenartigen Verhornungsstörungen, die zu Seborrhö neigen. Eine ge­ wisse Vorbeugung ist möglich durch Rückfettung der Haut nach dem Waschen, Vermeiden von zu langer Son­ nenbestrahlung, Anwendung von Sonnenschutzmitteln. Altersheilkunde, Geriatrie, die Erforschung der Alterskrankheiten und ihrer Heilungsmöglichkeiten. Altersherz, Bezeichnung für gewebl. und funktio­ nelle Veränderungen am Herzmuskel und an den Herzge­ fäßen , wie sie mit zunehmendem Alter, wenn auch zu indi­ viduell sehr unterschiedl. Zeitpunkten, auftreten können: Bindegewebsvermehrung im Herzmuskel und Gefäß­ wandveränderungen (-»Arteriosklerose) mit entspre­ chender Leistungsschwäche bis zur -»Dekompensation. Altersrente, -»Altersgrenze. AltersJschwäche, die Minderung aller leibl. und seel. Kräfte, die bei gesunden Menschen zu individuell sehr unterschiedl. Zeitpunkten, im allgemeinen ab dem 70. Lebensjahr, einsetzt; sie ist unabhängig von vorange­ gangenen Erkrankungen oder bereits erkannten Organ­ schwächen .Wenn auch das Fortschreiten der A. nicht ver­ hindert werden kann, so bringt doch eine veränderte Le­ benshaltung (Ernährung, Betreuung) Erleichterung. Alters|schwerhörigkeit, Presbyakusis, in höhe­ rem Alter auftretende, stets auf beiden Ohren fast un­ merklich beginnende und langsam zunehmende Schwer­ hörigkeit, die auf Abnutzung und Schwund der Ner­ ven- und Sinneszellen im Innenohr (Schnecke) beruht. Zuerst fallen die hohen Töne aus (Grillenzirpen, Tele­ phonklingel, Zischlaute), später wird auch z. B. das Ticken einer Taschenuhr nicht mehr gehört. Eine Hilfe stellen die -» Hörapparate dar. Alters | sichtigkeit, Presbyopie, die mit fortschrei­ tendem Alter abnehmende Fähigkeit des Auges zur -» Ak­ kommodation.

Alterssichtigkeit (nach Donders): P Nahpunkt (wandert mit zu­ nehmendem Alter vom Auge fort); r Fernpunkt (rückt vom 55. Jahr an etwas vom Auge ab, d. h. das Auge wird übersichtig)

Alters|sport, sportl. Betätigung älterer Menschen zur Erhaltung von Elastizität und Leistungsfähigkeit. Die Belastungen sind dem allgemeinen Zustand anzupassen, eindrucksvolle Leistungen sind nicht das Ziel des A. Es ist ratsam, mit Wandern zu beginnen; auch sind Schwim­ men, Waldlauf und Radfahren Übungen, die langsam ge­ steigert werden können. Ziel ist die Förderung der allge­ meinen Körperdurchblutung. Vor ungewohnter körperl. Belastung ist ärztl. Rat einzuholen. Althaea officinalis, -»Eibisch. Alt|insulin, -»Zuckerkrankheit. 23

Altr Altruismus [lat. alter >der anderePyroschliffkleine WanneumhergehenDauertropf< (-»Infusion) der -► künstlichen Ernährung. Amme, eine Mutter, die zugleich mit ihrem eigenen, mindestens 3 Monate alten Kind (oder wenn letzteres nicht mehr angelegt wird) einen fremden Säugling stillt. Vor­ aussetzung hierfür sind ärztl. Untersuchung und schriftl. Gesundheitszeugnis. Auch darf der Säugling nicht an­ steckend krank sein. Gegenüber früheren Zeiten hat das A.-Wesen heute kaum noch prakt. Bedeutung. Die für ge­ fährdete Kinder erforderl. Frauenmilch wird i. d. R. über eine -»Frauenmilchsammelstelle bezogen. Dort werden die Spenderinnen und die gelieferte Milch genau über­ wacht. Ammi visnaga, -»Khellakraut. Ammoniak, stark alkalisch reagierende, stechend rie­ chende, leicht verdampfende Flüssigkeit, die meist als Salz (Ammoniumchlorid) arzneilich verwendet wird. A. bewirkt eine Verflüssigung von zähem Bronchialsekret und erleichtert das Aushusten. Präparate sind Mixturasolvens-Kompretten, Liquor Ammonii anisatus und an­ dere ammoniakhaltige Hustenmittel. Wegen seiner haut­ reizenden und durchblutungsfördernden Wirkung ist A. auch in mehreren Einreibemitteln wie Linimentum ammoniatum und Linimentum ammoniato-camphoratum enthalten. A|mnesie, Gedächtnisstörung, zeitlich oder in­ haltlich begrenzte Erinnerungslücke, z. B. durch Unfall, Schock, Delirium, Bewußtlosigkeit oder Hirnerkrankun­ gen. Reicht die A. auf längere Zeit vor Eintritt des Ereig­ nisses zurück, spricht man von retrograder A. In der Psy­ chologie wird unter psychogener A. die unbewußte Ver­ drängung und Löschung unangenehmer Erinnerungen verstanden. Diese Form der A. kann auf eine -» Psycho­ pathie hin weisen. Bei A., die sich ohne diese Vorbedingungen nur auf ganz bestimmte Ereignisse erstrecken, besteht Verdacht auf -»Simulation (z. B. bei Straftätern oder Zeugen vor Gericht). Amnion das, eine der -» Eihäute. Amnioskopie, Verfahren zur Besichtigung des Fruchtwassers in den späteren Stadien der Schwanger­ schaft. Die A. ist für Mutter und Frucht ungefährlich und erlaubt Rückschlüsse auf das Befinden des Kindes. Durch die A. konnte die perinatale Sterblichkeit erheblich ge­ senkt werden. Amniozentese, Schwangerschaftsuntersuchung: Punktion der fetalen Eihäute durch die Bauchdecke mit Entnahme von Fruchtwasser aus der Fruchtblase zur Geschlechtsdiagnose, bei Verdacht auf Blutgruppen­ unverträglichkeit (-* hämolytische Neugeborenenerkran­ kung) oder Chromosomenstörung (z. B. Mongolismus, -» Down-Syndrom). Amöben, zu den Wurzel füßern gehörende, kleine ein­ zellige Lebewesen. Manche Arten leben im Süßwasser oder im Meer, andere als Schmarotzer im Darm oder in anderen Organen (z. B. die Erreger der Amöbenruhr). Amöben: 1 Süßwasseramöbe(Amoebaproteus). 2 Ruhr­ amöbe (Entamoeba hislotytica). 3 Arcella. 4 Difflugia (3 und 4 beschälte Amöben)

4

Amöben

Amöben-Meningitis, Amöben-Meningo|enzephalitis, schwere Erkrankung durch den Befall des Zen­

tralnervensystems mit im Boden lebenden Amöbenarten (Naegleria); Ansteckungsgefahr soll auch im mitteleuro­ päischen Raum in Schwimmbädern, in Süßwasserteichen und beim Spielen der Kinder in Schlammlöchern be­ stehen. Amöbenruhr, Amoebiasis, in warmen Ländern verbreitete infektiöse Darmkrankheit, verursacht durch die Ruhramöbe (Entamoeba histoiytica). Die Infektion erfolgt über Trinkwasser oder Nahrungsmittel, die mit Amöbenzysten verunreinigt sind. Sie werden von sym­ ptomlosen Amöbenträgern ausgeschieden. Die Zysten sind in feuchtem Milieu über mehrere Monate haltbar. Durch Austrocknen oder Erhitzen (über 55 °C) werden sie rasch abgetötet. Im Dünndarm bilden sich aus einer 25

CJ Ampulle 1): Ampullenformen

Amok vierkernigen Zyste mehrere einkernige kleine Amöben (>Minutaformen Fäulnis. Zu den obligaten A. gehören viele -»Bakterien, so die sporenbildenden A., u. a. die Erreger des -► Gasbrands, Wundstarrkrampfs, -►Botulismus, -► Dauerformen bei Mikroorganismen. Fakultative A. sind z. B. Hefen wie auch verschiedene Darmparasiten (z. B. darm- und schlammbewohnende Würmer). Der Vorgang des Lebens ohne Sauerstoff wird als Anaerobiose bezeichnet. anal, den -»After betreffend, afterwärts, in der After­ gegend gelegen; anale Phase, nach S. Freud die zweite frühkindl. Entwicklungsstufe der Sexualität (etwa 2.-4. Lebensjahr), in der sich der sexuelle Partialtrieb auf den Analbereich als erogene Zone richtet. Ausscheidung und Zurückhaltung der Exkremente werden lustbetont erlebt. Eine Fixierung auf die anale Phase führt nach psychoana­ lytischer Auffassung zur Entwicklung eines analen Cha­ rakters, der durch Ordnungsliebe, Sparsamkeit, Zuver­ lässigkeit bis Pedanterie, Geiz und Eigensinn gekenn­ zeichnet ist. Analeptika, die -»Anregungsmittel. Analfissur, die -»Afterschrunde. Analfistel, die -» Afterfistel. An|algesie, 1) Aufhebung der Schmerzempfindung, Unterbegriff zur --»Anästhesie; hervorgerufen durch Ein­ griff (medikamentös oder operativ) an den Schmerzlei­ tungsbahnen oder -Zentren des Gehirns, z. B. bei der -» Narkose. 2) Verletzungen oder Erkrankungen des Ner­ vensystems. 3) psychopatholog. Zustände, z. B. -» Hyste­ rie und die katatone Form der -► Schizophrenie. An|algetika, schmerzlindernde und -»schmerzstil­ lende Mittel. An|algetika-Nephropathie, die -»PhenazetinNephropathie. An|algetika-Syndrom, Gesamtheit der durch Miß­ brauch von Analgetika ausgelösten Körperschäden. Be­ troffen sein können einzeln oder zusammen: das Nieren­ system, die Leber, der Magen-Darm-Kanal (Geschwür­ bildung), die blutbildenden Organe (Knochenmarkschä­ den), das Herz-Kreislauf-System (Hochdruckkrankheit, periphere Gefäß- und auch Koronarschäden). Im Bereich des zentralen Nervensystems und der Psyche können Ab­ hängigkeit von bestimmten Medikamenten (Drogen­ sucht), Dauerkopfschmerzen, Schwangerschafts- und fe­ tale Schäden, vorzeitige Alterung auftreten. Analprolaps, der -»Aftervorfall. Anlämie, die -»Blutarmut. Ana|mnese, die-»Vorgeschichte. Ananas, trop. Frucht der zu den Ananasgewächsen (Bromeliaceae) gehörenden Nutzpflanze Ananas como­ sus. Die steifen Blätter bilden eine Rosette, in deren Mitte ein kurzer Stengel die Blütenähre trägt, die sich durch Fleischigwerden der Einzelblüten und der Blütenachse zur

Sammelfrucht mit Blattschopf entwickelt. Hauptanbau­ gebiete: Hawaii, Taiwan, Brasilien, Kanaren, Singapur, Penang, Kenia, Tanganjika, Azoren und Krim. - A. ist eine beliebte, bes. aromatische Kompott- und Bowlen­ frucht, die auch gern bei der Herstellung von Backwaren verwendet wird. Anankasmus, Zwangsvorgang (-»Neurosen). Anaphase, ein Stadium bei der Kernteilung der Zelle (-» Befruchtung). Ana|phylaxie, -»Allergie. An|arthrie, die Unfähigkeit, Laute zu bilden, verur­ sacht durch Lähmungen der Zunge, des Gaumens oder der Lippen. Anasarka, die-»Hautwassersucht. Anästhesie, Empfindungslosigkeit, übergeord­ neter Begriff zur -»Analgesie. 1) A. im gesunden menschl. Körper: Die Empfindlichkeit der verschiedenen Organe gegenüber Schmerzreizen ist sehr unterschiedlich. Haut, Schleimhäute und Blutgefäße besitzen eine große Zahl von Schmerzaufnehmern (Rezeptoren); das Hirngewebe besitzt diese nicht. Auch der Darm ist gegenüber Kälte­ oder Hitzereizen und gegenüber Berührung unempfind­ lich, Zug an den Darmschlingen löst jedoch starken Schmerz aus, da das Bauchfell sehr schmerzempfindlich ist. Die Unempfindlichkeit von Fakiren oder Feuertänzern beruht z. T. auf -»Autosuggestion. Der Körper produziert auch selbst morphinartige Substanzen (Endorphine, -»Opioide), die u. a. im Rückenmark die Schmerzweiter­ leitung blockieren oder herabsetzen. Durch diese Sub­ stanzen können Schmerzen im Frühstadium auch bei schweren Verletzungen zeitweise weitgehend unterdrückt werden. 2) A. kann auch ein Zeichen für Erkrankung oder Ver­ letzung des zentralen oder peripheren Nervensystems sein. 3) Als Verfahren zur Erzeugung von Empfindungs­ losigkeit bei schmerzhaften Eingriffen wird die A. ent­ weder durch Allgemein-A. (-»Narkose) oder durch örtl. Betäubung mit physikal. oder ehern. (Anästhetika) Mit­ teln erzielt. Bei der örtl. Betäubung oder Lokal-(Regional-)A. un­ terscheidet man a) die Oberflächen-A., bei der mit Chlor­ äthyl die obere Hautschicht vereist und damit unempfind­ lich gemacht wird (Kälte-A.), oder eine anästhesierende Substanz auf Haut oder Schleimhaut gesprüht wird, b) die Infiltrations-A., bei der ein zu operierender Bezirk mit ei­ nem Lokalanästhetikum unterspritzt wird, c) die Leitungs-A., bei der einzelne Nerven oder ganze Nervenbün­ del durch Umspritzen (Umspritzungs-A.) mit einem Lo­ kalanästhetikum blockiert werden, z. B. in der Zahnheil­ kunde. Hierzu gehört ferner die A. des Achselgeflechts oder Schlüsselbeingeflechts, mit denen man den ganzen Arm gefühllos und bewegungsunfähig machen kann. Zu der rückenmarknahen Leitungs-A. gehört die Peridural­ oder Epidural-A. (Kaudal-A.), bei der die Betäubungslö­ sung zwischen die harte Rückenmarkhaut und die knö­ cherne Begrenzung des Rückenmarkkanals (Peridural­ raum) gespritzt wird. Dadurch werden die motor, (bewe­ gungssteuernden) vorderen und die sensiblen (empfin­ dungsleitenden) hinteren Rückenmarkwurzeln gefühllos gemacht. Wird das Betäubungsmittel in den am Kreuz­ bein endenden offenen Teil des Rückenmarkkanals (Sakralkanal) eingespritzt, spricht man von Sakral-A. Die peridurale oder epidurale A. hat v. a. in der Geburtshilfe, aber auch (wie die Lokal-A. überhaupt) in der Schmerz­ therapie Verbreitung gefunden; wenn man einen Katheter in den Periduralraum einführt, so kann nach Bedarf neue Betäubungslösung eingebracht und die Schmerzfreiheit Amöbcnruhr: Entamoeba histolytica, der Erreger der Amöbenruhr; Darmraumformen (1—5) und Gewebs­ form (6). 1 Minutaform, 2 einkernige Form mit großer Vakuole, 3 zweikernige Form. 4 junge und 5 reife infek­ tionsfähige, vierkernige Form, 6 krankheitserregende Gewebsform (Magnaform) mit Scheinfüßchen und auf­ genommenen roten Blutkörperchen (nach Mattes) 27

Amöbenruhr

Anas fast beliebig verlängert werden. Die Lumbal- oder Spi­ nal-A., bei der ähnlich wie bei der Peridural-A. zwischen

den Wirbelfortsätzen der Rückenmarkkanal aufgesucht und die harte Rückenmarkhaut durchstochen wird, muß vom 1. Lendenwirbel an abwärts vorgenommen werden, da sonst die Gefahr der Rückenmarkschädigung durch die Nadel besteht. Macht man durch Zusatz von Traubenzukker das Betäubungsmittel schwerer als die Rückenmark­ flüssigkeit, so kann durch Kopftieflagerung die A. bis zum Brustkorb hinauf ausgedehnt werden. Vorteile der Spinal-A. gegenüber der Vollnarkose: Der Patient muß nicht unbedingt nüchtern sein, die Kompli­ kationsrate ist niedriger; die A. kann bei geschickter Lage­ rung z. B. auf ein Bein begrenzt werden, der zu Operie­ rende bleibt wach und ansprechbar. Nachteile: gelegent­ lich starker Blutdruckabfall durch Gefäßerweiterung im betäubten Gebiet, Kopfschmerzen. Eine Sonderform der Leitungs-A. ist die Gefäß-A. (intravasale A.). Diese er­ folgt nach Anlegen einer Blutsperre z. B. am Arm ent­ weder als venöse A. (Einbringung des Betäubungsmittels in eine Blutader) oder arterielle A. (Einbringung des Be­ täubungsmittels in eine Schlagader). Durch Verteilung im Gewebe werden die Nerven so lange blockiert, wie die Blutsperre besteht und damit das Betäubungsmittel in dem abgesperrten Gefäßsystem verbleibt. Zwischen der Lokal-A. und der Allgemein-A. klassi­ scher Art gibt es eine Reihe von Verfahren, die beide For­ men kombinieren und dadurch eine erhebl. Einsparung an der Gesamtmedikamentenmenge erzielen mit dem Er­ folg eines geringeren Risikos. Alle Verfahren der örtl. Be­ täubung, in neuerer Zeit auch zusammen mit der Aku­ punktur (Wirkungsweise umstritten), setzen eine bereit­ willige Zusammenarbeit mit dem Patienten voraus. An|ästhesin, der Äthylester der Paraaminobenzoe­ säure; wird in Form von Pudern, Salben und Zäpfchen zur örtl. Schmerzbetäubung verwendet. An|ästhesiologie, Lehre von den Methoden der Schmerzbetäubung. (-»Analgesie, -»Anästhesie, -»Nar­ kose, -► Schmerzbekämpfung)

A

End-zu-SeitAnastomose 0

1

•)

End -zu- EndAnastomose

Seit -zu- SeifAnastomose

Anastomose

Anästhesie 3): A Allgemeinanästhesie (Narkose) wird durch vorübergehende Ausschaltung der Großhirnrinde und damit des Bewußtseins mit ehern. Mitteln erreicht. Die Abbildung zeigt schematisch die Wege, auf denen diese Mittel das Großhirn erreichen. Grün: Verdauungs­ organe; aSpeiseröhre, b Magen, cMastdarm, dLeber. Gelb: Luft­ wege; e Luftröhre, f Lungenbläschen. Rot: Arterien und linke Herzhälfte. Blau: Venen und rechte Herzhälfte. — g Ein eingeat­ metes Mittel (Gas oder verdunstete Flüssigkeit) dringt durch die Wandungen der Lungenbläschen in die die Bläschen umspinnen­ den Haargefäße (h) ein und gelangt von da über die linke Herz­ hälfte durch die Halsschlagader (k) zum Gehirn; m ein eingenom­ menes Mittel dringt im Magen und Dünndarm durch die Schleim­ haut in die Venen und kommt durch die Pfortader (n) in die rechte, durch die Lunge in die linke Herzhälfte und von dort ins Gehirn; p ein in Lösung als Einlau f gegebenes Mittel dringt durch die Mast­ darmschleimhaut in die Darmvenen und weiter auf dem Blutweg ins Gehirn; q ein in die Ellbogenvene eingespritztes Mittel gelangt unmittelbar in die rechte Herzhälfte und weiter auf dem Blutweg ins Gehirn. - B Lokalanästhesie (örtl. Betäubung) hat folgende Möglichkeiten: Lokalanästhesie im engeren Sinn durch Einsprit­ zen eines Mittels. / Oberflächenanästhesie, 2 Infiltrationsanästhe­ sie, 3 Umspritzungsanästhesie, 4 Kälteanästhesie durch Eispakkung (ausnahmsweise angewendet bei Amputationen bei älteren Menschen, die keine Narkose vertragen). — Leitungsanästhesie durch Einspritzen des Mittels an die Schmerzleitungsbahnen: 5 Leitungsanästhesie des Ellennerven zur Unempfindlichmachung des Kleinfingers. 6 Betäubung des Armnervengeflechts zur Aus­ schaltung des ganzen Arms. 7 Nervenausschaltung neben der Wir­ belsäule zur Linderung einer Gallen- oder Nierenkolik. 8 Einsprit­ zung vor dem Kreuzbein, z. B. für eine schmerzlose Geburt. 9 Rückenmarkanästhesie für eine Bauchoperation (a) oder eine Operation am Bein (b). 10 Für operative Eingriffe am Gehirn ge­ nügt es, die Kopf- und Knochenhaut unempfindlich zu machen 28

An|ästhesist, Arzt für Anästhesie, für alle Arten der Betäubung (-»Anästhesie, -► Narkose, Schmerzthera­ pie, Intensivmedizin, -► Intensivbehandlung und -»Re­ animation) zuständiger Arzt. Die Weiterbildung zum A. beträgt 4 Jahre mit Abschlußprüfung. Die spezielle Durchführung der Schmerztherapie auch in der ambulan­ ten Praxis und das -»ambulante Operieren in Belegkran­ kenhäusern brachte die Niederlassung von A. in freier Praxis mit sich. An|ästhetika, Mittel zur Schmerzbetäubung (-»An­ ästhesie. Ana Istomose, die angeborene oder erworbene, auch operativ (Chirurg. A.) geschaffene Verbindung zweier Hohlorgane (z. B. Blut- und Lymphgefäße, auch im Verdauungstrakt). Alle Kapillargefäße (-»Haargefäße) haben natürliche A., wobei die arteriellen die wichtigsten sind, da sie die Blutversorgung eines Gebiets sichern, wenn eine der zuführenden Arterien unwegsam geworden ist (arterielle A.). Neben der arteriellen A. gibt es die ve­ nöse A. Eine krankhafte A. besteht bei der Fistelbildung und beim -» Shunt. Eine Nerven-A. entsteht, wenn 2 Ner­ ven zu gemeinsamer Funktion zusammentreten. — Bei der Chirurg. A. unterscheidet man die End-zu-Seit-A., die End-zu-End-A. und die Seit-zu-Seit-A. Anatomie [grch. anatemnein >aufschneidenbehandelt< werden, also im Kontakt mit Freunden, Nachbarn, Arbeitskollegen, >erfahrenen< Kranken, Personen, die ei­ nen Gesundheitsberuf ausüben oder in Beziehung zum Gesundheitswesen stehen. Auch von den besonderen Be­ ziehungen und wechselseitigen Wirkungen zwischen den Mitgliedern der Familie als sozialer Gruppe (>GruppendynamikSündenbock< Probleme und Schwierigkeiten abgela­ den werden, den die Familie in diesem Sinn aber auch braucht, um ihr Gleichgewicht zu erhalten. Hieraus kön­ nen sich unbewußte Widerstände gegen die Heilung des Kranken ergeben, die einen Behandlungsplan durch­ kreuzen. Alle Personen der näheren Umgebung des Kranken sollten sich ihrer Bedeutung und Verantwortung für den Kranken bewußt sein und sich bes. bei der Erteilung von Behandlungsratschlägen die Frage nach ihrer Kompetenz stellen; entscheidende Voraussetzung für den Erfolg einer Therapie ist das Vertrauensverhältnis zum Arzt und sei­ nen Maßnahmen (-»Compliance). Angelhakenmagen, die normale Darstellungsform des Magens im Röntgenbild beim stehenden Menschen.

Herzmuskel mit Blut versorgen. Diese Gefäße haben ent­ weder durch fehlerhafte nervöse Reizbeantwortung oder durch Arterienwandveränderungen die Fähigkeit verlo­ ren, sich dem wechselnden Bedarf des Herzens anzupas­ sen. Im ersten Fall handelt es sich um einen rückbildungs­ fähigen -► Gefäßkrampf, der durch Aufregung, Kälte, Anstrengung ausgelöst wird, im zweiten um eine mechan. Verlegung und Verengung der Herzkranzgefäße (-► Koro­ narinsuffizienz). Das typ. Zeichen der A. p. ist der von heftigem Schmerz oder Druck in der Herzgegend und Angstgefühl begleitete Anfall, der durch körperl. Anstrengungen (Gehen, Trep­ pensteigen, Einnehmen einer größeren Mahlzeit) und/ oder durch psych. Erregungen, die meist mit einer Erhö­ hung des Blutdrucks verbunden sind, ausgelöst wird. Sehr schwere Anfälle werden durch einen -» Herzinfarkt verur­ sacht. Die oft in die linke Schulter ausstrahlenden Schmerzen können mit einem -»Schulter-Arm-Syndrom verwechselt werden. Wird ein größerer Teil des Herzmus­ kels längere Zeit hindurch mangelhaft mit Blut versorgt, so stirbt dieser Muskelteil ab; später bildet sich eine Narbe, die Herzschwiele. Wenn hierdurch bes. lebens­ wichtige oder übergroße Bezirke des Herzmuskels betrof­ fen sind, kann in einem solchen schweren Anfall der Tod eintreten. Behandlung: Anfallverhütend wirken regelmäßig abends vor dem Schlafengehen durchgeführte anstei­ gende Teilbäder der Hände und Unterarme, die günstige Durchblutungsverhältnisse für den Herzmuskel schaf­ fen. Nikotingenuß ist bei A. p. ganz besonders schädlich (-»Arteriosklerose), das Rauchen ist daher zu unterlas­ sen; zur Ernährung -* Herzschonkost. Der Beseitigung des Anfalls dienen in erster Linie krampflösende Mittel, welche nach Aufnahme durch die Mundschleimhaut (Nitroglyzerin) oder Einatmung (Amylnitritspray) die Blutgefäße des Herzens erweitern; Präparate dieser Art können auch nach Aufbringen auf die Haut der Herzgegend wirksam sein. Durch Beta-Blokker (-► Beta-Rezeptorenblocker) kann dem Mißverhältnis zwischen Sauerstoffbedarf und -verbrauch vorgebeugt werden. Bei Auftreten eines schweren Anfalls ist sofortige Ruhelage mit erhöhtem Oberkörper notwendig, da stets Infarktverdacht besteht. Bis zum Eintreffen des Arztes ist ruhiger Zuspruch wesentlich; kalte oder warme Kompres­ sen auf die Herzgegend werden als angenehm empfunden. Stets müssen Begleitkrankheiten (Hochdruck, Zucker­ krankheit, Übergewicht) mitbehandelt werden; in schwe­ ren Fällen Bypassoperation.

Angiographie, Vasographie, Oberbegriff für die Darstellung von Blut- und Lymphgefäßen durch das Röntgenverfahren mit Einbringen von Kontrastmitteln. Angiographie: Angelika, Angelica archangelica, Engelwurz, Verfahren sind -»Aortographie, -»Arteriographie, Ve­ Darstellung der Arterien zu den Doldenblütern (Umbelliferae) gehörende, bis 3 m nographie, Angiokardiographie mit Darstellung der des Vorfußes hohe Pflanze in gemäßigten Klimazonen. Der würzig rie­ Hohlräume des Herzensmit Hilfeder-» Herzkatheterisie­ chende Wurzelstock enthält Stoffe mit verdauungsanre­ rung. Weitere Darstellungsmöglichkeit durch Phlebogra­ gender, krampflösender, entblähender und nervenberu­ phie, bei der die Blutadern (Venen) im Röntgenbild sicht­ higender, aber auch hautreizender Wirkung. Anwen­ bar gemacht werden. (Weiteres Bild S. 31) dung: Heilpflanzen, Übersicht. Angiologie, die Lehre von den Blutgefäßen und ihren Angestelltenkrankenkassen, -»Sozialversiche­ Erkrankungen (-» Durchblutungsstörungen). rung. Angiom, Hämangiom das, gutartige Gefäßge­ Angestelltenversicherung, -* Sozialversiche­ schwulst (-»Blutgefäßmai). rung. Angioneurosen, die -»Vasoneurosen. Angi |ektasie, die -» Gefäßerweiterung. Angiopathie, krankhafte Veränderungen an den Angi |itis, Gefäßentzündung (-»Arterienentzündung, -»Arteriosklerose, -»Durchblutungsstörungen, -► Ge­ Blutgefäßen. Angiospasmus, -► Gefäßkrampf. fäßkrampf, -»Periarteriitis nodosa, -»Raynaudsche Krankheit, -»Venenentzündung). Angiostrongylose, besonderer Typ einer Gehirn­ Angina [lat. angere >beengenenger Hals< (-»Mandelentzün­ rungen im Blutbild, verursacht durch Larven des -► Rat­ tenlungenwurms (Angiostrongylus cantonensis), der im dung), >Herzenge< (-»Angina pectoris). pazif. Raum vorkommt. Ansteckung bes. durch Verzehr Angina pectoris, Herzenge, Stenokardie, an­ roher, mit Larven befallener Krabben, Shrimps und roher fallsweise auftretende Herzbeschwerden. Sie beruhen auf Schweine-, Rinder- oder Kalbsleber. Auch aktives Ein­ einer Funktionsstörung der Herzkranzgefäße, die den dringen der Larven (z. B. über Wunden) ist möglich. Che­ motherapeutische Behandlung mit Spezialpräparaten, Angina pectoris: dunkelroter Bereich: dumpfer, drückender oder bren­ Vorbeugung durch Aufklärung. nender starker Schmerz; hellrote Bereiche: leichte aus­ strahlende Schmerzen oder Mißempfindungen Angiotonika, -»gefäßverengende Mittel. 30

Anky Angsttraum, —Traum.

Angiographie: Video-Subtraktionsangiographie-Anlage; im Vor­ dergrund das Schaltpult, hinter dem Bleiglasfenster Untersu­ chungstisch und Röntgenanlage mit Bildverstärker und Monitor, links die automatische Injektionsspritze für das Kontrastmittel Angostura|baum, Cusparia officinalis, zu den Rautengewächsen (Rutaceae) gehörender, ca. 5 m hoher Baum, heimisch im trop. Südamerika. Die getrocknete Rinde enthält Stoffe mit insgesamt anregender Wirkung. Anwendung: Heilpflanzen, Übersicht. Angst, dem Menschen und Tier eigenes, aus dem Unterbewußtsein kommendes Gefühl der Beengtheit und Unlust beim Erleben oder des sich Vorstellens einer un­ mittelbaren Bedrohung. Im Unterschied zur — Furcht äu­ ßert sich A. meist ohne vordergründig erkennbare Ursa­ che. A. ist wandelbar von der allgemeinen Lebens-A., der Existenz-A. bis zur Todes-A. Eine klare Abgrenzung der A. gegenüber der Furcht ist oft nicht möglich. Stärkere A. ist zwar i. d. R. von vegetativen Erscheinungen begleitet wie Blässe, Schweißausbruch, Zittern, Störungen der Herzaktion und des Blutdrucks (Adrenalinausschüt­ tung), vermehrter Darmbewegung (Durchfall) und Po­ tenzstörungen (-»sexuelle Funktionsstörungen), ist aber vom Willen her und auch durch Zuspruch (teilweise) be­ einflußbar. Die A.-Verarbeitung kann bewußt (rationale Verarbeitung, Abfuhr) oder unbewußt über Abwehrme­ chanismen erfolgen. Zum unbewußten Vorgang gehört die Konversion (Umwandlung psych. Konflikte in körperl. Geschehen) mit den mögl. Folgen hyster. Syndrome oder psychosomat. Erkrankung (>OrganneuroseDer Schreit.

Anheliose, Lichtmangelkrankheit, Gesamtheit der gesundheitl. Störungen, die durch den Mangel an Son­ nenlicht bei Nachtarbeitern, Grubenarbeitern und Dun­ kelarbeitern (z. B. in der Film- und Photoindustrie) her­ vorgerufen werden. Anhidrose, — Hyperhidrose. Anilinvergiftung, Vergiftung durch Nitro- oder Aminoverbindungen des Benzols oder seiner Homologe und deren Abkömmlinge; melde- und entschädigungs­ pflichtige Berufskrankheit. Gefährdung durch Auf­ nahme über die Haut oder Einatmen von Dämpfen der Nitroverbindungen, z. B. Nitrobenzol, Dinitrobenzol, Nitrotoluol, Dinitrophenol, Trinitrophenol. Vergif­ tungsmöglichkeiten bestehen in der ehern, und Sprengstoffindustrie. Bei den Nitro- und Aminoverbindungen (Aminobenzol, Phenylamin, Anilin) werden bes. die ro­ ten Blutkörperchen geschädigt (Methämo- oder Hämi­ globinbildung). Anilinabkömmlinge (Naphthylamin, Benzidin) können bei Dauereinwirkung — Krebsgeschwülste(z. B. Geschwülste der Harnblase) verursachen. Paraphenylendiamin und seine Abkömmlinge (Ursole) sind Allergene und können Bronchialasthma und allerg. Ekzeme erzeugen. Erkrankungsanzeichen bei akuter Vergiftung: Erre­ gungszustand (Anilinpips), Beklemmung, Ohnmacht, Krämpfe; Lippen und Gesicht werden bläulich; bei chron. Vergiftung: Mattigkeit, Appetitlosigkeit, Lustlosigkeit, Blutarmut. Erste Hilfe: Entfernung aus dem Arbeitsraum, Be­ freiung von durchtränkter Kleidung. Die benetzte Haut und die Haare sind sorgfältig im Seifenbad zu reinigen; Sauerstoffbeatmung, Aderlaß, Bluttransfusion, Infu­ sion von Kochsalzlösung und Traubenzucker; strenges Alkoholverbot. Anima, die Seele; in der scholast. Psychologie nach ih­ rer physiolog., psycholog. und rationalen Leistung unter­ schieden in A. vegetativa, A. sensitiva und A. rationalis. Die Unterscheidung kehrt in der modernen Lehre von den Schichten der Persönlichkeit wieder, wo von vegetativen, animalen und noetischen (rationalen) Bereichen der Per­ sönlichkeitsstruktur gesprochen wird. C. G. Jung ver­ steht unter A. das zu den Archetypen (—Archetypus) ge­ hörende Bild der Frau im Unbewußten des Mannes. An | iridie, das Fehlen der Regenbogenhaut (Iris), ganz oder nur z. T., meist in beiden Augen; in der 1L—12. Wo­ che der Embryonalzeit auftretende Entwicklungsstörung mit dominantem Erbgang. Oft finden sich weitere An­ omalien am Auge sowie Lichtscheu, gelegentlich in Zu­ sammenhang mit dem —Wilms-Tumor. Anis, Pimpinella anisum, zu den Doldenblütern (Umbelliferae) gehörende, bis 50 cm hohe, an keine be­ stimmten Standorte gebundene Pflanze. Die aromatisch süßlich schmeckenden kleinen Spaltfrüchte enthalten bis zu 6% äther. Öl (80—90% Anethol); beliebtes Backge­ würz. Anwendung: Heilpflanzen, Übersicht. Anisakiasis, durch Larven des Fadenwurms Anisakis marina hervorgerufene — Heringswurmkrankheit. An|isokorie, ungleiche Pupillenweite. Durch augenärztl. Untersuchung ist festzustellen, ob es sich bei der A. um ein Krankheitszeichen oder eine Anomalie handelt. Anisometropie, die — Ungleichsichtigkeit. An|isozytose, Ungleichheit der Zellgröße, bes. der roten Blutkörperchen, Kennzeichen verschiedener Blut­ krankheiten. Anklopferkrankheit, —Vibrationsschäden. Ankylose, spontan eintretende oder allmähliche Steife (Steifigkeit) eines Gelenks. Zahlreiche Erkrankun­ gen oder Verletzungen von Gelenken können zu einer A. führen, die einen Endzustand, bisweilen auch im Sinn ei­ ner Ausheilung mit — Synostose, darstellen können. Im Ggs. zur A. ist die Arthrodese eine künstlich herbeige­ führte —Gelenkversteifung. Ankylostomiasis, die — Hakenwurmkrankheit. 31

Anla wird das A. nach W. Nagel. Zur Feststellung von Abwei­ chungen im Rot-Grün-Sehen wird ein gelbes Spektrallicht vorgegeben, das durch rotes und grünes Spektrallicht nachgemischt werden soll. Die dazu notwendigen Farb­ werte werden mit denen von Normalsichtigen verglichen. Anomale Trichromasie und die häufigsten Formen der Farbenfehlsichtigkeiten können sicher erkannt werden. Anopheles, Gruppe der Stechmücken, zu denen auch die Überträger der Erreger der -»Malaria gehören. An|orchie, angeborenes Fehlen beider Hoden. A. ist zu unterscheiden vom Kryptorchismus (-» Leistenhoden). Anorexia

Anopheles: Unterscheidungsmerkmale der gewöhnl. Stechmücke Culex (1) und A. (2); la und 2a Weibchen (bei Culex kurze Taster, bei A. lange Taster), lb und 2b Köpfe der Männchen, lc und 2c Weibchen sitzend (Körperhaltung bei Culex bucklig, bei A. ge­ streckt), ld und 2d einzelne Eier, le und 2e Eigelege (bei Culex zu Schiffchen verklebt, bei A. lockere Gruppe), //und2/Larven (bei Culex mit Atemröhre und von der Wasserfläche schräg abwärts hängend, bei A. ohne Atemröhre und der Wasserfläche von unten her flach anliegend), 1g und 2g Puppen

nervosa,

Pubertätsmagersucht,

durch psych. Fehlhaltung bedingtes, ständiges erhebl. Untergewicht bei jungen Mädchen während der Pubertät oder (selten) Vorpubertät. Die Nahrungsaufnahme wird abgelehnt, oft unterstützt durch meist heiml. Erbrechen oder Abführmittelmißbrauch. Es fehlt die Krankheitsein­ sicht als Ausdruck einer unbewältigten psychophys. Rei­ fungskrise; von S. Freud gedeutet als phob. Abwehrme­ chanismus mit Verleugnung der genitalen Reifung und der in der Pubertät erwachenden Triebwünsche, so auch des als triebhaft erlebten Nahrungsbedürfnisses. Bei der A. n. besteht eine schwere Identitätskrise, verbunden mit der Unfähigkeit, sich mit der weibl. Geschlechtsrolle zu identifizieren, und mit dem Wunsch nach knabenhaftem Körperbau bei >reiner< Asexualität. Die A. n. ist Ausdruck einer Diskrepanz zwischen Triebentwicklung und intel­ lektueller Reifung. Sie ist häufig auch mit dem Ausbleiben der Menstruation verbunden. Nach neueren Untersu­ chungen zeigen Patientinnen mit A. n. eine auffallend ver­ ringerte Darmtätigkeit (-motilität), der ein Funktionsfeh­ ler des Hypothalamus zugrunde liegen soll. Die psych. Anomalien wären demnach nicht Ursache, sondern Folge der sich auf das körperlich-seel. Befinden auswirken­ den Funktionsstörung. Behandlung: Psychoanalyse, die frühzeitig beginnen muß. An|orexie, Appetitlosigkeit, -»Appetit. an|organisch nennt man den unbelebten Bereich der Natur im Ggs. zur organischen, belebten Natur. Die Grenzziehung zwischen beiden Bereichen ist umstritten, in der Chemie durch die Bezeichnungen organ. und anor­ gan. Chemie festgelegt. Als anorganische (chem.) Ver­ bindungen werden mineralische, im wesentl. nicht koh­ lenstoffhaltige Verbindungen wie Metallsalze, Metall­ oxide und -hydroxide bezeichnet, die in der Natur eine Rolle spielen. Sie sind am Aufbau der Erdrinde als Mine­ ralien beteiligt, gelöst finden sie sich z. B. im Meerwasser und auch in Heilquellen als -»Salze. Von den Kohlen­ stoffverbindungen gehören zu ihnen nur das Kohlen­ dioxid der Luft und die sich von ihm ableitenden Salze, die Karbonate, v. a. Kalziumkarbonat (Kalkstein) und Natriumkarbonat (Soda). Ohne das Kohlendioxid gäbe es kein Wachstum auf der Erde; dieses wird im Pflanzen­ stoffwechsel unter Mitwirkung von -»Chlorophyll zu Kohlenhydraten unter Freiwerden des lebensnotwendi­ gen Sauerstoffs assimiliert (-»Assimilation). An|osmie, das Fehlen des Geruchsvermögens, tritt am häufigsten auf bei Erkrankungen der Nase und ihrer Nebenhöhlen, z. B. vorübergehend bei Schnupfen. Ange­ borene A. kommt vor beim Fehlen der Geruchsnerven oder der Riechschleimhaut. Auch können krankhafte Gehirnveränderungen im Geruchszentrum, z. B. durch Druck einer Geschwulst auf den Geruchsnerv (Nervus olfactorius), A. bewirken. Da viele Geschmacksein­ drücke durch Geruchsempfindungen ausgelöst werden, wird auch der Geschmack durch die A. erheblich beein­ trächtigt. an|ovulatorischer Zyklus, Menstruationszyklus (-»Menstruation) ohne Eisprung (-»Ovulation).

Anlage, Krankheits|anlage, eine auf -»Erbanla­ gen beruhende Krankheitsbereitschaft (-»Konstitution) oder durch falsche Lebensführung und Ernährung erwor­ bene Anfälligkeit (-»Disposition). Diese kann sich in mehreren Generationen auswirken und täuscht so Erb­ anlagen vor. Ändert sich die A. durch positive Einflüsse der Umwelt oder Verbesserung der Lebensgewohnheiten, sind Erbeinflüsse auszuschließen. Anlegen des Neugeborenen an die Mutterbrust, -»Säugling. Annahme als Kind, Adoption, gewährt die rechtl. Stellung eines leibl. oderehel. Kinds(§§ 1741-1772 BGB). Der Annehmende muß mindestens 25 Jahre, bei Ehepaa­ ren der andere Ehepartner mindestens 21 Jahre alt sein. Kinderlosigkeit wird bei den Adoptiveltern nicht mehr vorausgesetzt. I. d. R. sind Adoptivkinder minderjährig und sollten schon als Säugling (frühester Zeitpunkt Alter von 8 Wochen) in die Familie aufgenommen werden, um eine optimale Anpassung und Entwicklung zu ermög­ lichen. Bei der Vermittlung von Adoptivkindern über das Jugendamt oder soziale und kirchl. Organisationen wer­ den u. a. genetische Anlagen der betreffenden Familien berücksichtigt, um ein harmon. Zusammenwachsen zu gewährleisten. Die Eigenschaften des/der Annehmenden sowie die notwendigen Formalitäten, u. a. die Einwilli­ gung der leibl. Eltern des Kindes, die Einhaltung einer va­ riablen Probezeit vor der Annahme und die notarielle Be­ urkundung der Erklärungen, sind gesetzlich festgelegt. Inder Dt. Dem. Rep. folgt die A. a. K. den §§66—78 des Familiengesetzbuchs, der Annehmende muß volljährig sein. In Österreich sind die §§ 179-185a des ABGB maßge­ bend mit anderen Vorschriften über das Alter von Adop­ tiveltern: Wahlvater 30 Jahre, Wahlmutter 28 Jahre. — Anpassung, die körperl. und seel. Abstimmung des in der Schweiz liegt das Mindestalter für Adoptierende Individuums auf Bedingungen der Umwelt einschließlich bei 35 Jahren. der Gesellschaft. Da der Mensch im Ggs. zum weitgehend Anomalie, Abnormität, Abweichung von der instinktbeherrschten Tier >offen< ist, kann und muß er -►Norm. sich zwecks Überlebens den Änderungen der Verhältnisse Anomaloskop, Spektralgerät zur Prüfung von anpassen. Fehlerhafte, z. B. überschießende Anpassungs­ -►Farbenfehlsichtigkeiten. Am häufigsten verwendet leistungen des Organismus, können zur Krankheit, ja 32

Anti sogar zum Tod führen. H. -»Selye hat den Begriff der Anpassungskrankheit (Adaptationskrankheit, -»Adap­ tionssyndrom) eingeführt. Nach dem Grad der A. beur­ teilt man in Psychologie, Psychiatrie, Psychosomatik und Soziologie die Normalität. Der Begriff des Normalen allein stellt dabei keinen objektiven Sachverhalt dar, sondern wird durch die herrschende Vorstellung, d. h. ein zeitgebundenes Ideal, bestimmt. Faktoren und Pro­ zesse, welche eine A. auslösen, werden als Stressoren (-» Streß) bezeichnet. Anregungsmittel, Stimulantia, Analeptika, Exzitantien, Belebungsmittel, Weckmittel, steigern

die Funktion und Erregbarkeit des Zentralnerven­ systems, bes. des lebenswichtigen Atem- und Kreislauf­ zentrums. Zu ihnen gehören die Naturstoffe Koffein, Kampfer, Pikrotoxin, Lobelin, Strychnin. A. werden hauptsächlich bei Leistungsschwäche des Zentralnerven­ systems, bes. des Atem- und Kreislaufzentrums angewen­ det, z. B. bei Schlafmittelvergiftungen. Die mißbräuchl. Anwendung, z. B. zur Unterstützung körperl. Höchstleistungen beim Leistungssport, kann erhebl. Körperschäden hervorrufen (-»Doping). Anserine, das -► Gänsefingerkraut. Anstalten zur Krankenpflege und Gesund­ heitsfürsorge, -»Heilanstalten, -»Krankenhäuser. ansteckende Krankheiten, -»Infektionskrank­

heiten. Ansteckung, die-»Infektion.

Antagonismus, gegensätzl. Wirkung nervlicher, mechanischer, stofflicher Art auf ein Organ, z. B. von Beuge- und Streckmuskeln (Antagonisten) auf ein Glied. Die meisten Drüsen, die glatten Muskeln und das Herz werden von zweierlei Nervenfasern versorgt, die antago­ nistisch wirken, z. B. am Herzen beschleunigend (Sympa­ thikus) oder hemmend (Vagus). Auch Hormone, Medika­ mente oder Gifte haben durch Einwirkung auf das -► vege­ tative Nervensystem antagonist. Einfluß. Die Lebensvorgänge allgemein stellen schwankende Gleichgewichtsformen zwischen entgegengesetzten Wir­ kungen dar. Das Mehr auf der einen Seite kann den glei­ chen Erfolg haben wie ein Weniger auf der anderen Seite (Waagenschema; Bild Gleichgewichte). Bei ausgegliche­ nem A. spricht man aus biolog. Sicht von -► Homöostase. Ant|azida, An|azida, Mittel zur Neutralisierung überschüssiger Magensalzsäure, z. B. Natriumbikarbo­ nat (doppelkohlensaures Natron). Das bei Anwendung dieses Mittels im Magen freiwerdende Kohlendioxid kann durch Dehnung der Magenschleimhaut Schmerzen auslö­ sen. Im Anschluß an den raschen Neutralisierungsvor­ gang kommt es außerdem zu einer verstärkten Salzsäure­ absonderung. Diese Nachteile des Natriumbikarbonats sind nicht vorhanden bei Magnesiumoxid und -peroxid, Magnesium-, Aluminium-, Natrium- und Kalziumsalzen der Kieselsäure. Anteflexio, vorgebeugte Haltung eines Organs, z. B. bei -»Gebärmutterverlagerung. Ant|helminthika, -»Wurmmittel. Anthrakose, Kohlenstaublunge. Anthrax, der-»Milzbrand. Anthropologie, die Wissenschaft vom Menschen. Je nach Betrachtungsweise läßt sich eine philosoph., soziale und naturwissenschaftl. A. unterscheiden. Die naturwis­ senschaftl. A. behandelt den Menschen als biolog. Orga­ nismus. Sie erforscht seine Entstehung, seine systemat. Stellung in der gesamten Organismen weit, seine histor. Entwicklung und Differenzierung (Stammesgeschichte, Rassenkunde) und geht den biolog. Ursachen (Humange­ netik, -»Erblehre) und den gesetzmäßigen Abläufen (-» Evolution) nach. Forschung und Lehre der naturwissenschaftl. A. bedie­ nen sich der Methode der Anthropometrie: Neben absolu­ ten metr. Merkmalen (Strecken, Umfänge, Bogen, Win­ kel) werden relative Maße (Indizes, Proportionen), Farb(Augen, Haar, Haut) und Formmerkmale zur Kennzeich­ nung von Individuen und Gruppen (Populationen, Ras­ AB 3 :

sen) benutzt. Hautleisten- und serologisch-physiolog. Merkmale (z. B. Puls, Blutdruck, -»Blutgruppen)ergän­ zen das Merkmalsbild, Lichtbilder (in genormten Ansich­ ten), Abformungen, Zeichnungen, Risse dokumentieren die Befunde. Mit modernen mathematisch-statist. Ver­ fahren werden die Daten ausgewertet und abgesichert. Nach Überwindung mancher Vorurteile wegen des Miß­ brauchs der A. für ideolog. und polit. Ziele während der nationalsozialist. Herrschaft hat die A. als biolog. Wis­ senschaft vom Menschen wieder einen festen Platz in For­ schung und Lehre gefunden. Anthroponosen, -► Infektionskrankheiten. anthroposophische Medizin, Heilweise, die auf der von R. Steiner (* 1861, 1 1925) begründeten Lehre beruht. Nach Steiner besteht ein Mensch aus 4 >WesensgliedernVergesellschaftung« des Menschen in der bisherigen Form ablehnenden Vorstellungen versuchte Neill praktisch zu verwirklichen. 1921 gründete er die >Internationale Schule« Hellerau bei Dresden und kurz dar­ auf das Internat >Summerhill< (mit jeweils nur bis 50 Schü­ lern) in Leiston (Suffolk), England. Versuche, in der Bundesrep. Dtl. in den 1970er Jahren nach antiautoritären Prinzipien auch Kinder im Vor­ schulalter in »Kinderläden« zu erziehen, stießen wegen der meist einseitig ideolog. Ausrichtung auf starken Wider­ spruch und wurden schließlich aufgegeben. Antijauxine, zu den Antivitaminen (Vitaminant­ agonisten) gehörende natürl. und künstl. Stoffe mit Hemmwirkung auf die Vitamine durch Blockade der enzymat. Funktion (-»Enzyme). Antibabypille, volkstüml. Bezeichnung für oral an­ zuwendende Hormonpräparate (Ovulationshemmer) zur -» Empfängnisverhütung. Antibiotika, Ez. das Antibiotikum, von Lebewesen (verschiedenen Schimmel- und Strahlenpilzen, Bakte33

Anti rien, Algen, Flechten) gebildete natiirl. Stoffwechselpro­ dukte oder chem. Stoffe, die das Wachstum anderer Kleinlebewesen hemmen oder diese töten. Allerdings kön­ nen Krankheitserreger während der Behandlung resistent werden, also ihre Empfindlichkeit gegen A. verlieren. Bei längerer Einnahme ist auch eine Veränderung der Darm­ flora (mit der Folge von Durchfällen) möglich; manche A. haben die Eigenschaft von -»Antivitaminen. Die meisten A. wirken nur gegenüber Bakterien. Polyen-A. sind -»Antimykotika zur Behandlung von Pilz­ erkrankungen. Einige A. (Aktinomycine, Anthracykline, Bleomycinu. a.) wirken als-»Zytostatika. Nur ein kleiner Prozentsatz der heute bekannten A. eignet sich für medizin. Zwecke (Chemotherapie), bes. das — auch in Ab­ wandlungen — von A. -»Fleming entdeckte — Penicillin. Im einzelnen unterscheiden sich die A. durch ihr Wir­ kungsspektrum: Es gibt A., die nur gegenüber wenigen, andere, die gegenüber vielen Krankheitserregern wirksam sind (Breitband-A., z. B. -»Chloramphenicol). A. sollten nur in begründeten Fällen angewendet werden. Bei Infek­ tionen muß das geeignete A. nach der Art des Krankheits­ erregers und seiner Empfindlichkeit gegenüber den A. ausgewählt werden. Breitband-A. wie manche Penicil­ line, -»Cephalosporine und -»Tetracycline können bei bakteriellen Infektionen u. U. ungezielt eingesetzt wer­ den. Eine besondere Gruppe sind die Aminoglykosid-A., die Aminozucker im Molekül enthalten. Zu diesen A. ge­ hören — Streptomycin, Dihydrostreptomycin, Kanamycin, Neomycin, Gentamycin, Amikacin, Netilmycin, Sisomycin, Tobramycin u. a. Da diese A. z. T. gefährl. Ne­ benwirkungen (Innenohrschäden, Nierenschäden) verur­ sachen können, sind sie überwiegend besonderen Indika­ tionen vorbehalten, bei denen andere A. nicht ausrei­ chend wirksam sind, z. B. bei Tuberkulose (Streptomy­ cin, auch Rifampicin, ein Derivat des Rifamycins) oder Infektionen mit Pseudomonas-Bakterien. Eine weitere Gruppe bilden die -»Makrolide. Auch bestimmte Inhaltsstoffe höherer Pflanzen mit antibiot. Wirkung, z. B. die Senföle einiger Gemüsepflanzen (Kresse, Senf, Meerrettich) oder das Allicin aus Lauch­ arten, gehören zu den A. A. werden in der Tierzucht dem Futter von Schlachttie­ ren zugesetzt. Die Ursache für die hierdurch erzielte erhebl. Wachstumsbeschleunigung liegt wahrscheinlich in der Verhütung von leichten Infektionen, die das Wachs­ tum der Tiere hemmen würden. Rückstände der A. im Fleisch können zur Resistenzbildung bei Keimen und zur Sensibilisierung beim Menschen führen. Deshalb wurde die Verwendung von A. zur Viehmast gesetzlich einge­ schränkt. Die Einhaltung von Karenzzeiten zwischen der letzten A.-Gabe und dem Schlachten ist wichtig. Antidiabetika, Mittel gegen Diabetes mellitus (— Zuckerkrankheit). Antidot das, das -»Gegengift.

Antijemetika, Arzneimittel zur Behandlung des

— Erbrechens. Beim unstillbaren Erbrechen Schwangerer (Hyperemesis gravidarum) sollte man mit der Einnahme der A. zurückhaltend sein, da deren fruchtschädigende Wirkung noch nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Bei leichteren Fällen von Schwanger­ schaftserbrechen ist Vitamin B6 angezeigt. Auch zur Verhinderung der Bewegungskrankheiten (—Kinetosen), z. B. der Reisekrankheit, werden die A. angewendet.

Transplantationen. Die A.-A.-R. ist von diagnost. Be­ deutung, z. B. zur Abklärung allerg. Vorgänge. Antigene, Stoffe, die in Mensch und Tieren die Bil­ dung von -»Antikörpern bewirken können. A. sind große, kompliziert aufgebaute Moleküle, die meist als wichtige Substanz Eiweiß enthalten. Durch aktive -►Schutzimpfungen können A. dem Körper künstlich zu­ geführt werden. Antihistaminika, Antihistaminkörper, Mittel, die die Wirkungen des Histamins auf die Gewebe (-»Ge­ webshormone) aufheben und daher bei allerg. Erkran­ kungen (-»Allergie) angewendet werden. Antihormone, Substanzen, welche die Wirkung von Hormonen vermindern oder ganz aufheben, indem sie z. B. die Synthese und Sekretion beeinflussen oder die Hormonrezeptoren blockieren. Bei therapeut. Anwen­ dung spielt nicht nur die hormonale Gegenregulation, sondern wahrscheinlich auch das Auftreten spezif. Im­ munkörper gegen mit der Behandlung eingebrachtes art­ fremdes Eiweiß eine Rolle. Anti-Human-Globulin-Test, Abk. AHG-Test, — Coombs-Test. Antihypertensiva, Antihypertonika, blutdruck­ senkende Arzneimittel. (— Hochdruckkrankheit) Antiklopfmittel, dem Ottomotorenkraftstoff zuge­ setzte, meist giftige Bleiverbindungen (z. B. Bleitetra­ äthyl), die das Klopfen des Motors verhindern sollen. Ge­ setzlich beschränkte Bleizusatzmenge in der Bundesrep. Dtl.: 0,15 g/1 Kraftstoff. Die Einführung bleifreier Kraft­ stoffe wird angestrebt. (-»Abgase) Antikoagulant! | en, die — blutgerinnungshemmen­ den Mittel. antikonzeptionelle

Mittel,

Kontrazeptiva,

— Empfängnisverhütung. Antikörper, Immunkörper, Schutzstoffe, die im Körper nach Berührung mit -»Antigenen entstehen. Die A. reagieren im Organismus oder im Reagenzglas bioche­ misch so mit dem Antigen, daß dieses ungefährlich wird; deshalb spielen die A. eine Rolle bei der — Immunität; Im­ munreaktionen können durch — Immunsuppressiva un­ terdrückt werden. Die A. sind bes. im Gammaglobulin des Blutserums vorhanden. Es gibt viele Arten von A.: -»An­ titoxine, Agglutinine (-»Blutgruppen), -»Lysine, kom­ plementbindende A. (-»Komplementbindungsreaktion) u. a. Der Nachweis von A. dient auch dem Erkennen von Krankheiten. A. können im — Heilserum künstlich ange­ reichert werden (passive Schutzimpfung). Während im Normalfall das körpereigene Gewebe als solches >erkannt< wird, kommt es bei den Autoaggressions- oder Autoimmunkrankheiten zu einer Bildung von A. gegen körpereigene Substanzen (Auto-A., Auto­

immunreaktion). Antikörpermangelsyndrom,

—Agammaglobu­

linämie. Antilymphozytenserum, — Immunsuppressiva. Antimetabolite, Substanzen, die einen Stoffwechsel­

vorgang blockieren können. A. werden bei der Behand­ lung von Krebsgeschwülsten eingesetzt, wirken jedoch auf normale Zellen ebenfalls schädigend. (—Zytostatika) Antimykotika, Arzneimittel (auch als Breitbandprä­ parate) zur Behandlung von Pilzinfektionen. Hierzu ge­ hören z. B. Imidazolderivate, Griseofulvin, Polyenanti­ biotika und eine Reihe von Desinfektionsmitteln zur äu­ Anti|enzyme, Enzymhemmer, Enzymblocker, ßerl. Anwendung bei Pilzkrankheiten der Haut. Nur we­ Stoffe, die Enzymwirkungen aufheben. Durch Prostig- nige A., z. B. Amphotericin B oder Fluorcytosin, eignen min und das schwere Pflanzengift E 605 wird z. B. das sich zur Behandlung von Infektionen der inneren Organe. Enzym Cholinesterase gehemmt. Antineuralgika, die —schmerzstillenden Mittel. Antiepileptika, Mittel gegen Krämpfe, die auf einer Anti|oxidanti|en, Stoffe zur Verhinderung des Fett­ Störung des Zentralnervensystems beruhen, bes. bei verderbs durch Selbstoxidation (Ranzigwerden). Natür­ -►Epilepsie. liche A. sind im tier. und pflanzl. Fettgewebe enthalten Antigen-Antikörper-Reaktion, Abk. AAR, die (Tokopherol = Vitamin E, Tannine, Flavonole); künst­ Bindung eines Antigens an seinen spezif. Antikörper; im liche A. sind Butylhydroxy-Anisol (Abk. BHA), -Toluol Organismus bewirkt sie z. B. die Entgiftung von Toxinen (Abk. BHT) und Gallussäureester (Propyl-Dodezyldurch Antitoxine, andererseits kann sie auch krankheits­ Gallat). Der Zusatz künstlicher A. zu Speisefetten ist in erregend wirken, so bei -»Allergie, Bluttransfusionen, der Bundesrep. Dtl. verboten. 34

Aort Antipathie, Abneigung (-»Sympathie). Antiphlogistika,

die

-»entzündungshemmenden

Mittel. Antipsychiatrie, gegen die schulmäßige Diagnostik und Therapie der histor. Psychiatrie gerichtete Bestre­ bungen, die vereinzelt schon im 19. Jh. tatsächl. und vermeintl. Mißstände in diesem Bereich zu bekämpfen und abzuschaffen suchten. Man empfand das bisherige Sy­ stem der Unterbringung in Anstalten abseits der Städte in naturnaher Umgebung als inhuman. Die Kranken müß­ ten sich in dieser erzwungenen Distanz von der Umwelt weitgehend ausgestoßen fühlen, belastet durch die seit Jahrhunderten allgemein verbreitete Meinung, durch ihre Geistesschwäche Menschen zweiter Klasse zu sein. Hinzu kam bei den Vertretern der A. die Auffassung, daß psych. Krankheiten hauptsächlich durch die verständnislose Umwelt geprägt seien. Auch die -»Schockbehandlung wurde immer wieder heftiger Kritik unterzogen. Zu An­ fang der 1960er Jahre kam die Tendenz zur Auflösung der psychiatr. Großanstalten verstärkt ins Gespräch. Durch die moderne Pharmakotherapie wandelte sich überdies das Bild vom chronisch Kranken mit oft jahrelanger Un­ terbringungin Richtung einer > Dreht ürpsychiatrieBedürfnisspan­ nung«, die auf Aufhebung des Mangels gerichtet ist; diese steht in enger Verbindung mit dem Gefühlsleben (-»Ge­ fühl). Man unterscheidet primären A., verursacht durch unmittelbare Bedürfnisse, z. B. Hunger, Durst, Libido, und durch Lernvorgänge bewirkten sekundären A. Letz­ terer kann als Mittel zur Erreichung eines ersehnten Ziels zum Selbstzweck werden und sich schließlich als spezif. Bedürfnis verselbständigen. A.-Störungen bis zum A.Mangel sind gekennzeichnet durch Nachlassen der psy­ chisch vitalen Impulse mit Auswirkung auf Willen und Motorik. Neben der häu figen Ursache einer konstitutionellen Vi­ talitätsschwäche (im Rahmen normalen Verhaltens bis­ weilen lediglich durch -»Schüchternheit ausgewiesen) kann die Antriebsstörung Symptom von organ. Hirn­ erkrankungen, Depressionen und Neurosen sein; der aus­ geprägt krankhafte, weitgehend leistungsmindernde An­ triebsverlust wird als Katatonie bezeichnet (besondere Verlaufsform der -»Schizophrenie). Antrotomie, operative Eröffnung des Warzenfort­ satzes bei einschmelzender -»Warzenfortsatzentzün­ dung. An |urie, fehlende oder stark eingeschränkte Nieren­ ausscheidung, verursacht durch Funktionsschwäche oder organ. Schädigung des Nierengewebes (echte A.). Bei der reflektor. A. wird auch die gesunde Niere mit einbezogen. Von der A. ursächlich zu unterscheiden ist die -»Harn­ sperre. Anus, der -»After; A. praeternaturalis (A. praeter), der -» Kunstafter. Anzeichen, -»Symptome. Anzeigepflicht besteht im Gesundheitswesen 1) nach dem Personenstandsgesetz für Geburten und Sterbefälle zunächst für Angehörige, dann aber auch für den zugezo­ genen Arzt gegenüber dem Standesamt, 2) bei Kenntnis von der Planung einer gefährl. Straftat (Mord, Raub u. a.) auch für den Arzt, wenn er im Rahmen seiner ärztl. Tätig­ keit davon erfährt (§§ 138—139 StGB), gegenüber den Strafverfolgungsbehörden. Daneben gibt es Meldepflichten für den Arzt nach dem Bundesseuchengesetz, nach dem Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten (Meldung jeweils an das Ge­ sundheitsamt) und nach dem Versicherungsrecht bei Be­ rufskrankheiten an den Träger der Unfallversicherung (-»meldepflichtige Krankheiten). AOK, Abk. für Allgemeine Ortskrankenkasse, Träger der gesetzl. Krankenversicherung im Rahmen der -»So­ zialversicherung. Aortenbogen

aufsteigende

obere Hohlvene rechte Kranzschlagader

Schutzimpfung). Antitussiva, -»Hustenmittel.

j"

linker Vorhof

Abgang der Lungenarterie (entfernt) linke Kranzschlagader

rechtes Herzohr

linke Kammer

Antivitamine, natürl. und künstl. chemische Stoffe,

welche die Wirkung der Vitamine ganz oder z. T. aufhe­ ben, so daß trotz deren Anwesenheit eine entsprechende Mangelkrankheit oder sonstige Schädigung eintreten kann. Als A. wirken z. B. verschiedene Sulfonamide und Antibiotika. Bei der Entstehung der -► Pellagra spielt das Vorkommen von A. im Mais eine Rolle. Antizipation, die Erscheinung, daß sich der Statist. Gipfel in der Häufigkeitskurve einer Krankheit (z. B. Herzinfarkt) oder etwa des Klimakteriums vorverlagert.

Lungenvenen

untere Hohlvene

absteigende Aorta

Aorta: aus dem Herzen aufsteigende Aorta mit ihren oberen Ver­ zweigungen; a Arterienstamm für rechte Arm- und Kopfseite, b linke gemeinsame Halsschlagader, c linke Schlüsselbeinschlagader Aorta, die in der linken Herzkammer entspringende große Körperschlagader, von der alle anderen Schlag­ adern abzweigen (-»Blutkreislauf). Weiteres Bild S. 36. 35

Aort Aortenherz, im Röntgenbild sichtbare Veränderung der Herzform (Aortenkonfiguration) mit kräftig abge­ rundetem linken unteren Herzbogen bis zur Schuhform; Folge einer Vergrößerung der linken Herzkammer, z. B. bei -»Hochdruckkrankheit oder Aortenklappenfehler. Herzvergrößerung)

Apfel, Frucht (Kernobst) der zu den Rosengewächsen (Rosaceae) gehörenden Baumgattung Malus in gemäßig­ ten Klimazonen; wichtigste Bestandteile: 84,4% Wasser, 0,4% Stickstoff, 0,7% freie Säure, 8% Invertzucker, 0,4% Saccharose, 3,3% stickstofffreie Substanzen, 1,9% Rohfaser und 0,4% Asche. Der Vitamin-C-Gehalt schwankt zwischen 3 und 35 mg%. (Bild Obst) Apfelkur, Anwendung von Äpfeln zu Heilzwecken. Apfeltage: 2-3 Pfund gute reife Äpfel auf 4—5 Portionen Luftröhre Aortenbogen verteilt als ausschließl. Nahrung vermindern das Körper­ linker gewicht durch die geringe Kalorienzufuhr bei ausreichen­ Stammbronchus dem Sättigungsgefühl. Gegen Durchfall (akuten, nicht in­ Aortenklappe fektiösen Darmkatarrh) rohe geriebene Äpfel als ausschließl. Nahrung in beliebiger Menge, bis der Durchfall Zwischenrippensteht. Meist sind 2 Apfeltage notwendig. Apfeldiätspeise: Brustaorta und -»Bircher-Müsli, -» Frischkornbrei, -»Kollath-Früh-muskeln stück. Wirbelsäule Apfelreisdiät, Diätform zur ergänzenden Behand­ lung von akuter und chron. Nierenentzündung sowie von Nebenniere Zwerchfell bestimmten Herzkrankheiten und Hochdruckformen. In ihrer ursprüngl. Zusammensetzung250gReis, lOOgZukNiere ker, 1000 g Obst oder Fruchtsaft, d. h. insgesamt 8 370 kJ (2000 kcal), bestehend aus 450g Kohlehydraten, 20g rein pflanzl. Eiweiß, 5 g Fett, 150 mg Natrium, 200 mg Chlor Bauchaorta und 1000 ml Flüssigkeit stellt die A. eine bewährte Kombi­ Becken nation aller als blutdrucksenkend und gefäßwirksam bekannten diätet. Möglichkeiten dar. Die A. verlangt Kreuzbein Durchhaltevermögen seitens des Kranken und erfordert sorgfältige ärztl. Kontrolle, da der Kochsalzentzug zu Un­ verträglichkeitserscheinungen führen kann. Aorta mit der Aortenklappe (Verbindung zur linken Herzkammer Apfelsine, Orange [or'äja], Frucht des zu den Rau­ und dem Aortenbogen; in den Brust- und Bauchraum übergehende große Arterie mit ihren wichtigsten Verzweigungen), a Arterien­ tengewächsen (Rutaceae) gehörenden Baumes Citrus austamm für rechte Arm- und Kopfseite, b Arterie für die linke Kopf­ rantium var. sinensis oder dulcis, bes. in den Mittelmeer­ seite, c linke Schlüsselbeinarterie ländern, in Kalifornien und Südamerika. Abarten: Blut­ Aorten| Insuffizienz, Herzklappenfehler mit relativ guter Ausgleichsneigung (-► Herzkrankheiten). Aorten|isthmus|stenose, angeborene Verengung der Äorta, die i. d. R. zwischen Aortenbogen und abstei­ gender Aorta liegt. Hauptanzeichen sind arterieller Hoch­ druck bereits im Jugendalter, weiterhin das Vorhanden­ sein von Umgehungsblutgefäßen (Kollateralen), die in den Zwischenrippenräumen verlaufen und durch ihre Pulsation im Röntgenbild erkennbare Aussparungen an den Rippen verursachen. — Behandlung durch Operation. Aortenstenose, Herzklappenfehler, erworbene oder angeborene Verengung der Aortenklappen (-► Herz­ krankheiten). Aortographie, das Sichtbarmachen der Aorta im Röntgenbild durch Einspritzen eines Kontrastmittels. Dabei sind auch die von der Aorta abgehenden Arterien mit ihren Nebengefäßen zu erkennen. Durch die A. kön­ nen auch Krankheiten an Organen, z. B. an den Nieren, er­ kannt werden. (-»Arteriographie) apallisches Syndrom, Ausfall der Funktionen der Hirnrinde (des Hirnmantels) bei erhaltener Funktion des Stammhirns (-»Nervensystem); kann auftreten als Folge einer Steigerung des Gehirndrucks oder nach ausgedehn­ ten Hirnschädigungen (z. B. nach schweren Schädelver­ letzungen, Narkosezwischenfällen, Herzstillstand, Ver­ giftungen oder durch Hirntumore), die zu einer schweren Bewußtseinsstörung führen. Atmung, Kreislauf und Re­ flexe sind erhalten. Die Kranken (Apalliker) können auf bestimmte Reize nicht entsprechend (adäquat) reagieren. Sie blicken ziellos starr ins Leere (Dezerebration, Enthir­ nungsstarre). Kranke mit a. S. werden heute auf Sonder­ stationen behandelt. Rehabilitationschancen haben nur jüngere Menschen (unter dem 30. Lebensjahr), ältere Apalliker brauchen meist Dauerpflege. A|pathie, Teilnahmslosigkeit, Fehlen von Gefühlen und Affekten bei auffallender Distanz zur Umwelt. A. ist oft Kennzeichen einer fortschreitenden -»Harnvergif­ tung. Sie hat vordergründig ihre Ursache in einem kör­ perl. und zugleich seel. Erschöpfungszustand. Übereinen längeren Zeitraum beobachtet, kann die A. den Beginn ei­ ner ernsten seelischen oder körperlichen Krankheit an­ zeigen. 36

orange, Pampelmuse (Grapefruit), Mandarine, Clemen­ tine u. a. Durch ihren Gehalt an Zucker (10—13%), Säuren

(1-2% Zitronensäure) und Vitaminen (etwa 50mg% Vit­ amin C) sind die Früchte als Obst und Nahrungsmittel ge­ sundheitsfördernd. (Bild Obst) Apfeltee, bekömml. Getränk für Gesunde und Kranke. Herstellungsweisen: 1) Kaltwasserauszug von frischen einwandfreien Apfelschalen, 3—4 Stunden zie­ hen lassen, erwärmen, nicht kochen. 2) Frische oder ge­ trocknete Äpfelschalen zum Kaltwasserauszug ansetzen, nach 3—4 Stunden bis fast zum Kochen erhitzen, dann län­ gere Zeit an warmem Ort ziehen lassen. 3) Apfelschalen mit heißem Wasser überbrühen und an warmem Ort lange ziehen lassen. 4) Äpfel mit Schale und Kerngehäuse klein­ schneiden, heiß überbrühen; längere Zeit an warmem Ort ziehen lassen. Apgar-Index [’aepga:-], von der amerikan. Ärztin Virginia Apgar (* 1909, 11974) entwickelter Test zur Beurteilung der Lebensfrische eines Neugeborenen etwa eine Minute nach der Geburt. Die Bewertung von Herzfre­ quenz, Atmung, Reflexverhalten, Muskeltonus und Hautdurchblutung wird in ein Punktschema eingeordnet. Von dem Berliner Gynäkologen E. Saling (* 1925) wurde ein etwas abgewandelter Index angegeben. Die Daten des A.-I. werden in den -* Mutterpaß eingetragen. Aphaniptera, die -»Flöhe. A|phasie, Sprachstörung, die in 2 Hauptformen auf­ tritt: 1) als Unfähigkeit zu sprechen (motorische A.), wo­ bei gewöhnlich keine völlige Stummheit besteht; der Kranke bringt nur noch Sprachbrocken hervor oder redet im >TelegrammstilAnhängsel/2 Stunden und 30 Minuten bei mehr als 6 Stunden. (-► Kurzpausen) Arbeitsphysiologie, Teilgebiet der -»Arbeitsmedi­ zin; befaßt sich mit den Funktionen des menschl. Organis­ mus, dessen Leistungsfähigkeit und -grenzen. Sie vermit­ telt die Erkenntnisse, die es ermöglichen, die Arbeit und ihre einzelnen Elemente den physiolog. Erfordernissen entsprechend, d. h. menschengerecht, zu gestalten.

Arbeitsplatz. Die Gestaltung des A. sollte eine zur Ar­ beit zusätzliche phys. und psych. Belastung des Arbeiten­ den möglichst vermeiden; sie muß deshalb in erster Linie von den menschl. Eigentümlichkeiten, nicht von Arbeits­ mittel oder -verfahren ausgehen. Hauptforderungen: Er­ möglichung einer sitzenden oder wechselnd sitzenden/ stehenden Arbeitshaltung; Verstellbarkeit von Arbeitssit­ zen und -tischen; Abstimmung von Arbeitshöhe, -»Be­ leuchtung, Sehdistanz und natürl. Körperhaltung (richti­ ges Sitzen); körpermaßbezogenes Anbringen von Hebeln, Griffen u. ä., um häufige Bewegungen körpernah und mit gebeugten Ellbogen ausführen zu können; Berücksichti­ gung des menschl. Raumbedarfs und genügend Abstand zwischen den A.; sichere und hygien. Gestaltung der -►Arbeitsumgebung; ausreichender Schutz bei Freiluft­ arbeiten; Gefahrenschutz mittels geeigneter Signale; Ein­ richtung von Schon- und Teilzeit-A. für Behinderte und werdende Mütter. Bes. bei eintönigen Arbeitsabläufen (Automation) sollte die Umgebung nicht zusätzlich zur Monotonie bei­ tragen, sondern durch eine gewisse Abwechslung Reize setzen, die das Wach- und Aufmerksamkeitsniveau gün­ stig beeinflussen. Der Kontaktarmut bei der Arbeit in­ folge Automation muß durch Mitarbeiterbetreuung (Be­ triebsklima) entgegengewirkt werden. Nach japan. Vorbild ist zur Vermeidung gesundheits­ schädigender Einseitigkeit ein Ausgleich in Form wieder­ holter kurzer Pausen mit Ausgleichsgymnastik, die eine Zeit von 5 Minuten nicht zu überschreiten braucht, gün­ stig. Die Arbeitsbedingungen müssen auch der veränder­ ten Leistungsfähigkeit bei fortschreitendem Alter oder bei Beginn oder Wechsel bestimmter medikamentöser Be­ handlungen (z. B. bei Psychopharmaka), wenn auch nur vorübergehend, angepaßt werden. Deshalb ist es notwen­ dig, daß sich sowohl der Alternde wie auch der Kranke über mögl. Leistungsveränderungen aufklären lassen, um Fehlleistungen oder Unfälle zu vermeiden. Die engen Beziehungen des A. zu Gesundheit und Krankheit ergeben sich schon daraus, daß seit 1945 mehr als 125 000 Arbeitnehmer an ihren A. zu Tode gekommen arbeitsfreie Zeit, für die Erholung und Entspan­ sind. Man kann mit 2,5 Mio. Unfällen am A. jährlich nung, wie auch für die Entfaltung der Persönlichkeit not­ rechnen, davon ungefähröOOOmittödl. Ausgang. Deswe­ wendige Tätigkeitspause. Die ununterbrochene a. Z. zwi­ gen gilt dem betriebl. Gesundheits- und Unfallschutz die schen 2 Arbeitsschichten sollte 11—12 Stunden betragen. besondere Aufmerksamkeit des Gesetzgebers. Am 1.12. Ausnahmen und Sonderregelungen bestehen z. B. im 1974 trat das Arbeitssicherheitsgesetz in Kraft. Gaststättengewerbe, Verkehrswesen und in Krankenhäu­ Arbeitspsychologie, Zweig der angewandten Psy­ sern. chologie, untersucht die Wechselbeziehungen zwischen Arbeitshygiene, früher Gewerbehygiene, Teil­ Arbeit und psych. Momenten. Hauptaspekte sind Perso­ gebiet der -»Arbeitsmedizin. Sie befaßt sich bes. mit der nalauslese (Eignung), Arbeitsanalyse (einschließlich Ar­ Gefährdung durch Staub, Gas, Dampf, Nebel, Rauch, beitsbedingung, Arbeitsmotorik u. a.), Arbeits- und Ar­ Strahlen und Lärm in Industrie und gewerbl. Betrieben beitsplatzgestaltung, Arbeitszeit- und Pausengestaltung sowie den hiergegen erforderl. vorbeugenden medizin. Arbeitsplatz: 1—3 falscher Sitz: 1 Sitz zu niedrig; 2 Sitz zu und techn. Maßnahmen. hoch; 3 Rückenlehne zu hoch. 4 richtiger Sitz: die RükArbeitsmedizin, Teilgebiet der Medizin, das sich mit kenlehne stützt die Wirbelsäule in der Mitte und läßt die Schulterblätter frei der Wechselbeziehung zwischen Arbeit und Gesundheit 39

1

2

3

4

Arbeitsplatz

Arbe (Monotonie, Ermüdung), Arbeitssicherheit, persönl. Motivation und Einstellung zur Arbeit.

Erkältung, Grippe

'

24%

Rheuma, Gelenke, Band­ 17% schei ben u.a. Unfälle

13% Magen, Darm

Arbeitsunfähigkeit: häufigste Ursachen in % (1980)

Arbeitsruhe, Zeitraum, in dem ein Beschäftigter nicht in der Lage ist, Arbeit zu verrichten. Die A. ist uneingeschränkt geboten bei schwerer Erkrankung. Zusätzlich unterscheidet man eine fakultative A. (d. h. den Möglich­ keiten entsprechende), wenn nach ärztl. Ansicht eine Wei­ terarbeit nicht sinnvoll ist, oder eine prophylakt. A. (vor­ beugende), z. B. bei kleineren Verletzungen, die durch Ar­ beit verschlimmert werden könnten. Die soziale A. ist bei schwerwiegenden Veränderungen im sozialen Umfeld des Arbeitnehmers angezeigt. Arbeitsschutz, die Summe aller Maßnahmen, die zum Schutz der Arbeitnehmer im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis zu treffen sind. Durch A. soll Ar­ beitssicherheit erreicht werden. Dazu gehören: die Verhü­ tung von Arbeitsunfällen und -» Berufskrankheiten sowie von sonstigen arbeitsbedingten Erkrankungen und Ver­ schleißschäden, die Anwendung von —■ Körperschutzmitteln, die Sicherung der Arbeitszufriedenheit, der Schutz des sittl. Empfindens, die Sicherung von Freizeit und auch die Gewährleistung einer menschenwürdigen Unterkunft im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis. Arbeitssucht, psych. Störung, gekennzeichnet durch die zwanghafte Fehleinstellung zu Eigenschaften wie Fleiß, Zielstrebigkeit, Einsatz in der Gemeinschaft und Opferbereitschaft mit der Folge von Verhaltensstörun­ gen. Die Gedanken des Arbeitssüchtigen kreisen wie bei anderen Süchtigen unter Vernachlässigung sonstiger In­ teressen, auch gegenüber der Familie, vorwiegend bis aus­ schließlich um Arbeit. Die Folgen reichen von nicht einge­ standenen Schuldgefühlen bis zu (meist in Abrede gestell­ ten) Erschöpfungszuständen. Unter Verlust der Selbst­ kontrolle kann es zu Zwangshandlungen kommen, bis der Süchtige in Selbstmitleid und im Gefühl der Machtlosig­ keit gegenüber dem eigenen Zwangsverhalten zum Kran­ ken wird. Psychosomat. Auswirkungen auf verschiedene Organsysteme (Herz, Magen, Darm) sind häufig. Die kor­ rekte Diagnosenstellung ist nur durch einen psychothera­ peutisch geschulten Arzt möglich. Behandlung durch -» Psychotherapie. Arbeitstherapie, die Anleitung zu dosierter geistiger oder körperl. Arbeit aus therapeut. Zielsetzungen, im Un­ terschied zur -»Beschäftigungstherapie. Im Rahmen ei­ nes den Möglichkeiten des Patienten angepaßten Behand­ lungsplans wird eine -»Rehabilitation erstrebt, die auch zu berufl. Umschulung beitragen kann. Die A. hat sich bei Zuckerkranken, bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, nach abgeheilter Tuberkulose und rheumat. Krankheiten be­

Kopf ohne

7-7H 29%

11 %

Brustkorb, Schultern

Unterarm, Handgelenk

Bauch

Hüfte, Oberschenkel

Kniegelenk, Unterschenkel

Gewerbliche Berufsgenossenschaften

Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaften

Eigenunfallversicherung, private Unfallversicherung

40

Arbeitsunfall: Durch A. verletzte Körperteile (seit 1974 nahezu unverändert)

währt. Sie ist auch Bestandteil der Behandlung in Nerven­ kliniken (psychiatr. Anstalten) und als Teil der >aktiven Krankenbehandlungent zu bewerten. Sie wird durchge­ führt in Werkstätten, aber auch unter entsprechender Aufsicht in der Haus- und Landwirtschaft. Durch Anpas­ sung an geeignete Gruppen will man den Kranken wieder in den ihm gemäßen »sozialen Räumt zurückführen. Die A. wird von Fachkräften durchgeführt, die als -» Beschäftigungs- und Arbeitstherapeuten ausgebildet sind. Arbeitsumgebung, der räuml. Bereich um den -»Arbeitsplatz. Er soll richtig klimatisiert, gut be- und entlüftet, gut belichtet und beleuchtet (-»Beleuchtung), schallgedämpft (-»Lärm, -»Lärmschutz), erschütterungs- und zugluftfrei, bodenisoliert und rutschfest, feu­ ersicher, ausreichend groß und in seiner Ausgestaltung ansprechend sein (-»Unfallverhütung). Die Erfüllung dieser Forderungen richtet sich im einzelnen nach der Art der Arbeit und des Arbeitsplatzes. Arbeitsunfähigkeit im Sinn der Krankenversiche­ rung liegt dann vor, wenn der Erkrankte nicht mehr oder nur unter der Gefahr, seinen Zustand zu verschlechtern, fähig ist, seiner bisher ausgeübten Erwerbstätigkeit nach­ zugehen. Sie ist die Voraussetzung zur Zahlung von Kran­ kengeld und muß von einem Arzt bescheinigt sein. Die Ur­ sachen der A. sind sehr verschieden. A. ist zu unterschei­ den von -»Erwerbsunfähigkeit. Arbeitsunfall, in der gesetzt. Unfallversicherung ein bei der -»Berufsgenossenschaft meldepflichtiger Unfall, den ein Versicherter während einer versicherten Tätigkeit erleidet, sei es im Unternehmen selbst oder auf Dienst­ fahrten, auswärtigen Beschäftigungen o. ä. (§§ 548—550 RVO). Wie ein A. wird auch der Unfall eines Kleinkinds beim Besuch des Kindergartens, auch von Schülern und Studenten beim Besuch von Schulen oder Hochschulen (Schulunfälle) behandelt. Als A. gilt ferner ein Wegeunfall, den ein Versicherter auf dem Weg von und zur Arbeit oder versicherten Tätig­ keit (z. B. Schule) erleidet. Dieser Weg beginnt und endet im allgemeinen an der Außenhaustür der Wohnung des Versicherten; nicht notwendige Umwege und Unterbre­ chungen des Weges heben den Versicherungsschutz i. d. R. auf. Dem A. ist in der Unfallversicherung das Auf­ treten bestimmter Berufskrankheiten gleichgestellt (§ 551 RVO). Mit zunehmender betriebsärztl. Betreuung ist ein Sinken der A.-Quote zu verzeichnen. Arbeitsunlust, in medizin. Sicht Folge eines zeitweise verminderten körperl. oder geistigen Leistungsvermö­ gens trotz vorhandenen Leistungswillens; sie ist i. d. R. kein Krankheitszeichen. Im Lauf des Tages unterliegen sowohl die reinen Körperkräfte wie auch die seel. Auf­ merksamkeit, das Auswahlvermögen, die Kritik, die Aus­ dauer und andere Voraussetzungen einer produktiven Leistung bestimmten Schwankungen. Die geistige Leistungsfähigkeit ist gewöhnlich in den Vormittagsstunden am höchsten. Sie sinkt mittags ab, um dann am späteren Nachmittag wieder einen Gipfel zu er­ reichen. Bei einigen Menschen liegt ein 3. Leistungsgipfel in den späten Nachtstunden. Wenn man entgegen dieser Periodik zu einer Arbeit bei ungeeigneter Tageszeit ge­ zwungen ist, so ist A. zu erwarten. Während Erwachsene ein solches normales Absinken der Leistungsfähigkeit vielfach durch Anspannung des Willens und der Konzen­ tration überwinden können, ist die A. bei Kindern ein Zei­ chen, das bes. beachtet werden muß. Wenn Kinder in der Schule oder bei entsprechenden häusl. Arbeiten auch zu günstigen Tageszeiten Unlust zeigen, so besteht der Ver­ dacht auf eine krankhafte Ursache. Ärztl. Rat ist einzu­ holen. Arbeitszeit. Die regelmäßige tägliche A. sollte 8 Stun­ den nicht überschreiten. Im einzelnen unterliegt sie tarifvertragl. Regelung, wobei eine Verlängerung bis zu einer Höchst-A. von 9-10 Stunden zugelassen ist. Gesetzl. Re­ gelungen einer A.-Verkürzung werden seit längerer Zeit diskutiert. (-► Leistungsbereitschaft) Arbo(r)-Viren, kurz für engl. Arthropod borne Viruses ['cuOrapöd ba:n v'airasiz], Gruppe von etwa 180 kleinen Virusarten, die bei warmblütigen Wirbeltieren

Arom und beim Menschen schwere, meist trop. Krankheiten hervorrufen und von Insekten übertragen werden. Zur Krankheitsgruppe der A.-V. gehören das -»Gelbfieber, die in SO-Europa immer häufiger werdende, von Zecken übertragene Gehirnentzündung (Zeckenenzephalitis), das -»Denguefieber, Pappataci- und Riftalfieber. Schlüsselbein Schulterhöhe

Schulter­ gelenk

— Rabenschnobelfortsatz Schulter­ blatt —


dem ist etwas über die Leber gelaufen«, >die Galle steigt ei­ nem hoch< u. a. Schon die Arzte der Antike wußten um diese Zusammenhänge und sprachen von Melancholie (grch. >SchwarzgalligkeitUrtypuskollektiven Unbewußtem enthaltenen, vererbten urtüml. Wahrnehmungs- und Handlungsbereitschaften, die in Symbolgestalt im -»Traum das engere Bewußtsein des Menschen über allgemein Menschliches (Geburt, Tod, Verhältnis der Geschlechter, Wandlung, Krankheit) «belehren« und ihn zu einem Bemühen um weiteres Verste­ hen aufrufen können.

Armbruch, -► Speichenbruch.

Armguß, -»Güsse. Arnika, Arnica montana, zu den Korbblütern (Compositae) gehörende, bis 50 cm hohe Pflanze in gemä­ ßigten Klimazonen. Die im Juni/Juli gesammelten, ge­ trockneten Blüten enthalten ein äther. 01; hauptsächlich äußerl. Verwendung als Tinktur (Tinctura Arnicae), ein gebräuchl. Hausmittel zur Behandlung entzündl. Schwel­ lungen. Weitere Anwendung: Heilpflanzen, Übersicht.

Aromastoffe, flüchtige Substanzen, die z. B. das unverwechselbare Aroma eines Lebensmittels bestim­ men. In vielen Lebensmitteln konnten über 100 A. nach­ gewiesen werden, die meisten sind nur in Spuren vorhan­ Arcus senilis, der -► Greisenbogen. den. Man unterscheidet zwischen natürlichen A., synthe­ Ardenne, Manfred Baron von, Physiker, * Hamburg tischen A. (künstlich gewonnen und den natürl. A. in 1907, seit 1955 Leiter des Forschungsinstituts >M. v. A.< ihrem Aufbau chemisch gleich) und künstlichen A. (eben­ und Prof, in Dresden; machte zahlreiche Erfindungen in falls synthetisiert, aber in der Natur unbekannte Verbin­ Funk- und Fernsehtechnik und Elektronenoptik; seit dungen). Für Genußwert und Bekömmlichkeit der Nah­ 1940 Arbeiten zur angewandten Kernphysik, seit 1965 rung sind die A. von großer Bedeutung, auch wenn die Forschungen zur Krebsbehandlung und Zellregeneration Wirkungsweise z. T. noch kaum bekannt ist. In einer voll­ wertigen Kost sollen die Lebensmittel möglichst den un­ (kombinierte und -* Sauerstoffmehrschritt-Therapie). verminderten Gehalt an natürlichen A. besitzen, zumal A|reflexie, das Fehlen der -► Reflexe. synthetische und künstliche A. diesen Gehalt in seiner Ärger, Stimmung des Mißmuts und der Verdrossen­ physiolog. Auswirkung im allgemeinen nicht ersetzen. heit bis zur Verbitterung, bes. als Reaktion auf als unge­ (-»Geschmack, -»Geruch) recht oder unangebracht empfundene persönl. Beein­ aromatische Amine, in der chem. Industrie, v. a. bei trächtigung, z. B. durch Beleidigung oder äußere Wider­ der Farbstoffsynthese entstehende Verbindungen wie stände. Die Bereitschaft zum Ä. hängt ab vom Charakter Benzidin, 4-Aminodiphenyl und ß-Naphthylamin. Durch und Temperament der Einzelpersönlichkeit. Die Höhe ei­ die Haut, aber auch in Dampf- oder Staubform über die ner entsprechenden Reizschwelle ist bestimmt von der je­ Atemwege aufgenommen, können sie durch lange Ver­ weiligen körperl. und seel. Verfassung; bei Übermüdung, weildauer, z. T. über chem. Umbau, im Bereich der Harn­ Erschöpfung und bes. bei verschiedenen Krankheiten wege Schleimhaut Veränderungen, auch Krebs verursa­ (Hochdruckkrankheit, fortgeschrittener Arterioskle­ chen. Diese Krankheiten sind -»Berufskrankheiten. In rose, psych. Störungen, vorwiegend auch im höheren Al­ der Industrie werden krebserzeugende Amine nur noch ter) ist sie herabgesetzt. selten verwendet. (-► Berufskrebse) Nicht selten wird Ä. hintergründig aggressiv mit der aromatische Arzneimittel, Aromatika, Drogen, Umwelt, und dann meist mit dem Schwächeren, z. B. in­ die natürl. Geruchs- und Geschmacksstoffe, meist äther. nerhalb der abhängigen Familie, >abgerechnet Herzkrankheiten), die sowohl durch Reizbildungs- als auch durch Reizleitungsstörun­ gen hervorgerufen werden kann. Die A. des Herzens ist feststellbar durch Pulskontrolle oder Abhören des Her­ zens und in ihrer genauen Form zu erkennen durch das Elektrokardiogramm. Arrosion, die Zerstörung benachbarter Gewebe (Blut­ gefäße, Knochen) durch geschwürige, eitrige oder mechan. Krankheitsvorgänge (z. B. durch Abnutzung der Knochen-Knorpelsubstanz eines Gelenks bei der -»Ar­ throse). Die A. von Gefäßen kann eine Blutung zur Folge haben, bes. bei Lungentuberkulose, Magengeschwüren, Geschwülsten. Arsen, Halbmetall, ein dem Phosphor und Antimon verwandtes chemisches Element; besonders in Form von Arsenik (Arsentrioxid) ein starkes Gefäß- und Nerven­ gift. Geringe Arsenikdosen setzen die Intensität des Stoffwechsels herab (vermehrter Fettansatz). Arsenik­ haltige Heilquelle: Bad Dürkheimer Max-Quelle. In kleinsten Dosen wirkt A. günstig bei manchen Haut­ leiden; als Gift in der Leiche ist es noch nach 10 Jahren nachweisbar. Arsenikvergiftung, Arsenvergiftung, wird vor­ wiegend durch berufl. Arbeiten mit Arsenverbindungen hervorgerufen, z. B. beim Rösten arsenhaltiger Minera­ lien, Umgang mit arsenhaltigen Farben (Schweinfurter Grün), Verwendung arsenhaltiger Ausgangsstoffe in der ehern., keram. und Glasindustrie; entschädigungspflich­ tige Berufskrankheit. A. trat früher nicht selten durch Einnahme aus Selbstmordabsicht oder als Folge einer Straftat auf. Arsenik ist ein Gefäß- und Nervengift; es kann durch Einatmung oder vom Magen-Darm-Kanal aus aufgenommen werden, seltener durch andere Schleimhäute oder die verletzte Haut. Die akute A. führt zur Reizung der Schleimhäute mit Erbrechen, zu Leib­ schmerzen, Koliken und starken Durchfällen (bei Inhala­ tion von Arsenik Reizung der Atemwege, Bronchitis, Atemnot und Lungenödem), zum Zusammenbruch des Kreislaufs und eventuell zum Tod durch Koma, Atemund Kreislauflähmung. Die tödl. Dosis beträgt 0,1-0,3 g; chronische A. hat-»Polyneuritis mit Lähmungen, Braun­ färbung (Arsenmelanose) und Verhornung der Haut, Ar­ senekzem, Ätzgeschwüre und u. U. Haut- oder Leber­ krebs (Arsenkrebs) zur Folge. Erste Hilfe: Erbrechen auslösen, Abführmittel (Na­ triumsulfat), medizin. Kohle oder ein Gemisch aus 2 Tei­

Arteriographie: oben A. des Schädels; rechts A. der Oberschenkelarterie (nach Hochrein/Schleicher) 42

len medizin. Kohle und einem Teil Magnesiumoxid ein­ nehmen lassen. Sofort Arzt rufen! Arsenpräparate, Arsenverbindungen als Arzneimit­ tel; A. werden heute wegen giftiger und krebserregender Wirkung im allgemeinen nicht mehr verwendet. Aus­ nahme: z. B. Arsenikeinlagen (Arsenpellets) zur Verät­ zung (Abtötung) des Zahnmarks bei Zahnwurzelbehand­ lungen. A. wurden früher zur Wundreinigung, gegen Krätze, Asthma, Syphilis, Ungeziefer u. a. gebraucht. Ihre Ein­ führung in die therapeut. Praxis geht auf T. Fowler (* 1736, 11801) zurück, der kleine Dosen innerlich als Stärkungsmittel und gegen Fieber anwendete. Artefakt das, Kunstprodukt. 1) künstl. Veränderung, z. B. an mikroskop. Schnittpräparaten, Röntgenbildern. 2) Körperveränderung, die in einer selbst beigebrachten Verletzung besteht oder diese vortäuscht; dazu gehören auch vorgetäuschte Funktionsstörungen (z. B. Hinken); krankhaft bei Psychopathen. Arteri|en, die -»Schlagadern. Arteri|en|entzündung, Arteriitis, Erkrankung der Schlagadern mit unterschiedl. Ursachen. 1) akute A., bei der Bakterien von der Umgebung (-» Bindegewebsent­ zündung) oder von innen (infizierte Embolie bei -► Blut­ vergiftung) auf die Arterienwand übergreifen; 2) A. bei Infektionskrankheiten (z. B. Typhus, Tuberkulose, Sy­ philis u. a.); 3) A. mit sicher oder wahrscheinlich allerg. Ursache, z. B. -»Periarteriitis nodosa, -»Riesenzellarte­ riitis, Thrombangiitis obliterans (bei Zigarettenrau­ chern), rheumat. A.; 4) A. bei Systemerkrankungen, z. B. den -»Kollagenosen. A. geht i. d. R. mit einer Verdickung der inneren Ge­ fäßauskleidung (Intima) und mit der Bildung von Blutge­ rinnseln (Thromben) einher, die je nach Lage der A. häu­ fig schwere und schwerste Durchblutungsstörungen des Gehirns, der Augen, des Herzens, der Nieren, des Darms, der Beine oder (seltener) der Arme oder anderer Körper­ teile bewirken. Bei einer Zerstörung der mittleren Gefäß­ wandschicht kann z. B. ein -» Aneurysma bei der Periarte­ riitis nodosa und bei der Mesaortitis syphilitica (eine Ma­ nifestation der tertiären -»Syphilis) entstehen; die Aneu­ rysmen können zerreißen und zur Quelle von bedroh­ lichen Blutungen werden. Das Narbenstadium der A., wie z. B. bei der -► Buergerschen Krankheit, kann der -»Arteriosklerose weitgehend gleichen. Ob beide eine Krankheitseinheit bilden oder ob es sich um das End­ stadium ursächlich unterschiedl. Krankheiten handelt, ist umstritten. Arteri |en| naht, Naht einer defekten Schlagader, meist in künstl. -»Blutleere unter Verwendung dünner, sehr reißfester Kunststoffäden ausgeführt. Seit Einfüh­ rung der -»Mikrochirurgie können auch feine Schlag­ adern, z. B. an der Hand, genäht werden. Arteri|enverkalkung, die -»Arteriosklerose. Arteriitis, die -»Arterienentzündung. A. temporalis, die -»Riesenzellenarteriitis. Arteriographie, Darstellung der Körperschlagadern und ihrer Versorgungsgebiete im Röntgenbild nach direk­ ter Punktion des gewünschten Gefäßes (direkte A.) oder Vorschieben eines Katheters durch die Punktionskanüle in die darzustellende Region (indirekte A.) mit anschlie­ ßender Einspritzung eines jodhaltigen, wasserlösl. Rönt­ genkontrastmittels. Mit der A. können Gefäßverände­ rungen, Mißbildungen, Durchblutungsstörungen und Geschwülste nachgewiesen werden, mittels der Angiokardiographie gelingt die Kontrastdarstellung der Herzhöh­ len mit ihren Zu- und Abflußbahnen. Nach Einführen ei­ nes Katheters in die Beinschlagader in der Leistenbeuge und Einbringen eines Kontrastmittels ist auch die Körper­ hauptschlagader gut darstellbar (Aortographie). Wichtig ist eine der Blutströmungsgeschwindigkeit angepaßte, ra­ sche Aufzeichnung der Gefäße mittels Filmwechsler, Röntgenkinematographie oder Magnetband über Bild­ verstärkerfernsehkette . (-»Angiographie) Arteriosklerose, Atherosklerose, Atheroma­ tose, Arteri|enverkalkung, chron. Erkrankung, die

schon im 2. oder 3. Lebensjahrzehnt einsetzen kann und

Arte meist im 6. und 7. Lebensjahrzehnt ihr Maximum er­ werden von dem die Lichtung der Arterie durchströmen­ reicht . Frauen erkranken seltener und später als Männer, den Blut her ernährt, Teile des Blutserums sickern durch jedoch gleichen sich nach der Menopause die Unter­ die Gefäßwand hindurch. Aufrechterhalten wird die Strö­ schiede im Verlauf von etwa 10 Jahren aus. Es bilden sich mung innerhalb der kapillarfreien -»Transitstrecke von herdförmig polsterartige, faserreiche Verdickungen den Kräften des Blutdrucks. Größere, nicht durchtritts(Sklerosen) der Gefäßinnenhaut (Arterienintima), bevor­ (diffusions-)fähige Moleküle des Bluts werden von den zugt in der Bauchaorta, in den Arterien des Beckens, der die innere Oberfläche der Arterien auskleidenden Endo­ Oberschenkel, der Kniekehle, in der gabelförmigen Ver­ thelzellen zurückgehalten. Nach einer Schädigung der zweigung der Halsarterie, in den Kranzarterien des Her­ Endothelien, z. B. durch Nikotin, oder bei der -► Hoch­ zens (-»Koronarsklerose) und an den Arterien des Ge­ druckkrankheit, gelangt jedoch so viel mit großen, nicht hirns (-► Zerebralsklerose). Weniger häufig und stark sind transportfähigen Molekülen angereicherte Blutflüssig­ die Arterien des Schultergürtels, der Arme, der Unter­ keit in die innere Gefäßauskleidung (Intima), daß sie in schenkel, die Darm- und Nierenarterien betroffen. Wenn entsprechender Zeit nicht abtransportiert werden kann. die Polster dicker werden, verengen sie die Lichtung der Es bildet sich eine >PfützeRaucherbeinArterienverkalkungKraftlosigkeitWe-►Psychasthenie. Astheniker, schmalwüchsiger (leptoso­ senskräfte< (z. B. Mars = Antrieb, Energie, Wille; Venus mer) Mensch von zarter Konstitution (-»Körperbau­ = Sympathiegefühl, Liebe, Harmonie). 2) der Tierkreis typen). oder Zodiak, die Zone der Ekliptik, durch die sich diese Himmelskörper bewegen, mit ihren 12, je 30 Zeichen um­ A|sthenopie, die -»Augenschwäche. 50

Atem fassenden Sternbildern. Die bekannten Tierkreiszeichen: Widder, Stier, Zwillinge u. a. werden in der A. aufgefaßt als Gestalttypen, die den 4 Elementen Feuer, Wasser, Erde, Luft zugeordnet sind. Durch sie erhalten >Wesenskräfte< die besondere Art ihrer Wirkung (z. B. Mars im ak­ tiven Feuerzeichen; Widder wird als starke, aggressive Energie gedeutet; Venus im selben Zeichen hingegen ver­ liert an Ausgleichsvermögen). 3) die 12 Himmelshäuser (oft kurz >Häuser< genannt), eine Aufteilung des Him­ melsraumes vom Geburtsort aus, wobei dessen Horizont und Meridian Grundlage der Teilung werden. Sie entspre­ chen Lebensgebieten, Interessenrichtungen, in denen die Wesenskräfte sich vorzugsweise auswirken. 4) die Aspekte, d. h. die Winkel, die Sonne, Mond und Plane­ ten, von der Erde aus gesehen, untereinander bilden. Die >guten< und >bösen< Aspekte der alten A. können verstan­ den werden als harmonische (z. B. das Trigon, ein Winkel von 120 Grad) oder als disharmonische im Sinn der Span­ nung (der Gegenschein, die Opposition von 180 Grad) und der Hemmung (das Quadrat von 90 Grad). Durch Aufklärung und Rationalismus wurde der im Symbol. Weltverständnis wurzelnden A. vorgeworfen, Bestandteil des Aberglaubens zu sein, wobei man sich im Kampf gegen die A. auf deren abergläub. Mißbrauch be­ rufen konnte. Gegenwärtig versucht die A., sich von der myth. Belastung des traditionellen Regelwerks freizuma­ chen und sich als Erfahrungswissenschaft (-» Erfahrungs­ heilkunde) neu aufzubauen. Sie distanziert sich von ihren populären Ausformungen (Zeitungshoroskope u. a.), von prognostischen und therapeut. Konsequenzen aus dem Horoskop, der Zukunftsdeutung nach der Stellung der Gestirne in Bezug auf Ort, Tag und Stunde eines Ereig­ nisses; sie versteht sich als interdisziplinäre Grenzwissen­ schaft, die sich auf psychologisch-charakterolog. und psychobiolog. Aspekte unter Heranziehung Statist. Ver­ fahren beruft. Astronautendiät, -»Elementardiät. Astronautik, die -► Raumfahrt. Astrophobie, krankhafte Gewitterfurcht. Astrozytom das, knotenförmige, überwiegend im Schläfen- oder Stirnlappen des Gehirns auftretende, bis apfelgroße Geschwulst, die bes. durch Drucksymptome gefährlich werden kann; deshalb baldmögliche Opera­ tion, da gewisse Tendenz zum bösartigen Wachstum (-►Gliome). ASW, Abk. für außersinnliche Wahrnehmung, -► Pa­ rapsychologie. A|systolie, -*Sekundenherztod. Aszites der, die -► Bauchwassersucht. Ataraktika [grch. ataraktos >ruhigUnordnungErschlaffung—>) und über Luftleitung (x—x) gemessenen Hörschwellen sind bei der als Beispiel eingezeichneten kombinierten Schalleitungs-Schallempfindungsschwerhörigkeit gegenüber dem Normalgehör (Null­ linie) verändert. Es besteht in allen Frequenzen ein verschieden großer, in Dezibel (Lautstärkemaß) angegebener Hörverlust

Es wird ein- oder beidohrig geprüft. Bei Untersuchung nur eines Ohres muß das nicht geprüfte Ohr der Gegen­ seite durch ein variables Maskierungsgeräusch ausge­ schaltet werden. Der Prüfton wird zunächst so leise einge­ stellt, daß der Patient ihn sicher nicht hört. Dann wird der Ton langsam verstärkt, bis der Patient ihn gerade eben hört und einen Kontaktknopf drückt, wodurch am Gerät ein Signallämpchen aufleuchtet. Diese Hörschwelle wird für mehrere, verschieden hohe Prüftöne bestimmt (meist werden C-Oktaven herausgegriffen) und in einem Dia­ gramm nach Frequenz und Intensität eingetragen. So entsteht eine Kurve, das Audiogramm, das einen Überblick über das Tongehör gibt und etwaige Hörverlu­ ste (-* Lärmschwerhörigkeit) oder Hörreste und deren Ausmaß erkennen läßt. Da für das prakt. Leben weniger das Hörvermögen für reine Töne als vielmehr das Sprachverständnis wichtig ist, aus dem Tongehör aber nicht unbedingt das Sprachgehör zu erschließen ist, werden auch Sprach-A. verwendet. Die zu prüfende Sprache (Zahlen, Testwörter, kurze Sätze) ist auf eine Schallplatte oder ein Magnettonband mit defi­ nierter Lautstärke aufgenommen. Aufbrauchkrankheiten, mit vorzeitigem Gewebs­ verschleiß oder verstärktem Verbrauch von lebenswichti­ gen Aufbaustoffen einhergehende Erkrankungen, bei de­ nen bes. die Zellen des Nervensystems, z. B. durch vorzei­ tige Alterung, betroffen sind. Ursachen: chron. Infek­ tionskrankheiten, Blutkrankheiten, bösartige Geschwül­ ste; Folgen: Gewichtsverlust, Nachlassen der allgemeinen Körperkräfte, des Gedächtnisses und der Konzentra­ tionsfähigkeit. A. können je nach der Ursache zu lebensgefährl. Kräfteverfall (-»Kachexie) führen. Auffrisch|impfung, Maßnahme zur Verstärkung der Antikörperbildung (-► Schutzimpfung).

aufgesprungene Hände, aufgesprungene Lippen,

-►Aufspringen der Haut. Aufgüsse, Infusa, frische wässerige Auszüge aus meist zerkleinerten Pflanzenteilen, die mit siedendem Wasser übergossen, 5 Minuten unter wiederholtem Um­ rühren im Wasserbad erhitzt und nach dem Erkalten aus­ gepreßt und durchgeseiht werden. 56

ter dem Einfluß von Träumen. Besonders sensible Kinder schrecken aus tiefem Schlaf auf, sind nicht bei klarem Be­ wußtsein, reden bange vor sich hin und schreien manch­ mal voller Angst, gelegentlich aufrecht im Bett stehend; gehäuft als Anzeichen nervöser Übererregbarkeit oder psych. Störungen. Angstigung und Angst bestimmen nach Auffassung von Kindertherapeuten bes. in neuerer Zeit zunehmend das Verhalten von Kindern und Jugend­ lichen. Mögliche Ursachen sind das Abnehmen der fami­ liären Bindungen, fehlende Geborgenheit der Kinder, Un­ sicherheit in Erziehungsfragen und Mangel an Gefühls­ zuwendung. Kinder fühlen sich verlassen, bes. in der Dun­ kelheit oder bei Gewitter. Fernsehen bringt nicht nur Reiz­ überflutung, sondern konfrontiert gerade abends oft mit erschreckenden Szenen; Angstgefühle werden mit in den Schlaf übernommen. Teils wird vermutet, daß beim Kind auch die Tendenz besteht, das abendl. Beisammensein der Eltern zu stören, etwa auf dem Boden starker Vaterbin­ dung bei Mädchen oder bei Söhnen wegen übermäßiger Mutterbindung. Bei tiefgreifender Störung ist die Unter­ suchung durch einen Psychologen und ärztl. Hilfe durch Psychotherapie angezeigt. Aufspringen der Haut, Folge von großer Fettarmut der Haut; tritt bei empfindl. Haut durch zu häufiges Wa­ schen, bei feuchtkalter Witterung oder durch starke Son­ nenbestrahlung auf; in bestimmten Berufen (z. B. bei Maurern, Tünchern, Ärzten, Zahnärzten) durch scharfe, die Haut reizende Stoffe (Berufsekzem, -»Ekzem) her­ vorgerufen. Bes. die zarte Haut der Lippen und am Nasen­ eingang (Benetzung durch Speichel und Nasensekret) springt leicht auf. Es bilden sich dabei tiefe, leicht blu­ tende Hauteinrisse (-»Schrunden). Behandlung: Man vermeide zu häufiges Waschen mit Wasser und Seife, da hierdurch das normale Hautfett zu stark entfernt wird, und achte auf sorgfältiges Abtrock­ nen. Nach jedem Waschen reibe man die Haut mit einer milden, fett- oder glyzerinhaltigen Hautkreme oder mit Glyzerin ein, die Lippen mit fetthaltiger Lippenpomade. (-* Hautpflege) Aufstoßen, Rülpsen, Ructus, plötzl. Aufsteigen von Luft oder anderen Gasen, zuweilen auch von etwas sauerschmeckendem Mageninhalt aus dem Magen durch die Speiseröhre in den M und. Bei Säuglingen ist nach jeder Mahlzeit darauf zu achten, daß ein A. (>Bäuerchenitv qmfiai» unillu hjiioieir ixanuU nwiiMerseburger Triasc -»Glotz­ zuerst fein und biegsam. Durch das Rasieren werden sie auge, -»Kropf, -► Herzjagen. hart und im Wachstum stark angeregt. Über B. der Frau basenüberschüssige Nahrung, eine Kost, die -► Damenbart. mehr basen- als säurebildende Mineralstoffe enthält. Es Bartholinsche Drüsen [n. dem dän. Anatom C. ist nicht möglich, nur durch einseitige Ernährung mit b. Bartholin, * 1655,1 1738], zwei beiderseits des Scheiden­ N. eine länger andauernde -»Alkalose des Bluts zu erzeu­ vorhofes (-»Geschlechtsorgane), im hinteren Drittel der gen. Die überschüssigen Alkalien werden im Harn rasch großen Schamlippen gelegene Drüsen. Ihr schleimiges ausgeschieden und führen zu einer leicht nachweisbaren Sekret wird bei geschlechtl. Erregung entleert und be­ alkal. Reaktion des Harns. Basenüberschüssig sind Obst feuchtet den Scheideneingang. Die B. D. können bei Ent­ (Ausnahme Preiselbeeren), Gemüse (außer Rosenkohl, zündungen der äußeren Geschlechtsteile mit befallen wer­ Hülsenfrüchte), Gurken, Tomaten, grüne Salate, Zwie­ den (Bartholinitis). Als Folge solcher Entzündung kann beln, Pilze, Milch. In der durchschnittl. >Zivilisationsder Drüsenausführungsgang verkleben. Es kommt dann kost< wird heute im allgemeinen die b. N. zugunsten einer zur Stauung des Sekretes mit Auftreibung der B. D. bis auf -►säureüberschüssigen Nahrung vernachlässigt. Es gibt 75

Bartflechte: Bartpilzflechte

Basilikum

Basi

auch eine bei entzündl. Erkrankungen der Harnwege frü­ spielen die B. jedoch nur dort, wo sie häufiger sind (Ame­ her angewendete spezielle Diät (-»Schaukeldiät), die auf rika, Indonesien), eine polit. Rolle. einer b. N. beruht; sie ist heute durch die AntibiotikaBauch, Abdomen, Teil des Rumpfes zwischen Brust behandlung überholt. und Becken. Man unterscheidet Oberbauchgegend, basiläre Impression, Basilar|impression, knö­ rechte und linke Hypochondrien, Mittelbauchgegend und cherne, flache Einstülpung der äußeren, hinteren Schä­ Unterbauchgegend. Die B.-Muskeln (Modell des Men­ delbasis; meist angeborene Anomalie, die eine Fehlstel­ schen nach S. 400) dienen zum Rumpfbeugen und zum lung des Atlas und damit der Halswirbelsäule zur Folge Ausüben der B.-Presse. Den Inhalt des B. bildet die haben kann; häufig Mitursache des — Schulter-Arm-Syn­ — Bauchhöhle mit ihren Organen. droms. Bauchdecken |abszeß, unter der Haut oder unter Basilikum, Basili|enkraut, Deutscher Pfeffer, der —Faszie gelegener Abszeß, der nach Verletzungen Ocimum basilicum, zu den Lippenblütern (Labiatae) oder Operationen entsteht. Ein B. muß i. d. R. operativ gehörende kleine, krautige Pflanze in den Tropen und behandelt werden. Bauchdecken|erschlaffung, Zustand nach Ver­ in gemäßigten Klimazonen; wärmebedürftiges Gewürz­ kraut. Die zur Blütezeit gesammelten, getrockneten lust der Elastizität des Bindegewebes und der Muskulatur; Bauch: 1 Oberbauchgegend, oberird. Teile enthalten bis zu 1,5*% äther. Öl mit regional vorwiegend Zeichen einer angeborenen Bindegewebs­ 2 Hypochondrien, unterschied!. Wirkstoffzusammensetzung (Verwendung schwäche, die durch mangelnde Bewegung (sitzende Le­ 5 Mittelbauchgegend, innerlich als Tee, äußerlich in Form des Öls). Anwendung bensweise) verschlimmert wird. Durch Verlagerung des ■/Flanken, Körperschwerpunkts besteht bei der B. i. d. R. auch ein 5 Unterbauchgegend, zu Heilzwecken: Heilpflanzen, Übersicht. (Bild S. 75) Hohlkreuz; Hängeleib und Senkung des Beckenbodens 6 Leistengegend, Basisbruch, ein — Schädelbruch. sind die Folge. Im Bauchraum kommt es zu Störung der 7 Schamgegend, basisch, alkalisch, Reaktion eines ehern. Stoffes Verdauungsarbeit (vermehrte Gasansammlung, Stuhl­ 8 Zwerchfell (Grenze zwischen Brust­ mit dem pH-Wert 7—14, —Wasserstoffionenkonzentra- trägheit). raum und Bauchraum) tion. Behandlung: sportl. Tätigkeit, die bes. die Bauch­ Basis] Immunität, die Fähigkeit des Körpers, auf ei­ decken kräftigt, Schwimmen, Radfahren, Rudern; Kon­ nen antigenen Reiz mit einer nicht spezif. Antikörperpro­ trolle des Körpergewichts. Auf regelmäßige Darmentlee­ rung ist zu achten; schlackenreiche Kost. duktion zu reagieren. Bauchdeckenreflex, unwillkürl. Zusammenzie­ Basophile Mz., weiße -»Blutkörperchen (-»Blut­ hung der Bauchmuskeln bei kurzem Bestreichen der bild). Bauchdecke mit einer Nadel. Das Fehlen dieses Reflexes Bastard, umgangssprachlich: nichteheliches Kind, ist nicht immer Zeichen einer Krankheit des Nervensy­ Mischling. Anthropologie: Nachkomme aus Kreuzungen stems; es kann z. B. auch bei Menschen mit allgemeiner von Angehörigen verschiedener Rassenkreise (—Rasse). Bindegewebsschwäche und schlaffer Bauchdecke vor­ Genet. Untersuchungen an B. haben die Annahme wider­ liegen. legt, daß Rasse sich als Ganzes vererbe. Auch die Meinung Bauchdeckenspannung entsteht entweder durch einer generellen Minderwertigkeit des B. hat sich als falsch erwiesen; die früher häufige Herkunft des B. aus Verbin­ Überhandnehmen des Binnendruckes im Bauchraum dungen zwischen Angehörigen der unteren sozialen (Blähungen, Darmverschluß) oder als brettharte —Ab­ k Schichten hat wohl zu diesem falschen Eindruck beigetra­ wehrspannung bei entzündl. Vorgängen in der Bauch­ gen. Die Frage allgemeiner Disharmonie der B. aufGrund höhle, wenn die Bauchwand berührt wird, (—akuter der oft extremen Verschiedenheit der Eltern ist umstrit­ Bauch, —Bauchfellentzündung) Bauchfell, Peritonaeum, Peritoneum, glatte, ten. Infolge ihrer Stellung zwischen den Ausgangsrassen feuchte (seröse) Haut, die die Innenwand der Bauchhöhle Bauchfell: Schemat. Längsschnitt durch den Bauchraum mit der und die Oberfläche der meisten Bauchorgane überkleidet wandständigen (parietalen) und eingeweidewärtigen und aus kollagenen Bindegewebsbündeln mit elast. Faser­ (viszeralen) Bauchfellauskleidung (schwarz). — a Brust­ netzen sowie einem Überzug von platten Epithelzellen be­ höhle, b Leber, c Magen, d große Gekrösetasche (Bursa steht. Das B. bildet einen (bis auf die Mündung der Eileiter omentalis), e Die kdarm,/großes Netz, g Darmschlingen, bei der Frau) in sich geschlossenen Sack, die B.-Höhle. h Gebärmutter, / Blase, k Mastdarm, m Zwölffinger­ darm, n Bauchspeicheldrüse Die in diesen Sack eingesenkten Organe sind durch Dop­ 76

Baue pelblätter (Duplikaturen) des B. (Gekröse) mit der hinte­ ren Bauchwand verbunden. Im Gekröse liegen Nerven und Gefäße der Bauchorgane. Der größte Teil des Darmes ist von einer B.-Duplikatur bedeckt, dem großen Netz. — Das B. besitzt eine große Resorptionskraft (Fähigkeit zum Aufsaugen von Exsudaten, Bakteriengiften, ehern. Stof­ fen). Es reagiert auf Reize leicht mit örtl. Entzündung und ist sehr schmerzempfindlich. (Modell des Menschen nach S. 400) Bauchfellentzündung, Peritonitis, Entzün­ dungsreaktion des Bauchfells mit Ausschwitzen einer gelblich-klebrigen (fibrinhaltigen) Flüssigkeit. B. kann ausgelöst werden durch einen ehern. Reiz (z. B. bei Bauch­ speicheldrüsenentzündung) oder durch Bakterien, am häufigsten durch Darmkeime. Sie ist immer die Kompli­ kation einer anderen Erkrankung, z. B. einer durchgebro­ chenen Blinddarmentzündung. Bei langsamem Fort­ schreiten der Grundkrankheit gelingt es dem Körper meist, mit dem ausgeschwitzten Fibrin Verklebungen zwi­ schen den Bauchorganen zu bilden und damit die B. ört­ lich, d. h. auf einen kleinen Teil der Bauchhöhle, zu be­ grenzen (lokale B.). Gelingt diese Eingrenzung nicht, so wird die ganze Bauchhöhle von der Entzündung erfaßt (diffuse B.). Klin. Zeichen einer lokalen B. sind Krank­ heitsgefühl, meist starke Bauchschmerzen, Unruhe, leichtes bis mäßiges Fieber, Klopfempfindlichkeit, Druckschmerz und Abwehrspannung (reflexartiges Zu­ sammenziehen der Bauchmuskulatur bei Berührung) der betroffenen Bauchregion, Störungen der Darmtätigkeit bis zum -»Darmverschluß. Klin. Zeichen einer diffusen B. sind schwerstes Krankheitsgefühl bis zu Bewußtseins­ störungen, heftigste Bauchschmerzen, Erbrechen, hohes Fieber, kalter Schweiß, schneller Puls, deutlich erniedrig­ ter Blutdruck (Zeichen eines septischen -»Schocks); der Leib ist aufgetrieben, überall berührungsempfindlich, die Darmtätigkeit kommt zum Erliegen. Das Erscheinungs­ bild einer diffusen B. kann im Einzelfall sehr unterschied­ lich sein (-»akuter Bauch). Eine vornehmlich bei Frauen auftretende Form der B. ist die -» Pelveoperitonitis. Die Behandlung besteht in der Beseitigung des Ent­ zündungsherdsund ist damit i. d. R. chirurgisch. — Abzu­ grenzen von einer B. sind Schmerzzustände, die im Bauch­ raum empfunden werden, z. B. Gallen- oder Nierenkoli­ ken, aber auch ausstrahlende Schmerzen bei Herzinfarkt oder Lungenentzündung. Die Heilungsaussicht bei einer lokalen B. ist meist gut, auch wenn es sich hier um eine ern­ ste Erkrankung handelt; bei einer diffusen B. ist auch heute noch die Sterblichkeit sehr hoch. Bauchhoden, -* Leistenhoden. Bauchhöhle, durch das Zwerchfell von der Brust­ höhle getrennter, vom Bauchfell überzogener Hohlraum, der zahlreiche Organe enthält (Baucheingeweide, Modell des Menschen nach S. 400), bei der Frau auch Gebärmutter, Eileiter und Eierstöcke. Bauchhöhlenschwangerschaft, seltene Form der Schwangerschaft außerhalb der Gebärmutter (-»Extra­ uterinschwangerschaft). Bauch|operationen werden vorgenommen, um Or­ gane oder Organteile des Bauchraums wegen Entzündun­ gen, Geschwülsten oder Verletzungsfolgen zu entfernen, zu ersetzen (z. B. durch Gefäßprothesen) oder Blutungen zu stillen. Jede B. hat, wie alle Operationen, peinlich ge­ naue Asepsis zur Voraussetzung, um nicht Krankheits­ keime in die gegen Infektionen bes. empfindl. Bauch­ höhle hineinzutragen. Der Eingriff wird in Narkose, Leitungs- oder Lokalanästhesie vorgenommen, je nach Art der Krankheit, Lebensalter, Zustand von Herz und Kreis­ lauf, Empfindlichkeit und seelischem Zustand des Kranken. Verschiedene Organe, so die Gallenblase, können un­ bedenklich entfernt werden; die Gallenflüssigkeit wird dann durch den Hauptgallengang direkt in den Darm ab­ geschieden. Ebenso ist Entfernung der Milz, der Gebär­ mutter, einer Niere (wenn die andere gesund ist) ohne Nachteile für den Operierten möglich. Auch von der Bauchspeicheldrüse lassen sich ohne schwerwiegende Folgen für den Kranken kleine Teile entfernen. Vom Ma­

gen müssen oftmals große Teile entfernt werden, selbst der ganze Magen kann herausgenommen werden. Auch das Entfernen von Darmteilen ist ohne nachteilige Folgen durchführbar; bisweilen muß dann ein -► Kunstafter an­ gelegt werden. Beim Verlust größerer Darmabschnitte kommt es jedoch häufig zu Verdauungsstörungen. Besondere Gefahren bei Operationen an Organen der Bauchhöhle gehen v. a. vom Krankheitsgeschehen selbst aus (so bei -» Blinddarmentzündung, -» Magengeschwür, Geschwülsten; ferner -»Bauchverletzung). Bauchfell: Einblick in die Bauchhöhle nach teilweiser Entfernung ein­ zelner Darmab­ schnitte und Darstellung der Gekrösewur­ zeln. a Leber, b Gallenblase, c Dickdarm, d Endteil des Dünndarms (terminales Ileum), e Blind­ darm, f Wurm­ fortsatz, g gro­ ßes Netz (hoch­ geklappt), h Zwölffinger­ darm, i Schnitt­ kanten des Ge­ kröses

9

Bauchpresse, das Anspannen der Muskeln des Zwerchfells, der Bauchdecke und des Beckenbodens bei gleichzeitigem tiefen Einatmen mit Verschluß der Stimm­ ritze; damit wird der Druck im Bauchraum erhöht; An­ wendung bei Harn- oder Stuhlentleerung und bes. im letz­ ten Stadium des Geburtsvorgangs. Bauchschmerzen, -► Leibschmerzen. Bauchschnellen, Übung zur Kräftigung der Bauch­ muskulatur: Entspannt auf den Rücken legen und die Füße bei gebeugten Knien aufstellen. Anziehen des Lei­ bes, um ihn gleich darauf möglichst weit herauszuschnel­ len. Nach 15—20 Hin- und Herbewegungen Pause einle­ gen und die Übungen wiederholen. Der Rücken soll wäh­ renddessen unbewegt auf der Unterlage liegenbleiben. Möglichst ruhig und gleichmäßig weiteratmen; man at­ met während 4—6 Bauchbewegungen aus und während 2—4 Bewegungen ein. Atem nicht anhalten oder gepreßt ausstoßen. Das B. steigert die Durchblutung der Bauchorgane, löst venöse Stauungen und Krämpfe und regt die Darmbe­ wegung an, so bei Darmträgheit, Blähsucht, Bauch­ deckenerschlaffung; Anwendung bes. nach Schwanger­ schaft, bei Fettleibigkeit, Zuckerkrankheit, jedoch nicht bei entzündl. Vorgängen im Bauch sowie bei Magen- und Darmgeschwüren. Bauchschnitt, die -» Laparotomie. Schwanz der

Gallenblasen­ gang

Gallengang

Hakenforlsatz der Bauchspeicheldrüse

zusätzlicher Bauchspeichel­ drüsengang

Zwölffingerdarm

Ausführungsgang der Bauchspeicheldrüse

-Papille = Mündung von Gallen- und Bauchspeicheldrüsengang

Bauchspeicheldrüse von vorn gesehen. Zwölffingerdarm und Drüse sind teilweise eröffnet, um das Aus­ führungssystem zu zeigen Bauchspeicheldrüse, Pankreas das, eine 14-18 cm lange, 60—100g schwere, längl. Drüse, mit innerer und 77

Baue Gewalteinwirkung. Man unterscheidet spitze B. (Stich, Schuß) und stumpfe B. (Aufprall, Einklemmung, Druck­ welle bei Explosion). Bei der spitzen B. wird die Bauch­ höhle von außen eröffnet, die (häufige) Verletzung inne­ rer Organe ist abhängig von der betroffenen Bauchregion, Dünndarm (lleum) Richtung und Tiefe des eindringenden Gegenstands; bei Eröffnung des Darms besteht die Gefahr der -► Bauch­ fellentzündung. Bei der stumpfen B. kommt es zu Quet­ schung und Zerreißung innerer Organe; bes. häufig sind Leber- und Milzzerreißung mit starker Blutung in die Bauhinsche Klappe: links Mündung des Dünn­ Bauchhöhle, aber auch Darm- und Blasenquetschung. darms (lleum) in den Dickdarm (Colon); Gelegentlich kommt es zum Einriß des Zwerchfells und rechts der aufgeschnittene Blinddarm (Cae­ Verlagerung von Bauchorganen in die Brusthöhle. Die Er­ Blinddarm Wurmfortsatz cum) mit Wurmfortsatz (Appendix) kennung einer stumpfen B. ist im Ggs. zur spitzen B. oft schwierig, Leitzeichen sind -» akuter Bauch und durch Be­ äußerer Sekretion, die hinter dem Magen, retroperitoneal gleitverletzungen nicht erklärter hoher Blutverlust. Eine (hinter dem Bauchfell) quer vor der Wirbelsäule liegt. Ihr -»Lavage deckt die Blutung in die Bauchhöhle auf. Be­ Ausführungsgang mündet gemeinsam mit dem Gallen­ handlung: sofortiges operatives Vorgehen. gang in den Zwölffingerdarm, in den sie den Bauchspei­ Bauchwassersucht, Aszites der, die krankhafte, chel abgibt (tägl. etwa 11). Dieser enthält Enzyme; sie die­ nen zur Verdauung von Eiweiß (Proteasen), z. B. Trypsin, bisweilen bedeutende Ansammlung von Flüssigkeit in der Aminopeptidasen, die erst im Darm wirksam werden, von Bauchhöhle (10-201 und darüber), frei im Bauchfellsack Fett (Esterasen), z. B. Lipase, Lezithinase, von Kohlenhy­ oder durch Verwachsungen abgesackt. Die B. ist keine draten (Carbohydrasen), z. B. Amylase, Maltase, und selbständige Krankheit, sondern Begleitzeichen, z. B. bei von Nukleinsäuren (Nukleasen). Die Langerhansschen schweren Herzkrankheiten, bei behinderter Blutströ­ Inseln sind rundliche Zellhaufen in der B. Sie bestehen aus mung im Pfortadergebiet (u. a. Zeichen einer fortge­ verschiedenen Zellarten, den Beta-Zellen (B-Zellen), die schrittenen Leberschrumpfung), auch bei Geschwülsten -» Insulin erzeugen, und den Alpha-Zellen (A-Zellen), die im Unterleib, die einen Druck auf die Pfortader ausüben. Die Behandlung richtet sich nach der ursächl. Er­ -» Glucagon liefern. Ein weiteres von der B. erzeugtes En­ krankung. Versuche, ein Aufsaugen des Wassers in der zym ist das -»Kallikrein. Krankheiten. Die akute B.-Entzündung (Pankreati­ Bauchhöhle durch Anregen der Nierentätigkeit herbei­ tis) wird verursacht durch Entzündungen im Bereich der zuführen (Gefahr des Kaliummangels), haben nur vor­ abführenden Gallenwege, durch Steine im abführenden übergehenden Erfolg. Notfalls muß Bauchpunktion Pankreasgangund Virusinfektionen. Krankheitszeichen: (-► Bauchstich) vorgenommen werden. Beim Ablassen zu plötzlich einsetzende heftige Schmerzen im Oberbauch, großer Flüssigkeitsmengen aus der Bauchhöhle besteht bes. links in den Rücken ausstrahlend, Völlegefühl mit Kollapsgefahr. Laufende ärztl. Behandlung ist erforder­ Meteorismus. Behandlung unbedingt im Krankenhaus, lich. Bauhinsche Klappe [n. dem schweizer. Anatom da ernsthafte Komplikationen nicht selten sind. Die chro­ nische B.-Entzündung tritt häufig in Begleitung chron. C. Bauhin, * 1560, t1624], Dickdarmklappe, BlindLeber- oder Magenleiden, nach Magenresektionen oder darmktappe, Schleimhautfalte an der Einmündungs­ nach häufigem Alkoholmißbrauch auf sowie nach akuter stelle des Dünndarms in den Dickdarm, die das Zurück­ B.-Entzündung; sie äußert sich in Völlegefühl bes. nach treten des Darminhalts in den Dünndarm verhindert. Genuß fetter und schwerverdaul. Speisen, mit Blähungen Bauhygi|ene, die Lehre vom Bau gesundheitlich ein­ und oft Schmerzen im linken Oberbauch. Behandlung: wandfreier Wohn- und Arbeitsräume. Über Wohnungs­ Substitution der Pankreasenzyme, ggf. Operation. hygiene -»Wohnung. B.-Geschwülste (Pankreastumoren) werden im allge­ Baunscheidtismus, von dem Stellmacher K. Baun­ meinen erst spät erfaßt, da die B. röntgenologisch nicht gut darstellbar ist. Neue Hoffnungen bringt die Ultra­ scheidt (♦ 1809, f 1874) erfundene Methode, mit der die schalldiagnostik. Es gibt hormonell aktive und hormonell angeblich heilende Wirkung von Mückenstichen nachge­ nicht aktive Geschwülste; zu den ersteren gehören die ahmt werden soll: Mit Hilfe eines Stichlers, des >Lebens-»Inselzelladenome, zu den letzteren der relativ häufige weckerst, werden Hautflächen verletzt, die dann mit ei­ B.-Krebs (Pankreaskarzinom). Im Bereich des B.-Kopfs nem Hautreizmittel eingerieben werden. Im Originalre­ führt er durch Einengung des Gallenganges häufig zu zept enthält es Krotonöl, ein Nierengift, das überdies, wie Gelbsucht, im Körper- und Schwanzbereich der B. macht seit 1941 bekannt, eines der stärksten Kokarzinogene ist. er erst sehr spät Beschwerden. — Störungen der endokri­ Diese gefährliche Methode — Hautinfektionen, Narben nen Funktion der B. sind ferner -» Hyperinsulinismus und und Todesfälle sind beschrieben — wird seit etwa 80 Jah­ ren in der Humanmedizin kaum mehr angewendet; sie ist -» Zuckerkrankheit. Alle Störungen der äußeren Sekretion beeinträchtigen entbehrlich, da der angestrebte Hautreizeffekt durch an­ dere Verfahren erreichbar ist, z. B. durch die Verfahren die Verdauung von Eiweiß, Kohlenhydraten und Fett. der -» Kneippkur. Bauchspiegelung, Laparoskopie, Verfahren zur Bazillen, -»Bakterien. direkten Betrachtung von Leber, Gallenblase, Milz und Bazillenträger, -» Dauerausscheider. Magen mittels eines stabförmigen opt. Instruments (Laparoskop). Es wird nach örtl. Betäubung meist knapp ne­ BCG, Abk. für Bacillus Calmette-Guerin, ein von ben dem Nabel durch die Bauchdecke in die Bauchhöhle A. Calmette (* 1863, f 1933) und C. Gu£rin (* 1872, eingeführt. Zusätzlich zur Beurteilung der Organoberflä­ 11961) entwickelter Impfstoff aus künstlich abge­ che sind auch Gewebsentnahmen und kleine Eingriffe, schwächten, lebenden Tuberkulose-Erregern (Mykobak­ z. B. Eileiterdurchtrennung, möglich. Die B. ist praktisch terien) zum Schutz gegen die Tuberkulose. Er wird i. d. R. schmerzfrei; ein Krankenhausaufenthalt ist meist nicht bei Neugeborenen noch in der Entbindungsanstalt durch erforderlich. einen Impfarzt linksaußen in die Haut (intrakutan) des Bauchstich, das Durchstechen (Punktion) der Oberschenkels eingespritzt. Hiermit erzielt man einen be­ Bauchwand mit einem Stichel (Trokar), um bei -» Bauch­ dingten Schutz gegen Tuberkulose für mehrere Jahre, zu­ mindest für die Kindheit, erkennbar an örtl. Gewebsreak­ wassersucht (Aszites) die Flüssigkeit abzulassen. Bauchverletzung, Bauchtrauma, Verletzung der tion und positiver Tuberkulinprobe (-»Tuberkulin). Bauchhöhle und/oder der Bauchorgane durch äußere Auch ältere Kinder und Erwachsene (z. B. Pflegeperso­ nal) können sich nach entsprechenden Voruntersuchun­ Bauchspiegelung: 1 bei der B. zu übersehende Organe des Bauchraums, gen der Impfung unterziehen. 2 laparoskopischer Normalbefund der Leber, 3 zirrhoBE, Abk. für Broteinheit (-»Zuckerkrankheit). tische Höckerleber, 4 Blick auf geblähte Dünndarm­ schlingen Beatmung, die-»künstliche Atmung.

aufsteigender Dickdarm

Endteil des Dünndarms (lleum)

78

Ränder der Bauhinschen Klappe

Beck Beatmungsgeräte, maschinelle Vorrichtungen zur

Förderung, Unterstützung oder zum Ersatz einer durch Erkrankung geschädigten selbständigen Atemtätigkeit; auch zur Vorbeugung einer Atemstörung.

Beatmungsgeräte: Beatmungsgerät für Wachstation, Intensivstation, Ambulanz oder Notaufnahme

phose der Wirbelsäule an; röntgenologisch ist ein totaler knöcherner Durchbau der Wirbelsäule (BambusstabWirbelsäule) feststellbar. Familiär gehäuftes Auftreten und Bevorzugung des männl. Geschlechts sprechen für eine erbl. Komponente; äußere Einflüsse, z. B. Infektionen, werden als auslö­ sende Faktoren diskutiert. Der Verknöcherungsprozeß ist ursächlich nicht ent­ zündl. Natur; die faßbaren Entzündungsvorgänge laufen neben der eigtl. Krankheit ab und prägen das klinische Bild mit; wichtiges diagnost. Merkmal ist die stark be­ schleunigte Blutsenkungsgeschwindigkeit. Behandlung:™ wesentl. wie bei den anderen Gelenk­ erkrankungen des rheumatischen Formenkreises. Sie sollte möglichst frühzeitig mit wiederholten Badekuren (Überwärmungs- und Thermalbäder zusammen mit Be­ wegungsübungen und Schwimmen im Thermalwasser) er­ folgen. Schmerzbekämpfung durch Rheumamittel wie Phenylbutazon und Cortison. Becken, Pelvis die, i. w. S. Körperteil mit flacher oder trichterförmiger Ausbuchtung, z. B. Nieren-B.; i. e. S. der aus den beiden Hüftbeinen und dem Kreuzbein zu­ sammengesetzte knöcherne Ring, durch den beim auf­ rechtstehenden Menschen die Last des Oberkörpers auf die unteren Gliedmaßen übertragen wird. Das knöcherne B. zeigt bei Mann und Frau verschiedenen Aufbau. Das weibl. B. ist geräumiger, weniger ausladend und nicht so trichterförmig, der durch das Schambein gebildete Schambogenwinkel ist wesentlich weiter, die Knochen­ substanz zarter; diese Besonderheiten dienen den Anfor­ derungen von Schwangerschaft und Geburt (Bild Conju­ gata). Die beiden Hüftbeine sind durch Bänder straff mit dem Kreuzbein verbunden. Vorn treten sie in der knorpli­ gen Schambeinfuge aneinander, die während einer Schwangerschaft durch ein Hormon (Relaxin) gelockert wird. Man unterscheidet das von den Darmbeinschaufeln umgrenzte große B. und das als Geburtskanal wichtige kleine B., dessen Wände von den unteren Darmbein-, Sitzbein- und Schambeinanteilen des Hüftknochens so­ wie dem Kreuz- und Steißbein gebildet werden. In ihm lie­ gen die inneren Geschlechtsorgane, die Blase und der Mastdarm. Es wird nach unten durch eine straffe Muskelund Bindegewebsplatte, den Beckenboden, abgeschlos­ sen. Hier sind Öffnungen für den Mastdarm, die Scheide und die Harnröhre eingelassen. (Weitere Bilder S. 81)

B. führen über eine Maske oder ein Mundstück dem Pa­ tienten sauerstoffreiche, warme und angefeuchtete Atem­ luft zu, auch zusammen mit Medikamenten wie bei der In­ halation. Voraussetzung ist dabei eine genügende Eigen­ atmung. Bei nicht ganz entfalteter oder mangelhaft belüf­ teter Lunge (-»Atelektase) können B. die Lunge übermä­ ßig aufblähen. B. werden bes. bei der Narkose, bei lebensgefährlichen Atemstörungen (respirator. Insuffizienz, Zeichen einer verminderten oder fehlenden Eigenatmung) als wichtige intensiv-medizin. Maßnahme eingesetzt. Voraussetzung ist die -»Intubation, die den direkten Zugang zur Lunge ermöglicht. Die verschiedenen Geräte werden unter Be­ rücksichtigung eines ausreichenden Atemvolumens mit Hilfe der Beatmungsdrucksteuerung angewendet. Sie dürfen nur von Fachpersonal unter Kontrolle der Blutgas­ werte bedient werden. B. gehören zu den Hilfsgeräten al­ ler Notfalldienste und werden bei Sauerstoffmangel (an Brandstellen, Caissonkrankheit u. a.) für Rettungs­ Beckenbruch, Bruch im Bereich einzelner Becken­ zwecke eingesetzt. Über B. im Bereich der Arbeitsmedizin knochen, meist durch direkte unmittelbare Gewalteinwir­ -►Atemschutzgeräte. kung; beim Beckenringbruch infolge schräg (mittelbar) Beatmungs|inhalation, die -»assistierte Beat­ einwirkender Gewalt brechen auch die gegenüberliegen­ mung. den Beckenknochen. Erste Hilfe: Einschnüren des Beckens durch ein Lein­ Becherprimel, -»Schlüsselblume. oder Handtuch. Beckenringbrüche können verbunden Becherstrauch, Dorniger B., Sarcopoterium sein mit Zerreißungen innerer Organe, so daß sofortige spinosum, zu den Rosengewächsen (Rosaceae) gehö­ operative Eingriffe notwendig werden, Lebensgefahr! render, bis 60 cm hoher Kleinstrauch im Mittelmeergebiet Auch die Sprengung des Beckens durch Zerreißen der auf trockenen Böden. Die Wurzelrinde enthält Stoffe mit Schambeinfuge kann mit inneren Verletzungen einherge­ blutzuckersenkender und adstringierender (-»zusam­ hen. — Die Behandlung des B. ist bes. langwierig. menziehende Mittel) Wirkung. Anwendung: Heilpflan­ Becken | endlage, Lage des Kindes, bei der nicht der zen, Übersicht. Kopf, sondern der Steiß und/oder die unteren Gliedma­ Bechterewsche Krankheit [n. dem russ. Neurolo­ ßen zuerst geboren werden (etwa 3% aller Geburten). Je gen W. Bechterew, * 1857,11927], Morbus Strümpell- nach dem Körperteil, der zuerst sichtbar wird, unterschei­ Marie-Bechterew, Spondyl arthritis ankylopoedet man Steiß-, Steißfuß-, Fuß- oder Knielage (Bild Getica, Allgemeinerkrankung aus dem rheumat. Formen­ kreis mit vorzugsweisem Befall des Stammskeletts. Cha­ Becken: links weibl. B. mit den einzelnen Knochenteilen, rakteristisch ist im späteren Verlauf die zunehmende Ver­ rechts das wesentlich schmalere männl. Becken steifung der Wirbelsäule, vom Kreuzbeinbereich begin­ Hüftbein Verbindung zwischen Kreuznend und nach oben fortschreitend, durch Knochenbrükund Darmbein kenbiidung zwischen den einzelnen Wirbeln (Längsbandverknöcherung) und durch Verknöcherung der Zwischen­ Darmbein mit wirbel- und der Wirbel-Rippen-Gelenke. Häufig treten Darmbein­ als erste Anzeichen uncharakterist. Gelenkbeschwerden schaufel an den unteren Extremitäten, bes. am Kniegelenk, auf. Pfanne des Beginn der Krankheit: meistens zwischen dem 20. und Hüftgelenks oberer Darmbeindorn 30. Lebensjahr, Männer werden etwa 6mal häufiger be­ fallen als Frauen. Frühe Anzeichen: häufig -► Monarthri­ Steißbein Sitzbeinstachel tis im Bereich der unteren Gliedmaßen, nächtl. Kreuz­ Sitzbein mit Sitzbeinhöcker schmerz, in die Oberschenkel ausstrahlend; später schlie­ sogenanntes Schambein ßen sich eine Versteifung und (bisweilen starke) -»Ky­ verstopftes Loch 79

Bechterewsche Krankheit: Bambusstab-Wirbelsäule

Bechterewsche Krankheit

Beei junge Blastocyste 2__ _ (4 -[-agj

Regeln der ärztlichen Kunst< (daher auch Kunstfehler). Ein B., durch Fahrlässigkeit oder Vor­ satz verursacht, begründet aus dem Behandlungsvertrag (-•Arzt) zivilrechtl. Ansprüche auf Schadensersatz und ggf. Schmerzensgeld gegen den, der ihn begangen hat. Ist dieser als Erfüllungsgehilfe eines Dritten tätig geworden

Behi (etwa als Arzt im Krankenhaus), so richten sich die An­ dings zur Zeit z. T. noch gehindert, Vorwürfe gegen öfsprüche gegen diesen Dritten, also den Krankenhausträ­ fentlich-rechtl. Krankenanstalten zu untersuchen. ger. Unabhängig von dieser Haftung aus Vertrag kann ein Ein Verzeichnis der Gutachterkommissionen und Anspruch aus unerlaubter Handlung gemäß §§ 823 ff. Schlichtungsstellen ist bei der zuständigen Ärztekammer BGB in Betracht kommen. Sind zugleich strafrechtl. Tat­ zu erfragen. bestände erfüllt (Körperverletzung oder Tod des Patien­ Behandlungspflicht, -»Arzt. ten als Folge des B.), so kann der Arzt oder Zahnarzt zu­ Behaviorismus [bih'eivja-, engl. behaviour >Versätzlich bestraft werden. Ursächlichkeit und Fahrlässig­ keit können dabei im Zivilverfahren und Strafverfahren haltenmentalistischen Begriffe* wie Bewußtsein, Empfindung missionen oder Schlichtungsstellen eingerichtet, in denen und Seele werden deshalb ausgeschlossen. An ihre Stelle Beschwerden von Patienten oder deren Angehörigen auf tritt die Erforschung kleinster Verhaltenseinheiten unter Antrag durch Sachverständige untersucht werden. Ein Laboratoriumsbedingungen in enger Anlehnung an die hier erstelltes außergerichtl. Gutachten über den Zusam­ Lehren von I. P. -» Pawlow. Der Neo-B. ging über dieses menhang eines Gesundheitsschadens mit einer ärztl. Be­ engephysiolog. Reflexschema des Verhaltens hinaus. Kri­ handlung kann dann Grundlage für die Geltendmachung tik (>Psychologie ohne Seele Holzbein*. gelung der finanziellen Beziehungen nach Art und Höhe Behinderte, Personen, die geistig, seelisch oder kör­ zwischen Versicherern und Geschädigten; sie sind allerperlich behindert sind, d. h. die entweder an einer angebo­ renen Mißbildung leiden oder durch Krankheit, Milieu­ einflüsse, Kriegsfolgen, Unfall oder Berufskrankheit ei­ Behinderte: oben Behinder­ nen bleibenden körperl. oder geistigen Schaden erlitten tentelephon; haben. B. genießen den besonderen Schutz der Gesell­ unten Telephon­ schaft (Staat, Kommunen, karitative Organisationen). zelle für Roll­ Der Probleme der B. haben sich auch europ. und interna­ stuhlfahrer tionale Organisationen angenommen, u. a. die Europ. (weitere Bilder Gemeinschaft, der Europarat und die Vereinten Natio­ Blindenwesen, Hörapparat) nen. Diese haben das Jahr 1981 zum internationalen Jahr der B.< proklamiert. Formen der Behinderung. Im allgemeinen werden unterschieden: Blindheit und Sehbehinderung, geistige Behinderung, Körperbehinderung, Lernbehinderung, Sprachbehinderung, Taubblindheit, Gehörlosigkeit und Gehörbehinderung sowie psychodynamische Behinde­ rung (Verhaltensstörung). Mehrfachbehinderungen sind häufig. Blindheit und Sehbehinderung. Nach § 24 Abs. 2 Bun­ dessozialhilfegesetz (Abk. BSHG) gilt als blind auch, wes­ sen Sehschärfe auf dem bessersehenden Auge nicht mehr als 1 /so beträgt. Größere Stärke der Sehkraft (ohne jedoch volles Sehvermögen zu haben) gilt als Sehbehinderung und wird z. T. oder in geringerem finanziellen Umfang der -»■Blindheit gleichgestellt. Für Blinde und Seh-B. sind Spezialschulen notwendig. Geistige Behinderung ist bei einem Intelligenzquotient (-»Intelligenz) von etwa 30—60 gegeben. Da hierbei die anschaulich-vollziehende, prakt. Lern weise gegenüber der unanschaulich-begriffl., theoretischen stark über­ wiegt, sind Kinder zwar noch praktisch bildbar, können aber eine Sonderschule für Lern-B. nicht mehr mit ausrei­ chendem Erfolg besuchen. Wichtig sind Maßnahmen der Früherfassung und die Betreuung in Sonderkindergärten, Sonderschulen fürgeistigB., beschützenden Werkstätten sowie Heimen und Wohnheimen für Jugendliche und Er­ wachsene. Erwachsene sind nur in beschützenden Werk­ stätten einem geordneten Arbeitsleben zuzuführen. Körperbehinderung. Hierunter fallen alle durch ange­ borene Schäden und Mißbildungen, Krankheiten, Kriegs­ folgen oder Unfall verursachten körperl. Beeinträchti­ gungen. Je nach Art und Ursache der Behinderung kön­ nen Leistungen der Sozialversicherung (Unfall-, Renten­ versicherung, ggf. auch Krankenversicherung) oder der Kriegsopferversorgung in Anspruch genommen werden. Im übrigen enthält das BSHG Sonderbestimmungen für Körper-B. (§§ 39 ff). Für die Eingliederung in das AlltagsBecken: a normales männl. B. (Kartenherzbecken), b normales weibl. B., c und d häufigste Fehlformen des weibl. B. (können Geburtshindernisse sein), c plattes B., d querverengtes B. AB 6 : :

81

Behinderte: Offizielles Emblem für das Internationale Jahr der Behinderten (1981)

b

Behi

Behinderte: Badewanne mit Hebevorrichtung für Bewegungsbehinderte

und Arbeitsleben stehen diesen B. zahlreiche techn. Ge­ räte zur Verfügung. Lernbehinderung ist eine intellektuelle Minderbega­ bung um >/6 bis 2/6 im Vergleich zur Normalbevölkerung (IQ = 60—65 bis 80—85; Normalwert etwa 100). Lern-B. können im Unterricht der Normalschulen nicht ausrei­ chend gefördert werden und besuchen Sonderschulen. Neben der intellektuellen Minderbegabung bestehen bei Lem-B. häufig körperl. Entwicklungsrückstände, körperl. Anfälligkeiten, Sinnesbeeinträchtigungen, um­ schriebene gehirnorgan. Schäden, soziokulturelle Be­ nachteiligungen, familiäre Belastungssituationen, emo­ tionale Beeinträchtigungen, Verhaltensstörungen oder ausgeprägte Fehlhaltungen. Psychodynam. Behinderung, auch Schwererziehbarkeit oder Verhaltensstörung genannt, wird häufig durch Milieuschäden verursacht. Die Übergänge von psycholog. zu medizin. Begriffen und ihre Abgrenzungen sind bis heute noch nicht klar definiert, bes. da oft mehrere Ursa­ chen für das Auftreten einer solchen Behinderung verant­ wortlich sind. Für die psychodynam. B. gibt es Förde­ rungsmaßnahmen in besonderen Schulen. Im allgemei­ nen sind diese Menschen aber auf Beratungsstellen, auf Spezial- oder psychiatr. Kliniken sowie auf ambulante Psychotherapie angewiesen. (-•■Verhaltensgestörte) Sprachbehinderung ist der übergeordnete Begriff, un­ ter dem alle seelisch bedingten Sprach- und Sprechfehler (Stammeln, Stottern, Poltern, Agrammatismus) sowie alle Sprachkrankheiten mit medizin. Ursachen zusam­ mengefaßt werden (-»Sprache). Der Verschiedenheit der Ursachen muß die Verschiedenheit der Behandlung Rech­ nung tragen. Es gibt eigene Sprachheilheime für schwer Sprach-B. mit meist kombinierter psychologisch-medizin. Behandlung sowie Kliniken, Ambulatorien, Sonder­ schulen und -klassen und -kindergärten. In größeren Städten arbeiten auch private Sprachheilinstitute oder Logopäden (Sprachheillehrer). Taubstummheit und Hörbehinderung, Fehlen der Sprach- und Hörfähigkeit oder Minderung der Hörfähig­ keit mit unterschiedl. Schweregrad (-»Schwerhörigkeit, -»Taubstummheit). Zur Betreuung dieser B. bestehen ne­ ben Taubstummen- und Gehörlosenschulen heute auch in größeren Städten Schulen für Hör-B., in denen Hörreste sonderpädagogisch genutzt werden. (-»Hörtraining) Mehrfachbehinderung ist ein Zusammentreffen von 2 oder mehr Behinderungen, wobei gerade die psychody­ nam. Behinderung häufig in Kombination mit anderen auftritt, oft als Folge der urspr. Behinderung und deren erhöhtem Erziehungsbedarf. Gesetzliche Regelungen. Je nach Art, Schwere und Ursache der Behinderung sind in der Bundesrep. Dtl. zahlreiche gesetzl. Vorschriften ergangen, die den B. das Leben in der Gemeinschaft erleichtern sollen. 1) Sozialgesetzgebung: Wer behindert ist oder wem eine Behinderung droht (so im Sozialgesetzbuch Teil 1, § 10), >hat ein Recht auf die Hilfe, die notwendig ist, um die Be­ hinderung abzuwenden, zu beseitigen, zu bessern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mil­ dern, sowie ihm einen seine Neigungen und Fähigkeiten 82

entsprechenden Platz in der Gesellschaft, bes. im Arbeits­ leben, zu sicherns Im einzelnen können in Anspruch ge­ nommen werden: medizin. Leistungen (techn. Geräte), berufsfördernde Leistungen, Leistungen zur allgemeinen sozialen Eingliederung sowie ergänzende Leistungen, wie Kranken-, Übergangsgelder u. ä., B.-Sport und Haus­ haltshilfe. Leistungsträger hierfür sind die Bundesanstalt für Ar­ beit und die Arbeitsämter, die Hauptfürsorgestellen, die Krankenkassen, die Unfallversicherungs- und Rentenver­ sicherungsträger, die Versorgungs- und Landesversor­ gungsämter sowie die Sozialämter. 2) Kriegsopferversorgung und Unfallversicherung: Die umfassendsten Regelungen für B. gab es zunächst für Kriegsbeschädigte, denen nach dem Bundesversorgungs­ gesetz Hilfen zur berufl. Fortbildung, Umschulung und Ausbildung zustehen, ferner Hilfen zur Erlangung und zum Schutz eines geeigneten Arbeitsplatzes, Erholungs­ fürsorge und Wohnungsfürsorge. Dazu können ergän­ zend Hilfen nach dem BSHG treten (siehe unten). Ent­ sprechende Leistungen erhalten bei Bedarf auch Perso­ nen, die einen Arbeitsunfall erlitten haben, von der ge­ setzl. Unfallversicherung. 3) Berufliche Bildung: Bei der Berufsausbildung, der Fortbildung und berufl. Umschulung sind in den handwerkl. und anderen anerkannten Ausbildungsberufen (auf Grund der Handwerksordnung und des Berufsbil­ dungsgesetzes) die besonderen Verhältnisse der B. zu be­ rücksichtigen, soweit es Art und Schwere der Behinde­ rung erfordern. 4) Sozialhilfe: Bes. umfassend gestaltet sind heute die Eingliederungshilfen (Rehabilitation) im Sozialhilferecht (BSHGi. d. F. v. 18.9. 1969, §§ 39-47). Ein Katalog von Maßnahmen kommt allen B. zugute, ohne Rücksicht auf Einkommen und Vermögen. Dazu gehören im Rahmen eines vorher vom Träger der Sozialhilfe (i. d. R. kreisfreie Städte und Landkreise) aufzustellenden Gesamtplans nicht nur medizin. und soziale Betreuung (ambulant und stationär), sondern auch vielfältige Maßnahmen der so­ zialen und berufl. Eingliederung(sonderpädagog. Förde­ rung, berufs- und tätigkeitsfördernde Maßnahmen, Fort­ bildungs- und Umschulungshilfen, Arbeitsplatzversor­ gung und nachgehende Betreuung), Zahlungen für den Lebensunterhalt, auch an Personen, die gegenüber den B. unterhaltsberechtigt oder -verpflichtet sind.

Behinderte: Elektrisch betriebenes, dreirädriges Behindertenfahr­ zeug mit drehbarem Sitz und kleinem Wenderadius; geeignet zum Überwinden von Bordsteinen und Stufen bis zu 12 cm Höhe

Zur Sicherung einer rechtzeitigen Rehabilitation sind alle Eltern verpflichtet, Kinder mit schweren Behinderun­ gen unverzüglich dem Gesundheitsamt oder einem Arzt zur Beratung über geeignete Eingliederungsmaßnahmen vorzustellen. Geschieht dies nicht, so trifft Hebammen und andere Medizinalpersonen, Sozialarbeiter, Lehrer, Kindergärtnerinnen u. ä. eine Meldepflicht. Die in An­ spruch genommenen Ärzte haben umfassende Aufklärungs- und Informationspflichten; sie müssen die B., wenn keine Behandlung durchgeführt oder wenn sie ver­ nachlässigt wird, namentlich dem Gesundheitsamt mel­ den. Die Gesundheitsämter haben koordinierende und überwachende Aufgaben. Sie werden dabei von >Landesärzten< unterstützt, die über besondere Erfahrungen in der Hilfe für B. verfügen.

Bein 5) Schwerbehindertengesetz: Die speziell für Schwerbe­ schädigte eingeführten Leistungen wurden durch das Schwerbehindertengesetz (Abk. SchwbG) i. d. F. v. 8. 10. 1979 auf alle Personen ausgedehnt, die körperlich, geistig oder seelisch in ihrer Erwerbsfähigkeit nicht nur vorüber­ gehend um wenigstens 50% gemindert sind (-* Minderung der Erwerbsfähigkeit), ohne daß es auf den Grund der Be­ hinderung ankommt. Ihnen können Personen mit einer Minderung von mindestens 30% gleichgestellt werden, wenn sie infolge der Behinderung ohne diese Hilfe keinen geeigneten Arbeitsplatz erlangen oder behalten können. Sie werden erfaßt durch die B.-Statistik. In ihr werden nur B. mit einer amtlich festgestellten Minderung der Er­ werbsfähigkeit von 30% und darüber einbezogen; die B. werden alle 2 Jahre erfaßt. Rechtsgrundlage ist § 51 Abs. 1 des SchwbG. Ansprüche nach dem SchwbG entstehen mit der Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises durch das zuständige Versorgungsamt. Aus dem SchwbG ergeben sich folgende Rechte und Pflichten bei Arbeitsverhältnissen: für Arbeitgeber eine Beschäftigungspflicht für Schwer-B. bis zu einer Pflicht­ zahl oder stattdessen die Pflicht zur Zahlung einer Aus­ gleichsabgabe, ein Zusatzurlaub von 6 Arbeitstagen im Jahr, Kündigungsschutz gegenüber dem Arbeitgeber, wenn nicht die vorherige Zustimmung der Hauptfürsor­ gestelle vorliegt, eine Förderungspflicht für Schwer-B. durch Betriebs- oder Personalräte, Wahl eines Vertrau­ ensmannes der Schwerbeschädigten im Betrieb. Der Schutz dieses Gesetzes kann im Einzelfall entzogen werden. Außerdem haben Schwer-B. Anspruch auf unentgeltl. Beförderung im öffentl. Personenverkehr, wenn sie in ih­ rer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich be­ einträchtigt sind; falls erforderlich, gilt dies auch für eine Begleitperson, für Handgepäck, einen Krankenfahrstuhl u. ä. Dazu treten weitere Erleichterungen auf Grund ande­ rer Gesetze, etwa Befreiung vom Wehrdienst; ferner auf Verlangen Befreiung von der Pflicht zu Mehrarbeit im Be­ trieb, schließlich Gebührenbefreiung oder Ermäßigung im Telephonverkehr sowie für Fernsehen und Radio, Er­ mäßigungen bei der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversiche­ rung sowie Steuerermäßigungen für eine bestimmte Zeit. Prakt. Ratschläge erteilen die für die verschiedenen Be­ hinderungsarten bestehenden -»Selbsthilfegruppen. (-» Rehabilitation) Die Zahl der B. in der Bundesrep. Dtl. wurde (1982) auf 5—6 Mio. geschätzt. Die Zahl der Schwer-B. betrug am 1.1.1981:3,8 Mio., davon waren 1,1 Mio. berufstätig, 2,7 Mio. standen noch nicht oder nicht mehr im Arbeitsleben; rd. 100000 Schwer-B. waren als Arbeitslose registriert. Behindertensport, -»Versehrten- und Behinderten­ sport. Behindertenstatistik, -» Behinderte. Behring, Emil von, Serologe, * Hansdorf (Westpreu­ ßen) 1854, j Marburg (Lahn) 1917, entdeckte 1890 das Diphtherie- und Tetanusantitoxin, veröffentlichte 1893 zusammen mit dem japan. Serologen S. Kitasato (* 1856,1 1931) eine Arbeit über Ziele und Methodik der Serumtherapie (-»Heilserum) auf Grund seiner Entdekkung, daß sich im Tierkörper gegen das Diphtherietoxin ein Gegengift bildet, das erkrankte Menschen heilen kann. 1901 erhielt B. den (ersten) Nobelpreis für Medizin. Beifuß, -»Wermut. Beikost, Ergänzungsnahrung des Säuglings (Brust­ oder Flaschenkind) ab einem bestimmten Lebensalter. Die erste B. (ab der 4.-6. Lebenswoche) besteht aus einem oder einigen Teelöffeln Gemüse- oder Obstsaft, besser frisch zubereitet als aus Konserven, oft dem Flaschen­ inhalt zunächst beigemischt. Karottensaft ist bes. geeig­ net, Saft aus Zitrusfrüchten (Apfelsine, Zitrone) kann Wundsein der Haut im Gesäßbereich hervorrufen, selte­ ner Quaddelbildung. Ab 3./4. Lebensmonat vertragen Säuglinge bereits Karottenmus (Frühkarotten), auf der Kunststoff- oder Glasreibe (nicht Metallreibe) geriebenen Apfel oder zerdrückte Banane, am günstigsten vor der Flasche verabreicht. Dies fördert auch die Erziehung zum Essen von Breien und bringt außerdem ein zusätzl. Ange­ 6’

bot an Vitaminen, Mineralien, Nähr- und Ballaststoffen. Milchfreie oder -arme Breie sind z. B. Obst-ZwiebackBrei, Gemüse-Kartoffel-Brei oder Milchbrei mit Apfel­ zusatz. Seit Jahren behaupten sich Fertigbreie auf dem Markt, bei denen darauf zu achten ist, daß sie glutenfrei sind (-»Zöliakie). Bein, die untere, aus Oberschenkel, Unterschenkel und Fuß bestehenden Gliedmaße. (Modell des Men­ schen nach S.400)

Schneider­ muskel

Ober­ schenkel­ bein

Plattsehnen­ muskel

faszie

vierköpfiger gerader Schenkel­ strecker

zweiköpfiger Schenkelmuskel langer Kopf

Knie­ gelenk

zweiköpfiger Schenkelmuskel kurzer Kopf

Knie scheib

Sohlenspanner

Kopf des Wadenbeins

Zwillings­ wadenmuskel

vorderer Schienbeinmuskel

Schienbein

langer Wadenbeinmuskel

Wadenbein Sprungbein

Schollen­ muskel

Kahnbein äi

keilförmige Fußwurzel­ knochen

äußerer

langer Zehenstrecker kurzer Wadenbeinmuskel

Querbänder Achilles sehne

kurzer Zehenstrecker

knochen

Zehenglieder

Sehnenhaltebänder

Bein: links Skelett, rechts Muskeln und Sehnen

Das Skelett des B. besteht aus Oberschenkel-, 2 Unter­ schenkel- und 26 Fußknochen. Der Oberschenkelkno­ chen (Femur) ist der stärkste Röhrenknochen des Kör­ pers. Der Unterschenkel besteht aus dem nach innen lie­ genden, stärkeren und mit scharfer Kante unter der Haut der Vorderseite des Unterschenkels vorspringenden Schienbein (Tibia) und dem schlankeren, nach außen ge­ legenen Wadenbein (Fibula); an der Bildung des Knie­ gelenks, das nach vorn von der Kniescheibe (Patella) schützend abgedeckt wird, ist nur das Schien-B. beteiligt, während das Sprunggelenk, die Verbindung mit dem Fuß­ knochen, von jeeinemseitl. Fortsatz beider Knochen, den Knöcheln, gabelförmig umgriffen wird (Malleolengabel). Beide Knochen haben eine sehr geringe Beweglichkeit ge­ geneinander, die zur Veränderung der Weite der Malle­ olengabel bei Bewegungen im Sprunggelenk dient. Das Waden-B. dient als Haftstelle für Muskeln. Die Muskeln, die das B. im Hüftgelenk bewegen (Hüftmuskeln), entspringen an Knochenleisten der Beckenkno­ chen und an den Lendenwirbeln und setzen größtenteils an Knochenvorsprüngen des Oberschenkel-B., den Roll­ hügeln, an. Die Beuger ziehen vom Sitz-B. zu den Unter­ schenkelknochen. Die Anzieher (Adduktoren), die die ge­ spreizten B. gegeneinander bewegen, gehen von Sitz- und Scham-B. zum Oberschenkel-B. Der kräftigste Muskel des Unterschenkels ist der Zwillingswadenmuskel; er ver­ läuft von der Hinterfläche der beiden Gelenkhöcker des Oberschenkel-B. zum Fersen-B., an das er sich, zusam­ men mit dem Schollenmuskel, als dreiköpfiger Waden­ muskel mittels der Achillessehne anheftet. Das zuführende Blutgefäß für die unteren Gliedmaßen ist die Schenkelschlagader. 83

Emil von Behring

Bein Die Nerven für Haut und Muskeln der unteren Glied­ maßen stammen aus einem aus dem Lenden- und Sakral­ mark hervorgehenden Nervengeflecht: der Hüftnerv (Nervus ischiadicus, -»Ischias), der an der Hinterseite des Oberschenkels verläuft und in seinen Endästen bis zum Fuß reicht, und der Oberschenkelnerv, der zusammen mit der Schenkelschlagader verläuft und sich in der Streck­ muskulatur verteilt. Beingeschwür, Krampfadergeschwür, Ulcus cruris, meist ausgedehnter geschwüriger Haut-(Epi-

thel-)Defekt an den Unterschenkeln; B. können bei -♦Krampfadern oder nach schlecht heilenden Verletzun­ gen entstehen. Beinhaut, Knochenhaut, Periost, -♦Knochen. Beinwell, Schwarzwurz, Symphytum officinale, zu den Boretschgewächsen (Boraginaceae) gehö­

rende Halbrosettenstaude in gemäßigten Klimazonen auf feuchten Böden. Die im Herbst oder Vorfrühling gesam­ melte, rasch getrocknete Wurzel enthält bis zu 0,8% Allantoin mit die Wundheilung und Kallusbildung bei Kno­ chenbrüchen fördernder Wirkung. Anwendung: Heil­ pflanzen, Übersicht. Beischlaf, der -»Geschlechtsverkehr. Beklemmung, plötzlich auftretendes Enge- und Druckgefühl im oberen Brustraum, auch Druck in der Herzgegend, oft verbunden mit beschleunigter Herztätig­ keit. Die Ursache ist überwiegend eine funktionell be­ dingte Minderdurchblutung der die Herzmuskulatur ver­ sorgenden Blutgefäße. Auch psych. Vorgänge (Schreck, Freude, Angstgefühle) können B. auslösen. Bevorzugt sind Menschen mit Neigung zu -»vegetativer Dystonie. Bei wiederholt auftretender B. sollte ärztl. Rat eingeholt werden, um eine organ. Herz- oder Lungenerkrankung auszuschließen; die Abgrenzung gegen das Anfangssta­ dium eines -»Bronchialasthmas kann schwierig sein. — Die nächtlich auftretende B. wird volkstümlich auch Alp­ drücken genannt. Bekömmlichkeit, die Verträglichkeit einer Speise, die davon abhängt, welche Stoffwechselleistung für ihre Verdauung erforderlich ist. Je größer die Stoffwechsellei­ stung, desto geringer ist die B. Die Dauerkost für Gesunde muß nicht nur vollwertig, sondern auch bekömmlich sein, d. h. sie darf den Stoffwechsel nicht ständig überbean­ spruchen. Bei Kranken und Genesenden hat sie sich nach den verminderten Energiereserven zu richten (-► Diät). Beleuchtung:

Blendungsfreie B. des Arbeitsplatzes; Reflexblendung sollte vermieden werden Belastung, starke körperl. und seel. Beanspruchung durch äußere oder innere energetische Vorgänge: Muskel­ arbeit, Konzentrations- und Denkleistung, Krankheit, auch extreme Sinnesreize. Die Fähigkeit, B. zu ertragen, ist von individuellen (typbedingten) und situativen Mo­ menten abhängig. B.-Prüfungen werden bes. im Rahmen der medizin. Diagnostik, der Arbeitspsychologie und psycholog. Eignungsuntersuchung vorgenommen. Extreme B. und die damit verbundenen Reaktionen werden im Zu­ sammenhang mit fehlender Anpassung (-»Adaptations­ syndrom) als -»Streß bezeichnet. Erbliche B., -»Erb­ krankheiten. Belastungs|elektrokardiogramm, unter körperl. Belastung durchgeführtes Elektrokardiogramm (-► Elek­ trokardiographie). Bild biomedizinische Technik. Belebungsmittel, -»Anregungsmittel. Beleg|arzt, niedergelassener Arzt, der zugleich auch seine und die ihm überwiesenen Patienten im Kranken­ haus stationär behandelt. B. betreuen kleinere Kranken­ häuser insgesamt, in größeren v. a. Organfachabteilun­ gen, z. B. Hals-, Nasen-, Ohren-, Augenabteilungen, auch gynäkolog., orthopäd. und urolog. Abteilungen. Neuerdings wird gefordert, daß jeweils mehrere B. glei­ cher Fachrichtung an einer solchen Abteilung nach festen Regeln kooperativ Zusammenwirken sollen. Damit soll durch gegenseitige Absprache eine ständige ärztl. Betreu­ ung aller Patienten der Abteilung sowie Vertretung bei Krankheit und Urlaub gewährleistet werden. 84

B. stehen im Privatvertrag mit dem Krankenhausträ­ ger, sind aber keine Angestellten des Krankenhauses. Sie sind daher allein Vertragspartner des Patienten bezüglich der ärztl. Behandlung. Diese wird nicht über den Kran­ kenhauspflegesatz, sondern unmittelbar durch die Pa­ tienten oder deren Kostenträger an die B. honoriert. Belegkrankenhaus, Krankenhaus, in dem die Pa­ tienten durch Belegärzte, die auch die Einweisung veran­ lassen, und nicht durch angestellte Krankenhausärzte be­ treut werden. belegte Zunge, durch Epithelabschilferung verän­ dertes Schleimhautaussehen der Zunge, häufig krank­ heitsbegleitendes Zeichen. Der Gesunde hat nur im hinte­ ren Zungendrittel gelegentlich einen geringen Belag. Die­ ser entsteht durch verstärktes Auftreten von verhornten Verlängerungen der Geschmackszäpfchen, in denen sich außerdem abgestoßene Zellen der Zungenoberfläche und kleinste Nahrungsreste ansammeln können. Die Zunge, auch >Spiegel der Gesundheit! genannt, nimmt mit vieler­ lei Anzeichen (verschiedenartige Beläge, auffallende Rö­ tung, Trockenheit) an fast allen Allgemeinerkrankungen teil; ihre Besichtigung ist für den Arzt wichtig und auf­ schlußreich. Bei fieberhaften Erkrankungen der oberen Luftwege und der Lunge ist die Zunge immer belegt. Das Freiwerden der Zunge (von der Spitze und den Rändern her) läßt frühzeitig die beginnende Überwindung der Krankheit erkennen. Katarrhalisch anfällige Kinder zei­ gen oft einen unregelmäßigen, jedoch scharf begrenzten Belag der Zunge (>LandkartenzungeHimbeerzunge< beim Scharlach. Zur Beseitigung des Zungenbelags ist Heilung der Grundkrankheit anzustreben. Mechan. Reinigung mit ei­ nem Spatel oder Löffelstiel und Nachspülen mit Salbeitee schafft Erleichterung, vermindert den pappigen Ge­ schmack und bessert den Mundgeruch. Beleuchtung, das Einsetzen einer Lichtquelle (Glüh­ oder Leuchtstofflampe) zur Auf- und Erhellung von Räu­ men, Arbeitsplätzen und Gegenständen. Die Lichtquelle (künstliche B.) soll so angeordnet sein, daß keine Blen­ dung eintritt. Erforderl. B.-Stärke bei Allgemein-B. des ganzen Raums z. B. für Treppen 30 Lux, Bad 120 Lux, Schreib- und Schularbeiten 500 Lux, Wohn-, Lese- und Musikzimmer ebenfalls 500 Lux; bei Platz-B. sind für die gleiche Sehleistung wie bei reiner Allgemein-B. etwa die doppelten Luxwerte erforderlich. Für eine Schreibtisch­ leuchte sind eine Lampe zu 60 Watt oder 2 Lampen zu 40 Watt angemessen. Mischlicht (Tageslicht und Kunstlicht) ist nicht gesundheitsschädlich, kann aber als störend emp­ funden werden. An einem Aufsatzpunkt von 160° Neigungswinkel blendet ein Licht von vorn nicht, wenn die Reflexion in Brusthöhe erfolgt. Der Reflektor der Leuchte muß sich unterhalb der Augenhöhe befinden, damit keine Direkt­ blendung statt findet. Am günstigsten ist die Zweikomponenten-B. (geringe Allgemein-B. mit Leuchtstofflampen an der Decke und zusätzl. Arbeitsplatz-B. durch stabile Glühlampentischleuchte). Mischungen von Glühlampen und Leuchtstofflampen sind günstig, weil sie das enge Spektrum der Leuchtstofflampen erweitern. Belladonna, -♦Atropa bella-donna. Bence-Jones-Eiweißkörper [bens djaunz-, n. dem brit. Arzt H. Bence Jones, *1843, J 1873], Eiweiß­ ausflockung im erhitzten Urin durch vom Blutplasma ge­ bildetes, nierengängiges Paraprotein; findet sich als wich­ tiges diagnost. Zeichen bei der Kahlerschen Krankheit, ei­ ner Form des Myeloms (-»Plasmozytom), und bei ande­ ren bösartigen Geschwulstkrankheiten, z. B. Sarkom, Leukämie. Nach Reihenuntersuchungen jüngeren Da­ tums gibt es auch eine gutartige, sich über Jahre folgenlos hinziehende Form; es ist jedoch erforderlich, diese Pa­ tienten auf unbegrenzte Zeit zu beobachten. benig|ne, gutartig; Ggs.: maligne. Benommenheit, leichte Bewußtseinstrübung mit unbestimmtem, örtlich nicht festlegbarem Kopfdruck, Schläfrigkeit und leichten Schwindelanfällen: Aktivität und Arbeitslust sind hierdurch eingeschränkt. B. kann nach sehr anstrengender Arbeit unter ungünsti-

Berg gen äußeren Umständen (Sommerhitze, verbrauchte Luft in engem Raum u. ä.) auftreten, aber auch nach starker seel. Belastung. Sie kommt vor zu Beginn fieberhafter Erkrankungen, auch bei Migräne und Übermüdung. Bei Wiederholung und längerer Dauer der B. ist ärztl. Beratung angezeigt. B. kann sich zur Bewußtseinstrübung steigern, so bei länger andauerndem hohen Fieber (z. B. Typhus). Benzidinprobe, Untersuchungsmethode zum Nach­ weis von Blut in Körperausscheidungen, die mit dem bloßen Auge nicht erkennbar sind, bes. von Blut im Stuhl. Benzin, Gemisch niedrigsiedender Kohlenwasser­ stoffe, verdunstet sehr rasch, gibt mit Luft gemischt ex­ plosible Dämpfe. B. ist ein gutes Fettlösungs- und Reini­ gungsmittel. Das gereinigte Wund-B. dient zum Entfer­ nen von Pflasterrückständen auf der Haut. Neben Vergiftungsgefahr durch B.-Dämpfe (-»Ben­ zinvergiftung) besteht bei langdauerndem Umgang mit bleihaltigem B. auch Gefahr der Bleivergiftung (-►Blei­ krankheit). Benzinvergiftung. Beim Einatmen reiner Benzin­ dämpfe kommt es zu akuter B. mit Rauschzuständen, in schweren Fällen mit Krämpfen, Herabsetzung der Atemund Pulsfrequenz, Blaufärbung der Lippen. Bei der Ar­ beit in engen Räumen oder Behältern (Kesselwagen), die mit Benzindämpfen gefüllt sind, kann Bewußtlosigkeit, auch Tod durch Atemlähmung, eintreten. Seltener ist die B. durch versehentl. Aufnahme durch den Mund (Unfall bei Kindern) oder in selbstmörderischer Absicht. Erkrankungsanzeichen bei chronischer B. sind Appe­ titlosigkeit, Übelkeit, Kopfschmerzen, Reizung der Au­ genbindehaut und der Schleimhaut der oberen Luftwege, Gedächtnisstörungen. Benzin schädigt das Zentralner­ vensystem. Vergiftungen können durch Beimengungen bewirkt werden: Fast immer ist Benzin durch aromat. Kohlenwasserstoffe (z. B. Benzol) verunreinigt (Benzol­ vergiftung), als Vergaserkraftstoff kann es Blei enthalten (-»Abgase). Vorbeugung: Benzindämpfe sind schwerer als Luft, Absaugen daher in Bodennähe. Atemschutzgeräte mit Filtereinsatz sind allein in solchen Räumen anzuwenden, in denen noch ein ausreichender Anteil an Sauerstoff vor­ handen ist, die also nicht vollständig mit Benzindämpfen gefüllt sind (Erstickungsgefahr!). Erste Hilfe: Verunglückte sind schnellstens an die fri­ sche Luft zu bringen; Atmung und Blutkreislauf anregen! Arzt rufen! Benzo|esäure, kristallisierte organ. Säure; wird ge­ legentlich noch in O,l°7o-l°7oiger wäßriger oder alkohol. Lösung als Mundwasser verwendet. Das Natriumsalz der B. und der Parahydroxybenzoesäurepropylester (PHBEster) werden als unschädliche Konservierungsmittel (-►Konservierung), besonders von Nahrungsmitteln, ge­ braucht; sie sind deklarationspflichtig. Benzolvergiftung, melde- und entschädigungs­ pflichtige Berufskrankheit (-► Lösungsmittelvergiftung). Betroffen sind bes. Arbeiter der ehern. und pharmazeut., der Farben-, Gummi- und Textilindustrie, des graph. Ge­ werbes u. a. Benzol kann durch Einatmung der Dämpfe oder durch die unverletzte Haut in den Körper gelangen. Krankheitszeichen: Akute B. führt zu Benommen­ heit, Brechreiz, Rauschzuständen, Bewußtlosigkeit, Krämpfen und eventuell zum Tod durch Atmungs- und Kreislauflähmung, die chronische B. zu Müdigkeit, Kopfschmerz, Schleimhautblutungen, Schädigung der blutbildenden Organe (Knochenmark) und Anämie. — Benzolähnl. Stoffe wie Toluol und Xylol rufen weniger Veränderungen der blutbildenden Organe als vielmehr Nerven- oder Nierenschäden hervor. Vorbeugung: Arbeitsschutzvorschriften beachten. Erste Hilfe: Frischluftzufuhr, Entfernen benzolge­ tränkter Kleidungsstücke, eventuell künstl. Beatmung. Kein Erbrechen auslösen! Arzt rufen! Benzpyren, Benzo(a)pyren, wasserunlösliche polyzykl. Kohlenwasserstoffverbindung, kommt im Stein­ kohlenteer, Ruß, Pech und auch im Tabakrauch vor. Spu­ ren von B. finden sich in geräucherten oder gegrillten Nah-

rungsmitteln (-► Grillen) und auf Pflanzen. B. ist ein stark wirksames Karzinogen, das auf Dauer an der Einwir­ kungsstelle Krebs erzeugen kann, z. B. Skrotalkrebs bei Schornsteinfegern. Beratungsstelle, Fürsorgestelle, der kostenlosen (Gesundheits-)Beratung und Früherkennung von Krank­ heiten dienende Einrichtung. Durch die B. sollen v. a. wirtschaftl. und psycholog. Hemmnisse, die einer Be­ handlung entgegenstehen, überwunden werden. Der Personenkreis, um den sich die B. bemühen, be­ steht großenteils nicht aus kranken, sondern gesundheit­ lich gefährdeten Menschen, wie Rekonvaleszenten, Un­ terernährten, Kindern mit gehemmter Entwicklung oder Krankheitsbereitschaft, Personen aus der Umgebung an­ steckend Kranker, auch solchen mit Anfangsstadien einer körperl. oder seel. Behinderung. Durch Reihenuntersu­ chungen und Umgebungsuntersuchungen werden diese Gefährdeten ermittelt. Für die einzelnen Arten der Gefährdung bestehen im allgemeinen gesonderte B.: für Schwangere, für Mütter mit Säuglingen und Kleinkindern, für Schulkinder, für Tuberkulöse, für Geschlechtskranke, für Körperbehin­ derte, für Nerven- und Gemütskranke und für Alkoholi­ ker. Weniger verbreitet sind B. für Zuckerkranke, Rheu­ matiker und Geschwulstkranke. Als Mitarbeiter des Für­ sorgearztes werden Sozialarbeiter(innen) oder Fürsor­ gerfinnen) eingesetzt, die speziell ausgebildet sind. Sie wirken bei Sprechstunden, Reihenuntersuchungen und Impfungen mit und stellen Verbindungen mit Ärzten, An­ stalten und Behörden her. Durch Hausbesuche (machge­ hende Fürsorget) ermitteln sie Wohn- und Familienver­ hältnisse, wirken auf die Einhaltung ärztl. Ratschläge hin und sammeln Erfahrungen zur Erstattung von Fürsorge­ berichten. Berberitze, Sauerdorn, Berberis vulgaris, zu den Sauerdorngewächsen (Berberidaceae) gehörender, bis 3 m hoher, dornentragender Strauch in warmgemäßig­ ten Klimazonen auf trockenem Boden. Die Wurzelrinde enthält u. a. verschiedene Alkaloide (bis zu 3% Berberin). Anwendung: Heilpflanzen, Übersicht. Berg [baerj], Ragnar, schwed. Ernährungsforscher, * Göteborg 1873, t Borstel (Schleswig-Holstein) 1956. B. vertrat die Überzeugung, daß Säureüberschuß der Nah­ rung schädlich sei und z. B. die Eiweißverwertung beein­ trächtige (vermehrte Harnsäurebildung, -»Gicht u. a.). Er forderte deshalb einen Basenüberschuß (-► basenüber­ schüssige Nahrung) der vorwiegend vegetarisch auszu­ richtenden Nahrung. Bergamotte die, 1) die zu den Rautengewächsen (Rutaceae) gehörende Pomeranzen-Unterart Citrus aurantium bergamia; durch Auspressen der Fruchtscha­ len wird das für die Herstellung von Eau de Cologne und vielen Parfümen wichtige ätherische Bergamottöl gewon­ nen. 2) Birnensorte mit fast kugeligen Früchten, harter Schale, würzigem Fleisch. Bergarbeiter|anämie, die -»Hakenwurmkrank­ heit. Bergkrankheit, die -»Höhenkrankheit. Ernst von Bergmann Bergmann, 1) Ernst von, Chirurg, Vater von 2), * Riga 1836, t Wiesbaden 1907. Mit seinem Namen ver­ bindet sich die allgemeine Anerkennung des Gipsverban­ des und die Verbesserung der Asepsis in der Chirurgie. 2) Gustav von, Internist, Sohn von 1), * Würzburg 1878, t München 1955, Mitbegründer des funktionellen Denkens in der Heilkunde und der psychosomat. Medi­ zin, lieferte grundlegende Forschungen zur Entstehung des Magengeschwürs. ASchwäche

Entstehung von Röstprodukten Röstbitter-Veränderung von Fett und

Karamelbildung

130 120

112 TQO

/

Fortschreitende Dextrinbildung

//

2 1

4

//

/

/

150 140

/

1. / / /

s

(dunkle Dextrine)

Beginnende Dextrinbildung (helle Dextrine)

Wasserdampfbildung

Z2P O>

zao

jo WangeInstitut für Se­

rumforschung und Serumprüfung< mit dem Serolo­ gen P. Ehrlich (* 1854, 1 1915) als erstem Leiter ge­ gründet. 1899 als >Institut für experimentelle Therapie< nach Frankfurt a. M. verlegt, dient es heute als Bundes­ anstalt der staatlichen Prüfung immunbiologischer Pro­ dukte (Heilsera, Impfstoffe, Tuberkuline u. a. Immundiagnostika). Bundesapothekerordnung, Bundesgesetz v. 5. 6. 1968 (mit mehreren Änderungen), regelt Ausbildung, Ap­ probation und die Berufsausübung unter der Bezeich­ nung Apotheker (-»Apotheke). Auf Grundlage der B. ist die Approbationsordnung für Apotheker v. 23.8.1971 er­ gangen. Bundesärzteordnung, seit 1962 geltendes, am 14.10.1977 neu gefaßtes Bundesgesetz; es enthält Bestim­ mungen über die Berufsausübung unter der Bezeichnung -►Arzt, die Zulassung zu diesem Beruf (Approbation) und die vorläufige befristete Berufsausübungserlaubnis für Krankenhausärzte ohne dt. Staatsbürgerschaft sowie über den Erlaß einer Approbationsordnung und einer amtl. Gebührenordnung für Ärzte. Bundesgesundheits|amt, -»Gesundheitswesen. Bundesgesundheitsrat, -»Gesundheitswesen. Bundesknappschaft, -»Sozialversicherung. Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit, -» Gesundheitswesen.

Bundesseuchengesetz, -► Seuchengesetzgebung. Bucky-Blende [n. dem Röntgenologen G. Bucky, * 1880, 11963], für die Röntgendiagnostik wichtige Ein­ Bundessozialhilfegesetz, -» Sozialhilfe. richtung, die durch ein bewegl. Bleiraster die Röntgen­ Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, streustrahlen ausfiltert, so daß nur die Nutzstrahlung den Abk. BfA, -»Sozialversicherung. Röntgenfilm erreicht. Bundesversorgungsgesetz, -»Kriegsopferver­ Buergersche Krankheit [b'a:ga-], Winiwartersorgung, -»Behinderte. Buergersche Krankheit, End|angiitis obliterans, Buphthalmus, Vergrößerung des Augapfels, -»grü­ 1879 von dem österr. Chirurgen A. von Winiwarter (* 1848,1 1917) und 1908 von dem amerikan. Internisten ner Star. L.Buerger(* 1879,1 1943) beschriebene Sonderform ei­ Burkitt-Tumor [b'a:kit-], erstmals 1958 von dem iri­ ner arteriellen Verschlußkrankheit, die als entzündl. Ge­ schen Missionsarzt D. Burkitt (* 1911) bei Kindern im fäßerkrankung im 3. und 4. Lebensjahrzehnt auftritt. Die afrikan. Regenwald beschriebene bösartige Geschwulst, B. K. befällt überwiegend Männer und ist hauptsächlich die meist von Lymphknoten im Kieferbereich ausgeht. an den Arterien der Beine lokalisiert, die Ursache ist noch Der B.-T. wird möglicherweise durch das Epstein-Barrnicht geklärt; eine Zugehörigkeit zum rheumat. Formen­ Virus verursacht. Er spricht gut auf Zytostatika an; eine kreis wird diskutiert. Der krankheitsfördernde (pathoge­ Dauerheilung ist bisher noch nicht gelungen. netische) Einfluß von Nikotin und Kälteschäden ist um­ Bursae synoviales, die -»Schleimbeutel. stritten, wenngleich viele der Kranken Zigarettenraucher Bursitis, die -► Schleimbeutelentzündung. sind. Ein Zusammenhang mit chron. Infekten der oft in Bürstenbad, Halbbad, bei dem die Haut des ganzen Schüben verlaufenden Krankheit ist möglich; bes. häufi­ ges Auftreten bei der Zuckerkrankheit. Das häufigste Körpers außer dem Gesicht, bei den Fußsohlen begin­ Symptom der B. K. sind Schmerzen in der Wade, die nach nend, unter Wasser mit einer Hautbürste oder einem einer bestimmten Gehstrecke von 300—100 m, gelegent­ Schwamm kräftig massiert wird. Die Temperatur des Ba­ lich auch noch kürzer, in Abhängigkeit von Gehtempo dewassers (Füllung der Wanne bis zu Nabelhöhe) soll etwa und Steigung, auftreten und den Kranken zum Stillstehen 35—36°C betragen, also gut körperwarm sein. Durch Ver­ zwingen, woraufhin die Schmerzen schnell nachlassen wendung einer weichen oder harten Hautbürste und (-►Claudicatio intermittens). Herzkranzgefäße und durch mehr oder weniger kräftigen Druck kann die Mas­ Hirnarterien sind im Ggs. zur allgemeinen Arterioskle­ sage der Hautreaktionslage angepaßt werden. Nach dem rose nur selten betroffen. Bürsten muß die Haut gleichmäßig gut gerötet und warm

126

sein. Die Bürstenmassage fördert die Abstoßung und Er­ neuerung der Oberhautschichten, entfernt Schmutzauf­ lagerungen, öffnet und reinigt die Hautporen und regt den Blut- und Lymphumlauf in den Hautgefäßen kräftig an. Der Stoffwechsel der Haut und des ganzen Körpers wird hierdurch belebt (Anwendung als milde Form der Reiz­ körpertherapie). Das B. ist bei vegetativ Labilen wegen der Einwirkung des beim Bürsten in der Haut entstehen­ den -► Histamins mit Vorsicht zu handhaben. Büstenhalter, Kleidungsstück, das der weibl. Brust Halt und Form gibt. Der B. ist großenteils der Mode unter­ worfen und daher in seiner Form häufig abgeändert. Die Stützung der Brust durch unnötiges, frühzeitiges Tragen des B. ist nicht zu empfehlen, weil Erschlaffung und Sen­ kung dadurch gefördert werden. Nützlich dagegen ist ein B. während der Schwangerschaft und Stillzeit; über Hängebrust -► Brustdrüsen. Butter, das aus dem Rahm der Milch abgeschiedene Fett mit Resten von Buttermilch. Beim Butterungsvorgang werden die Fettkügelchen, die in der Milch von einer Hülle von Lipoproteiden umge­ ben sind (Emulsion von Fett in Magermilch), durch Er­ schütterung gesprengt, so daß das Fett zusammentreten kann. Es bilden sich Butterklümpchen, die spezifisch leichter sind als die -»Buttermilch, dadurch abgetrennt werden können und sodann geknetet und gewaschen wer­ den. Die B. stellt nun eine Emulsion von Magermilch in Fett dar. B. wird durch Prüfung nach Geruch, Geschmack, Ge­ füge (Wasserfeinverteilung), Aussehen und Konsistenz bewertet und dementsprechend in die 3 Handelsklassen Marken-, Molkerei-und Koehbutter eingeteilt. Die Quali­ tät der B. wird bestimmt durch den Gesundheitszustand der Kühe, durch das Futter sowie durch die Behandlung der Milch. Bei frischem Grünfutter gelangen höhere Ge­ halte an natürl. Farbstoffen (v. a. -*Karotine) in das Milchfett und geben der B. im Frühjahr eine intensivere gelbe Farbe als während der Zeit der Trockenfütterung, bes. im Winter. B. darf künstlich ausschließlich mit Karo­ tinen gefärbt werden. Durch eine vermehrte Bildung un­ gesättigter Fettsäuren (-»Fette) ist das Butterfett z. B. während der Weidehaltung weicher. Zum Ausgleich jahreszeitl. Schwankungen in der Milchproduktion und aus anderen Gründen werden ständig erhebl. Buttermengen (>Butterbergreine B.< gekennzeichnete B. wird ohne den sonst möglichen Zusatz von Magermilch (bis 15%), Fremdwasser (bis 10%) oder als Trockenmilch hergestellt. B. ist ein hoch­ wertiges Nahrungsmittel und unterscheidet sich von Ma­ germilch durch den Gehalt an Milchsäure (0,7%). Durch diesen liegt das Eiweiß der B. in fein geronnener Form vor, so daß B. bei gestörter Verdauung oft besser vertragen wird als Frischmilch. Buttersäure, unangenehm nach Schweiß riechende Flüssigkeit, die aus Stärke durch Vergärung mit B.-Bakte­ rien (-» Gärung) hergestellt wird; sie findet sich mit Glyze­ rin verestert in der Butter, in freiem Zustand im Sauer­ kraut, bestimmten Käsearten (z. B. Limburger Käse) und im Schweiß. Butterschmalz, -»Butter. Bypass | operatiori [b' aipcus-, engl. bypass >ÜberleitungBaumwollePeruwarzenBergen< und >Vertiefungen< und bes. der >Handlinien< umstritten. Während sich die C. um systematisierende Ausdeutungen bemüht, versteht man unter Chiromantie (Handlese­ kunst) das Wahrsagen aus Formen und Linien der Hand.

Chio Die Chiromantie stammt aus dem Orient, hat im Abend­ land seit der Renaissance einen großen Aufschwung ge­ nommen und wurde durch die Aufklärung auf die Jahr­ märkte verdrängt. Seit Mitte des 19. Jh. bemüht sich die C. um neue, wissenschaftlich gefestigte Erkenntnisse. Chiropraktik, ein von dem amerikan. Laien D. Pal­ mer 1897 entwickeltes Heilverfahren. Nach der Lehre der C. kommt es durch Berufsanstrengungen, Sport, Unfälle, durch willkürl. und v. a. unwillkürliche plötzl. Bewegun­ gen der Wirbelsäule, begünstigt durch Schwäche der Mus­ kulatur, Alter und Erschöpfung, zu Verschiebungen der Wirbel gegeneinander (Subluxation). Die Zwischenwir­ bellöcher können dabei eingeengt, ihr Inhalt, Nervenwurzeln, Blut-und Lymphgefäße zusammengedrückt werden mit der Folge von Entzündungen der Nervenwurzeln, Veränderungen der Nervenfunktion und Schmerzen, spä­ ter auch Störungen in den von den befallenen Wurzeln versorgten Organen; Hexenschuß, Ischialgie, Schulterge­ lenkentzündungen, einschlafende Hände, Druckgefühl in der Brust (Alpdruck), Schwindel und Migräne sind die Symptome. Die C. sucht durch Einrichten (Adjustierung) dieser Subluxationen die Einklemmung im Zwischenwirbelloch zu beseitigen. Die Adjustierung besteht entweder in einer ruckartigen Drehung der Wirbelsäule oder in einem direk­ ten Angreifen am Dornfortsatz des angeblich verrenkten Wirbels. Voraussetzung ist eine möglichst vollkommene Muskelentspannung (Atembehandlung, Massage). Die geglückte Adjustierung wird von einem deutlich hörbaren Knackgeräusch begleitet. Die ursprünglich nur von Lai­ enbehandlern angewendete C. wird heute von der Schul­ medizin anerkannt und, wissenschaftlich untermauert, als ärztl. Chirotherapie ausgeübt. Chirotherapie, wissenschaftl. Lehre, Forschung und Praxis gezielter Handgrifftechniken, die sich auf die Wir­ belsäule beziehen und deren Ausführung speziell ausge­ bildeten Ärzten Vorbehalten sein sollte. Neuerdings wer­ den unter den Begriff der C. auch die Handgrifftechniken an den Extremitätengelenken eingeordnet. So deckt sich der Begriff C. weitgehend mit dem der manuellen Me­ dizin. Chirurg [grch. >HandwerkerLeimKörnchenSektion Graphologiet des Berufs­ verbandes Dt. Psychologen e.V., die auch Prüfungen abhält. Geschichte. Als Begründer der G. gilt, nach vorberei­ tenden Ansätzen im 17. und 18. Jh. (z. B. bei C. Baldi; J. K. Lavater, Physiognomik), der frz. Abbe J. H. Michon (1806—81), von dem auch der Begriff G. stammt; sein Nachfolger J. CrFpieux-Jamin betonte die Mehr­ deutigkeit graph. Zeichen. Ende des vorigen Jh. führten in Dtl. die Mediziner A. Erlenmeyer, G. Meyer und W. Preyer die Forschung weiter. Sie wandten sich v. a. der Physiologie des Schreibvorgangs zu und suchten dieser eine psycholog. Bewegungstheorie zuzuordnen. Einen 273

Albrecht von Graefe

Gras

fafar .AUrf $*74

Graphologie: 1-4 Grundformen der Handschrift (links Typen, rechts Beispiele) 1 Winkel (eckig): willens- und ver­ standesgerichtet. 2 Girlande (kur­ vig): gefühlsbetont, verbindlich. 3 Arkade (bogig): zurückhaltend, verschlossen, förmlich. 4 Faden­ duktus (unbestimmt): anpassungsund wandlungsfähig. 5-8 Ablaufweisen 5 Leichter schwingender Strich mit elast. Druckunterschieden, locke­ rer Weite und rhythm. Verteilung der Schreibantriebe. 6 Zerlöste Bin­ dungsform mit unrhythmisch schwankendem Druckverlauf, un­ harmonisch gesteigerten Ausdeh­ nungen und abgebrochenen Fina­ len. 7 Scharfer Strich, Enge und Wortzerstückelungen weisen auf Hemmungen des natürl. Ablaufs, zu denen die starke Schräglage ausdruckspsychologisch im Wi­ derspruch steht. 8 Gleichblei­ bende Druckspannung, langsames Tempo. 9, 10 Schriftentwicklung Proben des gleichen Schreibers aus dem Alter von 18 und 42 Jahren. Die hochgradige Sensibilität und Stöi barkeit der Jugendjahre ist be­ wältigt in einer geschlossenen Form und zugleich in einer gelockerten und expansiveren Bewegungsweise

L

9

274

(UreifStarglas< ersetzt werden-kann. Da dieses aber wesentlich vergrößert, kann es nur verordnet werden, wenn das andere, nicht-

Groß operierte Auge infolge von g. S. oder aus einem anderen Grund keine brauchbare Sehschärfe mehr hat oder beide Augen operiert sind. Hat das nichtoperierte Auge eine noch leidlich gute Sehschärfe, aber doch nicht eine so gute wie das staroperierte Auge mit Starglas, so ist das nicht­ operierte Auge durch ein Mattglas vom beidäugigen Se­ hen auszuschalten. Zur Gewöhnung an ein Starglas benö­ tigt man eine gewisse Zeit. Zunächst auftretendes Rot­ oder Blausehen verliert sich schnell. Durch Benutzung einer Kontaktlinse kann man bei ein­ seitiger Linsenlosigkeit und noch guter Sehschärfe des nichtoperierten Auges ein beidäugiges Sehen erzielen. Kontaktlinsen können auch bei doppelseitiger Linsen­ losigkeit mit Vorteil getragen werden, wenn eine gewisse manuelle Sicherheit vorhanden ist, doch muß beim Nahe­ sehen dann eine Brille getragen werden. In den letzten Jah­ ren wird zunehmend nach der Operation eine Kunststoff­ linse eingepflanzt (-»intraokulare Linsen). Gravidität, die — Schwangerschaft. Grawitzsche Geschwulst [n. dem Pathologen P. Grawitz, * 1850, 11932], das Hypernephrom (—Nieren­ krebs). Greis, Greisenalter, — Alter. Greisenbogen, Arcus senilis, grauweißer Bogen (Ring) am Rand der Hornhaut des Auges in höherem Al­ ter, der infolge seiner randständigen Lage keine Sehstö­ rung verursacht. Es handelt sich um eine gutartige Verän­ derung, die keiner Behandlung bedarf. Selten finden sich auch bei jüngeren Menschen dem G. ähnliche Verände­ rungen: Arcus lipoides juvenilis, eine ring- oder bogenför­ mige Fettablagerung der Hornhaut, die eine Störung im Fettstoffwechsel anzeigt. Grenzstrahlen, sehr weiche (langwellige), nur an der Oberfläche wirksame Röntgenstrahlen mit einer Wellen­ länge von 0,1—0,2 nm. G. werden bei entzündl. Verände­ rungen der obersten Hautschichten angewendet. Grenzstrang, durch Nervenfasern verbundene Kette von Nervenknoten (Ganglien) des sympath. Nerven­ systems, die sich von der Schädelbasis bis zum letzten Steißbeinwirbel erstreckt und vor der Wirbelsäule liegt. Grillen, Verfahrendes —Garens. Beim G. von Fleisch oder Fleischwaren über offenem Feuer entsteht als Rauchsubstanz durch Verbrennung organischer Materie in geringen Mengen — Benzpyren, das in sehr großen Mengen als krebserzeugend (karzinogen) angesehen wird. Mit Nitridpökelsalz angereicherte Fleischerzeugnisse sol­ len diese Wirkung durch Bildung von krebserzeugenden Nitrosaminen noch verstärken. Um die Entstehung von Benzpyren möglichst gering zu halten, soll das Eintropfen von Fett in die Grillglut und die Verwendung von harzi­ gem Brennmaterial unterbleiben. Bei G. in Elektrogrillge­ räten läßt sich das ohnehin vermeiden, auch durch das Einwickeln des Grillguts in eine Aluminiumfolie. Grimassieren, unabsichtl. Zuckungen und entstel­ lende Verziehung der Gesichtsmuskulatur (leere Mimik); tritt bei organ. Hirnschäden (—Veitstanz) auf, auch als Frühsymptom bei der Schizophrenie. Die Abgrenzung ge­ gen den — Tic ist bisweilen schwierig. Grimmdarm, — Darm. Grind, volkstüml. Bezeichnung für Hautkrankheiten, bei denen die Schuppen- oder Krustenbildung im Vorder­ grund steht, bes. der Milchschorf (—exsudative Diathese) und der — Schorf. G.-Blasen, — Impetigo. Grindeliakraut, die getrockneten, zur Blütezeit ge­ sammelten blühenden Stengelspitzen und Blätter von Grindelia-Arten, Gattung Korbblüter (Compositae), hei­ misch bes. in Nordamerika. Anwendung: Heilpflanzen, ÜBERSICHT.

grippaler Infekt, kurzfristige, fieberhafte Erkran­ kung, bei der wegen des unklaren Erregernachweises keine sichere Diagnose gestellt werden kann. Es handelt sich dabei entweder um nicht gesicherte Erkrankungen ei­ ner Influenza (—Grippe) oder um andere Virusinfektionen; eine >Bakteriengrippe< gibt es nicht. G. I. treten ge­ häuft in den kühleren Jahreszeiten und bei Frühjahrsaus­

!»•

gang auf, wohl teilweise im Zusammenhang mit Erkäl­ tung. Zur Behandlung muß an der Regel festgehalten wer­ den, daß jeder Fiebernde ins Bett gehört; leichte Kost und reichlich Flüssigkeit (Lindenblüten- und andere Tees)! Schwitzpackung, Fieber- und Kopfwehmittel u. a. kön­ nen zwar oft die Fieberzeit verkürzen und wohltuend wir­ ken, aber u.U. das Krankheitsbild verschleiern. Antibio­ tika sollten nicht verabreicht werden. Grippe, Influenza, sehr häufige, akute Viruskrankheit, die meist vereinzelt als Erkrankung kleiner Gruppen auftritt, sich von Zeit zu Zeit aber in Epidemien mit großer Schnelligkeit über weite Gebiete ausbreitet. Die Übertragung des Influenza-Virus (— Influenza-Vi­ ren) findet beim Sprechen, durch Niesen oder Anhusten statt (Tröpfcheninfektion). Das Virus siedelt sich auf der Luftröhren-Schleimhaut an und vermehrt sich dort rasch; von hier aus kann es sich dann im Körper weiter verbrei­ ten. Die Inkubation ist kurz (1—3 Tage); das Virus kann am 1. und 2. Krankheitstag im Rachenspülwasser nachge­ wiesen werden, später nicht mehr. Das Krankheitsbild der einfachen G. zeigt außer rasch einsetzendem, 3—4 Tage anhaltendem Fieber nur katar­ rhal. Zeichen, bes. in Rachen und Luftröhre, oft mit Bell­ husten, dazu Allgemeinbeschwerden wie Kopf-, Kreuzund Gliederschmerzen, Übelkeit, manchmal Durchfall. Gefährlich können Komplikationen werden: Kreislauf­ schwäche, Nerven- und Gehirnhautentzündung, schwe­ rere Durchfälle (Darm-G.), Nebenhöhlen-, Ohr- u. a. Ei­ terungen, bes. aber Lungenentzündungen (G.-Pneumo­ nie). Bei diesen spielen meist Mischinfektionen mit Bakte­ rien eine Rolle, so mit dem Influenzabakterium (Haemo­ philus influencae Pfeiffer), das man früher irrtümlich für den G.-Erreger hielt, mit Strepto-, Pneumo-, in den letz­ ten Jahren bes. mit Staphylokokken. Die Krankheitsdauer schwankt stark, von Tagen bis zu Wochen. Auch bei der einfachen G. wirken noch über ei­ nen längeren Zeitraum hin Begleiterscheinungen nach, wie Mattigkeit, Nervenschmerzen, Herzbeschwerden, Schlaflosigkeit, Kreislauflabilität mit Schwindelanfäl­ len u. a. Behandlung: Es gibt bisher noch kein Mittel gegen die G.-Viren selbst. Sulfonamide und Antibiotika sind bei verschiedenartigen Komplikationen wirksam, z. B. bei der G.-Pneumonie. In neuerer Zeit wird der in der UdSSR entwickelte Wirkstoff Rimantadin (Amantadin) als erstes wirksames Chemotherapeutikum gegen G. (auch vorbeu­ gend) angewendet; es ist allerdings nicht frei von Neben­ wirkungen (Konzentrationsschwäche, Schlaflosigkeit). Grundsätzlich ist bei jedem Verdacht auf echte G.-Er­ krankung der Arzt zu rufen! Bettruhe, frische Obstsäfte; auf regelmäßige Stuhlentleerung achten. Die Vorbeugung sollte bei grippegefährdeten, bes. älte­ ren Menschen durch Schutzimpfung erfolgen. Die heute erhältl. Adsorbatimpfstoffe enthalten die Virusantigene der häufigsten G.-Formen. Tritt die Erkrankung dennoch auf, verläuft sie in abgeschwächter Form. Die Schutzwir­ kung der Impfstoffe hält aber nicht lange an, alljährl. Wiederholung wird angeraten. Wichtig ist das richtige Verhalten jedes Einzelnen zu G.-Zeiten: Vermeidung größerer Menschenansammlun­ gen, bes. in geschlossenen Räumen; Benutzung von Weg­ werftaschentüchern, viel Aufenthalt in frischer Luft. Im20. Jh. ereignete sich 1918/ 19die bislanggrößte von Spanien ausgehende Pandemie, die mehr als 20 Mio. To­ desopfer forderte, die zweite, aber weniger heftige Pande­ mie ging 1957 von China aus (Asiatische Grippe). 1962 und 1963 folgten 2 weitere Pandemien, denen bevorzugt ältere Menschen zum Opfer fielen. 1968 wurde ein G.Ausbruch gemeldet, der sich rasch über die ganze Welt ausbreitete. Größenwahn, Megalomanie, i. e. S. ein Krank­ heitszeichen, das im Verlauf der -»Schizophrenie oder -►Paralyse vorkommt. Der Paralytiker erhebt alles ins Große: Er ist Millionär, er hat die schönste Frau, er ist der klügste Mensch u. a. Volkstümlich wird auch das gestei­ gerte Selbstbewußtsein mancher hypoman., hyperthy275

Groß

Louis Grote

mer, geltungsbedürftiger Persönlichkeiten (-»Hyperthymie, -* Hypomanie) als G. bezeichnet. (-»Wahn) Großraumbüro, hallen- oder saalartiger Raum mit besonderen Anforderungen an Klimatisierung und Schalldämpfung, in dem Bürofach- und -hilfskräfte ihre Arbeiten in räuml. Gemeinsamkeit verrichten. Sie vollzie­ hen sich im G. unter einer für alle sichtbaren Kooperation und Kontrolle. Von den in einem solchen G. Tätigen wird die ständige (erzwungene) Gemeinschaftsarbeit häufig als ungünstig empfunden, da diese Organisationsform trotz Abgrenzungsbemühungen (halbhohe Trennwände, Blu­ men, Schränke) keine persönl. Sphäre ermöglicht. Be­ triebe mit G. beobachten häufiger einen Arbeitsplatz­ wechsel als sonst üblich und auch vermehrte Fehlzeiten. Grote, Louis, Internist, * Bremen 1886, fSiensbach (Kreis Emmendingen) 1960, Prof, in Halle, dann Chef­ arzt in verschiedenen Krankenhäusern, zuletzt des Sana­ toriums Glotterbad bei Freiburg i. Br.; G. setzte sich mit Fragen der Abhängigkeit der Krankheiten von Konstitu­ tion und Ernährung auseinander und trug wesentlich zur krit. Wertung und Abgrenzung der naturheilkundl. Me­ thode bei. Grubenwurmkrankheit, Grubenkrankheit, die -» Hakenwurmkrankheit. Gruber-Widal-Reaktion [n. dem Hygieniker M. Ritter v. Gruber, * 1853,1 1927, und dem Bakteriologen F. Widal, * 1862, f 1929], -»Agglutination. Grund umsatz, Abk. GU, Basalumsatz, Rück­ umsatz, der Energieumsatz beim ruhenden und nüchter­

nen Menschen; er wird ausgedrückt und gemessen in Wär­ memengen (Joule/Kalorien). Die G.-Bestimmung dient als Hilfsmittel zur Erkennung krankhafter Stoffwechsel­ zustände. Mit einem G.-Gerät werden der eingeatmete Sauerstoff und das ausgeatmete Kohlendioxid gemessen und hieraus der Energieumsatz errechnet. Der G. ist z. B. erhöht (d. h. der Stoffwechsel ist gesteigert) bei der Basedowschen Krankheit; er ist erniedrigt beim Myx­ ödem. DieG.-Bestimmung ist heute weitgehend durch nuklearmedizin. Methoden ersetzt. grüner Star, Glaukom, Glaucoma, Sammelbe­ griff der Augenheilkunde für alle Augenerkrankungen mit zeitweise oder dauernd über 26 mm Hg erhöhtem Au­ geninnendruck. Jedes Auge hat einen bestimmten Innen­ druck, der mit dem Tonometer gemessen werden kann. Geringe kurzdauernde Drucksteigerung verträgt das Auge ohne Schaden, eine langdauernde oder starke Stei­ gerung schädigt aber die Netzhaut und bes. den Sehnerv; sie kann zur Sehverschlechterung bis zur völligen Erblin­ dung führen. Die Steigerung des Augeninnendrucks ist möglich durch eine vermehrte Kammerwasserabsonderung, ist i. d. R. aber Folge eines gehemmten Abflusses. Ist dieser durch andere Augenerkrankungen bedingt, spricht man von einem Sekundärglaukom, dessen häufigste Ursachen sind Verlagerung der Linse in den Glaskörper oder die vordere Augenkammer, Regenbogenhautentzündung, Geschwülste am Auge, Blutung im Augeninnern, Verlet­ zungsfolgen. Die Behandlung des Sekundärglaukoms richtet sich nach dem Grundleiden und gehört immer in die Hand des Augenarztes; zuweilen ist eine Operation erforderlich. Das Primärglaukom entsteht ohne vorangegangene Augenerkrankung i. d. R. erst vom 5. Lebensjahrzehnt an, häufig an beiden Augen. Die Drucksteigerung kann langsam oder plötzlich auftreten. Im 1. Fall spricht man von einfachem chron. g. S., im 2. von Glaukomanfall (Engwinkelglaukom). Das Primärglaukom macht im An­ fang keine Beschwerden; manche Menschen bemerken abends im Dunkeln beim Blick in eine Lampe Regenbo­ genfarben, bis eines Tages die allmählich eingetretene Herabsetzung der Sehschärfe bemerkt wird. Diese Seh­ verschlechterung kommt dadurch zustande, daß der Überdruck im Auge den Sehnervenkopf als weichste Stelle in der Augenwand aushöhlt (Exkavation mit glaukomatöser Sehnervatrophie), und damit die Lichtein­ drücke nicht mehr voll zum Gehirn weitergeleitet werden können. Die Überprüfung des -► Gesichtsfelds ergibt eine 276

Einengung zur Nasenseite hin. Die Prüfung des Augen­ innendrucks (Tonometrie), ggf. auch eine Gesichtsfeld­ überprüfung, sollten deshalb bei jeder Brillenbestim­ mung vom Augenarzt mit durchgeführt werden. Bei der Behandlung des Primärglaukoms wird der Arzt zunächst versuchen, mit augendrucksenkenden Tropfen und Salben auszukommen; bringt dieser Versuch keinen Erfolg, was nur selten der Fall ist, muß operiert werden. Der (ziemlich seltene) Glaukomanfall beginnt plötzlich mit starken Kopfschmerzen über dem erkrankten Auge, die sich nach der Schläfe und Backe hinziehen und sich bis zur Unerträglichkeit steigern, häufig sogar zum Erbre­ chen führen können. Das Auge sieht durch eine starke Blut fülle äußerlich bläulich-rot aus, die sonst klare Horn­ haut ist stumpf und trüb, die Pupille ist weit, lichtstarr, und das Sehvermögen ist erheblich herabgesetzt. Der Au­ gendruck ist so weit gesteigert, daß das Auge Steinhart ist, was sich bereits mit der vorsichtig tastenden Fingerkuppe fühlen läßt. Der Anfall kann abklingen und in Intervallen unterschiedlich stark wieder auftreten. Da der hohe Druck nur kurze Zeit, häufig nur Stunden, von dem Auge ertragen werden kann, ohne schwerste Schädigung des Sehvermögens zu hinterlassen, muß der Kranke schon bei Verdacht auf dem schnellsten Weg den nächsten Augen­ arzt aufsuchen. Behandlung: Beim Glaukomanfall wird man zu­ nächst versuchen, den Augendruck durch Arzneimittel (z. B. Pilocarpin) stark zu senken, wenn der Befund nicht die sofortige Operation erfordert. Nach Beseitigung des Anfalls sind regelmäßig Druckkontrollen durchzufüh­ ren, um Rückfälle schnell zu erkennen, ebenso sind wie beim chronischen g. S. Kontrollen des Gesichtsfelds und der Sehnerven immer wieder erforderlich. Auch bei Säuglingen und Kleinstkindern kann g. S. auf­ treten, wenn auch aus anderen Ursachen und unter einem anderen Erscheinungsbild. Infolge der in diesem Alter noch bestehenden wenig festen Augen wand kommt es zu einer Dehnung des gesamten Augapfels (Buphthalmus, Ochsenauge, Hydrophthalmus), so daß das Auge abnorm groß wird. Die Ursache der Drucksteigerung ist eine ange­ borene Mißbildung. Die Krankheit tritt meist doppelseitig auf, wenn auch nicht immer gleichmäßig stark. Das Seh­ vermögen ist durch diese Erkrankung in hohem Grad ge­ fährdet, möglichst frühzeitige ärztl. Behandlung ist erfor­ derlich. Die in letzter Zeit durchgeführten Versuche, durch -»Akupunktur den Augendruck zu senken, sind nicht überzeugend und werden von der wissenschaftl. Augen­ heilkunde wegen der damit verbundenen Gefahren in­ folge verzögerten Einsatzes der bewährten Therapie abge­ lehnt. Das gleiche gilt für die -► Neuraltherapie des g. S. Grünholzbruch, ein unvollständiger -»Knochen­ bruch bei Kindern und Jugendlichen. Gruppendynamik, Teilgebiet der Sozialpsycholo­ gie, das sich mit den psychologisch erfaßbaren dynam. Kräften und den wechselseitigen Einflüssen zwischen den Mitgliedern einer überschaubaren Gruppe (Familie, Ar­ beitsteam, Schulklasse, Verein) beschäftigt (Gruppen­ psychologie), auch die hier wirkenden Kräfte und Pro­ zesse selbst; daneben werden als G. die verschiedenen Me­ thoden und Techniken bezeichnet, die im pädagog. (Gruppenpädagogik) wie therapeut. Rahmen (Gruppen­ therapie) der Verbesserung des Selbst- und Fremdver­ ständnisses, der sozialen Beziehungen sowie der Kommu­ nikation und Kooperation dienen. Gruppensex, Geschlechtsverkehr unter mindestens 3 (Triole) oder mehr Personen. Heute hauptsächlich als Partnertausch unter 2 und mehr (Ehe-)Paaren. Früher kultische Erscheinungsform zu besonderen Festen (Bac­ chanale, Orgien). G. kann als Verstoß gegen den An­ spruch sexueller Intimität und personaler Ausschließlich­ keit gedeutet werden, ist aber in der Bundesrep. Dtl. nicht strafbar. Gruppentherapie, Psychotherapeut. Behandlung innerhalb einer Gruppe, entstanden aus der Erkenntnis, daß der Mensch als Gemeinschaftswesen durch Gebor­ genheitsgefühl im Kreis Gleichgesinnter von gleichen Lei-

Guss den Betroffener sich leichterlösen und mitteilen kann. Die G. wird schon seit Jahrzehnten in der Psychiatrie und klin. Psychologie als wirksame Heilmaßnahme vorwiegend durch gemeinsame Aussprachen geübt, heute auch mit Kontakten bis zur körperl. Berührung. Unter dem Ein­ fluß der -»Gruppendynamik werden persönl. Konflikte, die mit sozialen Beziehungen in Zusammenhang stehen, bewußt gemacht, bes. durch deren schauspielerische Dar­ stellung mit Hilfe des Psychodramas; spezielle Fälle sind die Familien- und Ehepaartherapie. G. kann auch Teil -»autogenen Trainings sein oder Begegnungshilfe (Encounter-Gruppen) mit Sensitivitätstraining. Auch -»Selbsthilfegruppen haben sich praktisch bewährt, z. B. bei Alkoholismus. Grützbeutel, das -»Atherom. Guineawurm [gi-], der -»Medinawurm. Gumma, Gummigeschwulst, geschwulstähnl. Er­ scheinungsform, eine in allen Geweben vorkommende Granulationsgeschwulst mit Neigung zum Zerfall; ein heute seltener Befund, der früher häufig im 3. Stadium der -»Syphilis beobachtet wurde. Gummistrumpf, elast., eng anschließender Strumpf aus Gummigewebe, der bei Krampfadern und damit zu­ sammenhängenden Beinleiden im Zusammenwirken mit der Muskelarbeit durch elast. Druckregulierung die Be­ schwerden vermindert und dem Fortschreiten der Erkran­ kung vorbeugt. Gundu, seltene Tropenkrankheit, die mit allmähl. bauchiger Verdickung der Nasenwurzelknochen beider­ seits der Nase bis zu Faustgroße einhergeht und so zur Ent­ stellung, zu Nasen- und Augenstörungen führen kann. Die Ursache ist ungeklärt; keine spezif. Behandlungs­ möglichkeit. Gunnsches Phänomen [g' An-, n. dem brit. Augen­ arzt R. M. Gunn, * 1850, 11909], Kreuzungsphäno­ men, Befund am Augenhintergrund bei Hochdruck­ krankheit. Arterien und Venen sind prall gefüllt. Die Ar­ terien zeigen bei der Untersuchung des Augenhinter­ grunds kupferfarbene Reflexe (Kupferdrahtarterien). An den Kreuzungsstellen von Arterien und Venen erscheinen die Venen verdünnt oder getrennt. Das Phänomen ist durch den erhöhten Druck in den Arterien des Augenhin­ tergrunds bedingt. Gurgel, volkstüml. Bezeichnung für den vorderen, den Schlundkopf und den Kehlkopf enthaltenen Teil des Halses; meist auf Tiere bezogen. Gurgeln, Ausatmungsbewegung, wenn die Mund­ höhle Flüssigkeit enthält; durch die zwischen Zungen­ grund und weichem Gaumen festgehaltene Flüssigkeit tritt die Luft in Blasen hindurch und besorgt eine Durch­ mischung der Flüssigkeit. Der vordere Rachenring wird auf diese Weise kräftig bespült. Nur in seltenen Fällen kommt es dabei auch zu einer Benetzung der Gaumen­ mandeln. Lutschtabletten, Bonbonsund Kaugummi kön­ nen den gleichen Effekt haben, der aber im ganzen als ge­ ring anzusehen ist. Zum G. nimmt man z. B. lauwarmen Kamillen- oder Salbeitee; in besonderen Krankheitsfällen können vom Arzt auch stärker wirkende Gurgelwässer oder Spezialpräparate verschrieben werden. Gurke, Kukumer, Cucumis sativus, zu den Kür­ bisgewächsen (Cucurbitaceae) gehörende, wärmelieben­ de, frostempfindl. einjährige Gemüse- und Salatpflanze mit gelben männl, und weibl. Blüten; die Frucht ist eine vielsamige Großbeere (Bild Gemüse). Einlege-G. sind kleinfrüchtig, Salat-G. großfrüchtig und Schäl- und Senf-G. bes. großfrüchtig. Manche Salat-G. gedeihen nur im Gewächshaus (Schlangen-G.). — Der Genuß der G. roh mit oder ohne Schale, meist als Salat zubereitet, för­ dert die Harnausscheidung und gilt als blutreinigend. Äu­ ßerlich wirken Saft und Fleisch der frischen G. auf die Haut weichmachend, zusammenziehend und bleichend. >Gurkenmilch< ist ein mildes und schonendes Mittel zur gründl. Reinigung empfindlicher Haut. Gurkenschalen, in Streifen geschnitten, ergeben eine Gesichtsmaske, wel­ che der Haut Flüssigkeit zuführt (Anwendung 20 Min.). Der Gurkensamen enthält ein fettes öl (Oleum Cucumis sativi); es soll die Haut glätten und frisch erhalten.

Gürtelrose, Herpes zoster, Zoster, gürtelför­

mige, auf das Versorgungsgebiet eines Spinalnervs be­ schränkte Hauterkrankung, diedurch ein neurotropes Vi­ rus hervorgerufen wird. Nach einem 2—3 Tage anhalten­ den Vorstadium mit allgemeinem Krankheitsgefühl (Mü­ digkeit, Abgeschlagensein, Temperaturanstieg) kommt es unter starken Schmerzen zu einer umschriebenen Rö­ tung und Schwellung der Haut und zum Aufschießen klei­ ner Bläschen. Die Bläschen folgen dem Ausbreitungsge­ biet der Nerven in segmentärer Anordnung. Die G. kommt nicht nur am Rumpf (Gürtelgegend) vor, sondern auch an anderen Körperstellen (Gesichtshälfte, Ober­ schenkel u. a.). Wichtig für die Erkennung der G. bleibt die streng halbseitige Anordnung und die gruppierte Bläs­ chenbildung auf gerötetem Grund. Die Lymphknoten der erkrankten Seite sind meist angeschwollen und auf Druck schmerzhaft. Unter allmähl. Eintrocknen der Bläschen heilt die Erkrankung im allgemeinen innerhalb von 2—3 Wochen ab. (Bild Hautkrankheiten) In manchen Fällen verfärbt sich der zunächst klare Bläscheninhalt durch Blutbeimengung braunrot oder schwärzlich, ohne daß sich dadurch am Krankheitsver­ lauf etwas ändert. Nur selten kommt es zu einem eitrigen Zerfall der Bläschen mit nachfolgender Bildung von fla­ chen Geschwürchen. Im letzteren Fall verzögert sich die Abheilung, und es bleiben feine Narben zurück. Behandlung: Schmerzmittel, Vitamin B als Injek­ tionsbehandlung. Beim ersten Auftreten der Bläschen örtl. Chemotherapie mit Spezialpräparaten. Die neuer­ dings bei G. vorgeschlagene Pockenimpfung wird wegen der damit verbundenen Gefahren von Schulmedizin. Seite abgelehnt. Gurtpflicht, -»Kraftfahrzeug. Güsse, wichtigste Form der Wasseranwendungen nach S. Kneipp (-»Kneippkur), deren Ausführung sich nach dem Funktionszustand des Kreislaufs und der Reak­ tionsfähigkeit des Organismus richtet. Die einfachen G.

Güsse: Armguß

werden mit naturkaltem Wasser ausgeführt, man verwen­ det einen Gießschlauch von 20 mm Durchmesser und etwa 2 m Länge. Das Wasser wird aus geringer Entfernung mit einem drucklosen Strahl in langsamer, ruhiger, aber steti­ ger Linienführung über den zu behandelnden Körper­ teil geleitet. Das abfließende Wasser soll den behandel­ ten Teil gleichsam mit einem Wassermantel einhüllen. Die mittlere Dauer eines G. beträgt etwa 1 Minute, dabei ist auf eine ruhige, tiefe und gleichmäßige Atmung zu achten. Allgemeine Regeln. 1) Keine G. bei fröstelndem Körper oder kalten Füßen. Vorher Erwärmung durch Bettruhe oder kräftige Bewegungen. 2) Keine G. bei vol­ lem Magen, am besten 1 1 /2 Stunden nach dem Frühstück. 3) Anwendungen stets im warmen Raum, ohne Zugluft. 4) Gießrichtung herzwärts; die erwünschte Reaktion ist eine deutl. Hautrötung. 5) Nicht abtrocknen. 6) Sofort

277

Gutt nach dem G. warme, trockene und saubere Wäsche anzie­ hen, bes. warme Strümpfe. 7) Für gründl. längerdauernde Nacherwärmung sorgen, am besten im Bett. Formen der G. Knie-G., Schenkel-G., Unter-G. (Unterkörper, bes. Kreuz und Lendengegend bis zum Rip­ penbogen), Arm-G., Ober-G. (Oberkörper unter Ein­ schluß von Brust, Hals, Armen und dem oberen Rücken­ teil), Rücken-G. und Voll-G. (als stärkste Belastung für Gesunde zur Vollabhärtung, Kranke sollten vor dieser Anwendung durch Teilgießungen vorbereitet werden). Beim Blitz-G. (Bild Kneippkur) kommt zum therm. noch der mechan. Reiz, hierbei soll der Druck 1—3 bar, die Ent­ fernung mindestens 3 m betragen. Jeder G. kann auch als Wechsel-G. ausgeführt werden (Wassertemperatur 38—42 °C und 12—15 °C in ein- oder zweimaligem Wech­ sel). Man beginnt hierbei mit heißer und endet mit kalter Gießung. Die Wirkung der Wechsel-G. ist im wesentl. die gleiche wie beim einfachen kalten G. Die einfachen kalten G. finden bei fast allen leichten und funktionell bedingten Krankheitszuständen Anwen­ dung, bes. dann, wenn eine allgemeine Kräftigung er­ reicht werden soll; nicht bei Fieber. Gutta, Tropfen, auch tropfenähnl. Fleck; Farbverän­ derung der Haut. Gymnastik, beliebte Form der Leibeserziehung v. a. für Frauen und Mädchen (für Männer mehr im Rahmen der -» Rehabilitation), welche die Schulung der Bewegung durch Entwicklung, Steigerung und Erhaltung der Kör­ perkräfte zur Aufgabe hat. In der G. werden grundle­ gende körperl. Eigenschaften (z. B. Muskelkraft, Beweg­ lichkeit, Lockerheit) und allgemein koordinierte Bewe­ gungsformen durch Gehen, Laufen, Hüpfen, Federn, Springen und Schwingen in harmonisch gestalteten Bewe­ gungsabläufen einzeln und in Gruppen entwickelt. Haltungs- und Bewegungsübungen, auch Dehnlagen sollen die Atmung fördern und die Organe kräftigen. Bodengymnast. Übungen sind z. B. >Radfahren< in der Kerze, Beugestellungen, Spagat, geschmeidiges Hinlegen und Aufrichten, Übungen mit Handgeräten, Schwingen mit Reifen und Keulen, Springen mit dem Sprungseil. Die ein­ zelnen Übungen können durch Stampfen, Klatschen, Tamburin oder Musik rhythmisch unterstützt werden. Die funktionelle G. will als Entspannungs-G. oder Ausgleichs-G. durch vorbeugende und aufbauende Übungen Zivilisationsschäden verhindern oder beheben. Orthopäd., Atem- oder Kranken-G. sind unter ärztl. Kontrolle stehende Sonderformen. DieTrainings-G. dient der Vor­ bereitung auf verschiedene Wettkampfsportarten auch der Männer. Zur G. am Arbeitsplatz, wie in Japan weit verbreitet, rechnet die Bürogymnastik, welche durch ge­ zielte Übungen die Verspannung der beim Schreibtisch­ arbeiter bes. benachteiligten Kopf-, Schulter- und Rükkenmuskulatur bessern und ausgleichen soll. Die rhythmische G. hat zum Zweck, den Menschen durch gesetzmäßige Abläufe von Bewegung und Aus­ druck zu einem eigenrhythm. Bewegungsleben zu führen (Heileurhythmie der -»anthroposophischen Medizin). Ausgehend von der funktionellen G., beeinflußt von der künstler. und Ausdrucks-G., übt sie in Verbindung mit eiGymnastik: Bürogymnastik. Entspannungsübungen am Schreib­ tisch; I Beide Ellbogen fest auf die Schreibtischplatte und Stirn in die Hände stützen. Die Muskeln zwischen den Schulterblättern an­ spannen, etwa 3-5 Sek. lang, dann entspannen. Übung mehrmals wiederholen, anschließend locker mit den Schultern kreisen. 2 Un­ terarme entspannt auf die Schreibtischplatte legen, Wirbelsäule locker rund herausdrücken und wieder einziehen (mehrmals wie­ derholen). Zwischen diesen Übungen Kopf leicht nach rechts und links >rollenWissenschaft von den Leibesübungent. Die gymna­ stischen Übungen begannen im frühen Knabenalter. J. C.

Haar F. Gutsmuths schuf mit seinem Werk >G. für die Jugendr (1793) das erste grundlegende System für die heutige G. Die rhythm. G. entstand um 1900, als Bess Mensen­ dieck mit Beziehung auf die anatom. Voraussetzungen diefunktionelleG.einleitete. E. J. Dalcrozebegründete 1911 die Gymnastikschule Dresden-Hellerau, die als erste eine künstler. G. erstrebte. R. Bode, der Schöpfer der Ausdrucks-G., wurde der eigtl. geistige Vater der rhythm. G. Unter Hinzunahme von Handgeräten schuf H. Medau die heutige Form der dt. G. Die tänzer. G. geht auf Elizabeth und Isadora Duncan zurück und wurde in der Bundesrep. Dtl. von R. von Laban und Mary Wigman vertreten.

Gynäkologie, die -» Frauenheilkunde.

Gynäkomastie, die ein- oder doppelseitige Entwick­ lung des normalerweise nur rudimentär vorhandenen Brust-(Mamma-)Gewebes zum tastbaren Drüsenkörper beim Mann; tritt vorübergehend in der Pubertät bei etwa 50% der männl. Heranwachsenden auf, beim Erwachse­ nen als hormonal bedingte Erkrankung, auch nach Hor­ mongaben (z. B. bei Vorsteherdrüsenkrebs). In seltenen Fällen kann es auch zu einer bösartigen Entartung kom­ men. Bei der Pseudo-G. kommt es zu einer äußerl. Ver­ größerung der Brust durch Fettansammlung bei starker Fettsucht.

H Haarausfall, Alopecia, Alopezie, Haarkrank­ heit, die angeboren als eigenes Krankheitsbild oder bei Haut- und Allgemeinkrankheiten als Begleiterscheinung vorkommt. 1) Die sehr seltene angeborene Kahlheit betrifft entwe­ der nur umschriebene Stellen des Kopfs oder die ganze Körperoberfläche. 2) Der normale allgemeine H. und auch der vorzeitige H. (häufig schon vom 20. Lebensjahr ab) gelten nicht als krankhaft. Die Kopfhaare fallen stärker aus, sie werden nicht mehr so lang, sind dünner und glanzlos. Bei Män­ nern kann die Stirnhaargrenze stark zurückweichen, es bilden sich >eine hohe StirnGeheimratseckenc Der H. kann auch am stärksten in der Gegend des Kopfwirbels ausgeprägt sein; es wachsen dann hier nur noch Wollhaare nach, nach deren Ausfall die Kopfhaut haarlos, glatt und weiß wird (Glatze). Auch Frauen kön­ nen starken H. haben; aber der allgemeine H. ist bei Frauen doch seltener, und eine richtige Glatzenbildung findet man bei ihnen überhaupt nicht. Bei Frauen entsteht Kahlköpfigkeit nur infolge von kreisförmigem H. Ursachen. Der Unterschied im H. bei Mann und Frau weist auf die Bedeutung innersekretor. Vorgänge für das Entstehen von H. hin. Förderlich für den allgemeinen H. ist die kleienförmige Schuppenbildung der Kopfhaut. Dieser Zustand ist auf eine trockene Seborrhö zurückzu­ führen. In anderen Fällen, v. a. bei Frauen, ist das Haar fettiger, schon wenige Tage nach dem Haarwaschen sind die Haare wieder strähnig und kleben aneinander (fettige Seborrhö). Weiter kann eine Ernährungsstörung im Be­ reich der Haarwurzeln zu H. führen. Schließlich kann der vorzeitige H. auch konstitutionell bedingt sein, er ist dann einer Behandlung schwer zugänglich. Die Behandlung des vorzeitigen H. muß in einer sorg­ samen und schonenden -» Haarpflege bestehen; über die Behandlung der Schuppenbildung -♦ Seborrhö. 3) Eine besondere Art des H. ist der kreisförmige H. (Alopecia areata). Ohne irgendwelche Beschwerden und ohne Veränderungen der Kopfhaut fallen die Haare in scharf umschriebenen rundl. Bezirken ganz plötzlich aus oder werden so locker, daß sie sich ohne Schmerzen bü­ schelweise ausziehen lassen. Die Herde können sich randwärts weiter ausbreiten und so verschieden geformte und große, völlig haarlose Flächen bilden. So kann es nicht nur zu völliger Kahlköpfigkeit kommen, sondern es können in gleicher Art alle Körperhaare (Augenbrauen, Wimpern,

Achsel- und Schamhaare) ergriffen werden. Meist wach­ sen die Haare nach monatelanger Kahlheit wieder nach, gelegentlich erst pigmentlos (weiß), später aber wieder in ursprüngl. Farbe. Am häufigsten erkranken Personen zwischen dem 15. und 30. Lebensjahr, Männer überwie­ gen. Für den kreisförmigen H. scheinen trophoneurot. Störungen (durch nervöse Einflüsse bedingte schlechte Ernährungslage der Haarwurzeln), innersekretor. Verän­ derungen oder unbekannte Erreger (H. nach Infektions­ krankheiten) die Ursache zu sein, ohne daß bisher sichere Beweise erbracht werden konnten. 4) Syinptomat. H. findet sich bei anderen Erkrankun­ gen der Kopfhaut, bes. bei Erbgrind, Hautpilzkrankhei­ ten, Hauttuberkulose, Wundrose, Furunkeln und man­ chen Geschwüren; ferner bei Syphilis (Alopecia specifica; kleine, rundl. oder etwas unregelmäßig geformte, haar­ arme Herde). — Als Anzeichen innerer Krankheiten kommt H. vor bei -»Hyperthyreose, Typhus, schwerer Grippe, Scharlach, sept. Prozessen, Lungentuberkulose, chron. Quecksilber- und Arsenvergiftung sowie bei der Therapie mit Zytostatika zur Hemmung des Wachstums bösartiger Geschwülste. Eine wichtige Ursache können kosmet. Behandlungen darstellen (Blondieren, Kaltwelle, Färben u. a.). Auch schlechte Ernährung und Entkräf­ tung kann H. zur Folge haben. Die Behandlung muß sich zunächst gegen das Grund­ leiden richten. Sie bezweckt eine kräftige Anregung der Blut- und Lymphzirkulation der erkrankten Bezirke durch Einreiben mit medikamentösem Haarspiritus oder Tinkturen, bei der hormonal bedingten (androgenet.) Alopezie mit östrogenhaltigem Spiritus; bei Alopecia are­ ata Versuch mit Corticosteroiden unter ärztl. Kontrolle. Haarbalgmilben, Demodicidae, kleine Milben von atyp. Gestalt mit wurmförmig verlängertem Hinter­ leib mit Querringelung und 4 Paaren stummelförmiger Beine. H. leben in den Haarbälgen und Talgdrüsen des Menschen (z. B. Demodex folliculorum, 0,3-0,4 mm lang), gewöhnlich ohne krankhafte Nebenerscheinungen auszulösen. Im Haarbalg von verschiedenen Säugetieren (z. B. Hund, Katze, Pferd, Rind, Schaf, Ziege) sind sie Ur­ sache der Demodexräude. Haare, fadenförmige Horngebilde, die in der äußeren Haut wurzeln und sich aus verhornenden Zellen der Ober­ haut (Epidermis) aufbauen. (Bild Haut) Die Behaarung des Neugeborenen besteht zunächst nur aus Flaumhaar, ein wenig gefärbtes Primärhaar; diesem 279

Haarausfall: kreisförmiger H.

Haarbalgmilhen

Haar folgt ab 6. Lebensmonat das Wollhaar (Lanugo). An seine Stelle tritt später das Dauer-H., zuerst das dünnere und weichere Kinder-H., auf Kopf, Brauen und Wimpern be­ schränkt; dann nach der Geschlechtsreife das End-H. Beim End-H. (Terminal-H.) unterscheidet man Lang-, Borsten- und Woll-H. Lang-H. kommen beim Menschen nur am Kopf, in der Achselhöhle, als Barthaar, Schambe­ haarung und bei Männern auf der Brust vor. Augen­ brauen, Wimpern, Nasen- und Ohren-H. sind kurze starre Borsten-H. Der übrige Körper ist mit Woll-H. be­ deckt. Frei von H. sind nur die Hohlhand und die Fuß­ sohle.

Haargefäße: Haargefäß mit Hüllzellen zwischen der kleinsten zuführenden Arterie und abführen­ den Vene (stark vergrö­ ßert); rechts Haargefäßnetz zwischen der zuführen­ den Arterie und der ab­ führenden Vene aus der Hirnrinde des Men­ schen (etwas verein­ facht, schwach vergrö­ ßert) links

mit Hullzellen

Das Wachstum der H. erfolgt nur an der Wurzel: Von der H.-Zwiebel aus entstehen junge verhornte Zellen, die nach oben allmählich zu Markzellen, Rindenfasern und Oberhautschüppchen werden. Der schon fertige Schaft wird so immer mehr nach außen geschoben. Das Wachs­ tum ist beschränkt, auch die Lebensdauer eines H. ist ver­ hältnismäßig kurz (Wimpern etwa 6 Monate, Kopf-H. '/2—6 Jahre). Das tägl. Wachstum des Haupt-H. beträgt etwa0,2—0,3 mm. Der normale H.-Ausfall beim Kopf-H. beläuft sich im Normalfall auf täglich durchschnittlich 40 H. Dieser natürl. H.-Wechsel findet beim Menschen fort­ während und unmerklich statt. Die H.-Farbe schwankt von weißl. Gelb über Braun bis Schwarzbraun und von weißl. Silbergrau über Dunkel­ grau zu Schwarz; sie wird bestimmt durch Einlagerung von Pigmentkörperchen (Melanin) in die Rindenschicht der H. Das echte Rot kommt bei allen Rassen vor. Eine be­ kannte Erscheinung ist das Nachdunkeln der H.-Farbe während der Pubertät, das auf Einflüsse der inneren Sekretion hinweist. Das Ergrauen der H. beruht auf dem Verschwinden des Farbstoffs aus dem H., da beim alternden Menschen nicht mehr genügend Pigment gebildet wird. Zwischen und in den Zellen des H. entstehen im Alter noch kleine Luftbläschen, die den Glanz des weißen H. hervorrufen. In man­ chen Familien ist frühes Ergrauen erblich. Bei seel. Er­ schütterungen und bei Krankheiten kann das H. in weni­ gen Tagen ergrauen (weiß werden). — Angeborener Farb­ stoffmangel der H. findet sich beim -»Albinismus. Bei Schwund des Hauptpigments (-» Vitiligo) büßen gewöhn­ lich auch die H. an diesen Stellen ihr Pigment ein. So ent­ stehen einzelne weiße H.-Büschel. Eine medizin. Beeinflussung des Pigmentmangels ist nicht möglich, die >Behandlung< kann nur im -» Haarfär­ ben bestehen. Über Ausfallen der H. -»Haarausfall, H.-Entfernung -►Enthaarung, Krankheiten der H. -»Haarkrankheiten, Pflege des H. -»Haarpflege. Haarfärben. Zum H. werden chemisch verschieden­ artig zusammengesetzte Farbstoffe verwendet, die von den vorher entfetteten Haaren gut aufgenommen werden. Es handelte sich früher z.T. um pflanzl. Farbstoffe (Rot­ färbung durch Henna, Blau-/Schwarzfärbung durch Reng, ein Pulver aus den getrockneten Blättern indigolie­ fernder Pflanzen), z.T. um metail. (Silber-, Kupfer-, Wis­ mutverbindungen), z.T. um Anilinfarben (Aureol, Eugatol, Primal). Heute werden fast ausschließlich Oxida­ 280

tionshaarfarben angewendet, meist in Form von Lösun­ gen, Cremes oder Haarwaschmitteln, auch mit Zusatz von Farbstoffen, opt. Aufhellern oder Lichtschutzstof­ fen . Beim H. dürfen die Haare nicht zu stark entfettet und ausgetrocknet werden, und die Kopfhaut darf durch un­ geeignete Färbemittel nicht gereizt werden. Gebleicht (blondiert) werden die Haare durch Sauerstoffeinwir­ kung, z. B. durch 3°/oige Wasserstoffperoxidlösung, oder Kamillenwaschungen (Wirkung des peroxidhaltigen äther. Öls) und auch intensive Sonnenbelichtung, bes. bei feuchtem Haar. H. kann -»Haarausfall zur Folge haben oder eine dahingehende Veranlagung fördern. Haargefäße, Kapillargefäße, Kapillaren, die feinsten, nur mit dem Mikroskop erkennbaren Blutge­ fäße, die den Übergang von den Arterien (Schlagadern)zu den Venen (Blutadern) bilden (-»Blutkreislauf). Sie ha­ ben nur eine einfache, äußerst zarte, durchsichtige Wand und in den verschiedenen Körpergegenden einen Durch­ messer von nur 5—20pm, so daß die feinsten H. gerade noch einem Blutkörperchen den Durchgang gestatten. Durch Verformung der Endothelzellen können sich H. verengen und erweitern. Die H. bilden ein dichtes Gefäß­ netz, das die Gewebe bis zu den Zellen hin mit Blut ver­ sorgt. Nur die oberste Hautschicht (Epidermis) nebst Haaren und Nägeln, der Knorpel, die Linse und die Horn­ haut des Auges besitzen keine H. Durch die dünnen Wände der H. hindurch vollzieht sich die Gewebsatmung. Außer den Blutgasen und den Nährstoffen können bei dem Vorgang der Entzündung weiße Blutkörperchen aus den H. in die Gewebsspalten austreten; auf diese Weise entsteht Eiter. Haarkrankheiten, übergeordneter Begriff für Er­ krankungen des Haarkleides verschiedener Ursache: 1) Haarwuchsstörungen: Sie treten zum einen als übermä­ ßig starke Behaarung, Hypertrichose, zum anderen als Unterbehaarung, Hypotrichose, auf. Bei der Hypertri­ chose bleiben entweder die den ganzen Körper überzie­ henden Wollhaare (-»Haare) bestehen, so daß eine Art Fell entsteht, das den ganzen Körper bedeckt (Haar­ mensch), oder es tritt, manchmal schon im Entwicklungs­ alter beginnend, eine zunehmende, umschriebene Über­ behaarung an ungewohnt. Stellen auf (z. B. Damenbart). Unterbehaarung ist zumeist angeboren. 2) veränderte Beschaffenheit. Das Ergrauen der Haare erfolgt durch Pigmentmangel. Als Ringelhaare bezeich­ net man Haare, bei denen pigmentierte und pigmentarme lufthaltige, also dunkle und helle Abschnitte abwechsein; Ursache unbekannt. Spindelhaare nennt man Haare, de­ ren Schaft in regelmäßigen Abständen stark verdünnt ist, so daß die Haare perlschnurartig aussehen; an diesen ver­ dünnten Stellen brechen die Haare leicht ab. Oft findet man in der Mündung der Haarfollikel Hornpfröpfe, die leicht über die Hautoberfläche hervor­ ragen und ein eingerolltes Härchen in sich schließen. Man bezeichnet diese Eigentümlichkeit als eingewachsene Haare und führt ihr Entstehen auf Veranlagung, im Ge­ sicht auf Schädigungen der Haare bei zu häufigem Rasie­ ren zurück. An manchen Haaren finden sich am Haarschaft in Ab­ ständen weiße, kleine, derbe Knötchen; an diesen Auftrei­ bungen knickt das Haar leicht ab und bricht. Dieses Lei­ den, Trichorrhexis nodosa, entsteht durch zu häufiges Waschen der Haare mit Alkalien und zu schnelles Trock­ nen (Heißluftdusche), also durch zu große Trockenheit der Haare. — Aus gleichen Gründen können sich die Haare an ihren Enden vielfach aufspalten. Behandlung: vorsichtige -»Haarpflege und Einfetten der Haare. (-» Haarausfall) 3) Entzündung der Haarfollikel (Haarbälge). Am wich­ tigsten ist die durch Eiterbakterien hervorgerufene -»Bartflechte. Auch im Verlauf der -»Impetigo können von den Haartalgdrüsen ausgehende, der Bartflechte ähnl. Entzündungen der Haarfollikel entstehen. — Durch Entzündung der Haarfollikel in der Wangengegend kön­ nen sich kahle, feinnarbige, von einem entzündl. Hof um­ gebene Herde entwickeln. 4) Pilzerkrankungen. Hierher gehören der Erbgrind (-►Favus), die durch Pilze hervorgerufene Art der Bart-

Haft flechte und die bei Kindern auf dem behaarten Kopf vor­ kommende Mikrosporie. Eine zweckentsprechende Behandlung der H. ist von gründ!. Untersuchung und Diagnosestellung abhängig und sollte daher fachlich geschulten Ärzten überlassen werden. Haarpflege. Zu jeder H. gehört v. a. das tägl. Käm­ men und Bürsten der Haare. Staub, Schmutz, Kopfhaut­ schuppen und leicht zersetzl. Sekret der Talg- und Schweißdrüsen sollen damit aus dem Haar entfernt wer­ den. Haare und Kopfhaut dürfen nicht durch zu spitze oder harte Borsten und zu scharfe Zinken des Kamms ver­ letzt werden. Gelegentlich werden mit dem Kämmen be­ reits in der Wurzel locker sitzende Haare entfernt. Haarwaschen. Im Interesse der Hygiene wäre eine möglichst häufige Kopfwäsche erwünscht, doch muß da­ von abgeraten werden, da heißes Wasser und Waschmittel im allgemeinen Kopfhaut und Haare stark entfetten. Das wirkt sich bes. ungünstig bei fettarmer Kopfhaut aus. Die Haare werden spröde, glanzlos, brechen leicht ab oder spalten an den Enden auf (— Haarkrankheiten). Deshalb sind im allgemeinen 1—2 Haarwäschen pro Woche zu empfehlen. Es gibt spezielle Haarwaschmittel für den trockenen, normalen und fetten Haartyp. Bei empfindl. Haut ist es angebracht, für die Kopfwäsche weiches (kalkund magnesiumsalzarmes), ggf. enthärtetes Wasser zu­ sammen mit einem milden, alkalifreien Haarwaschmittel zu verwenden, da alkal. Seifen den Haarboden reizen, Kopfhaut und Haare übermäßig entfetten und die Haare aufquellen lassen; wichtig ist reichliches Nachspülen. Um dem Haar Glanz zu verleihen, verwendet man zweckmä­ ßig bewährte Fertigpräparate als Zusatz zum Nachspül­ wasser. Getrocknet können die Haare mit einem nicht zu heißen Fön werden. Eine Nachbehandlung nach dem Haarwaschen ist nur bei starkem Fettgehalt des Haarbodens, vermehrter Schuppenbildung oder Auftreten von Juckreiz notwen­ dig. Bei fettigem Haar soll man die Kopfhaut mit einem fettlosen Haarspiritus einreiben, bei trocknem sprödem Haar sind Einreibungen mit fetthaltigen Präparaten emp­ fehlenswert. Bei -»Seborrhö kann ärztlicherseits durch medikamentöse Zusätze und medizin. Haarwaschmittel geholfen werden. Die Einreibungen sollen mit einer Mas­ sage der Kopfhaut (Friktion) verbunden werden. Dies ge­ schieht am einfachsten in der Weise, daß die Haare zu­ nächst in der Mittellinie gescheitelt werden und in diesen Scheitel mit den Fingerbeeren Spiritus kräftig einmassiert wird. In Abständen von 2 cm wird neu gescheitelt und so fortlaufend der ganze Haarboden massiert. Diese Streich­ massage soll zunächst täglich durchgeführt werden. Bei Haarausfall empfiehlt es sich, diese Massage durch Ver­ schiebungen der Kopfhaut in Längs- und Querrichtung, durch Knetungen und Beklopfungen mit den Fingern zu verstärken. Der Zweck der Massage und auch von Bcstrahlungsmaßnahmen besteht darin, die Blut- und Lymphzirkulation der Kopfhaut zu verbessern und da­ durch ihre volle Funktionsfähigkeit wiederherzustellen, die Haarwachstum, Tätigkeit der Talgdrüsen und deren nervi. Versorgung in sich einschließt. Das Kurzschneiden der Haare, das häufige Kürzen oder Absengen der Haarenden kann, da die Haare abgestor­ bene Hornmassen sind, keinen haarwuchsfördernden Einfluß ausüben. Dagegen bewährt es sich, wenn die Haare aufgespalten sind, um ein fortschreitendes Auf­ splittern zu verhindern. Vom ärztl. Standpunkt sind viele Maßnahmen der Haarverschönerung mit Vorsicht zu beurteilen. Bleichen, Färben, Haarbrennen, Dauerwellen u.a. bedeuten immer eine Belastung für das Haar. Haarpilzflechte, Trichophytie, eine —Hautpilz­ krankheit. Haarwaschmittel, Shampoos [Jamp'u:z], dick­ flüssige oder cremeförmige, wäßrige Tensid-Lösungen (meist Fettalkoholäthersulfate) mit parfümierten, ge­ färbten und konservierten Spezialsätzen (z. B. Eigelb); zur schonenden Reinigung des Haares und der Kopfhaut. Haarwässer enthalten neben Parfüm- und Farbstof­ fen 40—50% Äthyl- und/oder Isopropylalkohol und ver­

schiedene Zusatzstoffe, die die physikal. Eigenschaften des Haares (Glanz, Festigkeit, Elastizität), aber auch den Zustand der Kopfhaut (bessere Durchblutung, Beseiti­ gung der Neigung zur stärkeren Schuppenbildung ü. a.) verbessern sollen. Haarwuchsmittel, Einreibungen und Medikamente, welche das Wachstum der Kopfhaare fördern sollen. Wirksame Mittel sind bislang nicht bekannt. Lediglich ein durch mangelhafte Durchblutung der Kopfhaut behin­ dertes Kopfhaarwachstum kann durch Behandlung mit einem durchblutungsfördernde Zusätze (z. B. Nikotin­ säurederivate) enthaltenden Mittel (z. B. Haarwasser) be­ günstigt werden. Haarzunge, schwarze H., nicht besorgniserre­ gende, jedoch behandlungsbedürftige Veränderung der Zunge, bei der diese v. a. im hinteren Mittelfeld infolge Verlängerung und Dunkelfärbung der fadenförmigen Zungenpapillen wie behaart aussieht. Als Ursache wird Vitamin-B-Mangel vermutet. H. kommt auch als Folge von Penicillin- und Streptomycinbehandlung vor. - Die Behandlung richtet sich nach der Ursache und besteht z. B. in einer Vitaminergänzung. Haass, Friedrich, * Münstereifel 1780, t Moskau 1853, seit 1806 in Moskau praktizierender dt. Arzt, der vom russ. Volk wie ein Heiliger verehrt wurde; die Aner­ kennung seiner besonderen Verdienste findet noch heute in ungewöhnl. Weise Ausdruck durch die Pflege seines Grabs auf dem Moskauer dt. Friedhof. H. setzte sich selbstlos unter Aufopferung seines Vermögens (bei vielen Choleraepidemien auch seiner Gesundheit) bes. für die Leibeigenen und Strafgefangenen ein. Für diese wie auch für Bettler und Obdachlose gründete er ein eigenes Krankenhaus, eine für die damalige Zeit ungewöhnl. soziale Tat. Habitus, äußere Erscheinung, Aussehen, Haltung, Verhalten; habituell, wiederholt und verhaltenseigen auf­ tretend, z. B. habitueller Abortus, sich immer wiederho­ lende Fehlgeburt, habituelle Luxation, eine nach innerem Kapselriß immer wieder auftretende Ausrenkung, bes. des Schultergelenks. Habsburger Unterlippe, dick vorgewulstete Unter­ lippe über grob-schwerer Kinnpartie; bei den Habsbur­ gern durch viele Generationen verfolgbares, dominanterbl. Familienmerkmal. Hackenfuß, — Fußdeformitäten. Hackethal, Julius, Chirurg und Orthopäde, * Rein­ holterode 1921, wurde 1962 Professor in Erlangen; trat in der Öffentlichkeit v. a. durch seine Kritik an der >Patientenfeindlichkeit< des bestehenden Gesundheitswesens und an bestimmten Schulmedizin. Methoden der Krebs­ diagnostik (—Biopsie) und Chirurg. Krebsbehandlung (z. B. Radikaloperation bei Prostatakrebs) hervor. Hacksalz, das — Präservesalz. Hadernkrankheit, — Milzbrand. Hafer, Avena sativa, nahrhafte und gut verträg­ liche, zu den Gräsern (Graminae) gehörende Getreideart (Bild Getreide); verwendet z. B. als H.-Grütze oder als -Schleim (— Schleimabkochungen) bei akutem MagenH. Darm-Katarrh. Haferflocken, eines der gebräuchlich­ sten, aus H. hergestellten Nährmittel, das reich an Eiweiß (16%), Fett (7%), Kohlenhydraten (60%) und Mineralien (1,7%) ist. Haferstrohbad, medizinisches Teil- oder Voll­ bad mit Zusatz der an Kieselsäure reichen Abkochung von Haferstroh; in der Naturheilkunde Anwendung als Hautreizmittel bei Kreislaufstörungen, Gelenkleiden, Ischias u. ä. Haftgläser, die — Kontaktlinsen.

Haftreaktion, seel. Reaktion auf langdauernde, ex­ treme, lebensbedrohl. Belastungen, die bes. von angster­ füllter Isolation in Lager-(Konzentrationslager) oder Gei­ selhaft ausgelöst wird. Unklarheit besteht darüber, wie­ weit solche Haftfolgen mit im nachhinein bestehenden Depressionen (auch Arbeitsunlust und Apathie) ganz oder z.T. einer Konstitutionseigenschaft der Persönlich­ keit zuzuschreiben sind. Im Rahmen der Bemühungen 281

Hage

Samuel Hahnemann

v. a. amerikan. Ärzte, ein einheitl. Symptombild der Haftfolgen (körperl. Schäden und/oder seel. Folgen u. a. mit Angstzuständen, aggressivem Verhalten, Gedächt­ nisschwäche, Mißtrauen) zu gewinnen, entstand der um­ strittene Begriff des KZ-Syndroms, der zunehmend von Gutachtern der psychiatr. Fachrichtung abgelehnt wird. Die H. ist neuerlich vermehrt ins Gespräch gekommen im Zusammenhang mit den Fällen polit, und terrorist. Geiselnahme. Häufig ist psychotherapeutische Behand­ lung nötig. Hagebutte, beerenartige, rote Scheinfrucht der zu den Rosengewächsen (Rosaceae) gehörenden Hundsrose oder Heckenrose (Rosa canina), ein meist kräftiger Strauch mit überhängenden stacheligen Ästen in warmge­ mäßigten Klimazonen. Die getrockneten Scheinfrüchte enthalten Stoffe mit adstringierender (zusammenziehen­ der) und harntreibender Wirkung (Verwendung der Kerne zur Teebereitung). Frische H. enthalten viel Vit­ amin C, daneben Vitamin A, B], B2, P, K und Nikotin­ säure. Die Früchte können zu Süßmost und Marmelade verarbeitet werden. Anwendung: Heilpflanzen, Über­ sicht. Hagelkorn, Chalazion, Verdickung einer oder mehrerer Meibomscher Drüsen, die im Lidknorpel des Augenlids liegen; sie sind in Form eines Knotens deutlich zu fühlen (Bild Augenkrankheiten); Behandlung: opera­ tive Ausschälung. Haglundferse, von dem schwed. Orthopäden P. S. E. Haglund (* 1870, f 1937) beschriebene Fersenbein­ erkrankung: Exostose (-»Knochenauswuchs) am hinte­ ren steilgestellten Fersenbeinanteil, meist bei Hohlfußbil­ dung mit der Folge einer chron. Weichteil- und Knochen­ hautreizung am Ansatz der -»Achillessehne mit Beteili­ gung des Schleimbeutels. Hahn, Johann Siegmund, Arzt, * Schweidnitz (Schle­ sien) * 1664, febd. 1742, wandte Kaltwasserpackungen bei Fieber an. Er und seine Söhne, genannt die >Wasserhähnei, waren die geistigen Väter von V. Priessnitz und S. Kneipp. Hahnemann, Samuel, Arzt, * Meißen 1755, t Paris 1843, lieferte Arbeiten auf den Gebieten der Hygiene und Psychiatrie; 1810 begründete er mit seinem Hauptwerk >Organon der rationellen Heilkunde! die seit 1807 von ihm als erstem vertretene Lehre der -» Homöopathie. Hakenwurmkrankheit, Ankylostomiasis, Bergarbeiter anämie, Grubenwurmkrankheit, Tun­ nelkrankheit, durch den Befall mit 2 nahe verwandten

rungen (Fette, Kohlenhydrate) und Gewichtsverlust. Durchfall mit blutigen Beimengungen, Fettstühle, Appe­ titmangel, Übelkeit, Blähungen und Bauchschmerzen tre­ ten auf. Entwicklung der H. Die von den weibl. Würmern abgesetzten Eier werden mit dem Stuhl ausgeschieden. Bei günstigen Temperaturen schlüpfen bereits nach 1—2 Ta­ gen kleine Larven und wachsen innerhalb weniger Tage zu schlanken, agilen Larven heran, die die Fähigkeit besit­ zen, aktiv auch in die unverletzte Haut des Menschen ein­ zudringen. Sie finden sich bes. in mit menschl. Fäkalien verunreinigtem, feuchtem Erdreich, auch an Sandsträn­ den, von wo aus sie z. B. den Barfußgehenden befallen. Das Eindringen der Larven kann Juckreiz, Rötungen und erhabene, fleckförmige Veränderungen verursachen. Sie gelangen auf dem Blutweg in die Lunge, in der sie kleine Blutungen und entzündl. Infiltrationen auslösen mit der mögl. Folge grippeähnl. Symptome und/oder einer Bron­ chitis. Die Larven erreichen dann über Bronchien, Luft­ röhre, Mundhöhle, Speiseröhre und Magen den Dünn­ darm, wo sie zu geschlechtsreifen Würmern heran­ wachsen. Die H. läßt sich mit Spezialpräparaten wirksam behan­ deln; liegt Eisenmangel vor, so muß dieser ebenfalls besei­ tigt werden. Die wichtigste persönl. Vorbeugung ist das Vermeiden von Barfußlaufen. Halbseitenblindheit, die -» Hemianopsie. Halbwertszeit, Abk. HWZ, die Zeitspanne, in der die Hälfte eines Stoffs zerfallen oder abgebaut ist. Man spricht von einer physikal. und einer biolog. H. Für Ra­ dium beträgt die physikal. H. etwa 1 600 Jahre, nach die­ ser Zeit ist nur noch die Hälfte des ursprüngl. Radiums vorhanden. Die biolog. H. des Albumins im menschl. Se­ rum beträgt 20—25 Tage. Nach dieser Zeit ist die Hälfte des Albumins abgebaut und muß ersetzt werden. Aus phy­ sikal. und biolog. H. ergibt sich in grober Annäherungdie effektive H. nach folgender Formel: HWZ eff - HWZPhys- x HWZbiol. HWZphys. + HWZbiol. Halitosis, der-»Mundgeruch. Hallux valgus, Ballenzehe, X-Zehe, die Ablen­ kung der 1. Zehe als >schiefe< Großzehe in Richtung zum äußeren Fußrand, wird bes. bei Frauen beobachtet (Erb­ anlage). Die Fehlstellung entsteht allmählich, Mitursache ist ein Spreizfuß; enge, spitz zulaufende Schuhe begünsti­ gen und beschleunigen die Entstehung.

Fadenwurmarten, Ancylostoma duodenale und Necator Hallux valgus bei­ americanus (von 0,7— 1,8 cm Länge und mit hakenförmig derseits (Röntgen­ abgebogenem Vorderende), verursachtes Krankheits­ aufnahme). bild; eine der verbreitetsten Seuchen der Menschheit, bes. oben x-förmige in den warmen, feuchten Klimagebieten der Subtropen Abweichung der De­ und Tropen mit mehreren 100 Mio. Wurmträgern. Sie Großzehen. formierte 2. Zehe kann auch in gemäßigten Klimazonen bei entsprechender rechts (Hammer­ Temperatur und Feuchtigkeit (z. B. in Bergwerken) auf­ zehe). treten. - Die Würmer beißen sich mit ihrer Mundkapsel unten nach Ope­ an der Dünndarmschleimhaut fest, schneiden sie an und ration, bei der '/> verursachen Blutverluste, die sehr hoch sein können bei ei­ der Großzehen­ und nem in den Endemiegebieten nicht seltenen Befall mit grundglieder des Grundgliedes 2000 Würmern. Dementsprechend steht die Anämie im der 2. Zehe links Vordergrund des chron. Krankheitsbildes, das in der Aus­ entfernt wurden. prägung von der Anzahl der Parasiten und von der Ernäh­ An der rechten rung (bes. Zufuhr von Eisen und tier. Eiweiß) abhängt. 2. Zehe rechts Zusammen mit dem ebenfalls stetigen Serumeiweiß­ wurde ein Teil des ent­ verlust (Albuminmangel) sind allgemeine Schwäche, Mittelgelenks fernt Ödeme, Herzmuskelschwäche mit Verminderung der körperl. und seel. Leistungsfähigkeit, bei Kindern und Ju­ Am 1. Mittelfußköpfchen bildet sich am Fußinnenrand gendlichen mit Wachstums- und Entwicklungshemmung, durch den Druck des Schuhs allmählich eine knöcherne und nicht selten der Tod Folgen des chron. Siechtums. Die Vorwölbung (Ballen). Darüber befindet sich meist eine unter dem Einfluß eines starken Befalls zusätzl. Verände­ chron. Schieimbeutelentzündung, die bes. bei Kälte rungen der Darmschleimhaut (Verkürzung der Zotten, schmerzt (fälschlich als Frostballen bezeichnet). Durch entzündl. Reaktionen) führen ferner zu Resorptionsstö- die Fehlstellung der 1. Zehe wird die 2. Zehe bedrängt; da­ durch entsteht eine Hammerzehe mit typischem Hühner­ Hakenwurmkrankheit: a Ancylostoma duodenale, links Männchen, rechts auge. Weibchen, b Kopf von Ancylostoma duodenale, c Kopf Die Behandlung der Deformität ist im Jugendalter von Necator americanus, d, e, f, g Hakenwurmeier in noch mit einer Nachtschiene möglich. Einlagen mit einer chronolog. Entwicklung bis zur schlupffähigen Larve, h junge Larve, i infektionstüchtige Larve Spreizpelotte lindern die Schmerzen. StärkereGroßzehen­ 282

Hals abweichungen bedürfen der operativen Korrektur. Bei jüngeren Patienten führt man eine zweifache Durchtren­ nung des 1. Mittelfußknochens durch und beeinflußt da­ mit zusätzlich die Spreizfußbildung. Im Alter über 50 Jah­ ren werden der knöcherne Ballen und ein Teil des Großze­ hengrundgliedes operativ entfernt. Ein künstl. Großze­ hengelenk ist nur bei schweren Deformierungen an Ge­ lenkkopf und -pfanne erforderlich. Schulterzungenbeinmosk.'

Stimmbänder \s

Stimmritze

Brustzungenbeinmuskel

mittlere Halsfaszie

Speiseröhre

//

Kopfdreher

Halshautmuskel

gemeinsame •Halsschlagader

langer Halsmuskel

_____innere Drosselvene

Rippen-__ ■_ halter Gefäß­ scheide

Schulter­ blattheber

Nerven­ stränge ober­ flächliche Halsfaszie

Durchtritt für . Wirbelarterie und Wirbelvene

Querfortsatz

Kappenmuskel Nackenband

Nackenmuskulatui

\ Dornfortsatz

Wirbelkanal

Hals: Querschnitt in Höhe der Stimmbänder Halluzination, Sinnestäuschung, eine Wahrneh­ mung von vermeintlich Vorhandenem; sie kommt ohne Anregung durch äußere Sinnesreize zustande. Die Kran­ ken hören Stimmen oder Geräusche (Akoasmen), sie >sehen< Ungeziefer (auch weiße Mäuse) und anderes. Es gibt auch Geruchs- und Geschmacks-H. sowie Tast-H. und Täuschungen der Leibesempfindungen. H. kommen vor bei -» Schizophrenie (oft mit Wahner­ lebnissen verbunden), anderen seelischen Krankheiten, im —Delirium, im Giftrausch (Meskalin, Haschisch, Opium), bei epilept. — Dämmerzuständen, aber auch bei Erkrankungen des Gehirns, z. B. Geschwülsten im Schlä­ fen- oder Hinterhauptlappen. Die auch beim gesunden Menschen mögl. Wahrnehmungstäuschung heißt — Illu­ sion. Halluzinogene (Phantastika) sind ehern. Stoffe, die H. auslösen können; zu ihnen gehört u.a. Lysergsäurediäthylamid (Abk. LSD), das synthetisch aus Lysergsäure (Stammsubstanz der Mutterkornalkaloide) gewonnen wird (— Psychotomimetika). Halogenkohlenwasserstoffe, Verbindungen von Kohlenwasserstoffen mit Chlor, Brom, Jod oder Fluor; verwendet in Löse-, Extraktions-, Reinigungs-, Kühl-, Treib-, Narkose- und Schädlingsbekämpfungsmitteln. H. wirken in Dampf-oder Staubform überdie Atemwege, in flüssiger Form über die Haut (da fettlösend). Rausch­ zustände (Suchtgefahr), zentrale und peripher-nervöse Störungen, Leber- und Stoffwechselschäden sind mög­ lich. Schwer heilende Hautschäden (Chlorakne, Hyper­ keratosen) können auftreten. Wenn am Arbeitsplatz er­ worben, können die durch H. ausgelösten Schäden Be­ rufskrankheiten sein. Überwachung durch ermächtigte Ärzte beim Umgang mit bestimmten H. ist vorge­ schrieben. Hals, der Kopf und Rumpf verbindende Körperteil. Der rückenwärts gelegene Teil des H. heißt Nacken. Als Stütze des menschl. H. dienen die 7 Halswirbel der Wir­ belsäule, die in ihrem Wirbelkanal den oberen Teil des Rückenmarksenthalten und im Kanal ihrerQuerfortsätze die beiden zum Gehirn verlaufenden Wirbelarterien ein­ schließen. Die Bewegung des Kopfs gegenüber dem H. wird durch die beiden obersten H.-Wirbel vermittelt. Un­ mittelbar unter der Haut des H. liegt in der Mittellinie vorn der Kehlkopf, vor dem Kehlkopf und seitlich von diesem die Schilddrüse. Der Kehlkopf setzt sich nach un­ ten in die Luftröhre fort. Hinter Kehlkopf und Luftröhre

liegt, von beiden verdeckt, der Anfangsteil der Speise­ röhre. Seitwärts befinden sich die vorderen Halsmuskeln, bes. die für die Kopfdrehung bestimmten, vorspringen­ den Kopfdreher. Die Muskeln sind von Häuten umgeben, der oberflächl., der mittleren und der tiefen H.-Faszie. Außerdem sind im H. der Rachen mit der Zungen Wurzel und dem Zungenbein und viele Lymphknoten enthalten. Zwischen diesen Teilen hindurch verlaufen die inneren Drosselvenen und rechts und links die Halsschlagadern. Letztere teilen sich in der Höhe des Kehlkopfs in die äuße­ ren H.-Schlagadern, welche die H.-Organe, das Gesicht und die Schädelwände mit Blut versorgen, und in die für Gehirn und Auge bestimmten inneren H.-Schlagadern. An jeder Seite der H.-Wirbel treten aus dem H.-Teil des Rückenmarks 8 Halsnerven hervor, von denen sich die 4 obersten zum H.-Geflecht vereinigen und an der Haut un­ terhalb des Ohrs, an der Haut des H., der Schulter, der oberen Brustgegend und an den H.-Muskeln verbreiten, während die 4 untersten mit den ersten Brustnerven das Armgeflecht bilden und von diesem aus die Schultermus­ keln und den ganzen Arm versorgen. Weiter liegen am H. der IX., X. und XII. Gehirnnerv (-»Nervensystem) und hinter der gemeinsamen H.-Schlagader der H.-Teil des Grenzstrangs des Sympathikus. Halsbräune, -» Krupp. Halsentzündung, -»Mandelentzündung. Hallux valgus: oben Spreizfuß mit H. v. mittleren Gra­ des. Die Zehen sind aus ihrer natürlichen Richtung erheb­ lich zur Kleinzehenseite abgelenkt, das Großzehengelenk erscheint durch Anlagerung eines verdickten Schleim­ beutels verbreitert; unten derselbe Fuß nach Anlegung der H.-v.-Bandage nach Thomsen Halsfisteln, Halskiemenfisteln, angeborene, eine schleimige Flüssigkeit absondernde schlauchartige Ver­ bindungen mit äußerer Öffnung meist oberhalb des Brustbein-Schlüsselbein-Gelenks und innerer Öffnung im Schlundkopf, seltener im Kehlkopf. Die H. stellen eine Hemmungsmißbildung dar, da sie durch das Offenblei­ ben der in der frühesten Entwicklungsstufe des Embryos vorhandenen Kiemenspalten entstehen. Halsmark, oberer Teil des -* Rückenmarks. Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Abk. HNO, OtoRhino-Laryngologie, Fachgebiet der Medizin, befaßt sich mit Erforschung, Erkennung und Behandlung der Krankheiten der Ohren, Nase, Nasennebenhöhle, des Na­ senrachenraums, der Mundhöhle mit den Speicheldrü­ sen, des Rachenraums mit den Mandeln, des Kehlkopfs sowie der Speiseröhre und der Luftröhre (mit dem Bron­ chialbaum), soweit letztere auf direktem Weg durch den Rachen zu erreichen sind. Halsrippen, unvollständige Rippenbildung z. B. am 7. Halswirbel. Sie kommt bei ungefähr einem Prozent aller Menschen vor und ist als Knochenvorsprung in den Schlüsselbeingruben fühlbar und sichtbar. Die H. können durch Druck auf die Schlagader oder auf die Nerven am Hals zu Zirkulationsstörungen und Nervenstörungen im Arm (-» Skalenussyndrom) führen und müssen dann ope­ rativ entfernt werden. Halsschmerzen, meist mit Brennen, Schluckbe­ schwerden und Engigkeitsgefühl im Rachenbereich ver­ bundene Schmerzen. Sie gehen mit einer entzündlichen Rötung des Rachens einher und finden sich als Frühzei­ chen oder Begleiterscheinung bei allen katarrhal. Erkäl­ tungskrankheiten, bei Mandelentzündung (Angina) und Schleimhautentzündung des Rachens sowie bei einigen Infektionskrankheiten wie Scharlach; ferner bei Diphthe­ rie (süßl. Mundgeruch, weißl. zusammenhängender Be­ lag auf den Mandeln) u. a. Behandlung: feuchte kalte Halswickel, flüssige Kost und in schweren Fällen schmerzstillende Mittel. Steigt die Temperatur an, nimmt die Schwellung im Hals zu oder

Halswirbelsäule mit degenerativen Veränderungen; a harte Rückenmarkshaut, b Rückenmark, c Dorn­ fortsatz, d gelbes Längsband, e Randleisten der Wirbel­ körper mit vermehrter Knochenwucherung,/verschmä­ lerte Zwischenwirbelscheiben, g vorgefallene Zwischen­ wirbelscheiben, h I. Brustwirbel, 1-7Wirbelkörper 283

Hallux valgus

a

Halswirbelsaule

Hals finden sich schmerzhafte Drüsenschwellungen unterhalb des Unterkiefers oder Beläge im Rachenraum, ist der Arzt zu benachrichtigen. Halswickel, -»Prießnitz-Wickel. Halswirbelsäule, Abk. HWS, oberster Abschnitt der Wirbelsäule. Die H. besteht bei allen Säugetieren (also auch bei der Giraffe) aus 7 Halswirbeln. Der oberste wird Atlas genannt, der 2. Halswirbel trägt die Bezeichnung Axis, früher Epistropheus. Im Wirbelkanal befindet sich das Halsmark mit wichtigen Hirnzentren, z. B. für die At­ mung. In den Halswirbeln verläuft auf der rechten und linken Seite die Vertebralarterie (Arteria vertebralis). Durch überstarke Drehung (Unfall) des Kopfes kann eine dieser Arterien gedrosselt werden. Verschleißerscheinun­ gen werden an den Halswirbelkörpern bes. häufig beob­ achtet . Als degenerative Knochenwülste und Randleisten­ veränderungen der Wirbelkörper können sie ihre Umge­ bung durch Druck beeinträchtigen (Rückenmarkkanal, Blutgefäße). Es kommt dann zum -► Halswirbelsyndrom. (BildS. 283) Halswirbelsyndrom, Zervikalsyndrom, vielfälti­ ges Beschwerdebild mit oder ohne erfaßbare Veränderun­ gen der Halswirbelsäule und Gefäßbeteiligung. Ursachen sind: Abnutzungserscheinungen an den Wirbelgelenken, Blockierungen von Wirbelgelenken in physiolog. End­ stellung, Bandscheibenverschmälerung, Bandscheiben­ vorwölbung oder Bandscheibenvorfall (selten), Kno­ chenspornbildung an den Wirbelkörpern. Symptome: Schmerzen im Nacken, treten bei allen Bewegungen, bes. aber beim Drehen des Kopfes zur Seite, auf (Zwangshal­ tung des Kopfes). Beim oberen Zervikalsyndrom bestehen zusätzlich Kopfschmerzen, evtl. Schwindel, Brechreiz; kurzfristige Ohnmächten (selten) sind möglich. Beim unteren Zervi­ kalsyndrom strahlen die Schmerzen in Schulter, Arm, Hand und Finger aus; diese Erscheinungen werden daher als --Schulter-Arm-Syndrom bezeichnet. Behandlung: Ruhigstellung mit Halskrawatte, ent­ zündungshemmende Medikamente, Massagen, Chiro­ therapie oder Einspritzungen in die schmerzhaft ver­ spannte Halswirbelsäulenmuskulatur. Die Behandlung ist oft sehr langwierig. Haltlosigkeit, Persönlichkeitseigenschaft, gekenn­ zeichnet durch einen Mangel an selbständigem, aktivem Willenseinsatz. Die inneren Einflüsse des Menschen sind bei H. über­ wiegend die eigenen Triebe, Gefühle, Stimmungen, Be­ gierden und Leidenschaften, denen er ohne die geringste Willenssteuerung nachgibt; es mangelt an der für ein ge­ ordnetes Leben notwendigen Festigkeit, Selbstbeherr­ schung und Selbstdisziplin. Da aber die inneren Erlebnisse häufig von äußeren Ein­ flüssen angeregt werden, zeigt sich das Fehlen der Willens­ haltung in erhöhter Beeinflußbarkeit und Verführbar­ keit. So ist der Haltlose guten oder schlechten Einflüssen aus seiner Umgebung leicht zugänglich. Aus Mangel an Selbstdisziplin gerät er schnell in schlechte Gesellschaft. H. zeigt sich in den verschiedensten Lebenslagen, z. B. Nachlässigkeit in der Berufsausübung, häufiger zielloser Stellungswechsel, unbegründete Berufsänderung, Ab­ bruch von Ausbildung und Lehre, kritikloser Anschluß an fragwürdige Personen und Gruppen. Anfälligkeit für Schuldenmachen, sexuelle Ausschweifungen sowie der Gebrauch von Rauschmitteln sind typ. Verhaltensweisen. Sozialer Abstieg und häufig auch Verstöße gegen Gesetze sind auf die Dauer kaum vermeidlich. Wie weit dieser so­ ziale Verfall gehen kann, hängt neben dem Ausmaß der Charakter- und Willensschwäche sehr von den Milieu­ einflüssen ab. (--Erziehung) H. kann, muß aber nicht mit intellektueller Minderbe­ gabung verbunden sein. Nur dort kann für den Haltlosen ein günstiger Lebenslaufgesichert werden, wo der Mangel an innerem Halt ersetzt wird durch äußeren Halt, wenn der Haltlose in einer guten Gemeinschaft mit festen Auf­ gaben und Regeln seine Geborgenheit findet. Haltung:

Haltungsfehler; o Kyphose, b Skoliose, c Lordose, d veränderte Hautfaltenbildung durch Haltungsfehler

284

Halswirbelsyndrom: links normale Halswirbelsäule, an allen Wirbelkörpern (Pfeil) bei H.

rechts Spornbildung

Haltung, Körperhaltung mit aufrechtem Stand auf der Unterstützungsfläche der beiden Füße und auf den Stützsäulen der beiden Beine. Das Becken, das beide Beine miteinander verbindet, bildet mit dem fest in den Beckenring eingefügten Kreuzbein die Grundlage für den Aufbau der Wirbelsäule, der knöchernen Mittelachse des Oberkörpers, auf deren oberem Ende der Kopf sitzt. Diese aufrechte H., die den Menschen von anderen Säuge­ tieren unterscheidet, ist das Endergebnis einer langen Ent­ wicklung. Erst allmählich ist es zu einer Spezialisierung der Beine zu Tragorganen und der Hände zu reinen Greif­ organen gekommen. Diese Aufrichtung erfolgte v. a. durch eine Streckbewegung in beiden Hüftgelenken, die aber nicht volle 90° erreicht. Die Basis der Wirbelsäule, das Kreuzbein, steht nicht senkrecht, sondern noch erheb­ lich nach vorn geneigt, so daß eine völlig gerade Wirbel­ säule ebenfalls schräg nach vorn aufsteigen müßte. Durch eine Rückbiegung im untersten Teil dicht oberhalb des Kreuzbeins richtet sich die Wirbelsäule weiter auf und nä­ hert sich daher in ihrer Gesamtrichtung der Senkrechten. In ihrem Brustteil wölbt sich die Wirbelsäule dagegen nach hinten (dorsal) vor, während die Halswirbelsäule wiederum eine Verwölbung nach vorn (ventral) aufweist. Die Wirbelsäule bestimmt die äußere Form des Oberkör­ pers und ist sehr wichtig für die Gesamt-H. des ganzen Körpers. Durch ihre reiche Gliederung ist sie ohne weite­ res imstande, Stellungsänderungen ihrer Basis, des Bekkens, wieder auszugleichen, damit das Gleichgewicht nicht verlorengeht. Durch diese Anpassungsfähigkeit wird die Wirbelsäule in ihrer Form sehr stark abhängig von der Stellung des Unterkörpers, bes. des Beckens. Eine Verstärkung der Beckenneigung z. B. führt automatisch zur Verstärkung der Lendeneinsattelung, zum Hohl­ kreuz. Diese Tatsache beweist, wie sehr die einzelnen Teile des menschl. Gliederbaus voneinander abhängig sind und wie sehr alle Zusammenwirken müssen, um eine gute H. zu erzielen. Diese einzelnen Elemente sind: 1) die Knochen, bes. die langen Röhrenknochen der Beine, das Becken und die knöchernen Bausteine der Wirbelsäule, die einzelnen Wirbel; 2) die sehnigen Gelenkbänder, welche die Bewe­ gungsschläge als Hemmungsbänder begrenzen. Von be­ sonderer Bedeutung sind die Seitenbänder der Kniege­ lenke, die eine Überstreckung unmöglich machen, und ebenso die Bänder des Hüftgelenks, die ebenfalls eine Überstreckung verhindern, dagegen eine Beugung erlau­ ben. Der durch diese Hemmungsbänder und die Form der Gelenk flächen bestimmte freie Bewegungsraum in den Gelenken wird beherrscht von der Muskulatur. Ihre Stärke oder Schwäche bestimmt daher auch die Dauerhal­ tung, die der Mensch im aufrechten Stand einnimmt, ent­ scheidend mit. Die Grundhaltung ist ererbt, kann jedoch durch äußere Einflüsse wie Wachstum, Alter, Training der Muskulatur, bes. aber auch durch Krankheiten abge­ wandelt werden. Ob die H. funktionsgerecht ist, hängt von der Wirbelsäule, aber auch von der Muskulatur ab (Trainingszustand der Rücken- und Bauchmuskeln). Die Urteile >gute< und »schlechte! H. orientieren sich an ästhet. Maßstäben. Es gibt dafür keine absoluten Meß­ werte. Die schlechte H. fällt durch eine Störung der Har­

Hama monie auf: Der Kopf wird leicht gebeugt, der Rücken ist stärker gerundet, die Schultern hängen nach vorn, die Schulterblätter heben sich von der Rumpfwand ab. Bei starker Beckenkippung nach vorn und schlaffen Bauch­ decken wölbt sich zusätzlich die Bauch wand vor. Die Len­ denwirbel-Kreuzbein-Gegend ist nach vorn durchge­ drückt; es kommt zum Hohlkreuz (Lordose). Für das Kleinkindalter ist ein Flachrücken charakteri­ stisch. Ab 3 Jahren bilden sich allmählich die normale Lendenlordose (Krümmung nach vorn ohne Seitabweichung) und Brustkyphose (Krümmung nach hinten ohne Seitabweichung) aus. Man unterscheidet zwischen Haltungsfehlern als Ab­ weichungen von der Normal-H., bei denen aktive oder passive Korrektur möglich sind, und Haltungsschäden, bei denen keine aktive, sondern nur noch passive Korrek­ tur durch Korsett oder Operation stattfinden kann. Die Gesamtheit möglicher H. und Fehl-H. wird nach folgen­ den Haltungstypen gegliedert: normaler Rücken, hohl­ runder Rücken, Rundrücken, Flachrücken, unsichere Haltung und Seitabweichungen der Wirbelsäule (Sko­ liosen). 1) normaler Rücken, die durch normale Brustkyphose und Lendenlordose gekennzeichnete H. Auch eine nor­ male H. kann durch Ermüdung oder seel. Belastung Ab­ weichung vom H.-Ideal erkennen lassen. Der selbstbewuß­ te Mensch geht aufrecht, der trauernde zeigt eine mehr ge­ beugte H. Im Alter tritt eine Zunahme der Brustkyphose durch Osteoporose (->• Knochenschwund) auf. 2) hohlrunder Rücken, gekennzeichnet durch ver­ mehrte und teils fixierte Brustkyphose und Lendenlor­ dose. Die Ursachen sind vielfältig. Am häufigsten tritt dieser Formfehler bei der -»Scheuermannschen Krank­ heit im Pubertätsalter und bei alten Menschen (Osteopo­ rose) auf. 3) Rundrücken, Haupttyp der Rückenform bei H.Schwäche im Jugendalter. Zur Beurteilung der Haltelei­ stung dient der Test nach Matthiass: Der Jugendliche wird aufgefordert, bei entkleidetem Oberkörper die Hände und Arme auf 90° anzuheben. Wenn es ihm mög­ lich ist, die aufgerichtete H. über 30 Sekunden unverän­ dert beizubehalten, dann liegt keine H.-Schwäche (Hal­ tungsinsuffizienz) vor. Besteht bei diesem Test keine Aufrichtmöglichkeit, spricht man von einem Haltungs­ verfall. 4) Flachrücken, tritt meist zusammen mit H.-Schwäche auf. Behandlung der H.-Schwäche durch krankengymnast. Übungen, Schwimmen, Handball, Volleyball, Dau­ erlauf. Aus den H.-Typen 2)—4) kann sich im Wachstumsalter eine Skoliose, auch als juvenile Kyphose im Sinn einer Scheuermannschen Krankheit, entwickeln. Deshalb sind alle 6 Monate orthopäd. Kontrolluntersuchungen anzu­ raten. 5) unsichere Haltung, typisch für das Vorschulalter, in dem die Kinder nur wenige Sekunden eine Normal-H. ein­ nehmen können. Sie imitieren fast alle H.-Fehler; Be­ handlung wie bei der Haltungsschwäche beim Flach­ rücken. 6) Seitabweichung der Wirbelsäule (Skoliosen), dau­ ernde seitl. Rückgratverbiegung. Als vorübergehende Seitabweichung der Wirbelsäule wird sie Skoliosierung genannt; sie entsteht z. B. bei Beckenschiefstand infolge einseitiger Beinverkürzung oder ständiger einseitiger Be­ lastung (Schulranzen). Ursachen der Skoliosen sind angeborene Wirbelmiß­ bildungen, Lähmungen, z. B. Poliomyelitis, Wirbelver­ formung (Keilwirbel, Schmetterlingswirbel), z. B. nach Wirbelbrüchen. Am häufigsten jedoch ist die angeborene Veranlagung (idiopathische Skoliose). Die idiopathischen Skoliosen werden eingeteilt in: Säuglingsskoliose, meist verbunden mit Schiefkopf, Hüftdysplasie, Beckenasymmetrie, Knick-Hacken-Füßen oder Klumpfüßen. Die Heilungsaussicht ist günstig. Behandlung: Lagerungsbrett oder Bandagen; infantile Skoliose, tritt zwischen dem 2. und 3. Lebens­ jahr auf, vorwiegend sind Knaben betroffen. Es liegt starke Rotation der Wirbelkörper vor, die Heilungsaus­

sichten sind schlecht. Meist ist operative Behandlung er­ forderlich; juvenile Skoliose, selten, Auftreten zwischen dem 5. und 7. Lebensjahr. Heilungsaussichten wie bei der infan­ tilen Skoliose; Adoleszentenskoliose, häufigster Typ, von dem v. a. Mädchen betroffen sind. Die ersten Veränderungen wer­ den während der Pubertät bemerkt. Die Heilungsaussich­ ten sind je nach betroffenem Abschnitt der Wirbelsäule verschieden. Behandlung: bei Seitabweichung unter 20° (leichte Skoliose) krankengymnast. Übungen. Bei Skoliose von 20—45° (mittelschwere Skoliose) müssen an­ gepaßte Spezialkorsetts getragen werden. Die schweren Skoliosen über 60° bedürfen der operativen Korrektur. Häm, zweiwertiges Eisen enthaltender, eiweißfreier Anteil (prosthet. Gruppe) von Hämoproteiden wie Hä­ moglobin oder Myoglobin der Muskelzellen. Hamamelis, Virginianische Zaubernuß, Hama­ melis virginiana, zu den Hamamelisgewächsen (Ha-

mamelidaceae) gehörender, bis 7 m hoher Strauch, hei­ misch in Nordamerika und Ostasien, dessen Blätter zur Blütezeit (September-Dezember) meist schon abgefallen sind und dessen Früchte erst im nächsten Frühjahr bis Sommer reifen. Die im Herbst gesammelten, getrockne­ ten Laubblätter und die Rinde enthalten den Gerbstoff Hamamelitannin (Verwendung in Heilsalben, z. B. gegen Hämorrhoiden, in kosmet. Präparaten). Anwendung: Heilpflanzen, Übersicht. An Stelle dieser Droge werden oft auch die Blätter des zu den Birkengewächsen (Betulaceae) gehörenden Hasel­ nußstrauches (Corylus avellana) verwendet, die eine ähnl. Wirkstoffkombination enthalten. Häm|angiom das, das -► Blutgefäßmai. Häm |arthros der, ein bluthaltiger -»Gelenkerguß. Hämat|emesis die, das -»Bluterbrechen. Hämatin das, der eisenhaltige, eiweißfreie Teil des Blutfarbstoffs Hämoglobin. Die Verbindung von H. und Salzsäure, das Hämin, ist wichtig z. B. für den Blutnach­ weis in der gerichtl. Medizin (Teichmannsche Hämin­ probe). Hämatoblastosen, bösartige Blutkrankheiten, die auf Entartung (Hämatoblastom) der Blutstammzellen (Blästen) beruhen, z. B. die Leukämie, volkstümlich auch Blutkrebs genannt. hämatogen, aus dem Blut stammend, auf dem Blut­ weg zustande kommend. Hämatokolpos der, Stauung des Menstrualbluts in der Scheide, bes. bei angeborenem Fehlen einer Öffnung im Jungfernhäutchen junger Mädchen, u. U. durch Rück­ stau mit einer -»Hämatometra einhergehend. (-»Ame­ norrhö, -»Jungfernschaft) Hämatokrit, Maß für den Anteil der geformten Blut­ bestandteile in %. Die Bestimmung erfolgt durch Zentri­ fugation von ungerinnbar gemachtem Blut in einer Glas­ kapillare. Der Normalwert liegt zwischen 40 und 50 Vol.-%. Der H.-Wert ist wichtiges Kriterium für die Infu­ sionsbehandlung. Hämatologie, Teilgebiet der inneren Medizin, das sich mit Physiologie und Pathologie des Blutes, der blut­ bildenden Organe und der Erkennung und Erforschung von Blutkrankheiten befaßt. Hämatom das, der -» Bluterguß. Hämatometer, Hämometer, Apparat zur Bestim­ mung des Gehalts an Blutfarbstoff. Hämatometra, Stauung des Menstrualbluts in der Gebärmutterhöhle bei Verschluß des Muttermunds oder des Halskanals der Gebärmutter (-► Gebärmutterkrank­ heiten, -► Hämatokolpos). Hämatopo|ese, die Blutbildung (-»Blutkörper­ chen). Hämatothorax, Hämothorax, Bluterguß in die Haltung: Körperhaltung; menschl. Knochengerüst in aufrechter Haltung, von der Seite gesehen. ////Horizon­ tale, V Vertikale

285

Hama Hämoglobinopathi|en, Gruppe erblicher Blut­ krankheiten, bei denen das Globin (Eiweißkomponente des Hämoglobins, -»Blutfarbstoff) eine abnorme Zu­ sammensetzung aufweist. Bei den mischerbigen (hetero­ zygoten) Formen der H. entwickelt sich i. d. R. nur eine leichte hämolyt. Anämie (d. h. eine Blutarmut infolge ver­ kürzter Lebensdauer der roten Blutkörperchen), während die reinerbigen (homozygoten) H. meist recht schwer ver­ laufen. Krankheitszeichen sind Müdigkeit, Schwäche, Atemnot; in schweren Fällen auch Gelenk- und Leib­ schmerzen, Erbrechen und Fieber, häufig bestehen Gal­ len- und Herzbeschwerden. Eine der häufigsten H. ist die Sichelzellenanämie, bei Hämat|urie, Blutharnen, Harnblutung, Beimi­ der die roten Blutkörperchen das krankhafte Hämogloschung von roten Blutkörperchen im Harn. Alleinige binS(Abk. Hb S) enthalten. Bei der Thalassämie wird das Urinrotfärbung bedeutet nicht H. Die Diagnose erfolgt beim Fetus normale Hämoglobin F für das ganze Leben mikroskopisch. Blut im Harn kann aus der Niere (Entzün­ an Stelle des Hämoglobins A des Erwachsenen gebildet. Nachweis von H. gelingt durch kombinierte Verfahren dung, Steine, Tumor, Verletzung), dem Harnleiter, der Blase, der Harnröhre oder aus der Regelblutung stam­ mit Hilfe der Papierelektrophorese und Chromatogra­ men. Auch Überdosierung von Medikamenten zur Blut­ phie. verdünnung (-»Quick-Test) kann H. auslösen. H. muß Hämoglobin|urie, Ausscheidung von Blutfarbstoff ursächlich abgeklärt werden. Die Erhöhung der Trink­ (Hämoglobin) im Harn nach vorausgegangenem Zerfall menge und damit der Urinproduktion verhindert das Ver­ der roten Blutkörperchen in der Blutbahn (-» Hämolyse). klumpen des Blutes in den ableitenden Harnwegen. Die Der freiwerdende Blutfarbstoff wird durch die Nieren frühzeitige Feststellung der Ursachen einer H. durch den ausgeschieden. H. kann ausgelöst werden durch Blutgifte Arzt ist Voraussetzung für einen günstigen Krankheits­ (Morchelgift, Benzolderivate wie Anilin, Pyridin, Nitro­ verlauf. benzol, Kaliumchlorat) und durch Infektionskrank­ Hämiglobin, oxidierte Form des Hämoglobins heiten. Dazu gehört das -»Schwarzwasserfieber bei der Malaria. H. kann auch anfallsweise auftreten, bes. in­ (-» Blutfarbstoff). folge starker Abkühlung und erheblicher körperl. An­ Hammer, anatom. Bezeichnung für ein Gehörknö­ strengung (Marsch-H.). — Die Behandlung richtet sich chelchen im -»Ohr. nach der Ursache. Von der H. zu unterscheiden ist das Blutharnen (-» Hä­ Hammerzehe, hammerähnl. Zehenstellung, entstan­ den durch Sehnenverkürzung (Kontraktur) im Bereich maturie). der Zehenmittelgelenke an der 2. bis 5. Zehe. Durch die 2 3 4 Hämolyse, Austritt des Blutfarbstoffs aus dem Ge­ rüst der roten Blutkörperchen, wodurch das normaler­ Hammerzehe: 1 Hühnerauge (Hornschwiele); 2 Zehenendgelenk; 3 Zeweise deckfarbige (undurchsichtige) Blut iackfarbig henmittelgelenk, in vermehrter Beugestellung, teilver­ (durchsichtig) wird. H. kann hervorgerufen werden: steift; 4 Zehengrundgelenk mit Mittelfußköpfchen 1) durch Säuren, Laugen, Salzlösungen, hypoton. Lösun­ Beugestellung in den Mittelgelenken drückt der Knochen gen (-* Resistenzbestimmung), Tier-, Pflanzen- und Bak­ vermehrt unter der Haut. Zusammen mit dem Druck des teriengifte, Saponine, ferner u. a. durch lipoidlösl. Stoffe Oberleders der Schuhe entstehen -»Hühneraugen. H. wie einwertige Alkohole, Harnstoff, Azeton, Chloro­ werden sehr häufig beim Spreizfuß, aber auch bei anderen form; 2) durch Hämolysine. Werden dem Blut eines Tie­ Fußdeformitäten beobachtet. res A Blutkörperchen einer fremden Art B eingespritzt, Behandlung: H.-Bandagezum Schutz gegen den ver­ bilden sich diese Hämolysine, welche die fremden Blut­ mehrten Druck; Operation. körperchen aufzulösen imstande sind. Der durch H. frei­ Hämochromatose, Siderophilie, Eisenspei­ gewordene Blutfarbstoff wird, soweit nicht an -»Hapto­ cherkrankheit, vermehrte Eisenablagerung im Orga­ globin gebunden, durch die Nieren ausgeschieden. Der nismus mit Dunkelfärbung der Haut (-» Bronzediabetes) Harn sieht dunkelbraunrot aus (-» Hämoglobinurie). Auf und Störung der Funktion zahlreicher Organe. Die pri­ H. beruhen z. B. hämolyt. Anämien, die -»hämolytische märe H. ist eine seltene dominant-erbl. Stoffwechselstö­ Neugeborenenerkrankung und der hämolyt. Ikterus rung, die zu den Speicherkrankheiten gehört, sekundäre (-►Gelbsucht). H. tritt nach chronisch vermehrter Eisenzufuhr, z. B. hämolytische Neugeborenen |erkrankung, nach häufigen Bluttransfusionen auf. Morbus haemolyticus neonatorum, Abk. Mhn, Neugeborenengelbsucht, Erythroblastose, Hämodialyse, -»Dialyse. durch Zerstörung der kindl. Blutkörperchen (Hämolyse) Hämodynamik, die Lehre von den Gesetzen der Blut­ bewirktes Krankheitsbild, bei dem man im Blut häufig bewegung, im wesentl. der die Mechanik der Herz- und kernhaltige Vorstufen der roten Blutkörperchen (Ery­ Gefäßfunktion umfassende Teil der Physiologie des Blut­ throblasten) vermehrt vorfindet. Je nach der Schwere der kreislaufs. Erkrankung beobachtet man Blutarmut, schwere Gelb­ Hämofiltration, ein Verfahren der Blutentgiftung sucht oder angeborene Wassersucht. Gelegentlich ma­ durch Ausfilterung von Stoffwechselendprodukten aus chensicherst beim Schulkind oder später Lähmungen und dem Blut, wobei die physiolog. Vorgänge des Glomeru- Inteiligenzstörungen infolge einer Schädigung der Ner­ lums der Niere z. T. nachgeahmt werden (-► Dialyse). An­ venzellen des Gehirns durch Ablagerung von Blutabbau­ wendung bei Vergiftungen und Niereninsuffizienz. produkten (Kernikterus) bemerkbar. In schwersten Fäl­ len sterben die Kinder schon im Mutterleib ab. Hämoglobin, der-»Blutfarbstoff. Ursache für die Zerstörung der kindl. Blutkörperchen Hämoglobin|ämie, das Auftreten größerer Mengen ist in über 95% der Fälle die Rhesusunverträglichkeit des freien Hämoglobins im Blut, hervorgerufen durch Aus­ Kindes mit der Mutter. Eine solche Unverträglichkeit be­ tritt des Hämoglobins aus den roten Blutkörperchen in­ steht, wenn das Kind vom Vater das Rhesusmerkmal folge von Hämolyse. Der Gehalt an Hämoglobin im (-» Blutgruppen) geerbt hat und damit seine Blutkörper­ Blutplasma bei normaler Blutmauserung liegt unter chen rhesuspositiv sind, während die Mutter rhesusnega4 mg% (Einheit Milligrammprozent). Ein Teil des freien tiv ist und somit ihren Blutkörperchen das Rhesusmerk­ Hämoglobins ist im Blut an Haptoglobine gebunden. mal fehlt. Bei diesem Zusammentreffen entstehen bei Reicht die Bindungsfähigkeit nicht mehr aus, kommt es durchschnittlich 4—5% der Mütter Rhesus-Antikörper, zu Hämoglobinurie. H. tritt z. B. bei erworbenen hämoly­ die auf dem Weg über den Mutterkuchen in den kindl. tischen Anämien, Transfusionszwischenfällen, Infektio­ Kreislauf gelangen und hier die rhesuspositiven Blutkör­ nen, Vergiftungen und nach Schlangenbissen auf. perchen des Kindes zerstören. Nur wenn die Mutter solche

Brustfellhöhle, z. B. bei Geschwülsten des Brust- und Rip­ penfells, auch nach Stich- und Schußverletzungen. Hämatozele die, umschriebene Ansammlung von Blut, meist in der freien Bauchhöhle, wo sie sich der Schwere nach in den Douglasschen Raum absenkt. Sie wird gelegentlich bei inneren Verletzungen beobachtet; meist ist sie die Begleiterscheinung (Tubarabort) einer Ex­ trauterinschwangerschaft. Die H. wird durch Ansaugen des Blutes aus dem Douglasschen Raum erkannt. Sie muß operativ entfernt werden. Als H. wird auch die meist als Verletzungsfolge auftretende Blutung zwischen die bin­ degewebigen Hüllen des Hodens bezeichnet.

286

Hand Antikörper gegen die Blutkörperchen des Kindes gebildet hat, erkrankt das Kind. Die Untersuchung auf besondere Immunantikörper ist daher von ausschlaggebender Bedeutung, während die Bestimmung des Rhesusmerkmals nur einen vorläufigen Test darstellt. Dadermütterl. Organismus nur allmählich die Bildung dieser Antikörper lernt, ist das erste Kind im­ mer gesund, falls die Mutter nicht früher rhesusunverträgl. Transfusionen erhalten hat. Auch beim 2. Kind ist die Gefahr noch relativ gering. Aber je mehr rhesusunverträgl. Schwangerschaften eine Frau durchgemacht hat, um so größer ist die Gefahr einer Antikörperproduktion. Ist einmal eineh. N. in einer Familie aufgetreten, so beste­ hen Aussichten auf weitere gesunde Kinder nur dann, wenn der Vater mischerbig rhesuspositiv ist und damit die Möglichkeit gegeben ist, daß ein nachfolgendes Kind rhesusnegativ ist. Behandlung: Einedurchh. N. verursachte Blutarmut läßt sich leicht beheben. Die durch h. N. bewirkte schwere Gelbsucht macht eine möglichst baldige Entfernung des kindl. Blutes und den weitgehenden Ersatz durch rhesusnegatives Blut (-► Austauschtransfusion) erforderlich. Die nicht immer zu beobachtende leichte Gelbsucht des neugeborenen Kindes beruht auf einem Zerfall über­ schüssiger roter Blutkörperchen (nach der Geburt nicht mehr benötigte Erythrozytenanhäufung, welche der ge­ ringeren Sauerstoffversorgung im Mutterleib entsprach). Diese Form der h. N. bedarf keiner Behandlung. Mütter, die nach ihrer Vorgeschichte und ihrer Blutgruppe mit der Geburt eines an h. N. erkrankten Kindes rechnen müssen, sollten zweckmäßig in einem Krankenhaus entbinden, in dessen unmittelbarer Nähe Gelegenheit zu Austausch­ transfusionen (meist in Kinderkliniken) gegeben ist. Da sich eine h. N. meist erst im letzten Schwangerschaftsmo­ nat intensiv zu entwickeln pflegt, ist auch zu erwägen, ob bei gefährdeten Kindern nicht vor dem errechneten Ge­ burtstermin eine Schnittentbindung vorgenommen wer­ den muß. Durch Transfusionen von rhesusnegativem Blut während der Schwangerschaft in die kindl. Bauch­ höhle kann es gelingen, bes. gefährdete Kinder bis zur 34. Schwangerschaftswoche vor größeren Schädigungen zu bewahren, um nach diesem Zeitpunkt die vorzeitige Ge­ burt einzuleiten (meist durch Schnittentbindung). Zur Verhinderung einer Bildung von Rhesus-Antikör­ pern kann heute jeder rhesusnegativen Mutter nach der Geburt eines rhesuspositiven Kindes Anti-Rhesus-Globulin eingespritzt werden; durch diese vorbeugende Maß­ nahme ist die h. N. eine immer seltenere Erkrankung ge­ worden. hämophil, blutbildend; hämophile Bakterien, Gruppe von sehr kleinen, unbewegl., gramnegativen, stäbchenförmigen Bakterien, die auf Agar-Agar-Nähr­ böden nur wachsen, wenn diese Blutbestandteile enthal­ ten, z. B. die Influenzabakterien (Haemophilus influ­ enzae). Hämophilie, die -» Bluterkrankheit. Häm|ophthalmiis, Blutung in den Glaskörper des Auges aus Gefäßen des Strahlenkörpers oder der Netz­ haut; z. B. bei Diabetes, Netzhautrissen, Verletzungen. Die Blutung kann völlig aufgesaugt werden oder sich bin­ degewebig umwandeln und führt dann zum Verlust des Sehvermögens. Augenärztl. Behandlung! Hämo|ptpe, Hämo|ptyse, das-» Bluthusten. Hämorrhagie, die — Blutung.

hämorrhagische Diathesen, -► Blutungsübel.

hämorrhagisches Fieber, Sammelbegriff für eine Reihe von Viruserkrankungen des Menschen, die mit Fie­ ber, Blutungen und Organschäden einhergehen. Die Übertragung erfolgt, je nach Krankheit, durch Stech­ mücken, Zecken oder direkten Kontakt mit Erkrankten. Fast alle Erreger kommen auch bei Tieren vor und können von diesen aus übertragen werden. Die geograph. Ver­ breitung bevorzugt mit unterschiedl. Verteilung die war­ men Länder. Zu den h. F. gehören das -»Gelbfieber, das -»Lassafieber, die Marburg-Krankheit (-»MarburgVirus) und das -► Maridi-Fieber.

Hämorrhoiden, Ausweitung und Wucherung des un­ ter der Schleimhaut des Mastdarms liegenden Blutadern­ gefäßnetzes. Ausgangspunkte sind die 3 in das Gefäß­ netz einmündenden Zuflüsse in Höhe des Übergangs zwi­ schen After und Mastdarm. Man unterscheidet 4 Stadien: 1) Knoten sind von außen nicht sichtbar und tastbar, nur bei Afterspiegelung (Proktoskopie) zu erkennen; keine Schmerzen, aber häufiges Bluten, gelegentlich Juckreiz und Stechen. Behandlung: Stuhlregulierung, lindernde Zäpfchen oder Salben, bei hartnäckigen Blutungen Ver­ ödung. 2) Beim Pressen werden die Knoten sichtbar, glei­ ten aber spontan wieder zurück. Zeichen: Brennen und Nässen, selten Blutung. Behandlung: Verödung, eventu­ ell Operation. 3) Die H.-Knoten fallen beim Stuhlgang vor, gleiten nicht spontan zurück, lassen sich aber zurück­ schieben. Es bestehen schleimige Absonderungen, Juck­ reiz, Ekzem, Schmerzen, keine Blutung. Behandlung: Operation. 4) Wie bei 3), jedoch lassen sich die Knoten nicht mehr zurückschieben. Behandlung: Operation. H.-Venenthrombose, äußerst schmerzhafter Ver­ schluß eines H.-Knotens durch Blutgerinnsel; bes. bei vorgefallenen Knoten; rasches operatives Vorgehen! Hämosiderin, gelbbraune, eisenhaltige Eiweiß­ komplexe, die durch Zerfall des Blutfarbstoffs nach Blut­ austritt ins Gewebe gebildet werden. H. und seine Abbau­ produkte sind eine der Ursachen der blaugrünen und gel­ ben Hautfärbung beim Abklingen der durch Quetschung hervorgerufenen blauen Flecke (—Bluterguß). H. ist je­ doch auch normaler Bestandteil der meisten Organe. Ne­ ben Ferritin dient es der Eisenspeicherung im Orga­ nismus. Hämospermie, Hämospermatismus, Entleerung von blutigem Samen, kann bei Verletzungen, entzündl. Erkrankungen und Geschwülsten der Hoden, der Neben­ hoden, der Samenblase oder der Vorsteherdrüse auftre­ ten. Dis Behandlung richtet sich nach der Ursache. Hämosporidi|en, Ordnung der Sporentierchen mit der Gattung Plasmodium; Blutparasiten der Wirbeltiere, u. a. Erreger der Malaria. Hämostase, Verlangsamung bis Stillstand des Blut­ stroms in den kleinsten Blutgefäßen, bes. den Haargefä­ ßen, bei der Blutstillung oder als Störung des Blutkreis­ laufs (der Mikrozirkulation), z. B. bei Vergiftungen oder im -»Schock. Hämostaseolog ie, Lehre von Störungen in dem Blut und Lymphe führenden System (-»Schlagadern, -»Blut­ adern, — Lymphgefäßsystem), soweit sie die Blutzirkula­ tion, Blutgerinnung und Blutstillung betreffen (-► Hämo­ stase). Hämostyptika, Hämostatika, die blutstillenden Mittel (-► blutgerinnungsfördernde Mittel). Hämotoxine, Gifte, v. a. bakterielle Stoffe, die auf das Blut durch Hämolyse schädigend wirken. Hand, der unterste Teil der oberen Gliedmaße des Menschen, der durch das H.-Gelenk mit dem Vorderarm in unmittelbarer Verbindung steht. Man unterscheidet H.-Rücken und Hohl-H. oder H.-Teller, weiterhin H.Wurzel, Mittel-H. und Finger; endlich 2 abgerundete Knochenränder, den Speichenrand auf der Daumenseite und den Ellenrand auf der Kleinfingerseite. Das Gerüst der H. besteht aus 27 kleinen Knochen, von denen 8 die H.-Wurzel, 5 die Mittel-H. und 14 die -»Fin­ ger bilden. Die H.-Wurzelknochen bilden 2 Reihen von 3 und 4 Knochen, von denen die eine (bestehend aus Kahn­ bein, Mondbein und dreieckigem Bein) an das Ende der Speiche, die andere (gebildet durch das große und kleine vieleckige Bein sowie das Kopf- und Hakenbein) an die er­ ste Reihe und die Mittel-H. angrenzt; dazu kommt noch das dem dreieckigen Bein an der Hohl-H. aufgelagerte Erbsenbein. Kleine, in Zahl und Form wechselnde zusätzl. Knochengebilde werden als >akzessorische Kno­ chen« bezeichnet. Die Knochen jeder Reihe sind durch kurze, starke Bänder fest untereinander verbunden, wir­ ken stets zusammen und gestatten Drehbewegungen fast nach Art eines Kugelgelenks. Die Drehung der H. um ihre Längsachse vermittelt dagegen der Vorderarm im Ellbo­ gengelenk und in dem unteren Ellen-Speichen-Gelenk.

287

«

Hämorrhoiden: äußere H.

Hand Band Sehnen der

Zwischenknochen­ muskel Daumen­ anzieher

Regenwurm­ muskel

Mittelhand knochen

Kleinfinger­ gegensteller

Kopfbein

kurzer Daumen­ beuger

kurzer Daumen­

Kleinfinger beuger

Hakenbein

Kleinfinger anzieher

Erbsenbein

Erbsenbein Kahnbein

Mondbein

Querband

----- kurzen Daumenstreckers

des langen Daumenabziehers / volares Handwurzelband

Sehne des ulnaren Handbeugers

Speiche

Sehne des radialen Handbeugers

Hand: Knochen und Muskeln der rechten Hand (Innenseite)

Hierbei dreht sich die Speiche um die Elle und führt die H. mit sich (Einwärtsdrehung, Pronation; Auswärtsdre­ hung, Supination). Die H.-Wurzelknochen bilden einen nach der Hohl-H. offenen Bogen, überden ein breites, fe­ stes Band gespannt ist. Unter diesem verlaufen die Sehnen der Beugemuskeln, eingehüllt in schlüpfrige Sehnenschei­ den. (Modell des Menschen nach S. 400) Die röhrenförmigen Mittelhandknochen II—IV sind untereinander ziemlich straff verbunden; der Mittelhand­ knochen I des Daumens gestattet eine so freie Beweglich­ keit wie ein echtes Fingerglied und kann dadurch den übri­ gen Fingern gegenübergestellt werden (Gegen-H.). Hier­ aufberuht die in vollkommener Weise nur dem Menschen eigene Fähigkeit des Greifens und Erfassens. Die zahlreichen, die H. und die Finger bewegenden Muskeln liegen teils am Vorderarm, teils entspringen sie an der H. selbst. Die Beugemuskeln gehen von der vorde­ ren, dem H.-Teller entsprechenden Fläche des Vorder­ arms und vom inneren Oberarmknochen aus, die Streck­ muskeln von der hinteren Fläche des Vorderarms. Der Zeigefinger besitzt einen besonderen Strecker, der Dau­ men und der kleine Finger, die ihrer freien Lage wegen bes. beweglich sein können, jeder noch eine Anzahl von z. T. in den H.-Ballen gelegenen Muskeln. Die H. wird durch 2 Schlagadern (Arterien), die Spei­ chen- und die Ellenarterie, mit Blut versorgt. Erstere ist die Pulsader, die auf der vorderen Fläche oberhalb der H.Wurzel längs des Speichenknochens dicht unter der Haut liegt. Beide Arterien stehen in der Hohl-H. durch einen oberflächl. und einen tiefliegenden Arterienbogen mit­ einander in Verbindung. Die Haut der H. ist im Bereich der Hohl-H. (H.-Teller) und an den Gelenkfalten fest an die darunterliegenden Ge­ webe angeheftet; sie ist reich an Gefühlsnerven, die v. a. an den Fingerspitzen mit besonderen, das Tasten vermit­ telnden Endorganen, den Tastkörperchen, versehen sind. Durch bes. feste Verwachsung der Haut mit der Unterlage bilden sich in der Hohl-H. mehrere Linien (H.-Linien), zwischen denen sich die Haut hervorwölbt. Verletzungen der Weichteile an der H. und den Fingern sind außerordentlich häufig, heilen aber i. d. R. unter keimfreien Verbänden sehr gut. Schwere Verletzungen er­ fordern Chirurg. Eingriffe. Sehnenverletzungen müssen meist genäht werden. Diagnostische Aspekte. Die H. ist ein dem Men­ schen wesenseigenes Ausdrucksmittel. Der diagnostizie­ rende Arzt kann an der H. oft schon vom Augenschein her verschiedene Krankheitszeichen erkennen. Abgesehen von bestimmten, meist nervös bedingten Störungen der H.-Haltung und H .-Beweglichkeit verdienen Gestalt-Än­ derungen der H. (Trommelschlegelfinger bei mit Blaufär­ bung der Lippen verbundenen Herz- und Lungenerkran­ kungen, Spinnenfingrigkeit, H.-Vergröberung bei der Akromegalie, Kleinfingerverkürzung bei der angebore­ 288

nen Syphilis u. a.) diagnost. Interesse. Weiterhin sind Fin­ gerzittern, Änderungen der H.-Farbe (Akrozyanose, Nikotinflecken), der Haut- und Nagelbeschaffenheit, Schwielenbildung bei angebl. Arbeitsunfähigkeit, Haut­ feuchtigkeit, Hauttemperatur, Pulsationsphänomene und nicht zuletzt der Grad der Hautalterung, die ein sicheres Zeichen für das tatsächl. Lebensalter ist, wich­ tige Anzeichen. Handlesekunst, Chiromantie, ^-Chirologie. Handpflege. Die Hände sind infolge ihrer ständigen, starken Beanspruchung bei der tägl. Arbeit allen von au­ ßen einwirkenden Schädigungen in besonderem Maß aus­ gesetzt, u. a. durch ehern. Reizstoffe der Wasch- und Spülmittelindustrie. Ihre Pflege darf schon im Interesse einer Erhaltung der vollen Arbeitskraft nicht vernachläs­ sigt werden. Gereinigt werden die Hände am besten mit warmem Wasser, milder, überfetteter Seife und weicher Bürste. Bei empfindl. Haut sollte nach dem Abtrocknen eine Handcreme oder ein Gelee in die noch feuchte Hand einmassiert werden, um Austrocknen zu verhindern; ent­ sprechende Präparate enthalten u. a. Glyzerin, Pflanzen­ säfte und Fette (-* Hautpflege, -» Nagelpflege). Handschriftendeutung, -»Graphologie. Handschweiß, übermäßige Schweißabsonderung (Hyperhidrose) an den Handinnenflächen und in den Zwischenfingerräumen; meist Zeichen einer vegetativen Störung, die auch durch Erkrankungen der Drüsen mit in­ nerer Sekretion (Schilddrüse, Eierstöcke) ausgelöst sein kann. Behandlung der Grunderkrankung ist erforderlich. Äußere Mittel (Puder, Salben) helfen nur vorübergehend. Hängebauch, im Stehen im Extremfall bis über die Leistengegend herabhängende, schürzen-, kugel- oder beutelförmige Vorwölbung der vorderen Bauchwand, häufig in Verbindung mit Nabelbruch oder Auseinander­ weichen der geraden Bauchmuskeln (Rektusdiastase), bes. bei Fettleibigkeit. Bei extremer Fettanhäufung im Bauchdeckenbereich kann operative Korrektur notwen­ dig sein. Der Bauchdeckenerschlaffung bei Mehrgebären­ den kann durch Schwangerschafts- und Wochenbettgym­ nastik sowie Tragen eines stützenden Umstandsgürtels vorgebeugt werden. Hängebrust, -»Brustdrüsen. Haptoglobine, Eiweißstoffe im menschl. Blutserum mit der Eigenschaft, Blutfarbstoff (Hämoglobin) zu bin­ den. Man kennt 3 Haupttypen der H., die neben mehreren Untergruppen beim Vaterschaftsnachweis Bedeutung er­ langt haben. Harn, Urin, von den Harnorganen abgesonderte Flüs­ sigkeit, welche die Endprodukte des Eiweißstoffwechsels und Mineralsalze in wäßriger Lösung enthält. Sie wird von den Nieren aus dem Blutplasma abfiltriert, über die Nierenbecken durch die H.-Leiter in die H.-Blase geleitet und dort gesammelt. Der normalerweise klare H. kann durch Beimengungen von Bakterien, Eiter oder Ausfäl­ lung anorgan. Stoffe (z. B. Phosphaturie) getrübt sein. Die Harnblase, ein muskuläres Hohlorgan, entleert den H. über die H.-Röhre durch Muskelzusammenziehung nach außen, wenn bei Füllungsvolumina zwischen 200 und 400 ml H.-Drang auftritt. Der Erwachsene entleert abhängig von der tägl. Trinkmenge in 24 Stunden 1000-2000 ml. Mit dem H. werden in konzentrierter Form Stoffwechselprodukte des Körpers (Schlacken), überschüssige Salze und Säuren ausgeschieden. Die Niere regelt den Säure-Basen-Haushalt des Körpers durch Ein­ sparen oder Abgabe von Säuren in den H. Obwohl die Schlackstoffe oft in 1 OOOfacher Konzentrierung vorkom­ men, benötigt die Niere zur Ausscheidung freies Wasser, das durch Trinken zugeführt werden muß. Konzentrierter H. ist dunkler durch Anreicherung mit Gallenfarbstof­ fen. Das -»spezifische Gewicht schwankt, abhängig vom Salzgehalt der Nahrung, zwischen 1,001 und 1,040, die Norm pendelt um 1,015. Die H.-Reaktion (pH) ist meist sauer, abhängig von der Art der Nahrung (bei vegetar. Kost auch neutral oder alkalisch). Bei Abkühlung können die im H. enthaltenen Salze als Kristalle ausfallen. Farb­

Harn änderungen des H. können u. a. durch Ausscheidung von Arzneimitteln hervorgerufen werden. Der normale H. ist frei von Eiweiß und Zucker. Eiweiß­ ausscheidung findet sich u. a. im Fieber, bei Nieren­ erkrankungen und bei entzündl. Erkrankungen der harn­ ableitenden Wege (Nierenbecken, H.-Blase usw.), Zuckerausscheidung erfolgt bei überhöhtem Blutzucker (-»Glykosurie) oder erniedrigter Blutzuckerschwelle. Die Untersuchung des frisch gelassenen H. gibt dem Arzt wertvolle diagnost. Hinweise. Der H.-Bodensatz (Sedi­ ment) wird durch Zentrifugieren gewonnen, man unter­ sucht ihn mit dem Lichtmikroskop; so können unter­ schiedl. zelluläre oder ungeformte Bestandteile gefunden werden, von denen manche krankhafte Veränderungen an Nieren, den H.-Wegen oder an anderen Organen des Körpers anzeigen. Für Untersuchungen auf Bakterien wird der -»Mittelstrahlurin verwendet sowie der Kathe­ ter-oder Blasenpunktionsurin. Die Untersuchung auf Tu­ berkulosebakterien wird am Morgen-H. vorgenommen (-►Nierentuberkulose). Ein vom Normalen abweichen­ der Harnbefund sollte immer Anlaß zu einer weiteren ärztl. Untersuchung sein. Harnabgang, unwillkürlicher H., kommt vor als Folge zerebraler Störungen, z. B. beim Schlaganfall, im epilept. Anfall, bei Verletzungen und Störungen des Schließmuskels (u. a. als Operationsfolge; -► Harnträu­ feln, -► Enuresis nocturna). Bei Frauen ist H. häufig Folge einer Senkung der Geschlechtsorgane (-»Gebärmutter­ verlagerung). Harnblase, das zur Ansammlung des Harns dienende Organ des Menschen und der meisten Wirbeltiere; ein bir­ nenförmiger, häutig-muskulöser Sack, der in leerem Zu­ stand mit aufeinanderliegender oberer und unterer Wand in der Höhle des kleinen Beckens dicht unter der Scham­ beinfuge liegt. Hinter der H. liegt beim Mann der Mast­ darm, bei der Frau die Gebärmutter. Die H. verengt sich nach unten zum Blasenhals, der in die Harnröhre über­ geht. Die Harnleiter münden am hinteren Teil des Blasen­ grunds in die H., indem sie die Blasenwand schräg durch­ bohren, so daß der Harn aus der Blase nicht in die Harnlei­ ter zurückfließen kann. (Modell des Menschen nach S. 400) Die H. ist innen mit einer gefäßreichen Schleimhaut ausgekleidet, außen, auf der der Bauchhöhle zugekehrten Fläche, teilweise vom Bauchfell überzogen. Zwischen Bauchfell und Schleimhaut liegt eine starke Muskelhaut. Die Muskelbündel verlaufen teils der Länge nach von oben nach unten und bilden so den Harnauspresser, teils sind sie senkrecht gegen den Blasenausgang gerichtet und wirken als Öffnungsmuskel. Sie bestehen aus glatter Mus­ kulatur und sind daher dem Willen nicht unterworfen. Ebenfalls glatt ist der Muskelzug, der schleuderartig den Anfangsteil der Harnröhre von vorn her umgreift. Ge­ meinsam mit dem den Anfangsteil der Harnröhre von hin­ ten her umgreifenden glatten (unwillkürl.) Harnröhren­ schließmuskel bildet jener schleuderartige Muskelzug den Blasenschließmuskel. Dagegen stammt der etwas weiter von der H. entfernte äußere Blasenschließmuskel von der Muskulatur des Damms, ist quergestreift und dem Willen unterworfen. Angeborene Mißbildungen. Bei der Verdopplung der H. finden sich Scheidewände, die die H. in 2 Teile tei­ len. Querverlaufende Klappen (Blasenhalsklappcn) kön­ nen die regelrechte Harnentleerung verhindern. Auch können Ausstülpungen (Blasendivertikel) angeboren sein. Unter Ektopie der H. versteht man eine Spaltung der Bauchdecken, in die sich die Blasen wand hineinwölbt; die Ektopie ist meist mit Entwicklungsstörungen der Ge­ schlechtsorgane, z. B. -»Epispadie, verbunden. Die Ope­ ration dieser Leiden erstrebt die Wiederherstellung des normalen Zustands. Geschwülste der H. Am häufigsten sind gutartige Po­ lypen. Ihre Entfernung ist ohne Eröffnung der Blase mit dem Operationszystoskop möglich. Von bösartigen Ge­ schwülsten sind die Krebsgeschwülste am häufigsten. Bla­ sengeschwülste, z. B. -* Blumenkohlgewächse, verraten sich häufig durch blutig verfärbten Harn. Dieses Anzei­ AB 19

chen sollte immer der Anlaß sein, sofort einen Arzt aufzu­ suchen. Weitere Krankheiten: -»Enuresis nocturna, -»Harn­ blasenentzündung, -» Harnblasensteine. Reizzustände der H. nennt man -» Reizblase. Harnblasendruckmessung. Durch Einlegen eines dünnen Katheters durch die Harnröhre in die Harnblase werden der Füllungsdruck der Blase, der erste Reiz zum Wasserlassen sowie der Entleerungsdruck über Druck­ wandlerelemente elektronisch gemessen und aufgezeich­ net. Die gleichzeitige Messung des Schließmuskeldrucks sowie des Mastdarmdrucks lassen Rückschlüsse auf ner­ venbedingte Lähmungen der Harnblase zu, desgleichen auf mechan. Hindernisse unterhalb der Blase im Bereich der Harnröhre oder auf einen gestörten Blasenentlee­ rungsreflex. Harnblasen|entzündung, Blasenkatarrh, Zy­ stitis, häufigste Erkrankung der Harnblase, hervorgeru­

fen durch Bakterien, meist Kolibakterien (Bakteriurie), die von außen durch die Harnröhre oder unmittelbar durch den Harnleiter von der infizierten Niere in die Blase gelangen können. Frauen sind häufiger betroffen: Durch die 2—4 cm kurze weibl. Harnröhre können Erreger leich­ ter als beim Mann aus der Genitalregion in die Harnröhre ein wandern. Harnabflußhindernisse wie Harnröhrenverengung, Prostatavergrößerung, Harnblasensteine sowie Blasen­ lähmung begünstigen die Infektionsbereitschaft. Allge­ meinerkrankungen, z. B. Zuckerkrankheit oder Krebs, können durch Schwächung der körperl. Abwehr die Ent­ stehung einer Entzündung begünstigen. Kennzeichen: Brennen beim Wasserlassen, bei schwerer Entzündung das Blutharnen am Ende des Was­ serlassens, häufiges sowie schmerzhaftes und zwanghaf­ tes Wasserlassen (-»Harnzwang). Bei Kindern, die sonst nachts trocken waren, kann es durch H. zum Bettnässen kommen. Bei häufigen H. müssen durch -»Zystoskopie eine Tuberkulose oder ein Tumor u. a. ausgeschlossen werden. Behandlung: reichlich trinken, keinen Alkohol. Die Harnmenge sollte bei Erwachsenen mindestens in 24 Stunden 1500 ml betragen. Wärmeanwendung auf die Unterleibsgegend begünstigt die Heilungstendenz, ist aber bei Blutungen zu vermeiden. Der Arzt verordnet harnwegdesinfizierende Medikamente (Sulfonamide, Antibiotika, Nitrofuranderivate). Die Selbstheilungstendenz der einfachen H. ist groß und wird unterstützt durch häufige Blasenentleerung (Auswascheffekt). Vordringlich müssen Abflußhinder­ nisse in den harnführenden Wegen beseitigt werden. In­ strumentationen an den unteren Harnwegen (Katheter, Spiegelung u. ä.) begünstigen die Infektion und sollten, bei angezeigter Zurückhaltung, steril unter Verwendung von Desinfektionsgleitmitteln durchgeführt werden. Harnblasenfistel, 1) durch Punktion über dem Schambein mittels einer Nadel geschaffene Öffnung der Harnblase, in die ein dünner Plastikschlauch eingeführt wird. Die H. kann auch operativ angelegt werden. 2) krankhafte Verbindung der Harnblase mit Nachbar­ organen, meist dem Darm mit Entstehung einer Mastdarm-Blasen-Fistel; kann Folge eines Divertikeldurch­ bruchs (-► Divertikulose) sein. Die H. ist zu unterscheiden von der -► Harnfistel. Harnblasenkrebs, eine meist vom Übergangsepithel der Blasenschleimhaut ausgehende, überwiegend zotten­ artige (papilläre), bösartige Geschwulst (-► Zottenkrebs). Bevorzugt erkranken ältere Menschen, Männer häufiger als Frauen. Ein Teil des H. wird durch ehern. Karzinogene hervorgerufen (-► Berufskrebse), aber auch dem Nikotin­ mißbrauch zugeschrieben. Häufig entsteht H. in Ägypten Harnblase: männl. H. von vorn, geöffnet; 1 Harnleiter, 2 Blasenmuskulatur, 3 Blasengrund, 4 Blasendrcicck, 5 Mündung der Ausführungsgänge der Prostata, 6 Harn­ röhre, 7 Mündung der Samenausspritzungsgänge, 8 Pro­ stata (Vorsteherdrüse), 9 Mündung der Harnleiter, /0 Blasenschleimhaut im Schnitt, 11 Relief der gefalteten Blasenschleimhaut, 12 Harnleiter, 13 mittleres Nabel­ band, 14 Blasenscheitel 289

Harnblase

Harn

W'

Harnblasenslein am Blasenboden (Röntgenbild)

schon bei jüngeren Menschen, die an -»Bilharziose er­ krankt sind (onkogene Parasitenwirkung). Wichtiges Krankheitszeichen ist die -»Hämaturie, die anfangs nur durch eine mikroskop. Untersuchung oder mittels Teststreifen des Harns nachgewiesen werden kann. Die Diagnose läßt sich dann mit Hilfe der -»Zystoskopie stellen. Behandlung: Der H. muß operativ unter Wegnahme gesunden Gewebes der Umgebung entfernt und das Gewebe anschließend mikroskopisch untersucht wer­ den. Die Feststellung des Grades der Bösartigkeit und des von der Geschwulst erreichten Stadiums (-»Krebs­ geschwülste) bestimmt die Art der Nachbehandlung und ermöglicht es, eine Prognose zu stellen. Wie bei gutartigen Polypen besteht auch beim H. eine starke Neigung zu Rückfällen. Harnblasenspiegelung, die -»Zystoskopie. Harnblasensteine, steinähnl. Zusammenballung von festen Harnbestandteilen; entsteht in der Harnblase bei chron. Blasenentleerungsstörungen mit unvollständi­ ger Harnentleerung. Anzeichen sind: Schmerzen in der Blasengegend, bes. bei Bewegung, Harnzwang, plötzl. Unterbrechung des Harnstrahls während des Wasserlas­ sens, Hämaturie, häufige Harnblasenentzündungen. Die Diagnose ist durch Röntgenaufnahme und Blasenspiege­ lung (Zystoskopie) möglich, dadurch Abgrenzung gegen inkrustierte Fremdkörper, Blasentumor und Harnblasen­ entzündung. Ein H. wird entweder während der Zysto­ skopie oder mechanisch durch ein Steinzertrümmerungs­ instrumententfernt, notfalls, v. a. bei bes. harten und gro­ ßen Steinen, durch Bauchschnitt, eine der ältesten Opera­ tionen (>SteinschnittLehrbuch der ChirurgieUrämiegift< gibt es nicht. Die klin. Anzeichen sind vielgestaltig und werden wegen ihrer uncharakterist. Vielfalt anfangs häu­ fig in ihrer Zuordnung verkannt. Krankheitszeichen: Müdigkeit, Leistungsknick, Durst. Zunächst -» Harnflut und -» Nykturie, im weiteren Verlauf geht die Harnausscheidung jedoch oft drastisch zurück. Die Kranken werden anämisch, haben oft eine schmutzig graugelbl. Hautfarbe mit trockener, schup­ pender Haut; sie leiden zunehmend unter Wadenkrämp­ fen und Schlafstörungen. Im weiteren Verlauf kommt es zu Kopfschmerzen, Apathie, Übelkeit, Appetitlosigkeit, Erbrechen, oft quälendem, langdauerndem Schluckauf (Singultus). Charakteristisch ist ein den Kranken umge­ bender Harngeruch (Foetor uraemicus). Der Reststick­ stoff im Blutserum ist erhöht, eine bedrohl. -* Hyperkali­ ämie ist häufig. Weiter finden sich Störungen im KalziumPhosphat-Stoffwechsel, der Blutfarbstoff sinkt ab (An­ ämie). Es kommt zur -» Azidose, weil bei der H. auch die Wasserstoffionen nur unvollständig ausgeschieden wer­ den können. Für das Endstadium der Erkrankung ist die -►Kussmaulsche Atmung kennzeichnend und schließlich die Bewußtlosigkeit im urämischen Koma. Behandlung durch -»Dialyse. Eine Nierentransplan­ tation sollte angestrebt werden. Unerläßlich sind frühzei­ tig einsetzende diätet. Maßnahmen, die dem Einzelfall an­ zupassen sind; der Patient muß über die Durchführung in allen Einzelheiten gründlich unterrichtet werden. Harnverhaltung, -► Harnsperre. Harnwege, die Gesamtheit des harnableitenden Hohlsystems: Nierenkelche, Nierenbecken, Harnleiter, Harnblase und Harnröhre. Harnzucker, überwiegend bei Zuckerkrankheit, sel­ tener auch bei anderen Zuständen (z. B. nach überreichl. Zuckergenuß oder Infusionsbehandlung mit Glucoselö­ sungen) im Harn nachweisbarer Traubenzucker (-»Glykosurie). Wird H. festgestellt, soll immer eine Bestim­ mung des -► Blutzuckers erfolgen. Harnzwang, imperativer Harndrang, häufiger, oft quälender Drang zum Urinieren, teilweise unter bren­ nenden Empfindungen, eine Form der Dysurie; bei gerin­ gem Harnblaseninhalt werden oft nur wenige Tropfen entleert. Ursachen: Harnblasenentzündung, Steine in Blase oder Harnröhre, Entzündungen oder Polypen der Harnröhre, entzündl. Vorhautverengung. Auch ein ge­ ringes Blasenfüllungsvolumen (Schrumpfblase), z. B. als Bestrahlungsfolge, kann die Ursache eines H. sein. Behandlung: DieU rsachen des H. sind stets vom Arzt festzustellen, reizlose Diät und vermehrte Aufnahme mil­ der Getränke verringern die Beschwerden. Hartleibigkeit, die-»Verstopfung. Hartmannbund, Verband der Ärzte Deutsch­ lands e.V., freiwilliger, privatrechtl. Zusammenschluß

von Ärzten in den verschiedenen Tätigkeitsbereichen, mit Schwergewicht jedoch auf der freien Praxis. Der H. hat seinen Sitz in Bonn-Bad Godesberg, er verfolgt die berufspolit. und wirtschaftl. Ziele seiner Mitglieder. Gegründet 1900 durch den Leipziger Arzt H. Hartmann (* 1863, f 1923), ging der H. nach 1933 in der Kassenärztlichen Vereinigungauf; Neugründung nach dem2. Weltkrieg als nicht körperschaftlich gebundene Berufsorganisation. Hartmetall-Lungenfibrosen, seltene Berufskrank­ heit, die durch langzeitige Einwirkung (Einatmen) von Metallrauchen oder -stäuben von Sinterkarbiden (Pulver­ mischung aus Wolfram-, Titan-, Tantalkarbid und Ko­ balt) oder Gußkarbiden (Wolfram-, Molybdänkarbid) verursacht wird. Krankheitszeichen sind Husten, Aus­ wurf, Atemnot. Behandlung symptomatisch. Hartspann, eine Gewebehärte, Verhärtung des gan­ zen Muskels, oft zusammen mit örtl. Muskelhärten (z. B. lumbaler Hexenschuß). Abkühlung begünstigt Störun­ gen der Blutzirkulation und damit den H. Überanstren­ gung und Fehlbelastungen bestimmter Muskelgruppen können ein Mißverhältnis in der Muskelarbeit schaffen. Der H. ist Muskelkrämpfen, z. B. -► Wadenkrämpfen, nicht gleichzusetzen. — Behandlung: Massage, Wärmean­ wendungen, -» Kurzwellenbehandlung.

Haus Harvey [h'a:vi], William, engl. Anatom und Arzt, •Folkestone 1578, fHampstead 1657, Arzt am St.-Bartholomew’s-Hospital, dann Prof, in London, Leibarzt Jakobs I. und Karls L; entdeckte den großen Blutkreis­ lauf und veröffentlichte die neue Lehre 1628 in der Schrift >Exercitatio anatomica de motu cordis et sanguinis in animalibus< (dt. Die Bewegung des Herzens und des Blutes der Tiere). Bei Studien an Tierembryonen kam er in Exer­ citationes de generatione animalium< (1651; dt. Untersu­ chungen zur Entstehung der Tiere) zu der Überzeugung: >Alles Lebendige stammt aus dem EiSchönheitÄrzte für Allgemeinmedizin< (Allgemeinärzte) sowie nie293

William Harvey

Haus dergelassene Ärzte ohne diese Weiterbildung, die die Be­ Hautschichten. Die H. besteht aus 3 in ihrem gewebl. zeichnung >Arzt< oder praktischer Arzt< führen. I. w. S. Aufbau verseh. Schichten (mikroskop. Querschnitt). werden als H. aber auch niedergelassene Ärzte anderer 1) Die Ober-H. (Epidermis) hat mehrere, sich im Sinn Fachgebiete tätig. einer fortschreitenden Verhornung weiterentwickelnde Lagen von Zellen. Von der untersten Lage, der Keim­ Haus|entbindung, -»Geburt. häusliche Krankenpflege, Pflege und Betreuung schicht, her werden alle diese Zellen neu gebildet, die auf eines Kranken im Familienhaushalt (im Ggs. zum Kran­ ihrem Weg von unten nach oben mehr und mehr abplatten kenhaus oder Pflegeheim). Traditionell ging die h. K. von und verhornen. Als Endergebnis entsteht so die Hornden Kirchen (Gemeindekrankenpflege), teilweise auch schicht, eine abgestorbene, fest miteinander verfilzte von Städten und Gemeinden aus. In den letzten Jahren ha­ Masse von verhornten Zellen, die einen festen Abschluß ben in vielen Fällen Sozialstationen die h. K. übernom­ nach außen bildet. Ständig schuppen sich in geringem men. Während in der Gemeindekrankenpflegei, d. R. nur Grad Zellen von dieser Hornschicht ab. In die Zellen der eine geprüfte Krankenschwester (Ordensschwester) tätig Ober-H. sind in mehr oder weniger großer Menge braune war, arbeiten in den Sozialstationen eine oder mehrere Farbkörperchen, das Pigment, eingelagert; es wird eben­ Krankenschwestern mit Pflegehelferinnen, Haushalts­ falls in der Keimschicht gebildet. helferinnen, z. T. auch mit Sozialarbeitern zusammen. Sozialstationen werden staatlich gefördert, weil mit ihrer Hilfe die ambulante Betreuung Kranker und Behinderter verbessert und zugleich in bestimmten Fällen kostspielige Haut: Krankenhauspflege, die ärztlich nicht oder nicht mehr a Oberhaut: notwendig ist, eingespart werden kann. b Lederhaut; Die Aufgaben der h. K. bestehen v. a. in der pfleger. und c Unterhautzellfürsorger. Betreuung von Kranken (zu Hause oder in der gewebe; Pflegestation) sowie in der Unterstützung bei Heil- und d Hornschicht Oberhaut; Hilfsmaßnahmen auf Anordnung des Arztes (z. B. Über­ der e Keimschicht wachen der Ernährung und des Einnehmens der Medika­ der Oberhaut; mente, regelmäßige Injektionen, Auswechseln von Dau­ /Haarmark; erkathetern u. ä.). g Haarrinde; Die Kosten einer h. K. werden von der gesetzl. Kranken­ h Haarzwiebel; versicherung getragen, wenn an sich Krankenhauspflege k Haarpapille; Haarmuskel; geboten wäre, aber nicht ausführbar ist, oder Kranken­ m n Haarbalg­ hauspflege dadurch entbehrlich wird, ferner dann nach drüse; Maßgabe der Satzung, wenn die h. K. zur Sicherung der o Schweiß­ ärztl. Behandlung erforderlich ist (§ 185 RVO). H. K. wird drüsenknäuel; nicht gewährt, wenn eine im Haushalt lebende Person den p Schweiß­ drüsenausfüh­ Kranken pflegen kann. In besonderen Fällen bezahlt die Krankenkasse bei rungsgang; q Blutgefäße Krankenhaus- oder Kuraufenthalt oder wegen Mutter­ der Haut; schaft einer Hausfrau eine Ersatzkraft (Haushaltshilfe), r Fettgewebe; wenn keine andere im Haushalt lebende Person den Haus­ s Nerven halt weiterführen kann. 2) Die Lederhaut (Korium) besteht überwiegend aus ei­ Haustierhaltung. Bei den zahlreichen vom Tier auf nem dichten Geflecht von Bindegewebsbündeln und elast. den Menschen übertragbaren Erkrankungen besitzen be­ Fasern, die eng miteinander verflochten sind. Zahlreiche sonders in Europa die Haustiere als Infektionsquelle die Blut- und Lymphgefäße durchziehen diese Schicht und größte Bedeutung. Die Ursachen liegen in dem engen verzweigen sich in ihr und bes. in den Papillen, die eine mit Kontakt zwischen Haustier und Mensch sowie der Kon­ der Ober-H. wellenförmig verzahnte Grenzlinie bilden. zentrierung vieler Tiere auf engem Raum (Stallhaltung, Pigmenttragende Zellen (Chromatophoren) sind in wech­ technisierte Tierproduktion) mit der Möglichkeit zur selnder Zahl eingelagert. Auch die H.-Anhangsgebilde massenhaften Ausscheidung und Verbreitung von Krank­ (Haare, Talg- und Schweißdrüsen) finden sich in der Leheitserregern. Wichtige auf den Menschen übertragbare der-H. in je nach Körperstelle verschiedener Menge. Die Erkrankungen sind: Haare durchziehen die H. in etwas schräger Richtung, die bei Wiederkäuern: Brucellose, Kuhpocken, Milz­ Haarwurzel zeigt eine zwiebelförmige Verdickung und brand, Q-Fieber, Salmonellose, Trichophytie, Tuberku­ liegt an der unteren Grenze der Leder-H.; an der Haar­ lose und Zystizerkose; wurzel greift ein Bündel glatter Muskelfasern an, welches bei Schweinen: Brucellose, Influenza, Leptospirose, das Haar, z. B. bei Kälteeinwirkung, aufrichten kann. Milzbrand, Rotlauf, Salmonellose, Toxoplasmose, Tri­ Mehrere Talgdrüsen umgeben den oberen Teil des Haa­ chinose und Tuberkulose; res; diese Drüsen erzeugen das H .-Fett und entleeren es in bei Pferden: Mikrosporie und Trichophytie. den Austrittsgang des Haares, den Follikel. Außerdem bei Hund und Katze: Echinokokkose, Hundespul­ gibt es in der Leder-H. noch eine große Anzahl anderer wurm, Leptospirose, Katzenkratzkrankheit, Mikrospo­ Talgdrüsen, die ohne Bindung zu den Haaren den H.-Talg rie, Tollwut, Toxoplasmose (Katze), Trichophytie und in feine Poren der H.-Oberflächeabsondern. Bei Verstop­ Tuberkulose; fung der Talgporen entstehen die Mitesser. Die Schweiß­ bei Geflügel: Ornithose, Salmonellose und Tuberku­ drüsen reichen mit ihrem zu einem Knäuel aufgewunde­ lose. Besonders in den außereurop. Ländern kommen nen Drüsenende tief in die Leder-H., teilweise bis ins Un­ noch zahlreiche weitere Erkrankungen als Ansteckungs­ terhautzellgewebe herunter. In inniger Berührung mit quelle für den Menschen vor. Ein erheblicher Prozentsatz feinsten Blutgefäßen bildet sich in den Schweißdrüsen­ der Erreger von Tierkrankheiten kann besonders in Ein­ knäueln der Schweiß. Er wird durch den senkrecht nach zelfällen auch für den Menschen krankheitserregend (pa­ oben verlaufenden, in der Ober-H. spiralig gewundenen thogen) sein. Neben der Bekämpfung der Tierkrankhei­ Ausführungsgang auf die Oberfläche der H. abgegeben. ten ist die persönliche Hygiene beim Umgang mit Tieren Überall in der Leder-H. sind feinste Endfasern oder auch und bei der Bearbeitung von tierischen Produkten eine un­ bes. ausgebildete Endapparate der verschiedenartigen entbehrliche Vorbeugungsmaßnahme. großen Nervenstränge verteilt, mit ganz zarten Fäserchen Haut, Cutis, Derma, die äußere Bedeckung der gan­ reichen sie sogar bis in die Ober-H. hinein. 3) Das Unterhautzellgewebe (Subcutis) zeigt keine zen Körperoberfläche des Menschen, ein großes und be­ deutungsvolles Organ; die H. stellt die Verbindung mit scharfe Begrenzung gegenüber der darüber befindl. Leund gleichzeitig die Abgrenzung von der Umwelt her und der-H., auch im Aufbau besteht keine grundsätzl. Verhat deshalb wichtige Aufgaben für den Gesamtorganis­ schied.nheit. Blut-, Lymphgefäße und Nervenfasern sind hier ebenfalls vorhanden. Das Bindegewebe lockert sich mus zu erfüllen. 294

Haut nach unten hin auf, Fettgewebe lagert sich in traubenför­ miger Anordnung in wechselnd großer Menge ein. Diese Schicht ist bei den einzelnen Menschen sehr verschieden dick. Anlage, Geschlecht, Alter, Tätigkeit der innersekretor. Drüsen und körperl. Inanspruchnahme spielen hier­ bei eine entscheidende Rolle. Aufgaben, Physiologie. Die H. dient dem Körper als Schutz in mehrfacher Hinsicht. Die derbe, feste Hornschicht läßt Schmutzteilchen und Krankheitserreger nicht in tiefere Gewebsschichten gelangen. Festigkeit der Hornschicht im Verein mit der ständigen Abschuppung und gu­ ter Durchfettung vermindern die Einwirkung von haut­ schädigenden Stoffen (Säuren, Laugen u. a.) wesentlich. Alle H.-Schichten zusammen wirken als schlechte Wär­ me- und Elektrizitätsleiter und geben somit einen gewis­ sen Schutz gegen Wärme, Kälte und die Einwirkungen elektr. Ströme. Der durch Verdunstung des sauren Schweißes sich bildende Säuremantel der H. hemmt die Entwicklung vieler Krankheitskeime. Die unter dem Ein­ fluß der Sonnenstrahlen in der H. einsetzende Bildung von braunen H.-Farbstoffkörnchen (Pigment) vermin­ dert die Schädigung durch zu starke Belichtung ebenso wie der rote Blutfarbstoff der Erythrozyten in den Gefä­ ßen. Bestimmte Bestandteile des Oberhautfetts werden unter der Mit Wirkung von ultravioletten Strahlen des Son­ nenlichts in Vitamin D umgewandelt, das dem Körper auf dem Blutweg zugeführt wird, ein Vorgang, der bei der Verhütung und Heilung der Rachitis wichtig ist. Als Aufnahmeorgan ist die H. von geringer Bedeutung. Die unverletzte H. verhindert auch in hohem Maß das Ein­ dringen von gasförmigen oder gelösten Stoffen. Bei groß­ flächigen H.-Schädigungen (Verbrennungen, Ekzemen) ist allerdings Vorsicht bei Verwendung von stärker wir­ kenden Mitteln (Salizylate, übermangansaures Kalium) in Form von Salben oder Umschlägen geboten; durch Aufsaugen dieser Stoffe kann es zu Vergiftungen kom­ men. Die >H.-Atmung< ist keine Atmung, es erfolgt keine Aufnahme von Sauerstoff und Abgabe von Kohlen­ dioxid, sondern nur eine Wasserabdunstung. Diese Wasserabdunstung ist eine wichtige Funktion der H. im Dienst der Ausscheidung. Schon in Form dieser un­ fühlbaren H.-Atmung werden innerhalb 24 Stunden durchschnittlich 500—600 ml Wasser abgedunstet, ohne daß es dem Menschen zum Bewußtsein kommt. Beim Schwitzen kann die Wasserabgabe bis auf 2 1 ansteigen. Mit dem -► Schweiß werden in kleinen Mengen Kochsalz, Harnstoff und -säure ausgeschieden. Bei schweren Nie­ renerkrankungen können verschiedene für den Organis­ mus schädl. Stoffe in vermehrtem Maß durch den Schweiß abgesondert werden, wodurch eine fühlbare Ent­ lastung der erkrankten Nieren erzielt wird. Eine stark er­ höhte Kochsalzausscheidung im Schweiß findet sich bei der -»Mukoviszidose. An der Wärmeregulierung des Körpers ist die H. maßgeblich beteiligt. Die unzähligen kleinen und größe­ ren Blutgefäßnetze der H. können je nach dem Grad ihrer Füllung einen großen Teil des gesamten Körperbluts in sich aufnehmen. Ihr Füllungszustand wird durch Erweite­ rung oder Verengung der Gefäße vom Zentralnerven­ system automatisch gesteuert (Erröten bei Schamgefühl oder Erregung, Erblassen bei Schreck und Freude). In ähnl. Weise reguliert das Wärmezentrum im Gehirn je nach Notwendigkeit die Blutdurchströmung der H.-Ge­ fäße zum Zweck der Erhaltung einer gleichmäßigen Haut­ temperatur. Die Bedeutung der H. als Sinnesorgan wird durch ihre reiche Versorgung mit Nerven aller Art gekennzeichnet. Feinste Verzweigungen von sensiblen Nervenfasern und -endapparaten in allen Schichten der H. dienen der Aufnahme und Vermittlung der von außen einwirken­ den Reize. Tast-, Schmerz- und Temperatursinn haben in der H. jeweils eigene Aufnahmeorgane. Jede dieser Empfindungen kann nur von bestimmten Punkten der H. aufgenommen werden. Als Wärmepunkte sind die Ruffinschen Spindeln, als Kältepunkte die Krause-Endkoiben, als Druckpunkte die Merkelschen Tastzellen und als Schmerzpunkte freie Nervenenden in der Ober­ haut ermittelt.

Das funktionsgerechte Arbeiten der H.-Gefäße und -Anhangsgebilde, überhaupt die gesamte Lebenstätigkeit der H. und ihr Zusammenspiel mit dem allgemeinen Stoffwechsel, wird von Nerven des vegetativen Nervensy­ stems gesteuert. Haut |abschürfung, Exkoriation, jeder oberflächl. Substanzverlust der Haut, durch den diese ihren schützen­ den, hornartig festen Epidermisüberzug verliert und so­ mit das blutgefäß- und nervenreiche Gewebe der Leder­ haut bloßgelegt wird. H. gehören zu den alltägl. kleinen Verletzungen, kommen z. B. häufig bei Kindern vor, wenn sie sich v. a. durch Hinfallen verletzen. Behandlung: Die Wunde soll nicht ausgewaschen, der Schmutz aber durch Abtupfen vorsichtig entfernt werden, um die Wunde herum auch mit Wasser und Seife. Danach kann die Wunde ggf. mit sauberem Mullappen oder Taschentuch abgedeckt werden. Sobald wie möglich sollte ein Heftpflaster- oder Bindenschutzverband mit ei­ ner speziellen Wundsalbe angelegt werden, um das Ankle­ ben zu vermeiden und eine Infektion zu verhüten. Beim Abheilen bildet sich ein Schorf, der von selbst abfallen soll. Wie bei jeder Verletzung entscheidet der Arzt auch bei einer kleineren H., ob eine Schutzimpfung gegen -►Wundstarrkrampf notwendig ist. Haut|arzt, Dermatologe, Arzt, der nach entspre­ chender Weiterbildung (-»Arzt) in den Fachgebieten der Dermatologie (Lehre von den Hautkrankheiten) und Ve­ nerologie (Lehre von den Geschlechtskrankheiten) als niedergelassener Arzt in eigener Praxis oder als Kranken­ hausarzt Haut- und Geschlechtskrankheiten behandelt. Haut|atmung, -»Haut. Hautlatrophie, der-»Hautschwund. Haut|ausschlag, -»Ausschlag, -»Exanthem. Hautbank, Gewebebank, in der menschl. Haut (Haut­ lappen) für die -» Hauttransplantation aufbewahrt wird. Hautblase, -»Blase, -»Effloreszenz. Hautblüte, volkstüml. Bez. für-»Effloreszenz. Hautbräunungsmittel, -»Bräunungsmittel. Hautcreme, aus Wasser und Fetten oder fettähnl. Stoffen bestehende Emulsion zur Hautpflege. Hautdrüsen, ein- oder mehrzellige -» Drüsen, bes. die Schweiß-, Milch- und Talgdrüsen. Haut|emphysem, krankhafte Ansammlung von Luft oder Gas im Unterhautzellgewebe. Hautentzündung, Dermatitis, eine mit Rötung, Schwellung, Schmerzhaftigkeit, Bläschen- oder Blasen­ bildung, Abstoßung der Hautdecke und Nässen einherge­ hende Reizung der Haut, die an umschriebener (einge­ grenzter) Stelle oder über den ganzen Körper ausgebreitet vorkommen kann. Als Ursachen sind in erster Linie die bereits beim -» Erythem, dem leichtesten Grad der H., ge­ nannten Schädigungen zu erwähnen. Im Berufsleben sind es bes. die ehern. Reizstoffe, die häufig zur H. führen. Säuren, Laugen, Ätzmittel, Beizen, Reinigungsmittel u. a. lösen, wenn eine bestimmte Konzentration über­ schritten wird, bei jedem Menschen eine H. aus. Dasselbe gilt für eine Reihe von äußerlich angewendeten Arznei­ stoffen, z. B. Jod, Silbernitrat (Höllenstein), Teerpräpa­ raten. Einwirkungen von Hitze und Kälte verändern je nach Intensität und Dauer der Einwirkung jede Haut im Sinn einer Verbrennung oder Erfrierung. Bestrahlungen mit Ultraviolettlicht (Sonnenstrahlen, künstl. Höhen­ sonne) oder Röntgenstrahlen werden ebenfalls nur in be­ stimmter Menge vertragen. Wenn sich die H. auf kleine Hautstellen beschränkt, wird das Allgemeinbefinden nicht beeinträchtigt. Je grö­ ßer aber die Ausbreitung und je intensiver die Entzündung ist, um so höher ist zumeist auch die begleitende Fieber­ reaktion. Spielt bei der Krankheitsentstehung eine Überempfind­ lichkeit (Allergie) der Haut entweder bestimmten Stoffen gegenüber oder mehr allgemeiner Natur eine wesentl. Rolle, dann handelt es sich nicht mehr um eine H., son­ dern um das akute Stadium eines Kontaktekzems. Beide Krankheitsbilder können sich in der Erscheinungsform zunächst völlig gleichen, unterscheiden sich aber in ihrer Entstehungsweise und ihrem weiteren Verlauf grundsätz295

Haut

lieh (-»Ekzem). Allerdings können auch hier die Über­ gänge von der H. zum akuten Ekzem fließend sein. Bei der Behandlung der H. wird der Arzt sein Haupt­ augenmerk darauf richten, die reizauslösende Ursache festzustellen und auszuschalten. Bei H., die im wesentl. nur Rötung und Schwellung aufweisen, genügt meist die Anwendung corticoidhaltiger Lösungen oder Cremes für einige Tage. Bei stark nässenden Veränderungen sind feuchte, kühlende, entzündungshemmende Umschläge mit abgekochtem Wasser sowie Unterfetten mit Corticoidcreme empfehlenswert. Vorsicht vor reizenden Stof­ fen wie Arnika, essigsaurer Tonerde, Heilerde. Hautfarbe, die Färbung der menschl. Haut, die von rosigweiß über gelbl. und braune Töne bis tief schwarz va­ riiert. Sie hängt v. a. von der erbl. Fähigkeit ab, weniger oder mehr Pigment (Melanine) in den Zellen der Oberhaut zu bilden. I. d. R. sind bei Hellhäutigen Augenlider, Brustwarzen, Geschlechtsteile stärker pigmentiert als der Rumpf, dieser dunkler als die Gliedmaßen, deren Streck­ seiten dunkler als die Beugeseiten. Geringste Pigmentie­ rung, bei Dunkelhäutigen bes. auffallend, zeigen bei allen Rassen die Innenflächen von Hand und Fuß. Die Hautfarbe dient häufig als Hauptmerkmal in Ras­ sensystematiken (weiße, gelbe, schwarze Rasse). Die Ver­ breitung dunkler Töne in heißen und die heller Töne in ge­ mäßigten und kühlen Zonen ist Folge der Anpassung an die unterschiedl. Intensität der Sonneneinstrahlung, bes. des UV-Lichtanteils. — In (erbbedingten) Grenzen rea­ giert die Haut auf verstärkte Belichtung mit vermehrter 296

Pigmentbildung (Sonnenbräune); bei übermäßiger Be­ strahlung oder ausgeprägter Hellhäutigkeit zeigt sich oft nur Rötung (Sonnenbrand). Der genaue Erbgang der Hautfarbe ist bis heute nicht erforscht; wahrscheinlich wirken mehrere, sich beeinflus­ sende Genkomplexe zusammen. Nachkommen von El­ tern sehr unterschiedl. Hautfarbe (z. B. negrid und europid) stehen i. d. R. zwischen den Ausgangsrassen; in fol­ genden Generationen sind aber oft unterschiedl. Hautfar­ ben bei Geschwistern zu beobachten. — Als extreme Va­ riante gilt der erbl. Farbstoffmangel (Albinismus), eine mutative Veränderung des Pigmentstoffwechsels liegt bei Rothaarigkeit vor. Als lokale Überpigmentierungen der Haut werden z. B. Sommersprossen und Muttermal ge­ wertet. Hautfeuchtigkeit ist ein wichtiges Anzeichen für die Krankheitserkennung. Normalerweise ist die Haut warm, von einer natürl. und zur Abwehr gegen vielerlei Unzu­ träglichkeiten notwendigen, durch Hautfett und geringe Verdunstung filmartig erzeugten, seidenartigen Beschaf­ fenheit. Sie gewinnt an Feuchtigkeit durch Schweiß in­ folge von körperl. Bewegung, seel. Erregung, vegetativer Dystonie, nach Kaffeegenuß u. a. Bes. an Händen und Fü­ ßen findet sich gesteigerte H. gemeinsam mit deutl. Ab­ kühlung bei Kreislaufstörungen. Eine warme und durch vermehrte H. samtartig wirkende Haut kennzeichnet Überfunktion der Schilddrüse (Hyperthyreose). Diagno­ stisch wichtig ist die Zunahme der H. bei Infektionen, wo ihr Auftreten den besten Zeitpunkt für eine Schwitzpak-

Haut kung anzeigt, und bei der Herzschwäche, wo das Wieder­ feuchtwerden der vorher trockenspröden Haut erkennen läßt, daß die Wasserausscheidung, d. h. die Mobilisierung der angestauten Gewebsflüssigkeit, in Gang kommt. Auf­ fallend trockene Haut findet sich bei der Schilddrüsenun­ terfunktion (Hypothyreose; -»Myxödem) und bei ange­ borenem Fehlen der Schweißdrüsen. Hautfinne, volkstüml. Bezeichnung für kleine knöt­ chenförmige oder eitrige Veränderungen in der Haut und an den Haarbälgen. Hautflechte, nässende H., volkstüml. Bezeich­ nung für ein nässendes -► Ekzem.

mitteln weitere wichtige Hinweise. Spezialuntersu­ chungsmethoden ermöglichen meist eine einwandfreie Krankheitserkennung, obwohl viele H. einander sehr äh­ neln. Eine Sonderstellung unter den H. nehmen die Infek­ tionskrankheiten ein, soweit sie mit krankhaften Verän­ derungen der Haut (und auch der Schleimhäute) verbun­ den sind, wie Masern, Pocken, Scharlach u. a. Sie werden als akute exanthematische H., bei Schleimhautverände­ rung als enanthematische H. bezeichnet. In der folgenden Übersicht werden in den einzelnen Sparten nur wenige wichtige H. beispielhaft angeführt.

Hautgeschwülste, gutartige H., Tumoren der Haut, umschriebene, nicht entzündl. Gewebsneubildun­

I. H. mit vorwiegend äußeren Ursachen. A. Lebende Erreger. 1) H. durch tier. Parasiten (Läuse, Krätzmilben): -►Krätze, -» Hautmaulwurf; 2) H. durch Hautpilze: -»Bartflechte, -* Hautpilz­ krankheiten; 3) H. durch Bakterien: -»Impetigo, -»Wundrose, -* Hauttuberkulose; 4) H. durch Viren: -»Herpes, -»Gürtelrose. B. Unbelebte Schadstoffe. 1) H. durch Arzneimittel: -► Arzneiausschläge; 2) H. durch Arbeitsstoffe: -»Mineralöle, -»Ölakne, -►Ekzem; 3) H. durch Überempfindlichkeit gegen Nahrungsmit­ tel: -»Nesselsucht; 4) H. durch mechan. oder therm. Einflüsse: -» Wundsein der Haut, -»Verbrennung, -»Verät­ zung, -»Berufskrebse; 5) H. durch Strahlen: -»Sonnenbrand, -»Strahlen­ schädigungen, -»Xeroderma pigmentosum.

gen, die von den verschiedenen Baubestandteilen der Haut ihren Ausgang nehmen können, das umgebende Ge­ webe zwar verdrängen, aber keine Neigung zu zerstören­ dem Wachstum zeigen. Meist handelt es sich um Neubil­ dungen, die durch ererbte Anlagen bedingt sind und sich erst in späteren Jahren entwickeln. Sie sind abzugrenzen von den bösartigen -»Hautkrebsen. Zu den gutartigen H., die sich aus Zellelementen der Oberhaut entwickeln, gehören das -» Hauthorn und der -►Hautgrieß. Von den Bindegewebsbestandteilen der Lederhaut oder der Unterhaut gehen die häufig auftretenden Bindege­ websgeschwülste (-»Fibrome) aus. Vom Bindegewebe stammt auch die Wulstnarbe (-► Keloid) ab. Örtl. Wucherungen des Fettgewebes der Unterhaut werden als -»Fettgeschwulst bezeichnet. Kleine, platten förmige Hautverhärtungen von Linsen­ bis Markstückgröße, die bes. durch ihre gelbl. Verfär­ bung auffallen, treten gelegentlich bei älteren Menschen v. a. in der Augengegend auf (Xanthelasmen). Es handelt sich um eine geschwulstartige Einlagerung von fettähnl. Stoffwechselprodukten (Lipoiden) in die Bindegewebs­ zellen der Haut. In großknotiger Form kommen sie auch auf der Haut des ganzen Körpers vor. Manchmal bestehen Beziehungen zur Zuckerkrankheit, deshalb ist stets dar­ auf zu untersuchen. (-► Xanthome) Häufig sind die aus Fehlanlagen von Talgdrüsen her­ vorgehenden Balggeschwülste oder Grützbeutel (-» Athe­ rom). Zu den gutartigen H. gehören auch die durch Neu­ bildung von Blutgefäßen entstehenden -► Blutgefäßmale und die durch Wucherung von Naevuszellen gekennzeich­ neten -»Muttermale. Die Behandlung der gutartigen H. besteht meist in ih­ rer Beseitigung durch Operation. Hautgrieß, Acne miliaris, Milium, kleine, harte, weiße, von dünner Haut überzogene Knötchen, bes. an den unteren Augenlidern, in der Jochbein- und Schläfen­ gegend und an der Stirn. H. besteht aus kleinen Zysten, die zwiebelschalenartige Massen aus Horn, Epithelzellen u. a. enthalten; es sind kleine Erweiterungen von Haarfol­ likeln oder Schweißdrüsenausführungsgängen. Bei der ärztl. Behandlung wird mit feinem Skalpell hineingestochen, der Inhalt herausgenommen und die Zy­ stenwand eiektrokaustisch zerstört. Hauthorn, seltene, an das Horn eines Nashorns erin­ nernde feste Hornwucherung der Hautzellen bes. der Al­ tershaut. Solche Gebilde können 0,5 bis mehrere cm lang sein und finden sich bes. im Gesicht und am Kopf. Wegen der Gefahr der krebsigen Entartung ist ihre Chirurg. Ent­ fernung ratsam. Hautjucken, -»Jucken. Hautklammern, Wundklammern, mit denen anstelle einer Hautnaht die Haut nach Verletzungen oder Opera­ tionen zur Vorbeugung von Narbenbildung verschlossen werden kann. Hautkrankheiten, Dermatosen, verschiedene krankhafte Formveränderungen der Haut. Ihre Erken­ nung geht von einer sorgfältigen Betrachtung und Beur­ teilung der bei dem betreffenden Kranken vorliegenden Einzelerscheinungen (-»Effloreszenz) aus; Einblicke in die Art ihrer Entstehung ergibt die Vorgeschichte (Anam­ nese) des Kranken; Anordnung und Ausbreitung der Hautveränderungen und der allg. Krankheitsverlauf ver­

II. H. mit vorwiegend inneren Ursachen. 1) innersekretor. Störungen: -»Akne, Kupferrose (-►Rosacea); 2) erblich-anlagemäßige Grundlage: -♦ Fischschup­ penkrankheit, -»Schuppenflechte; 3) Gefäß- oder Nervenstörungen: kreisförmiger -»Haarausfall, -»Jucken; 4) Fehl- und Neubildungen: -► Muttermal, -»Krampf­ adern mit >BeingeschwürPflanzboden< Anschluß gefunden haben. Bei Hautschrift, Dermographismus, das Auftreten ei­ diesem Verfahren müssen u. U. Gliedmaßen, aus denen nes erhabenen, quaddelähnl., roten oder weißl. Streifens der gestielte Lappen stammt, eine Zeitlang an das Trans­ auf der Haut nach leichter mechan. Reizung mit einem plantationsbett herangeführt und fixiert werden, z. B. ein stumpfem Gegenstand, z. B. Darüberstreichen mit Fin­ Unterarm an die Wange u. ä. gernagel oder Bleistiftende. Die normal reagierende Haut Mit einem besonderen Verfahren läßt sich ein Haut­ spricht darauf nur mit einer schnell vorübergehenden Rö­ transplantat bis auf das Dreifache seines ursprünglichen tung an, während nervös übererregbare und allergisch Ausmaßes vergrößern. Mit Hilfe des Mesh-Dermatoms, veranlagte Menschen mehrere Millimeter dicke Streifen einem speziellen Hautschneidegerät, wird durch Anbrin­ oder Figuren an den beschriebenem Stellen bekommen, gen kleiner Einschnitte ein gitterartiges Auseinanderzie­ die längere Zeit stehenbleiben (15 Minuten und länger). hen der Haut ermöglicht. Hautschwiele, eine gelbl., hornartige Verdickung Haut|tuberkulose, zusammen fassende Bezeich­ der Oberhaut (— Schwiele). nung für alle Hautkrankheiten, die durch das Tuberkel­ Hautschwund, Haut|atrophie, das schichtweise bakterium (Abk. TB) oder seine Giftstoffe hervorgerufen Schwinden bestimmter Baubestandteile, bes. der elast. werden. Eine Erstansteckung der Haut mit Tuberkelbak­ Fasern, aus dem Gefüge der Haut. terien ist selten und kommt nur in frühester Kindheit vor. Abgesehen von den sehr seltenen Fällen von angebore­ Dagegen werden fast alle Menschen bereits im Kindesalter nem H., der mit narbenähnl. Hautschrumpfung im Be­ über die Atmungs- oder Verdauungswege mit Tuberkel­ reich des Kopfs einhergeht, zeigen sich Rückbildungser­ bakterien infiziert. Sie überstehen diese Ersterkrankung scheinungen an der Haut i. d. R. erst im höheren Alter. Die unter dem Bild eines grippalen Infekts oder ohne jede Haut erhält ein fahles, graues Aussehen, wird trocken, krankhafte Entzündung. An der Haut läßt sich nach dünn, runzlig und läßt sich leicht fälteln. Die Hautgefäße Überstehen dieser ersten tuberkulösen Erkrankung mit scheinen durch, weil die Oberhaut dünner wird und Teile Hilfe der Tuberkulinprobe feststellen, daß sich eine be­ der Lederhaut und des Fettgewebes langsam abgebaut sondere Abwehrlage des Körpers (Immunität) gegenüber werden (Altersatrophie). Dieser physiolog. Altersabbau den Tuberkelbakterien entwickelt hat. Von dieser Erstin­ der Haut kann bei Menschen, die stark den Einflüssen von fektion kann im Organismus ein abgekapselter Herd mit Sonne, Wind und Wetter ausgesetzt sind, bereits früher noch lebenden Tuberkelbakterien Zurückbleiben, von als normal beginnen. Die Erscheinungen treten dann ent­ dem aus unter ungünstigen Verhältnissen (anderweitige sprechend ihrer Entstehungsursache am deutlichsten im Erkrankung, schlechte Ernährung) zu einem späteren Gesicht, an den Handrücken und Unterarmen auf, sie be­ Zeitpunkt Keime auf dem Blut- oder Lymphweg ausge­ stehen ebenfalls in Dünnerwerden der Haut, Fältelung schwemmt werden. Neue Herde können sich daraus in den und Durchschimmern der Gefäße. Später zeigt sich eine inneren Organen oder auch an der Haut entwickeln. Die Neigung zu Rauhwerden und Warzenbildung. Infektion mit Tuberkelbakterien von außen her ist äu­ Bei manchen Frauen tritt um die Zeit der Wechseljahre ßerst selten. ein auf die äußeren Geschlechtsteile begrenzter, meist Der Formenreichtum der H. wird durch mehrere Fak­ stark juckender H. auf (—Kraurosis vulvae). toren bedingt, von denen erst einige bekannt sind. So sind Eine besondere Form des H., deren Ursache noch völlig die Menge der infizierenden Erreger, die Abwehrlage des ungeklärt ist, tritt v. a. an den Streckseiten der Arme und Körpers und die Ansteckungsweise (Blut- oder Lymph­ Beine in Form von knittriger Hautverdünnung, rot- weg, von außen her) von Einfluß auf die Gestaltung der Hauttransplantation: bräunl. Verfärbung und Durchscheinen der Gefäße auf. krankhaften Hautveränderungen. Keine wesentl. Rolle die verschiedenen Ent­ Nennenswerte Beschwerden bestehen dabei nicht. Im spielt es dagegen, ob Tuberkelbakterien vom menschl. nahmestellen für Haut­ Stamm (Typus humanus) oder tier. Stamm (Typus boviKrankheitsbereich verschwinden allmählich die Haare, transplantate; und die Schweißabsonderung versiegt (idiopath. Haut­ nus) die Krankheitserreger sind. Fast alle Formen der H. oben Vorderansicht unten Rückansicht sind sehr bakterienarm, eine Übertragungsmöglichkeit atrophie, d. h. H. noch ungeklärter Ursache).

301

Haut Haut| Übertragung, Hautverpflanzung, die besteht praktisch nur bei geschwürigen Vorgängen. Bei etwa 30% der an H. Erkrankten besteht eine nachweis­ -» Hauttransplantation. bare Tuberkulose innerer Organe. Hautwassersucht, Haut|ödem, Anasarka, die Die häufigste Erscheinungsform der H. ist der Lupus Ansammlung von wäßriger, dem Blutserum ähnl. Flüs­ vulgaris (fressende Flechte, fressender Wolf, Hautwolf, sigkeit in und unter der Haut über einen größeren Teil des Narbenflechte, Schwindflechte; Bild Tuberkulose). Die Körpers. Sie ist ein Sonderfall der Gewebswassersucht, Erkrankung beginnt meist um die Pubertätszeit, am häu­ des Ödems (-»Wassersucht). Man erkennt die H. daran, figsten im Gesicht (Nase, Wangen, Oberlippe), seltener an daß ein etwas tieferer Eindruck mit dem Finger, der sonst anderen Körperstellen (Hände, Gesäß). Über die Entste­ bei normaler Haut augenblicklich verschwindet, als ein­ hungsweise gilt das oben Gesagte. Die charakterist. Er­ gedrückte Delle stehenbleibt und sich erst nach längerer scheinungen sind die Lupusknötchen, scharf umschrie­ Zeit wieder ausgleicht. Bei Herzleiden und Schwächung bene, stecknadelkopf- bis linsengroße, kaum erhabene, des Herzmuskels durch schwere Allgemeinerkrankung gelblich bis braunrote Knötchen, die, einzeln oder in tritt H. im Anfang an den Unterschenkeln, bei bestimm­ Gruppen angeordnet, länger unverändert bestehenblei­ ten Nierenerkrankungen in dem lockeren Gewebe um die ben können. Im Lauf der Zeit treten aber doch an den Augen auf. H. kann sich weiter ausbreiten; das Krank­ Rändern neue Knötchen auf, vielfach auch an anderen heitsbild wird mit der Ausbreitung bedrohlicher. Es ist im­ Hautstellen neue Herde. Allmählich setzt in den so verän­ mer ein Arzt hinzuzuziehen. derten Bezirken eine verstärkte Abschuppung ein (schup­ Hautwolf, entzündl. Haut Veränderungen. 1) volkspender Lupus). Durch Vergrößerung und Zusammenflie­ tüml. Bezeichnung für-» Wundsein der Haut (Intertrigo), ßen der Herde kommt es zu flächenhafter Ausbreitung, v. a. in der Dammgegend. manchmal mit scheinbarer feinnarbiger Abheilung in der 2) Lupus vulgaris, -► Hauttuberkulose. Mitte. In vielen Fällen zeigen die Knötchen von vornher­ Haüy [aif'i], Valentin, frz. Blindenlehrer, * St.-Justein eine Neigung zu geschwürigem Zerfall, die Herde wei­ sen dann einen leicht blutenden Grund und unregelmäßig en-Chaussee (Picardie) 1745, f Paris 1822, gründete 1784 gezackte, unterwühlte Ränder auf (geschwüriger Lupus). in Paris die erste Blindenanstalt der Welt; durch die Ein­ Der geschwürige Zerfall tieferer Gewebsschichten kann führung des Reliefdrucks Erfinder des Blindenbuchs. zu narbigen Verziehungen im Bereich der Augenlider und (-► Blindenwesen) Haverhill-Fieber [h'eivahil-, n. dem Ort Haverhill, Lippen, durch Einschmelzung des Knorpels zu Verstüm­ melungen der Nase (abgegriffene Nasenspitze) und Ohr­ Massachusetts, USA], -»Rattenbißfieber. muscheln führen. Die Erkrankung kann auch die Hb, Abk. für Hämoglobin (-»Blutfarbstoff). Schleimhaut der Nasenhöhle oder Mundhöhle befallen. Headsche Zonen [h'ed-, n. dem brit. Neurologen Der Verlauf ist immer sehr langwierig, scheinbare Besse­ Sir H. Head, * 1861, 11940], 1893 zuerst beschriebene rungen sollten über das unerbittl. Fortschreiten der Er­ überempfindl. Zonen der Haut, die bei der Erkrankung krankung nicht hinwegtäuschen. Ohne geeignete Behand­ innerer Organe nachweisbar sind. Sie liegen je nach dem lung kommt der Lupus vulgaris nicht zur Ruhe, auch in erkrankten Organ in verschiedener Höhe (Segmentanord­ den schon narbig veränderten Hautpartien können jeder­ nung). Bes. häufig wird ihr Ansprechen auf Hautreize bei zeit neue Knötchenschübe auftreten. Eine dem Lupus vul­ Erkrankungen des Herzens, der Gallenblase, der Bauch­ garis manchmal im Aussehen ähnl., aber nicht tuberku­ speicheldrüse und des Magens beobachtet. H. Z. kommen löse Hauterkrankung ist der Lupus erythematodes folgendermaßen zustande: Die Empfindlichkeit der Haut (-► Erythematodes). (Berührung, Schmerz u. a.) wird durch Empfindungsner­ Die Schwindbeule (Skrophuloderm) geht von infizier­ ven vermittelt, die in den im Rückenmark entspringenden ten Lymphknoten der Halsgegend aus. Ganz allmählich Nervensträngen gesammelt und von dort aus zum Gehirn bildet sich eine derbe, wenig entzündl. Schwellung einer geleitet werden. Zu jedem Wirbelkörper gehört ein Ner­ oder mehrerer Halslymphknoten. Unter langsam zuneh­ venpaar, das eine bestimmte Zone der rechten oder linken mender Entzündung verbackt der Lymphknoten mit der Körperhälfte beherrscht. Wenn an dem erkrankten Organ umgebenden Haut zu einem großen, blaurot verfärbten ein Schmerzreiz empfunden wird, läuft dieser in Empfin­ Knoten, der die Haut immer stärker nach außen vorwölbt, dungsnerven, die zum Sympathikus gehören, zum Ge­ bis unter fortschreitender Erweichung im Innern schließ­ hirn. Auf diesem Weg liegen im Rückenmark Querverbin­ lich der Eiterdurchbruch nach außen erfolgt. Nach wo­ dungen zu den Empfindungsnerven, die von der äußeren chenlanger Absonderung kann unter Bildung einer stark Haut herkommen. Hier springt nun der Schmerzreiz auf verzogenen Narbe die Abheilung einsetzen. die Hautnerven über, so daß bestimmte Hautsegmente Die Schwindwarze (Leichentuberkel) entsteht durch überempfindlich werden. Wenn man mit einer Nadel Wiederansteckung mit Tuberkelbakterien von außen. Die leicht über die Haut von oben nach unten streicht, wird bei einer gewöhnl. Warze ähnl. Veränderung, die infolge Eintritt in die überempfindl. Zone ein deutl. Schmerz chronisch entzündl. Reizzustands blaurot gefärbt ist und (Segmentschmerz) empfunden. Bestimmten Organen immer etwas feucht-eitriges Sekret absondert, sitzt fast sind nun bestimmte Hautzonen zugeordnet; so kann der ausschließlich an den Händen. Befallen werden bes. Flei­ Arzt bei unklaren Bauchbeschwerden auf die mutmaßl. scher, Abdecker, Leichenwärter, Tierärzte und Ärzte, Erkrankung eines bestimmten Organs schließen. Wird die beruflich mit tuberkulösem Material in Berührung auf dem Nervenweg von den sensiblen Hautsegmenten aus auf die zugehörigen Organe einzuwirken versucht, so kommen. spricht man von -► Segmenttherapie, die als umstrittene Die Behandlung der H. liegt in der Hand des Arztes; Methode gilt. es muß eine ausreichend lange, intensive Therapie mit Heb | amme, behördlich geprüfte und anerkannte Ge­ Chemotherapeutika durchgeführt werden. Hierbei wer­ den, um die Gefahr von Nebenwirkungen und die Ausbil­ burtshelferin; neben Beratung während der Schwanger­ dung von Resistenzen zu vermeiden, meist 2 oder 3 Medi­ schaft und Hilfe bei der Entbindung (Geburtshilfe) pflegt kamente kombiniert gegeben. Die Behandlung dauert sie Mutter und Kind in den ersten Tagen des Wochenbetts. mehrere Monate und muß sehr gewissenhaft durchge­ H. können in freier Praxis oder als Anstalts-H. tätig sein. führt werden. Eine zusätzliche Chirurg. Ausräumung des Sie werden in Hebammenlehranstalten in Lehrgängen Krankheitsherds ist zur Verkürzung der Behandlungs­ von 2jähriger Dauer ausgebildet und unterliegen der dauer beim Skrophuloderm erforderlich. Unterstützend Schweigepflicht. Eine Bewerberin soll bei Lehrgangsbe­ ist eine kalorienmäßig ausreichende, eiweiß- und vitamin­ ginn mindestens 18, höchstens 35 Jahre alt sein. Das berufl. Recht, geburtshilfl. Beistand zu leisten, ha­ reiche Kost angezeigt. Klimabehandlung unterstützt den ben in der Bundesrep. Dtl. nurÄrzteund H. Im letzten Jh. Heilverlauf. haben unter den Entbindungen diejenigen, die nicht im Privathaushalt (Hausentbindung), sondern in einer An­ Headsche Zonen: oben bei Gallensteinanfall, Mitte bei schmerzhafter stalt betreut werden, namentlich in den großen Städten, Entzündung der Bauchspeicheldrüse, unten bei Herz­ außerordentlich zugenommen und stellen dort die Regel anfällen (untere Abb. nach Hochrein/Schleicher: HerzKreislauferkrankungen) dar. Inden Anstalten sind meist fest besoldete Anstalts-H. 302

Heil tätig, doch können auch frei praktizierende H. dort ihren Beruf ausüben. Die Berufsverhältnisse der H. sind in der Bundesrep. Dtl. einheitlich durch Gesetz vom 21. 12. 1938 geregelt. Derzeit (1983) wird die Ausbildung neu gestaltet. Voraus­ sichtlich wird die Dauer auf 3 Jahre verlängert. Auch männl. Personen sollen zum H.-Beruf zugelassen werden; für sie ist die Bezeichnung >Entbindungspfleger< vorge­ sehen. Jeder Frau steht Hebammenhilfe bei Schwangerschaft, Geburt, Fehlgeburt, Wochenbett und für das Neugebo­ rene zu. Die H. ist zum Beistand verpflichtet. Sie steht un­ ter Aufsicht des Amtsarztes, dem sie jährlich ihr Tage­ buch zur Nachprüfung einreicht. Im einzelnen regelt eine Dienstordnung ihre Tätigkeit. Durch Fortbildungslehr­ gänge wird sie weitergebildet. H. können nicht gleichzei­ tig Kranken- und Säuglingsschwestern sein. Übernimmt ein Arzt die Geburtsleitung, so ist die H. seine Gehilfin. Die Bekämpfung des Wochenbettfiebers nimmt in der Hebammentätigkeit einen besonderen Raum ein. Hebephrenie, meist in jugendlichem Alter begin­ nende Form der -»Schizophrenie. Heberdensche Knoten [n. dem brit. Arzt W. He­ berden, * 1710, f 1801], anfangs weiche, druckempfindl., später harte, bis etwa erbsengroße Auftreibungen der Ge­ lenkenden der letzten Fingerglieder am 2.-5. Finger, die zum Krankheitsbild der -» Polyarthrose gehören; sie wer­ den oft mit Gichtknoten verwechselt. H. K. kommen häu­ figer bei Frauen (bes. nach den Wechseljahren) als bei Männern vor. Behandlung: Bewegungsübungen in Fango­ schlamm, auch kurzfristige Anwendung von Cortison­ präparaten. HED, Abk. für Hauteinheitsdosis, Hauterythemdosis, die Dosis ionisierender Strahlen, die ein rückbildungsfä­ higes Erythem ohne Dauerschaden erzeugt. Hefen, Sproßpilze, Kleinstlebewesen von charakterist. Wuchsform: Einzelzellen, die sich durch Knospung vermehren, im Ggs. zum Myzel (Gespinst aus vielfältig verzweigten Zellfäden) der übrigen Pilze. Die typ. Stoff­ wechselleistung der H. ist ihre Fähigkeit, mittels Enzymen in Abwesenheit von Sauerstoff zuckerhaltige Substrate schnell zu Alkohol und Kohlendioxidgas zu >vergären< (-♦Gärung). Dies wird bei den Gärhefen einerseits ausge­ nutzt zur Herstellung alkohol. Getränke und techn. Alko­ hols, andererseits zur Teiglockerung bei der Verwendung von Backhefe. Nährhefe wird im Ggs. zur Gärhefe durch Belüftung zu starkem Wachstum angeregt (Wuchshefe). Nach Reinigung und Trocknung ist sie ein wertvolles Nah­ rungsmittel, da sie hohe Mengen an Eiweiß und Vitami­ nen der B-Gruppe enthält (in der Naturheilkunde zur He­ fekur verwendet; soll die Wirkung krankheitserregender Darmkeime günstig beeinflussen). Nährhefe besitzt keine Gärkraft mehr. Heftpflaster, durch Klebeschicht an der Haut haften­ der Streifen aus Kautschuk-, Textil-, Papier- oder Synthe­ tikgewebe. H. dient zum Befestigen von Verbandmaterial oder mit steriler, auch keimtötender Mullauflage als Kurzzeitverband für oberflächl. Wunden; dabei ist ein Luftabschluß der Wunde zu vermeiden. Hegarstifte (n. dem Frauenarzt A. Hegar, * 1830, 11914], Metall- oder Kunststoffstifte steigender Dicke zur Erweiterung des Gebärmutterhalskanals. Anwen­ dung z. B. vor einer Ausschabung.

Heil anstalten, Heilstätten, i. w. S. Anstalten für Kranke, die einer bestimmten, länger andauernden Be­ handlung bedürfen, auf welche die allgemeinen -»Kran­ kenhäuser nicht eingerichtet sind. Je nachdem, ob es sich um ständig Bettlägerige oder Kranke handelt, die sich be­ wegen können, ähnelt die H. mehr oder weniger dem Krankenhaus, doch fehlen i. d. R. größere Operations­ räume. Die Belegung geht heute auch bei öffentl. H. über 6 Betten je Zimmer selten hinaus. Größere H. für Lungen­ kranke besitzen meist medizin. und Chirurg. Abteilungen und werden vorwiegend von den Landesversicherungsan­ stalten unterhalten. H. für Süchtige werden aus öffentl. Mitteln oder auch durch karitative Verbände errichtet und betrieben. Private H. werden als Sanatorien be­ zeichnet. Die Heil- und Pflegeanstalten i. e. S., früher auch Irren­ anstalten oder Irrenhäuser genannt, sind bes. für die Be­ handlungseelisch Krankereingerichtet; in der Bundesrep. Dtl. und der Dt. Dem. Rep. werden sie heute als psychia­ trische Krankenhäuser, psychiatr. Kliniken oder Nerven­ kliniken bezeichnet. Während sie früher bes. dem Schutz der Allgemeinheit vor gefährl. Kranken dienten, steht heute die Behandlung im Vordergrund. Daher unterschei­ den sich neuzeitl. H. für seelisch Kranke wenig von ande­ ren Krankenanstalten; nur für unruhige Kranke sind Sicherheitsmaßnahmen und Einzelräume zur vorüberge­ henden Unterbringung notwendig. In den letzten Jahr­ zehnten sind die -»Arbeitstherapie und die -»Beschäfti­ gungstherapie eingeführt und ausgebaut worden; auch unruhige Kranke werden planmäßig beschäftigt. Patien­ ten, die bei ihrer Entlassung nicht in ihre früheren Lebens­ verhältnisse zurückkehren können, werden häufig in Fa­ milienpflege untergebracht. Die zeitgemäße medizin. Behandlung seel. Störungen hat die Dauer des Anstaltsaufenthalts im Durchschnitt erheblich abgekürzt. Ganz allgemein wird frühzeitige Rückkehr in die gewohnte Umwelt angestrebt. Als Zwi­ schenstation zwischen Anstaltsaufenthalt und ambulan­ ter Nachbehandlung oder Überwachung haben sich Klini­ ken oder Stationen bewährt, in denen sich die Kranken nur tagsüber zur Behandlung oder Nachbehandlung auf­ halten. Am Abend kehren sie in ihre Wohnung zurück. Das Gegenstück sind Nachtkliniken (-»Tages- und Nachtkliniken). Rechtliches. Eine umfassende gesetzl. Regelung für psychiatrische Krankenhäuser fehlt; ein Rahmenvor­ schriften enthaltendes Psychiatrie-Gesetz wird jedoch an­ gestrebt. Diese Anstalten können in öffentl., kirchl. oder privater (dann Konzessionspflicht nach § 30 Gewerbeord­ nung) Trägerschaft stehen. Für eine ausreichende Zahl von psychiatr. Krankenhäusern haben die Landeswohl­ fahrtsverbände zu sorgen; es gilt für sie i. d. R. Anstalts­ recht. Die Betriebsaufsicht obliegt in gesundheitspolizeil. Hinsicht den Gesundheitsämtern. Für die wirtschaftl. Si­ cherstellung gilt das Krankenhaus-Gesetz v. 29.6. 1972. — Die Einweisung in eine H. kann durch gerichtl. Beschluß als -► Maßregel der Besserung und Sicherung im Strafver­ fahren erfolgen (z. B. durch Unterbringungsbefehl), wenn der Straftäter nicht oder vermindert zurechnungsfä­ hig ist, oder auf Antrag des Staatsanwalts oder eines An­ gehörigen des Erkrankten im Verfahren der -» Entmündi­ gung; weiteres -»seelische Krankheiten. Heil|atmung, Begriff der Naturheilkunde für gesun­ des Atmen; ein auf alten Erfahrungen und Lehren des -►Yoga aufgebautes Heilverfahren (Atemtherapie), das durch eine sorgfältig entwickelte -»Atmungsgymnastik Heidelbeere, Blaubeere, Vaccinium myrtillus, den physiolog. Gegebenheiten der Atmung angepaßt zu den Heidekrautgewächsen (Ericaceae) gehörender, wurde. Zur H. gehören auch Maßnahmen des -»autoge­ kleiner Beerenobststrauch in Wäldern und auf Mooren; nen Trainings. Ernte der schwarzblauen Beeren im Spätsommer (Bild Heilbad, -»Bad, -»Heilquellen, -»Heilbäder und Obst). Die getrockneten Früchte sind eine Droge (Fructus Kurorte. myrtilli), die wegen des hohen Gehalts an Gerbstoff stop­ Heilbäder und Kurorte, behördlich genehmigte Be­ fend wirkt; in der Naturheilkunde fein pulverisiert verab­ reicht als Mittel gegen Säuglingsdurchfall. Weitere An­ zeichnung für einen Ort, auch Ortsteil unterschiedl. Größe (auch Kurstadt, z. B. Wiesbaden, Baden-Baden), wendung: Heilpflanzen, Übersicht. in dem mit Hilfe natürl. Gegebenheiten (Klima, HeilquelHeidelberger Kapsel, -»Endoradiosonde. Heil anästhesie, alte Bezeichnung für -»Neural­ Hefen: elektroncnmikroskop. Aufnahme eines Ultra­ dünnschnitts durch eine sprossende Hefezelle mit Sporen therapie. 303

Heberdensche Knoten

Hefen

Heil Orte Aachen Abbach, Bad A. Aibling, Bad A. Alexandersbad, Bad A. Altenau Baden-Baden Badenweiler Baltrum Berchtesgaden

Bergzabern, Bad B. Berleburg, Bad B. Bertrich, Bad B. Boll, Bad B. Boppard Borkum Braunlage Brückenau, Bad B. Bühlerhöhe Burg auf Fehmarn Büsum Camberg, Bad C. Dahme Damp (2000) Dürkheim, Bad D. Dürrheim, Bad D. Eilsen, Bad E. Ems, Bad E.

Endbach, Bad E. Freudenstadt Füssen Füssing, Bad F. Garmisch-Partenkirchen Godesberg, Bad G. Grömitz Hahnenklee Harzburg, Bad H. Heilbrunn, Bad H. Heiligenhafen Helgoland Herrenalb, Bad H. Hersfeld, Bad H. Hinterzarten Höchenschwand Homburg v. d. H., Bad H. v. d. H. Honnef, Bad H. Hörnum auf Sylt Iburg, Bad 1. Isny im Allgäu Juist Kämpen auf Sylt Kassel-Wilhelmshöhe Kissingen, Bad K. Kohlgrub, BadK. König, Bad K. Königstein im Taunus Kreuth, Wildbad K. Kreuznach, Bad K. Krozingen, Bad K. Langeoog Lauterberg im Harz, Bad L. i. H. Lenzkirch Liebenzell, Bad L. Lippspringe, Bad L.

List auf Sylt Meinberg, Bad M. Mcrgenthein, Bad M. Münster am Stein-Ebernburg, Bad M. a. S.-E. Münstereifel, Bad M. Murnau Nauheim, Bad N.

Heilbäder und Kurorte der Bundesrep. Dtl. (Auswahl1) Höhe in m ü. M. 125-450 356 500 590 450-580 150-1000 340-580

Art

Thermen Quellen, Moor Moor Quellen, Moor Mittelgebirgsklima Thermen Thermen Seeklima 480-1 170 Sole

200-300 420-600 165-400 408 60-531

Kneipp Kneipp Thermen Quellen Kneipp Seeklima 560-760 Mittelgebirgsklima 300 Quellen, Moor 800 Mittelgebirgsklima Seeklima Seeklima 218-526 Kneipp Seeklima Seeklima 132-250 Quellen, Sole 700-850 Quellen, Sole, Mittelgebirgsklima 90 Quellen 85-240 Thermen, Mittelgebirgsklima 300-500 Kneipp 700-1000 Mittelgebirgsklima 800 Kneipp 324 Thermen 710-2964 Hochgebirgsklima 65 Quellen Seeklima 600-726 Mittelgebirgsklima 300-600 Mittelgebirgsklima, Thermen, Sole 680 Quellen, Moor Seeklima Seeklima 400-700 Thermen, Mittelgebirgsklima 200-300 Quellen 850-1200 Mittelgebirgsklima 1015 Mittelgebirgsklima

Bioklima

Anwendungsbereiche

reizmild reizmild reizmäßig reizmäßig reizmäßig, reizmild reizkräftig, reizmäßig reizmild reizkräftig reizkräftig, reizmäßig, reizmild reizmild reizmäßig reizmild reizmäßig reizmild reizkräftig reizkräftig, reizmild reizmild reizkräftig reizkräftig reizkräftig reizmild reizkräftig reizkräftig reizmild

1

1 1 1 1 1

1

reizkräftig, reizmäßig reizmild

1 1

Quellen, Moor Quellen Seeklima 126-331 Kneipp 700-1118 subalpines Klima Seeklima Seeklima 230-600 Mittelgebirgsklima 201 Quellen, Moor 900 Moor 180-440 Thermen 400-800 Mittelgebirgsklima 800-1700 Hochgebirgsklima 104 Thermen, Sole 233 Thermen Seeklima

reizmäßig reizmäßig reizkräftig reizmild reizmäßig reizkräftig reizkräftig reizmäßig reizmild reizkräftig reizmild reizmild reizkräftig, reizmild reizmild reizmäßig reizkräftig

1 1

300-450 810 340-600 145-334

reizmäßig, reizmild reizkräftig, reizmäßig reizmäßig

117 300-500 700 144

reizmäßig reizkräftig reizmild reizmild

Thermen, Saline Kneipp Moor Thermen, Sole

reizmild reizkräftig, reizmäßig reizkräftig reizmild

10

11

7

11 8 8 8

10 10

8

10

11

7

7 9

7 7 7

11 11 8

10

7 7 7 8

11 11 11

7 3 4 5 3 5 6 8 10 4 5 7 3 5 6 8 10 3 10 4 5 7 5 8 0 3 4 5 6 7 11 4 5 7

3 4 5

1 1

3

3

1

3

1

3

1

13

11 11

7

5 5

3 4 5 3 5 4 5 3 4 5 3 4 5 4 5 3 5 3 3 4 5 4 5 3 4 5 3 5 3 4 5

11

7 8 8 7

4 5 4 5

1

6

7

8 8 11

8

1

10

7 6 7 6 7

11 11

7

6 6

8

7 7 6

7 8

11

6 7

5 6 8 4 5 7 5

11 10

4 5 7 8 3 4 5 6 7 6 8

10

5 6 7 8 5 6 6 5 7

10

3 1

13

10

3 4 5 6 7 3 5 6 3 4 5 6 7 3 4 5 6 7

reizmäßig reizkräftig reizkräftig 1 1

210 210

9

3 4 5 7 3 5 6 7

reizmild reizmäßig, reizmild reizmäßig reizkräftig, reizmäßig reizmäßig reizkräftig, reizmäßig reizmild reizkräftig reizkräftig, reizmäßig reizmäßig

Kneipp Mittelgebirgsklima Thermen Thermen, Mittelgebirgsklima Seeklima Quellen, Moor Quellen, Sole

3 4 5 3 5 3 5 3 3 4 5 3 5 3 4 5 6 4 5 3 5 6 4 5 3 4 5 6 3 4 5 6 3 5 3 4 5 6 3 4 5 6

3

reizmild reizmild reizkräftig, reizmäßig reizkräftig

200 54-450

3 4 3 3 6 3 5 4 5 7 3 6 7 3 5 7 3 4 5 6 7

3 3 3

11

II

') Deutscher Bäderkalender 1980 1) Stoffwechselerkrankungen einschließlich Zuckerkrankheit. 2) Erkrankungen des blutbildenden Systems. 3) Rheumatische Erkran­ kungen der Gelenke, Muskeln und Nerven. 4) Hautleiden, Hautallergie. 5) Herz-, Kreislauf- und Gefäßerkrankungen. 6) Frauen­ krankheiten, Operationsfolgen und hormonale Störungen. 7) Erkrankungen der Atmungsorgane einschließlich allergischer Erkran­ kungen ohne Tuberkulose. 8) Magen-Darm-Galle-Leber- und Pankreasleiden. 9) Erkrankungen der Nieren- und ableitenden Harn­ wege, Operationsfolgen. 10) Erkrankungen des Nervensystems. 11) Erkrankungen im Kindesalter außer Tuberkulose. 12) Tuberku­ lose der Lungen, Organ-Tuberkulose. 13) Augenleiden. 304

Heil

Heilbäder und Kurorte der Bundesrep. Dtl. (Auswahl1) Orte Nenndorf, Bad N. Neuenahr-Ahrweiler, Bad N.-A. Norddorf auf Amrum Norderney Oberstdorf Oeynhausen, Bad O. Orb, Bad O. Prien am Chiemsee Pyrmont, Bad P. Radolfzell-Mettnau Rappenau, Bad R. Reichenhall, Bad R.

Rothenfelde, Bad R. Rottach-Egern Sachsa, Bad S. Salzgitter, Bad S. Salzschlirf, Bad S. Salzuflen, Bad S. Sankt Andreasberg Sankt Blasien

Sankt Peter-Ording Scheidegg Schlangenbad Schluchsee Schwalbach, Bad S. Soden am Taunus, Bad S. a. T. Sooden-Allendorf, Bad S.-A. Spiekeroog Steben, Bad S. Tegernsee Timmendorfer Strand/ Niendorf Titisee-Neustadt Todtmoos Tölz, Bad T.

Travemünde Triberg im Schwarzwald Überkingcn, Bad Ü. Überlingen Vallendar Vilbel, Bad V. Villingen-Schwenningen Waldkirch Waidsee Wangerooge Westerland Wiesbaden Wiessee, Bad W. Wildbad Wildungen, Bad W. Wimpfen, Bad W. Winterberg Wörishofen, Bad W. Wyk auf Föhr

Höhe in m ü. M. 70-100

Art Quellen, Sole

92

Thermen Seeklima Seeklima 840-2000 Hochgebirgsklima, Kneipp 71 Thermen, Sole 170-540 Quellen, Moor 518-610 Kneipp 110-170 Quellen, Sole, Moor 400-690 Kneipp 227-260 Sole 470-1614 Quellen, Saline, Sole, Moor 112 Quellen, Saline, Sole 740-1700 Hochgebirgsklima

Mittelgebirgsklima Sole Quellen, Sole, Moor Thermen, Sole Mittelgebirgsklima Mittelgebirgsklima, Kneipp Sole, Seeklima 800-1000 Kneipp 320 Thermen, Moor 930-1300 Mittelgebirgsklima Quellen, Moor 330 360-660 150 250-500 75-250 600-894 760

140-380

Thermen, Sole

Sole Seeklima Quellen, Moor 600 732-1264 Hochgebirgsklima

150-250

800-1200 850-1263 670 600-1000 450-750 404-700 60-150 108-190 660-975 263-1243 600-750

100-120 735 430-950 330 190-230 700-842 630

Seeklima Kneipp Mittelgebirgsklima Mittelgebirgsklima, Quellen, Moor Seeklima Mittelgebirgsklima Thermen Kneipp Kneipp Quellen Kneipp Kneipp Kneipp, Moor Seeklima Seeklima Thermen Thermen Thermen Quellen Sole Mittelgebirgsklima Kneipp Seeklima

Bioklima

Anwendungsbereiche

reizmild

3 4

reizmild reizkräftig reizkräftig

1

reizkräftig, reizmäßig reizmild reizmild reizmäßig reizmild reizmäßig reizmild

1 1

1

reizkräftig reizmild reizkräftig, reizmäßig, reizmild reizmild reizmild reizmäßig reizmild reizkräftig, reizmäßig reizkräftig, reizmäßig reizkräftig reizkräftig, reizmäßig reizmäßig reizkräftig, reizmäßig reizmäßig

3

6 7 5

3 4 5 6 7 3 4 5 6

8 9

11 11

3 4 5 6 7 8 3 4 5 6 3 5 3 5 6 8 3 4 5 6 7 8 3 5 6 8 3 6 7 3 3

10 11

10 11

6 7 5 6

11 11

13

4 5 4 5

7 7 6 7 3 3 5 6 3 5 6 7 4 5 7

1 1

11

10

3 4 5 7 8 3 4 5 6 7 5 6 8 3 3 4 5 7 3 5 6

reizmäßig

3 4 5 6 7

reizmäßig reizkräftig reizkräftig reizkräftig, reizmäßig, reizmild

3 7 3 4 5 6 7 3 5 6

reizkräftig reizkräftig, reizmäßig reizkräftig, reizmäßig

3 4 5 6 7 3 5 6 8 4 5 7

reizmäßig reizkräftig reizmäßig, reizmild reizkräftig reizmäßig reizmild reizmäßig reizmäßig, reizmild reizmild reizmäßig, reizmild reizkräftig reizkräftig reizmild reizmäßig, reizmild reizkräftig reizmäßig reizmäßig reizmäßig reizkräftig, reizmäßig reizkräftig

10 10

11 10 10

11 11

7

4 5

1

10

11 10

3 4 5 6 7

J 4 5 6 7 1 1 1

3

11

4 5

5 5 5 5 3 3 5 3 5 3 4 5 3 4 5 3 3 4 5 3

3

8 9 10 8 8 10

6 6

3

1 1 1

3

1 1

3 3 3

10 10 10

6 8 8 6 6 8 6 7 6 7 7 7

5

11 11

13 9

7

7 4 5 5 6 8 6 4 5 7

10

11

1) Stoffwechselerkrankungen einschließlich Zuckerkrankheit. 2) Erkrankungen des blutbildenden Systems. 3) Rheumatische Erkran­ kungen der Gelenke, Muskeln und Nerven. 4) Hautleiden, Hautallergie. 5) Herz-, Kreislauf- und Gefäßerkrankungen. 6) Frauen­ krankheiten, Operationsfolgen und hormonale Störungen. 7) Erkrankungen der Atmungsorgane einschließlich allergischer Erkran­ kungen ohne Tuberkulose. 8) Magen-Darm-Galle-Leber- und Pankreasleiden. 9) Erkrankungen der Nieren- und ableitenden Harn­ wege, Operationsfolgen. 10) Erkrankungen des Nervensystems. 11) Erkrankungen im Kindesalter außer Tuberkulose. 12) Tuberku­ lose der Lungen, Organ-Tuberkulose. 13) Augenleiden.

len, Moor, Gebirge, Meer) und zweckentsprechender Ein­ richtungen (Sanatorien, Kuranstalten, Spezialkliniken, Bäder, Salinen, Sportgelegenheiten) bestimmte Krank­ heiten oder deren Folgen geheilt oder gelindert werden können oder deren Entstehung vorgebeugt werden kann (—Heilverfahren, —Erholung). H. u. K. haben somit bes. sozialmedizin. Aufgaben innerhalb der Gesundheits­ planung und -Erziehung, da Kuren und Kurerfolg nicht nur der Besserung oder Wiederherstellung körperl. und seel. Funktionsfähigkeit, sondern auch der erneuten An­ passung an die Lebensaufgaben am Arbeitsplatz und in der Familie dienen. Die Kosten für den Aufenthalt in H. u. K. werden, wie die der Krankheit, in der Bundesrep. Dtl. weitgehend von der — Sozialversicherung getragen. (Weitere Übersichten S. 306 und 307) AB 20

Heilberufe, i. e. S. sind in diesen tätig: Arzt, Zahn­ arzt, Apotheker und Tierarzt. I. w. S. treten dazu die nichtakadem., komplementären — Medizinberufe sowie die — Heilpraktiker.

Heil|erde, sterilisiertes, feingepulvertes Gemisch von Aluminiumsilikaten wechselnder Zusammensetzung, wird seit frühesten Zeiten äußerlich und innerlich als Mit­ tel der Naturheiikunde angewendet. Die Wirkung beruht bes. auf dem Adsorptionsvermögen der H., die auf ihre starke Feinkörnigkeit zurückzuführen ist; weiter ist die Pufferkapazität der bas. Mineralstoffe von Einfluß. Für die äußere Anwendung wird H. mit Wasser an­ gerührt und dient zu kalten (u. a. bei Verstauchungen, Fu­ runkeln, Drüsenschwellungen) oder warmen (z. B. bei 305

Heil Orte

Altmünster Aussee, Bad A. Baden bei Wien Badgast ein Bezau Feldkirch-Bad Nofels Gallspach Gaschurn Gleichenberg, Bad G. Gmunden am Traunsee

Goisern, Bad G. Großgmain Hall, Bad H. Häring, Bad H. Hochmoos/Sankt Martin bei Lofer Hofgastein, Bad H. Imst Ischl, Bad I. Kirchbach, Gailtal Kitzbühel Klagenfurt Kleinkirchheim, Bad K. Kötschach-Mauthen Mallnitz

Heilbäder und Kurorte in Österreich (Auswahl1) Höhe in m ü. M. 443

Art

Kneipp, subalpines Klima 650-800 Quellen, Sole 247 Quellen 900-1000 Quellen 649 Kneipp 458 Kneipp 360 Schonklima, Kneipp 979 Kneipp 330 Quellen, Schonklima 440 Kneipp, subalpines Klima 500 alpines Klima, Quellen 522 Kneipp 390 Kneipp, Quellen 630 subalpines Klima 634 860 828 468 642 800 446 1100 706 1200

Mattsee Mayrhofen Millstatt Mitterndorf, Bad M.

505 630 588 800

Obervellach Oetz Pörtschach am Wörther See Puch berg am Schneeberg Reichenau an der Rax Salzburg

680 820 446 585 500 425

Moor Kneipp, Quellen Kneipp Quellen, Sole Kneipp Moor Kneipp Quellen Kneipp, Schonklima Hochgebirgsklima, Schonklima Kneipp, Moor Kneipp Schonklima Quellen, Moor, alpines Klima Mittelgebirgsklima Kneipp Schonklima Schonklima, Kneipp Schonklima Mittelgebirgsklima, Moor, Quellen, Sole

Bioklima

Anwendungsbereiche

reizmild reizmäßig reizmild reizkräftig, reizmäßig reizmäßig reizmild reizmild reizkräftig reizmild

1 1 1 1 1 1 1 1

3 3 5 6 3 4 5 6 3 5 3 5 1 6 3 4 3 5 5

reizmild reizmäßig reizmäßig reizmild reizmild

1 1 1 1 1

3 5 8 7 3 4 5 3 5 8 3 4 5 6 7 3 4 8

10 10 1Ö 10 10

3 5 6 5 6 7 8 3 5 8 3 4 5 6 7 8 3 5 8 3 6 3 5 8 5 5 6 9 3 8 10

10 10 10 11 1Ö 10 10 10

reizmäßig reizmäßig reizmäßig reizmäßig reizmäßig reizmäßig reizmäßig reizkräftig reizmäßig reizkräftig, reizmild reizmild reizmäßig reizmild

reizmäßig reizkräftig, reizmild reizmäßig reizmild reizkräftig, reizmäßig reizmäßig reizmäßig

1 1 1 1

1 1

1 1

1 1 1

V 3

7 8 10 7 8 9 11 3 8 1Ö 10 8 8 10 8 16 7 0 10 10 8 7 8 9

5

10

6 7 8 5 8 5 7

1Ö 10

3 4 5 6 7 8 5 7 3 5 8 7 3 5 8 5 7 3

i'

10 10 10 10 10

6

Sankt Lorenzen im Lesachtal Schallerbach, Bad S. Schruns Seefeld in Tirol Steinbach am Attersee Strobl am Wolfgangsee Telfs Treffen Velden am Wörther See Villach, Warmbad V. Weißbriach W eißenbach/W olfsberg Weißensee Wien

1128 Quelle 4 reizkräftig 1 7 8 308 Quellen reizmild 1 3 4 1Ö 690 Kneipp reizmäßig 1 3 5 8 10 1200 Quellen reizkräftig 5 10 510 Kneipp reizmäßig 1 3 5 8 10 544 Moor reizmäßig 6 633 Kneipp reizmäßig, reizmild 1 3 5 8 10 543 Kneipp reizmäßig 1 3 5 10 8 450 Schonklima 7 reizmäßig, reizmild 5 500 Quellen reizmäßig, reizmild 6 1 10 11 817 Kneipp reizmäßig 1 3 5 8 10 620 Quellen reizmäßig 1 3 5 8 9 10 930 Mittelgebirgsklima reizmild 5 7 10 172 Quellen reizmild 3 4 5 6 7 8 9 ^Österreichs Kurorte und Heilbäder 1982; Österreichisches Heilbäder- und Kurortebuch 1976 1) Stoffwechselerkrankungen einschließlich Zuckerkrankheit. 2) Erkrankungen des blutbildenden Systems. 3) Rheumatische Erkran kungen der Gelenke, Muskeln und Nerven. 4) Hautleiden, Hautallergie. 5) Herz-, Kreislauf- und Gefäßerkrankungen. 6) Frauen krankheiten, Operationsfolgen und hormonale Störungen. 7) Erkrankungen der Atmungsorgane einschließlich allergischer Erkran kungen ohne Tuberkulose. 8) Magen-Darm-Galle-Leber- und Pankreasleiden. 9) Erkrankungen der Nieren- und ableitenden Harn wege, Operationsfolgen. 10) Erkrankungen des Nervensystems. 11) Erkrankungen im Kindesalter außer Tuberkulose. 12)Tuberku lose der Lungen, Organ-Tuberkulose. 13) Augenleiden.

Halsentzündung) Umschlägen. In der Schönheitspflege wird sie zu Gesichtspackungen verwendet; sie dient auch als Desodorans. Zur inneren Anwendung muß die H. vollständig rein und keimfrei sein. Bereits im Rachenraum adsorbiert sie Krankheitserreger und deren Giftstoffe. Im Magen bindet sie überschüssige Salzsäure. H. wird unterstützend eingesetzt u. a. bei akuten und chron. Magen- und Darm­ erkrankungen sowie bei Gärungs- und Fäulnisprozessen im Darm. Heil|erziehung, die -*Heilpädagogik. Heilfasten, -»Fastenkuren. Heilfieber, Umstimmungsbehandlung durch ein künstlich erzeugtes, im Entstehungsmechanismus jedoch echtes -► Fieber; das H. ist von der Überwärmung zu un­ terscheiden, welche durch physikal. Maßnahmen erzeugt wird. Das natürl. Fieber ist eine großangelegte Heilreak­ tion des Körpers, deren künstl. Erzeugung bei manchen fieberlos verlaufenden Krankheiten einen heilenden Ein­ fluß haben kann. Auch bei chron. Erkrankungen, die all­ 306

mählich ihre Ansprechbarkeit verlieren und gegenüber früher wirksamen Mitteln unbeeinflußbar werden, kann das H. angewendet werden, um die Heilungstendenz zu fördern und die naturgemäßen, körpereigenen Heilvor­ gänge auf ein gesteigertes Reaktionsniveau zu bringen. H. kann als gezielte Form der Reizkörperbehandlung durch bestimmte, einen einmaligen Fieberstoß auslösende Bak­ terienmischungen erzeugt werden, in milderer Form durch Einspritzung von abgekochter Milch oder Milch­ präparaten, Schwefelpräparaten u. a. Eine besondere Form der H.-Erzeugung ist die absichtl. Übertragung von Malariaplasmodien (Impfmalaria), wie sie von J. -► Wag­ ner von Jauregg als wirksames Verfahren zur Bekämp­ fung der Hirnparalyse (Syphilis) in die Nervenheilkunde eingeführt wurde. Nach Einführung der Sulfonamide und Antibiotika wird das H. heute kaum mehr angewendet. Heilgymnastik, frühere Bezeichnung für -»Kran­ kengymnastik. Heilklima, -»Klima. Heilkrampfbehandlung, -» Schockbehandlung.

Heil

Heilbäder und Kurorte der Schweiz (Auswahl1)

Adelboden Arosa Ascona Baden Bex-Ies-Bains Breiten/Bister

Höhe in m ü. M. 1340-1400 1720-1900 200-320 388 450 800-1000

Brissago Bürgenstock Chäteau-d’Oex Davos Engelberg Fiesch Gstaad Interlaken Klosters Lavey-les-Bains Lenk im Simmental

200-260 880 960-1020 1540-1600 1000-1100 1050-1100 1050-1110 570 1180-1230 417 1070-1 105

Leukerbad

1380-1420

Orte

Locarno Lugano Lungern

Montana-Vermala Montreux Pontresina Ragaz, Bad R. Rheinfelden/Mumpf Sankt-Moritz-Bad

200-400 270-470 700-750 1460-1670 380-500 1800-1820 520-915 280 1770-1850

Art

Hochgebirgsklima Hochgebirgsklima Schonklima Quellen Quellen Sole, subalpines Klima Schonklima Hochgebirgsklima Hochgebirgsklima Hochgebirgsklima Hochgebirgsklima Hochgebirgsklima Hochgebirgsklima Mittelgebirgsklima Hochgebirgsklima Thermen, Quellen Hochgebirgsklima, Quellen Hochgebirgsklima, Thermen Schonklima Schonklima Mittelgebirgsklima Hochgebirgsklima Schonklima Hochgebirgsklima Quellen, Schonklima Quellen Hochgebirgsklima, Quellen Quellen

Bioklima

reizkräftig reizkräftig reizmild reizmild reizmäßig reizmäßig reizmild reizmäßig reizmäßig reizkräftig reizmäßig reizmäßig reizmäßig reizmild reizkräftig reizmild

reizkräftig

reizkräftig reizmild reizmild reizkräftig, reizmäßig, reizmild reizkräftig reizmäßig reizkräftig reizmäßig, reizmild reizmäßig

Anwendungsbereiche 2 2 1

1

5 4 5 5 3 5 3 6

3

7 7 7 7

5 6 7 5

2 3 4 2 1

2

3 1

3 4 5

3

1 1

5 5 5 5 5 5

3 3

7 7 7 7 7

10 10 10

12 13 10 10 10

7 7 7

5 5 5 5 5 5 5 5 5

11 12 10 10

11

10 10 10 10

7 7

10 7 7

10 10

reizkräftig 1 2 3 5 6 7 8 10 Schinznach-Bad 350 reizmild 1 7 3 4 5 10 Schuls-Tarasp-Vulpera, BadS.-T.-V. Quellen 1 1230 reizkräftig 5 8 9 Schwefelberg-Bad 1400 Quellen, Fango reizkräftig 1 3 4 10 4 5 Sils im Engadin 1800-1810 Hochgebirgsklima reizkräftig 7 347 Quellen 1 Stabio reizmäßig 3 4 10 Vals Quellen 1250 reizkräftig 1 3 5 10 1270-1320 Hochgebirgsklima reizkräftig 2 7 Wengen 1600-1620 Hochgebirgsklima reizkräftig 7 10 Zermatt 344 10 Zurzach Quellen reizmild 1 3 5 ') Das Bäderbuch der Schweiz 1976; Das Klimabuch der Schweiz 1979. 11 Stoffwechselerkrankungen einschließlich Zuckerkrankheit. 2) Erkrankungen des blutbildenden Systems. 3) Rheumatische Erkran­ kungen der Gelenke, Muskeln und Nerven. 4) Hautleiden, Hautallergie. 5) Herz-, Kreislauf- und Gefäßerkrankungen. 6) Frauen­ krankheiten, Operationsfolgen und hormonale Störungen. 7) Erkrankungen der Atmungsorgane einschließlich allergischer Erkran­ kungen ohne Tuberkulose. 8) Magen-Darm-Galle-Leber- und Pankreasleiden. 9) Erkrankungen der Nieren- und ableitenden Harn­ wege, Operationsfolgen. 10) Erkrankungen des Nervensystems. 11) Erkrankungen im Kindesalter außer Tuberkulose. 12) Tuberkulose der Lungen, Organ-Tuberkulose (alle Formen der Tuberkulose in geschlossenen Heilstätten). 13) Augenleiden.

einer solchen >Erfahrungs-H.< leben bei Naturvölkern und in der Volks-H. weiter. I. Frühe Zeit Heilkunde, Lehre und Wissenschaft von der Ent­ Der Überwindung der rein empirischen Stufe folgte stehung, Bekämpfung und Heilung von Krankheiten. das Nachdenken über die Ursache der Krankheit. Die Im Verlauf der Menschheitsgeschichte auf Erfahrungs­ älteste Theorie faßte die Krankheit als ein vom Men­ basis zu zahlreichen Fachgebieten ausgebaut, bedient schen unabhängiges Wesen, zunächst als einen in ihn sie sich verschiedenartiger -»Heilmethoden. Die inner­ eingedrungenen Fremdkörper auf (Fremdkörpertheo­ halb der H. gewonnenen Erkenntnisse werden durch rie). Die magisch-dämon. H. suchte die Krankheitsursa­ die Heilkunst praktisch angewendet. Mit der Zusatz­ che und die Hilfsmittel der Therapie in magisch-dämon. bezeichnung >Kunst< sollen die besonderen kreativen Kräften, welche die Welt erfüllen und die der Kundige be­ und instinktiven Bezüge des ärztlichen Handelns betont herrschen kann. An der Stelle der manuellen oder medika­ werden. mentösen Entfernung des >Fremdkörpers< stand hierbei Die Ausübung der H. ist in allen zivilisierten Ländern die magische Behandlung und Dämonenvertreibung, an der Welt nur dazu bes. ermächtigten Personen gestattet, der Stelle des im Volk lebenden Empirikers der über dem die unbefugte Ausübung unter einer geschützten Berufs­ Volk stehende, vom Schauer des Geheimnisses umwehte bezeichnung ist i. d. R. strafbar (-► Arzt, -» Heilpraktiker, Medizinmann. Kennzeichnend für den Besessenheits­ -►Wunderdoktor). glauben war die Vorstellung von der Zauberkrankheit und vom personifizierten Fremdkörper. — In vielen Reli­ GESCHICHTE DER HEILKUNDE gionen erschien die Krankheit als Strafe oder Prüfung Die Versuche, Krankheiten zu verhüten und zu hei­ Gottes; die Heilmittel waren dem Kult entnommen: Ent­ len, sind so alt wie die Menschheit. Die Not löste instink­ sühnung, Opfer, Heilgebet (theurg., auf Götterglauben tive Hilfeleistungen aus. >Unfallchirurgie< gab es vermut­ beruhende H.). Die H. der frühen Kulturvölker war in ihren lich schon in der Steinzeit, Knochenbrüche wurden ver­ sorgt, Wunden genäht und Verbände angelegt. Eindeutig Grundzügen gekennzeichnet durch eine Mischung von sind vorgeschichtl. Versuche der Krankenheilung durch empirisch-magisch-dämon. und theurg. Medizin ohne Chirurg. Eingriffe seit der Jungsteinzeit in Form von scharfe Grenzen; Volksarzt, Beschwörer, Zauberer und Durchbohrungen der Schädelkapsel bezeugt. Aus der Er­ Priesterarzt wirkten nebeneinander. Die Anfänge einer fahrung (empirisch) wurden Abführ-, Brech- und wissenschaftl. H. hoben sich heraus; die Erfahrungen Schwitzmittel entdeckt, auch schmerzstillende Mittel (wie wurden aufgezeichnet, das in Schriften niedergelegte Er­ Hanf und Opium), Aderlaß, Schröpfkopf und andere fahrungsgut wurde schulmäßig weitergegeben. Die Welt­ Blutentziehungsweisen angewendet. Resterscheinungen anschauung gewann Bedeutung für die medizin. Theorie, Heilkrise, Wendepunkt einer Krankheit zum Aus­ gang in Heilung.

20"

307

Heil

Heilkunde: Geschichte der H. oben links und oben rechts Drei Chirurg. Eingriffe (Hämorrhoidenentfernung, Nasenpolypenope­ ration und Starstich); Miniatur aus einem Chirurg. Manuskript der Schule von Salerno, 11. Jh. unten Der Aderlaß; farbige Buch­ miniatur aus der Handschrift eines unbekannten dt. Meisters, 1471 (Frankfurt a. M., Stadtbibliothek)

die bei den frühen Kulturvölkern nur geringe Unter­ schiede aufwies; in den Mittelmeerländern, im Vorderen Orient, in Ostasien und in Amerika wurden Heilkräuter personifiziert, wobei die Unterschiede zwischen den an den einzelnen Stellen angenommenen Göttern und Dämo­ nen nur die Namen betreffen: Altind. Beschwörungsfor­ meln lauten dem Sinne nach gleich mit altgerman. Heil­ zauber. Gottgesandte Träume wurden für die Diagnose verwendet. Man schlief im Tempel, um die göttl. Inspira­ tion zu empfangen. In Altmesopotamien kam zu dem reli­ giösen Element ein starker astrolog. Einschlag, weniger bei Ägyptern, Juden, Indern, Chinesen und altamerikan. Völkern. Wo neben den magischen und religiösen auch rein natürl. Krankheitsvorstellungen auftraten, bestand die Neigung, den krankhaften Vorgang an eine Verände­ rung der Körpersäfte zu binden. Allmählich zeigten sich Ahnungen eines Zusammenhanges zwischen Symptom und Krankheit; sie ermöglichten vernunftmäßig begrün­ dete Diagnosen und Prognosen. Das prakt. Wissen bei den alten Kulturvölkern war keineswegs gering; Ein altägypt. Chirurgenbuch aus der Zeit um 3000 v. Chr., von dem nur ein Bruchstück erhalten ist, zeigt ein überra­ schend hohes Niveau. In Indien kannte man technisch hervorragend entwickelte plastische Operationen. Die therapeut. Maßnahmen bei inneren Krankheiten bewei­ sen große Erfahrung in der Krankendiät und in der An­ 308

wendung vieler Hilfs- und Heilmittel. In Ägypten, Indien und China waren aus allen 3 Reichen der Natur Medika­ mente von z. T. großem Nutzen und gediegener Indika­ tion bekannt (z. B. Substanzen aus dem tier. Körper, die man der >Dreckapotheke< zurechnet, Rizinus, Mohnsaft, Rhabarber, Hanf, Sesamöl, Granatwurzel, Brech-, Ab­ führ- und Schwitzmittel; Kochsalz, Salpeter, Bleierde, Kupferverbindungen, Quecksilber, Ärsenik, Eisen). Fast alle gegenwärtig noch gebrauchten Verabreichungsfor­ men sind bezeugt. Die genauen Anweisungen für die Zu­ bereitungerinnern an ein neuzeitl. Rezept. Zu den inneren Darreichungen kamen: Einlauf, Stuhlzäpfchen, Salben, Spülungen, Räucherungen und Inhalationen, Kataplasmen, medizin. Bäder und Übergießungen, Aderlaß und andere Blutentziehungsweisen. In Ostasien schätzte man Moxibustion und Akupunktur; auch Massage und Kran­ kengymnastik waren entwickelt. In Altgriechenland vollzog sich der Umschwung zu einer wissenschaftl. H. im heutigen Sinne. Sie suchte ihre Grundlagen in der Erforschung der Natur des Menschen und der Gesetze der natürl. Welt, in die hinein er geboren und von der er abhängig ist. Die Naturphilosophen wirk­ ten wegweisend auf diese Entwicklung: Die Zahlenlehre des Pythagoras (6. Jh. v. Chr.) gewann großen Einfluß auf die H., weil sie zur Erkenntnis der Gesetzmäßigkeit und des Rhythmus im biolog. und patholog. Geschehen führte. Nach Empedokles (* 490, f 430 v. Chr.) bestehen alle Gebilde der Natur aus den 4 >ElementenPrimärqualitäten< Wärme, Feuch­ tigkeit, Trockenheit und Kälte sind. Nach Leukippos (5. Jh. v. Chr.) und Demokrit (um 460 v. Chr.) ist das Le­ ben ein rein mechan. Prozeß, bedingt durch die Bewegung der Atome im leeren Raum. Eine dritte Richtung sieht die bewegende Kraft der Welt und des Lebens in einem in der Luft repräsentierten dynam. Prinzip, dem Pneuma, so Anaximenes (6. Jh. v. Chr.). Diese 3 Grundauffassun­ gen vom Wesen des Lebens, die humorale, die atomistische und die dynamisch-vitalist., sollten als leitende Ideen des medizinischen Denkens allen Wandel der Zeiten über­ dauern und scheinen sich in der Gegenwart zu einer Syn­ these zu vereinigen. Die hippokratische H. verbindet auf dieser Basis die Theorie des Philosophen und Naturfor­ schers mit der ärztlichen Erfahrung (-»Hippokrates). In ihrem Vordergrund steht die Säftelehre. Träger des Le­ bens sind die 4 >KardinalsäfteElementen< mit ihren >PrimärqualitätenBuch der Chirurgia« des Hieronymus Brunschwig, Straßburg 1497. Mitte Muskelfigur aus >De humani corporis fabrica« des Andreas Vesal, Basel 1543. rechts Operativer Nasenersatz (Nasenplastik) aus der Oberarmhaut; nach Gaspare Tagliacozzi >De curtorum chirurgia«, Venedig 1597

praktisches Arzttum. Seine diagnost. Methoden und Kenntnisse sind in manchem noch immer gültig. Die therapeut. Grundsätze haben Dauerwert, bes. das oberste Prinzip: die Heilbestrebungen der Natur zu unterstützen und niemals zu schaden. In der Erkenntnis, daß die Ge­ sundheit das >höchste der Güter« ist, kommt auch die Krankheitsverhütung zu ihrem Recht. II. Entwicklung zur Neuzeit 1) Humoralbiologie und -pathologie. Die hippokrat. Säftelehre wurde von -»Galen weiter ausgebaut. Er sah die seel. Eigentümlichkeiten des Menschen als ab­ hängig von der Beschaffenheit seiner Säfte an. Aber erst mit den Anfängen der Chemie trat die Säftelehre in ein neues Stadium: -► Paracelsus setzte an die Stelle der über­ lieferten 4 Säfte 3 ehern. Prinzipien als Symbole von Kräf­ ten und Stoffen, die das lebendige Substrat des Körpers bilden (Salz, Quecksilber, Schwefel). Ihr Chemismus wurde als maßgebend beim Lebens- und Krankheitsvor­ gang angesehen; daneben blieb der Gedanke an Saft und Flüssigkeit erhalten, mochte Paracelsus selbst auch die Kardinalsäfte im alten Sinne ablehnen. Im 17. Jh. gewann die Chemie so großen Einfluß, daß man im normalen und pathologischen Geschehen nurnoch rein ehern. Vorgänge erblickte. Diese Iatrochemie (vom Arzt betriebene Che­ mie) wurde bes. durch die bedeutenden Kliniker Franciscus Syl.vius (* 1614,11672) und Johann Baptist van Hei.mont (♦ 1577, 11644) vertreten. Damals hatte man den Unterschied zwischen Säure und Alkali erkannt und nahm an, die Krankheiten beruhten auf einer sauren oder alkal. >Schärfe< des Blutes. Als Ausgleich gab man des­ halb entweder ein saures oder ein alkal. Heilmittel. Die Lehre von den Schärfen wurde von Herman Boerhaave (* 1668,11738) weiter ausgebaut; sein Lebenswerk sollte der H. für Jahrzehnte seinen Stempel aufdrücken. Fried­ rich Hoffmann (* 1660,11742) machte ehern. Verände­ rungen für physikal. Abnormitäten der Faser und der Säfte sowie für Eindickungen, Stockungen und andere Störungen in der Bewegung der Säfte verantwortlich. Trotz aller Fortschritte der Chemie und Physik blieb die Humoralbiologie und -pathologie (Säftclehre) das ganze 18. Jh. hindurch im Grunde unverändert. Ihren glanzvol­ len Abschluß erreichte sie erst in der Krasenlehre Kari von Rokitanskys (* 1804.11878), des Meisters der Be­ schreibung und Ordnung der patholog. Strukturen; er leitete alle krankhaften Strukturen aus primären Verän­ derungen der im Blut gelösten Eiweißstoffe (Krasen des Blutes) ab, aus dem sie ausgetreten und erstarrt sein sollten. 2) Mechanistisches und solidarpathologisches Denken. Der erste nachhaltige Vorstoß gegen die Säfte­

lehre ging um 300 v. Chr. von Erasistratos in Alexan­ dria aus, unter dem Eindruck der Atomlehre Demokrits und der dort mit besonderem Erfolg gepflegten Physik. Der menschl. Körper setzt sich danach aus Atomen zu­ sammen, alle Lebensvorgänge sind mechanischer Natur. Um 50n. Chr. entstand in Rom eine neue, strenger mechanist. Richtung, die Methodische Schule, deren Vorläufer Asklepiades (* 124,156 v. Chr.), deren eigtl. Begründer Themison von Laodikeia (um 50 v. Chr.), ein Schüler des Asklepiades, war; sie stand unter dem Einfluß der materialistisch-atomist. Philosophie Epikurs und lehrte, daß die Atome, die den menschl. Körper zusammensetzen, in ihm ein unendlich feines Netzwerk von Röhren bilden, in denen sich unablässig freie Atome bewegen. In ihrer fein­ sten Form stellen sie das Substrat der Seele dar, die nach dem Tode, wie der Körper, in ihre Atome zerfällt und ins Nichts zerstiebt. Bei normaler Atombewegung ist der Mensch gesund; Stockung und Abweichung von der nor­ malen Bewegung bewirken Krankheit. Die Abweichung der Atombewegung von der Norm wird ihrerseits durch die Beschaffenheit der Röhrenwände verursacht, die zu eng oder zu weit sein können. Alle Krankheiten beruhen auf einem status strictus (Anspannung) oder status laxus (Erschlaffung) der Wände. Damit waren die Anfänge ei­ ner Solidarpathologie, nach der alle krankhaften Vor­ gänge auf einer fehlerhaften Beschaffenheit der festen Be­ standteile des Körpers beruhen, gegeben. Im MA. kamdiemethod. Schule nicht zur Geltung, weil der Materialismus der Lehre Epikurs mit der christl. Lehre unverträglich war. — Erst im 17. Jh. erwachten Atomistik und Mechanismus in der H. zu neuem Leben, gestützt auf die großen Fortschritte der Physik und Ma­ thematik. In seiner Entdeckung des Blutkreislaufs (1628) hatte William Harvey (* 1578, 1 1657) ein ausgespro­ chen physikal. Lebensphänomen, bes. mit Hilfe physikalisch-mathemat. Denkensund Rechnens, richtigerkannt. Mit dem Anfang des 17. Jh. erfundenen Mikroskop glaubte man als kleinste Formelemente des menschl. Kör­ pers feine Fasern und Fäserchen nachweisen zu können und schrieb diesen >Fibrae< eine ähnliche Rolle zu wie die spätere Zellentheorie der Zelle: Man machte die Faser zum eigtl. Träger des Lebens. Der normale Tonus der Fa­ ser bedeutete Gesundheit, ihre zu starke oder schwache Anspannung (Spasmus oder Atonie) Krankheit. Mit die­ ser neu formulierten, doch im Grunde alten Hypothese wandte sich die latrophysik gegen die Iatrochemie. Unter dem Einfluß der platonisch-aristotel. Philoso­ phie wurden zweckmäßig wirkende Seelenkräfte als Trä­ ger der physiolog. Funktionen angesehen. Die Pneuma­ tische Arzteschule hatte diese Kräfte im Gefolge der 309

Heil

Heilkunde: Geschichte der H. links Venen und Venen­ klappen an dem durch eine Binde gestauten Arm; Figur 2 zeigt, daß die Venenklappe O den Rückfluß des venösen Bluts in den mit dem Finger leergestrichenen Venenab­ schnitt OH verhindert. Illustrationen aus William Har­ veys »Exercitatio anatomica de motu cordis et sanguinis in animalibus», Frankfurt a. M., 1628, in der er die Entdeckung des Blutkreislaufs bekanntgegeben hat. Mitte Versuche, Heilmittel in die Venen zu injizieren, die der Berliner Arzt Johann Sigismund Elsholtz in den 60er Jahren des 17. Jh. gemacht hat; nach seiner »Clysmatica novaGartenlaube< von 1857. rechts Operation nach der von Joseph Lister entwickelten antisept. Methode; über das Opera­ tionsfeld wird Karbolsäurelösung zerstäubt, Instrumente und Nahtmaterial liegen in Karbolsäurelösung (London 1882)

311

Heil

Heilkunde: Geschichte der H. links Chirurgische Knochensäge von Bernhard Heine (Heinesches Osteotom), zur Resektion erkrankter Knochenpartien und zur Trepanation verwendet, 1830. Mitte links Narkoseapparat von Victor von Bruns, 1847; rechts Chloroform­ apparat, 1869. rechts Lithotriptor von Jean Civiale, 1823, zum Zerbohren und Entfernen von Blasensteinen, links Spritze zum Füllen der Blase mit lauwarmem Wasser

rer Bekämpfung frei zu machen. Sie sieht in den akuten Krankheitszeichen wie Fieber, Durchfall, Hautaus­ schlag, Schweißausbruch Anstrengungen des Organis­ mus, der Schädigungen, die ihn getroffen haben, Herr zu werden. Diese Vorstellungen berühren sich mit uralten ärztl. Ansichten, die von >Ausleitung< des Krankheitsgif­ tes sprachen. Seit etwa 100 Jahren hat die H. der Gegenwart in Anleh­ nung an den techn. Fortschritt des Industriezeitalters zahlreiche Methoden entwickelt, um die Organe in ihrer Funktion zu beurteilen (funktionelle Diagnostik). Der Körper kann dadurch, über das persönliche Eingreifen des Arztes hinaus, bestimmten dosierten Belastungen und Untersuchungen unterworfen, und der darauf folgende Ablauf der körperl. Vorgänge kann exakt gemessen wer­ den. Beispiel: Wenn noch bis zur Mitte dieses Jh. mit Hilfe der fraktionierten (in Abständen wiederholten) Magen­ aushebung die Funktion der Magenschleimhautdrüsen hinsichtl. ihrer Absonderung von Magensaft auf einen funktionellen Reiz hin laufend verfolgt, gleichzeitig auf bestimmte Bewegungsabläufe geschlossen und damit auch Hinweise auf Organ. Krankheitsgeschehen gewon­ nen wurden, kann jetzt durch ein verfeinertes Röntgen­ verfahren mit relativ geringer Strahlenbelastung (Fern­ sehkette) und die Durchführung der -»Endoskopie mit biegsamen Geräten (-»Glasfiberoptik) der Verdauungs­ kanal in großer Ausdehnung mit dem Auge direkt beob­ achtet werden. Nach wie vor wird die Funktion der Inselzellen der Bauchspeicheldrüse, bes. bei der Zuckerkrankheit, durch laufende Untersuchung des Blutzuckers überprüft. Heute kommen zusätzl. Enzymbestimmungen und eine große Anzahl differenzierter Laboratoriumsmethoden, die der mikrobiolog. und ehern. Forschung zu verdanken sind, hinzu. Auf diese Weise können Funktionsabweichungen nahezu aller innerer Organe (z. B. der Leber) bestimmt werden. Die Lehre von den Bakterien wird seit etwa 1890 weiter­ geführt durch die Lehre von den Viren, Forschungsberei­ che, die der ständig wachsenden pharmazeut. Industrie starken Anreiz zur Entwicklung immer wieder neuer synthet. Heilmittel gaben. Dabei hat sich gezeigt, daß trotz sorgfältiger, meist langwieriger Überprüfung und Erpro­ bung Nebenwirkungen schwerster Art (-► Thalidomidembryopathie) auftreten können. Es ist deshalb verständ­ lich, daß Therapieschäden in der wissenschaftl. Diskus­ sion parallel mit der zunehmenden Zahl von Medikamen­ ten eine bedeutende Rolle spielen. Neue Verfahren sollen die Nebenwirkungen möglichst niedrig halten oder durch andere Maßnahmen ausgleichen. Da die Methoden der Naturheilkunde nicht oder kaum mit Nebenwirkungen belastet sind, wird zusätzlich auf naturheilkundl. Heilverfahren wie Bäderbehandlung, Massage, Diätbehandlung und Phytotherapie hingewie­ sen. Auch anderen Verfahren der Erfahrungsheilkunde, z. B. der Zelltherapie, wird Bedeutung zugemessen, zu ihnen gehört nach wie vor die Homöopathie nach S. Hahnemann. Andere, >alternativ< genannte Heilmethoden, die z. T. seit Menschengedenken in der H. ihren Platz haben, kom­ men erneut und bisweilen in bewußter Abkehr von der >Apparatemedizin< der Neuzeit in Gebrauch. So ist seit einigen Jahrzehnten die uralte chines. Akupunktur und 312

Moxibustion in Europa wieder eingeführt worden. Zu­ nehmend sind Verfahren fernöstl. Länder im Gespräch, so die auf den Philippinen angewendeten iGeistheilermethodem, die allerdings von der naturwissenschaftl. Medizin als Scharlatanerie mit Täuschungsphänome­ nen abgelehnt werden. Wenn auch nur eine relativ geringe Anzahl von wohl meist enttäuschten Kranken diesen Heilmethoden ein zu­ nehmendes Vertrauen schenkt, so ist doch die Tatsache nicht zu übersehen, daß in den letzten Jahren ein deutl. Skeptizismus gegenüber den Erfolgen der wissenschaftl. Medizin Verbreitung gefunden hat. Dem ist entgegenzuhalten, daß die klassische und na­ turwissenschaftlich zu begründende H. in den letzten Jahrzehnten geradezu spektakuläre Erfolge erzielt hat und daß lange bekannte techn. Methoden bis zur Voll­ endung weiterentwickelt werden konnten. Beispiele: Die Weiterentwicklung des Röntgenverfahrens zur -►Computertomographie. Sie erlaubt es, auch kleine Krankheitsherde in schwer zugängl. Körperorganen, z. B. im Gehirn, exakt nachzuweisen. Sie wurde in neuester Zeit durch den Einsatz der Kernspinresonanz (-»Kernspinto­ mographie) insofern ideal, wenn auch kostenaufwendig, ergänzt, als mit diesem Verfahren Strahlenbelastungen nicht verbunden sind. Die früher therapeutisch genutzte Ultraschallbehand­ lung wurde als diagnost. Methode (-► Sonographie) zu ei­ ner relativ genauen und den Patienten kaum belästigen­ den Untersuchungsmöglichkeit ausgebaut. Nach Einführung des Herzkatheters (1929) erfuhr die Herzdiagnostik eine wesentl. Erweiterung und ermöglicht heute komplizierte Herzoperationen bis zur Herztrans­ plantation. Diese am Herzen ausgeführten Operationen sind die bedeutendsten Zeugnisse Chirurg. Fortschritts. Sie sind erst nach Einführung der Intubationsnarkose und der künstlichen Unterkühlung möglich geworden. Von großer, auch Sozialmedizin. Bedeutung (Wiedereinglie­ derung in den Arbeitsprozeß) ist die Einpflanzung künstl. Gelenke und künstl. Blutgefäße. In die gleiche Richtung zielen die vielen völlig neuen operativen Erfolge in der Chirurgiedes Gehirns (Mikrochirurgie) und der Urologie. Auf diesem Fachgebiet ist es in neuester Zeit gelungen, auch größere Steinbildungen im Harnsystem mit Hilfe der -» Lithotripsie zu beseitigen, ein Verfahren, das zur Rou­ tine zu werden beginnt und häufig geeignet ist, Operatio­ nen zu vermeiden. Die Laserstrahltechnik ermöglicht es u. a., bei drohen­ der Erblindung in folge Netzhautablösung er folgreich ein­ zugreifen. Sofern sich die H. konservativer Methoden bedient, hat die moderne Psychologie innerhalb der Krankenbehand­ lung neue Aspekte eingebracht. Die >Wiederentdeckung der Seeie< führte zum Begriff der Psychosomatik, zu de­ ren Begründern V. von Weizsäcker (* 1886,1 1957) ge­ hört. R. Siebeck (* 1883,1 1965) undG. von Bergmann führten diese Lehre weiter, die besagt, daß jedes körperl. Geschehen durch seel. Kräfte gelenkt werde. Die Psycho­ logie hat somit Schichten des menschl. Daseins erschlos­ sen, die bisher einer exakten Forschung nicht zugänglich waren, eine Entwicklung, die durch S. Freud und seine Schule schon vor 100 Jahren eingeleitet wurde; diese Leh­ ren sir.d von A. Adler und C. G. Jung fortgeführt worden.

Heil Es steht somit außer Zweifel, daß die moderne H., die bis noch vor wenigen Jahrzehnten von den Naturwissen­ schaften bestimmt wurde, sich in letzter Zeit mit einer starken Zuwendung zur psychosomat. Betrachtungs­ weise gewandelt hat, d. h. zu komplexen Überlegungen über das Zusammenspiel von körperl. und geistig-seel. Krankheitserscheinungen. Während im 19. Jh. und zu Beginn des 20. Jh. mehr die isolierte Organbetrachtung und -erforschung gepflegt wurde, bestätigte die naturwissenschaftl. Forschung in zunehmendem Maß die alte ärztl. Erfahrung, die von den Beobachtungen am Krankenbett zur Konstitutionslehre geführt hat. Nach wie vor ist allerdings bis heute immer noch umstritten, ob Krankheiten mehr als schicksalhafte Ereignisse oder als durch die natürl. oder soziale Umge­ bung induzierte Fehlleistung (des Kranken selbst) verstan­ den werden sollen. So tritt als neue Betrachtungsweise im Krankheitsgeschehen die Einbeziehung einer sozialen Komponente (Sozialmedizin) hinzu, die sich auch als Lehrfach durchzusetzen beginnt. Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit scheint die Ausrottung eine der wichtigsten Infektions­ krankheiten geglückt, der Pocken, so daß die Impfpflicht in vielen Ländern der Erde wie auch in der Bundesrep. Dtl. aufgehoben werden konnte. Im Zuge weltweiter bakteriolog. Forschung sind andere, bisher nicht differenzierte Krankheiten in ihrer Eigenart erkannt worden, so die On­ chozerkose, eine häufig zur Erblindung führende Allge­ meinerkrankung in Afrika, auch die -»Legionärskrank­ heit, eine erstmals in den USA aufgetretene Viruserkrankung. Während in den letzten Jahrzehnten neue Antibiotika praktisch nicht entwickelt wurden, haben die Bemühun­ gen um eine vorbeugende Impfung zum Schutz vor be­ stimmten trop. Infektionskrankheiten, z. B. der Malaria, erste Erfolge gezeitigt. Als ein besonderer Fortschritt in der Bekämpfung bak­ terieller Erkrankungen ist der weitgehende Rückgang der Tuberkulose durch die gezielte Anwendung immer wieder weiterentwickelter Chemotherapeutika zu erwähnen. Diese früher gefährliche Volksseuche ist so weit zurück­ gegangen, daß z. B. in der Bundesrep. Dtl. die Mehrzahl der Lungenheilstätten geschlossen werden konnte. Die auf den Pfeilern exakter naturwissenschaftl. ex­ perimenteller Untersuchungsmethoden ruhenden Fort­ schritte innerhalb der H. haben auf dem Gebiet der Hu­ mangenetik dazu geführt, daß mehr als in früheren Zeiten die Frage des gesunden Nachwuchses schon vor der Ge­ burt definitiv entschieden werden kann und entspre­ chende Maßnahmen eingeleitet werden können; beson­ dere Möglichkeiten bei Empfängnishindernissen wurden mit der Methode der extrakorporalen Befruchtung und des Embryo-Transfers geschaffen. Verschwiegen wer­ den darf allerdings nicht die Befürchtung, daß durch Genmanipulation das Erbgut der menschl. Lebewesen verändert oder sogar beeinträchtigt werden kann; so sind Fragen der ärztl. Ethik auch auf diesem Gebiet in den letz­ ten Jahren verstärkt in die Diskussion gekommen. An fast allen Universitäten der Bundesrep. Dtl. haben sich Ethik­ kommissionen gebildet, welche die Überwachung der Forschung unter diesen Aspekten gewährleisten sollen.

Als unspezifische H. gelten mehr allgemein gehaltene, aber gezielte Maßnahmen, z. B. die Bäderbehandlung, physikal. Therapie, Kneippverfahren. Oft werden H. bei­ der Arten kombiniert angewendet. Die Reichsversicherungsordnung kennt die Bezeich­ nung der kleineren Heil- oder Hilfsmittel, welche die medizin. Behandlung unterstützen und/oder ergänzen. Zu dieser Art H. gehören u. a. Brillen, Zahnprothesen, Krükken, Kunstglieder, Bruchbänder, Rollstühle. — Bei der Gewährung solcher Sozialversicherungsleistungen wird verstärkt die finanzielle -» Selbstbeteiligung der Kranken in Anspruch genommen. Heilnahrung, 1) Diätformen, die in ihrer Zusammen­ setzung der Stoffwechsellage bei verschiedenen Krank­ heiten (Funktionsstörungen von Magen, Darm, Leber, Niere, Herz) angepaßt sind. (-»Krankenhausverpfle­ gung) 2) Nahrungsgemische, die bes. bei akuten und chron. Ernährungsstörungen des Säuglings (auch vorbeugend) verabreicht werden. Die Zusammensetzung richtet sich nach verschiedenen Grundsätzen: Einstelldiät wie Reis­ schleim dient der Überbrückung zwischen der anfängl. Teepause bei -► Dyspepsie bis zur Fütterung milchhaltiger Nahrung. Andererseits bildet die zeitlich begrenzt gege­ bene H. den Übergang zu einer altersgemäßen Dauernah­ rung. Bei Milchunverträglichkeit (Allergie gegen Kuh­ milchproteine) wird von Kinderärzten häufig Sojanah­ rung verordnet. Über den Einsatz von H. entscheidet der Arzt. Zur Behebung eines -► Milchnährschadens wurde früher Malzsuppe gegeben. Bifidogene H. soll für das Ge­ deihen bei Ernährung mit Kuhmilch förderlich sein (-»Bifidusfaktor). 3) nach M. O. -► Bircher-Benner eine Krankenkost mit ausschließlich pflanzl. Rohkost. Heilkunde: oben Gebärstuhl (links) und Bidet (rechts), um 1800. unten links Spreizbett nach Dr. Stein, 1850, für Beinbrüche etc. mit aufdrehbarer Kippklappe für Stuhlgang, unten rechts Den­ tal- und Operationsstuhl nach Dr. Stein, 1851

(ÜBERSICHT S. 314-319) Heilmethoden, die Behandlungsmöglichkeiten der

Heilkunde; i. w. S. die Verfahren innerhalb der -»Schul­ medizin oder der -► Naturheilkunde, aber auch im Rah­ men der -► Erfahrungsheilkunde und Außenseitermedi­ zin (-»Außenseiterverfahren). Die Wahl der H. steht dem Behandelnden frei, für das Ergebnis ist er aber voll verant­ wortlich. I. e. S. wird innerhalb der Schulmedizin v. a. zwischen H. unterschieden, die -»konservativ oder mit Hilfe einer Operation vorgehen. Heilmittel, i. w. S. alle Mittel zur Linderung oder Be­ seitigung von Krankheitserscheinungen. I. e. S. unter­ scheidet man aus ärztl. Sicht spezif. und unspezif. H. Spezifische H. haben eine direkte, auf die Ursachen, z. B. die Erreger bestimmter Krankheiten, gerichtete Wir­ kung: Herzbehandlung mit Digitalis, Antibiotikabehandlung bei Infektionskrankheiten u. a. (-»Arznei­ mittel)

313

GESCHICHTE DER HEILKUNDE 18000-um 4000 v. Chr. Mittlere und jüngere Steinzeit. Empirische Heilkunde (instinktive zweckmäßige Heilmetho­ den: chirurgische Maßnahmen, Diätetik, pflanzliche Heilmittel). Erste Krankheitstheorie: Fremdkörper- oder Emanations­ lehre. Dämonologie: Krankheitserreger sind Fremdkörper mit über­ natürlichen Eigenschaften (Krankheitsdämone). Weiterentwicklung zur theurgischen Heilkunde: Krankheit als von den Göttern gesandte Strafe oder Prüfung. Um 5000-500 v. Chr. Medizin der alten Kulturvölker zwischen Euphrat und Tigris: Sumerer, Babylonier, Assyrer. Erste medizinische Systeme mit starker Anlehnung an die dort herrschende Astrologie.

Um 3000v. Chr.-1000 n. Chr. Altindische Medizin: Ausbildung eines besonderen Ärztestan­ des mit sanktionierten Lehrschriften, den >VedasVierelementen­ lehre«. Die Welt besteht nach ihm aus Feuer, Wasser, Luft und Erde. Um 460-377 v. Chr. Begründung der abendländischen wissenschaftlichen Heil­ kunde durch Hippokrates.

304-250/240 v. Chr. Erasistratos begründete zusammen mit Herophilos (4. Jh. v. Chr.) das Studium der Anatomie an der Leiche in Alexandrien. Zahlreiche wertvolle anatomische Entdeckungen, erste patholo­ gische Befunde. 129-199 n. Chr. Galens Anatomie und Physiologie (die Lehre von den Lebens­ vorgängen) werden die Pfeiler der Medizin. Schaffung eines Sy­ stems der gesamten Medizin auf der Grundlage der «Viersäftelehre«, die über 1500 Jahre die ärztlichen Vorstellungen beherr­ schen sollte.

Um 370 n. Chr. Erstes christliches Hospital zur Pflege von Pilgern, Armen, Kranken und Siechen vom Bischof Basilios in Caesarea begrün­ det; ähnliche Anstalten folgen im Abend- und Morgenland schnell nach, berühmtestes Krankenhaus Pantokrator in Kon­ stantinopel, 1163 erbaut. 400-700 Byzantinische Heilkunde: Die ärztliche Wissenschaft verlagert sich ins Byzantinische Reich. Oreibasios(4. Jh. n. Chr.), Aetios von Amida(6. Jh.), Alexander von Tralles (* 525,1605) verfas­ sen medizinische Enzyklopädien, Paulos von Ägina (7. Jh.) zeichnet sich als Chirurg und Geburtshelfer aus.

314

400-1000 Mönchsmedizin im Abendland. Die Zerschlagung des Römi­ schen Reiches macht auch die nördlich der Alpen wohnenden Völ­ ker mit lateinischen Übersetzungen griechischer Ärzte bekannt. Dieses Wissen bleibt aber praktisch nur auf die Klöster be­ schränkt.

600-1492 Islamische Medizin: Mit der Ausbreitung des arabischen Rei­ ches (Fall Alexandriens 641, Eroberung Konstantinopels 1453) wird die griechisch-byzantinische Heilkunde durch die islami­ sche aufgesogen. Hauptverdienst ist die Übernahme und Weiter­ verbreitung des antiken Wissens in arabischen Übertragungen, die später wieder ins Lateinische zurückübersetzt werden. Darüber hinaus tragen aber die islamischen Ärzte viel Eigenes zur Arzneitherapie, Augenheilkunde, Psychiatrie und Chirurgie bei. In Ägypten und Spanien entwickeln sich selbständige Ärzte­ schulen. 600-1500 Arabische Heilkunde, eigentlich durch christliche Nestorianer und Perser im Osten, durch Mauren und Juden im Westen be­ gründet und gefördert, jedoch durch die Sprache des Korans schnell verbreitet, bewahrt in der Zeit der Völkerwanderung und des Zusammenbruchs des Römischen Reiches die griechisch-an­ tike Medizin und fügt wesentliche Erkenntnisse vor allem auf dem Gebiet der Psychiatrie, der Augenheilkunde und der Pharmazie hinzu. Hauptvertreter Rhazes(|925), hervorragender Kliniker, Schrift über Masern und Pocken; Avicenna (t 1038), umfassen­ des Lehrbuch der Medizin «Kanon«; Albukasim in Spanien (t 1013?), ausgezeichneter Chirurg; Ibn Al-Nafis(T 1288), Erst­ beschreiber des «kleinen Lungenkreislaufs« des Blutes. 800-1300 Übersetzerschule in Toledo (Gerhard von Cremona, f 1187) und Monte Cassino (Konstantin von Afrika, f 1087) übermit­ teln islamisches Wissen in Form lateinischer Übertragungen. Zu gleicher Zeit Aufblühen einer eigenständigen Heilkunde im Karo­ lingischen Reich. Heilkräutergärten in Klöstern (St. Gallen), Lehrgedicht über die heimischen Heilkräuter von Wai.afrid Str abo (t 849), Sammlung des zeitgenössischen volkskundlichen medizinischen Wissens durch die gelehrte Äbtissin Hildegard von Bingen (t 1179). Das päpstliche Verbot zur Ausübung der Chirurgie durch Geistliche führt zur allmählichen Bildung eines Laienärzte­ standes. In Salerno entsteht eine rein medizinische Lehrstätte. 1137 Erste Erwähnung der Hochschule zu Montpellier. Beginn der Universitätsmedizin, Eindringen der scholastischen Methode in den Unterricht. 1140 Einführung einer Studienordnung und einer ärztlichen Prü­ fung durch König Roger von Sizilien.

1231 Medizinalordnung Kaiser Friedrichs II. mit Trennung des Apothekers vom Arzt, Anerkennung eines philosophischen Vor­ studiums und des anatomischen Unterrichts als unentbehrliche Ausbildungsmethoden für den Arzt. 1286 Erste Sektion einer Leiche zur Klärung einer Seuche. Beginn der anatomischen Bewegung. Erstes anatomisches Lehrbuch, das z. T. auf eigenen Sektionen beruht, von Mondino de Luzzi (t 1326). Andere Anatomen der zu dieser Zeit berühmten oberita­ lienischen Universitäten in Bologna (gegr. 12. Jh.), Padua (gegr. 1222), Florenz (gegr. 1321), Ferrara (gegr. 1391) entdecken den Bau des menschlichen Körpers. Intensive Beschäftigung mit den Seuchen. Um 1300 Allmähliche Lösung von der Vormundschaft der Scholastik. Arnai.d von Villanova (t 1311) weist auf klinische Erfahrung und Beispiel des Hippokrates hin, verwertet aber in seinen Wer­ ken auch die Astrologie. Erstmals deutliche Trennung von innerer Medizin und Chirur­ gie. Die akademische Bildung mit Erwerb des Doktorgrades, der dem niederen Adel gleichgestellt ist, steht der handwerklichen Ausbildung als Barbier, Bader und Wundarzt gegenüber. 1348 Gesundheitsvisitatoren besichtigen pestverdächtige Schiffe im Hafen von Venedig.

1377 Erste schriftliche Fixierung der Quarantäne, ursprünglich auf 30Tag«H5eschränkt, später wie in Marseille 1383 auf 40Tage aus­ gedehnt.

Heil 1492 Mit der Entdeckung Amerikas wird in Europa eine neue Seuche eingeführt, die Syphilis, die erstmals 1495 bei der Belagerung von Neapel bekannt wird. Sie tritt zu den Geißeln des Mittel­ alters wie Pest, Lepra, Ergotismus (Mutterkornvergiftung). Auch andere Krankheiten durch giftige Nahrungsmittel oder Nahrungs- und Wirkstoffmangel sind an der Tagesordnung (z. B. Skorbut).

1493-1541 Theophrast von Hohenheim, genannt Paracelsus, wird zum Reformator der z. T. erstarrten Schulmedizin. Seine Werke verfaßt er auf Deutsch. Er vertritt eine neue chemisch-biologische Auffassung vom Leben und der Krankheit. 1540 Erster historisch belegter Kaiserschnitt an einer lebenden Schwangeren. Ärzte und Chirurgen nehmen sich von nun an ver­ mehrt der Geburtshilfe an, die bisher in erster Linie von z. T. schlecht ausgebildeten Hebammen betrieben wurde.

1543 Andreas Vesal (* 1514, t 1564) veröffentlicht sein berühmt gewordenes Anatomielehrbuch, in dem zum ersten Mal aus­ schließlicheigenes Beobachtungsgut verarbeitet ist. Er begründet damit eine neue Epoche der Heilkunde. Bereits Leonardo da Vinci(* 1452,t 1519) hatteanatomische Zeichnungen vongroßer Eindruckskraft geschaffen. Aus der Anatomie erwächst allmäh­ lich die Pathologie durch die Beschäftigung mit den durch Krank­ heiten im Organismus hervorgerufenen Veränderungen.

1554 Der Pariser Arzt Jean Fernei. (* 1506,11558) verlangt in sei­ nem Werk >Medicina< von jedem Arzt Kenntnisse in der Anato­ mie und unterteilt die Medizin in Physiologie (Beschäftigung mit dem gesunden) und Pathologie (Beschäftigung mit dem kranken Menschen). Gerolamo Fracastoro (* 1478,1 1553) gibt in seinem Lehr­ gedicht tSyphilis sive morbus gallicusi der neuen Seuche ihren heutigen Namen und erkennt die Verbreitung durch Geschlechts­ verkehr. 16 Jahre später trennt er eindeutig den Typhus von ande­ ren schweren fieberhaften Infektionskrankheiten ab, erkennt die große Ansteckungsgefahr bei der Tuberkulose und stellt die erste Theorie über die Verbreitung der ansteckenden Krankheiten durch Erreger auf. 1575 Der französische Chirurg Ambroise Pare(* 1510, t 159O)veröffentlicht seine Gesamtwerke, worin er eine umwälzende Be­ handlung der Schußwunden, die Einführung der Arterienabbin­ dung, zahlreiche neue Instrumente und Prothesen und wertvolle Hinweise zur Entbindungskunst liefert. Er revolutioniert damit die Chirurgie seiner Zeit. Deutsche Vorgänger waren Hierony mus Brunschwig (tvor 1534), Hanns von Gersdorff (tum 1517) und der Schweizer Felix Wurtz (* 1518, f 1574). Der Ita­ liener Gaspare Tagliacozzi (• 1545,1 1599) gibt mehrere Ver­ fahren zum Ersatz verstümmelter Nasen an und wird damit zum Vater der plastischen Chirurgie.

1628 William Harvey (• 1578, t 1657) veröffentlicht sein Werk über den Blutkreislauf, womit er die jahrhundertealte These Ga lens von der Hin- und Herbewegung des Blutes in den Gefäßen und der völligen Trennung von venösem und arteriellem Gefäß­ system überwindet. 1650 Erste Beschreibung der >Englischen Krankheit! (Rachitis) durch Francis Glisson (* 1597,11677).

1651/52 Entdeckung des Brustmilchganges (Ductus thoracicus) durch Jean Pecquet(* 1622,11674) und Thomas Bar ihoi in(* 1616, t 1680), nachdem schon 1622 Gaspare Aselli (* 1581, t 1626) die Chylusgefäße entdeckt hatte. 1660 Der Schnupfen wird von Conrad Victor Schneider (• 1614, t 1680) als örtliche Erkrankung der Nasenschleimhaut erkannt.

1661 Marcello Malpighi (* 1628,11694) entdeckt die Kapillaren als feinste Verbindungswege zwischen Arterien und Venen. Er ist auch der erste, der rote Blutkörperchen (1666) beschreibt. Diese Untersuchungen sind erst durch die Erfindung des Mikroskops möglich geworden (H. und Z. Janssen, um 15907). 1665 Erste intravenöse Injektion von Arzneimitteln am Menschen durch Johann Sigismund Elsholtz (* 1623,11688).

1667 Erste Bluttransfusion vom Schaf auf den Menschen durch Jean Denis (t 1704).

1673 Antony van Leeuwenhoek (* 1632, f 1723) beschreibt die Erythrozyten genauer. 1677 Johan Ham (t nach 1723) entdeckt die >Samentierchen< (männliche Geschlechtszellen).

1683 Erste Darstellung von Bakterien durch Leeuwenhoek. 1683/86 Klassische Beschreibung der Gicht und des Veitstanzes durch Sydenham. 1759 Caspar Friedrich Wolff (* 1734, 11794) stellt eine neue Theorie der Entwicklung auf. Wachstum erfolgt durch Vermeh­ rung von Bläschen und Kügelchen. Erste Anklänge an die Lehre von den drei Keimblättern, aus denen das neue Lebewesen ent­ steht. 1761 Der Wiener Arzt Leopold Auenbrugger (♦ 1722, f 1809) er­ findet die Perkussion. Seine Schrift bleibt aber unbeachtet, bis der französische Mili­ tärarzt Jean Nicolas Corvisart (* 1755, 1 1821) 1806 Auenbruggers Verfahren erneut bekannt macht. Der Perkussion tritt die von Rene Theophile Hyacinthe Laennec(* 1781, 1 1826) angegebene Auskultation mittels des Stethoskops zur Seite.

1761 Giovanni Battista Morgagni (* 1682, f 1771) veröffent­ licht sein auf einer Lebensarbeit beruhendes pathologisch-anato­ misches Werk >De sedibus et causis morborumt, das den Sitz der Krankheiten in den Organen nachweist. Er prägt viele heute noch in der Medizin verwendete Begriffe und ist der Begründer der pathologischen Anatomie. 1762 Albrecht von Haller (* 1708,11777) stellt die Begriffe Irri­ tabilität und Sensibilität der Muskulatur und des Nervensystems auf und weist nach, daß ein Spezifikum des Lebens darin besteht, auf einen Reiz zu reagieren.

1763 FrancoisBoissier Sauvages deLacroix(* 1706,1 1767)in Montpellier begründet unter dem Einfluß des berühmten Botani­ kers Carl v. LinnS (* 1707,t1778) ein >Nosologisches System! der Krankheiten mit einer Einteilung in Klassen, Ordnungen, Fa­ milien, Gattungen usw. und will damit Verwandtschaften inner­ halb der verschiedensten Erkrankungen herausstellen. 1768 Klassische Beschreibung der Angina pectoris durch William Hebfrden (* 1710, t 1801). 1774 Der Mannheimer Arzt Friedrich Casimir Medicus (* 1736, 1 1809) stellt den Begriff der iLebenskrafti auf.

1779 Beschreibung des tuberkulösen Buckels (Karies der Wirbel­ säule) durch Percival Pott(* 1714,1 1788). 1779 Franz Anton Mesmer (♦ 1734, f 1815) vollzieht mit Hilfe des tierischen Magnetismus! zahlreiche Heilungen. Heute erkennen wir in diesem Verfahren den Vorläufer der Hypnose- und Sugge­ stionsbehandlung. 1785 Entdeckung der Wirkung der Fingerhutpflanze (Digitalis) auf Wassersucht und krankes Herz durch W. Witherino (* 1741, 11799). 1789 William Cullen (* 1712, f 1790) begründet seine Lehre von der Nervenkraft, die Neuropathologie. Die Nervenkraft kann durch Reize gesteigert oder vermindert werden. Sein Schüler John Brown (* 1735, f 1788) baut diese Theorie zur Lehre von der Sthenic und Asthenie aus.

1791 Entdeckung der Kontaktelektrizität im Froschschenkelversuch von Luigi Galvani (* 1737, 1 1798), fälschlich von diesem tierische Elektrizität! genannt.

315

Heil 1794 Unterscheidung der Zuckerharnruhr (Diabetes mellitus) von einer ähnlichen Harnruhr (Diabetes insipidus) durch Johann Pe­ ter Frank (* 1745,t1821), den Verfasser eines weitverbreiteten Hygienelehrbuches mit dem Titel >System einer vollständigen me­ dizinischen Polizey«.

1796 Einführung der Pockenschutzimpfung durch Edward Jen­ ner (* 1749, f 1823), nachdem schon 1721 durch die Gattin des britischen Gesandten in Konstantinopel Mary Wortley-Montagu (t 1726) eine Schutzimpfung durch Übertragung echter Pocken (Variolisation) eingeführt worden war. 1797 Samuel Hahnemann (* 1755,1 1843) begründet die Homöo­ pathie mit dem Grundsatz »similia similibus curentur«, Gleiches soll durch Gleiches geheilt werden.

1797/98 Der »Galvanismus« wird von Johann Wilhelm Ritter (* 1776, 11810) und Alexander von Humboldt (* 1769, 1 1859) zur Erklärung des Lebens herangezogen. Um 1800 Mit der Naturphilosophie Friedrich Wilhelm Schellings (* 1775,1 1854) wird in Deutschland für kurze Zeit die»Romantische Medizin« führend. Besondere Betonung des Entwicklungs­ gedankens. Krankheit wird einmal als »Folge der Sünde« (Johann Nepomuk Rincseis, * 1785, f 1880), Heilung in der »Entsühnung des Menschen« gesehen, zum anderen jedoch als »Parasit« am Or­ ganismus (Karl Wilhelm Stark, * 1787, f 1845).

1801 Erste Erwähnung der Lehre von der Herdinfektion durch den nordamerikanischen Arzt Benjamin Rush(* 1745, f 1813).

1801 In Erweiterung der Gedankengänge von Morgagni verlegt Francois Xavier Bichat (♦ 1771, f 1802) den Sitz der Erkran­ kungen in bestimmte gleichartige »Gewebe«. 1803/05 Darstellung des Morphins aus Opium durch Friedrich Wil­ helm Sertürner (* 1783, f 1841).

1805 Lorenz Oken (* 1779, f 1851) führt den Entwicklungsgedan­ ken weiter und prägt den Satz »Omne vivum ex ovo« (Alles Leben aus dem Ei).

1836 Der Physiologe Johannes von Müller (* 1801,1 1858) prä­ zisierte das Gesetz von der spezifischen Energie der Sinnesorgane; sein »Lehrbuch der Physiologie« wird bahnbrechend für die neu­ zeitliche Forschung.

1837 Der »Positivismus« von Auguste Comte (* 1798, 1 1857) löst die romantische Bewegung durch die naturwissenschaftliche Ära ab. Bestreben, auch die Weltanschauung naturwissenschaftlich zu unterbauen, exakte Detailforschung mit strengster Kritik.

1838/39 Matthias Jacob Schleiden (* 1804, 11881) erkennt die Zelle als letztes Formelement der Pflanze, Theodor Schwann (*1810, 11882) begründet die tierische Zellenlehre. 1839 Der Würzburger Kliniker Lukas Schönlein (* 1793, t 1864) weist einen Fadenpilz als Verursacher des menschlichen Erbgrinds (Favus) nach. 1847 Ignaz Philipp Semmelweis (* 1818, f 1865) begründet seine Theorie der Infektiosität des Kindbettfiebers und deckt damit die Ursache einer der verheerendsten Krankheiten in Frauenspitälern und »Gebäranstalten« auf. 1849 Alois Pollender (* 1800,11897) sieht zum ersten Mal Milz­ brandbakterien im Blut von Tieren.

1849 Arnold Adolf Berthold (* 1803, f 1861) macht Versuche mit der Wiedereinpflanzung von Hoden bei kastrierten Hähnen und begründet die Lehre von der inneren Sekretion, eines Be­ griffs, den 1855 Claude Bernard(* 1813,1 1878) prägt. 1850 Entdeckung des Augenspiegels durch Hermann v. Helm­ holtz (* 1821, 11894) und seine Anwendung durch Albrecht v. Graefe (* 1828,11870).

1851/52 Der deutsche Tropenarzt Theodor Bilharz (* 1825, f 1862) in Kairo entdeckt den Erreger einer der schwersten Tropenkrankheiten, die später seinen Namen (Bilharziose) erhält, und wird da­ mit zum Begründer der modernen Tropenmedizin.

1854 Der spanische Gesanglehrer Manuel Garcia (* 1805, f 1906) 1813 führt sich selbst erstmals einen Kehlkopfspiegel ein. Johann Gottfried Rademacher (* 1772, t 1850) begründet die Erfahrungsheilkunde. Es kommt allein auf das richtige Heil­ 1857 mittel an, das durch Ausprobieren gefunden werden muß. Eine Louis Pasteur (* 1822,1 1895) weist nach, daß die Milchsäu­ Krankheitsdiagnose ist unnötig. Von allen diesen Einseitigkeiten regärung durch Hefepilze erfolgt. Er erklärt in ähnlicher Weise frei ist der große Kliniker Hermann Boerhaave, Professor in (1866) die Weingärung und die Fäulnis als Werk von Mikroorga­ Leiden (* 1668,11738), der in erster Linieder Heilkraft der Natur nismen. ihren Lauf läßt und diese gezielt unterstützt. Dabei spielen die Diätetik und die exakte Beobachtung des einzelnen Kranken ohne . 1858 Bindung an ein System bei ihm die Hauptrolle. Seine Methode hat Rudolf Virchow (* 1821, 11902) begründet seine »Zellular­ der Begründer des Allgemeinen Krankenhauses in Wien, Ge­ pathologie«; für ihn ist die Zelle der entscheidende Baustein des rard van Swieten (* 1700, 11797), der Leibarzt der Kaiserin Körpers, alle Erkrankungen gehen von den Zellen aus. Ihm ent­ Maria Theresia, übernommen. Er ist der Schöpfer des klinischen stehen Gegner in v. Behring, der für die »Humoralpathologie« Unterrichts der Medizinstudenten am Krankenbett. Zahlreiche (die Reaktionen des Organismus gegenüber krankmachenden Erkrankungen werden nun exakt beschrieben und neue Arznei­ Noxen erfolgen aus den Körpersäften) und in Gustav Adolph mittel in die Therapie eingeführt. Spiess (* 1802, f 1875), der für eine »Neuralpathologie« (alle Er­ krankungen sind letztlich Auswirkungen des gestörten Nerven­ 1819 systems) eintritt. Entdeckung des Chinins in der Chinarinde durch Friedlieb Ferdinand Runge (* 1795, 11867) und die französischen Apo­ 1859 theker Joseph Pelletier (* 1788,1 1842) und BienaimE CavenCharles Darwin (* 1809, f 1882) veröffentlicht sein Werk tou (* 1795,1 1877). »Über den Ursprung der Arten durch natürliche Zuchtwahl«; spä­ ter werden mit seiner Entwicklungslehre die Schlagworte »Kampf 1824 ums Dasein« und »Abstammung des Menschen vom Affen« ver­ Erste Bluttransfusion von Mensch zu Mensch durch James bunden. Blundell(* 1790,11878). 1865 1825 Gregor Mendel (* 1822, t 1884) veröffentlicht seine Ver­ Entdeckung des Keimbläschens im Vogelei durch Johann erbungsgesetze. Evangelista Purkinje (* 1787, f 1867). 1865 Beginn der modernen Hygiene: Betrauung M ax v. Pettenko 1826 fers(* 1818,11901) mit dein Lehrstuhl für Hygiene in München. Beschreibung der Diphtherie durch Pierre Bretonneau Pettenkofer betont die Wichtigkeit von Grundwasser- und Bo­ (* 1771,11862), der dieser Krankheit auch ihren heutigen Namen denverhältnissen zur Gesundheitsförderung und -erhaltung. gibt. 1867 1827 Josef Lister (* 1827, 11912) führt die Antisepsis (Entkei­ Entdeckung des Säugetiereies durch Karl Ernst von Baer mung bei der Operationsvorbereitung mit Hilfe von bakterien­ tötenden Stoffen) ein, die durch die von Ernst v. Bergmann (* 1792,11876). 316

Heil (* 1836, t 1907)ausgebildete Asepsis (Fernhaltender Krankheits­ erreger) verdrängt wird. 1873 Edwin Ki.ebs (• 1834, 1 1913) entdeckt die Diphtheriebakte­ rien, die 1884 von Friedrich Löffler (* 1852,1 1915) auf Nähr­ böden gezüchtet und weitergeimpft werden.

1875 Von Oscar Hertwig (* 1849, 11922) wird erstmals der Be­ fruchtungsvorgang am Seeigelei beobachtet.

1876 Robert Koch (* 1843,11910) kann erstmals Milzbrandbazil­ len auf Nährboden in Reinkultur züchten und damit auf Ver­ suchstiere übertragen. 1879 Ai bert Neisser (• 1855, t 1916) entdeckt den Gonokokkus, den Erreger des Trippers. 1879 Max Nitze (• 1848, t 1906) erfindet das Zystoskop und be­ gründet damit die moderne Urologie. 1880 Charles Louis Laveran (* 1845,11922) findet den Erreger der Malaria. 1881 Friedrich Wilhelm Beneke (* 1824, t 1882) betont die Be­ deutung der Konstitution als Krankheitsanlage. 1882 Robert Koch entdeckt das Tuberkelbakterium und 1884 auch den Erreger der Cholera.

1883 Ilja Metschnikoff (* 1845, 11916) begründet die Phagozy­ toselehre, d. h. der Organismus hilft sich gegen eingedrungene Fremdkörper, indem er seine weißen Blutkörperchen als >Polizei des Körperst mobilisiert. 1885 Louis Pasteur (* 1822,1 1895) führt die Tollwutbehandlung durch wiederholte Zufuhr von kleinsten Wundstarrkrampftoxin­ dosen ein. 1888 Von Wilhelm Waldeyer (* 1836, f 1921) wird der Begriff der Chromosomen als Träger der Erbmasse geprägt.

1890 Emil v. Behring (• 1854, f 1917)entdeckt das Diphtherie-und Wundstarrkrampfantitoxin und baut seine Entdeckung zur Se­ rumtherapie aus. 1895 Der Physiker Wilhelm Conrad Röntgen (• 1845, t 1923) entdeckt eine neue Art von Strahlen, die er zunächst X-Strahlen nennt und die im deutschen Sprachgebiet als Röntgen-Strahlen bezeichnet werden. 1896 Ludwig Rehn (* 1849, t 1930) führt die erste erfolgreiche Naht am verletzten Herzen durch.

1898 F. Löffler und Paul Frosch (• 1860, f 1928) entdecken ul­ travisible Krankheitserreger, die Viren, die sich nur in lebender Substanz vermehren können. 1900 Wiederbelebung der Mendelschen Gesetze durch die Untersu­ chungen von Hugo de Vries (• 1848, t 1935) und Karl Erich Correns(* 1864,11933).

1901 Entdeckung der Blutgruppen durch Kari Landsteiner (• 1868, 1 1943). Isolierung des kreislaufwirksamen Adrenalins durch Thomas Bell Aldrich (* 1861,1 1938) und Jokichi Ta kamine (• 1854, t 1922). 1902 wird von Wii lem Einthoven (♦ 1860,11927) das Saitengalva­ nometer konstruiert, mit dem es gelingt, das Elektrokardio­ gramm (EKG) des menschlichen Herzens aufzunehmen.

1903 entwickelt FerdinandSauerbruch(* 1875, t 1951)seincMethodc der Lungenoperationen in der Überdruckkammer.

1904 Synthetische Darstellung des Adrenalins durch Friedrich Stolz (• 1860,11936), der schon 1897 das Aminophenazon (>Pyramidont) entwickelt hatte. 1905 Entdeckung der Spirochaeta pallida (heute Treponema palli­ dum) als Erreger der Syphilis durch den Zoologen Fritz Schaudinn (* 1871, f 1906) und den Dermatologen Erich Hoffmann (*1868,11959). Ab 1905 wird von Harvey Cushinc (* 1869,11939) in den USA die Ge­ hirnchirurgie systematisch ausgebaut. 1906 Einführung der >Wassermannschen Reaktion! zum Nachweis einer Syphilis im Blut durch August v. Wassermann (* 1866, 11925).

1906 Ernest Henry Starling (* 1866, f 1927) führt für im Orga­ nismus selbst entstehende chemische Wirkstoffe die Benennung >Hormone< ein. 1908 wird die Diathermie, die Tiefendurchwärmung des Körpers, in die Therapie eingeführt. Friedrich Trendelenburg (* 1844, f 1924) schlägt vor, ei­ nen Blutpfropf operativ aus den Hauptschlagadern zu entfernen und damit das Leben des Betroffenen zu retten. Erst 1924 gelingt Martin Kirschner (* 1879, f 1942) erstmals diese Operation.

1910 wird von Paul Ehrlich (* 1854,11915) und seinem Mitarbei­ ter Sahachiro Hata (* 1873,1 1938) das Salvarsan zur Behand­ lung der Syphilis in dieTherapie eingeführt, nachdem bereits 1907 derFreiburger Hygieniker Paul Uhlenhuth(* 1870,11957)mit organischen Arsenverbindungen positive Resultate bei syphilis­ kranken Menschen gewonnen hatte.

1911 wird die erste künstliche Höhensonne, eine Quecksilber­ dampflampe, konstruiert. 1913 Casimir Funk (* 1884, f 1967) prägt für bestimmte Wirkstoffe in der Nahrung die Bezeichnung >VitamineProntosilPrimaquine< in den Arzneischatz; damit wird die Malariabekämpfung weltweit auf eine neue Basis gestellt. Es gelingt, die Krankheit in vielen Län­ dern der Erde einzudämmen, aber nicht sie auszurotten; sie ist in den letzten Jahren infolge der Verschlechterung der hygienischen Bedingungen in der Dritten Welt wieder im Vorrücken. 1950 Von Hans Selye (* 1907,1 1982) durchgeführte Studien über Anpassungssyndrome werden zur Erklärung zahlreicher Über­ empfindlichkeitserkrankungen und Belastungsfolgen herange­ zogen. Die von Selye zu diesem Thema erarbeitete Streßtheorie führte zum besseren Verständnis einer Reihe von bisher unerklär­ baren pathologischen Reaktionen. 1950 Das Nebennierenrindenpräparat Cortison wird weltweit einge­ führt und bei zahlreichen Krankheiten erfolgreich eingesetzt.

1951 Selman Abraham Waksman (* 1888, f 1973) entwickelt im Antibiotikum >Neomycin< ein besonders gegen Tuberkulose wirksames Mittel. 1951 wird eine weitere gegen Tuberkulose wirksame Substanz im >Viomycin< gefunden. 1952 wird, ebenfalls gegen die Tuberkulose, die Gruppe der Isonia­ zidderivate eingeführt. Damit beginnt auf breiter Front der Kampf gegen die Tuberkulose, der zur schnellen Reduzierung der Krankheit führt und die bisherige Behandlung in Heilstätten überflüssig macht. In der Augenheilkunde werden Akryllinsen nach Staroperatio­ nen in den Augapfel eingesetzt und ergänzen damit die seit 1933 bekannten Kontaktlinsen. Mit der Einführung des aus der indischen Rauwolfiawurzel ge­ wonnenen Reinalkaloids >Reserpin< beginnt eine neue Ära der Hochdrucktherapie. Im Laufe der kommenden Jahre und Jahr­ zehnte werden immer neue und wirkungsvollere, mit weniger Ne­ benwirkungen behaftete blutdrucksenkende Mittel mit Erfolg er­ probt. 1953 Nach einer Reihe von Arbeiten über die Zusammensetzung der Eiweißbausteine des Organismus gelingt es den späteren Nobel­ preisträgern Maurice Wilkins (* 1916) und Francis Crick (* 1916), die Natur ihrer wichtigsten Bestandteile als Doppelhelix aufzuklären und ebenso den genetischen Code für die Vererbung bestimmter Eigenschaften zu identifizieren. Dabei bedienen sich diese Forscher enzymatischer Synthesen, die von nun an eine wichtige Rolle bei allen weiteren biochemischen Forschungs­ arbeiten spielen. Einführung der in den USA entwickelten Herz-Lungen-Ma­ schine in die Thoraxchirurgie bei Herz- und Lungenoperationen unter vorübergehender Ausschaltung der Pumparbeit des Her­ zens. 1955 Entdeckung der oralen Antidiabetika (Sulfonylharnstoffe), womit die Behandlung der Zuckerkrankheit z. T. auf einfachere Weise (statt der bei Insulinanwendung notwendigen Injektionen) durchgeführt werden kann. Dem späteren Nobelpreisträger Fre

Heil DERICK Sanger (*1918) gelingt die Strukturaufklärung des Insu­ lins. Damit ist die chemische Synthese dieses wichtigsten Heilmit­ tels gegen die Zuckerkrankheit möglich. Sie wurde von 3 For­ schergruppen, u. a. der Arbeitsgruppe um Helmut Zahn (• 1916) am Wollforschungsinstitut der Technischen Hochschule Aachen, in den Jahren 1963—64 unabhängig voneinander weiter­ entwickelt. 1975 gelang es, auch menschliches Insulin herzu­ stellen. Die Fortschritte der Mikrochirurgie bahnen sich an. Nachdem bereits 1953 die ersten hörvcrbesserndcn Operationen an den klei­ nen Gehörknöchelchen vorgenommen worden waren, nimmt nunmehr die Mikrochirurgic des Ohres ebenso wie die des Auges und des Gehirns mit Hilfe neuer operativer Verfahren und verfei­ nerter Instrumente einen schnellen Aufschwung. Der Ultraschall, der seit 1939 therapeutisch verwendet wurde, wird zur Diagnostik, zunächst zur Größen- und L.agebestimmung des Embryos im Mutterleib herangezogen. Die spätere Weiterent­ wicklung führte zum Ausbau der Sonographie. Erste erfolgreiche Übertragung (Organtransplantation) einer menschlichen Niere bei eineiigen Zwillingen mit Anfängen, Or­ ganspenden zu organisieren. 1962 Einführung oral einzunehmender Ovulationshemmer (Anti­ babypille) zur Empfängnisverhütung. 1964 Der spätere Nobelpreisträger Baruch Samuel Blumberg (* 1925) entdeckt im Blut eines australischen Eingeborenen ein bisher unbekanntes Antigen (Australia-Antigen), das sich als Er­ reger einer Form der Gelbsucht, der Serumhepatitis B, heraus­ stellt. Damit werden neue Erkenntnisse über die Wirkungsweise der Viren im menschlichen Organismus gewonnen. 1967 Laserstrahlen, eine besondere Form gebündelten energierei­ chen Lichts, werden in die medizinische Technik eingeführt und zur Behandlung von Netzhautablösung und von Hauttumoren erstmals mit Erfolg angewendet. Christiaan Barnard (• 1922) führt die erste erfolgreiche Herztransplantation am Menschen aus.

1974 Die spätere amerikanische Nobelpreisträgerin Rosalyn Yalow (• 1921) entwickelt den Radioimmuntest, ein Verfahren der Nuklearmedizin, mit dem es möglich wird, auch kleinste Men­ gen eines Wirkstoffes in Geweben nachzuweisen. Mit Hilfedieser Heilpädagogik, Sonderpädagogik, Heillerzie­ hung, Erziehung, Unterrichtung und Betreuung Behin­

derter, v. a. entwicklungsgehemmter oder schwererzieh­ barer Kinder und Jugendlicher durch spezielle (sonderpädagog.) Maßnahmen und Einrichtungen. Unter medizin. Aspekt setzt H. dann ein, wenn medikamentöse, opera­ tive oder physikal. Behandlungsweisen nicht angewendet werden können oder voraussichtlich erfolglos sind. Die heilerzieherische oder -pädagog. Arbeit wird i. d. R. gemeinsam von Fachärzten, Jugendpsychiatern, Psychologen, Psychagogen, Fürsorgern, Juristen und Heilpädagogen durchgeführt, z. T. im Rahmen der Erzie­ hungsberatung. Sie baut auf den Ergebnissen anderer Dis­ ziplinen wie Psychopathologie, Psychologie, allgemeiner Pädagogik, Medizin, Soziologie und Theologie auf und arbeitet mit diesen zusammen. Die H. geht von dem Gedanken aus, daß jeder Mensch in seinem Organismus genügend Reserven besitzt, die ak­ tiviert werden können, um die nicht mehr rückbildung­ sfähigen Schäden auszugleichen. Die Blinden und Taub­ stummen müssen z. B. lernen, ihre gesunden Sinnes­ organe so auszubilden, daß sie mit deren Hilfe vollwertige Leistungen vollbringen können. Die bildungsfähigen Schwachsinnigen werden mit Hilfe spezieller Lern- und Arbeitsmethoden dahin gebracht, daß sie in einfachen Be­ rufen zur möglichst selbständigen Lebensführung befä­ higt werden. In Sonderanstalten werden alle den Kranken noch verbliebenen Fähigkeiten in gezielter psycholog. Führung so entwickelt, daß viele von ihnen arbeitsfähig werden und eine Befriedigung in der Bewältigung der All­ tagsaufgaben finden. Die heilerzieher. Arbeit an den Hirnverletzten, bei denen wichtige Gehirnteile unersetz­ bar zerstört sind, geht von der Erfahrung aus, daß die ge­ sund gebliebenen Gehirnabschnitte in gewissem Umfang für die geschädigten Teile eintreten können. Der durch

Methoden erfolgt eine außergewöhnliche Ausweitung der dia­ gnostischen Möglichkeiten in der Medizin. Zunehmend werden auch wesentliche neue Erkenntnisse über den Aufbau der Bluteiweißkörpcr, der Immunglobuline, gewon­ nen. Das Ehepaar Ishizaki entdeckt im Immunglobulin Eden für den Ausbruch allergischer Erscheinungen verantwortlichen Anti­ körper und löst damit manche Rätsel bei der Entstehung aller­ gisch bedingter Krankheiten. 1977 Der letzte Fall von Pocken wird in Somalia beobachtet. Die Impfpflicht zur Pockenschutzimpfung wurde 1976 in der Bundesrep. Dtl. aufgehoben. 1978 Einführung der außerkörperlichen (extrakorporalen) Be­ fruchtung, die zur Geburt eines gesunden Kindes führt, durch die brit. Ärzte P. C. STEPTOEund R. G. Edwards. 1979 Einführung der Computertomographie, eines neuartigen Röntgenverfahrens. Die Methode wurde von dem britischen Elektroingenieur Godfrey Hounsfield (* 1919) entwickelt und von dem amerikanischen Physiker Allen Cormack (* 1924) theoretisch begründet. Beide erhielten 1979 dafür den Nobel­ preis.

1980 Entdeckung der an den weißen Blutkörperchen haftenden An­ tigene, die für die Transplantationsmedizin von großer Bedeu­ tung werden soll. Sie spielen nicht nur bei der Abstoßung von Transplantaten, sondern auch bei zahlreichen Krankheiten eine bedeutsame Rolle. 1982 praktische Anwendung der Methode, Steine (Konkremente) der Harnwege auf unblutige Weise mit Hilfe von Stoßwellen zu kleinen Partikeln zu zertrümmern (Lithotripsie) und zum Abgang zu bringen. 1982 Statt der bisher durchgeführten Herzimplantation wird erst­ mals durch den amerikan. Arzt H. De vries ein aus Kunststoff an­ gefertigtes >Herz< (Herzprothese) eingesetzt.

1982 Einführung der Magnetfelddiagnostik, bei der mit Hilfe der Kernspintomographie Querschnittsbilder des Körpers ohne Bela­ stung mit ionisierenden Strahlen gewonnen werden.

linksseitige Gehirnverletzung rechtsseitig Gelähmte wird z. B. zum Linkshänder umgeschult. 1. w. S. gehört zur H. auch die berufl. Umschulung. Auch die an den Folgen von Kinderlähmung und Amputationen leidenden Kranken und bes. auch die Kriegsversehrten müssen zusammen mit der Einweisung in den Gebrauch von Kunstgliedmaßen u. a. durch planmäßige H. in den Stand gesetzt werden, sich von den Auswirkungen ihrer Gebrechen möglichst unabhängig zu machen. Das Ziel, alle diese -»Behinderten soweit wie möglich lebenstauglich zu machen, kann nur erreicht werden, wenn die Persönlichkeit der Kranken im Mittelpunkt der H. steht. Selbstsicherheit, Mut, Gemeinschaftssinn wer­ den geweckt und gefördert, um zu verhindern, daß sich auf dem Boden der Körperbehinderung eine negative Ein­ stellung zum eigenen Ich und der Umwelt entwickelt. In der Bundesrep. Dtl. besteht die Vereinigung >Lebenshilfe für geistig Behindertee. V.< (Marburg), wel­ che Maßnahmen und Einrichtungen fördert, die eine wirksame Lebenshilfe für geistig Behinderte aller Alters­ klassen bedeuten. Dazu gehören z. B. heilpädagog. Kin­ dergärten, heilpädagog. Sonderklassen, Anlernwerkstät­ ten und beschützende Werkstätten. Heilpflanzen, Arzneipflanzen, Wild-oder Kultur­ pflanzen, die zu Heilzwecken benutzt werden. Sie spielen seit ältesten Zeiten in der Therapie eine große Rolle und werden auch heute, v. a. in der -• Naturheilkunde, noch viel verwendet. Die Wissenschaft von der Wirkung der H., seit jeher um die Erforschung wirksamer Naturpro­ dukte im Sinn einer exakten Phytotherapie (Behandlung mit Pflanzen) bemüht, hat in den letzten beiden Jh. einen großen Aufschwung genommen, sie hat für viele altbe­ kannte H. die Wirkstoffe näher erforscht (Pharmakogno­ sie, Pharmakologie) und durch exakte Bestimmung ehern. Wirkstoffe eine gezielte Anwendung und Dosie319





1

|

1

Bockshornklee Bohne Brechnußbaum Brechwurzel Brennessel 1

|

1

1

|

1

|

Birke Bitterklee Bittersüß Blasentang



o









• • • •









• • •

N u. 9 £ □ CQ

• •







|

Betelnußpalme Betonie Bibernelle Bilsenkraut |

Beinwell Berberitze Besenginster

Arnika Artischocke Asant Atropa bella-donna Augentrost Baldrian Bärentraube Basilikum Becherstrauch

Anis

5

Andorn Anemone Angelika Angosturabaum

c n

Aloe

Akelei

Akonit

Ackerwinde Adonis

Heilpflanzen und ihre Wirkungen (Auswahl)

o









o o

• •









o

o



o • •





• •









• •

• •











giftig (ab geringen Mengen)

• •



• • •

• giftig (ab größeren Mengen)

• harntreibend • hautreizend (äußerlich)











entzündungshemmend fiebersenkend galletreibend

harndesinfizierend











• •

o



blutdrucksteigernd blutfettsenkend blutharnsäuresenkend blutstillend, gerinnungsfördernd blutverdünnend, gerinnungshemmend

brecherregend durchblutungssteigernd entblähend





auswurffördernd, schleimlösend betäubend (äußerlich) blutbildungsfördernd blutdrucksenkend

• blutzuckersenkend •



abführend abwehrsteigernd adstringierend anregend, tonisierend atemanregend









heilend (äußerlich) Herz-Kreislauf-anregend



o Herz-Kreislauf-beruhigend

• •

o





herzstärkend



• •



• •











o

o

krebshemmend







• •









• •

leberunterstützend magensaft-, appetitanregend magensafthemmend

menstruationsfördemd milchfördernd (Wochenbett)

o













• •





nervenberuhigend parasitenabtötend (äußerlich) pilztötend (äußerlich) reizmindernd schlaffördernd schmerzhemmend schweißfördernd schweißhemmend stimmungsaufhellend





hormonartig keimhemmend krampflösend krebsfördernd

stoffwechselanregend

• verdauungssaftanregend virushemmend

• vitaminhaltig •



fragliche Wirkung; • erfahrungsgemäß zu erwartende Wirkung.





wurmtötend



o o •



o • • o

o



1





• •

• 1



• •



|

1

|

|

1

|

1

|

|



o o

o



o

1







|

1

Q

Drachenblutbaum Eberesche Efeu Ehrenpreis Eibisch Eichenrinde Eisenkraut Eleutherococcus sentic. Enzian Esche Estragon Eukalyptus Faulbaum Feigenbaum Fenchel Fichte Flohsamen Frauenmantel Galgant Gänsefingerkraut Gelbwurzel Gewürznelke Gewürzsumach Ginkgobaum Ginseng Ginster Goldregen Goldrute Granatapfelbaum

Digitalis

Buchweizen

Catharanthus roseus Chinarinde

Bruchkraut Brunnenkresse Buccoblätter

|

Heilpflanzen und ihre Wirkungen (Auswahl)





anregend, tonisierend atemanregend auswurffördernd, schleimlösend



betäubend (äußerlich) blutbildungs fördernd





blutdrucksenkend blutdrucksteigernd

• •

o

o

o

o



o

o







o







• • • o

o





entblähend entzündungshemmend



o







• o o



• •









• • •









o

o





• •



• •





o

o



• • • •

o •

o •





• o







o o

o





O fragliche Wirkung; • erfahrungsgemäß zu erwartende Wirkung.

harndesinfizierend harntreibend hautreizend (äußerlich) heilend (äußerlich) Herz-Kreislauf-anregend Herz-Kreislauf-beruhigend

herzstärkend hormonartig keimhemmend

schmerzhemmend schweißfördernd schweißhemmend

stimmungsaufhellend stoffwechselanregend verdauungssaftanregend

• •



milchfördernd (Wochenbett) nervenberuhigend parasitenabtötend (äußerlich) pilztötend (äußerlich) reizmindernd schlaffördernd

o





leberunterstützend magensaft-, appetitanregend magensafthemmend menstruationsfördernd

o





fiebersenkend galletreibend (giftig (ab geringen Mengen) • giftig (ab größeren Mengen)

krampflösend krebsfördernd krebshemmend



o o









o o







o



o

• o

o

o







• • • •



blutfettsenkend blutharnsäuresenkend blutstillend, gerinnungsfördernd blutverdünnend, gerinnungshemmend blutzuckersenkend brecherregend durchblutungssteigernd

• •

abführend abwehrsteigernd • adstringierend



virushemmend • vitaminhaltig wurmtötend



• •

|

1



• •

1

1

1

1

1

1

1

1

Kalmus Kamille Kampferbaum | Kapuzinerkresse Kastanie Katzengamander Katzenpfötchen | Khellakraut Kirschlorbeer | Klapperschlangenwurzel | Knoblauch Koka Kolabaum Koloquint(h)e | Kombuchu Kondurangorinde | Königskerze 1

1





cgiftigenGefahr für die Volksgesundheit bedeuten würde. Vom H. wird keine wissenschaftl. Ausbildung verlangt, es gibt je­ doch private Ausbildungsstätten, die ein Teil der H. be­ sucht haben und die sie auf die Besonderheiten der Berufs­ ausübung vorbereiten, z. B. auf die Anwendung naturheilkundl. Verfahren. Wenn diese Verfahren von der Schulmedizin auch zurückhaltend beurteilt und bei mög­ licher Gefahr für den Kranken abgelehnt werden, so be­ steht jedoch v. a. in neuerer Zeit in der Öffentlichkeit ein verstärktes Interesse an der Naturheilkunde. Dies ist z. T. mit einer Ablehnung der immer stärker spezialisierten wissenschaftl. Heilkunde und der Anwendung allopath. Arzneimittel verbunden, bei denen man im Ggs. zu den naturheilkundi. Präparaten schädl. Nebenwirkungen fürchtet. Zur Behandlung von Versicherten der gesetzl. Kran­ kenkassen auf Krankenschein ist der H. nicht zugelassen, jedoch können Behandlungskosten durch den H. von pri­ vaten (Zusatz-)Versicherungen bei entsprechender Ver­ einbarung übernommen werden. In der Dt. Dem. Rep. werden H. nicht mehr neu zu­ gelassen; schon praktizierende H. dürfen ihre Tätigkeit weiterführen. In Österreich wurde das H.-Gesetz 1947 aufgehoben; die eigenverantwortl. medizin. Behand­ lung ist den Ärzten Vorbehalten. In der Schweiz gibt es keine bundesrechtl. Regelung; einige Kantone lassen H. (auch >Naturärzte< genannt) nach kantonalem Recht zur Ausübung der Heilkunde zu. Heilquellen, Quellwässer, die eine heilkräftige Wir­ kung auf den Organismus ausüben, entweder in Form des Bades, als Trinkkur oder als Inhalation. H. zeichnen sich dadurch aus, daß sie gegenüber normalen Quellen einen höheren Gehalt an gelösten Stoffen haben. H. mit höherer Temperatur werden Thermen genannt. Der Zweig der me­ dizin. Wissenschaft, der sich mit den H. befaßt, wird als Balneologie bezeichnet; mit der Zusammensetzung der H. beschäftigt sich die Quellenforschung. Auf ihrem mehr oder weniger weiten Weg durch die Gesteine der Erdrinde nehmen H. durch Lösung Gase (Kohlendioxid, Schwefel­ wasserstoff) und Salze (Brom, Chlor, Eisen, Jod, Kalium,

Kalk, Lithium, Mangan, Natrium, Schwefel) in wechseln­ den ehern. Verbindungen auf. Ihre ehern. Analyse bildet die Grundlage für die Beurteilung der einzelnen H., die in -►Heilbädern und Kurorten (Übersicht) angewendet werden. Eine Einteilung der H. ist bei der Vielfältigkeit ihrer Zusammensetzungen schwierig. Am ehesten kann nach ehern. Gesichtspunkten unterschieden werden, wobei der wirksame Bestandteil, nicht die Menge des betreffenden Salzes maßgebend ist. Übergänge der verschiedenen Klas­ sen kommen häufig vor. Jede H. ist eine Einheit, die einen besonderen Heileffekt erzielt. Einzelne ehern. Bestand­ teile können eine ganz andere Wirkung haben als die H., in der sie enthalten sind. Folgende Arten von H. lassen sich nach ehern, und physikal. Eigenschaften unterscheiden: A) Wässer, die mehr als 1 g gelöste feste Mineralstoffe je kg enthalten: 1) Chloridwässer, a) Natriumchlorid­ wässer, Kochsalzwässer (früher >muriatische Wässert) werden bei einem Mindestgehalt von 5,5 g Natrium- und 8,5 g Chloridionen je kg auch >Sole< genannt; b) Kal­ ziumchloridwässer; c) Magnesiumchloridwässer. 2) Hydro(gen)karbonatwässer, a) Natrium-Hydro(gen)karbonatwässer (früher >alkalische Wässert); b) KalziumMagnesium-Hydro(gen)karbonatwässer (früher >erdige Wässert). 3) Sulfatwässer, a) Natriumsulfatwässer (frü­ her >salinische Wässert oder >Glaubersalzwässert); b) Magnesiumsulfatwässer (früher >Bitterwässert); c) Kal­ ziumsulfatwässer (früher >Gipswässert); d) Eisensulfat­ wässer (früher >Eisenvitriolwässert); e) Äluminiumsulfatwässer (früher >Alaunwässert). B) Wässer, die unabhängig vom Gesamtgehalt an gelö­ sten festen Mineralstoffen bes. wirksame Bestandteile enthalten: 1) Eisenwässer (früher >StahlquellenManagerkrankheitUmgang mit der Krankheit«. Trotz mancher günstiger Ergebnisse waren viele Rückfälle zu verzeich­ nen; vor 100 Jahren starb noch jeder zweite Tuberkulo­ sekranke. Eine Infektionskrankheit ist am wirksamsten durch die Vernichtung des Krankheitserregers zu heilen. Diese Möglichkeit besteht bei der Tuberkulose seit der Einfüh­ rung der rationellen, kombinierten antibakteriellen Che­ motherapie, wodurch die Heilstättenkuren mit der Zeit immer mehr an Bedeutung verloren haben. Dementspre­ chend führten neue Richtlinien und Methoden der Tuber­ kulosebehandlung zum Verzicht auf Heilstättenkuren und schließlich zur Schließung vieler Heilstätten. Die

Heir Zahl der Tuberkulosekranken ist weiterhin rückläufig. Bessere stationäre und ambulante medikamentöse Be­ handlungsverfahren können heute die Heilstättenbe­ handlung ersetzen. Heil- und Pflegeanstalten, -»Heilanstalten, -►Krankenhäuser. Heilung, die Wiederherstellung der-»Gesundheit. Heilverfahren, 1) die Summe der von einem Arzt bei einem Kranken angeordneten und überwachten Maßnah­ men zur Wiederherstellung der Gesundheit. 2) von den Versicherungsorganen (bes. der Bundesver­ sicherungsanstalt für Angestellte, Abk. BfA, und den Landesversicherungsanstalten, Abk. LVA) oder ver­ gleichbaren Institutionen nach vertrauensärztl. Untersu­ chung angeordnete oder genehmigte Verfahren zur Erhal­ tung oder Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit (Reha­ bilitationsmaßnahmen durch Kuren) oder zur Verhütung der drohenden Invalidität. Heimdialyse, Durchführung der Dialysebehandlung (-► Dialyse) außerhalb des Krankenhauses; meist in der Wohnung des Kranken, der zusammen mit einem Dialyse­ partner (meist dem Ehepartner) die i. d. R. 3mal wöchent­ lich notwendige Behandlung selbst durchführt. Eine vor­ herige ausgiebige Schulung von Patient und Dialysepart­ ner in einem klin. Dialysezentrum ist erforderlich. Der Vorteil der H. ist die größere Unabhängigkeit des Patien­ ten, dem die Wegezeiten zum und vom Dialysezentrum er­ spart bleiben. Außerdem können die Dialysezeiten besser mit den berufl. und sonstigen Aktivitäten des Kranken ab­ gestimmt werden. Auch die Peritonealdialysebehandlung kann unter bestimmten Voraussetzungen als H. oder als kontinuierl. (continue) ambulante Peritonealdialyse (Abk. CAPD) durchgeführt werden. Die H. wird in der Bundesrep. Dtl. von verschiedenen Organisationen und Stiftungen unterstützt und gefördert (z. B. Kuratorium für H., Neu-Isenburg, oder Patienten-Heimversorgung, Abk. PHV, Bad Homburg v. d. H.). Heimkehrerkrankheiten, zusammenfassende Be­ zeichnung für Erkrankungen, die zwar keine neuartigen Krankheiten imeigtl. Sinn darstellen, wohl aber durch das Heimkehrerschicksal nach dem 2. Weltkrieg besondere Verlaufsformen und Eigenarten angenommen haben. Langandauernde Einwirkung von >extremen Lebensbedingungenr, plötzl. Übergang aus einem Dasein unter Hunger, Kälte, Zwang, körperl. und seel. Not in eine Welt des Überflusses, der Freiheit und materiellen Sicherheit können eine erhebliche leiblich-seel. Belastung hervorru­ fen (-► Haftreaktion). Zu den Folgen rechnen vorzeitige Alterung, Auftreten von Kreislaufkollaps, chron. Leber­ erkrankung u. a. Die seel. Anpassungsschwierigkeiten zeigten sich nach dem 2. Weltkrieg z. B. in der großen Zahl der Ehescheidungen oder in häufigem Berufswechsel .Oft ist auch die Anpassungsfähigkeit an die veränderte Um­ welt unwiederbringlich verlorengegangen. Heimlich-Handgriff [n. dem amerikan. Arzt H. Heimlich], Erste-Hilfe-Maßnahme bei Erstickungsge­ fahr infolge verlegter Luft- oder Speiseröhre (-»Erste Hilfe, Ersticken, Anhang). Heimpflege, stationäre Unterbringung von alten, kranken oder gebrechl. Menschen in Einrichtungen, in denen sie versorgt und bei Bedarf auch gepflegt werden (Altenheime, Pflegeheime). Die Kosten der H. gehen zu­ meist zu Lasten der Betroffenen und ihrer Familien, bei Bedürftigkeit auch der Sozialhilfe. Heine-Medin-Krankheit [n. dem Orthopäden J. von Heine, * 1800, 1 1879, und dem schwed. Kinderarzt K. O. Medin, * 1847,11927], Poliomyelitis, die spinale -»Kinderlähmung.

Heilpflanzen

Pfaffenhütchen Früchte

Rosmorin

Enzian

Lobelie

Schöllkraut

Salbei

Roßkastanie Blütenstand

Berberitze Fruchstand

Roßkastanie Frucht

Berberitze Blütenstand

Maiglöckchen

Weißdorn Blütenstand

Heiratszeugnisse, Ehegesundheitszeugnis­ se, Unbedenklichkeitszeugnisse, korrekt eigtl. ärztl. Befundberichte über den Gesundheitszustand von Brautleuten, Berichte, die Auskunft geben über die allge­

meine Ehetauglichkeit (z. B. die Fähigkeit, Kinder zu be­ kommen, soweit sich das nach einmaliger ärztl. Untersu­ chung feststellen läßt) sowie über das Nichtbestehen von Geistes- oder Geschlechtskrankheiten, von ansteckenden 329

Weißdorn Früchte

Heir Krankheiten, bes. Tuberkulose, und schweren vererbba­ ren Mißbildungen. Die Vorlage von H. bei der standesamtl. Trauung ist in der Bundesrep. Dtl. nicht notwendig. Hingegen müssen Personen, die geschlechtskrank sind oder zu irgendeiner Zeit an Syphilis gelitten haben, sich unmittelbar vor der Bestellung des Aufgebots ärztlich un­ tersuchen lassen (-»Geschlechtskrankheiten). Bestehen keine Bedenken, so wird hierüber ein Zeugnis ausgestellt. Das H. darf nicht verwechselt werden mit dem Ehefähig­ keitszeugnis (§ 10 Ehe-Gesetz), das z. B. bei Ausländern bescheinigt, daß rechtl. Hindernisse einer Eheschließung nicht entgegenstehen. Heiratsziffer, die -»Eheschließungsziffer. Heiserkeit, Veränderung der Stimme; diese klingt rauh, knarrend, gepreßt oder verhaucht, leise und klang­ arm; Steigerung bis zur Tonlosigkeit ist möglich; Ursache meist Erkältung (Verkühlung, Kehlkopfkatarrh) oder Überanstrengung der Stimmbänder, auch falsche Stimm-, Sprech- oder Atemtechnik (-► Kehlkopfkrank­ heiten). Ferner können Infektionskrankheiten (Grippe, Tuberkulose) und Geschwülste zu H. führen. Bei jeder länger als 3 Wochen dauernden H. muß der Arzt aufge­ sucht werden. (-»Stimme) Heißhunger, Hyper|orexie, Anfälle von unge­ wöhnlich heftigem Hunger und Verlangen nach Füllung des Magens, die mit Kopfschmerzen, Reizbarkeit, sogar Zittern, Schweißausbrüchen und Ohnmacht, verbunden sein können. Zuweilen genügen schon einige Bissen zum Abstellen des H. Manchmal sind große Nahrungsmengen erforderlich. Ursache des H. ist das plötzl. Absinken des Blutzuckerspiegels (Hypoglykämie) auf vegetativer Grundlage, vorwiegend bei Asthenikern, auch durch Insulinüberdosierung, Pankreasgeschwülste u. a., selten bei Hirnerkrankungen. Mit H. nicht zu verwechseln ist das Verlangen nach absonderl. Speisen, das häufig im Frühstadium von Schwangerschaften vorkommt. Heißluftbad, ein Schwitzbad, bei dem heiße, trockene Luft den ganzen Körper oder einzelne Körperteile umgibt. Therapeutisch werden Temperaturen zwischen 40 und 80 °C angewendet, die der menschl. Körper gut verträgt, da er sich in trockener Luft am leichtesten durch reich­ liches Schwitzen vor Überhitzung schützen kann und weil trockene Luft ein schlechter Wärmeleiter ist. Das H. wirkt stark schweißtreibend, wobei der Schweiß an der trockenen Luft sofort verdunstet. Es regt den Stoff­ wechsel und die Hauttätigkeit an und ist überall dort dem Dampfbad vorzuziehen, wo man gleichzeitig scho­ nend vorgehen will. Das römisch-irische Bad ist ein H. für den ganzen Kör­ per in Verbindung mit einem allgemeinen Dampfbad, auch türk. Bad genannt. Es besteht gewöhnlich aus 3 Räu­ men. Der Badende geht zuerst etwa 20 Minuten in den Warmluftraum (40—50°C), dann 10 Minuten in den Heißluftraum (60—70°C), endlich 15-20 Minuten in den Dampfraum (45-50°C). Nach dem Aufenthalt im Dampfraum soll der Körper zunächst durch eine küh­ lende Dusche oder ein zimmerwarmes Tauchbad abge­ kühlt werden; danach etwa halbstündige Liegeruhe. Das römisch-irische Bad ist eine angreifende Behand­ lungsart, weil die heiße Luft eingeatmet werden muß und der Kopf nicht genügend vor Blutandrang geschützt wer­ den kann. Daher ist es bes. bei Kreislaufkranken nur nach Anweisung des Arztes erlaubt. Örtliche H. werden angewendet, wenn der Kopf von der Behandlung ausgeschlossen werden soll; hierbei benutzt man ähnl. Kästen wie beim Dampfkastenbad (-»Dampf­ bad). Eine andere Form ist das Schwitzbett, das im allge­ meinen dem Bettdampfbad entspricht; heute geschieht diese Erwärmung durch elektr. Heizwiderstände. Weitere Arten von H. sind die elektrischen Lichtbäder und das Saunabad. H. bewähren sich bei rheumat. Er­ krankungen, Gicht, Nervenleiden und Lähmungserschei­ nungen sowie bei bestimmten Nierenerkrankungen, bei denen eine Wärmeanwendung mit Schweißabsonderung angebracht ist. Heißluftdusche, elektrisch betriebener Ventilator, dessen Luftstrom durch einen gesondert schaltbaren 330

Heizkörper erwärmt und auf eine bestimmte Körperstelle geleitet werden kann. Mit der Erwärmung ist eine Mas­ sage der Haut durch den Luftstrom verbunden. Heilkundl. Anwendung bei rheumat. oder neuralg. Beschwer­ den zur Beschleunigung der Heilungsvorgänge bei oberflächl. Verletzungen oder entzündl. Prozessen. Die H. wird als medizin. Maßnahme heute kaum mehr ange­ wendet. Heizkissen, Heizdecke, durch elektr. Strom er­ wärmtes Kissen oder Decke. H. finden als Bett-, Leib- und Fußwärmer sowie in Krankheitsfällen für bestimmte Heilzwecke Verwendung. Der Heizkörper besteht aus ei­ nem Heizdraht von mindestens 0,08 mm Durchmesser, der um eine Asbestschnur gewickelt und in ein Asbestge­ webe eingebettet ist; das ganze ist von einem dichten Fla­ nellüberzug umgeben. Die äußere Hülle bildet ein abzieh­ barer und abwaschbarer Leinen- oder Kunststoffüber­ zug. Zum Schutz gegen zu hohe Erwärmung und Brandge­ fahr sind außerdem ein Temperaturregler und eine Ab­ schmelzsicherung eingefügt. Das H. wird durch Schnur und Stecker an das Stromnetz angeschlossen und durch ei­ nen Regulierschalter auf die gewünschte Temperatur ein­ gestellt. Mit dem H. läßt sich dem Körper bequem trockene Wärme zuführen. Die gleichzeitige Verwendung feuchter Wärme ist zu vermeiden. Bei Säuglingen und Menschen, deren Haut nicht genügend temperaturempfindlich ist, müssen H. wegen möglicher Verbrennungen mit besonde­ rer Vorsicht angewendet werden. Heizung, das Erwärmen von Räumen zur Schaffung einer physiologisch günstigen Umgebung mit Hilfe einer Heizanlage; auch die Heizanlage selbst. Die Größe der Anlage und deren Bauelemente werden nach dem Wärme­ bedarf des Raums oder Gebäudes ermittelt. Die Berech­ nung des Wärmebedarfs regelt DIN 4701 in Abhängigkeit von der Bauweise und den Raum- und Außentemperatu­ ren für den Auslegungszustand. Energieträger für H. wa­ ren früher vornehmlich Holz und Kohle, Briketts und Koks, heute sind es Öl, Gas und Elektrizität aus verschie­ denen Energiequellen; noch im Versuchsstadium ist die Ausnutzung der Sonneneinstrahlung (-► Solarenergie). Die Einzel-H. stellt eine Energieumwandlung in dem zu beheizenden Raum mit Hilfe von offenen oder geschlosse­ nen Feuerstellen oder der elektr. Widerstands-H. dar. Zu den geschlossenen Feuerstellen (Öfen) gehören der Ka­ chelofen und der Dauerbrandofen. Mit Öl beheizte Öfen werden entweder von einem an den Ofen angebauten Tank oder zentral von einem Kellertank mit Brennstoff versorgt. Gasheizöfen können abgasseitig an einen Schornstein angeschlossen sein oder als Außenwandöfen das Abgas durch die Außenwand ins Freie geben. Zu den elektr. Heizeinrichtungen gehören Heizlüfter, elektr. Heizstrahler und die Elektrospeicher-H. Bei der Zentral-H. (Sammel-H.) erfolgt die Energieum­ wandlung für ein oder mehrere Gebäude zentral. Bei der Warmwasser-H. mit Wassertemperaturen zwischen 60 und 100°C wird die Wärme an den Raum über Heizkörper (Radiator, Konvektor) oder über eine Flächen-H., auch durch ein Röhrensystem unter dem Fußboden, übertra­ gen (Fußboden-H.). Eine Sonderform der Warmwas­ ser-H. ist die Etagen oder Stockwerks-H. — Höhere Heiz­ mitteltemperaturen über 100 °C weisen die Heißwasser-H. und die Dampf-H. auf. Die Größe der für die H. be­ nötigten Heizflächen wird nach dem Wärmebedarf fest­ gelegt. Als Raumtemperatur genügen 20°C, für Kleinkin­ der, Alte und Kranke 22 °C. Nebenräume (Flure, Toilet­ ten) können niedriger temperiert werden. Heizkörper und Heizflächen sollen in der Nähe von Abkühlungsfiächen, z. B. unter Fenstern, angeordnet werden. Bei der Lufthei­ zung wird Warmluft als Heizmittel verwendet. hektischer Zustand, chron. Krankheitszustand, der durch lang anhaltende innere und äußere Unruhe gekenn­ zeichnet ist. Durch die ständige, das vegetative Nervensy­ stem treffende Störung kommt es zu Kräfteverfall und Gewichtsabnahme. Der h. Z. ist Teilsymptom fortschrei­ tender Infektionskrankheiten, z. B. der Lungentuberku­ lose (>hektische< Wangenröte des toxisch Tuberkulose­ kranken); hektisches Fieber, das den h. Z. begleitende Fie­

Hepa ber. Hektik, übertrieben rastlose Vielgeschäftigkeit meist mit wechselnder Zielsetzung. Heliotherapie, Solartherapie, Behandlung durch Sonnenbestrahlung. (-»Sonnenbad, -»Bioklimatologie) Hell-Dunkel-Anpassung, Abk. H.-D.-A., Adap­ tation, Anpassung der Empfindlichkeit der Netzhaut des Auges an den herrschenden Beleuchtungszustand. Sie wird durch die Veränderung der Pupillenöffnung bewirkt (Steigerung der Lichtempfindlichkeit bei völliger Erwei­ terung auf etwa das 20fache), in der Hauptsache jedoch durch die Sinnesrezeptoren der Netzhaut. Kommt man vom Hellen ins Dunkle, sieht man zunächst wenig oder nichts, Farben können nicht unterschieden werden, bis sich das Auge an die Dunkelheit gewöhnt hat. Die Zeit­ dauer bis zur H.-D.-A. richtet sich nach dem Grad der Dunkelheit und ist bei den einzelnen Menschen sehr ver­ schieden, außerdem abhängig von dem jeweiligen Gesundheits- und Kräftezustand des Körpers. Das Dämme­ rungssehen wird durch den in den Stäbchen der Netzhaut enthaltenen Sehpurpur (Rhodopsin) ermöglicht. Bei hel­ lem Tageslicht wird der Sehpurpur in 3-10 Minuten mit Änderung seiner Proteinbindung gebleicht (>zerstörtaußersinnlichnicht-physikal.< (und da­ her nicht objektivierbaren) Wirkungen werden auf eine fiktive Kraft >Psi< zurückgeführt. Ihr empirischer Nach­ weis durch Kartenexperimente ist umstritten. Auf der Bühne wird H. als Trickkunst geboten. H. in >medialen Lebensberatungsstellen< ist mit größter Zurückhaltung zu beurteilen. Bei Gericht wird H. als Beweismittel nicht zu­ gelassen. Helmholtz, Hermann von (seit 1882), * Potsdam 1821, t Berlin 1894, Physiker und Physiologe, entdeckte 1842 den Ursprung der Nervenfasern aus den Ganglien­ zellen und bestimmte 1850 erstmals die Fortpflanzungs­ geschwindigkeit des Nervenreizes. Er erfand den -»Au­ genspiegel und das -»Ophthalmometer. H. gilt als Be­ gründer der modernen musikalisch-akust. Forschung. Auf dem Gebiet der Physik klärte H. die Bedeutung des Energieprinzips und führte den Begriff der freien Energie sowie des Elementarquantums der Elektrizität ein. Helminthiasen, Helminthosen, die -»Wurm­ krankheiten. Hemeralopie, die -» Nachtblindheit. Hemi|anopsie, Halbseitenblindheit, halbseitiger Ausfall des Gesichtsfelds eines oder beider Augen. Die ursächl. Schädigung liegt nicht in Netzhaut oder Sehnerven, sondern gehirnwärts in der Leitungsbahn zum Sehzen­ trum im Hinterhauptslappen des Gehirns oder dort selbst (-♦Gesichtsfeld). Eine H. gibt wichtige Hinweise zur Er­ kennung von Gehirnerkrankungen und ist in vielen Fällen das erste Anzeichen einer solchen Krankheit. Hemikranie, die -»Migräne. Hemiparese die, unvollständige Lähmung einer Kör­ perhälfte. Hemiplegie, vollständige halbseitige -► Lähmung. Hemmhoftest, der -» Lochtest. Hemmung, die Abschwächung, Aufhebung oder Blockierung eines Vorgangs. 1) Physiologie: die Unterdrückung oder Bremsung kör­ perlicher Vorgänge durch bestimmte Nerven. Hemmende Einflüsse auf Reflexbewegungen gehen von bestimmten Teilen des Gehirns aus (Hemmungszentren). Reflexe von dem Willen unterworfenen Muskeln können z. T. auch

durch den Willen gehemmt werden. Bereits die Aufmerk­ samkeit auf das Vollziehen einer Reflexhandlung genügt oft, diese zu hemmen. 2) Psychologie: allgemeine und umfassende Bezeich­ nung für Zustände, die entstehen, weil eine oder mehrere seel. oder willentl. Einflüsse oder soziale Situationen und Gegebenheiten die Wirksamkeit von Antrieben, Aktivitä­ ten oder eines Ausdrucksverhaltens behindern. Der Be­ griff H. spielt eine große Rolle in der -»Verhaltens­ therapie. In der H. des Antriebs-, Motivations- und Ausdrucks­ geschehens sieht die Tiefenpsychologie die Wirkung von Abwehrmechanismen (z .B. Verdrängung) des Ich unter dem Einfluß des Über-Ich, die verhaltenstheoret. Rich­ tung der Psychologie das Ergebnis fehlerhafter Lernpro­ zesse. Gesteigerte H. (Gehemmtheit) ist symptomatisch für Neurosen (bes. Angst- und Schuldkomplexe) und be­ stimmte Psychosen (z. B. -»Schizophrenie, -»manischdepressive Krankheit). Hemmungsbildung,

Hemmungsmißbildung,

-►Mißbildungen. Hepar, die -»Leber. Heparin, ein zuerst in der Leber aufgefundener Wirk­ stoff, der in verschiedene Phasen der Blutgerinnung ein­ greift. Er hemmt die Bildung des Gerinnungsenzyms Thrombin aus seiner Vorstufe (Prothrombin) und die Bil­ dung von Fibrin aus Fibrinogen. Will man Blut ungerinn­ bar machen, so setzt man ihm geringe Mengen H. zu. Zur Verhütung von Thrombosen und Embolien nach Opera­ tionen, Geburten und Venenentzündungen wird H. intra­ venös eingespritzt. Die Wirkung hält etwa 4 Stunden an, dann muß die Einspritzung wiederholt werden. Bei Blu­ tungsgefahr kann die Wirkung des H. durch intravenöse Gaben von Protaminsulfat sofort unterbunden werden. Heparinähnliche Substanzen (Heparinoide) können halbsynthetisch hergestellt werden. Die labormäßige Be­ stimmung der Gerinnungszeit erfolgt durch den -► QuickTest. Hepatitis, herdförmige oder diffus auftretende Ent­ zündung des Leberparenchyms (spezif. Lebergewebe) mit meist sekundärer Leberzellschädigung. Die H. kann durch Viren, Bakterien, Protozoen, Parasiten, tox. Sub­ stanzen, Alkohol sowie Arzneimittel verursacht werden und ist oft mit -► Gelbsucht verbunden. Schon früh wurde vermutet, daß es sich bei der H. um eine Infektionskrank­ heit handelt, da immerwiedereingehäuftes Auftreten von Gelbsuchterkrankungen bes. in Kriegszeiten beobachtet wurde. Im 2. Weltkrieg ist die H. in seuchenhafter Form (H. epidemica oder H. infectiosa) in den Armeen alleram Krieg beteiligten Nationen und auch in der Zivilbevölke­ rung aufgetreten. Die häufigste und wichtigste akute Erkrankung der Le­ ber ist die akute Virushepatitis, früher als Icterus catarrhalis oder Icterus simplex bezeichnet. Sie ist über die ganze Erde verbreitet. In vielen Ländern besteht Melde­ pflicht. Exakte Angaben über die Häufigkeit der H. sind trotzdem schwer zu erhalten, da meistens nur die mit einer Gelbsucht verbundenen (ikterischen) Krankheitsfälle ge­ meldet werden. Durch verfeinerte Untersuchungsmetho­ den (z. B. Bestimmung der -»Transaminasen) weiß man, daß eine H. in zahlreichen Fällen auch ohne begleitende Gelbsucht (anikterisch) verläuft. Entsprechend dem Erre­ gertyp werden folgende Formen der H. unterschieden: 1) Virus-A-Hepatitis, früher auch als epidem. H. be­ zeichnet. Ihre (verhältnismäßig kurze) Inkubationszeit liegt zwischen 15 und 50 Tagen, im Mittel bei 32 Tagen. Das 27 nm große Virus kann in der ersten (präikter.) Krankheitsphase im Stuhl nachgewiesen werden. In der späteren (ikter.) Phase treten Antikörper (-»AntigenAntikörper-Reaktion) gegen dieses Virus auf. Die Über­ tragung erfolgt meist über den Stuhl des Erkrankten als Schmierinfektion, auch durch verunreinigte Lebens­ mittel. Die H. A hinterläßt eine lebenslange Immunität, aber nur gegen diese spezielle Form der Erkrankung. 2) Virus-B-Hepatitis, auch als Serum-H., Spritzen­ oder Transfusions-H. bezeichnet. Ihre (wesentlich län­ gere) Inkubationszeit liegt i. d. R. zwischen 50und 180Ta­ 331

Hermann von Helmholtz

Hepa gen. Die Übertragung kann sowohl parenteral (Bluttrans­ fusionen, verunreinigte Spritzen, -»nosokomiale Infek­ tion) als auch oral erfolgen; Blut, Speichel, Schweiß und alle anderen Körperflüssigkeiten sind als potentiell infek­ tiös anzusehen. Kleinste Mengen Blut (0,0001 ml) reichen für eine Infektion aus. Als krankheitsauslösend werden heute allgemein 42 nm große Partikel angesehen (nach ih­ rem Entdecker als Dane-Partikel bezeichnet), die im Se­ rum von Patienten mit akuter oder chron. Virus-B-H. elektronenmikroskopisch nachweisbar sind. Der Anti­ gennachweis (Australia Antigen) gegen das Virus ist mit einfacheren (nicht elektronenmikroskop.) Methoden möglich. Seine Anwesenheit beweist die Infektion des Or­ ganismus mit dem H.-Virus B. Neben den beiden erwähnten Formen der akuten in­ fektiösen H. ist in letzter Zeit eine weitere H. -Erkrankung bekannt geworden, bei der ein Erregernachweis bisher weder immunologisch noch elektronenmikroskopisch gelang. Diese Form wird als Non-A-Non-B-Hepatitis bezeichnet; ihr Erscheinungsbild ähnelt der Virus-B-H.; sie tritt v. a. bei Bluttransfusionen auf. Das klin. Bild erlaubt im Einzelfall keine Unterschei­ dung zwischen den verschiedenen H.-Formen. Die Krankheit beginnt mit einem Prodromalstadium, das mit uncharakterist. Allgemeinsymptomen wie Mattigkeit und Müdigkeit, Druck im Oberbauch, gelegentlich rheumaähnl. Gliederschmerzen einhergeht. Meist besteht mä­ ßiges Fieber, das mit dem Auftreten der Gelbsucht ab­ klingt. Diese kann beträchtl. Ausmaße annehmen, der Urin wird dunkelbraun, der Stuhl entfärbt sich. Der wei­ tere Verlauf ist sehr unterschiedlich. In leichten Fällen kann die Gelbsucht schon nach wenigen Tagen wieder zu­ rückgehen. Im allgemeinen vergehen bis zur Normalisie­ rung des während der Gelbsucht erhöhten Serum-Biliru­ bins 4—6 Wochen. Außer der mit einer Gelbsucht verbun­ denen H. sind auch Verlaufsformen ohne Gelbsucht (anikterische H.) bekannt. Solche Krankheiten werden häufig als Magenverstimmung, Dyspepsie oder >MagenDarm-Grippe< verkannt oder gar nicht zur Kenntnis ge­ nommen. Nur durch zufällig während derartiger Zu­ stände durchgeführte Blutuntersuchungen ergeben sich Hinweise auf H. Die Angaben zur prozentualen Häufig­ keit derartiger Verläufe müssen daher mit großer Zurück­ haltung aufgenommen werden. In etwa 0,2—0,4% ver­ läuft die H. unter einem schweren Krankheitsbild, der ful­ minanten oder nekrotisierenden H. (akute Leberdystro­ phie, akute Lebernekrose). Dieser Verlauf kann sich ganz plötzlich entwickeln und kann innerhalb weniger Tage zum Tod im Leberkoma (Coma hepaticum, -»Koma) führen. Innerhalb eines Zeitraums von 6 bis spätestens 24 Stun­ den nach Eintritt der Infektion ist eine passive Immunisie­ rung möglich. Bis zur Normalisierung der Bilirubinwerte und der Serumtransaminasen soll Bettruhe eingehalten werden. Die Diät soll kohlenhydrat- und vitaminreich und weitgehend fettarm sein. Alkohol ist mindestens 1 Jahr zu meiden. Eine ursächl. Behandlungsmöglichkeit (Che­ motherapie) besteht nicht. In 80—90% der Erkrankungen heilt die Virus-H. in etwa 12 Wochen spontan und ohne besondere Behandlung aus. Die Letalität schwankt je nach Epidemie zwischen 0,2 und 0,4%. In rd. 10—15 % der Fälle kommt es zu chron. Verlaufsformen, die ausheilen, aber auch in eine -»Leberzirrhose übergehen können. Wichtig ist das Verhüten einer weiteren Ausbreitung der Krankheit durch eine strenge Hygiene beim Umgang mit Erkrankten und deren Körperflüssigkeiten und Ausschei­ dungen (v. a. Blut, Stuhl, Urin). Neuerdings besteht die Möglichkeit einer aktiven Imp­ fung gegen die Virus-B-H. Nach derzeitiger Kenntnis ist sie jedoch nur bei Angehörigen von Risikogruppen ange­ zeigt (z. B. Krankenschwestern, Laborantinnen, Ärzte, Personal in Dialyseeinheiten u. a.). Die Behandlung ist der jeweiligen Erkrankungsform anzupassen (-»Leber). Hepatologie, die Lehre von der Leber. Hepatose, übergeordneter Begriff für degenerative Lebergewebsveränderungen. Sie treffen zunächst nur die Leberzellen, führen aber später infolge gestörter Um­ 332

wandlung der Neutralfette, die nicht mehr abtranspor­ tiert werden können, bei gleichzeitig gesteigerter Fettsyn­ these zu fettiger Entartung des Organs, der Fettleber. Bei sekundärer Beteiligung des Stützgewebes und fortschrei­ tendem Zellzerfall (-» Nekrose) kann der Endzustand eine -» Leberzirrhose sein. Die H. kann bedingt sein durch eine chron. -» Hepatitis, die langdauernde Einwirkung von ehern. Substanzen (be­ stimmte Arzneimittel, -»Arzneimittelmißbrauch, Schad­ stoffe am Arbeitsplatz), bes. aber durch Alkohol (-► Alko­ holgenuß). Herbstzeitlose, Colchicum autumnale, zu den Liliengewächsen (Liliaceae) gehörende Pflanze; blüht im Herbst auf feuchten Wiesen, bes. im Gebirge. Im Früh­ jahr reift die Frucht und wird dann von 3 Blättern umge­ ben (Bild Heilpflanzen). Medizinisch gebraucht werden die Samen (Semen Colchici). Sie enthalten das giftige Al­ kaloid Kolchizin (starkes Kapillar-, Zell- und Mitosegift), das aber auch ein wichtiges Heilmittel ist, vorzugsweise gegen die -»Gicht. Anwendung: Heilpflanzen, Über­ sicht. Vergiftungen kommen namentlich bei Kindern vor, wenn sie die Pflanzen oder die Samen in den Mund genom­ men oder verschluckt haben. Auch durch übermäßige Do­ sen der Colchicumpräparate können Vergiftungserschei­ nungen auftreten: Brennen im Mund, blutige, ruhrartige Durchfälle, Erbrechen und Harndrang, Schmerzen in Ar­ men und Beinen und im Rücken, Krämpfe, Atemnot, Sehund Sprechstörungen, schließlich Lähmung des Atem­ zentrums, die zum Tod führt. ImGgs. zum Menschen sind pflanzenfressende Tiere gegen Kolchizin widerstands­ fähig. Erste Hilfe bei Colchicumvergiftung: Erbrechen her­ beiführen, danach Kohle geben. Wärmezufuhr (Heizkis­ sen, Wärmflasche). Sofort Arzt rufen! Herd, der -»Fokus. Herd|infektion, Fokal infektion, Bezeichnung für einen Infekt (v. a. mit >vergrünenden< Streptokokken), dessen Fern- oder Allgemeinsymptome von einem chron. Ausgangsherd (Fokus) ausgelöst werden; Herde sind bes. Gaumenmandeln und Zahnwurzeln. An Zähnen, deren Nerv tot ist, bilden sich fast immer Granulome (-»Zahn­ wurzelhautentzündung), die als Herde verdächtig sind. Auf H. bezogene Fernsymptome sind bes. Gelenk- und Muskelrheumatismus, Herzinnenhaut- und Nierenent­ zündung; sicher ist, daß diese nach akuter -»Mandelent­ zündung mit hämolysierenden Streptokokken auftreten können. Auf H. bezogen werden auch unklare Allgemein­ symptome wie Müdigkeit, Verstimmung, Kopfschmer­ zen, erhöhte Temperatur u. a. Herdsanierung, also Ent­ fernung chronisch entzündeter Mandeln oder Zähne, hebt oft das Befinden; es ist aber strittig, ob durch Sanie­ rung der H. auch die von ihr ausgelösten Folgen beseitigt werden. Herdnephritis, von M. Löhlein (*1877, 1 1921) 1910 erstmals beschriebene Nierenerkrankung (Glome­ rulonephritis) ohne Blutdruckerhöhung und Ödembil­ dung, die bei lichtmikroskop. Untersuchung keine dif­ fuse, sondern eine herdförmig betonte Ausbreitung auf­ weist (später von F. Volhardt, * 1872, f 1950, als Herdglomerulitis bezeichnet). Mit den heute verfügbaren mikroskop. Untersuchungsverfahren (Elektronenmikros­ kopie, Immunfluoreszenzmikroskopie) erkennt man je­ doch, daß auch diese Nierenerkrankung in ihrem Ablauf eine diffuse Ausbreitung über die gesamte Niere aufweist. Die Krankheit tritt als Folge einer durch Streptokokken verursachten bakteriellen Herzinnenhautentzündung (Endokarditis) mit Verschleppung der Erreger auf dem Blut weg auf. Der klin. Verlauf ist leichter als der der mei­ sten übrigen Glomerulonephritiden. Behandlung mit Penicillin, gute Heilungsaussicht. Mit dem Rückgang der Erkrankungen an Endokarditis ist auch das Auftreten der H. seltener geworden. Heredität, Erblichkeit (-»Vererbung); hereditär, erb­ lich. Heringswurmkrankheit, Anisakiasis, durch Lar­ ven des Fadenwurms Anisakis marina (Heringswurm)

Herz Arterienstamm für rechte Arm- und Kopfseite

linke Schlüsselbeinschlagader linke gemeinsame Halsschlagader

obere Hohlvene eröffneter Herzbeutel

rechtes Herzohr

dreizipflige Klappe (geschlossen) mittleres Segel hinteres Segel

oufsteigende Aorta

Lungenarterie linker Vorhof

obere Hohlvene

rechte Kranzarterie

linke Kranzarterie Herzvene

linker Vorhof Kranz­ arterie

Mitralklappe (geschlossen) hinteres, vorderes Segel

rechte Kammer

Papillarmuskel

linke Kammer rechte Kammer Herzspitze

Aortenklappe und Aorta der länge noch gespalten und aufgeklappt

rechter Vorhof

linkes Herzohr

rechter Vorhof

einer Kranzarterie

linke Kammer

Papillarmuskeln Kammer­ scheidewand

Herz: links H. von vorn gesehen; rechts Längsschnitt eines H. von vorn gesehen

und vermutlich noch anderer Fadenwürmer hervorgeru­ fene Erkrankung des Magen-Darm-Trakts (eosinophile Granulome). Die geschlechtsreifen Würmer schmarotzen in Meeressäugetieren (z. B. Wal, Delphin, Tümmler, See­ hund). Die Larven können vom Menschen durch Genuß roher Heringe aufgenommen werden. Nachweis mit serolog. Methoden. Behandlung mit Spezialpräparaten. Herm|aphroditismus, Zwittertum, seltene Miß­ bildung. Hermaphroditen besitzen männl, und weibl. Ge­ schlechtsorgane und die entsprechenden sekundären Ge­ schlechtsmerkmale. In einigen Fällen konnte durch Ope­ ration eine Geschlechtsumwandlung zum Mann oder zur Frau herbeigeführt werden. Die Bezeichnung H. geht zurück auf die grch. Sage: Der Sohn der Götter Hermes und Aphrodite, Hermaphrodi­ tos, verliebte sich in eine Nymphe; ihrem Wunsch, nie wie­ der von dem Geliebten getrennt zu werden, kamen die Götter nach, indem sie beide zu einem doppelgeschlechtl. Wesen vereinigten. Hernia femoralis, die -► Schenkelhernie (nicht zu verwechseln mit dem Schenkelhalsbruch). Herni|e, der Eingeweidebruch (-► Bruch). Herpes, durch Virusinfektion ausgelöste Haut- und Schleimhauterkrankungen, die durch die Bildung von Bläschen gekennzeichnet sind. 1) Herpes simplex, Bläschenausschlag, Reizbläschen, gutartige Hautkrankheit, bei der Gruppen von kleinen, mit wasserheller Flüssigkeit gefüllten Bläschen auftreten, die mit Vorliebe an den Übergangsstellen von Haut zu Schleimhaut sitzen; an den Lippen als Cheilitis. Die Bläs­ chen schießen unter geringfügigem Brennen auf vorher gesunder Haut plötzlich auf. Erreger sind die H.-Viren Typ 1 und 2. Die Infektion mit dem H.-Virus neigt zur Latenz (Ruhephasen). Die -»latente Infektion wird häufig durch fieberhafte Erkrankungen oder durch die Regelblutung immer wieder provoziert (Neigung zu Rückfällen). Das H.-Virus Typ 2 findet man bes. in den Bläschen an den Geschlechtsteilen. Der Befall der Gebär­ mutter bei Frauen disponiert offenbar für Krebs. Schutz­ impfungen gegen H. werden empfohlen, sind aber noch umstritten. Behandlung: Unter austrocknenden Maßnahmen wie Pudern, Pasten und fettarmen Cremes auch mit virusabtötenden Zusätzen, jedoch ohne Cortison, heilen die Hautveränderungen meist rasch ab. Spezif. Mittel, bes. zur Verhinderung von Rückfällen, gibt es nicht. Die Imp­ fung mit aus Virusmaterial hergestellten Impfstoffen hat keine wesenti. Erfolge gebracht. Neue Präparate zur Stei­ gerung der Immunabwehr sollen in einigen Fällen wirk­ sam sein. 2) Zoster, früher H. Zoster, die -»Gürtelrose. Herrick-Syndrom [h'erik-, n. dem amerikan. Inter­ nisten J. B. Herrick, * 1861, 1 1954], die -*Sichelzellen­ anämie.

Herz, Kardia, Zentralorgan des Kreislaufsystems, das die Aufgabe hat, den Blutstrom ständig in Bewegung zu halten. Gestalt und Lage. Das H. des Menschen ist ein ke­ gelförmiger, muskulöser, etwa faustgroßer Hohlkörper; es wiegt bei Männern durchschnittlich 310 g, bei Frauen 260 g. Das H. liegt im Mittelteil dicht hinter dem Brust­ bein, zu einem Drittel rechts, zu zwei Dritteln links davon (Modell des Menschen nach S. 400). Die der Brustwand zugewendete Fläche gehört der rechten, die nach hinten und abwärts dem Zwerchfell zugewendete und ihm aufru­ hende Fläche der linken H.-Kammer an. Der H.-Beutel (Perikard) umschließt das H. allseitig. Die H.-Beutel­ höhle enthält etwa 35 ml einer serösen Flüssigkeit, das H.-Beutelwasser. Man unterscheidet die linke H.-Hälfte (linkes H.), wel­ che die Triebkraft für den großen oder Körperkreislauf liefert, und die rechte H.-Hälfte (rechtes H.), die den klei­ nen oder Lungenkreislauf antreibt; jede H.-Hälfte besitzt einen Vorhof (Atrium) und eine Kammer (Ventrikel). In den rechten Vorhof münden die aus dem Körper kom­ mende untere und obere Hohlvene und der gemeinsame Stamm der Venen des H.-Muskels selbst; aus der rechten Kammer geht die Lungenarterie (venöses Blut führend) hervor; in den linken Vorhof münden die 4 Lungenvenen, welche arterielles Blut führen; aus der linken Kammer geht die Aorta hervor. Beim Embryo besteht eine Verbin­ dung zwischen beiden Vorkammern. Bleibt diese Verbin­ dung bestehen, so spricht man von einem Vorhof-Sep­ tumdefekt. Beim Erwachsenen sind rechte und linke H,Hälfte vollkommen getrennt. Die muskulösen Wände der Vorhöfe sind dünn, während diejenigen der H.-Kammern weit stärker sind; die Wand der linken H.-Kammer ist 3—4mal so dick wie die der rechten. Die Innenfläche der H.-Höhlen mit Einschluß der Klappen wird von der glatten inneren H.-Haut (Endo­ kard) überkleidet, die sich in die innere Haut der großen Blutgefäße fortsetzt. Der H.-Muskel (Myokard) besteht aus quergestreiften Muskelfasern. - Die Außenhaut des H. (Epikard) schlägt sich an der Wurzel der großen Ge­ fäße um in den H.-Beutel. Ernährt wird das H. durch be­ sondere, aus der Aorta entspringende Blutgefäße, die bei­ den H.-Kranzgefäße (Herzkranz- oder Koronararterien), die in den Längs- und Querfurchen des H. verlaufen und sich dann in der H.-Muskulatur verzweigen. Herzklappen. Die beiden H.-Kammern wirken als Druckpumpe. Wie jede Pumpe ein Ein- und ein Ausfluß­ ventil hat, um ein Zurückströmen der Flüssigkeit zu ver­ hüten, so besitzt jede Kammer 2 H.-Klappen, die eine in der Scheidewand zwischen Vorhof und Kammer (EinHerz: Schema der Arbeitsweise des H. (am rechten Teil dargestellt); oben Diastole, a obere Hohlvene, b Aorta, c rechter Vorhof, d Lungenarterie, e Taschen der Pulmo­ nalklappe, f linker Vorhof, g Segel der dreizipfligen Klappe, h untere Hohlvene, i rechte Kammer, k linke Kammer; unten Systole 333

Herz

Herz flußventil), die andere im Anfangsteil des jeweils aus der Kammer hervorgehenden Blutgefäßes, also der Aorta und der Lungenarterie (Ausflußventil). Die Klappen zwi­ schen Vorhof und Kammer (Segelklappen) bestehen aus segel- oder zipfelförmigen, nach unten spitz zulaufenden, häutigen Lappen (>Segelnakzidentelle H.< oder Strömungsgeräusche), die nichts mit einem Klappenfehler zu tun haben, aber Anlaß zu einer Fehl­ beurteilung in dieser Richtung sein können. Herzgespann, Löwenschwanz, Wolfstrapp, Leonurus cardiaca, zu den Lippenblütern (Labiatae)

gehörende, bis lm hohe Pflanze in warmgemäßigten Kli­ mazonen. Die zur Blütezeit gesammelten, getrockneten oberird. Teile enthalten Stoffe mit bes. beruhigender, krampflösender und blutdrucksenkender Wirkung. An­ wendung: Heilpflanzen, Übersicht. Herzhaken, Schlag gegen die Herzgrube beim Box­ sport, der durch Reflexwirkung zum akuten Herztod füh­ ren kann. Herzhypertrophie, Zunahme der Herzmuskulatur, die eine Vergrößerung des Herzens bewirkt. Sie tritt ein, wenn der Herzmuskel anhaltend gesteigerte Arbeit zu lei­ sten hat, und kann eine oder beide Herzkammern betref­ fen. Physiolog. H. findet sich normalerweise bei Hochlei­ stungssportlern in Ausdauersportarten (-»Sportherz). Am häufigsten entsteht H. bei Herzklappenfehlern, ho­ hem Blutdruck, sklerot. Verhärtung der Aorta, bei man­ chen chron. Lungenkrankheiten und bestimmten Nieren­ krankheiten. H. steigert das Herzgewicht. Überschreitet dieses die krit. Grenze von 500 g, dann spricht man von Herzhypertrophie der linken Herzhälfte infolge ver­ mehrter Herzarbeit bei Schrumpfniere; a rechte Herz­ kammer, b rechter Vorhof, c hypertrophische Wand der linken Herzkammer, d linker Vorhof, e hypertrophischer Papillartnuskel

335

Herzbuckel

Herzhypertrophie

Herz

Herzinfarkt: Risikofaktoren, die zur Entstehung eines H. führen können. Diezeitl. Reihenfolge der einwirkenden Schädlichkeiten ist hier willkürlich

Herzinfarkt: Schmerzlokalisation; oben Vorderansicht, unten Rückansicht

Hyperplasie, ein Vorgang, der die Herzmuskelfasern zah­ lenmäßig vermehrt, ihre Funktionstüchtigkeit und An­ passungsreserve jedoch durch ungenügende Sauerstoff­ versorgung einschränkt. Herz|infarkt, Myokard infarkt, plötzlich auftre­ tendes Mißverhältnis zwischen Sauerstoffbedarf des Herzmuskels und Sauerstoffangebot durch das Blut der zuführenden Herzkranzgefäße. Folge kann das Abster­ ben eines Herzmuskelbezirks, meistens in der linken Herzkammerwand, sein, das durch unzureichende Durchblutung (Ischämie) des Versorgungsgebiets der Hauptstämme der Herzkranzarterien hervorgerufen wird. Überwiegend wird die Ischämie durch eine die Lichtung der Kranzarterien hochgradig verengende oder verschließende Arteriosklerose der Kranzarterien (Koro­ narsklerose) verursacht. Der endgültige Verschluß einer Herzkranzarterie erfolgt häufig durch einen Blutpfropf, der sich über dem arteriosklerot. Geschwür bildet. Beim Verschluß der linken Kranzarterie entsteht ein Vorder­ wandinfarkt, beim Verschluß der rechten ein Hinter­ wandinfarkt. Schweregrad und Lokalisation der Koro­ narsklerose lassen sich durch die -»Angiographie feststel­ len. Wird der H. überlebt, so wird der Infarktbezirk von den Rändern aus durch einwachsendes Granulationsge­ webe ersetzt, aus dem sich später eine feste Narbe oder Schwiele (Herzschwiele) entwickelt. Komplikationen. Von Überleitungsstörungen im -»Reizleitungssystem bis zum -»Herzblock, von der Kammerextrasystolie bis zum -» Kammerflimmern (-► Se­ kundenherztod) oder dem Untergang großer Herzmus­ kelbezirke sind alle Übergänge möglich. Vermag die über­ lebende Herzmuskulatur die zur Aufrechterhaltung des Kreislaufs erforderl. Leistung nicht aufzubringen, so ent­ wickelt sich ein kardiogener -»Schock, der selbst bei In­ tensivmaßnahmen tödlich sein kann. Über dem Infarkt­ bezirk entsteht häufig ein Thrombus; von diesem abge­ schwemmte Teile können zur Quelle zusätzl. arterieller Embolien und Infarkte des Gehirns, der Gliedmaßen, Nieren, Milz oder des Darms, jedoch fast niemals des Herzens werden. Gibt beim frischen H. der infarktgeschä­ digte Herzmuskel dem Innendruck nach, so bildet sich ein -►Aneurysma. Zwischen dem 3. und 10. Tag der Erkran­ kung kann der Herzmuskel an dieser Stelle reißen (Rup­ tur), das Blut ergießt sich dann in den Herzbeutel und preßt die Herzkammern zusammen (Herzbeuteltampo­ nade), so daß es zu tödl. Herzstillstand kommt. Zerreißt eine durch den Infarkt nekrotisch gewordene Herzkam­ merscheidewand, so fließt Blut aus der linken in die rechte Herzkammer, weil der Blutdruck in der linken Kammer höher ist als in der rechten (Links-Rechts-Shunt). Diese Komplikation ist i. d. R. ebenfalls tödlich, weil sich das linke Herz gleichsam in das rechte Herz und den kleinen Kreislauf verblutet, während die arterielle Peripherie und speziell das Gehirn nicht mehr ausreichend mit Blut ver­ sorgt werden. Der Abriß eines nekrot. Papillarmuskels (-►Herz) bedingt eine akute, oft tödl. Mitralinsuffizienz (-►Herzkrankheiten), infolge von Lungenstauung. In­ farktschwielen der Papillarmuskeln können eine chron. Mitralinsuffizienz hervorrufen (Papillarmuskelsyndrom). Infarktschwielen beeinträchtigen die Funktion des Herzens im Regelfall nicht, weil der verbleibende 336

Herzmuskel hypertrophiert und den Muskelausfall aus­ gleicht (Postinfarkt, -»Hypertrophie). Die Prognose hängt vom Zustand der übrigen Kranzarterien ab. Ist die Arteriosklerose nicht oder nur leicht verengend und ha­ ben sich ausreichend Ersatzgefäße (-► Kollateralkreis­ lauf) gebildet, so ist die Prognose gut. Andernfalls besteht die Gefahr weiterer H. (Reinfarkte). Das chron. Herz­ wandaneurysma führt vielfach schnell zum Herzversagen und erfordert die Chirurg. Entfernung (Resektion) der Schwiele. Verlauf. Der H. tritt urplötzlich auf, wenn auch Früh­ zeichen (-» Signa minima) meist schon lange vorher vor­ handen gewesen sind. Die Krankheitszeichen bestehen in einem anfallartig auftretenden, äußerst heftigen Schmerz meist unter der Brustbeingegend, mit Ausstrahlung in Arme, Hals, aber auch in den Oberbauch, so daß nicht sel­ ten an einen Magengeschwürdurchbruch gedacht wird. Charakteristisch ist die qualvolle Unruhe mit Todesangst und Vernichtungsgefühl, der Kranke leidet oft an Atem­ not und zeigt bald Zeichen einer Herzschwäche. Der Blut­ druck kann stark absinken, die Herzaktion wird unregel­ mäßig, Schweißausbruch und der meist schwerkranke Allgemeineindruck runden das Krankheitsbild ab. Sonst wirksame herzkranzgefäßerweiternde Mittel (z. B. Nitro­ glyzerin), wie sie bei der -»Angina pectoris helfen, sind beim H. wirkungslos. In der Vorgeschichte des Erkrankten finden sich häufig Hinweise auf Risikofaktoren, z. B. erhöhter Blutdruck, hoher Cholesterinspiegel (-»Cholesterin), Zuckerkrank­ heit, überhöhter Harnsäurespiegel, Übergewicht und un­ gesunde Lebensweise infolge Bewegungsmangels sowie Nikotin- und Alkoholmißbrauch. Bei familiärer Disposition (z. B. zu hohem Cholesterin­ spiegel) kann der H. auch schon im j ugendl. Alter auftre­ ten. Bevorzugt ist jedoch bei Männern der Zeitraum jen­ seits des 50., bei Frauen jenseits des 60. Lebensjahrs; bei letzteren ist das Auftreten eines H. unterhalb des 40. Le­ bensjahrs außerordentlich selten, wobei allerdings Rau­ cherinnen und Zuckerkranke auszunehmen sind. Bei optimaler Versorgung liegt die Frühsterblichkeit bei 15—20%, bei ausgedehntem Infarkt und höherem Lebensalter steigt die Sterblichkeit rasch an; nach 5 Jahren sind etwa die Hälfte, nach 10 Jahren etwa 70% aller Infarktkranken verstorben. Die Gründe für diese Spätsterblichkeit sind Infarktrückfälle, Herzversagen durch akute Rhythmusstörungen und unvernünftige Lebensweise. Erstaunlich ist, daß etwa 10% aller H. völ­ lig unbemerkt, also ohne jegl. Symptome verlaufen (>stummer H.blauer Säugling«). Die Feststellung eines angeborenen Herzfehlers hat durch Einführung der von dem dt. Nobelpreisträger W. Forssmann begründeten -► Herzkatheterisierung große Fortschritte gebracht. Durch eine exakte Diagnostik ist es heute möglich, im frühen Kindesalter eine operative Kor­ rektur zahlreicher angeborener Herzfehler durchzufüh­ ren, die in Spezialkliniken vorgenommen werden muß. Erworbene Herzfehler sind in der Mehrzahl durch eine Herzklappenentzündung nach Krankheiten aus dem rheumat. Formenkreis entstanden. Sie können aber auch Folge von Verletzungen sein, wenn diese einen Dauer­ schaden herbeigeführt haben. In enger Beziehung zu den Herzklappenentzündungen steht die entzündl. Erkran­ kung der Herzinnenhaut (Endokarditis), meist kombi­ niert mit einer Entzündung des Herzmuskels selbst (Myo­ karditis), und auch des Herzbeutels (Perikarditis). Wei­ tere organ. Erkrankungen am Herzen betreffen das Koro­ narsystem (-► Herzkranzgefäßkrankheiten). Die Herzbeutelentzündung (Perikarditis) tritt nur sel­ ten als selbständige Erkrankung auf, häufiger dagegen im Verlauf des akuten Gelenkrheumatismus, einer chron. Nierenkrankheit, der Lungentuberkulose, bei Blutvergif­ tung und Grippe sowie als Komplikation verschiedener anderer fieberhafter, entzündl. Erkrankungen, z. B. des Wochenbettfiebers. Es kommt dabei zur Ausschwitzung einer wäßrigen oder eitrigen Flüssigkeit (Exsudat) in den Herzbeutel. Das wichtigste objektive Kennzeichen ist ein vom Arzt zu hörendes schabendes Geräusch, das perikardit. Reiben, das nicht selten auch schon durch Auflegen der Hand zu fühlen ist. Das Röntgenbild zeigt einen nach allen Seiten stark vergrößerten Herzschatten. Wenn der Herzbeutelerguß nicht in einigen Wochen aufgesaugt wird oder durch Punktion entfernt werden konnte, kommt es zu einer partiellen oder gänzl. Verwachsung des Herzbeutels mit dem Herzen (-► Panzerherz); oft ist dann ein operativer Eingriff erforderlich. Die gleichzeitige Er­ krankung von Herzinnenhaut, Herzmuskel und Herz­ außenhaut (Pankarditis) ist bes. gefährlich. Die Behand­ lung richtet sich immer nach der Grundkrankheit. Bis zum Abklingen aller Symptome muß, u. U. über eine lange Zeit hinweg, strenge Bettruhe eingehalten werden. Die Herzklappenentzündung (Endokarditis) ist immer Folge einer Entzündung der Herzinnenhaut. Sie tritt nach akutem Gelenkrheumatismus oder chron. Polyarthritis auf, aber auch bei verschiedenen Infektionskrankheiten, z. B. beim Scharlach. Die Herzklappen zeigen dann eine rauhe Oberfläche, sind verdickt und mit warzenartigen thrombot. Auflagerungen überzogen; letztere können durch den Blutstrom abgerissen werden und, in die Arte­ rien verschleppt, entfernte Organe wie Gehirn, Lunge und Nieren erreichen und damit zu einer -»Embolie führen. Kleinste Embolien in den Nieren (Mikroembolien) weisen oft als erstes diagnost. Zeichen auf eine solche entzündl. Herzveränderung hin. Im Verlauf der Klappenentzündung kommt es durch neugebildetes Bindegewebe zu einer vernarbenden Schrumpfung der Klappen und damit zu einer Behinde­ rung des Klappenschlusses und schließlich zum Herzklap­ penfehler. Das entzündl. Krankheitsgeschehen kann sich akut oder von vornherein schleichend abspielen. Es ist ge­ kennzeichnet durch immer wieder ansteigende Tempera­ tur, nachdem ein scheinbar überstandener Infekt bereits abgeklungen ist, und durch auffallend schlechtes Allge­ meinbefinden mit Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Herz­ klopfen und blassem Aussehen. Schon kleine körperl. Be­ anspruchungen, z. B. das Umbetten, führen zu einem starken Pulsanstieg. Behandlung der entzündl. Herzerkrankung: abso­ lute, meist sehr lange Bettruhe, zur Besserung der subjek­ tiven Beschwerden kalte Umschläge oder Eisbeutel auf die Herzgegend, vorsichtige Dosierung von Herzmitteln (Di­ gitalis), medikamentöse Beseitigung von Rhythmusstörungen, bes. aber gezielte Anwendung von Antibiotika und auch Cortisonpräparaten. >Streuende< Eiterherde im Körper (Mandeln) sind frühzeitigzu entfernen. Auf u. U.

Herz nicht ohne weiteres erkennbare Begleiterscheinungen des rheumat. Formenkreises ist sorgfältig zu achten. Einen bes. ungünstigen Verlauf zeigen die ulzerösen oder sept. Formen, bei denen es unter hohem Fieber und typhusähnl. Erscheinungen zur raschen, geschwürigen Zerstörung der erkrankten Herzklappen kommt (Endo­ karditis lenta, Lentasepsis). Heute gelingt es, durch eine intensive, rechtzeitig einsetzende antibiot. Behandlung viele Kranke zu retten. Besteht ein Herzklappenfehler, so ist die Ventilwirkung und damit die hämodynam. Regulation gestört. Ursachen können eine Herzschwäche (Insuffizienz), eine mangel­ hafte Schlußfähigkeit der Klappen oder eine Verengung (Mitralstenose oder Aortenstenose) sein. Bei letzterer ist eine vollständige Klappenöffnung unmöglich, da eine nicht rückbildungsfähige Verengung des Spalts zwischen den bewegl. Teilen der Klappe vorliegt. Die Insuffizienz der Klappen kann auch auf Löchern oder auf Dehnung der Herzmuskulatur (relative Insuffizienz) beruhen. Sol­ che Klappenfehler finden sich bes. an der Mitralklappe, aber auch an der Aortenklappe; der häufigste Herzklap­ penfehler ist somit die Mitralinsuffizienz (35—40% aller Klappenfehler), dann erst folgt die Äorteninsuffizienz (10—20%). Die sichere Diagnose eines Herzklappenfeh­ lers erfolgt durch Abhorchen bestimmter Punkte des Herzens und durch eine Röntgenuntersuchung. Ein Herzklappenfehler kann ausgeglichen (kompen­ siert) sein, wenn sich das Herz, z. B. durch Zunahme der Herzmuskelsubstanz, der hämodynam. Störung anpaßt. Ist das nicht der Fall, kommt es zu einer Herzleistungs­ schwäche mit zunehmenden Zeichen einer -» Herzdekom­ pensation, v. a. wenn eine begleitende Herzmuskelent­ zündung (Myokarditis) nicht ausheilt und zum Herzmus­ kelschaden (Myokardschaden, Myodegeneratio cordis) führt. Diese kann auftreten als eine herdförmige oder all­ gemeine Entzündung des Herzmuskels nach einer Infek­ tion, bes. bei Gelenkrheumatismus, Diphtherie, Schar­ lach, chron. Mandelentzündung, Virusgrippe u. a. Heilt die Herzmuskelentzündung nicht folgenlos aus, kommt es zu örtl. Gewebsveränderungen mit Zelltod und Durch­ setzung des Herzmuskels mit zahlreichen kleinen Binde­ gewebsnarben (Herznarben, Herzschwielen). Bei den sehr seltenen tödl. Zusammenbrüchen eines Hochlei­ stungssportlers oder auch sonst bei besonderer körperl. Belastung werden oft solche Herzschwielen entdeckt. Als Folge einer Herzmuskelerkrankung kann der nor­ male Ablauf der Erregungswellen des Herzmuskels im Reizleitungssystem gestört sein, so daß es zu Unregelmä­ ßigkeiten des Pulses kommt (Extrasystolen, Arrhythmie, Überleitungsstörungen). Die Miterkrankung des spezif. Herznervensystems äußert sich durch Reizbildungsstö­ rungen und Reizleitungsstörungen. Bei allen Erkrankun­ gen des Herzens muß auf eine Regulation des -»Blut­ drucks geachtet werden. Bei Erfassung der Erkrankungsziffern an H. fällt auf, daß die durch funktionelle Leistungsbeeinträchtigung und vorzeitigen Verschleiß herbeigeführten H. stark zu­ genommen haben, während die Organ. Herzveränderun­ gen, bes. die rheumat. Herzklappenfehler, konstante Zahlen aufweisen. Zivilisationsschäden wie Hast, Über­ reizung durch Genußgifte, körperl. Minderbeanspru­ chung, seel. Überlastung durch übergroße Verantwor­ tung (-»Managerkrankheit), Lebensangst, falsche Er­ nährung, unzureichender Schlaf und Arzneimittelmiß­ brauch werden als Gründe für diese Tatsache angesehen. Es handelt sich also bei H. nicht um die Zeichen eines >AltersverschleißesHerz-KreislauferkrankungenerstickenWärmeaustauschers< (in Form von Kühl- und Wärmeschlangen) kann zusätzlich eine rasche Abkühlung und spätere Wiedererwärmung des Bluts be­ wirkt und damit eine Blutstromkühlung außerhalb des Körpers und eine Kombination mit der -»Hypothermie erzielt werden. Herzmassage [-39], erste und wichtigste Methode zur Behandlung des Herzstillstands. Die H. ist nur sinnvoll und erfolgversprechend bei rechtzeitigem Beginn (späte­ stens 3 Minuten nach Herzstillstand) und bei gleichzeiti­ ger künstl. Beatmung. Durch rhythm. Zusammendrükken des Herzens (60mal je Minute, bei Kindern 80— lOOmal) wird eine Zirkulation des Bluts bewirkt, die (bei gleichzeitiger künstl. Beatmung) zur lebenserhalten­ den Sauerstoffversorgung der empfindl. Gehirnzentren ausreicht. Dadurch wird entscheidende Zeit gewonnen zur Beseitigung der Ursachen des Herzstillstands. Die äu­ ßere H. wird ohne Eröffnung des Brustkorbs durch rhythm. Druck auf das untere Brustbein des auf einer har­ ten Unterlage liegenden Kranken durchgeführt. Durch elast. Zurückschwingen des Brustbeins in seine Normal­ lage entsteht ein Sog im Brustkorbinnern, der den venösen Rückstrom zum Herzen fördert. Nach einigen Kompres­ sionen wird die H. zur Belüftung der Lungen durch eine Atemspende (Mund-zu-Nase oder Mund-zu-Mund) un­ terbrochen, sofern nicht 2 Helfer zur Verfügung stehen. In letzter Zeit wird die äußere H. auch auf apparativ-mechan. Weg durchgeführt (-»Herzstimulation). Die innere (direkte) H. ist nur nach operativer Eröff­ nung des Brustkorbs möglich. Sie wird angewendet, wenn die äußere H. nicht alsbald zum Erfolg führt (Pulsieren der Hals- oder Schenkelschlagader, EKG-Anzeige), wenn innere Verletzungen (Rippenbrüche) vorliegen oder wenn sich ein Herzflimmern durch äußere elektr. Stromstöße (Bild Defibrillieren) nicht beseitigen läßt (-»Sekunden­ herztod); selbst mehrstündige H., die auch auf dem Transport ins Krankenhaus weiter fortgesetzt werden soll, hat gelegentlich noch Erfolg. Herzmonitor, eine Kombination von elektron. Gerä­ ten zur Überwachung der Funktion des Herzens mit Elek­ trokardiogrammschreibung, Blutdruck- und Pulskon­ trolle; Anwendung auf der Intensivstation oder direkt am Krankenbett. Herzneurose, -»Herzkrankheiten.

Sauerstoff

—----



USX

i

— Herz-Lungen-Maschine: Scheina der H.-L.-M.; 1 obere und un­ tere Hohlvene, 2 venöse Ableitung, 3 Oxygenator, 4 arterielle Pumpe, 5 Wärmetauscher und Luft falle, 6 Oberschenkelschlag­ ader, 7 Sauger zur Ableitung von Blut aus den Herzkammern, S Saugerpumpen, 9 Blutreservoir mit Filter Herzoperationen, Operationen am Herzen und an den herznahen Gefäßen. H. wurden zu Beginn der HerzThorax-Chirurgie fast nur bei -► Herzverletzungen als unumgängl. Eingriff vorgenommen. Die erste erfolgreiche Herznaht gelang 1896 dem dt. Chirurgen L. Rehn (* 1849, 11930). Aber erst die Entdeckung der -»Herz­ katheterisierung (1929) zusammen mit der Entwicklung

Herz der —Hypothermie und der — Herz-Lungen-Maschine (1953) durch amerikan. Wissenschaftler brachten die ent­ scheidende Wende in der Weiterentwicklung der Herz­ chirurgie. Zu ihren Aufgaben gehören heute neben der Be­ seitigung von Verletzungsfolgen bes. die Korrektur ange­ borener und erworbener Herzfehler, z. B. durch Spren­ gung einer verengten Herzklappe (Kommissurotomie, erstmals 1923 durch C. Cuttler), die operative Behand­ lung des — Panzerherzens durch Kardiolyse, von Durch­ blutungsstörungen des Herzmuskels und das Einpflanzen von —Herzschrittmachern. Die Mehrzahl dieser Ein­ griffe muß am stillgelegten oder eröffneten Herzen durch­ geführt werden, wobei der Blutkreislauf mit Hilfe der Herz-Lungen-Maschine aufrechterhalten wird. Pumpmembran in Systole-Stellung (Künstl. Herzmuskel zieht sich zusammen)

^Zuleitungsschlä uche

ul

n' BlutflußKontrolle

Drucksensor

Pumpgas

Kontroll- und Kommandogerät

Herzoperationen: künstliches Herz; das pneumatisch betriebene Pumpsystem übernimmt vorübergehend die Funktion des versa­ genden Herzens. Die beiden Pumpen werden über die Vorhöfe an den Kreislauf angeschlossen, arbeiten also wie die Herzkammern, während sich das Herz erholt

Ist eine Kommissurotomie (operative Durchtrennung narbig verschmolzener Herzklappen) nicht möglich, so werden zum Ersatz defekter oder verengter Herzklappen Klappenprothesen aus Kunststoff oder aus Tierherzen eingepflanzt. Bei Verschluß einzelner Herzkranzarterien durch Verkalkung kann eine oberflächl. Vene vom Bein des Patienten zur Überbrückung eingenäht werden (aorto-coronarer Venenbypass, — Bypassoperation). Viele angeborene Herzfehlbildungen, z. B. die — Fallotschen Kardiopathien, können heute schon im Säug­ lingsalter erfolgreich korrigiert werden. Seit 1967 ist die Herztransplantation technisch möglich (C. — Barnard). Abstoßungsreaktionen des Empfänger­ organismus haben jedoch bisher zu schlechten Langzeit­ ergebnissen geführt; diese Abstoßung medikamentös zu unterdrücken ist Gegenstand heutiger Forschung. Paral­ lel hierzu wird an der Entwicklung eines künstl. Herzens gearbeitet. Versuche, unter Verzicht auf ein Spenderherz eine Herzprothese einzusetzen (1969 und 1981) durch D. Cooley scheiterten. 1982 wurde durch W. DEVRiEsin Sait Lake City (USA) einem 61jährigen Mann ein etwa faustgroßes, aus bes. präpariertem Kunststoff hergestell­ tes Herz implantiert. Dieses war durch ein Schlauch­ system mit einem außerhalb des Körpers befindl. Kom­ pressor (Umbau zum tragbaren Koffer geplant) verbun­ den, der durch Preßluft die Pumpfunktion des Herzens gemäß den physiolog. Gegebenheiten der Herzdynamik nachvollzog. Der Kranke hat den Eingriff fast 4 Monate überlebt. Herzprellung, Contusio cordis, durch stumpfe Verletzung der vorderen Brustwand hervorgerufene Herzschädigung. Um das geschützte und am Gefäß­ stamm frei bewegl. Herz zu schädigen, ist erhebl. Gewalt­ einwirkung notwendig. Die dabei entstehenden hydraul. Druckwellen können zu Zerreißungen des Klappenappa­ ratsoder der Papillarmuskeln führen (H. mit akuter Herz­ erweiterung durch Klappeninsuffizienz), ferner auch zur Verletzung des Herzmuskels, ggf. mit Blutung in den Herzbeutel (Pericard) und mit — Herztamponade, sowie des Gefäßstamms mit Abriß der großen Gefäße. Bei Vor­ liegen degenerativer Koronarveränderungen kann auch ein Infarkt ausgelöst werden.

Herzoperationen: Die heute gebräuchlichsten Klappenprothesen; links Kugel­ klappe, Mitte Kipp-Scheiben-Klappe, rechts Bioprothese

Bei Autounfällen kommt es durch Aufprall auf die Lenkradsäule oft zu Brustwandschädigungen; erfah­ rungsgemäß übersteht ein gesundes Herz eine solche Ge­ walteinwirkung i. d. R. ohne Spätfolgen. Herzrhythmusstörungen, — Herzkrankheiten. Herzruptur, Herzriß, Riß der Herzwandung als Folge von Herzinfarkt oder Herzverletzung, bes. nach Verletzung von außen, u. a. durch Messerstich oder Schußverletzung (— Herztamponade). Herzschlag, 1) die Zusammenziehung (Systole) der Herzmuskulatur. 2) plötzl. Herztod durch Arrhythmie und/oder Kam­ merflimmern (—Sekundenherztod) oder schlagartige Herzlähmung (engl. sudden death, >plötzl. TodNationale Registrierstelle für H.-lmplantation< ge­ schaffen.

Herzschwäche, Herz|insuffizi|enz, Verminde­ rung der Herzleistung, durch die das Herz nicht mehr in der Lage ist, das Blutbedürfnis des Organismus voll decken zu können. Ursachen können sein: Schädi­ gung der Arbeitsmuskulatur des Herzens, mechanische Behinderung der Kontraktions- oder Erweiterungsfähig­ keit, Reizbildungs- oder Erregungsleitungsstörungen seitens des Herznervensystems, Klappenschäden, zu ge­ ringe Füllung in der Erweiterungsphase (Diastole) oder angeborene Anomalien wie Kurzschlüsse, Klappenmiß­ bildungen und Mißbildungen der großen Gefäße. Die häufigsten Ursachen sind ein zu hoher Blutdruck, eine ungenügende Funktion der Herzkranzgefäße und Herz­ klappenschäden. Herzschrittmacher: schematische Darstellung; A Adapter, B Elektrodenzufüh­ rung, CEdelstahlgehäuse, D Mikroelektronik, E Lithiumbatterie, F und G diskrete Bauelemente (Ori­ ginalgröße: 48 mm Höhe, 62 mm Brei­ te, 8,8 mm Tiefe; Gewicht: 50 g). unten implantier­ ter H. (Röntgen­ bild)

oben

342

Da das Herz ein doppelseitig angelegtes Organ ist, hän­ gen die Symptome einer H. davon ab, ob beide Kammern gleichzeitig betroffen sind oder eine Kammer stärkere Funktionsbeeinträchtigungen aufweist. Danach wird zwischen einer Links- und einer Rechts-H. unterschieden. Bei der Links-H. entwickelt sich durch die anfänglich nor­ male Funktion des rechten Herzens eine zunehmende Lungenstauung im kleinen Kreislauf. Sie ist gekennzeich­ net durch Husten mit Auswurf und Behinderung des At­ mens, anfänglich nur unter körperl. Belastung, später schon in Ruhe, mit überwiegend nächtl. Atemnotanfäl­ len, bläul. Lippen (Zyanose) u. a. Stauungszeichen bis zum Lungenödem. Die Rechts-H. besteht in Stauungser­ scheinungen im großen Kreislauf, oft beginnend mit Völ­ legefühl im Leib (Leberstauung), Anschwellen der Knö­ chelgegend, Beinödeme, Stauung im Magen-Darm-Kanal (Stauungsgastritis), ungenügende Nierendurchblutung mit entsprechender nächtl. Harnflut. Eigentliche Herz­ beschwerden empfindet der Kranke meistens nicht. Bei jeder Erhöhung der Herzfrequenz, die nicht be­ kannte Anzeichen hat (körperl. oder psych. Belastung, Höhenaufenthalt, Anämie, Schilddrüsenüberfunktion, erhöhte Körpertemperatur), muß an eine beginnende H. gedacht werden. Da das Herz als lebenswichtiges Organ durch viele Me­ chanismen gesichert ist, kann eine H. lange Zeit ausgegli­ chen (kompensiert) sein und ist in allen Stadien beeinfluß­ bar; je früher eine ärztl. Behandlung einsetzt, desto gün­ stiger sind die Heilungsaussichten. Herzschwiele, -»Herzkrankheiten. Herzstiche, stichartige Empfindungen im Bereich des Herzens. Treten sie links auf, haben sie meistens mit dem Herzen nichts zu tun. Wiederholen sie sich jedoch kon­ stant hinter dem Brustbein, kann dies auf Durchblutungs­ störungen infolge ungenügender Funktion der Herz­ kranzgefäße mit unregelmäßiger Herztätigkeit (—Extrasystolie) hinweisen; eine eindeutige Abklärung ist nur durch ein Elektrokardiogramm (-»Elektrokardiogra­ phie), meist unter Belastung, möglich. Das im Sport vielfach geäußerte >Seitenstechen< bei Ausdauerbelastungen wird nicht selten als H. mißdeutet. Die Ursachen des bei gesunden Personen auftretenden Seitenstechens sind letztlich ungeklärt. Kapselbeschwer­ den von Milz und Leber oder Milchsäurebildung im Zwerchfell sollen die Ursache sein. Herzstillstand, das Aufhören der Herztätigkeit. H. ist ohne sofortige Behandlung das am schnellsten zum Tod führende Ereignis im Krankheitsgeschehen. Wieder­ belebungsverfahren, bes. die -»Herzmassage und/oder die Anwendung des Defibrillators (— Defibrillieren) er­ möglichen ein Überleben bis zur Behandlung im Kranken­ haus. Das Defibrillieren verspricht bes. dann Erfolg, wenn es nicht bei einem durch degenerative Prozesse be­ dingten Herzversagen eines alten Menschen eingesetzt wird, sondern zur Beseitigung des — Kammerflimmerns, das im — Schock oder — Kollaps aufgetreten ist. Während früher die Diagnose des H. gleichbedeutend war mit der Feststellung des Todes, können heute unter günstigen Umständen bis zu 50% der Kranken gerettet werden. Bes. der gesunde Herzmuskel ist gegenüber der häufigsten Ur­ sache des H., dem Sauerstoffmangel, widerstandsfähiger als andere empfind!. Organe (bes. das Gehirn), so daß er seine Tätigkeit sofort wieder aufnehmen kann, selbst wenn andere Organe bereits geschädigt sind. Herzstimulation, Maßnahmen zur Behebung eines Herzstillstands durch mechan. oder elektr. Impulse. Als einfachste Methode galt bisher der Faustschlag auf die Brustkorbwand der Herzgegend, um die Erregungszen­ tren des Herzens zu beeinflussen, und/oder die — Herz­ massage. H. mit elektr. Impulsen ist z. B. durch den — Herzschrittmacher oder durch —Defibrillieren mög­ lich. Die Notfallsituation erfordert jedoch bes. außerhalb der Klinik ein weniger risikoreiches und ohne großen Auf­ wand anzuwendendes Verfahren mit Hilfe eines mechan. Herzstimulators. Dabei wird ein elektr. betriebenes Gerät mit Prallplatte der herznahen Brustwand aufgesetzt, durch das mit der jeweils notwendigen Frequenz Druck­ amplituden bis zu 0,2 bar übertragen werden. Der Herzsti-

Hete

mulator dient somit der gezielten Aktivierung von Herz­ aktionen, im Ggs. zum Defibrillator, der ungeordnete Aktivitäten aufhebt. Herzstolpern, die Empfindung des unregelmäßigen Herzschlags, bes. bei -»Extrasystolie. Herztamponade, Behinderung bis zur Aufhebung der Herztätigkeit durch akutes Auftreten großer Flüssig­ keitsmengen im Herzbeutel, meistens bei Herzriß (nach Herzinfarkt) oder nach Herzverletzung mit Blutung, sel­ ten bei akuter rheumat. Herzbeutelentzündung (Peri­ karderguß). Herztod, nicht beeinflußbares Herzversagen mit To­ desfolge (-»Herzschlag, -»Herzstillstand, -»Sekunden­ herztod). Herztöne, durch die Herztätigkeit (Schwingungen des Klappenapparats oder des übrigen Herzens) erzeugte und über dem Herzen hörbare Töne. Bei bestimmten Herz­ krankheiten finden sich durch -»Herzgeräusche über­ lagerte Herzklappentöne. Kindliche H. lassen sich be­ reits ab der 8. Schwangerschaftswoche mit Hilfe des Ultraschall-Echoverfahrens von der Bauchdecke der Mutter ableiten und aufzeichnen. Im späteren Entwick­ lungsstadium des Embryos gelingt auch die genaue Differenzierung krankhafter Herzklappengeräusche und damit die Früherfassung kongenitaler Herzfehler. Ab dem 6. Monat können die kindlichen H. durch die Bauch­ decken der Mutter gut mit dem einfachen Stethoskop ab­ gehört werden. Herztransplantation, -* Herzoperationen. Herzuntersuchung, Gesamtheit der Verfahren zur Herzdiagnostik. Grundlage ist eine sorgfältige Erhebung der Vorgeschichte. Nach Besichtigung (Inspektion) des Kranken im Hinblick auf äußere Krankheitszeichen (Ein­ flußstauung, Ödeme, Bauchwassersucht, Zyanose) fol­ gen Auskultation (Abhorchen) und Perkussion (Beklop­ fen), weiter Herzfunktionsprüfungen wie Funktions­ angiographie, -► Elektrokardiographie, -* Kymographie, Sonographie, -»Herzkatheterisierung und -»Ergo­ metrie. Herzverfettung, -»Fettherz. Herzvergrößerung, Überschreitung eines Durch­ schnittswerts der Größe eines Herzens. Zwischen Herz­ größe und Körpergewicht bestehen enge Beziehungen. Das relative Herzvolumen, d. h. der Quotient Herzvolu­ men in ml dividiert durch Körpergewicht in kg, liegt bei ge­ sunden Personen zwischen 10 und 11 ml/kg. Bei der H. liegt ein deutlich höherer Wert vor. Die H. kann physioiog. Natur sein (-► Sportherz) oder auch auf einem Krank­ heitsgeschehen beruhen (angeborene oder erworbene Herzfehler, zu hoher Blutdruck, schwere Herzmuskel­ schädigung, >Fettherz< u. a.). In einigen Fällen kann aus der Form veränderung bis zu einem gewissen Grad auf ihre Ursache geschlossen werden, z. B. beim Mitralherz, Aortenherz, Hochdruckherz (-► Herzerweiterung, -► Herzhypertrophie).

Herzverletzungen, 1) Stich- oder Schußverletzun­ gen. Sie sind in einem Drittel der Fälle sofort tödlich. Viel­ fach tritt der Tod erst nach einigen Stunden ein durch Ver­ blutung in die miteröffnete Brusthöhle, oder indem sich das Blut in den Herzbeutel ergießt und dadurch das Herz in seiner Aktion behindert und zum Stillstand bringt (-» Herztamponade). 2) stumpfe Brustkorbverletzungen, z. B. durch Stoß, Erschütterung, Prellung, Quetschung (-»Herzprellung). Eine innere Verletzung kann eintreten, ohne daß die sie verursachende Einwirkung auf der äußeren Brustwand Spuren hinterläßt. Als Schädigungsfolge tritt eine Funk­ tionsstörung (Herzerschütterung) oder eine Zertrümme­ rung von Herzgewebe (Abreißen von Sehnenfäden der Herzklappen, Zerreißung von Herzkranzgefäßen u. a.) auf. Die Heilungschancen sind neben der Schwere der Verletzung abhängig vom Lebensalter und vom Grad der Vorschädigung des Herzens. Oft ist frühzeitige Operation erforderlich. Herzvolumenbestimmung, wichtiges Verfahren der funktionellen Herzdiagnostik, wobei das kleinste Vo­ lumen am Ende der Blutauswurfphase (endosystol. Kam­ mervolumen) und das größte Volumen am Ende der Kam­ merfüllung (enddiastol. Kammervolumen) durch Kineangiographie sichtbar gemacht werden. Zur H. wird nach Einführen eines Herzkatheters (-►Herzkatheterisierung) ein Röntgenkontrastmittel di­ rekt in den Ventrikel injiziert; dadurch erscheinen dessen Innenkonturen in ausmeßbarer Darstellung. Das nicht ri­ sikolose Verfahren kann heute durch die echograph. H. ersetzt werden, bei der durch Ultraschallimpulse mit Hilfe eines Echtzeit-Ultraschall-Sektor-Scanners sektorför­ mige Schnittbilder des Herzens erzielt werden. Die Unter­ suchung belastet den Patienten kaum, kann ambulant durchgeführt werden, und es entfällt jegl. Strahlenbela­ stung. Herzwand|an|eurysma, -»Aneurysma. Heterochromie, Verschiedenfarbigkeit der Regen­ bogenhaut beider Augen. H. tritt bes. als Begleiterschei­ nung einer schleichenden Entzündung der Regenbogen­ haut und des Strahlenkörpers (-»Gefäßhautkrankheiten) auf, an die sich eine Linsentrübung (-► grauer Star) häufig anschließt, sowie bei Erkrankung des Nervus sympathi­ cus und als angeborene Abweichung. Krank ist i. d. R. das Auge mit der helleren Regenbogenhaut. Behandlung der Linsentrübung wie beim grauen Star. Heterogenie, verschieden erbliche Bedingtheit eines Merkmals. Bei der Fruchtfliege Drosophila z. B. kennt man 16 verschiedene Gene, von denen jedes einzelne das Merkmal >kurze Borstem verursacht und die in 3 verschie­ denen Chromosomen liegen. Äußerlich gleiche Erbmerkmale können also durch verschiedene Erbanlagen bedingt sein und dann auch einem verschiedenen Erbgang folgen. So können z. B. 2 erblich Taubstumme normalhörende Kinder haben, wenn es sich um 2 verschiedene Erbformen der rezessiven Taubstummheit handelt. Heterophorie, Ungleichgewicht der beiderseitigen Augenmuskeln, die sich bei Aufhebung der -»Fusion in einer Schielstellung bemerkbar macht. Die H. ist selten krankhaft; sie kann zuweilen durch prismat. Brillengläser ausgeglichen werden.

Herzvergrößerung: links normales Herz; Mitte Sportherz; Riesenherz als Folge einer Schädigung (nach Hochrein/ Schleicher >Herz-Kreislauferkrankungen■ Dauertropfinfusion, neuerdings auch mittels einer Infusionsdosierungspumpe. Auf diese Weise kön­ nen auch Lösungen mit hochwirksamen Medikamenten über längere Zeit exakt dosiert infundiert werden. Inguinalgegend, die -»Leistengegend. Ingwer, Gewürz und Heilpflanze. (-► Kalmus) Inhalation, das Einatmen von Heilmitteln, die an sich schon eine atembare Form besitzen (Gase, Dämpfe) oder zu diesem Zweck in atembare Form gebracht sind (durch Zerstäuben oder Vernebelung von Flüssigkeiten). Infolge der guten Aufnahme mancher Stoffe durch die dünnwan­ digen Blutgefäße der Lunge hat sich die I. auch zur ra­ schen Zuführung von Heilmitteln ins Blut bewährt. Das ist jedoch erst durch die neueren I. -Geräte möglich gewor­ den, z. B. durch Aerosolgeräte, die Flüssigkeiten in feinste Tropfen vernebeln, was durch Druckgasvernebler ge­ schieht, die mit Druckluft, kompensiertem Sauerstoff oder auch Wasserdampf betrieben werden. Man unterscheidet die trockene Gas-I. von der Flüssigkeits-I. In beiden Fällen kann man den einzuatmenden Stoff entweder mit Hilfe einer Maske der zu behandeln­ den Person unmittelbar in der gewünschten Menge und Konzentration zuführen (Einzel-L, z. B. auch zu Nar­ kosezwecken), oder man kann die Atmosphäre eines hierzu bestimmten Raumes (Inhalatorium) mit dem ein­ zuatmenden Gas oder dem Flüssigkeitsnebel derart anrei­ chern, daß eine große Zahl von Personen im L-Raum gleichzeitig mit der Atemluft das Heilmittel aufnimmt (Raum-L). Im Hausgebrauch verwendet man gewöhnlich die Flüssigkeits-I.: In einem beheizbaren Kessel (Bronchitiskessel) wird Wasserdampf erzeugt, der aus einer feinen Düse unter Druck austritt und in einen Zerstäuber geleitet wird, aus dem flüssige Medikamente oder Mineralsalzlösungen

Inne (Heilwässer) als feine Tröpfchen mitgeführt und zur I. ausgestoßen werden. Eine einfache und natürl. Art der 1. zu Hause ist das Ka­ millendampfbad, das als heißer Kamillenaufguß in einer Waschschüssel bereitet wird. Der Patient beugt sich über die dampfende Flüssigkeit und atmet die aufsteigenden Dämpfe durch Mund und/oder Nase tief ein. Zur Ab­ schirmung nach außen improvisiert man dazu ein kleines Inhalatorium in Form eines über den Kopf geworfenen großen Badetuches, das die Kopfregion bis zum Schulter­ gürtel glockenartig umhüllt; die Augen sollen durch ein feuchtes Tuch vor dem heißen Dampf geschützt werden. Statt des Kamillentees können auch andere gut verdamp­ fende Heilmittel verwendet werden, z. B. heilwirksame ätherische Öle. In der klin. Behandlung haben sich in jüngerer Zeit durch die Einführung von Ultraschallverneblern und durch die-► Ionentherapie I.-Methoden eingebürgert, bei denen trockene Aerosole mit sehr kleiner Teilchengröße (unter 10-1 jim Durchmesser) erzeugt werden, die frei schweben, nicht nässen und tief in die Atemwege bis zu den Lungenalveolen vordringen können. Eine weitere Neuerung sind die Vibrationsapparaturen, die die Atem­ luft mit dem Aerosol in Schwingungen versetzen und da­ durch Atemhindernisse (z. B. verengte, geschwollene und partiell verstopfte Stellen der Atemwege) besser überwin­ den helfen sollen. Inhalationsbad, Behandlungsverfahren bei chroni­ scher Bronchitis, nicht zur Lösung kommendem Husten u. a. Man setzt den Kranken in ein ansteigendes heißes Halbbad, durch das man Sauerstoff oder ein spezielles Atemgemisch hindurchperlen läßt und das auf der Ober­ fläche mit ätherischen Ölen (Kamille, Latschenöl, Euka­ lyptus u. ä.) bedeckt wird, so daß der heiße Wasserdunst diese Substanzen in die Atemluft mitnimmt. Der Kranke wird, in der Wanne sitzend, zeltartig abgeschirmt und sollte nach einer Badezeit von 30 Minuten sorgfältig einge­ packt nachschwitzen. Als ambulante Heilbehandlung ist das I. nicht geeignet, da sein hoher therapeutischer Wert durch die erhöhte Erkältungsgefahr nach dem Bade in Frage gestellt wird; Vorsicht bei Herz-Kreislauf-Schäden! Eine andere Art von I. wird in Kurorten mit Radonquel­ len verabreicht, wobei das Radongas aus dem Wasser aus­ getrieben und von dem in der Badewanne sitzenden Pa­ tienten inhaliert wird. Ein geringerer Teil wird gleichzeitig von der Haut aus dem Badewasser aufgenommen. Diese 1. werden kurmäßig verordnet bei chron. rheumatischen Leiden, Neuralgien, chron. Neuritiden und sonstigen Schmerzzuständen. Inhibine, antibakteriell wirksame Spurenstoffe im Bienenhonig. Initial|Sklerose, die Verhärtung des Hautgewebes am Ort der Ansteckung, z. B. beim Primäraffekt bei -»Syphilis. Initial|Stadium [lat. initium >Anfang«], das Anfangs­ stadium eines Krankheitsverlaufs. Initialsymptome, erste Krankheitszeichen. Injektion, die -»Einspritzung, injizieren, eine Ein­ spritzung vornehmen. Inkarzeration, die Einklemmung, v. a. der Darm­ schlingen beim Eingeweidebruch. Inkompatibilität [lat. »Unvereinbarkeit«], Unver­ träglichkeit von Stoffen, die in den Körper eingebracht werden, z. B. Nahrungs- und Arzneimittel, auch Eiweiß­ stoffe bei der Bluttransfusion. Inkontinenz die, das Unvermögen, etwas zurückzu­ halten . Die I. für Stuhlgang oder Harn beruht meist auf ei­ ner Erkrankung der Schließmuskeln des Mastdarms, der Harnblase oder einer Erkrankung der diese Muskeln ver­ sorgenden Nerven oder der Ursprungsstellen dieser Ner­ ven im Rückenmark. (-► Harnträufeln, -»Enuresis noc­ turna) Eine frühzeitige ärztl. Behandlung ist notwendig. Inkorporation, Inkorporierung, Einbringen und Aufnahme eines Stoffes in den Körper, bes. auch bei der Anwendung ionisierender Strahlen, z. B. mit Radium. Bei 24*

der Enfernung solcher inkorporierter Stoffe, auch im Rahmen nuklearmedizin. Maßnahmen, spricht man von Dekorporation.

Inkrete, die inneren Sekrete (-»innere Sekretion). Inkubationszeit, die Zeit zwischen Infektion (An­

steckung) und Krankheitsbeginn (Auftreten von Sympto­ men) bei -»Infektionskrankheiten. Inkubator, früher Couveuse [kuv'0:z, frz.] ge­ nannt, Einrichtung zur Pflege von Frühgeburten. Der I. besteht aus einer durchsichtigen, luftdurchströmten Zelle, in der die Innenwärme selbsttätig, der Feuchtigkeits- und Sauerstoffgehalt der Luft von außen geregelt werden. Die Pflegeperson greift durch 2 Öffnungen hin-

Inkubator: Frühgeborenes in einem Inkubator

ein, die ihre Arme selbsttätig umschließen. Sie kann das Frühgeborene im I. messen, trockenlegen, ihm Nahrung reichen, Einspritzungen machen u. a., ohne es herauszu­ nehmen. Es gibt auch L, die nur dem Transport von der Entbindungsstätte zur Frühgeburtenklinik dienen (Transport-I.). Erst wenn das Frühgeborene eine gewisse Reife erreicht hat und seine Körpertemperatur zu halten vermag, darf es aus dem 1. herausgenommen werden. (-► Frühgeburt) inkurabel, unheilbar. Inkurable sind Kranke, die kei­ ner Genesung mehr zugeführt werden können. Die Auf­ klärung durch den Arzt bei Kranken, die keine Krank­ heitseinsicht haben, ist mit hoher Verantwortung bela­ stet. Andererseits kann eine vorsichtige, die Hoffnung nicht zerstörende Krankheitsausdeutung von Seiten des Arztes starke seel. Kräfte und den Gesundungswillen des Kranken in Gang setzen. In Spezialkliniken oder geeigne­ ten Heilstätten können inkurabel Kranke unter einer inte­ grierten Behandlung oft erstaunlich lange Zeit bei relativ gutem Befinden am Leben erhalten werden. innere Krankheiten, Gruppe von Erkrankungen, bei denen sich die funktionellen Störungen oder Organ. Veränderungen im Innern des Körpers, an den inneren Organen, abspielen (z. B. Herz, Lunge, Magen-DarmKanal mit Leber und Bauchspeicheldrüse, Nieren, innersekretor. Drüsen, Gehirn); auch die Infektionskrank­ heiten gelten als i. K. Die i. K. werden durch den Interni­ sten, früher Facharzt für i. K., mit Hilfe internist. Maß­ nahmen (Arzneimittel, Diät, physikal. Therapie u. ä.) be­ handelt. Der Begriff >äußere Krankheiten« besteht heute nicht mehr. innere Medizin, wichtiges Teilgebiet der Medizin, das die Lehre von der Entstehung, Erkennung und Be­ handlung innerer Krankheiten umfaßt. Geschichtliches. Hippokrates, Galen, Paracel­ sus und C. W. Hufeland bestimmten lange Zeit die gei­ stige Konzeption der v. a. empirisch vorgehenden i. M. Erst die starken Impulse durch die Naturwissenschaft machten im 19. Jh. eine nahezu explosive Entwicklung möglich. Seit Ende des 19. Jh. lösten sich einige Fachrichtungen von der i. M. Von der reinen Morphologie über die che­ 371

Inne misch-biolog., die anthropologisch-genet. und die soziolog. Forschungsrichtungen gelangte die theoret. i. M. zur molekularbiolog. und kybernet. Betrachtungsweise. Der Wissenszuwachs hat in den letzten Jahren eine ste­ tig zunehmende Aufspaltung in Sonderfächer bedingt, die sich bevorzugt an Organen oder Organsystemen orien­ tieren (z. B. Kardiologie, Hämatologie, Angiologie, Ga­ stroenterologie, Nephrologie). Besonderen Krankheits­ gruppen widmen sich z. B. die Onkologie (Lehre vom Krebs) und die Rheumatologie (Lehre von den rheumat. Krankheiten). Der techn. Fortschritt ermöglichte die La­ boratoriumsmedizin und die apparativ-diagnost. Medi­ zin. Aus soziolog. Forderungen entwickelten sich Fächer wie Arbeits-, Sozial- und Begutachtungsmedizin, ferner Wehr-, Sport- und Versicherungsmedizin. Der moderne Verkehr bewirkte u. a. die Herausbildung von Verkehrs-, Flug- und Raumfahrtmedizin, Schiffahrtsmedizin, Geo­ medizin, Tropen- und Polarmedizin. Ansprüchen des Zivilisationsmenschen dienen z. B. hygien. und kosmet. Medizin. Alle diese Fächer, die sich stetig ausweiten, haben Fort­ schritt und Bereicherung der i. M. bewirkt. Wenn aber der Mensch in ärztl. Betrachtung seine Ganzheit verliert und gleichsam in Organe und Funktionen aufgeteilt wird, ge­ rät die auf den >ganzen< Menschen ausgerichtete Grund­ ordnung der i. M. in Gefahr, und eine erneute Synthese wird erforderlich. Die Psychosomatik brachte der rein na­ turwissenschaftlich orientierten i. M. die Zusammen­ hänge zwischen Leib und Seele zum Bewußtsein. Aus gleichgerichteten Tendenzen erwuchsen die -»Ganzheits­ medizin sowie die Erkenntnis, daß die bestmögliche i. M. in Form von >TeamworkGesundheitsmedizin< rückt sie vorbeugende Maßnahmen (-► Ge­ sundheitsvorsorge) immer mehr in den Vordergrund. Die für innere Krankheiten weitergebildeten Ärzte (Internisten) sind in der 1882 gegr. Dt. Gesellschaft für Innere Medizin zusammengeschlossen, Sitz: Wiesbaden. innere Sekretion, die Abgabe von Absonderungen (Inkreten) bestimmter Drüsen unmittelbar ins Blut, im Ggs. zur äußeren Sekretion (-»Sekrete). Zu den Drüsen mit i. S. (endokrine Drüsen), die als ein funktionelles Sy­ stem aufzufassen sind, gehören Hirnanhang-, Zirbel-, Bauchspeichel- und Schilddrüse, Epithelkörperchen, Ne­ bennieren, Keimdrüsen (Geschlechtsdrüsen, Gonaden) und Mutterkuchen. Die Stoffe, die sie an die Blutbahn ab­ geben, werden -► Hormone genannt. Sie üben im Körper bestimmte Funktionen in der Regelung des Stoffwechsels, des Wachstums und der Fortpflanzung aus und gelangen mit dem Blut an den Ort ihrer Wirksamkeit. Die Wissen­ schaft, die sich der Erforschung der Drüsen mit i. S. und ihren Erkrankungen (Endokrinosen) widmet, heißt Endokrinologie. I. Hirnanhangdrüse (Hypophyse), etwa kirschgroßes

Organ in einer knöchernen Grube der Schädelbasis mit ei­ nem Vorder-, Mittel- und Hinterlappen. Die Hirnanhang­ drüse bildet eine Vielzahl von Hormonen, die die Tätig­ keit der übrigen innersekretor. Drüsen des Körpers stark beeinflussen und regulieren. Hierdurch nimmt sie eine be­ herrschende Stellung im System der Drüsen mit i. S. ein. Bisher sind folgende Hormone des Vorderlappens und des Hinterlappens bekannt und in ihrer Funktion er­ forscht: A. Vorderlappen: 1) adrenocorticotropes Hormon (Abk. ACTH), regu­ liert die Tätigkeit der Nebennierenrinde. 2) follikelstimulierendes Hormon (Abk. FSH), bewirkt die Reifung der Follikel im Eierstock. 3) Luteinisierungshormon (Abk. LH), löst die Bildung der Gelbkörper aus und reguliert ihre Tätigkeit während der Schwangerschaft. 4) Prolaktin, luteomammotropes Hormon (Abk. LTH), löst die Milchbildung der Brustdrüsen nach der Ge­ burt aus. 372

5) Somatotropin, somatotropes Hormon (Abk. STH), Wachstumshormon, reguliert den Kohlenhydrat- und Ei­ weißstoffwechsel und fördert das Körperwachstum. 6) Thyreotropin, thyreotropes Hormon (Abk. TSH), reguliert die Tätigkeit der Schilddrüse. 7) lipotropes Hormon (Abk. LPH), beeinflußt den Fettstoffwechsel. B. Hinterlappen: 1) Vasopressin, antidiuret. Hormon (Abk. ADH), be­ wirkt eine Hemmung der Diurese, beeinflußt also den Wasserhaushalt. 2) Oxytocin, bewirkt die Kontraktion der Gebärmutter­ muskulatur und fördert die Geburtswehen. C. Mittellappen: Ein Hormon, das ausschließlich im Mittellappen er­ zeugt wird, gibt es nicht, doch wird dort ein Hormon ange­ reichert, das eine spezif. Wirkung auf den Pigmentstoff­ wechsel entfaltet: das Intermedin oder melanophorenstimulierende Hormon (Abk. MSH). Wird die Hirnanhangdrüse (Hypophyse) von einer Schädigung oder Erkrankung betroffen, so kann es zu Störungen ihrer Hormonproduktion kommen. Hypo­ physär bedingt sind eine Reihe von Krankheitsbildern: Riesenwuchs (-»Akromegalie), Minderwuchs und Fett­ sucht (-► Fröhlichsche Krankheit), Fettsucht (-»Cushingsche Krankheit), auch Magersucht und Zuckerkrankheit. Ferner spielt die Hirnanhangdrüse bei den Krankheiten der übrigen innersekretor. Drüsen eine Rolle auf Grund ihrer übergeordneten Stellung. Die Ausschüttung der Hy­ pophysenhormone wird vom Hypothalamus, einer Zen­ tralstelle des Gehirns, gesteuert. Dort entstehen die Releasing-Hormone, die die Freisetzung der Hypohysenhormone bewirken. Am besten bekannt ist das Hormon, das Thyreotropin freisetzt. Es heißt Thyreotropin-ReleasingHormon (Äbk. TRH) und ist als erstes Hormon dieser Art 1972 synthetisch hergestellt worden. II. Schilddrüse (Thyreoidea), aus 2 Seitenlappen und ei­ nem Mittellappen bestehendes Organ, das an der Vorder­ seite des Halses dicht unter dem Kehlkopf der Luftröhre aufgelagert ist. Das Hormon der -»Schilddrüse, das Thyroxin, regt Stoffwechsel und Wachstum an. Zuviel Thyroxin ruft die Erscheinungen der -»Hyperthyreose hervor. Zuwenig Ausschüttung von Thyroxin verursacht das -» Myxödem und Kretinismus (-»Kretin). Weitere Hormone der Schilddrüse sind das Trijodthyronin (Kurzbezeichnung T3), das ähnlich, aber stärker als Thyroxin wirkt, und das Calcitonin (Thyrocalcitonin), das zusammen mit dem Pa­ rathormon den Kalkstoffwechsel regelt. III. Nebenschilddrüsen (Epithelkörperchen), 4 linsen­ große Organe, an der Hinterseite der seitl. Schilddrüsen­ lappen beiderseits der Luftröhre gelegen, deren Hormon, das Parathormon, zusammen mit dem Calcitonin (Thyro­ calcitonin) den -► Kalkstoffwechsel des Körpers reguliert. IV. Nebennieren, 2 kleine Organe von je etwa 12 Gramm Gewicht, halbmondförmig den oberen Polen der beiden Nieren aufsitzend. Sie bestehen aus dem Neben­ nierenmark und der Nebennierenrinde. Im Nebennierenmark sind bisher 2 Hormone bekannt: das Adrenalin und das Noradrenalin. Beide wirken auf den Sympathicus anregend und erfüllen dadurch eine wichtige Funktion bei der Regelung der Tonuslage des ve­ getativen Nervensystems. Sie können den Blutdruck, die Herzschlagfolge und den Blutzuckergehalt, letzteren durch Abbau von Glykogen in der Leber, beeinflussen. Die Nebennierenrindenhormone gehören zu den le­ benswichtigen Stoffen des Körpers; die Entfernung der Nebennieren führt beim Versuchstier zu schwersten Schä­ digungen und nach wenigen Tagen zum Tod. Bisher wur­ den eine ganze Reihe von Hormonen gefunden, die che­ misch zu den Steroiden gehören und in ihrem Aufbau mit den Keimdrüsenhormonen verwandt sind. Der Gehalt der Nebennierenrinde an Hormonen ist quantitativ sehr ge­ ring, die Syntheseleistung aber erheblich, ein Mehrfaches der bleibend vorhandenen Menge wird jede Minute ins Blut abgegeben. Die gesamte im Organismus kreisende Menge wird alle 2—3 Stunden erneuert. Die Rindenhor­ mone werden ihrer Wirksamkeit nach in 2 Gruppen unter­ schieden. Die eine Gruppe beeinflußt vorwiegend den

Inse bens nicht durchführbar, oder zwecklos ist. Auch ein schlechter Allgemeinzustand kann für die Krankheit Inoperabiiität bedeuten. Insektenstiche. Die Stiche von Mücken, Stechflie­ gen, Läusen, Flöhen und Wanzen sind wie auch die Bisse von Ameisen im allgemeinen harmlos und führen zu stark juckenden, auch schmerzenden, mehr oder weniger gro­ ßen Schwellungen, die bald wieder abklingen. Gefährlich können diese I. werden, wenn Erreger einer Infektions­ krankheit übertragen werden oder eine Allergie besteht. Bienen, Wespen, Hornissen und Hummeln können durch ihr beim Stich eingebrachtes Gift gefährlich wer­ den. Die Wirkung des -»Bienengifts ist außerordentlich unterschiedlich. Sie hängt von der individuellen Gift­ empfindlichkeit des Gestochenen, vom Ort des Stichs, von der Jahreszeit und der Bienenrasse ab. An der Stich­ stelle kommt es zu Rötung, Quaddelbildung und schmerz­ hafter Schwellung. Die Schwellung kann an weichen Kör­ perstellen (Ellenbeuge, Oberschenkel) Handflächen­ größe erreichen. Im Frühjahr hat die Biene das meiste Gift. Todesfälle durch einen einzigen Bienenstich kom­ men in seltenen Fällen bei kleinen Kindern und alten, ge­ schwächten Personen vor, wenn die Biene direkt in die Lymph- oder Blutbahn des Kopfs sticht. Ein Stich in die Rachen- und Kehlkopfschleimhaut kann dadurch gefähr­ lich werden, daß die Kehlkopfspalte zuschwillt und so ein Karotisdrüse schweres Atemhindernis entsteht, das nur durch einen Luftröhrenschnitt beseitigt werden kann. Es sind Fälle be­ kannt, bei denen mehrere 100 Bienenstiche gut überstan­ obere den wurden. Zahlen von über 500 Stichen gelten für einen Erwachsenen als tödlich, 30-40 Stiche können schon oberes schwere Erscheinungen auslösen. Dasselbe gilt grund­ Epithelkörperchen sätzlich für Wespen- und Hornissenstiche. Eine besondere Gefährlichkeit der Hornissenstiche ist nicht bewiesen. rechter Schilddrüsenlappen Vergiftungserscheinungen bestehen in Schwindelge­ innere Sekretion: fühl, Herzklopfen, Pulsbeschleunigung und bläul. Ver­ unteres Lage der Epi ­ Epithelkörperchen färbung des Gesichts, dazu Kopfschmerzen, Übelkeit, thelkörperchen Erbrechen. Das Gift der Hornissen und Wespen unter­ untere (dunkel) an der scheidet sich vermutlich nicht wesentlich vom Bienengift. Schilddrüsenarterie hinteren Fläche Vorbeugung: Die Bekämpfung der Insekten hat der Schilddrüse Speiseröhre Luftröhre durch die Entdeckung der -* Kontaktgifte neue Möglich­ V. Bauchspeicheldrüse, Pankreas. In das Drüsenge­ keiten erhalten. Wer sich vor Mückenstichen schützen webe, das die Verdauungssäfte bildet, sind Inseln eines will, reibe die durch Kleidung nicht geschützte Haut mit andersartigen Gewebes, die Langerhansschen Inseln, ein­ einem -»insektenvertreibenden Mittel ein. Behandlung: Der Juckreiz von Mücken-, Fliegengestreut. Diese erzeugen das Hormon Insulin, dem wich­ tige Aufgaben in der Regelung des Kohlenhydratstoff­ u. a. Stichen wird durch Aufträgen antiallerg. Salben oder wechsels zukommen und bei dessen Fehlen die -»Zucker­ Betupfen mit alkoholhaltigen Lösungen (Kölnisch Was­ krankheit auftritt. Ferner wird in den Inseln das Glucagon ser u. a.) bekämpft. — Bei Bienen-, Wespen- u. a. Stichen gebildet, das blutzuckersteigernd wirkt. Dem gegenüber soll zunächst der häufig zurückgebliebene Stachel ent­ hat das Enzym Kallikrein hormonähnl. blutzuckersen­ fernt werden, damit von der an ihm hängenden Giftblase nicht weiteres Gift in den Körper gelangt. Durch Betupfen kende Wirkung. VI. Keimdrüsen, Gonaden. Die Hoden (Testikel) des mit Salmiakgeist oder Zwiebelsaft wird manchmal ein Mannes bilden das -» Testikelhormon, die Eierstöcke Teil des Gifts inaktiviert. Weiter kommen Umschläge mit (Ovarien) der Frau die -»Ovarialhormone (-»Ge­ Alkohol, Borwasser und antiallerg. Einreibungen in Frage. Bei stärkeren Schwellungen der Stichstelle, allge­ schlechtsorgane). VII. Mutterkuchen (Plazenta). Er erzeugt als inner- meiner Schwäche, Herzklopfen, Schwindelgefühl Be­ sekretor. Drüse Choriongonadotropin (Abk. HCG), das handlung durch den Arzt. Injektionen von Kalzium oder ähnlich wirkt wie das Luteinisierungshormon des Hypo­ antiallerg. Mitteln, bes. mit Cortisonpräparaten, dazu physenvorderlappens und das Follikelhormon (-»Mut­ Herzmittel. Falls der Arzt nicht rasch erreichbar ist, so­ fort eine Tasse starken Bohnenkaffee geben, keinen Alko­ terkuchen). VIII. Thymusdrüse (-»Thymus) und Epiphyse (-»Zir­ hol! Ruhe (mit überhöhtem Oberkörper), bei Schockzei­ beldrüse); die hormonale Funktion dieser Drüsen mit i. S. chen (Blässe, kalter Schweiß) flache Lagerung. Bei Bestehen einer Allergie können an sich harmlose ist bisher nur teilweise bekannt. L, bes. von Bienen und Wespen, lebensbedrohl. Reaktio­ Innervation, organisch die Versorgung eines Körper­ teils mit Nerven; funktionell die Zuleitung der für ein Or­ nen (Kehlkopf- und Lungenödem, Schocksymptome) gan bestimmten Reize vom Zentralnervensystem (Gehirn auslösen. Sie müssen deshalb vorbeugend behandelt wer­ und Rückenmark) aus auf der Bahn der zu diesem Organ den. Nach Hauttests mit Insektengiftpräparaten wird un­ führenden Nerven; der Vorgang der Versorgung und An­ ter strenger Indikationsstellung eine vorbeugende spezif. Immuntherapie (meist in einer Spezialklinik) durchge­ regung wird als innervieren bezeichnet. führt. Diese hat die früher übl. >GanzkörperextrakttheraInnungskrankenkasse, Krankenkasse der Innun­ pie< abgelöst. Es kommt dabei zur Bildung blockierender gen, deren Mitglieder in die Handwerksrolle eingetragen Antikörper im Blut. Bei bekannter Allergie ist alljährl. sind. Es können ihr auch freiwillige Mitglieder einer In­ -► Desensibilisierung erforderlich, die am besten im Kran­ nung angehören. kenhaus unter Leitung eines Allergologen durchgeführt in|operabel, nicht operierbar, z. B. bösartige Ge­ wird. Gefährdete Personen sollen immer ein Gegenmittel schwülste, die so weit in das umgebende Gewebe hineinge­ innere Sekretion: Lage der endokrinen Drüsen (schema­ wachsen sind oder Tochtergeschwülste an anderen Stellen tisch); a Zirbeldrüse, b Hirnanhangdrüse, c Epithelkör­ des Körpers gebildet haben, daß eine Operation entweder per, d Schilddrüse, e Nebennieren, /Bauchspeicheldrüse, g Eierstöcke, h Hoden technisch nicht möglich, d. h. ohne Gefährdung des Le­ Mineralstoffwechsel (mineralotrope Nebennierenrinden­ hormone); so bewirkt Aldosteron eine Kochsalzretention und eine Kaliumausscheidung; aus dem Verhältnis von Natrium und Kalium im Harn wird deshalb auf die Funk­ tion der Nebennierenrinde geschlossen. Die andere Gruppe reguliert den Kohlenhydrat- und Eiweißstoff­ wechsel (glucotrope Nebennierenrindenhormone); der wichtigste Vertreter dieser Gruppe ist Cortisol (Hydro­ cortison und Corticosteron). Ein Hormon der letztge­ nannten Gruppe ist das -»Cortison. Kommt es infolge von Erkrankungen der Nebennieren (Tuberkulose, Syphilis, Blutungen, Geschwülste) zu einer Herabsetzung der Hormonproduktion, so sind schwere lebensbedrohl. Zustände die Folge (-»Addisonsche Krankheit). Hierbei besteht gleichzeitig Corticosteronund Adrenalinmangel. Geschwülste der Nebennieren­ rinde, die zu einer Vermehrung des Rindengewebes und damit zu einer vermehrten Hormonausscheidung führen, haben, wenn sie im Kindesalter auftreten, eine geschlechtl. Frühreife (-»Pubertas praecox) zur Folge, ver­ bunden mit zwiegeschlechtl. Entwicklung der Ge­ schlechtsorgane. Treten die Geschwülste im Erwachse­ nenalter auf, kommt es zu zwitterartigen Umbildungen der Geschlechtsorgane und Veränderungen der äußeren Geschlechtsmerkmale.

373

I

------- 9 ---- ^"h

innere Sekretion

Inse (Cortisonampulle mit Fertigspritze) bei sich tragen. Bar­ heitsschädigung, >dem Sonnenstich!, führen: Übelkeit, fußgehen und Gartenarbeit, Essen und Aufenthalt in Gär­ Erbrechen und Fieber (Insolationsfieber), Krämpfe und ten mit reifen Früchten sind zu meiden. Kosmetika psychische Verwirrungszustände (Insolationspsychose), (Haarsprays, Parfüms) und lebhafte Kleiderfarben zie­ schließlich Kreislaufkollaps und Koma. Nach tödl. Aus­ hen Bienen und Wespen an. Wird der überempfindl. gang findet man Zeichen einer akuten Gehirnentzündung Mensch gestochen, sollte sofortige Klinikaufnahme erfol­ (Insolationsenzephalitis) mit zahlreichen Gehirnblutun­ gen, bes. bei Stichen im Bereich der Schleimhäute gen. Durch sorgfältiges Bedecken von Kopf, Hals und (Zunge). Bei leichten Schwellungen (Rötung, Jucken, Nacken (Tropenhelm oder ähnlich weite und leichte Brennen) genügt örtl. Anwendung von Salben, die Kopfbedeckung) kann man einer Gesundheitsschädigung vorbeugen. -»■Antihistaminika enthalten. Erste Hilfe: Bei Anzeichen eines Sonnenstichs muß insektenvertreibende Mittel, Repellents [rip'elants, engl.], sich auf der Haut schnell verflüchtigende man den Betroffenen sofort in den Schatten bringen, Klei­ Stoffe wie Nelken-, Zimt- und Senföl oder länger wir­ der öffnen, kühle feuchte Tücher auf Kopf und Hals le­ kende, künstlich hergestellte Verbindungen wie Di- gen, erfrischende Getränke geben, für gute Atmung sor­ methylphthalat, Benzoesäurediäthylamid, Phenylzyklo­ gen. Stets den Arzt rufen! hexanon und Äthylhexandiol. Wieallechem. Verbindun­ Insomnie, die Schlaflosigkeit. (-»Schlaf) gen können auch i. M. zu allerg. Hautreaktionen (Kon­ Inspiration, Inspirium, Einatmung, im Ggs. zu Ex­ taktekzem) führen. spiration, Ausatmung (-»Atmung). Insektizide, insektentötende Mittel, ehern. Instantverfahren ['instant-, engl. instant >im NuVentilen< (z. B. Herzklappen, Bauhinsche Klappe im Da es verschiedene Zelltypen gibt, die unterschiedl. Funk­ Darm, Venenklappen). tionen haben, kennt man I. mit verschiedenen klinischen Insuffizienz|erlebnis, die von Minderwertigkeits­ Bildern. gefühlen begleitete Erfahrung der tatsächl. oder verInsemination, das Einbringen des Samens in die meintl. Unzulänglichkeit der eigenen Person. Wieder­ weibl. Genitalorgane; auf natürl. Wege durch den Ge­ holte I. können zu Komplexen und neurot. Fehlhaltungen schlechtsverkehr oder artifiziell durch die -»künstliche führen. Eine Überwindung des I. stellt die Kompensation Befruchtung. dar, auf deren Bedeutung bes. die Individualpsychologie Insolation, Sonneneinstrahlung bei klarem Himmel, hingewiesen hat. erzeugt auf direkt bestrahlten Flächen erhebl. Tempera­ Insufflation, das Einblasen gasförmiger, flüssiger tursteigerungen, die weit über der jeweiligen Lufttempe­ und pulverförmiger Heilmittel in Körperhöhlen und Blut­ ratur liegen. Beim Menschen kann zu starke und anhal­ gefäße (z. B. Sauerstoff bei Durchblutungsstörungen), tende I. von Kopf und Nacken eventuell zu heftigen Kopf­ auch zu diagnost. Zwecken (z. B. Pneumoenzephalogra­ schmerzen und weiteren Zeichen einer ernsten Gesund­ phie). t 374

Inte Insulin, blutzuckersenkendes Hormon aus dem Insel­

apparat der Bauchspeicheldrüse, ein Eiweiß-(Peptid-) Hormon. Es besteht aus einer A-Kette (21 Aminosäuren) und einer B-Kette (30 Aminosäuren), die durch Disulfid­ brücken verbunden sind. I. wird aus Proinsulin gebildet, indem das C-Peptid als spiralförmige Verbindung zwi­ schen A- und B-Kette abgespalten wird. Als Eiweißhor­ mon würde es bei oraler Aufnahme durch die Salzsäure des Magens weitgehend zerstört, deshalb parenterale (in­ travenöse, intramuskuläre oder subkutane) Verabrei­ chung bei der Behandlung der insulinbedürftigen -► Zukkerkrankheit. Artspezif. I., d. h. Rinder- und Schweine-1., unter­ scheiden sich in der Zusammensetzung von menschlichem 1. (Human-I.). So kann es bei Diabetes mellitus zur Antikörperbiidung gegen die Fremdinsuline kommen. Das Schweine-I. unterscheidet sich nur durch eine von 51 Ami­ nosäuren vom I. des Menschen. Das Human-I. wird heute bereits großtechnisch semi­ synthetisch aus Schweine-I. durch Abspaltung der Ami­ nosäure Alanin und Ankettung der Aminosäure Threonin hergestellt. Durch andere, teilweise noch im Versuchssta­ dium befindl. Verfahren läßt sich aus genmanipulierten Colibakterien Human-I. produzieren. Insulin-Dosiergerät, eintherapeut. System für insu­ linbedürftige Zuckerkranke, zur Errechnung und Zufüh-

Insulin-Dosiergerät: Über dünne Katheter pumpt die automatische Insulinspritze das Hormon in den Körper und hält den Blutzucker­ spiegel möglichst konstant. Das Ge­ rät kann durch Haltegurte unmit­ telbar am Körper getragen werden

rung der jeweils notwendigen Insulinmenge. Zur Vermei­ dung von diabet. Spätkomplikationen muß der Blut­ zucker des Diabetikers möglichst im Normbereich gehal­ ten werden. Mit den Wirkprofilenderz. Z. zur Verfügung stehenden Insulinpräparate ist es nicht möglich, bedarfsund zeitgerecht und rasch den erforderl. Insulinspiegel aufzubauen. Deshalb wurden Insulin-Infusions-Systeme entwickelt, um die körpereigene Insulinsekretion soweit wie möglich nachzuahmen. Man unterscheidet die glu­ cosegesteuerten Systeme (geschlossener Regelkreis, engl. closed loop), bei denen ein intravenös angeschlossener Glucosesensor ständig den Blutzucker bestimmt, ein Computer den Insulinbedarf errechnet und die Insulinzu­ fuhr steuert (wegen der Größe z. Z. nur für klin. For­ schungszwecke verwendbar). Daneben gibt es kleine, tragbare, batteriebetriebene Insulinpumpen (offener Regelkreis, engl. open loop), bei denen der Patient seinen Blutzucker regelmäßig selbst be­ stimmt. Neben einer Insulinbasalrate über 24 Stunden werden vom Patienten selbst je nach Höhe des aktuellen Blut­ zuckers und des Kohlenhydratgehalts der bevorstehenden Mahlzeit zusätzl. kleine Insulindosen als Bolus (Bissen) abgerufen. Die Pumpen werden mittels eines Tragegurts am Körper getragen, die Insulinzufuhr erfolgt über einen Katheter, meist subkutan, seltener intravenös oder intra­ peritoneal liegend. Erste implantierbare Systeme etwa in der Größe von Herzschrittmachern, die von Zeit zu Zeit

durch Einstich in eine unter der Haut liegende Membran mit Insulin aufgefüllt werden können, sind in klin. Erpro­ bung. Insulinom, eine gutartige Geschwulst der Bauchspei­ cheldrüse, die unabhängig von der Höhe des Blutzucker­ spiegels und somit nicht bedarfsgerecht Insulin in die Blutbahn abgibt. Leit-Symptom: Zuckermangelzustände (-►Zuckermangelkrankheit) mit wechselnder Sympto­ matik, bes. morgens, nach einer übergangenen Mahlzeit und nach körperl. Anstrengung. Die kompensatorische Vorliebe für Süßigkeiten ist charakteristisch, sie führt zu Gewichtszunahme. Diagnose durch Bestimmung des Nüchtern-Blutzuckers und Hungertests mit Bestimmung von Blutzucker und Serum-Insulin (Insulin dann unange­ messen hoch bei niedrigem Blutzucker). Behandlung: operative Entfernung des manchmal auch außerhalb der Bauchspeicheldrüse liegenden Tu­ mors. Insulinschock, künstlich durch Insulininjektion ver­ ursachte plötzliche Blutzuckersenkung (Hypoglykämie) mit beabsichtigter Schockwirkung (-►Schockbehand­ lung); auch Folge von zu hoher Insulingabe bei Zucker­ kranken. Insult der, Anfall, (äußere) Verletzung, Schädigung; apoplektischer I., Gehirnschlag (-► Schlaganfall); psychi­ scher I., seelische Schädigung (seelisches -»Trauma). Intelligenz, unterschiedlich definierter Komplex gei­ stiger Fähigkeiten, oft eingeschränkt auf das Vermögen zur Lösung konkreter oder abstrakter Probleme und zur Bewältigung von in der Erfahrung neu auftretenden An­ forderungen und Situationen durch das theoret. Begrei­ fen von Beziehungen und Sinnzusammenhängen sowie die Verarbeitung und prakt. Umsetzung des Erfaßten. Als wesentl. Momente der I. werden meist die Fähig­ keiten des abstrakten Denkens, Auffassungsgabe, -»Ge­ dächtnis, z. T. auch Kreativität angesehen. Die I. stellt ei­ nen Hauptbereich der Persönlichkeit dar. Zu ihrer quanti­ tativen und qualitativen Bestimmung wurden zahlreiche Intelligenztests entwickelt. Der Intelligenzquotient (Abk. IQ) ist das Maß für die Höhe der allgemeinen I. eines Indi­ viduums. Er drückt das Verhältnis des mit einem Intelli­ genztest ermittelten -» Intelligenzalters (IA) zum LebensrA

alter(LA)aus: IQ100.

Die heute übliche Definition des I. geht von der Abwei­ chung eines individuellen Testresultates vom Mittelwert (100) der jeweiligen Altersstufe in Streuungseinheiten aus. Für diesen Abweichungs-IQ gilt folgende ungefähre Staffelung: Klassifikation der Intelligenzhöhe äußerst niedrig ...................... (Schwachsinn) 70- 79 sehr niedrig ........................... (leichte Debilität) 80- 89 niedrig ................................... 90-109 durchschnittlich ................... 110-119 gut............................................ 120-129 sehr gut.................................... 130 und mehr hervorragend ........................

unter 69

Prozentanteil der Bevölkerung 2

16 50 16 2

Eine besondere Rolle spielt in der 1.-Forschung die Frage nach dem Einfluß von Anlage und Umwelt (Milieu) auf den I.-Grad. Wesentl. Beiträge leistete die Zwillings­ forschung, die bei eineiigen Zwillingen in gleichem Milieu eine Korrelation von über 0,90, bei unterschiedl. Milieu von 0,75 feststellte. Milieutheoretiker gehen dagegen von einer genet. Komponente von höchstens 35% aus. Neuere Forschungen stellen gegenüber der in den letzten Jahr­ zehnten vorherrschenden Betonung des Milieus wieder die Anlagentheorie stärker heraus. Entwicklungspsychologisch wurden v. a. die Vorgänge der Ausbildung der I. untersucht. Das I.-Niveau eines In­ dividuums zeichnet sich danach etwa mit 8—9 Jahren ab. Zu einem individuell unterschiedl. I.-Abbau (meist auf best. Teilleistungen beschränkt) kommt es oft in höherem Alter. 375

Inte 1.-Störungen treten bei Schädigungen der Hirnrinde, auch bei psych. Störungen und Erkrankungen auf. (-» De­ menz, -» Schwachsinn) lntelligenz|alter, Abk. IA, Maß für die allgemeine Intelligenzhöhe: Die in einem Intelligenztest erzielte Lei­ stung wird in Bezug gesetzt zu der für das entsprechende Lebensalter typ. Durchschnittsintelligenz. Intensivbehandlung, Intensivtherapie, die in­ tensive Behandlung in akut bedrohl. Fällen unter Einsatz lebenserhaltender techn. Geräte, durchgeführt in Spezial­ stationen (Intensivstationen) für 4— 12 Schwerkranke, bei drohender Lebensgefahr (z. B. Herzinfarkt), nach Vielfachverletzung, Operationen oder bei Komplikationen. Merkmale der I. sind besonderer techn. und pfleger. Auf­ wand im Schichtbetrieb: Möglichkeit der Dauerüberwa­ chung von Herz, Kreislauf und Atmung (-»Reanima­ tion), die Einsatzbereitschaft lebenserhaltender Geräte, Infusionen jeder Art (Blutplasmaersatz) und die Anwen­ dung spezieller Methoden (Herzkatheter, Hirndruckmes­ sung u. a.) für die Steuerung der Therapie (Bild biomedi­ zinische Technik). Meist wird I. durch Anästhesisten betrieben, in größe­ ren Krankenhäusern besteht eine Tendenz zur Spezialisie­ rung der L, z. B. bei Frühgeborenen, Herzoperierten, Schwerverletzten, nach Verbrennungen oder Nierenver­ sagen. Der hohe Stand der medizin. Technik gerade auf diesem Gebiet birgt das Problem eines sorgfältig über­ dachten, gezielten Einsatzes unter humanitären Gesichts­ punkten: Als Ziel dieser Behandlung wird es nicht angese­ hen, das Leben (und Leiden) des Kranken um jeden Preis zu verlängern, sondern nur wenn die durch I. unterstützte ärztl. und pfleger. Hilfe berechtigte Hoffnung auf Wie­ derherstellung eines menschenwürdigen Lebens erwarten läßt. Dabei gilt, daß das Leben als solches höchstes Rechtsgut ist und bleibt. Die Fragen, wieweit und wie lange lebensverlängernde Maßnahmen im Endstadium schwerster Verletzungen oder bösartiger Erkrankungen durchgeführt werden müssen, sind mit einer gewissen Rechtsunsicherheit belastet und bürden dem Arzt eine schwere Verantwortung auf. Interdentalpapille, derjenige Teil des Zahnfleisch­ randes, der als dreiecksförmiger Zipfel die unterhalb des größten Zahnumfangs gelegenen Zahnzwischenräume ausfüllt. Jeder Zahnzwischenraum hat 2 L, eine zur Wange oder zur Lippe hin, eine zur Zunge hin (-»Mund­ höhle). Schwund der I. bei-»Zahnbettschwund. Interferenz die, virologisierte I., der Vorgang bei Infektionskrankheiten, bes. Viruskrankheiten, durch den die Infektion mit einem Erreger die Wirkung eines zweiten für kurze Zeit verhindert. I. beruht auf einem von der infizierten Zelle gebildeten Eiweißstoff, den -»Interferonen. Interferone, Eiweißkörper (Glykoproteine), die von virusinfizieiien Zellen gebildet und abgegeben werden. Sie hemmen unselektiv (ohne besondere Auswahl) die Vermehrung von Viren und können so andere Zellen vor einer Virusinfektion schützen. Sie hemmen aber auch das Wachstum von Tumorzellen und stimulieren das immunolog. Abwehrsystem des Körpers. I. könnten daher als Arzneimittel gegen Virusinfekte und Tumorerkrankun­ gen verwendbar sein. Bisher durchgeführte erste klinische Studien sind er­ folgversprechend, doch steht einer breiten Prüfung und Anwendung entgegen, daß I. artspezifisch sind (d. h. beim Menschen wirken nur menschliche I.) und daher nur in be­ grenzten Mengen zur Verfügung stehen. Bisher ließen sich unter den strukturverwandten Proteinen Alpha-, Betaund Gamma-I. unterscheiden, von denen es jeweils zahl­ reiche verschiedene Typen gibt. Gewonnen werden 1. z. Z. aus Zellkulturen menschl. Leukozyten und Fibroblasten; einegentechnolog. Gewin­ nung aus Coli-Bakterien ist neuerdings gelungen. Interims|prothese, Behelfsprothese, die nach der Vorbehandlung bis zur definitiven prothetischen Versor­ gung zu tragen ist; bei Zahnersatz eine Zahnprothese, die als Zwischenlösung vor einer endgültigen prothetischen Versorgung der Aufrechterhaltung der Kaufunktion 376

dient. Eine 1. kann herausnehmbar oder befristet festsit­ zend (provisor. Brücke oder Krone) sein. Auch die Sofortprothese (Immediatprothese) ist im allgemeinen eine L, die direkt nach Zahnextraktionen eingegliedert wird. Sie dient der sofortigen Wiederherstellung der Kaufunktion und der sofortigen Belastung des nun zahnlosen Kieferab­ schnitts. Man erhofft sich davon einen günstigeren Hei­ lungsverlauf im Kieferknochen. Sie kann durch geeignete Maßnahmen zur endgültigen Versorgung werden. lmorthopäd. Bereich wird eine l.z. B. zur Gehschulung und ähnl. Maßnahmen verwendet. interkostal, zwischen den Rippen gelegen. Inter­ kostalmuskeln, Zwischenrippenmuskeln (-»Brustkorb). Interkostalneuralgie, Schmerzen im Verlauf der Zwi­ schenrippennerven (-»Neuralgie). interkurrent, innerhalb eines Krankheitsgeschehens zwischenzeitlich auftretend, z. B. eine Pulsbeschleuni­ gung im Fieber. Internationale Einheiten, Abk. I. E., IE, Maßein­ heiten für biochemisch wirksame Substanzen: 1) bei Hor­ monen, Vitaminen, Antibiotika u. a. eine Wirkstoff­ menge, die auf Referenzpräparate bezogen ist, die an Hand ihrer biolog. Wirkung (z. B. in Tierversuchen) standardisiert sind; 2) bei Enzymen die Substanzmenge, die unter genau definierten Bedingungen (Zeit, Tempera­ tur u. a.) eine bestimmte Stoffmenge (Substratmenge) umsetzt. Internist, Arzt mit abgeschlossener Weiterbildung (-»Arzt) auf allen Gebieten der inneren Medizin. Inter|renalismus, adrenogenitales Syndrom,

Abk. AGS, durch unterschied!. Enzymdefekte bei der Cortisolsynthese gekennzeichnetes Krankheitsbild. Der damit verbundene Cortisolmangel regt die Nebennieren­ rinde zu vermehrter Produktion von Cortisolvorstufen unterschiedlichster biolog. Aktivität an. Die Erhöhung von Steroiden mit mineralocorticoidem Effekt (11-Desoxycorticosteron) kann zu Natriumretention, Hypertonie und Kaliummangel führen. Der dann vermehrte Anfall von Androgen (Testosteron u. a.) führt u. U. bereits im Kindesalter zur Ausbildung sekundärer Geschlechts­ merkmale (Pseudopubertas praecox) bei Knaben und Vermännlichung (Virilisierung) des äußeren Genitale bei Mädchen (intersexuelles Genitale, Pseudohermaphrodi­ tismus) mit Fehlen der Monatsblutung. Andererseits kann eine Minderleistung der männl. Keimdrüsen eine -»Feminisierung bewirken. Der Aldosteronmangel hat Salzverlustsyndrom, Volumenmangel und Hypotonie zur Folge. Inter|ruptio graviditatis, der -»Schwangerschafts­ abbruch. Intersexualität, Zwischengeschlechtlichkeit,

das Vorhandensein von Merkmalen beider Geschlechter. Vom echten Zwittertum unterscheidet sich die I. durch die meist funktionsunfähigen Geschlechtsorgane oder die Bildung von Gameten nur eines Geschlechts. Intertrigo die, das -»Wundsein der Haut. Intervall [lat. >ZwischenraumReizmagenHautMauerWandNeues au feinen Blick< entdeckt. A. Einstein betonte, daß er seine größten Erfindungen nicht dem logi377

Inui sehen Denken, sondern seiner vorwegnehmenden Vorstellungsgabe verdankt habe. Die I. zeichnet sich gegen­ über dem diskursiven Denken durch größere Tiefe, Un­ mittelbarkeit und Stärke des Erfassens aus; gesicherte Er­ kenntnis bedarf jedoch einer Überprüfung und Begrün­ dung der durch die I. gewonnenen Einsichten. I. umfaßt in der Psychologie auch den Aspekt der ver­ stehenden Methode in Diagnose und Beobachtung. Es gibt eine Diagnose, die auf skalierter Beobachtung beruht und quantitativ mißt, was und wie oft etwas gesehen wird. Einige Psychologen sind der Ansicht, dies sei die einzige wissenschaftlich haltbare Methode; andere Diagnostiker betonen die Notwendigkeit der Ergänzung durch 1., weil nur durch sie Qualitäten (das Wie und die inneren Zuständlichkeiten) erklärbar werden. Inulin [von Inula >AlantKampf aller gegen alle< sei. Be­ reits Darwin hat aber erkannt, daß die Lebewesen auch ei­ nen anderen Kampf zu fechten haben, den Kampf gegen das Unbelebte. Eine Kraft, die jedes Lebewesen zu über­ winden hat, ist z. B. die Schwerkraft; jede Bewegung er­ folgt gegen die Schwerkraft, gleichgültig, ob es sich um die Plasma-Strömungen im Körper einer Amöbe handelt oder um den Blutkreislauf von Mensch und Tier. Alle Le­ bewesen sind von der Natur mit den Fähigkeiten ausgerü­ stet, diesen Kampf für ihre Lebenszeit erfolgreich zu be­ stehen. Ruhepausen zur Sammlung neuer Kräfte (Schlaf) werden stets eingeschaltet. Ferner steht der Einzelne im Kampf gegen Klimareize. Der Kampf gegen das Unbe­ lebte kann nur bestanden werden, wenn der Körper voll­ wertigernährt wird, einen gesunden Stoffwechsel hat und wenn die Bewegungsorgane in regelmäßiger Übung gehal­ ten werden. 25’

Im Ggs. zu dem von Darwin aufgestellten Prinzip wurde von anderen Biologen auf die Bedeutung des Zu­ sammenwirkens bei der Daseinsbewältigung hingewiesen (>Gesetz der gegenseitigen HilfeHündchenGeburtkleines GefäßMorschseinFäulniskleine KohleHerzMagen■ Lab­ ferment), beim Sauerwerden der Milch durch Milchsäure und bei der Verdauung durch den Magensaft. Kaskadenmagen, -> Magenformen. Kaspar-Hauser-Syndrom, eine Form des -* Hospi­ talismus; schwerer körperlich-geistiger Entwicklungs­ rückstand infolge andauernder Vernachlässigung, man­ gelnder Pflege und Liebesentzug im frühen Kindesalter. Kassenarzt, Arzt, der Patienten der gesetzl. Kran­ kenversicherung meist ambulant auf Krankenschein zu behandeln berechtigt und in gewissem Umfang auch ver­ pflichtet ist. Die Zulassung als K. erfolgt durch parität. Zulassungsinstanzen der -»Kassenärztlichen Vereini­ gung und der Krankenkassenverbände. Die Beteiligung und Ermächtigung anderer an der Versorgung teilneh­ mender Ärzte (bes. qualifizierter Krankenhausärzte) er­ folgt unter gleichen Bedingungen, die gesetzlich geregelt sind. (-»Arzt) Kassenärztliche Vereinigung, Abk. KV, in den Bundesländern bestehende öffentlich-rechtl. Zusammen­ schlüsse aller Ärzte, die kassenärztlich tätig sind (-»Kas­ senarzt). Aufgaben: Sicherstellung der ambulanten ärztl. Versorgung für alle -»Kassenpatienten, Vertragsver­ handlungen mit Krankenkassenverbänden über Art, Um­ fang und Honorierung der kassenärztl. Leistungen, Ab­ rechnung und Verteilung der Honorare an die Ärzte, Wahrung der Wirtschaftlichkeit der Versorgung und Ausübung von Disziplinarbefugnissen. Die Selbstverwal­ tungsorgane der KV gehen aus freien und geheimen Wah­ len hervor. Die in der Kassenärztlichen Bundesvereini­ gung (Abk. KBV) zusammengeschlossenen KV nehmen die übergreifenden Aufgaben der Vertrags- und Honorar­ gestaltung für die kassenärztl. Versorgung auf Bundes­ ebene wahr. Kassenpati|ent, Mitglied (oder dessen anspruchs­ berechtigter Familienangehöriger) einer Orts-, Land-, Betriebs- oder landwirtschaftl. Krankenkasse oder einer Ersatzkasse (-»Sozialversicherung), das kassenübl. Lei­ stungen der gesetzl. Krankenversicherung in Anspruch nimmt. Behandlungsausweis ist der -»Krankenschein. Der K. hat freie Wahl unter den Kassenärzten und mit ge­ wissen Einschränkungen (z. B. bei Überbelegung) der Vertragskrankenhäuser. kassenüblich, Bezeichnung für Medikamente, Heilund Hilfsmittel, deren Kosten beim -»Kassenpatienten von den Krankenkassen getragen werden. Kassenzahnärztliche Vereinigung, Abk. KZV,

Abrechnungskörperschaft der Kassenzahnärzte, entspre­ chend der -» Kassenärztlichen Vereinigung. Die KZV sind wie diese und mit den gleichen Aufgaben auf Bundesebene zur Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung KZBV) zusammengeschlossen.

(Abk.

Kastani|e, Echte K., Eßkastanie, Edelkastanie, Maronenbaum, Castanea sativa, zu den Buchenge­ wächsen (Fagaceae) gehörender, bis 35 m hoher Baum in warmgemäßigten Klimazonen, bes. im Mittelmeergebiet. Die im September-Oktober gesammelten und getrockne­ ten Blätter enthalten Stoffe mit auswurffördernder Wir­ kung. Die Samen (Maronen, Kastanienfrüchte) sind ein stärke- und zuckerreiches, leicht gerbstoffhaltiges Nah­ rungsmittel. Anwendung: Heilpflanzen, Übersicht. Kastration, Ausschaltung der Keimdrüsen (Hoden, Eierstöcke) durch operative Entfernung oder Bestrahlung oder (zeitweise) durch Gabe entsprechend wirksamer Arz­ neimittel (hormonale K.); wird oft mit Unfruchtbarma­ chung (Sterilisation) verwechselt. Bei Frauen zu Heil­ zwecken ausgeführte K. (Ovarektomie) wirkt sich ge­ nauso aus wie das natürl. Erlöschen der Eierstocktätigkeit in den Wechseljahren. Beim männl. Geschlecht führt der Hodenverlust (Ent­ mannung) durch Trauma (z. B. Unfälle), schwere Entzün­ dungen (z. B. Tuberkulose), mißglückte Operationen (z. B. Leistenbruch-Operation) sowie als Behandlungs­ maßnahme beim Prostatakarzinom durch Testikelhormon-(Testosteron-)Mangel zu schweren, der K. gleichzu­ setzenden Veränderungen. Für das klin. Bild ist von Be­ 390

deutung, ob der Hodenverlust vor oder nach der Pubertät auftritt. Bei Ausfall der Hoden vor der Pubertät bleiben sämtl. männlichen sekundären Geschlechtsmerkmale aus: Bart­ wuchs, Körperbehaarung, Stimmbruch. Der Körperbau dieser Kastraten zeigt weibl. Formen. Auch das Seelen­ leben bleibt teils auf kindl. Stufe stehen, teils nimmt es weibl. Züge an. Diese Frühkastraten sind sexuell völlig neutral, geschlechtl. Erleben ist ihnen fremd, Libido (sexuelle Appetenz) und Potenz (Erektionsfähigkeit) fehlen. Bei den Spätkastraten nach vollständig abgeschlosse­ ner Pubertät (also nicht vor dem 25. Lebensjahr) werden niemals so deutl. Ausfallserscheinungen beobachtet. Wenn auch im Endergebnis ein ganzähnl. Zustand wie bei der Frühkastration entsteht, so dauert es doch sehr viel länger, bis alle Merkmale ausgebildet sind. Die K. von Sittlichkeitsverbrechern ist eine Notmaß­ nahme, die auf die schwersten Fälle geschlechtl. Abnor­ mität beschränkt bleibt und nur auf freiwilliges Verlangen hin ausgeführt wird. Rechtliches. K. ist nach dem Gesetz über die freiwil­ lige K. v. 15.8. 1969(letzte Fassung v. 23. 11. 1973) zuläs­ sig, wenn sie medizinisch (bei schwerwiegenden Krank­ heiten, seel. Störungen oder Leiden, die mit einem abnor­ men Geschlechtstrieb Zusammenhängen) oder rechtlich (z. B. bei Sexualstraftätern) begründet ist, wenn der Be­ troffene mindestens 25 Jahre alt ist, aufgeklärt wurde und einwilligt (bei Schwachsinnigen Genehmigung des Vormundschaftsgerichts Voraussetzung). Zu erwartende körperl. oder seel. Nachteile dürfen gegenüber dem ange­ strebten Erfolg nicht überwiegen. Ohne gültige Einwilli­ gung gilt K. als strafbare Körperverletzung. Kastrationskomplex, nach S. Freud in der frühkindl. Entwicklung (Ödipusphase) entstehende Kastra­ tionsphantasien, die sich an die Entdeckung der Ge­ schlechtsunterschiede knüpfen (bei Knaben Furcht des Penisverlusts durch väterl. Bestrafung, bei Mädchen Minderwertigkeitsgefühl wegen Fehlens des Penis; >PenisneidniederschlagenherabfließenHaarweh< be­ zeichnet, Absinken des Blutdrucks, Ohnmachtsneigung, kalter Schweiß, gelegentlich Durchfälle); die starke kör­ perl. Beeinträchtigung bewirkt auch die seel. Verstim­ mung. Die Behandlung besteht in vollständiger Nahrungs­ enthaltung. Flüssigkeitsaufnahme ist jedoch nötig; der K. verursacht starken Durst (alkohol. Getränke meiden! Gut tut frischer Orangensaft). Wenn sich Ohnmachtsneigung zeigt, helfen starker Kaffee und Wärmezufuhr von außen. Verkaterte Menschen frieren. Ein Verlangen nach pikan­ ter Nahrung (saurer Hering, saure Gurke) tritt auf; dabei ist nicht nur der Geschmack entscheidend, sondern bes. das Bedürfnis, die durch Erbrechen abgegebenen Koch­ salzvorräte des Körpers aufzufüllen. Es empfiehlt sich, alkalihaltige Brausetabletten einzunehmen, was die Be­ schwerden lindert, Aufenthalt in frischer Luft! K. nach Strahlenbehandlung-»Strahlenschädigungen; als Muskelschmerz nach ungewohnter Anstrengung -►Muskelkater. Katgut [engl. catgut >KatzendarmSchwefelbrükdes K. in der Mühlentechnik führt zu länger haltbaren, kenKern< (Charakter) der Per­ son betreffen und weniger in spezif. Symptomen als in all­ gemeinen kindheitsangelegten Fehlhaltungen bestehen (z. B. zwanghafte und triebhafte Verhaltensweisen); im Unterschied zur Randneurose (-» Neurosen). Kernspintomographie [engl. spin >DrehimpulsUmwelt< zurückgehen. In den Phasen der geistig-seel. Entwicklung vollzieht sich unter Einfluß von Familie, Kindergarten, Schule und Gesellschaft ein wesentl. Teil der Sozialisation (>2. Ge­ burt als sozio-kulturelle Persönlichkeit). Als entschei­ dend werden bes. in der frühen Phase die Zuwendung durch die Bezugsperson(en) und der Aufbau von Ver­ trauen (>UrvertrauenNestwärme/2 Jahren rasch anwächst, ent­ Beaufsichtigung notwendig. Der Spielraum zwischen hält vorerst hauptsächlich Gegenstands-, dann TätigEinschränkung und Gewährenlassen bei der Eroberung keits- und schließlich Eigenschaftsbezeichnungen. Zu­ der näheren Umwelt trägt zum Ausmaß des Freiheitsge­ nächst macht sich das K. durch Ein-Wort-Sätze verständ­ fühls bei. lich; überein Stadium des Zwei-Wort-Satzes geht die Ent­ Schon zum Zeitpunkt der Geburt sind die Sinnesorgane wicklung zum Mehr-Wort-Satz, der vorerst agrammades gesunden K. voll funktionsfähig, sie bedürfen aberder tisch ist. Zwischen dem Alter von 2 '/2und 3 Jahren schrei­ Einübung. Unter zunehmender Reifung des Nervensy­ tet die Entwicklung der Phantasie (Fiktions- oder Rollen­ stems lernt das K. Sinneseindrücke zu unterscheiden und spiel) und des Willens schnell voran. Bei erwachendem zu verarbeiten. Diese sind zunächst gefühlsbetont und we­ Ich-Bewußtsein opponiert das K. häufig gegen die Er­ niger deutlich als beim Erwachsenen, doch kann bereits wachsenen (Trotzperiode, 2.-4. Jahr, je nach individuel­ der gesunde Säugling recht gut sehen, hören, schmecken, ler Entwicklung). Das K. muß dabei seinen Willen formal riechen und tasten. Während der >oralen Phase< überprüft üben und lernen, seine eigenen Wünsche, Antriebe, Be­ das K. Gegenstände gern (lustbetont) mit dem Mund. dürfnisse und Strebungen mit denen der Umwelt abzu­ Bes. auf Wärme, Gebärden und Sprache der Mutter im stimmen. Die Familie sollte dabei dem K. so viel Freiheit Kreise der Familie reagiert das K. mit Wohlempfinden. wie möglich gewähren und so viele soziale Grenzen wie nö­ Sein Bedarf an Zuwendung und Zärtlichkeit, in erster Li­ tig setzen. Etwa ab dem 4. Lebensjahr wird das K. selb­ nie gegeben von der Mutter oder einer sonstigen Bezugs­ ständiger und tritt in die erweiterte Umwelt der Spiel­ person, ist sehr groß. Sinneseindrücke bilden somit wegen gruppe (z. B. im -► Kindergarten) ein. Der hier gegebene ihrer Gefühlsbetonung für das K. stets ein Erlebnis. Kontakt mit Gleichaltrigen erweist sich als vorteilhaft, Beim Säugling erfolgt die Entleerung von Blase und während Kleinkinder von älteren K. gelegentlich schika­ Darm zunächst unbewußt, d. h. automatisch-reflekto­ niert oder tyrannisiert werden. Nur noch in der Pubertät risch in unregelmäßigen Abständen mehrfach am Tag. braucht das K. so viel sicheren Halt, festgefügte Ordnung Bald aber lernt das Kleinkind, die Ausscheidungsfunktio­ und Verständnis wie in dieser Zeit. Das Fragealter ist der nen zu beherrschen, und wird fähig, Erfahrungen zu sam­ Ausdruck dieser Wirklichkeits- und Sinnbezogenheit des meln und diese im Gedächtnis aufzubewahren, sinnvoll zu K.; sein Denken bleibt jedoch noch der Anschauung ver­ handeln und zu planen. Die Erziehung zur Sauberkeit haftet. Aus den Kritzeleien und Farbklecksen des Klein­ sollte erst im Verlauf des 2. Lebensjahrs einsetzen, zu­ kindes entwickeln sich Formen, die erkennen lassen, was nächst mit dem Ziel, die Blasenfunktion im Wachzu­ das K. meint, indem es Eindrücke und Vorstellungen fest­ stand zu beherrschen. Dies wird anfangs durch >Abhal- zuhalten sucht, ohne sich um Richtigkeit der Größenver­ ten< geschehen, später durch Gewöhnung an den Topf. hältnisse, des Formzusammenhangs usw. zu kümmern. Zeitl. Fixierung der Nahrungsaufnahme unterstützt diese Gegen Ende des Kleinkindalters wendet sich das K. dem Bemühungen, weil die Entleerungen dann zu bestimmten Konstruktionsspiel mit Materialien wie Bausteinen, Pa­ Zeiten erfolgen, die es abzupassen gilt. Schließlich lernt pier und Zeichenstift zu. Die gesunde Entwicklung des K. ist für Kinderärzte und das K., Harn oder Stuhldrang zu bemerken. Anfänglich wird es sich erst zu spät melden, mit wachsendem Ver­ -Psychologen an der Entwicklung des K.-Spiels abzule­ stand jedoch bald auch vor dem Wasserlassen oder Stuhl­ sen. Verhaltens- und leistungsgestörte K. zeigen deutl. abgang. Dies trägt dazu bei, daß die Entleerungsvorgänge Spielstörungen wie Unfähigkeit, allein oder mit anderen mit der Zeit willkürlich beherrscht werden können; Mäd­ spielen zu können, Spielstereotypien, Mangel an Rollenchen begreifen dies meist früher als Knaben. und Fiktionsspiel, Mangel an kreativem Umfunktionie­ Bei der Sauberkeitserziehung sind Dressurakte abzu­ ren der Gegenstände, Mangel an Ausdauer, Warten auf lehnen; sie erfordern überdies ungleich mehr Zeit und Ge­ Erwachsenenanregung, bes. dann, wenn diese zu häufig duld. Einige K. verspüren recht früh von sich aus das Be­ gegeben wird. Die einseitige Bevorzugung abstrakter dürfnis, zunächst tagsüber, später auch nachts, sauber zu Konstruktionsspiele, auch techn. Spielsachen, sollte ver­ bleiben. Solche Tendenzen werden mit Vorteil durch Lob mieden werden, da durch diese zuwenig soziale und emo­ und Belohnung unterstützt, während Bestrafung abzu­ tionale Anregung erzeugt wird. lehnen ist. DieK. werden meist im 2. Lebensjahrtagsüber, Das selbständige und ungestörte K.-Spiel ist die wich­ mit 2—3 Jahren auch nachts, trocken; gelegentl. Versagen tigste >Arbeit< im Leben des K., es ist von physiognomiist zu beachten, aber mit Nachsicht zu behandeln. Fort­ schen, totemistischen, magischen, prälogischen und währendes Einnässen oder Wiedereinsetzen von Unsau­ anthropomorphen Vorstellungen belebt. Der Erwach­ berkeit nach dem 3. Lebensjahr gibt allerdings Anlaß zu sene kann sich i. d. R. in diese Welt der Allbeseelung, in eingehender Analyse der Störung und kinderärztl. Be­ der auch die Gegenstände wirklich leben, ein Gesicht ha­ handlung. ben und selbst ein Stück Holz als Puppe erlebt werden Im Säuglingsalter und im Anfang des Kleinkindalters kann, kaum mehr einfühlen und mißdeutet viele Aspekte ist das K. fast noch ein unbeschriebenes BlattDt. Liga für das K. in Familie und Gesellschaft < gegr., der zahlreiche andere Or­ ganisationen angeschlossen sind(u.a. >Dt. Kinderschutz­ bund', >Ges. für Sozialpädagogik», >Ges. für Sozialwai­ sen»). Auch der Staat leistet Hilfe (finanzielle und sonstige Unterstützung sowie Gesetzgebung: K.-Geld, K.-Schutz, Bau von Spielplätzen, Kindergärten). Das Jahr 1979 wurde von der UNO unter Leitung der UNICEF zum internationalen Jahr des K.< proklamiert.

Es sollte 20 Jahre nach der von der UNO angenommenen Erklärung über die Rechte des K. (20. 11. 1959) die Auf­ merksamkeit auf die heutige Lage (v. a. in den Entwick­ lungsländern) lenken und Lösungen zu ihrer Verbesse­ rung erbringen. Nach Statist. Schätzungen werden täglich 334000K. ge­ boren. Die äußere Lage der etwa 1,44 Mrd. K. unter 15 Jahren ist dadurch gekennzeichnet, daß von ihnen etwa 230 Mio. unterernährt sind, 75 Mio. schwerbehindert, 604 Mio. ohne medizin. Hilfe und Betreuung, 417 Mio. unter völlig unzureichenden Wohnverhältnissen leben, 5 Mio. jedes Jahr an einer der häufigsten Infektionskrankheiten sterben, 693 Mio. das 60. Lebensjahr nicht erreichen wer­ den, 250 Mio. (35% der K. im Schulalter) keinerlei Ausbil­ dung erhalten und 2—5 Mio. ein Flüchtlingsdasein führen müssen. Als weiteres Problem gilt die v. a. in den Entwicklungs­ ländern verbreitete K.-Arbeit, die hier häufig wirtschaft­ lich notwendig für das Überleben der Familie ist. Neben der altersungemäßen Belastung und der vielfach gegebe­ nen Ausbeutung des K. stellt sie eines der wesentlichsten Bildungshemmnisse dar. Eine Verbesserung der Lage des K. wird davon abhän­ gig gesehen, daß diese Probleme in die nationale wirtschaftl. und gesellschaftl. Gesamtplanung einbezogen werden und auch Fortschritte in der allg. Entwicklungs­ förderung gemacht werden. Demgegenüber stehen in den Industrieländern neben den physischen Gefährdungen der K. im Straßenverkehr und durch Mißhandlung v. a. die psycho-sozialen Schädi­ gungen im Vordergrund. Sie werden teils durch gestörte Familienverhältnisse hervorgerufen, teils auf ein häufig kritisiertes Klima der >K.-Unfreundlichkeit» der Gesell­ schaft zurückgeführt: K. würden oft als >Störfaktor< in ei­ ner zweckrational organisierten, auf Leistung, Karriere, sozialen Aufstieg und materiellen Wohlstand zentrierten Daseinsgestaltung angesehen. Einen besonderen Pro­ blemkreis stellen die behinderten K. dar sowie die K. von Randgruppen und Minderheiten, speziell die K. ausländi­ scher Arbeitnehmer; ihre Sozialentwicklung ist bes. durch sprachl. Schwierigkeiten und soziale Vorurteile, teils auch durch unterschiedl. kulturspezifisch-normative Verhal­ tensanforderungen von Elternhaus und Schule, belastet. Rechtliches. Das Recht der elterlichen Sorge (bis 1979: elterliche Gewalt) steht bei ehel. minderjährigen K. beiden Eltern zu und umfaßt nach §§ 1626 ff. BGB die Per­ sonensorge und die Vermögenssorge. Dazu gehören im einzelnen das Recht und die Pflicht der Eltern zur Erzie­ hung und Beaufsichtigung, die Bestimmung des Aufent­ haltsorts, das Recht zum persönl. Verkehr mit dem K. (Be­ suchsrecht, Umgangsrecht; früher: Verkehrsrecht) so­ wie — eingeschränkt — das Recht zur religiösen Erziehung des K. Die Eltern dürfen nur angemessene Bestrafungs­ mittel an wenden. Die Eltern haben das Recht, die Herausgabe des K. von jedem zu verlangen, der es ihnen widerrechtlich vorent­ hält. Das elterl. Sorgerecht endet mit der Volljährigkeit des K. Die Personensorge kann Dritten zur Ausübung überlassen werden (Schule, Internat u. a.). Die Verletzung der Pflicht zur Personensorge kann strafbar sein (§§ 170d, 221 StGB) und zu Schadensersatzansprüchen wegen mangelnder Aufsicht oder zur Beschränkung der Personensorge durch das Vormundschaftsgericht führen (§§ 1666, 1676 BGB). — Bei nichtehel. K. steht das Sorge­ recht der Mutter zu (§ 1705 BGB). In der Dt. Dem. Rep. üben die Eltern das Erziehungs­ recht nach § 45 Familiengesetzbuch gemeinsam aus; eine unverheiratete Mutter übt es allein aus. Nach neuem österr. Recht von 1977 sind die elterl. Pflichten von Mutter und Vater gleichgestellt. Im Zweifel steht dem >haushaltführenden Teil» die Pflege zu. In der Schweiz steht die elterl. Gewalt beiden Eltern zu. Das Mitspracherecht des K. ist verstärkt worden. Kindbett, Puerperium, das -► Wochenbett. Kindbettfieber, das -* Wochenbettfieber. Kindchenschema, eine Reihe von Schlüsselreizen im kindl. Erscheinungsbild, die menschl. Pflegeverhal­ ten, unwillkürl. Sympathiegefühle und Liebkosungsbe399

Kind dürfnisse bewirken. Die im K. enthaltenen auslösenden -» Schlüsselreize (K. Lorenz, * 1903) sind: Das Kind ist rundlich, mollig, hat hohe Stirn, große Augen, Pausbakken, kurzfingerige Patschhände. Kinderarzt, weitergebildeter -» Arzt, der in der -» Kin­ derheilkunde tätig ist. Kinderdörfer, Jugenddörfer, karitative Einrich­ tungen, in denen bedürftige und/oder unversorgte Kinder und Jugendliche zur Pflege, Erziehung, schul, und/oder berufl. Ausbildung aufgenommen werden. Je nach weltanschaul. (bes. religiöser oder gesellschaftspolit.) Zielset­ zung haben sich verschiedene Typen von K. entwickelt. Die Idee der K. ging von J. H. Wichern (* 1808, f 1881) aus, der in seinem >Rauhen Haus< bei Hamburg ähnliche Ziele zu verwirklichen suchte. Bes. bekannt sind die von H. Gmeiner (* 1919) gegründeten SOS-K. in mehr als 60 Ländern, in denen man um familienähnl. Lebensformen bemüht ist, aber auch zahlreiche K., die von kirchl. Orga­ nisationen getragen werden, sowie die auf die Ideen J. H. Pestalozzis (* 1745, 1 1827) aufbauenden Einrich­ tungen. Kindergarten, Einrichtung zur Betreuung und pädagog. Förderung der Drei- bis Sechsjährigen. Die Kinder können ganz- (wo sie dann auch verpflegt werden) oder halbtags im K. bleiben. Sie werden von Kindergärtnerin­ nen angeleitet und erzogen; die K.-Leitung hat eine Ju­ gendleiterin. K. sind meist von Städten, Kreisen, Kirchen und freien Wohlfahrtsvereinigungen getragen. Es gibt auch private K., meist mit besonderen Akzentuierungen, z. B. bevorzugt musischer oder religiöser Erziehung, so­ wie heilpädagogische K. zur Behandlung frühkindl. Ver­ haltensstörungen. Für schulpflichtige, jedoch vom Schul­ besuch zurückgestellte Kinder wurden in manchen Städ­ ten Schul- oder Sonder-K. geschaffen, die behinderte Kin­ der (-»Behinderte) aufnehmen und eine Frühförderung oder -heilung dieser Kinder anstreben. Auch Vorschul-K. für nicht behinderte Kinder werden erprobt. Die in den 1970er Jahren entstandenen antiautoritären >Kinderläden< (-» antiautoritäre Erziehung) scheinen die in sie ge­ setzten Erwartungen nicht erfüllt zu haben. Die Kinder werden vor der Aufnahme in den K. ärztlich untersucht und weiterhin überwacht. Für hygien. Einrich­ tungen, Ernährung, Körperpflege sowie Maßnahmen ge­ gen die Ausbreitung von Infektionskrankheiten wird vom Träger Vorsorge getroffen. Für Einrichtung und Ausstattung des K. sind staatl. Richtlinien festgesetzt worden. Siebetreffen u. a. die Zahl der Kinder je Raum, Raumgrößen, Wasch- und Bade­ räume, Toiletten, Kleiderablage, Art der Ausstattung, Spielplätze im Freien und Ausbildung des im K. beschäf­ tigten Personals. Kinderheilkunde, Pädiatrie, Zweig der prakt. Medizin, der sich mit der Erkennung, Behandlung und Heilung der -»Kinderkrankheiten beschäftigt. Dazu gehört die vorsorgende Gesunderhaltung des Kindes durch fürsorger. Maßnahmen im Rahmen der -►Säug­ lingsfürsorge und Schulgesundheitsfürsorge (-»Schule, -»Erholung). Kinderheilstätten, Einrichtungen zur Aufnahme von Kindern, die an langdauernden Krankheiten (z. B. Tuberkulose) leiden oder allgemein erholungsbedürftig sind. Kinderkrankengymnastik, eine physikal. Therapie unter Anleitung von Krankengymnastinnen, die sich auf Kinder spezialisiert haben, zur Beseitigung oder Verbesse­ rung gestörter Körperfunktionen, z. B. durch besondere krankengymnast. Bewegungsübungen. Aktive Methoden der Bewegungstherapie stehen hierbei im Mittelpunkt. Vorbereitet, unterstützt und ergänzt werden sie durch passive Methoden der Massage, der Wärme-, Kälte-, Wasser- und Elektrotherapie. Behandlungsmethoden: bei Säuglingen nach dem Ehepaar Bobath, nach V. Vojta und C. Moralis als passive Durchbewegungen (vom Therapeuten durchge­ führte intensive Beugung oder Streckung einer Glied­ maße) sowie Atemtherapie; bei älteren Kindern zusätzlich alle anderen Methoden der Krankengymnastik. 400

Anwendungsgebiete: Früh- und Nachbehandlung bei hirngeschädigten Kindern, Behandlung nach geburtstraumat. Schädigungen, z. B. Schiefhals, Nervenlähmun­ gen, bei Fehlbildungen, nach Unfällen, Behandlung auf Intensivstationen, bei Muskelerkrankungen, bei inneren Erkrankungen, nach Chirurg. Eingriffen u. a. Kinderkrankengymnastinnen (-»Medizinberufe) sind in freier Praxis, in Kliniken, Früherkennungszentren für Zerebralparese, Sonderkindergärten, Sonderschulen, Grundschulen, Rehabilitationszentren und Sanatorien tätig. Kinderkrankenschwester, -»Krankenpflege­ berufe. Kinderkrankheiten, die dem Kindesalter eigentüml. Krankheiten, hauptsächlich durch das rasche Wachstum des kindl. Organismus bedingt. Eine Krankheit, die fast ausschließlich im frühen Kindesalter auftritt, ist die Ra­ chitis. Auch Ernährungsstörungen mit Durchfall und Ge­ wichtsabnahme sind im Kindesalter bes. häufig, es besteht eine größere Empfänglichkeit für Erkrankungen der obe­ ren Luftwege als im Erwachsenenalter und eine erhöhte Krampfbereitschaft. K. im übl. Sinn sind Infektionskrankheiten, die bevor­ zugt in der Kindheit durchgemacht werden. Hierzu ge­ hören -»Masern, -»Röteln, -»Windpocken, -»Mumps, -►Scharlach und, heute selten, -»Kinderlähmung und -»Diphtherie. K. können auch bei Erwachsenen, die bis dahin nicht angesteckt worden sind, auftreten. Das Über­ stehen einer der genannten K. schützt i. d. R. vor einer Wiedererkrankung, günstigenfalls ist lebenslange Im­ munität zu erwarten. Trotz Ansteckung kann eine K. durch stille Feiung ausbleiben. Da Schutzstoffe von der Mutter über die Plazenta auf die Feten im Mutterleib übergehen, besitzen junge Säuglinge z. B. Masern gegen­ über einen >NestschutzEisernen LungeInteraktionsmuster< zwi­ schen Eltern und Kindern, dieauch durch soziale und Öko­ nom. Verhältnisse mitbedingt sein können. Übereinstim­ mend wird ein wirksamer rechtl. Kinderschutz nur durch eine auf die gesamte Familie bezogene, psycholog. und soziolog. Erkenntnisse einbeziehende Intervention und Therapie für möglich gehalten. Kindheit, Abschnitt der menschl. Entwicklung,!, e. S. der Zeitraum zwischen Geburt und Pubertät, i. w. S. zum Lebensabschnitt der Jugend gerechnet. In der K. vollzieht sich ein wesentl. Teil der körperl. Entwicklung und (nach tiefenpsycholog. Auffassung) der Persönlichkeitsprä­ gung. (-► Kind) Kind im Krankenhaus, Aktionskomitee K. i. K. e. V., gemeinnütziger Verein, der sich für die Verbesse­

rung der Situation von Kindern im Krankenhaus einsetzt. Ziele sind u. a. die Aufrechterhaltung des Mutter- oder Eltern-Kind-Kontaktes durch unbegrenzte Besuchszeiten und kostenfreie Mitaufnahme eines Elternteils bei kleinen Kindern (bis etwa 5 Jahre), behinderten, psychisch labi­ len, schwerkranken und schwerverletzten Kindern, die Anwesenheit der Eltern bei Untersuchungen, kleinen Ein­ griffen, Operationsvorbereitung und in der Aufwach­ phase nach Operationen, die Schaffung familien- und kindgerechter Krankenhausbedingungen in personeller und räuml. Hinsicht, die Einrichtung von Fachambulan­ zen und Tageskliniken zur Vermeidung und Verkürzung von Krankenhausaufenthalten. Über Krankenhäuser, die diesen Vorstellungen entsprechen, werden Listen geführt. Zu den weiteren Anliegen gehören die Elternberatung in Kindergärten und Kliniken sowie Betreuerdienste für Kin­ der, die im Krankenhaus nicht besucht werden können. Sitz des Bundesverbandes: Oberursel (Taunus). Kindsbewegungen, die von der werdenden Mutter als Klopfen und Stoßen gegen die Bauchwand empfunde­ nen und auch sichtbaren Bewegungen des Kindes in der Gebärmutter, die bei der 1. Schwangerschaft in der 20., bei einer wiederholten Schwangerschaft schon in der 16. bis 18. Woche wahrgenommen werden. Verschwinden die vorher vorhandenen K., so besteht Verdacht auf ein -»Absterben des Kindes während der Schwangerschaft. Bei der eingebildeten Schwangerschaft (Grossesse nerveuse) werden gelegentlich Bewegungen des Darms für K. gehalten. Kinds|pech, Mekonium, der schwarze, klebrig­ zähe Darminhalt des noch nicht geborenen Kindes, der auch noch während der ersten 2 Lebenstage des Neugebo­ renen entleert wird. Das K. besteht aus verschlucktem, eingedicktem Fruchtwasser, aus Galleflüssigkeit und aus abgeschilferten, oberflächl. Zellen des Darmkanals. Kinetosen, Bewegungskrankheiten, die >Verkehrsmittelkrankheitenq die bei Reisen auf Schiffen (See­ krankheit), in Flugzeugen (Luftkrankheit), in Kraftwa401

Kinn gen (Autokrankheit) und in der Eisenbahn (EisenbahnKiwi, eigroße Frucht von Actinidia chinensis, einer krankheit) entstehen. Auslösend wirken in jedem Fall Be­ zweihäusigen, sommergrünen Pflanze mit 4—6 m langen schleunigungsänderungen durch entsprechende Bewe­ Trieben. Die Schale ist rauh, das Fruchtfleisch grün, saf­ gungen der Verkehrsmittel, auch psychosomat. Faktoren tig von leicht süß-säuerl. Geschmack und reich an Vitamin sind oft beteiligt. Die heftigsten Erscheinungen werden C. Anbau in Neuseeland und in den letzten Jahren auch in auf längeren Seereisen bei stärkerer Wellenbildung beob­ Frankreich. achtet. Bei den Schiffsbewegungen unterscheidet man: Klappenfehler, Herzklappenfehler, -»Herz­ 1) Rollen, die Drehbewegung um die Längsachse des krankheiten. Schiffs bei seitl. Welleneinwirkung, 2) Stampfen, die Be­ Klapperschlangen, -»Giftschlangen. wegung um die Querachse bei Auftreffen der Wellen von Klapperschlangenwurzel, der junge Wurzelstock vorn, und 3) Schlingern als Kombination von Rollen und Stampfen. Schlingern wirkt am stärksten kinetoseauslö- von der Senega-Kreuzblume (Polygala senega), einer zu send. Lange Wellen wirken stärker als kurze. Ursache der den Kreuzblumengewächsen (Polygalaceae) gehörenden, Mißempfindungen und Reaktionen ist eine rhythm. Rei­ in Nordamerika heimische Erdstockstaude; enthält bis zu zung des Vestibularapparates (>GleichgewichtsorganFrakturkrankheitc (-»Sudecksche Dystrophie). Meist werden die beiden dem K. benachbarten Gelenke in den Gipsverband einbezogen, Knochenvorsprünge werden vorher gepol­ stert. Bei frischem K. muß der Gips immer nach dem Er­ härten der Länge nach bis auf den letzten Faden aufge­ schnitten werden, um bei zunehmender Weichteilschwel­ lung Durchblutungsstörungen mit entsprechenden Kom­ plikationen zu verhindern. In dieser Phase sind das Hoch­ lagern der verletzten Extremität sowie häufige Kontrollen von Durchblutung, Hautgefühl und Beweglichkeit sehr wichtig. Nach einigen Tagen wird dann ein geschlossener, zirkulärer Gips angelegt. Röntgenaufnahmen im Gips und während der Heilung dienen der Kontrolle der Achsenstellung des Knochens und einer — auch unter Teilbela­ stung — möglichen Verschiebung des K.

Querbruch

Schrägbruch

Y-Bruch

Ausheilungszeiten von Knochenbrüchen (Erwachsene) Form

Dauer (in Wochen)

Finger- und Zehenbruch ........................... Mittelhand-und Mittelfußbruch ............. Schlüsselbeinbruch ................................... Speichenbruch........................................... Ellen-und Wadenbeinbruch...................... Oberarm bruch........................................... Oberschenkelbruch................................... Schenkelhalsbruch..................................... Kniegelenkbruch........................................ Unterschenkelbruch................................... Knöchelbruch.............................................

3 3-4 4 4-5 4-5 4-6 8-16 12-16 12-16 8-10 5-8

Drehungsbruch

Bei der Streckbehandlung (Extension) wird z. B. bei ei­ nem Unterschenkeibruch an der Ferse durch den Knochen ein Stahlnagel gebohrt, hieran zieht über eine Rolle lau­ fend ein bestimmtes Gewicht in der Achse des körperna­ hen K.-Abschnitts; dem Muskelzug an den K.-Stücken wird damit entgegengewirkt (Bild Drahtextension). Auf einer entsprechenden Lagerungsschiene wird für minde­ stens 10—14Tagedie 1. Phase der K.-Heilung abgewartet (Bild Schiene), dann kann meist ein Gips angelegt wer­ den. Bei Kindern kann die Befestigung des Gewichts mit­ tels Pflaster an den Weichteilen vorgenommen werden. 4()9

Splitterbruch

Knochenbruch: Bruch formen

Knoc Eine Gefahr bei der Extensionsbehandlung droht durch die ungenügende Ruhigstellung: Auseinanderklaffen des Bruchspalts durch zu stark ziehendes Gewicht und durch die langdauernde Bettlägerigkeit. Eine konservative K.-Behandlung ist beim Kind fast immer möglich und auch wegen des Knochenwachstums sinnvoll. Beim Erwachsenen werden körpernahe (proxi­ male) Oberarmbrüche, körperferne (distale) Unterarm­ brüche, Hand- und Fußbrüche sowie geschlossene Unter­ schenkelbrüche meist konservativ behandelt. Entspre­ chend wird so bei vielen K. ohne Verrenkung und bei we­ nig klaffendem Bruchspalt verfahren. Die funktionelle Behandlung schließt den frühzeitigen Beginn einer aktiven krankengymnast. Übung ohne Bela­ stung des K. ein. Dieses Vorgehen ist —ohne Gips —bei in sich verkeiltem K. möglich und wird bes. bei alten Men­ schen angestrebt (z. B. bei körpernahem Oberarmbruch). 2) Die operative Behandlung (Osteosynthese) wird we­ gen entscheidender Vorteile immer häufiger angewendet. Es werden operative Frühversorgung, übungsstabile und exakte Einstellung und völlige Ruhigstellung im Bruchge­ biet angestrebt. Angezeigt ist die Operation bei K. der Ge­ lenke, bei offenem K., auch bei Nerven- und Gefäßverlet­ zungen. Jeder K. mit schwerer Fehlstellung, auch nach mißglückter Wiedereinrenkung, soll operativ behandelt werden, ebenso der K. des Schafts der langen Röhren­ knochen (Arm und Bein) und der instabile K. mit Ver­ renkungstendenz. In jedem Einzelfall muß der Chirurg entscheiden. Zur Verfügung stehen folgende operative Verfahren: a) Verschraubung: Eine quer durch den Bruchspalt ge­ führte Schraube bringt den Bruchspalt unter Kompres­ sion und ermöglicht bei genauer Einstellung Kontakt­ heilung. b) Verplattung: Nach Einrenkung des K. wird eine Stahlplatte mit verschiedenen, auch asymmetrisch vorge­ bohrten Löchern über dem Frakturspalt und unter Kom­ pression der Fraktur festgeschraubt; dafür steht eine große Zahl verschiedener Platten mit speziellem Instru­ mentarium zur Verfügung. c) Marknagelung: Ein in die Markhöhle von Ober- oder Unterschenkel eingeschlagener Nagel (Küntschersche Marknagelung) führt zur inneren Schienung< eines K. Vorteil: Bei Querbruch in Schaftmitte besteht nach Mark­ nagelung frühzeitig Belastungsfähigkeit. Auch mehrere Nägel (Bündelnagelung) werden verwendet. Nachteil: keine mechan. Ruhe im Frakturspalt, bes. bei Drehbewe­ gungen. d) Zuggurtung: Eine über den Bruchspalt und durch den benachbarten Knochen geführte 8förmige Draht­ schlinge führt nach dem Prinzip von Zug und Gegenzug zur Kompression des Bruchspaltes (z. B. bei K. der Knie­ scheibe und des Ellenbogenköpfchens). e) äußerer Spanner (-» Fixateur externe): Oberhalb und unterhalb des K. werden insgesamt mindestens 4 Stahl­ nägel durch den Knochen geführt, diese werden außer­ halb rahmen- oder zeltförmig durch längslaufende Me­ tallrohre oder -gewinde gegeneinander verspannt. Dieses Verfahren wird häufig bei offenem K. oder bei Behand­ lung der Knochenmarkentzündung angewendet (meist am Unterschenkel). Die operative K.-Behandlung wurde entscheidend von der schweizer. Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthese­ fragen (Abk. AO) entwickelt. Diese Behandlungsform er­ möglicht — meist ohne Gipsverbände — bereits unmittel­ bar nach der Versorgung aktive Übungen zur Verhinde­ rung von Muskelschrumpfung und Gelenkversteifung. Eine Belastung des K. ist meist erst nach Ausheilung er­ laubt. Einliegende Metallteile nach operativer Behand­ lung werdeni. d. R. nach 6Monaten bis 2 Jahren entfernt, können aber auch belassen werden. Komplikationen nach K. können sein: die -» Fettembo­ lie, die bakterielle -»Knochenmarkentzündung sowie Weichteil- und Gelenkkapselschrumpfung (Dystrophie), die -»Sudecksche Dystrophie (meist bei über 40jährigen bei gelenknahem K. und Weichteilverletzung mit langer Ruhigstellung, oft erst nach 4-8 Wochen auftretend) und das -»Kompartment-Syndrom; es zeigt sich nach K. mit Weichteilverletzung durch eine Gewebsdrucksteigerung 410

in den Muskellogen, wobei Muskelfaszien und Knochen ein Nachgeben und somit Druckausgleich verhindern. Viele Spätschäden können bei sorgfältiger Beobach­ tung der Weichteile vermieden werden! Nachbehandlung: Bei jedem K. frühes aktives Trai­ ning der nicht ruhiggestellten Glieder, isometr. Muskel­ anspannung im Gipsverband zur Verhinderung einer Muskelerschlaffung. Nach operativer Behandlung früher Beginn mit krankengymnast. Übung unter Anleitung. Angestrebt wird i. d. R. eine rasche selbständige Beweg­ lichkeit (z. B. mit Hilfe von Unterarmgehstützen). Die Be­ handlung endet erst bei Erreichen des bestmögl. Funk­ tionsergebnisses. Knochenentzündung, Ostitis, durch offene Kno­ chenbrüche, aber auch durch operative Behandlung von Knochenbrüchen oder Folge von Endoprothesenopera­ tionen bewirkte Entzündung der Knochenrinde. Dabei ist das Knochenmark im Ggs. zur -»Knochenmarkentzün­ dung so gut wie nie beteiligt. Es bestehen starke Schmerzen, die bei Belastung, aber auch nachts zunehmen. Allmählich stellt sich Fieber ein. Ursachen sind Krankenhauskeime (->■ Hospitalismus) oder körpereigene Keime, die sich bei einer Schwäche der körpereigenen Abwehrkräfte bevorzugt in Operationsge­ bieten und an Fremdkörpern (Metallimplantaten oder Implantatzement) ablagern. Die K. ist als verhältnismä­ ßig neues Krankheitsbild deshalb in wesentl. Maß mit der operativen Behandlung von Knochenbrüchen durch Im­ plantate und mit der Einführung der Endoprothesenope­ rationen verknüpft. Die Behandlung ist operativ. Durch eine Spül-SaugDrainage werden Antibiotika in das Gebiet der entzünde­ ten Knochenrinde eingeleitet. Eiter und abgetötete Bakte­ rien werden abgesaugt. Endoprothesen und Zementreste sind vorher zu entfernen. Bei Knochenbrüchen (z. B. nach Nagelung) wird das Metall meist erst dann entfernt, wenn eine knöcherne Überbrückung des Bruchspaltes eingetre­ ten ist. Knochenerweichung, Osteomalazie, Symptom verschiedener Grunderkrankungen mit Abweichungen im Kalzium-Phosphat-Stoffwechsel, bei dem die Minera­ lisation der neugebildeten eiweißhaltigen Knochengrund­ substanz (Knochenmatrix, Osteoid) durch Verarmung an Kalksalzen gestört ist. Es tritt unmineralisiertes Osteoid in abnorm großen Mengen auf. Dadurch verlieren die Kno­ chen an Festigkeit, es kommt zu Knochenverkrümmun­ gen (-»Rachitis). Häufige Ursache war früher ein Vitamin-D-Mangel durch ungenügende Zufuhr mit der Nah­ rung oder fehlende Sonnenbestrahlung (UV-Strahlen). Eine weitere Ursache ist der gestörte Vitamin-D-Stoffwechsel bei der chron. Niereninsuffizienz sowie die man­ gelhafte Fähigkeit, Vitamin D aus erkrankten Darm­ abschnitten aufzunehmen. Eine Reihe weiterer seltener Stoffwechselstörungen spielt zahlenmäßig nur eine unter­ geordnete Rolle. Krankheitszeichen: Die Patienten klagen über Glie­ der- und Kreuzschmerzen, im Röntgenbild erkennt man Verformungen des Skeletts, insbesondere im Bereich des Beckens und der Wirbelsäule. Die Diagnose wird gestellt durch eine Kombination von röntgenolog. und laborchem. Untersuchungen; zusätzl. Sicherung durch mikroskop. Untersuchung von Knochengewebe (-»Biopsie). Die Behandlung besteht in der Substitution des feh­ lenden Vitamin D, die ärztlich sorgfältig überwacht wer­ den muß, um Überdosierungen mit der Gefahr von Kal­ ziumphosphatablagerungen in den Gefäßwänden sowie toxische Hypervitaminosen zu vermeiden. Knochenfistel, Knochenfraß, -»Fistel, -► Kno­ chenmarkentzündung. Knochengeschwülste, -* Knochenauswuchs, -»Knochenkrebs. Knochenhaut, Beinhaut, Periost, die aus 2 Schichten (Kambiumschicht und Stratum fibrosum) be­ stehende Haut, die den -» Knochen umgibt. Knochenhaut|entzündung, Periostitis, akute oder schleichend verlaufende Erkrankung, die nur selten ausschließlich die Knochenhaut betrifft.

Knoc Ursachen: direkte Gewalteinwirkung, Quetschung, Entzündung verschmutzter tiefer Wunden oder indirekte Begleitreaktion bei Sehnenentzündung und Bindege­ webserkrankung sowie bei bestimmten Allgemeinerkran­ kungen durch Keimverschleppung auf dem Blutweg; auch Knochentuberkulose mit fortschreitender Entzündung und Abszeßbildung. Bei einer durch Syphilis hervorgeru­ fenen K. kommt es zu zwiebelschalenähnl. Auflagerun­ gen auf der Knochenhaut und später zum spontanen Knochenbruch. Oft bleibt die Ursache der unspezif. K. unklar. Allgemeine Zeichen der K. sind Schwellung des entspre­ chenden Knochenabschnitts, Schmerzen in Ruhe, starke Schmerzen bei Berührung und Belastung, Bewegungsein­ schränkung und eventuell Fieber. Oft sind im Röntgen­ bild Veränderungen zu erkennen, nach längerem Verlauf gelegentlich Kalkschatten. Die K. kann ohne Komplikation mit völliger Aushei­ lung verlaufen. Liegt eine bakterielle Entzündung vor, kommt es zu eitrig-serösem Ausfluß aus einer vorhande­ nen Wunde, auch ein Durchbruch durch die Haut (Weich­ teilfistel) ist möglich. Das Übergreifen auf Knochen (-► Knochenmarkentzündung) und Gelenk hat langwieri­ gen Krankheitsverlauf und Komplikationen zur Folge. Behandlung: Therapie der Grundkrankheit, örtl. Maßnahmen der Entzündungsbekämpfung, Ruhigstel­ lung, auch chirurgisch durch Eröffnung des Herdes und Ausräumung; Antibiotika. Knochenkrebs, Knochensarkom, Osteosar­ kom, bösartige Geschwulst, die von einem Knochen aus­

geht. An K. erkranken vorwiegend Kinder und Jugend­ liche im 2. Lebensjahrzehnt. Bevorzugt entwickelt sich der K. in der Nachbarschaft der Kniegelenke, in Ober­ schenkel und Schienbein und im schulternahen Teil des Oberarmknochens. Frühe Symptome sind Schmerzen und Schwellung. Der K. wächst schnell und erzeugt früh -»Metastasen in der Lunge. Selbst bei frühzeitiger Amputation oder Exartikulation liegt die 5-Jahres-Überlebensrate nur bei etwa 20%.

Knochenkrebs am Oberarmknochen Knochenmark,

-»Knochen.

Knochenmark|entzündung,

Osteomyelitis,

nach plötzl. Beginn meist langwierige bakterielle Entzün­ dung von Knochen, Knochenhaut und Weichteilmantel, auch mit Übergreifen auf benachbarte Gelenke. In 90% der Fälle hervorgerufen durch den Erreger Staphylococ­ cus aureus. Die akute K. entsteht durch Verschleppung von Keimen auf dem Blutweg (hämatogen), begünstigt durch die Ei­ genart des Gefäßsystems der Knochenmarkhöhle. Sie tritt bevorzugt im 2. Lebensjahrzehnt auf. Ursachen sind Ei­ terherde, z. B. Furunkel, eitrige Erkrankungen von Haut, Zähnen und Mandeln. Bes. häufig sind Schienbein-, Oberschenkel- und Oberarmknochen betroffen. Zur traumatischen K. kommt es durch direkten Keim­ befall nach Verletzung, bes. bei offenem -»Knochen­ bruch, lokaler Entzündung oder als Operationsfolge. Die K. kommt oft erst Wochen nach dem ursächl. Ereignis zum Ausbruch. Bei der erstmalig auftretenden K. finden sich die typ. Zeichen örtl. -»Entzündung; häufig besteht Fieber, es

kommt zu eitriger Sekretion mit Fistelbildung und Bil­ dung eines -► Abszesses, später zum Brodie-Abszeß, einer lange Zeit infolge abgeschwächter Erregervirulenz inakti­ ven Eiteransammlung. Führt die meist Chirurg. Behand­ lung der akuten K. nicht zur Ausheilung, so verläuft die langwierige (chron.) Form oft über Jahre. Es kommt dann zu immer wiederkehrenden Eiterungen aus Knochenfi­ steln nach Knochenzerstörung (Knochenfraß), die den Krankheitsherd im Knochen kanalähnlich mit der Haut verbinden. Beim Voranschreiten der Krankheit sterben unter­ schiedlich große Knochenbezirke ab, es bilden sich leblose -»Knochensequester. Diese führen zu einer Verzögerung des Heilungsprozesses und vermindern die Knochenstabi­ lität; wenn sich der Sequester durch Ummantelung mit Granulationsgewebe abhebt, sieht man im Röntgenbild deutlich den als >Totenlade< bezeichneten Knochen­ umbau. Behandlung: lm akuten Krankheitsschub und auch später werden — je nach Keimart und Verlauf — Antibio­ tika gegeben (bes. Cephalosporine und Aminoglykoside); Ruhigstellung im gefensterten (mit Öffnungen versehe­ nen) Gipsverband (-► Verbände). Meist muß der Infekt­ herd zur Entlastung eröffnet und ausgeräumt werden. Wenn operativ eingebrachte Metallteile einen noch nicht verheilten Knochenbruch ruhigstellen, werden sie zu­ nächst belassen. Bei knöcherner Ausheilung oder mangel­ hafter operativer Versorgung des Knochenbruchs werden ebenso wie bei Lockerung des Metalls die Metallteile ent­ fernt. Immer erfolgt eine Ausräumung von Entzündungs­ herden, Sequestern und Fistelkanälen. Entweder werden in die Wunde eine Spül-Saug-Drainage oder antibiotika­ haltige Ketten eingelegt. Zur erneuten Einrichtung und Ruhigstellung des Knochens ist oft ein äußerer Spanner (-» Fixateur externe) notwendig. Nach Abklingen der Ent­ zündung wird mit dem Aufbau des Knochens durch -► Knochentransplantati'on begonnen. Eine besondere Form der K. ist die -» Knochentuberku­ lose, die in schwammiger Knochensubstanz (Spongiosa) und Knochenmark in >verkäsender< Form und mit Ab­ szeßbildung auftritt. Eine K., bes. die chron., ist immer eine schwere Erkran­ kung, die durch Dauer, Kosten und psych. Belastung des Kranken eine große Sozialmedizin. Bedeutung hat. Knochenmarkpunktion, Sternalpunktion, An­ stechen des Brustbeins in Höhe der 3. Rippe mit einer dikken Hohlnadel, um durch Ansaugen Knochenmark zur Untersuchung zu gewinnen. Durch vorherige Einsprit­ zung von Novokainlösung in die äußere Haut und die schmerzempfindl. Knochenhaut (Periost) ist der Eingriff fast schmerzfrei. Die K. ist bei vielen Blutkrankheiten wichtig zur Erken­ nung und richtigen Einordnung der Krankheit. Ferner kann die Auswirkung therapeut. Maßnahmen kontrol­ liert und beurteilt werden, ob Tendenz zum Fortschreiten oder Heilen einer Krankheit vorliegt. Durch K. können in Notfällen auch Arzneimittel unmittelbar in die Blutbahn eingebracht und Bluttransfusionen ausgeführt werden. Um eine Beurteilung der Art und Zusammensetzung der Knochenmarkzellen im Bereich der Knochenbälkchen (Spongiosa) zu ermöglichen, bedient man sich heute meist der Beckenkammtrepanation. Hierbei wird in örtl. Betäu­ bung ein kleiner Knochenteil abgemeißelt oder ein Kno­ chenmarkzylinder mit einer Trepanationsnadel entnom­ men und histologisch untersucht. Knochennarbe, der-»Kallus. Knochensarkom, der-»Knochenkrebs. Knochenschwund,Knochen|atrophie, Schwund der knöchernen Gerüstsubstanz der Knochen (der Rinde und der Bälkchen), im Ggs. zur -»Knochenerweichung, bei der zunächst nur eine Verarmung an Kalksalzen auf­ tritt. Im höheren Alter kommt es regelmäßig zu einem K. (seniler K.). Die Knochen können dabei ganz porös und brüchig werden (Osteoporose). Eine Folge des senilen K. sind die im Alter oft auftretenden Schenkelhalsbrüche am Oberschenkel, auch einzelner Rippen oder Wirbelkörper. K. kann auch bei Nichtgebrauch gelähmter oder ver­ steifter Glieder auftreten (befällt die Lähmung einen Her411

Knochenschwund: oben Querschnitt durch

das Schienbein eines alten, unten eines jungen Menschen

Knoc anwachsenden, bleibt der Knochen im Längenwachs­ tum zurück, z. B. bei Kinderlähmung), bei Knochen­ markentzündung, Knochentuberkulose, infektiösen Gelenkkrankheiten und Nervenschäden im Zusammen­ hang mit Rückenmarkkrankheiten (Tabes dorsalis, Syringomyelie). Auf Störungen der Ernährungsnerven der Knochen be­ ruht die auch nach verhältnismäßig leichten Verletzungen eintretende Sudecksche Dystrophie (im Röntgenbild si­ cher zu erkennen) mit Entkalkung, Festigkeitsverlust des Knochens und Schmerzen. Ferner haben Drüsen mit inne­ rer Sekretion Einfluß auf den Kalkstoffwechsel (Neben­ schilddrüse und Schilddrüse) und das Knochenwachstum (Vorderlappen der Hypophyse). Die Behandlung richtet sich nach der Ursache. Knochensequester, abgestorbener Teil eines Kno­ chens bei -► Knochenmarkentzündung, der allmählich vom gesunden Knochengewebe abgestoßen wird und häu­ fig eine Fisteleiterung bewirkt. Mitunter eitert er von selbst an die Hautoberfläche, meist wird er operativ ent­ fernt (Sequestrotomie). Knochenspan, -► Knochentransplantation. Knochentransplantation, Verpflanzung von Kno­ chenstücken zur Auffüllung von Knochendefekten, z. B. Tumorhöhlen oder Falschgelenken. Die benötigten Kno­ chenteile können entweder direkt von der eigenen gesun­ den Knochensubstanz an anderer Stelle des Körpers (autogen) oder von einem fremden Knochen (allogen) ent­ nommen werden (-»Knochenbank). Meist werden zer­ kleinerte schwammartige Knochen (Spongiosa) oder Späne bis 2 cm Größe verwendet. Die Angehrate beträgt etwa 80%; sie ist abhängig von der Transplantatlage, der Durchblutung und mögl. Infektionen, wobei auch immunolog. Reaktionen auftreten können. Große K. mit direk­ tem Anschluß an den Blutkreislauf durch Gefäßnaht sind im Versuchsstadium. Knochentuberkulose, Knochenerkrankung bes. bei Jugendlichen, hervorgerufen durch Aussaat von Tu­ berkelbakterien auf dem Blutweg. Die K. bevorzugt das Knochenmark, wo sich ein Granulationsgewebe mit zahl­ reichen Tuberkeln entwickelt, das den benachbarten Kno­ chen einschmilzt. Durch Verkäsung und eitrige Erwei­ chung (kalter Abszeß) entstehen Höhlen und -»Sen­ kungsabszesse, nach Durchbrechen der Haut bilden sich Fisteln. Bes. häufig sind die Knochen mit schwammigem Mark betroffen, z. B. die Wirbelsäule, bei deren Aushei­ lung sich mitunter ein Buckel (Gibbus) entwickelt. Bevor­ zugt befallen werden ferner die Enden der Röhrenkno­ chen und die Hand- und Fußwurzelknochen. Bei der Tu­ berkulose z. B. der Fingerknochen (Spina ventosa, >Winddorn Röntgenkontrastmittel. Kontrazeption, die -»Empfängnisverhütung. Kontusion, Prellung, die -» Quetschung. Konvention [lat. >ÜbereinkunftVereinbarungSpielregeln< im zwischenmenschl. Verhalten notwendig (-»Rituale); Abweichungen von den K. werden im allge­ meinen weniger stark mit negativen Sanktionen (meist Mißbilligung) belegt als bei sozialen Normen. Konvergenz, die unwillkürl. Einstellung beider Seh­ achsen auf einen fixierten Punkt. Das geschieht im Zu­ sammenhang mit der -»Akkommodation durch entspre­ chende Drehung der Augäpfel. Konversion, einer der zentralen Inhalte des -»LeibSeele-Problems. Nach Auffassung der Psychoanalyse be­ deutet K. zunächst das Zurückdrängen von bestimmten, bewußt nicht annehmbaren, mit Angst und Selbstvorwür­ fen verbundenen konflikthaften Triebwünschen in das Unbewußte (-► Verdrängung). Danach kommt es zur Um­ setzung der verdrängten Inhalte in körperl. Symptome (bes. vegetative Störungen, Lähmungen oder Schmer­ zen); der verdrängte Konflikt wird durch die K.-Sym­ ptome symbolisch dargestellt. Diese (>hysterischeempfangenK.< bezeich­ net werden, stehen zur echten K. in keiner Beziehung. Kopf |index, kraniometrischer Index, der-»Längen-Breiten-lndex. Kopflage, die häufigste Lage des Kindes bei der Ge­ burt (etwa 96%), bei der im Ggs. zur -» Beckenendlage der kindl. Kopf im Geburtskanal am tiefsten steht und zuerst geboren wird. Man unterscheidet bei der K. die normale Hinterhauptslage von der -»Deflexionshaltung (Bild Geburt). Kopflaus, Pediculus capitis, eine der 3 Läusearten neben der Kleiderlaus und der Filzlaus (-► Läuse), die den Menschen befallen. Die im Mittel etwa 2,5 mm (Männ­ chen) und 3,0 mm (Weibchen) langen blutsaugenden Ek­ toparasiten leben in den Kopfhaaren, bes. am Hinter­ kopf, und an der Kopfhaut, bei sehr starker Verlausung in seltenen Fällen auch an Bart- und Körperhaaren oder den Augenbrauen. Dieetwa0,8 mm langen Läuseeier (Nissen) werden normalerweise an den Ansätzen der Kopfhaare befestigt. Die Entwicklung von der Eiablage über die 3 Larvenstadien bis zur K. dauert unter natürl. Bedingun­ gen 20—25 Tage. Läusestiche sind im allgemeinen mit heftigem Juckreiz verbunden. Kratzen führt oft zu Ekzemen und Geschwü­ ren durch bakterielle Infektion. Bei starker Verlausung kann es durch Absonderungen der gereizten Kopfhaut und Verklebung der Haare durch Nissen zum »Weichselzopf< kommen. Die K. ist, wenngleich in viel geringerem Maß als die Kleiderlaus, auch Überträger der Erreger des -»Rückfallfiebers, des -► Fleckfiebers und des Wolhynischen Fiebers (-»Fünftagefieber). Die Übertragung von K. erfolgt meist durch Kopfhaarkontakt, über verlauste Kopfbedeckungen, Schals, Halstücher, Bettzeug, Bür­ sten u. a. Über Bekämpfung der K. -»Entlausung. Kopflichtbad, Form der Wärmebehandlung, die heute nur noch gelegentlich in der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde angewendet wird (-► Lichtbehandlung). In einem K.-Kasten, der dem liegenden oder sitzenden Kranken über den Kopf gestülpt wird, entsteht durch Glühlampen eine Temperatur von 40—45 °C. Die intensive gleichmäßige Wärme bewirkt durch Gefäßerweiterung eine erhöhte Durchblutung von Haut und Geweben. Das K. wird nach vorheriger Gabe von abschwellenden Nasentropfen angewendet bei Nebenhöhlenentzündun­ gen (Kieferhöhlen-, Stirnhöhlen-, Siebbeinentzündung), Tubenkatarrh, Mittelohrkatarrh (laufendesOhr), Mittel­ ohrentzündung sowie bei Schnupfen und Rachenkatarrh. Behandlungsdauer: 20 Minuten, ggf. mehrmals täg­ lich. Die Augen sind abzudecken. Nach dem K. Kopf warmhalten, Zugluft vermeiden! Kopfnicker, Kopfdreher, Musculus cleidomastoidei us, der am Brustbein und

sterno­

Schlüssel­ bein entspringende, zum Warzenfortsatz und Hinter­ hauptsbein ziehende Muskel. Er bildet oberhalb des Brustbeins auf jeder Seite einen die Kehlgrube (Jugulum) begrenzenden kräftigen Vorsprung. Der K. zieht bei ge­ meinsamer Wirkung der Muskeln beider Seiten den Kopf nach vorn, dreht ihn bei einseitiger Wirkung nach der ent­ gegengesetzten Seite und senkt das Kinn. Kopfrose, -»Wundrose. Kopfschmerz, ein allgemeines Krankheitszeichen, das von Gefäßen und Nerven und/oder von der Hirnhaut im Schädelinnern ausgeht. Spontane Schmerzen ohne äu­ ßere Verletzung entstehen überwiegend durch Druckän­ derung im Gehirn mit Änderungdes pH-Werts im Gewebe oder durch Krampfzustände der glatten Gefäßmuskula­ tur. K. hat seine Ürsache bes. in der Tatsache, daß die in der Schädelhöhle gelegenen Organe von einer festen, all­ seitig geschlossenen knöchernen Hülle umgeben sind und

daher Änderungen des im Innern dieser Höhle herrschen­ den Drucks (Erhöhung und Erniedrigung, z. B. durch Stö­ rungen im Flüssigkeitsaustausch) als dumpfes Druckge­ fühl oder Schmerz empfunden werden. Neben den Nerven und Gefäßen der äußeren Weichteile sind nur ganz be­ stimmte Strukturen des Schädelinnern schmerzempfind­ lich: Teile der harten Hirnhaut, die venösen Blutleiter, die Schlagadern an der Hirnbasis, die großen Blutgefäße der harten Hirnhaut und die sensiblen Hirnnerven. Das Hirn­ gewebe selbst, die weichen Hirnhäute und die kleineren Blutgefäße zeigen keine Schmerzempfindung. K. tritt des­ halb auf, wenn die empfindl. Strukturen durch Zug, Druck, Verschiebung, Dehnung oder Entzündung (alles zusammen z. B. durch Gewalteinwirkung bei Schädelver­ letzungen) gereizt werden. Die häufigste Ursache von K. sind Änderungen der Durchblutung in den Gefäßen außerhalb und innerhalb des Schädels, bes. im Zusammenhang mit Veränderungen der Halswirbelsäule. Diese Änderungen können vegeta­ tiv-funktionell oder organisch bedingt sein. Nervöse, ve­ getativ und seelisch empfindl. Menschen leiden bes. an K. durch Gefäßkrämpfe. Aber nicht nur Blutgefäßver­ krampfungen, sondern auch Erschlaffungen der Blutge­ fäße können zu K. führen, z. B. bei der Migräne. K. ist ein sehr vielschichtiges Symptom, weshalb oft die eigtl. Störung nicht festzustellen ist. Bei den hartnäckigen und schweren Formen spielen wahrscheinlich v. a. Ände­ rungen des Drucks der Gehirnflüssigkeit eine maßge­ bende Rolle. Der gewöhnl. K. ist meist ein Zeichen von Übermü­ dung, geistiger Überarbeitung oder erhöhter nervöser Überbeanspruchung. Er ist oft das erste Anzeichen einer beginnenden fieberhaften Erkrankung; auch bei gestörter Verdauung (z. B. Verstopfung), bei Frauen vor Eintritt der Menstruation, bei Hungerzuständen, bedingt durch >Magenleere< oder Abfall des Blutzuckers (Hypoglyk­ ämie), kann es zu K. kommen. Bei Menschen, die zu K. neigen, treten sie verstärkt bei Wetterwechsel und bes. bei -►Föhn auf. Behandlung: Natürl. Maßnahmen wie Bewegung in frischer Luft, kalte Kompressen auf den Kopf oder in den Nacken (seltener wird Wärme als angenehm empfunden), ein sehr heißes Sitzbad oder Wechselfußbäder, eine Tasse starken Kaffees lassen den akuten Schmerz meist abklin­ gen. Je zeitiger etwas gegen K. unternommen wird, umso leichter ist der sich anbahnende Schmerz zu beheben. Auf dem Höhepunkt des Schmerzes hilft i. d. R. nichts mehr. Am besten sind zu diesem Zeitpunkt ein schmerzstillendes Zäpfchen, Bettruhe und Lagerung auf Nackenrolle. Auf Tabletten sollte verzichtet werden, da sie meist das mit dem K. einhergehende Übelkeitsgefühl nur noch verstär­ ken. Durch langdauernde Einnahme von K.-Mitteln (bes. wenn diese Phenacetin enthalten) können außerdem Nie­ ren- und Blutschäden auftreten. Es gibt kaum andere Be­ schwerden, die derart zu Arzneimittelmißbrauch ver­ leiten. Jeder anhaltende K. sollte vom Arzt auf seine Ursache hin untersucht werden. Häufiger K. tritt oft durch Über­ anstrengung der Augen auf, so daß er durch entspre­ chende Sehhilfen beseitigt werden kann; auch chron. Entzündungen der Augen können K. hervorrufen. Der überwiegend vom Nacken auf den behaarten Kopf aus­ strahlende Schmerz ist häufig Folge einer degenerativen Halswirbelsäulenerkrankung mit dadurch bedingten zentralen Durchblutungsstörungen. Weitere Ursachen für anhaltenden K. können Entzündungen der Nasen­ nebenhöhlen, bes. der Stirnhöhlen, dauernde Erhöhung des Blutdrucks, schwere Allgemeinerkrankungen, bes. Nierenleiden, sein; in seltenen Fällen kann die Ursache im Gehirn selbst (Geschwulst) oder in seinen Häuten (Ge­ hirnhautentzündung) liegen. Über anfallsweise auf­ tretenden Halbseiten-K. -»Migräne. Auch ein Anfall von -►grünem Star ist mitunter Ursache eines starken Halb­ seiten-K. In solchen Fällen ist zur Erhaltung der Sehkraft schnellstes ärzti. Eingreifen erforderlich. Die Behandlung aller dieser Arten von K. richtet sich nach der Ursache und kann nur vom Arzt durchgeführt werden. 421

Kopflaus

Kopflaus: Kopfhaar mit Nissen

Kopf

Kornblume

o

Kopfschuppen, Schinnen, eine kleieartige Haut­ abschuppung des behaarten Kopfes, -»Seborrhö. Kopfschwarte, flächenhafte, haubenförmige, star­ ke Sehne (Aponeurose), die den ganzen Schädel unter der behaarten Kopfhaut bedeckt. Die Stirn- und Hinterhauptsmuskeln strahlen in die K. ein und können sie bewe­ gen. Ein Abriß der K. (Unfallverletzung) hat -»Skalpie­ rung zur Folge. Kopf|uhr, Bezeichnung für die Fähigkeit mancher Menschen, ohne Wecker vorsätzlich und pünktlich zu der von ihnen vorher festgelegten Zeit aufzuwachen. Die Zeit­ schätzung, die ohne äußere Reize wie schlagende Uhren oder Tageslicht die Schlafdauer regelt, scheint an einen unterbewußten seel. Ablauf gebunden zu sein, der erlern­ bar ist. Offenbar hängt er eng mit der Konzentrationsfä­ higkeit und der Willensartung eines Menschen zusam­ men , also mit der Fähigkeit zu bewußter und systemat. Le­ bensführung. Kopliksche Flecke [n. dem amerikan. Kinderarzt H. Koplik, * 1858, 1 1927], zu Beginn der -»Masern auf der Wangenschleimhaut in der Mundhöhle (nicht immer) auftretende kleine weiße Pünktchen auf gerötetem Grund, welche die frühzeitige Erkennung der Masern er­ möglichen. Koppelung, in der Genetik die gemeinsame Übertra­ gung von Erbanlagen, die nahe benachbart im gleichen Chromosom liegen (-»Vererbung). Koprolithe, die -► Kotsteine. Korakoid, Rabenschnabelfortsatz, der nach sei­ ner Form benannte Knochenfortsatz des Schulterblattes, an dem Muskeln und Bänder ansetzen. (-»Schulter) Korbhenkelriß, häufigster Meniskusschaden des Kniegelenkes bei Überlastung und gleichzeitiger Gelenk­ torsion. Das Trauma, das vorwiegend bei Skiläufern und Fußballspielern auftritt, bewirkt einen Längsriß des Me­ niskus, meist parallel zum Seitenrand und eine Verlage­ rung des medialen Meniskusanteils ins Gelenkinnere. (Bild Meniskus) Koriander, Coriandrum sativum, zu den Doldenblütern (Umbelliferae) gehörende, bis 50 cm hohe Ge­ würzpflanze mit gestreiftem Stengel, weißen Blüten und pfefferkorngroßen, kugeligen, hohlen Früchten; hei­ misch im östl. Mittelmeergebiet, auch in Europa ange­ baut. Die Früchte enthalten bis zu 1% äther. Öl, haupt­ sächlich Linalool. Anwendung: Heilpflanzen, Über­ sicht. (Bild Gewürze) Korium, die Lederhaut (-»Haut). Kornblume, Centaurea cyanus, zu den Korbblütern (Compositae) gehörende, bis 70 cm hohe Pflanze mit meist blauen Strahlblüten. Die getrockneten oberird. Teile enthalten Stoffe mit vermutlich harntreibender, entzündungs- und keimhemmender Wirkung. Anwendung: Heilpflanzen, Übersicht. Kornea, Cornea, die Hornhaut des -»Auges. Körnerkrankheit, ägyptische Augenkrankheit,

das -»Trachom.

die Herzkranzarterien. Verschluß einer Koronararterie durch ein Blutgerinnsel (-» Embolie); verläuft klinisch un­ ter dem Anzeichen eines -► Herzinfarkts und wird wie die­ ser behandelt. Koronargefäße [lat. corona >Kranzein Herz zu habenreinen< Typ, son­ dern eine >Mischung< verschiedener Körperbauelemente. Körperbehinderung, -► Behinderte. Körpergewicht, das u. a. von Alter, Körpergröße, Geschlecht und Ernährungszustand abhängige Gewicht des Menschen. Einen groben Anhaltspunkt für das Soll­ gewicht liefert die -»Broca-Formel. Einen zuverlässige­ ren Bezugspunkt für das Sollgewicht bietet das Idealge­ wicht, das Gewicht mit der höchsten statistisch errechne­ ten Lebenserwartung, das je nach Körpergröße und Ge­ schlecht meist 10— 15 % unter dem nach der Broca-Formel errechneten K. liegt. Wird das Sollgewicht um 10% über­ schritten, spricht man von Übergewicht, bei 20% oder mehr von-»Fettleibigkeit. Das K. großer Teile der Bevöl­ kerung hochindustrialisierter Staaten liegt über dem Soll­ gewicht. (Tabelle S. 424) Körpergröße, Körperlänge, die vom Scheitel bis zur Sohle gemessene Länge des Menschen. Die normale K. beträgt beim Neugeborenen 48—54 cm, beim Erwachse­ nen etwa 150— 190 cm. Frauen sind durchschnittlich 10 cm kleiner als Männer. Ein Zurückbleiben der K. unter der Altersnorm wird als Minderwuchs mit den Abstufungen Klein wuchs (etwa 130—150 cm) und Zwergwuchs (etwa 80-130 cm) bezeichnet. Von Riesenwuchs spricht man, wenn die K. bei der Frau 185 cm, beim Mann 200 cm über­ steigt. (-»Zwergwuchs, -»Riesenwuchs, -»Wachstum, -► Entwicklungsbeschleunigung) Körpermaße, die Abmessungen des menschl. Kör­ pers mit den Vergleichswerten von Körperlänge und Kör­ pergewicht. Um die Entwicklung im Kindes- und Jugendalter beur­ teilen zu können, vergleicht man Länge und Gewicht, auch Brustumfang und andere K. der untersuchten Perso­ nen mit Mittelwerten (-»Wachstum, -»Körpergewicht, -►Körpergröße). Die Verwendung solcher Mittelwerte läßt Konstitutions- und sonstige Bevölkerungsunterschiede, die nicht krankhaft sind, unberücksichtigt. Für die verschiedenen Typen müßten dazu verschiedene Beziehungen zwischen Gewicht und Länge, Brustumfang und Länge usw. als Normalwerte zugrunde gelegt werden. Man hat ferner beobachtet, daß die Kinder heute grö­ ßere Längen und höhere Gewichte aufweisen als gleich­ altrige Kinder etwa in der Zeit vor dem 1. Weltkrieg. Diese >Wachstumsbeschleunigung< (Akzeleration) betrifft gleichzeitig Länge und Gewicht. Die Erscheinung, daß die Menschen im Durchschnitt in heutiger Zeit etwas größer sind als die Menschen im vorigen Jh., hängt hiermit nicht unmittelbar zusammen. Denn der Unterschied bei der durchschnittl. Endgröße des Erwachsenen ist weit gerin­ ger als bei der kindl. Wachstumsbeschleunigung, die zum wesentl. Teil durch ein verfrühtes Erreichen der endgülti­ gen Körpergröße abgeschlossen wird (-»Entwicklungs­ beschleunigung). Die Statistik von Körpergröße ergibt erstaunl. Regel­ mäßigkeiten der Streuung, weshalb sie schon seit den grundlegenden Untersuchungen von A. Quetelet (* 1796, 1 1874) zu Anfang des 19. Jh. zu den meistbear­ beiteten Gegenständen der biolog. Statistik gehört. Körperpflege, Teil der prakt. Gesundheitspflege, dient der-»Gesunderhaltung. Zur K. gehören u. a. -»At­ mungsgymnastik, -»Bad, -»Fußpflege, -»Gymnastik, -► Haarpflege, -» Hautpflege, -► Hygiene, -► Leibesübun-

gen, -»Mundpflege, -» Nagelpflege, -»Schönheitspflege, -►Zahnpflege. Körperpfleger, Berufsgruppe der allgemeinen Dienstleistungsberufe, umfaßt die Berufsordnungen Fri­ seure und sonstige K., zu denen z. B. Kosmetikerinnen und Fußpfleger gehören. Die Berufe der medizin. Fußund Handpfleger(innen) sind staatlich noch nicht aner­ kannt, daher gibt es keine Aus- und Weiterbildungsvor­ schriften. Ausbildung: nach 2jähriger Anlernzeit in einem Kör­ perpflegebetrieb Besuch einer Körperpflegefachschule unter ärztl. Aufsicht. Kenntnisse in Orthopädie und in den Hautfunktionen sind erforderlich. Kosmetikerinnen werden an Fachschulen ausgebildet. Körperproportionen, das Größenverhältnis der ein­ zelnen menschl. Körperabschnitte untereinander und zum Gesamtkörper; die K. wechseln nach Alter, Ge­ schlecht, Rasse, Körperbautyp, Berufs-, Ernährungsu. a. Verhältnissen (-►Wachstum). Körperschema, die als leibhaftig und wirklich zum eigenen Ich gehörig erlebte Raumgestalt des eigenen Körpers. Das K. entsteht im Lauf der Entwicklung auf Grund der erfahrenen Kraft- und Bewegungserlebnisse sowie der Berührungswahrnehmungen. Abnorme Ver­ zerrungen oder Störungen des K. können durch Rausch­ mittel oder neurolog. und psychot. Erkrankungen ver­ ursacht werden. Körperschutzmittel, i. e. S. für Einzelpersonen her­ gestellte Schutzausrüstungen am Arbeitsplatz, die im Rahmen des -►Arbeitsschutzes am Körper getragen oder gehalten werden; zu ihnen rechnen v. a. Schutzanzüge, -schürzen, -schuhe, -helme, -masken, -brillen, Greif­ schutz, Atemschutzgeräte, Gehörschutz, Sicherheits­ schuhe und -gurte sowie die Seilsicherung. K. sind not­ wendig, wenn andere Arbeitsschutzmaßnahmen nicht möglich oder nicht ausreichend wirksam sind. I. w. S. werden auch Mittel, die zum Schutz des Kör­ pers benutzt werden, z. B. Hautschutzsalben und Haut­ desinfektionsmittel, alsK. bezeichnet.

Körperschutzmittel: Flammen- und Hitzeschutz für den Stahl­ arbeiter (weitere Bilder Atemschutzgeräte, Unfallverhütung) Körpertemperatur, die beim Menschen und den Warmblütern des Tierreichs durch ehern. Umsetzungen im Körper aufrechterhaltene, von der Temperatur der Umgebung mehr oder weniger unabhängige Körper­ wärme. Der Mensch gehört zu den Lebewesen, die mit Hilfe be­ stimmter Regulierungseinrichtungen ihre Körperwärme auf gleicher Höhe halten. Sie beträgt im Durchschnitt 37 °C. Die normale Temperatur des Menschen schwankt in engen Grenzen. Die Morgentemperatur ist etwas niedri­ ger als die Abendtemperatur. Die Schwankungen sind bei den einzelnen Menschen verschieden. Abweichungen von 0,3 °C nach oben und nach unten von dem Durchschnitts­ wert von 37 °C sind als normal zu betrachten. Bei rektal ge­ messener Temperatur von 38 °C besteht -» Fieber. Die Wärme im Körper entsteht durch den Stoffwechsel.

423

Körpergewicht: Durchschnitts- und Idealgewichte Erwachsener

Größe (in Schuhen) cm

Idealgewicht2) in Kilogramm (in Hauskleidern), 25 Jahre und älter

Durchschnittsgewicht1) in Kilogramm (in Hauskleidern)

153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177 178 179 180 181 182 183 184 185 186 187 188 189 190 191 192 193 194 195

44,9 45,6 46,3 47,2 48,1 49,0 49,9 50,8 51,7 52,6 53,5 54,4 55,3 56,1 57,0 57,9 58,8 59,7 60,6 61,5 62,4 63,3 64,2 64,9 65,7 66,4 67,1 67,8 68,5 69,2 70,0 70,9 71,7 72,6 73,5 74,4 75,3 76,2 77,1 78,0

148 149 150 151 152 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177 178 179 180 181 182 183 184 185

44,4 44,9 45,4 46,0 46,5 47,1 47,9 48,6 49,3 50,0 50,6 51,1 51,7 52,2 52,8 53,4 54,1 54,8 55,5 56,2 56,9 57,4 58,0 58,6 59,4 60,1 60,8 61,5 62,2 62,9 63,6 -

-

-

50-59 Jahre

60-69 Jahre

leichter Knochenbau

mittelschwerer Knochenbau

schwerer Knochenbau

59,7 60,3 60,8 61,3 61,9 62,5 63,2 63,9 64,7 65,4 66,1 66,8 67,5 68,2 68,9 69,7 70,4 71,1 71,8 72,5 73,2 73,9 74,7 75,5 76,4 77,3 78.0 78,7 79,5 80,4 81,3 82,0 82,7 83,5 84,4 85,3 86,2 87,1 88,1 89,2 90,2 91,3 92,4

Männer 61,1 62,0 61,6 62,5 62,2 63,1 62,7 63,6 64,1 63,2 63,9 64,7 65,2 64,6 65,3 65,8 66,0 66,5 66,7 67,2 67,9 67,5 68,2 68,6 69,4 68,9 69,6 70,0 70,8 70,3 71,5 71,1 72,4 72,0 73,3 72,9 74,1 73,6 74,8 74,3 75,5 75,0 76,2 75,8 76,9 76,5 77,3 77,8 78,7 78,2 79,6 79,1 79,8 80,5 80,5 81,3 81,3 82,2 82,2 83,1 83,1 84,0 84,7 83,8 85,4 84,5 85,3 86,2 87,1 86,2 87,1 88,0 88,9 88,0 89,8 88,9 89,9 90,8 91,9 91,0 92,9 92,0 94,0 93,1 94,2 95,1

60,7 61,2 61,7 62,2 62,8 63,3 63,9 64,4 65,1 65,8 66,6 67,3 68,0 68,7 69,4 70,2 71,1 72,0 72,7 73,4 74,2 75,1 76,0 76,9 77,8 78,7 79,5 80,4 81,3 82,2 83,1 84,0 84,9 85,8 86,7 87,6 88,5 89,4 90,3 91,4 92,5 93,6 94,6

50,5-54,2 51,1-54,7 51,6-55,2 52,2-55,8 52,7-56,3 52,3-56,9 53,8-57,4 54,3-57,9 54,9-58,5 55,4-59,2 55,9-59,9 56,5-60,6 57,2-61,3 57,9-62,0 58,6-62,7 59,4-63,4 60,1-64,2 60,8-64,9 61,5-65,6 62,2-66,4 62,9-67,3 63,6-68,2 64,4-68,9 65,1-69,6 65,8-70,3 66,5-71,0 67,2-71,8 67,9-72,5 68,6-73,2 69,4-74,0 70,1-74,9 70,8-75,8 71,5-76,5 72,2-77,2 72,9-77,9 73,6-78,6 74,4-79,3 75,1-80,1 75,8-80,8

53,3-58,2 53,8-58,9 54,3-59,6 54,9-60,3 55,4-60,9 55,9-61,4 56,5-61,9 57,0-62,5 57,6-63,0 58,1-63,7 58,6-64,4 59,2-65,1 59,9-65,8 60,7-66,6 61,4-67,4 62,1-68,3 62,8-69,1 63,5-69,9 64,2-70,6 64,9-71,3 65,7-72,0 66,4-72,8 67,1-73,6 67,8-74,5 68,5-75,4 69,2-76,3 69,9-77,2 70,7-78,1 71,4-79,0 72,1-79,9 72,8-80,8 73,5-81,7 74,4-82,6 75,3-83,5 76,2-84,4 77,1-85,3 78,0-86,1 78,9-87,0 79,8-87,9

56,9-63,7 57,4-64,2 58,0-64,8 58,5-65,3 59,0-66,0 59,6-66,7 60,1-67,5 60,7-68,2 61,2-68,9 61,7-69,6 62,3-70,3 62,9-71,1 63,6-72,0 64,3-72,9 65,1-73,8 66,0-74,7 66,9-75,5 67,6-76,2 68,3-76,9 69,0-77,6 69,7-78,4 70,4-79,1 71,2-80,0 71,9-80,9 72,7-81,8 73,6-82,7 74,5-83,6 75,2-84,5 75,9-85,4 76,7-86,2 77,6-87,1 78,5-88,0 79,4-88,9 80,3-89,8 81,1-90,7 81,8-91,6 82,5-92,5 83,2-93,4 84,0-94,3

52,4 52,8 53,1 53,7 54,2 54,8 55,3 55,8 56,3 56,9 57,4 58,0 58,5 59,0 59,6 60,1 60,7 61,2 61,9 62,6 63,2 63,8 64,3 65,0 65,7 66,4 67,1 67,9 68,6 69,3 70,0 70,9 71,8 72,7 73,6 74,5 75.4 76,3

Frauen 55,6 56,9 55,9 57,3 57,7 56,3 56,9 58,2 57,4 58,8 57,9 59,3 58,5 59,8 60,4 59,0 59,5 60,9 61,4 60,0 60,6 62,1 61,1 62,8 61,7 63,5 62,4 64,2 64,9 63,1 65,7 63,8 64,3 66,4 64,8 67,1 65,5 67,8 66,2 68,5 69,2 66,9 67,6 69,9 68,4 70,6 69,1 71,3 69,8 72,1 70,5 72,8 71,2 73,5 71,9 74,2 72,8 75,1 73,7 75,9 76,8 74,6 77,7 75,5 76,4 78,6 77,2 79,6 80,7 78,1 79,0 81,8 82,9 79,9 80,8 83,9

42,0-44,8 42,3-45,4 42,7-45,9 43,0-46,4 43,4-47,0 43,9-47,5 44,4-48,0 44,9-48,6 45,4-49,1 46,0-49,6 46,5-50,2 47,1-50,7 47,6-51,2 48,2-51,8 48,7-52,3 49,2-52,9 49,8-53,4 50,3-53,9 50,8-54,6 51,4-55,3 52,0-56,0 52,7-56,8 53,4-57,5 54,1-58,2 54,8-58,9 55,5-59,6 56,3-60,3 57,0-61,0 57,7-61,9 58,4-62,8 59,1-63,6 59,8-64,4 60,5-65,1 61,3-65,8 62,0-66,5 62,7-67,2 63,4-67,9 64,1-68,6

43,8-48,9 44,1-49,4 44,5-50,0 45,1-50,5 45,6-51,0 46,1-51,6 46,7-52,1 47,2-52,6 47,7-53,2 48,2-53,7 48,8-54,3 49,3-54,8 49,9-55,3 50,4-56,0 51,0-56,8 51,5-57,5 52,0-58,2 52,6-58,9 53,3-59,8 54,0-60,7 54,7-61,5 55,4-62,2 56,1-62,9 56,8-63,6 57,5-64,3 58,3-65,1 59,0-65,8 59,7-66,5 60,4-67,2 61,1-67,8 61,8-68,6 62,5-69,3 63,3-70,1 64,0-70,8 64,7-71,5 65,4-72,2 66,1-72,9 66,8-73,6

47,4-54,3 47,8-54,9 48,2-55,4 48,7-55,9 49,2-56,5 49,8-57,0 50,3-57,6 50,8-58,1 51,3-58,6 51,9-59,1 52,4-59,7 53,0-60,2 53,5-60,8 54,0-61,5 54,6-62,2 55,2-62,9 55,9-63,7 56,7-64,4 57,3-65,1 58.1-65,8 58,8-66,5 59,5-67,2 60,2-67,9 60,9-68,6 61,6-69,3 62,3-70,1 63,1-70,8 63,8-71,5 64,5-72,3 65,2-73,2 65,9-74,1 66,6-75,0 67,3-75,9 68,1-76,8 68,8-77,7 69,5-78,6 70,2-79,5 70,9-80,4

20-24 Jahre

25-29 Jahre

30-39 Jahre

51,7 52,1 52,6 53,2 53,7 54,3 55,1 55,8 56,5 57,2 58,0 58,7 59,4 60,1 60,8 61,6 62,2 62,9 63,6 64,3 65,1 65,8 66,5 67,2 67,9 68,6 69,3 70,1 70,9 71,8 72,7 73,4 74,1 74,8 75,5 76,2 76,9 77,7 78,4 79,1 79,8 80,5 81,2

55,7 56,2 56,7 57,2 57,8 58,4 59,1 59,9 60,6 61,3 61,9 62,5 63,0 63,5 64,1 64,6 65,1 65,7 66.4 67,1 67,8 68,5 69,2 69,9 70,6 71,4 72,1 72,8 73,6 74,5 75,4 76,1 76,8 77,5 78,2 79,0 79,7 80,4 81,0 81,5 82,1 82,6 83,2

58,4 58,9 59,5 60,0 60,5 61,2 61,9 62,6 63,1 63,7 64,2 64,8 65,3 66,0 66,7 67,3 67,9 68,4 69,1 69,8 70,5 71,2 71,9 72,6 73,4 74,1 74,8 75,5 76,3 77,2 78,1 79,0 79,9 80,8 81,7 82,6 83,3 84,0 84,7 85,4 86,2 86,9 87,6

45,3 45,8 46,3 46,9 47,4 48,1 48,8 49,5 50,2 50,9 51,5 52,1 52,6 53,3 54,0 54,8 55,5 56,2 56,7 57,3 57,8 58.3 58,9 59,6 60,3 61,0 61,7 62,4 63,1 63,8 64,6 65,5 66,4 67,3 68,2 69,1 70,0 70,9

46,6 47,2 47,7 48,2 48,8 49,4 50,1 50,8 51,3 51,9 52,4 53,0 53,5 54,0 54,6 55,2 55,9 56,6 57,3 58,1 58,7 59,2 59,8 60,5 61,2 61,9 62,6 63,3 64,0 64,7 65,5 66,4 67,3 68,2 69,1 70,0 70,9 71,8

48,9 49,4 50,0 50,5 51,0 51,6 52,1 52,6 53,2 53,7 54,3 54,8 55,3 55,9 56,5 57,0 57,7 58,5 59,2 59,9 60,5 61,1 61,6 62,3 63,0 63,7 64,4 65,1 65,8 66,6 67,3 68,2 69,1 70,0 70,9 71,8 72,7 73,6

15-16 17-19 Jahre Jahre

40-49 Jahre

57,8 58,2 58,6 58,9 59,3 59,8 60,3 60,8 61,3 61,9 62,5 63,2 63,9 64,7 65,4 66,1 66,8 67,5 68,2 68,9 69,7 70,4 71,1 71,8 72,5 73,2 73,9 74,7 75,4 76,1 76,8 — -

-

') NachSocietyof \ctuaries(Hrsg,.), Build and Blood Pressure Study. Bd. l,Chicago(1959),S. 16; auf metrische Maße umgerechnet !) Nach Metropolitan Life Insurance Company. Slatislical Bulletil, Bd. 40 (1959); auf metrische Maße umgerechnet. Idealgewicht: Gewicht mit der höchsten Lebenserwartung.

Koxa Bei lebhaftem Stoffwechsel, z. B. bei intensiver Muskel­ arbeit, bei reger Tätigkeit der großen Verdauungsdrüsen (Leber, Bauchspeicheldrüse usw.) entsteht viel Wärme, bei trägem Stoffwechsel wenig Wärme (ehern. Wärme­ regulation). Im Hungerzustand kommt es zu Untertempe­ raturen (-»Hypothermie). Daneben besitzt der Körper Möglichkeiten, die Wärmeabgabe zu steuern (physikal. Wärmeregulation). Die Wärme wird durch die Körper­ oberfläche, die-» Haut, abgegeben. Das Maß der Wärme­ abgabe ist abhängig vom Temperaturgefälle. Wenn die Umgebungstemperatur tief liegt, strömt von einem 37 °C warmen Körper mehr Wärme ab als bei höherer Außen­ temperatur. Die Wärmeabgabe von der Haut kann weiter reguliert werden durch verschiedene Einstellung der Hautdurchblutung. Das umlaufende Blut sorgt für gleichmäßige Verteilung der Wärme. Wenn die Haut gut durchblutet und warm ist, strömt mehr Wärme ab, als wenn die Hauptgefäße eng gestellt sind, wie es als zweck­ mäßige Reaktion in der Kälte geschieht. Schwitzen führt ebenfalls zu vermehrter Wärmeabgabe, weil der Schweiß auf der Haut verdunstet und bei dem Verdunstungsvor­ gang ein Wärmeverlust eintritt. Die K. wird durch ein Zen­ trum im Gehirn, das Temperaturregulationszentrum, fälschlicherweise häufig nur Wärmezentrum genannt, ge­ steuert, das seine Impulse auf dem Weg des sympath. und parasympath. Nervensystems zu den Erfolgsorganen lei­ tet (z. B. Regulierung der Einstellung der Hautgefäße, Abbremsen des Stoffwechsels im Hungerzustand). Um­ gekehrt ist es möglich, von der Haut aus dem Körper Wärme zuzuführen, in einfachster Form durch eine Wärmflasche, intensiver durch ein heißes Bad (-► Über­ wärmungsbad). Vor zu starkem Wärmeverlust schützt sich der Mensch durch die Kleidung, die in ihrer Dichte den Jahreszeiten angepaßt wird. korpulent, beleibt, dick. Korpulenz, Beleibtheit, Fettleibigkeit. Korpuskarzinom, -► Gebärmutterkrebs. Korsakoffscher Symptomenkomplex [n. dem russ. Psychiater S. S. Korsakoff, * 1854, f 1900], hoch­ gradiger Verlust der Merkfähigkeit, verbunden mit -►Konfabulation als Folge von übermäßigem Alkolgenuß. Die durch die Merkstörungen entstehenden Lücken sucht der Kranke auszufüllen. Da er im nächsten Augen­ blick vergessen hat, was er vorher gesagt hat, läßt er seiner Phantasie freien Lauf. Der K. S. wird auch bei vielen Hirnkrankheiten beobachtet; er kann vorübergehend auftreten, bei fortschreitendem Hirnlciden sind die Er­ scheinungen aber bleibender Natur. Kortison, -»Cortison. Kortison-Glaukom, -»Cortison-Glaukom. Korundschmelzerlunge, diffuse, im Lungenzwi­ schengewebe (Interstitium) ablaufende Lungenfibrose mit hochgradiger Schrumpfungsneigung und erhebt. Atem- und Herzkreislaufstörungen. Es ist nicht geklärt, ob sie durch amorphe Kieselsäure oder Gamma-Tonerde verursacht wird. K. kann als -» Berufskrankheit bei Ofen­ arbeitern in Betrieben auftreten, die Elektrokorund her­ stellen (Inhalation von beim Schmelzprozeß anfallenden Stäuben, Verhütung durch Atemmaske), und kann als Staublungenerkrankung (Silikose oder Aluminose) ent­ schädigungspflichtig sein. Kosmetik, 1)-»Schönheitspflege. 2) ärztliche K. Ihr fällt die Aufgabe zu, durch operative Eingriffe der verschiedensten Art Schönheitsfehler der Haut zu beheben, vorzeitige Alterserscheinungen auszu­ gleichen und störende oder entstellende Abweichungen des Äußeren zu beseitigen, sobald derartige Veränderun­ gen durch konservative Behandlung nicht mehr beein­ flußbar sind. Solche Maßnahmen können notwendig wer­ den, um schwere Benachteiligungen im persönl. und berufl. Leben oder Minderwertigkeitsgefühle und ernstere seel. Störungen zu verhüten oder zu beseitigen (-»Häß­ lichkeit). Beispiele: Lästiger Haarwuchs wird am besten auf elektrokaust. Weg (Kaltkaustik) behandelt. Pigmentmaie (Vorsicht geboten, Facharzt fragen!), Gefäßmaie und Warzen können mit dem Messer oder derelektr. Schlinge

entfernt werden. Jedoch ist man hierbei heute mit einer eingreifenden Behandlung sehr zurückhaltend und wartet die spontane Rückbildung ab, die fast immer im Laufe ei­ niger Jahre erfolgt. Nur wenn ein schnelles Wachstum mit Gefahr der Zerstörung wichtiger Organe wie Auge, Nase, Lippe, Genitale vorliegt, wird mit hochdosierten Gaben von Cortison (beim Säugling) oder mit Röntgenstrahlen behandelt. Ein operatives Vorgehen kann bei gut- und bösartigen Geschwülsten (-► Hautgeschwülste, -»Mela­ nom) notwendig werden. Die Knollennase (Rhinophym), eine stark entstellende Wucherung der Nasentalgdrüsen, ist ein besonderes Bei­ spiel für die Notwendigkeit eines operativen kosmet. Ein­ griffs. Auch größere Geschwülste und entstellende Nar­ ben können chirurgisch beseitigt werden, ggf. mit nach­ folgender Deckung der Schäden durch Hautplastik. Stär­ kere Hautfaltenbildungen und Verziehungen in der Mund- und Augengegend sind durch Hautspannungsope­ rationen (Liften) auszugleichen. Ausgedehnte Krampf­ adern bilden sich durch gefäßverödende Einspritzungen zurück oder lassen sich operativ gänzlich beseitigen. Ver­ unstaltungen nach Verletzungen und angeborene Mißbil­ dungen der Nase und der Ohrmuscheln können durch plast. Operationen verbessert werden. Die Beseitigung verunstaltender Formveränderungen der Brust und des Bauchs ist durch plast. Brust- und Bauchoperationen möglich (-»plastische Chirurgie). Alle derartigen Eingriffe sollten durch fachlich erfah­ rene und bes. geschulte Ärzte ausgeführt werden. Gerade bei den hier z. T. vorliegenden heiklen, den Gesamtein­ druck eines Menschen beeinträchtigenden Leiden muß die ärztl. Beratung die Besonderheiten jedes Einzelfalls sorg­ fältig ab wägen. Kostendämpfung im Gesundheitswesen,-»So­ zialversicherung, -► Krankheitskosten. Kostmaß, von C. Voit(* 1831,1 1908) geprägter und heute umstrittener Begriff für die Berechnung des Nah­ rungsbedarfs bei Massenernährung. Über das K. für den einzelnen Menschen -»Ernährung. Kot, Faeces, Fäzes, der -»Stuhl. Kot|erbrechen, Miserere, Erbrechen von in den Magen rückgestautem Darminhalt, ein höchst alarmie­ rendes Krankheitszeichen bei -»Darmverschluß. Kotfistel, die -» Darmfistel. Kötschau, Karl, Internist, * Apolda 1892, beschäf­ tigte sich v. a. mit Einflüssen des Klimas und anderer na­ türl. Umweltbedingungen auf den gesunden und kranken Menschen und stellte die Grundlagen für eine biologische Medizin < auf. Sein besonderes Augenmerk galt der Ge­ sunderhaltung nach seinem Motto >Vorsorge oder Für­ sorger. Kotsteine, Koprolithe, Darmsteine, steinartige Gebilde aus eingedicktem Stuhl mit Einlagerung von koh­ lensauren oder phosphorsauren Salzen. Sie kommen häu­ fig im Wurmfortsatz vor und können hier gelegentlich durch Verlegung der Öffnung oder durch Druck auf die Wand eine Blinddarmentzündung verursachen. Im Wurmfortsatz können die K. die Größe eines Kirschkerns erreichen, auch entwickeln sie sich in Divertikeln. Im Dickdarm sind K. in seltenen Fällen Ursache eines Darm­ verschlusses. Kotyledonen, die durch flache Furchen voneinander getrennten Lappen des -» Mutterkuchens, deren Zahl zwi­ schen 15 und 30 liegt. Kousa-Diät, eine nach dem grch. Arzt A. Kousa be­ nannte -► Weizenschlcim-Diätkur. Koxarthrose, Coxarthrose, Hüftarthrose, dege­ nerative Veränderung eines oder beider Hüftgelenke mit Gelenkspaltverschmälerung, Umformung der Hüftge­ lenkpfanne und randständigen Knochen Wucherungen an Becken und Oberschcnkelkopf. Man unterscheidet eine primäre K., die als konstitutionell oder endokrin beding­ tes Aufbrauchleiden auftritt, von der sekundären K. als Folge übermäßiger Belastung, nach Verletzungen (Schenkelhalsbruch, Verrenkung), Wachstumsstörungen und/oder Entzündungsvorgängen im Gelenk (Rheuma, 425

Koxi Kraftfahrzeug: Sicherheitsvorkeh­ rungen; links Kopfstützen verrin­ gern bei einem Unfall das Risiko ei­ nes Genickbruchs. Sicherheitsgurte vermindern die Wucht, mit der der Körper bei einem Aufprall nach vorn geschleudert wird, rechts Spezialsicherheitssitz für Kinder

Tbc u. a.). Beschwerden: Schmerzen bei Belastung, aber auch in Ruhe (Nachtschmerz); Rotationsbehinderung, Kreuz-Lenden-Schmerzen durch Fehlhaltung der Wirbel­ säule bei Beckenschiefstand. Bei fortgeschrittener K. wird heute der Einsatz einer Hüftgelenksendoprothese ande­ ren Behandlungsverfahren vorgezogen. Eine besondere Form der K. ist die — Perthessche Krankheit. Koxitis [zu lat. Coxa >HüfteDummies< (le­ bensgroße Puppen mit eingebauten Meßgeräten) einge­ Kraftfahrzeug: Sicherheitsvorkehrungen; Crash-Test (mit Dummies) zur Untersuchung des Verhaltens von Kraftfahrzeugen und Insassen bei Unfällen

426

hend untersucht. Dabei scheint das wichtigste Ergebnis zu sein: Die meisten tödlich endenden Verkehrsunfälle könnten glimpllich für die Betroffenen ablaufen, wenn diese angeschnallt wären. Dies gilt auch für Unfälle, bei denen schwere Verletzungen die Folge sind. Um so schwerwiegender ist die Tatsache, daß trotz bestehender, aber nicht mit Bußgeld bedrohter Anschnallpflicht (§ 21 a Straßenverkehrsordnung) die Anschnallquote von an­ fangs über 50% zeitweise auf etwa 30% gesunken ist. Voraussetzung für die Sicherheit ist bes. das verantwor­ tungsbewußte Verhalten aller am Straßenverkehr Betei­ ligten. Zu lange Fahrtstrecken ohne ausreichende Pausen (mindestens alle 3 Stunden) verursachen außer Ermü­ dungszeichen Rückenschmerzen, steifen Hals, SchulterArm-Schmerz, Kopfschmerzen; Bewegungsmangel hat Verdauungsstörungen zur Folge. Die Konzentration des Fahrers läßt mit zunehmender Fahrdauer nach. Dies gilt bes. bei ungünstigen Bedingungen im Wageninnern (Wärme, verbrauchte Luft, Tabakrauch und dgl.). Um­ welteinflüsse wie Hitze, Föhn, Abgase können Streßreak­ tionen zur Folge haben. Behinderungen müssen das Führen eines K. nicht aus­ schließen, können aber durch Erhöhung der Reaktions­ zeit das Risiko für den Behinderten selbst und andere ver­ größern. Krankheiten, bes. bei einer zusätzl. Belastung durch bestimmte Medikamente (Anregungs-, Beruhigungs-, Schlafmittel, Schmerz- und Betäubungsmittel), erhöhen das Risiko, ebenso der Gebrauch von Genußgif­ ten (Kaffee, Kola-Getränken, Nikotin) im Übermaß. Al­ kohol sollte prinzipiell nicht genossen werden. Gute Seh­ fähigkeit ist wichtigste Voraussetzung für sicheres Fah­ ren. Sie wird durch eine Untersuchung des Sehvermögens im Rahmen der Fahrprüfung überprüft. Es gibt keine gesetzlich vorgeschriebene obere Alters­ grenze, ab der ein K. nicht mehr sicher geführt werden darf. Da jedoch mit zunehmendem Alter Konzentration, Reaktion und i. d. R. auch die Sehfähigkeit abnehmen, wäre eine freiwillige regelmäßige Leistungskontrolle rat­ sam. Vernünftige Ernährung vor und während einer länge­ ren (Urlaubs-)Fahrt tragen dazu bei, die Leistungsfähig­ keit des Fahrers aufrechtzuerhalten. Deshalb sollten in den notwendigen Ruhepausen keine schweren Speisen eingenommen werden, da der Verdauungsvorgang dem Gehirn Blut entzieht. Zur besseren Durchblutung und Entspannung der Muskulatur sind in den Fahrpausen leichte gymnast. Übungen empfehlenswert. Die maxi­ male Fahrzeit pro Tag sollte 8 Stunden (mit Pausen nach jeweils 2-3 Stunden) möglichst nicht überschreiten. Bei Fahrten ins Ausland sollte man sich vor Reiseantritt (z. B. bei den Automobilclubs oder den zuständigen Versi­ cherungsgesellschaften) über abweichende Vorschriften (Promille-Grenzen, Anschnallpflicht mit Strafandro­ hung, Rauchverbot am Steuer u. a.) informieren. Eine dem Klima und den besonderen Verhältnissen des Ziellan­ des angepaßte Reiseapotheke, die auch bei Unfällen Maß­ nahmen zur >Ersten Hilfe* ermöglicht, ist im K. mitzufüh­ ren . Auskünfte darüber gibt der Arzt oder Apotheker. Krähenfüße, kleine Fältchen an den äußeren Augen­ winkeln als Zeichen beginnenden Altersumbaus der Haut. (-»Schönheitspflege) Krallenhand, krallenförmige Stellung der Finger, wie sie für Lähmung des Ellennervs (Nervus ulnaris) charak­ teristisch ist (-► Klauenhand). Krallen nagel, -► Nagelkrankheiten. Krampf, Spasmus, unwillkürl. Zusammenziehung von Muskeln. Der K. ist eine Reaktionsform des lebenden Gewebes auf bestimmte Reize. Alle mit Muskeln ausge­ statteten Organe können sich verkrampfen (-»Muskel­ krampf). Bes. an den Beinen treten K. (-»Wadenkrampf) nach Überanstrengung auf oder werden durch Durchblutungs­ störungen ausgelöst. Die Gallenwege oder die Harnleiter verkrampfen sich, wenn sie durch ein mechan. Hindernis, z. B. einen Stein, oder durch eine Entzündung gereizt sind. Die Migräne beruht wahrscheinlich auf K. der Hirnge­ fäße. Entzündung der Magenschleimhaut bewirkt Magen-K.; bei Durchfällen kommt es zu K. des Darms.

Kram Viele Vergiftungen, die das Nervengewebe schädigen, führen in fortgeschrittenen Stadien zu K., ebenso die Harnvergiftung bei Nierenleiden, die Säurevergiftung (Azidose) bei der Zuckerkrankheit, die durch Störungen des Kalkstoffwechsels entstehende Spasmophilie und die -»Tetanie. Beim -»Wundstarrkrampf (tonischer K.) ist der K. durch das Gift des Tetanusbazillus verursacht, das am Nervensystem angreift (Neurotoxin). Überladung des Bluts mit Kohlendioxid bei Erstickungen ist eine weitere Ursache; der Erstickende verfällt zum Schluß in einen Erstickungs-K. Da alle muskulären Organe von Nerven versorgt (innerviert) sind, ist die Ursache von K. häufig eine Störung der Tätigkeit des Nervensystems. Das Gehirn antwortet auf Schäden (Geschwülste, Entzündungen, Verletzungen) häufig mit K. aller Muskeln (allgemeine K.-Anfälle) oder nur bestimmter Muskelgruppen (Jackson-Anfälle bei umschriebenen Krankheitsherden). Diese vom Gehirn ausgelösten K. zeigen gewöhnlich zuerst ein tonisches Sta­ dium (Starre), später eine klonische Phase (rhythm. Zukkungen). Am Schluß löst sich ein solcher K.-Anfall in all­ gemeiner Erschlaffung, ein typ. Zustand bei der -»Epi­ lepsie. Behandlung: Fast alle K.-Anfälle dauern nur wenige Minuten. Unbedingt erforderlich ist es aber, in jedem Fall bald einen Arzt zu konsultieren, dessen Aufgabe es ist, eine Behandlung mit -»krampflösenden Mitteln einzu­ leiten. Erste Hilfe: den Kranken bequem lagern, so daß er sich nicht verletzen kann, ihn von beengenden Kleidern befreien, ihn nach beendetem Anfall ruhen lassen. Mög­ lichst Kieferschluß verhindern, um Zungenbiß zu vermei­ den: zusammengefaltetes Taschentuch von der Seite her wenige Zentimeter zwischen die Zähne schieben und fest­ halten. Über K. als Ausdruck seel. Spannung -»Verkramp­ fung. Krampf|aderbruch, Varikozele, krampfader­ artige Umbildung der Venen des Samenstrangs; i. d. R. beim Heranwachsen auftretend, sichtbar am stehenden Patienten als wurmähnl. Gefäßknäuel im oberen Ab­ schnitt des Hodensacks. Da auf der linken Körperseite der venöse Abfluß der Hodengefäße über die Nierenvenen er­ folgt, ist bei dieser harmlosen Erkrankung eine mögliche Geschwulst der Niere beim linksseitigen Auftreten des K. diagnostisch auszuschließen. Behandlung durch Opera­ tion. Krampf |adern, Varizen, krankhaft erweiterte, ver­ längerte und geschlängelte Blutadern (Venen) im Bereich der Unterschenkel, seltener der Oberschenkel. DieK. sind deutlich als bleistiftdicke oder noch dickere, mehr oder Wadenschmerz bei Rückwärtsbeugung des Fußes

Kniekehlen­ schmerz

Zerreißschmerz

Meyersche

anziehenden Muskeln Fußsohlenschmerz bei Druck auf die mittlere Fußsohlenmuskulatur

Krampfadern: Schmerz­ lokalisation

weniger stark gewundene, stellenweise sackartig ausge­ buchtete, bläulich gefärbte Stränge zu erkennen oder zu tasten. Bei Druck mit dem Finger lassen sie sich schwammartig eindrücken. Sie entstehen auf Grund einer Stauung des Blutrücklaufs an den unteren Gliedmaßen bei Menschen mit allgemeiner Bindegewebsschwäche, wie sie anlagemäßig in manchen Familien vorkommt. Außer zur Bildung von K. neigt dieser Konstitutionstyp auch zu Hämorrhoiden, Krampfaderbruch, Eingeweidebrüchen, Haltungsschäden, Plattfüßen und Spreizfüßen. Werden

Menschen dieser Veranlagung besonderen Belastungen des Blutumlaufs in den Beinen ausgesetzt, z. B. durch Schwangerschaft, anhaltendes Stehen im Beruf, Unter­ leibs- oder Lebererkrankungen, so treten im Lauf der Zeit die K. stärker hervor. Sie verursachen zunächst kaum Be­ schwerden, erst allmählich machen sich Schweregefühl im Bein, zeitweise ziehende oder krampfartige Schmerzen (Wadenkrämpfe), Anschwellungen der Füße und Ge­ lenke bemerkbar. Verhältnismäßig selten ist die K.-Blutung. Durch Ge­ walteinwirkung irgendwelcher Art (Stoß, Fall) kann die manchmal recht dünne Hautbedeckung über der K. plat­ zen, das Blut strömt dann bedrohlich aussehend in dickem Strahl heraus. Hochlagerung des Beins und fester Druck­ verband lassen die Blutung bald zum Stehen kommen. — Häufiger sind dagegen die mehr oder weniger ausgedehn­ ten Blutungen unter der Haut, die durch die Stauung und leichte Verletzbarkeit der Gefäßwände hervorgerufen werden. Als Begleiterscheinung der K. tritt häufig eine Ve­ nenentzündung (Phlebitis) auf. Die leicht verletzt. Innen­ wand der K. neigt zu örtl. Entzündungsprozessen, von denen ausgehend sich Pfropfbildungen (Thromben) innerhalb der gestauten Blutsäule entwickeln können (variköse Thrombophlebitis). Die K. zeigen sich dann als gerötete, verhärtete, sehr schmerzhafte Stränge (Phlebo­ sklerose). Zunehmende Entzündung des umgebenden Hautgewebes, Schwellungen im Bereich des Fußrückens und der Knöchelgegend, Fieberanstieg, manchmal sogar Schüttelfrost, vervollständigen das Krankheitsbild. Man unterscheidet 2 Formen der varikösen Thrombophlebitis, die häufig harmlos verlaufende Venenwandreizung und die seltene, lang dauernde Form (Phlebothrombose), die zuweilen zur -»Embolie führt. Als Restzustände verblei­ ben in den Gefäßen nach der Abheilung rundl., verkalkte Blutgerinnsel (Venensteine) zurück, die als Knoten tast­ bar sind. Als Folge von K. oder einer der erwähnten Komplika­ tionen kann sich ein K.-Geschwür (Beingeschwür, offe­ nes Bein«, Unterschenkelgeschwür, Ulcus cruris) entwikkeln. Die Blutstauung, die damit zusammenhängende Versorgung der Gewebe mit zudem noch sauerstoffar­ mem Blut und kleine zufällige Verletzungen bereiten den Boden für diese langwierige, schmerzhafte und im Ver­ lauf wechselvolle Geschwürsform, die meist im unteren Drittel des Unterschenkels auftritt. Bei längerem Be­ stehen können sich die anfangs etwa pfenniggroßen Geschwüre ausdehnen, sie heilen im allgemeinen nur sehr schwer. Vorbeugende Maßnahmen sind bei Neigung zu K.Bildung dringend anzuraten. Bei der Berufswahl muß vor einer Betätigung, die langes Stehen erfordert (Kellner, Schreiner, Friseur, Verkäufer, Zahnarzt u. a.) gewarnt werden. Bes. gilt das auch für Frauen, die zusätzl. Bela­ stung durch Schwangerschaft ausgesetzt sind und daher in noch höherem Maß unter K. und ihren Folgeerscheinun­ gen zu leiden haben. Ringförmig abschnürende Knie­ strümpfe dürfen z. B. nicht getragen werden. Durch tägl. Selbstmassage der unteren Gliedmaßen und regelmäßige Beingymnastik können Blut- und Lymphumlauf angeregt werden. Läßt sich längeres Stehen nicht vermeiden, kann durch kleine Hilfsmaßnahmen die Stauung in den Beinen gemildert werden. Selbst bei größter berufl. Inanspruch­ nahme wird es immer möglich sein, das Körpergewicht im Stehen durch wippende Bewegungen einige Male auf die Fußspitzen und wieder zurück zu verlagern, auch einige kreisende Fußbewegungen im Sprunggelenk lassen sich immer ausführen. Bei sitzender Beschäftigung Beine hochlagern. Das rechtzeitige Tragen von Stützstrümpfen oder das Wickeln der Beine mit elastischen Binden kann dem Fortschreiten des Leidens vorbeugen. Behandlung: Leichtere Fälle, bei denen nur eine Er­ weiterung der Bein venen, aber noch keine ausgesproche­ nen K. vorliegen, lassen sich, wenn sie Beschwerden (Spannungsgefühl) erzeugen, durch die Wirkstoffe der Roßkastanie günstig beeinflussen, die in vielen Präpara­ ten enthalten sind. Diese können örtlich angewendet, ein­ genommen oder intravenös eingespritzt werden. Sind die K. einmal ausgeprägt oder machen sich bereits Komplika427

Krampfadern

Kram tionen bemerkbar, kann die Verödung durch Einsprit­ zung geeigneter Mittel für Jahre Beschwerdefreiheit brin­ gen. Bei der Verödung handelt es sich um eine mäßige Schädigung der Gefäßwände, die miteinander verkleben. Leider ist ein Rezidiv, d. h. ein Wiederdurchgängigwer­ den der K. nicht ausgeschlossen. Daher ist in dazu geeigne­ ten Fällen, wenn dicke K. der oberflächl. Beinvene her­ vortreten, die Operation vorzuziehen. Auch eine Kombi­ nation von Operation und Verödung ist möglich. Jegliche Behandlung der Komplikationen bleibt erfolg­ los, wenn nicht das Grundleiden, eben die K., angegangen wird. Der an einer Venenentzündung Erkrankte muß nicht unbedingt liegen, wie man auch heute noch vielfach meint. Frühzeitiges Aufstehen mit einem elast. Verband (Elastopiast mit Schwammgummikompression der ent­ zündeten Venenstränge) kann die Weiterentwicklung der Venenentzündung verhindern und damit die Behand­ lungszeit abkürzen; ein solcher Verband muß vom Arzt Krankengymnastik: links aktive Beinübung an der Sprossen­ angelegt werden, der auch den Umfang der möglichen Be­ wand; rechts Dehnung bei Hohlkreuz lastung bestimmt. Nach Abklingen der akuten Erschei­ nungen kann die Venenentzündung in ein chron. Stadium übergehen, wobei nicht selten auch die tieferen Beinvenen ergriffen werden. Daher sollte die eigtl. Behandlung der K. möglichst frühzeitig durchgeführt werden. Das Beingeschwür, überwiegend an der Innenfläche des Unterschenkels, ist mit die am schwierigsten zu behan­ delnde Komplikation der K., zumal wenn akute entzündl. Veränderungen der Geschwürsumgebung einsetzen oder das Geschwür sich auf Handtellergroße und darüber aus­ dehnt. Nach Abklingen der akuten Erscheinungen (Bett­ ruhe, feuchte Verbände, Kompressionsverbände mit Schwammgummi, unterstützt von einer medikamentösen Behandlung) muß sofort das Grundleiden örtlich ange­ gangen werden, entweder durch Operation oder Ver­ ödung. Große Beingeschwüre werden erfolgreich durch Transplantation größerer Hautlappen gedeckt. Anschlie­ ßend entsprechende Nachbehandlung (elast. Verbände oder Strümpfe), unterstützt durch Bewegung in gesun­ dem Schuhwerk. links Kriechübung mit Dehnung und Mobilisierung der Wirbel­ Krampfhusten, jeder -»Husten, der mit spastisch säule; Mitte Hockergymnastik; rechts fahrbares Gestell zur krampfhafter Zusammenziehung der Schlund- und Kehl­ Kräftigung der Beinmuskulatur kopfmuskulatur verbunden ist, so daß v. a. die Einat­ mung erschwert wird. (-»Keuchhusten) krampflösende Mittel, Antispasmodika, Spas­ molytika, Arzneimittel, die Krampfzustände (Spasmen)

oben passive Dehnung und Beugung der Lendenwirbelsäule; un­ ten links Übung der Arm- und Schultermuskulatur gegen einen Federwiderstand; unten Mitte Schwungübung mit Keulen; un­ ten rechts Armkräftigungsübung an einem abbremsbaren Rad

an der glatten Muskulatur von Atemwegen, von Magen und Darm, Gallen- und Harnwegen, Gebärmutter und Gefäßen beseitigen. 1. e. S. sind k. M. Stoffe, die eine di­ rekte krampflösende Wirkung auf die glatte Muskelzelle besitzen, z. B. Papaverin, Nitrite, Theophyllin u. a. Eine krampflösende Wirkung kann aber auch durch Hem­ mung eines übererregten Parasympathikus mit Hilfe von Atropin und ähnlich wirkenden Verbindungen oder Hem­ mung eines übererregten Sympathikus durch a-Sympatholytika wie Dihydroergotoxin oder Tolazolin in be­ stimmten Organen herbeigeführt werden. An einzelnen glattmuskulären Organen, z. B. Bronchien und Gefäßen, wirken ß-Sympathomimetika (Isoprenalin u. a.)erschlaf­ fend. - K. M. werden je nach Hauptangriffspunkt ihrer Wirkung zur Behandlung von Magen-Darm-, Gallen­ oder Blasenkoliken, Durchblutungsstörungen, Hoch­ druck und Bronchialasthma verwendet. Kraniologie [grch. kranion >SchädelK.MedizinKostenexpIosion im Gesundheitswesen< kritisiert. Zu den Gegenmaßnahmen rechnet die zum 1.1. 1983 eingeführte Eigenbeteiligung der Sozial­ versicherten (außer Kinder bis zu 18 Jahren) an den Kran­ kenhauspflegekosten in Höhe von 5 DM tägl. (maximal 70 DM). -► Krankenhausstatistik Geschichte. Das K. ist eine Schöpfung des frühmittel-

Krankenhäuser: oben Valetudinarium des Legionslagers Vetera bei Xanten; Modell (Rheinisches Landesmuseum Bonn). unten Großklinikum Aachen

431

Kran

Krankenpflege: 1 Hochziehen am Bettzügel. 2 Ausziehen des Hemdes. 3 Hoch­ heben der Kranken durch eine Person. 4 Auswechseln der Bettwäsche; eine neue gerollte Unterlage wird unter dem Körper der Kranken hindurchgerollt. 5 Lagerung der Kranken mit Kopf- und Armstütze

alterl. Ost-Christentums. Wohlfahrtseinrichtungen für Kranke und Pflegebedürftige finden sich zwar auch in vorchristl. Kulturen, Nachrichten über K. im eigtl. Sinn sind jedoch unsicher. In der grch. und röm. Antike gab es eine Art Vorläufer der K.: Privatkliniken im Besitz von Ärzten, die aus öffentl. Mitteln subventioniert wurden, >Valetudinarien< für verwundete und kranke Soldaten und für die Sklaven auf den Latifundien. Die christl. Gründungen waren anfangs nur besondere Abteilungen für Krankenpflege im Rahmen größerer Wohlfahrtsan­ stalten (Xenodochien, Pilgerheime) mit den verschieden­ sten Aufgaben (Alters-, Krüppel-, Findlings-, Wöchne­ rinnen-, Waisen-, Fremden- und Pilgerbetreuung). Spä­ ter entstanden daneben Spezialspitäler, z. B. für Aussät­ zige (unabhängige und außerhalb der Ansiedlungen gele­ gene) Leprosorien oder in Epidemiezeiten Pesthäuser. In Byzanz wurde 1135 in Verbindung mit dem Männer­ kloster des Pantokrator ein hygienisch, organisatorisch und in der ärztl. Betreuung ganz modern anmutendes K. gegründet. Inzwischen hatten sich auch im mittelalterl. Westen die vielseitigen Wohlfahrtsstätten meist im Zu­ sammenhang mit den Klöstern verbreitet und gelegentlich zur Bildung selbständiger K. geführt. In der Neuzeit hat sich das selbständige, ausschließlich der Pflege und Be­ handlung Kranker dienende Hospital durchgesetzt. Ne­ ben die K. der Klostergenossenschaften und karitativen Organisationen sind K. unter städt. und staatl. Verwal­ tung getreten. Für Militärhospitäler bürgerte sich der Ausdruck Lazarett ein. Sehr früh entwickelten sich Spe­ zialkrankenhäuser für seelisch Kranke. Orientierte sich die Bauweise der K. in der Frühzeit an Kirchengrundrissen, so entstanden im 17. Jh. Typen des >Hofbaus< (zentraler Hof, von Bauten mit Krankenräu­ men umschlossen) und des >Kreuzbaus< (4 sich rechtwink­ lig schneidende Hallen, >KorridorsystemPavillon­ 432

systemBarackensystemHochhausMagenschonkostGallendiätLeberdiätNierendiätHerzdiätKaffeesatzspitze NaseFunktions- ginn einerschweren K., z. B. eine bösartige Geschwulst, in pflege< möglich. Die Dt. Krankenhausgesellschaft, Düs­ sich trägt. Umgekehrt kann er sich subjektiv krank füh­ seldorf, hat Regelungen für die Weiterbildung von Opera­ len, ohne daß mit verfügbaren Methoden objektiv ein tionsschwestern und -pflegern erlassen, die allerdings bis krankhafter Befund erhoben werden könnte. Wahrheits­ zum 30. 6. 1981 befristet waren. Daneben bestehen in gemäße Angaben vorausgesetzt, ist der Mensch auch mehreren Bundesländern landesrechtl. Weiterbildungs­ dann als krank zu betrachten, da die Begriffe K. und Ge­ und Prüfungsordnungen für Vollpflegekräfte. Außer­ sundheit zunächst in dem subjektiven Bewußtsein veran­ dem gibt es Wochenpflegerinnen mit einer verkürzten, kert sind. Die zunehmende Verfeinerung der Untersu­ auf diesen Tätigkeitsbereich begrenzten Ausbildung. chungsmethoden, bes. für bestimmte Organleistungen, erlaubt das Erheben von objektiven Befunden da, wo der Krankenpfleger(innen), für die -»Krankenpflege Arzt bisher auf subjektive Angaben angewiesen war. Vor­ ausgebildete Personen (-► Krankenpflegeberufe). geschützte K. sind i. d. R. keine K., bewußtes Vorschützen Krankenschein, Berechtigungsschein für-»Kassen­ und subjektives >Einbilden< sind allerdings nicht dasselbe patienten zur Inanspruchnahme kassenärztl. Leistungen. (-►eingebildete Krankheit). Es ist zu unterscheiden zwischen der Ursache einer K. Ausstellung durch die Krankenkasse oder Ersatzkasse, auch Zusendung (Krankenscheinheft) durch diese. Ein­ und ihren Anzeichen (Symptomen). Fieber, Husten, Er­ mal jährlich wird allen Kassenpatienten überdies ein Be­ brechen u. a. sind keine K., sondern Anzeichen einer K. rechtigungsschein zur Inanspruchnahme der -► Krebsvor- und können die verschiedensten Ursachen haben. Meist müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein, damit die sorge (ggf. auf Anforderung) zugesandt. Der K. berechtigt zur Inanspruchnahme ärztl. oder eigtl. Ursache wirksam wird. In manchen Fällen ist die Ur­ fachärztl. Hilfe für die Dauer des laufenden Vierteljahrs sache einer K. eindeutig, so z. B. bei Verletzungen, Kno­ (Quartals). Wird ein zweiter Kassenarzt hinzugezogen, chenbrüchen durch äußere Gewalteinwirkung. Aber auch z. B. bei der Überweisung vom Hausarzt zu einem Arzt für hier kommen u. U. schon die beiden großen Ursachen­ Radiologie u. a., wird dem Patienten vom Hausarzt ein komplexe zur Geltung: auf der einen Seite der im Men­ schen selbst liegenden inneren (endogenen) Ursachen, auf Überweisungsschein ausgehändigt. der anderen Seite der durch die Umwelt wirkenden äuße­ Krankenschwester, -► Krankenpflegeberufe. ren (exogenen) Ursachen. Starke Gewalteinwirkungen lö­ Krankenseelsorge, die Seelsorger. Betreuung von sen bei allen Menschen etwa die gleichen Verletzungen Kranken, bes. im Krankenhaus, durch Geistliche beider aus. Es lassen sich jedoch Beispiele denken, bei denen Konfessionen, aber auch Diakone oder Gemeindehel­ auch innere Ursachen mitwirken. So fallen etwa bei Glatt­ ferfinnen). In möglichst engem Zusammenwirken mit eis unter sonst völlig gleichen Bedingungen an derselben dem Arzt und den Pflegekräften soll dem Kranken, wenn Stelle ein junger und ein alter Mensch infolge Ausrut­ er das wünscht, durch Zuspruch, Gebet, auch Beichte, schens auf die Hüfte: Der junge steht unverletzt auf, der Kommunion oder Abendmahl seel. Beistand zur Gesun­ alte erleidet einen Knochenbruch des Oberschenkelkopfs. dung, zum Ertragen von Leiden oder als Geleit zum Tod Nicht der Sturz allein (äußere Ursache), sondern die Be­ gegeben werden; zum letzteren gehören auch die (kath.) sonderheit des Stürzenden (innere Ursache) führte zum Sterbesakramente. K. erfordert besonderes Eingehen auf Knochenbruch. die Lebens- und Konfliktsituation des einzelnen Kran­ Zu den äußeren Ursachen rechnen mechan., therm. ken. Die konfessionellen Krankenhausträger betrachten oder ehern. Schädigungen sowie physikal. oder umwelt­ die K. als einen wichtigen Teil ihres kirchl. Auftrags bedingte Faktoren, einschließlich der Infektionen mit K.(-► Religion). Erregern. Äußere Gewalteinwirkungen wie Druck, Schlag, Stoß, Krankenstand, -»Krankenkassenstatistik. Geschoß-, Explosionswirkung führen zu groben Gewebs­ Krankentransport, -»Rettungswesen. zerstörungen, Einwirkung hoher Hitzegrade zu Verbren­ Krankenversicherung, -»Sozialversicherung, nung, starker Säuren und Laugen zu Verätzung und be­ -► Privatversicherung. stimmter elektr. Ströme zu Starkstromverletzung. Die Gifte dagegen greifen im inneren Lebensgefüge an Krankheit, grch. nosos, pathos, lat. morbus, Störungen der Gesundheit, d. h. des Zustands vollkom­ bestimmten Stellen an, sie können so auch völligen Aus­ menen körperl., seel. und sozialen Wohlbefindens (nach fall wichtiger Lebensvorgänge (Lähmung des Atemzen­ Formulierung der Weltgesundheitsorganisation), die je trums oder anderer Teile des Gehirns, der Herztätigkeit nach Form und Ausmaß der K. einen unterschiedl. Beein­ u. a.) verursachen, den Stoffwechsel und die Zelltätigkeit trächtigungsgrad bis hin zur Bedrohung des Lebens oder beeinflussen oder schwer faßbare Allgemeinerscheinun­ im Extremfall zu dessen Aufhebung (Tod) erreichen kön­ gen hervorrufen. Gifte können durch den Mund einge­ nen. K. ist demnach ein an Leben gebundener Zustand, nommen werden oder vom Magen und Darm aus in den ein Leben unter veränderten, von der Norm abweichen­ Körper gelangen, sie können eingeatmet werden (giftige Gase) oder von der verletzten, in seltenen Fällen auch von den Bedingungen. Bei der Abgrenzung des Kran ken vom Gesunden ist eine der unverletzten Haut aufgenommen werden. Auch Strahlen können krankheitserregend wirken. Die bestimmte, aus einer Vielzahl von Beobachtungen mit Hilfe Statist. Methoden gewonnene Schwankungsbreitc Kurzwellen und die ultravioletten Strahlen haben biolog. zu berücksichtigen, innerhalb derer der Betreffende noch Auswirkungen, Röntgen- und Radiumstrahlen dringen tief in die Zellen ein und können schwere Zerstörungen als normal, d. h. als gesund, angesehen wird. ihrer Struktur verursachen, in bestimmten Dosierungen Die Lehre von der K. ist die -» Pathologie. 1) Ursachen und Formen. Die Störungen entstehen aber auch zur Therapie von K. eingesetzt werden. Auch im Ablauf der normalen Lebensvorgänge in Organen oder Schallwellen (Luftschwingungen) jenseits der vom Ohr 437

Kran wahrnehmbaren Grenze, die als Ultraschallwellen be­ zeichnet werden, haben Auswirkungen auf das Körper­ gewebe. Aus den Witterungseinflüssen ergeben sich weitere krankheitserregende Ursachen. Starke Abkühlung, ver­ bunden mit Durchnässung, führt zu Erkältungen und Er­ frierungen. Ebenso kann Hitze gesundheitsschädlich sein (Sonnenstich). Falls die Luft zu wenig Sauerstoff enthält, wie es in größeren Höhen der Fall ist, kommt es zur Hö­ henkrankheit. Ein wichtiger Ursachenkomplex ist in der Ernährung zu suchen. Falsch zusammengesetzte Nahrung führt zu den verschiedensten K. Besonders gefährlich sind die schlei­ chend auftretenden Schäden, die als Zivilisations-K. be­ zeichnet werden und in erster Linie wohl mit der Denatu­ rierung der Nahrung, in zweiter Linie mit der Fernhaltung natürl. biologischer Reize Zusammenhängen. Zu den äußeren Ursachen zählen auch die Bakterien, Rickettsien, Viren, Protozoen und Parasiten (Würmer, Läuse u. a.). Schließlich können die äußeren Lebens­ umstände des Menschen zur krankheitsauslösenden Ur­ sache werden, so z. B. drückende Not, dauernde Sorgen, Ekelgefühl, Schreckerlebnisse, seel. Schmerz; sie wirken über das vegetative Nervensystem und führen zu psycho­ somatischen K. Zu den inneren Ursachen gehören die -»Konstitu­ tion und die -»Disposition, welche die Reaktionsart des Organismus bestimmen, sowie Lebensalter und Immuni­ tät. Grundlage der Konstitution sind die erbl. Anlagen. Mit der durch die erbl. Anlagen bedingten Begrenzung muß der Mensch sich abfinden. In seltenen Fällen ist aber die Grenze so eng gezogen, daß das Leben wesentlich be­ einträchtigt wird. Schwere Erbkrankheiten sind selten; dagegen kommt es häufig vor, daß erbl. Anlagen bei der Entstehung von K. mitwirken. Das Lebensalter eines Menschen spielt eine wesentl. Rolle bei der Entstehung von K. Beim Säugling z. B. über­ wiegen die K., die mit der Ernährung Zusammenhängen. Beim alternden Menschen stehen Störungen des Kreis­ laufs im Vordergrund, da die Elastizität der Gefäße nach­ gelassen hat und die Muskeln einschließlich des Herzmus­ kels verbraucht und weniger leistungsfähig geworden sind. Bösartige Geschwülste wie der Krebs sind im Kindes­ alter selten. Sie befallen bevorzugt das mittlere und hö­ here Lebensalter. Das Überstehen einer K. ändert die Bereitschaft des Menschen zu ihr. Ein Kind, das z. B. Masern durchge­ macht hat, wird immun gegen sie (-»Immunität). Narben, Verstümmelungen und Verlust von Gliedmaßen oder Or­ ganen sind Dauerfolgen, die den Körper in seiner Erschei­ nung und seiner Leistungsfähigkeit verändern können, durch Anpassung wird Weiterleben gewährleistet. Nach dem Verlauf unterscheidet man die akuten (plötz­ lich einsetzenden, heftig verlaufenden) und die chroni­ schen (langsam beginnenden, schleichend verlaufenden) K. Abgeschwächte Formen sind der subakute und der sub­ chronische Verlauf. Manche K. verlaufen in Schüben, d. h. es wechseln Besserungen mit Verschlimmerungen (Exazerbationen), oder sie treten nach scheinbarem Ab­ klingen wieder auf (Rezidiv). Befragung und Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese) sowie die Untersu­ chung des Kranken dienen der Feststellung (Diagnose) der K., die durch die Bewertung der verschiedenen K.-Zei­ chen (Symptome) erhärtet wird. Die exakte Diagnose er­ möglicht eine wirksame Behandlung (Therapig) und eine relativ sichere Voraussage des K.-Ausgangs (Prognose). Eine besondere Bedeutung hat die K.-Früherkennung durch diagnost. Maßnahmen, die z. B. bei bösartig ver­ laufenden K.-Prozessen von ausschlaggebender Bedeu­ tung und lebensrettend sein können (-» Vorsorgeuntersu­ chungen). Eine K., die weder Neigung zur Selbstheilung zeigt, noch durch geeignete Maßnahmen zur Heilung angeregt werden kann, wird als Leiden bezeichnet. Leiden sind die Summe der nach einer K. bleibenden Ausfallerscheinun­ gen im menschl. Körper. Zu den Leiden gehören u. a. die Verstümmelungen und Verkrüppelungen des Körpers, die durch Unfall oder andere K. erworben oder auch ange­ boren vorhanden sind, Herzklappenfehler, manche 438

Stoffwechselstörungen wie die Zuckerkrankheit u. a. Der Begriff des Leidens ist unabhängig von den Folgen, dieder Träger eines Leidens zu erdulden hat: Es kann den Men­ schen in seiner Berufsausübung wenig beeinträchtigen, z. B. ein gut ausgeglichener (kompensierter) Herzklap­ penfehler; in anderen Fällen führt ein Leiden zu einer ein­ schneidenden Behinderung des Lebens oder gar zu völli­ ger Hilflosigkeit, wie der Verlust ganzer Glieder, schwere Verkrüppelungen, angeborenes Fehlen von Organen, Ausfall von Teilen des Gehirns oder Lähmungen wichti­ ger Nerven. Die seelischen K., soweit sie nicht bereits als Gehirn­ krankheiten erkannt werden konnten, sind nach gut be­ gründeter wissenschaftl. Auffassung größtenteils nicht auf seel. Ursachen, Erlebnisse, sondern auf noch wenig erforschte körperl. Störungen zurückzuführen. Neuro­ sen sind jedoch in der Lebensgeschichte des Kranken ver­ ankert und psychisch begründet. 2) Psychische Einflüsse. Die psych. Dimension der K. ist von besonderer Bedeutung für Entstehung, Verlauf und -»Prognose. Bei psychisch bedingten körperl. Stö­ rungen (psychosomat. Erkrankungen) läßt sich im allge­ meinen die Wirkung einer zurückliegenden psych. Schä­ digung (psychodynam. Basissyndrom) unterschiedl. Aus­ prägung nachweisen. So geht der ersten Manifestation der psychosomat. Störung (oder dem Rezidiv) zumeist der Verlust eines subjektiv wichtigen Beziehungsobjekts (-►Objektverlust) voraus, z. B. bei nicht bewältigtem Trauererlebnis. Grund dafür ist die in irgendeiner Form seit der Kindheit (meist infolge von Störungen in der frühkindl. Entwicklung) erhaltene Abhängigkeit von Schlüs­ selfiguren, die in der Funktion eines Hilfs-Ich für die Be­ friedigung typ. regressiver (frühkindl.) Bedürfnisse un­ umgänglich sind. Im Zug des Objektverlusts bleiben diese Abhängigkeitswünsche unerfüllt (Versagung); es kommt zur Entgleisung des Selbstwertgefühls infolge Unterbre­ chung der äußeren Zuwendungen und somit zu einer IchKränkung mit Trennungsängsten und Gefühlen der emo­ tionalen Ohnmacht (narzist. Konflikt). Dabei auftre­ tende, durch die Versagung bedingte aggressive Regungen werden vom Patienten unterdrückt, da er fürchtet, im Fall ihres Auslebens die Zuwendung der Umwelt zu verlieren (Aggressionskonflikt). Im Gefolge der Abwehr dieser ag­ gressiven Regungen kann ferner eine Depression auftre­ ten, die häufig der körperl. Erkrankung unmittelbar vor­ ausgeht und in Zustände der Hilflosigkeit (asthen. Ent­ mutigung) und Hoffnungslosigkeit (apathisch-düstere Resignation) einmünden kann. Nicht zuletzt wegen der im allgemeinen faßbaren Einschränkung der -► Introspek­ tionsfähigkeit ist dem psychosomat. Patienten eine situa­ tionsgerechte Konfliktlösung nicht möglich. Hieraus er­ wächst die körperl. (somatische) Störung. Die Minderung der Selbsterkenntnis zeigt ihrerseits beim Patienten eine Verknüpfung mit Zügen teilweiser oder ausgeprägter seel. Leere, verbunden mit Einförmigkeit des Gedanken­ ablaufs, Verarmung des Wortschatzes und Verminde­ rung der Phantasie, reduzierter Kontaktfähigkeit und Unfähigkeit, hinreichend Emotionales in zwischenmenschl. Beziehungen einzubringen. Es kommt zu gestei­ gerter hypochondr. Selbstbeschäftigung. Ausgehend von den beiden Basisprozessen -»Konversion und -»Resomatisierung erreichen nunmehr die inneren Spannun­ gen unmittelbar den Körper, ohne seelisch bewältigt worden zu sein. Beispiele einer psychosomat. Erkrankung sind das Ma­ gengeschwür, die geschwürige Dickdarmentzündung (Colitis ulcerosa) und die Crohnsche Krankheit, die Fett­ sucht (>KummerspeckHerzneurose< und der Reizdarm (Colon irritabile). Die Symptombildung bei der psychosomat. Erkrankung enthält für den Patienten insofern einen »sekundären KrankheitsgewinnLife eventstrockenFleischerzeugensinnloses< Wachstum. Die Schnel­ ligkeit, mit der eine K. wächst, schwankt je nach Ge­ schwulsttyp und von Fall zu Fall. Im Greisenalter z. B. pflegt das Wachstum der K. weniger stürmisch zu sein. Unter best. Bedingungen kann man messen, in welcher Zeit sich eine K. verdoppelt (Verdoppelungszeit). Krebszellen lösen sich aus ihrem Verband und infiltrie­ ren in Zapfen oder als Einzelzellen die Saft- und Lymphspalten des benachbarten Gewebes und zerstören es. Die­ ses schrankenlose, in gesundes Gewebe hineinwuchernde (infiltrierende) und Zerstörer, (destruierende) Wachstum ist ein sicheres Kennzeichen aller bösartigen Geschwülste, mit dessen Hilfe sie sich u. a. von den gutartigen Ge­ schwülsten abgrenzen lassen. Zunächst breitet sich die Primärgeschwulst am Ort ihrer Entstehung nach allen Sei­ ten aus. Es gibt keine Struktur, die ihr Einhalt bieten könnte, selbst Knochen wird angefressen (arrodiert) und zerstört. Plötzliche Brüche (Spontanfrakturen), z. B. der Wirbelsäule oder der Glieder, machen darauf aufmerk­ sam . K. zerstören auch die Wand der Lymph- und Blutge­ fäße; gelangen Krebszellen in die Lichtung der Gefäße, so können sie kontinuierlich darin fortwachsen. Häufig lö­ sen sich kleine Geschwulstbrocken oder Einzelzellen und werden mit dem Lymph- und Blutstrom verschleppt. Blei­ ben sie stecken, so können sich unter für sie günstigen Bedingungen entfernt vom Primärtumor Sekundärge­ schwülste (Tochtergeschwülste, -»Metastasen) bilden (diskontinuierl. Wachstum). Die fortschreitende, zunächst kontinuierl., später dis­ kontinuierl. Ausbreitung der K. wird in Stadien eingeteilt. Das Stadium 1 kennzeichnet die K., die am Entste­ hungsort eine best. Größe noch nicht überschritten haben. Dem Stadium II werden K. zugeordnet, die größer sind und bei denen schon einzelne Lymphknotenmetastasen entstanden sind.

K. des Stadiums III sind bereits in die weitere Nachbar­ schaft eingewachsen, und die Zahl der Lymphknoten­ metastasen ist größer geworden. In dem i. d. R. bereits inoperablen Stadium IV haben die Größe des Tumors, ferner Zahl und Größe der lymphogenen (auf dem Lymphweg verschleppten) und jetzt auch der hämatogenen (auf dem Blutweg verschleppten) Metastasen weiter zugenommen. Das Stadium, das eine K. erreicht hat, gibt dem Arzt Hinweise für den weiteren Verlauf und die nach einer Ope­ ration einzuschlagende unterstützende Behandlung. K. entstehen aus maligne entarteten Zellen körpereige­ ner Gewebe (Kanzerisierung). Auch nach ihrer Kanzerisierung behalten die Krebszellen einen Teil der Eigen­ schaften jener Gewebe (>MuttergewebeSickerblutungen< aus arrodierten Blutgefäßen oder Metastasen im blutbildenden Gewebe (Knochenmark) sein. Von großer Bedeutung ist die Gewichtsabnahme des Krebskranken, die schließlich zur Auszehrung (-»Kach­ exie) führt. Die Ursachen dieser Auszehrung, die mit einer Störung des Eiweiß-, Fett-, Wasser- und Elektrolytstoff­ wechsels einhergeht, sind nicht einheitlich; u. a. entziehen die Krebszellen dem Organismus wichtige Bausteine des Eiweißstoffwechsels (Aminosäuren), welche die Zellen bes. der Leber und der Darmschleimhaut selber dringend benötigen. Die fortschreitende Kachexie ist eine der wich­ tigsten Todesursachen des Krebskranken; unter Einwir­ kung des mit ihr verknüpften Zusammenbruchs aller Ab­ wehrkräfte entsteht am Ende häufig noch eine -» Lungen­ entzündung oder eine -» Blutvergiftung (Sepsis). Der Tod wird aber in etwa 50% der Fälle schon früher durch Kom­ plikationen von Seiten der K. hervorgerufen. So können K. die Wand großer Schlagadern zerstören mit der Folge massiver, tödl. Blutungen. Auch Darmverschluß und/ oder Geschwulstdurchbruch in die freie Bauchhöhle mit nachfolgender Bauchfellentzündung oder Metastasen in lebenswichtigen Organen können den Tod vorzeitig her­ beiführen. 3) Heilung, Rezidiv, Remission. Heilung ist i. d. R. nur durch eine möglichst frühe operative Beseitigung aller Krebszellen oder durch ihre Vernichtung mit Hilfe ionisie­ render Strahlen, oft zusammen mit zytostatisch wirksa­ men Medikamenten (-»Zytostatika), zu erreichen. Ver­ bleiben Krebszellen im Körper, so wachsen sie in der Nachbarschaft des entfernten Primärtumors oder im Be­ reich seiner Metastasen weiter; es entsteht ein Wiederauf­ leben (— Rezidiv). Therapeut. Erfolge werden statistisch durch die Zeit­ spanne bewertet, während der ein Geschwulstkranker rückfallfrei bleibt; man spricht z. B. von einer 5-, 10-oder 15-Jahres-Heilungs- oder -Überlebensrate. Es kann näm­ lich auch nach vielen Jahren noch zu einem Spätrezidiv kommen, erklärbar dadurch, daß zurückgebliebene Krebszellen jahrelang nicht wachsen (schlafende Zellen), weil das Immunsystem des Körpers ihr Wachstum hemmt. Remissionen, d. h. vorübergehende Einstellung des Wachstumsund Rückbildung der K., können z. B. durch Strahlen- oder Chemotherapie erreicht werden. Spontane Remissionen dagegen sind selten. Spontane Heilungen ei­ ner K. mit durch mikroskop. Untersuchung gesicherter Diagnose sind extrem selten; darauf sollte bei der Beurteilungvon >Wunderheilungen< geachtet werden! Eine Stati­ stik spricht von 1 Fall auf 100000. Hinzu kommt, daß es sich dabei meist um bestimmte Tumortypen gehandelt hat, die relativ gut von den körpereigenen immunolog. Abwehrsystemen erreicht werden können. 4) Entstehung und Entwicklung. Eingeleitet (initiiert) wird die Krebsbildung durch Umwandlung körpereigener Zellen in Krebszellen (Kanzerisierung); die Initiierung kann durch ehern, oderphysikal. Reize, kanzerogene oder onkogene (-»Onkogenität) Faktoren erfolgen. Bei einer bestimmten Zahl von K. aber ist die Ursache der Kanzeri­ sierung z. Z. nicht bekannt. Läßt man ein ehern. -»Karzi­ nogen auf die Haut eines Versuchstiers ein wirken, so ent­ stehen zunächst nur uncharakterist. und rückbildungsfä­ hige Veränderungen. Erst nach einer längeren Zeitspanne entwickelt sich eine Geschwulst, und zwar auch dann, wenn das Karzinogen nur eine begrenzte Zeitspanne ein­ gewirkt hat, eine Beobachtung, die bei der Beurteilung der Berufskrebse von großer Bedeutung ist. 442

Die erste Phase, während der sich die Krebszellen weder licht- noch elektronenmikroskopisch, noch mit biochem. Methoden als solche erkennen lassen, wird Latenz- oder Inkubationszeit oder Induktionsphase genannt. Beim Menschen hält sie i. d. R. 15—30 Jahre an. Danach erst be­ ginnen die Krebszellen, unaufhaltsam in die gesunde Nachbarschaft einzuwachsen. Diese Invasions-(Infiltrations-)Phase hält 1-5 Jahre an. Dann kommt es zur Phase der Metastasierung, die nach 1—5 Jahren durch den Tod des Geschwulstträgers endet. Entwicklung der Krebsgeschwülste Latenzzeit

Stadium 0

Induktions­ phase 15-30 Jahre

ln-situPhase 5-10 Jahre

Stadium I—IV Invasions­ phase 1-5 Jahre

Metastasie­ rungsphase 1-5 Jahre

Von größter prakt. Bedeutung wäre es, die entarteten Krebszellen bereits während der Latenzphase zu entdekken und zu bekämpfen, während sie noch am Ort ihrer Entstehung bleiben, ohne die Nachbarschaft zu infiltrie­ ren und bes., noch ehe sie in die Lymph- und Blutgefäße eingebrochen sind; das ist bisher nur an bestimmten Stel­ len möglich, so im Plattenepithel der Haut, der Mund­ höhle und des Gebärmutterhalses. Hier lassen sich Kernatypien und Differenzierungsverlust, wie sie für die K. charakteristisch sind, bereits am Ende der Latenzphase erkennen. Solche Veränderungen bilden das Stadium 0 oder die In-situ-Phase (noch auf das Plattenepithel be­ schränkte Wucherung der Krebszellen) der Krebskrank­ heit. Sie werden als Vorkrebskrankheiten (Präkanzerö­ sen) bezeichnet, weil sie 5—10 Jahre oder länger bestehen können, ehe die atyp. Zellen die das Plattenepithel be­ grenzende Basalmembran durchbrechen und das angren­ zende Gewebe zu infiltrieren beginnen. Je nach dem Grad der Zellatypie und des Differenzierungsverlusts werden noch einmal 3 Stufen der Vorkrebskrankheit unterschie­ den, nämlich die leichte Dysplasie, die schwere Dysplasie und das Carcinoma in situ (-► Vorkrebskrankheiten), die kontinuierlich ineinander übergehen. Bei den leichteren Veränderungen besteht die Möglichkeit der spontanen Rückbildung. Je stärker aber die Atypien sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß sich aus dem Vor­ krebs eine ab einem gewissen Punkt unaufhaltsam fort­ schreitende K. entwickelt. Wird ein solcher Vorkrebs z. B. am Gebärmutterhals durch in regelmäßigen Zeitab­ ständen vorgenommene Krebsvorsorgeuntersuchungen rechtzeitig entdeckt, so genügt ein einfacher und nahezu ungefährl. Eingriff (Konisation), um die noch latente K. im präinvasiven >Stadium 0< zu beseitigen. Über die Einflüsse, die zur Umwandlung der Normal­ zelle in die Krebszelle führen, bestehen noch unzurei­ chende Kenntnisse. Ergebnisse der tierexperimentellen Forschung mit ehern, und physikal. Kanzerogenen aber lassen einige Schlußfolgerungen zu, die sich hypothetisch mit aller gebotenen Zurückhaltung auch auf den Men­ schen übertragen lassen. Danach müssen v. a. zwei Vor­ aussetzungen für die Entwicklung einer K. erfüllt sein: a) Die meisten ehern .und physikal. Kanzerogene sind in der Lage, den Stoffwechsel der Kernsäuren (-»Nuklein­ säuren) der Zellen und damit ihre genet. Information in charakterist. Weise zu verändern. Sehr wahrscheinlich entstehen unter der Einwirkung dieser genotox. Karzino­ gene zahlreiche Mutationen somat. Zellen (somat. Muta­ tionen), die Mutationsrate ist also erhöht. Durch Muta­ tion werden genet. Informationen und somit Eigenschaf­ ten der Zelle verändert, hinzugewonnen oder verloren. Behalten die Zellen ihre Teilungsfähigkeit, so wird die ver­ änderte genet. Information an alle aus der mutierten Zelle hervorgehenden Zellgenerationen weitergegeben. Befin­ det sich unter den vielen mutierten Zellen eine oder eine ge­ wisse Zahl von Zellen mit der Eigenschaft, autonom und unaufhörlich zu wachsen, so sind die Voraussetzungen für die Entwicklung einer K. geschaffen (Mutationstheo­ rie von K. H. Bauer, * 1890,11978). b) Die zweite, allgemeinere Voraussetzung für die

Kreb Krebsentstehung ist eine starke Wucherung (Prolifera­ tion) der Zellen. Sie ist erforderlich, damit die zu Krebszel­ len mutierten Zellen sich so lange weiter teilen, bis sie sich gegenüber dem Immunsystem (-»Immunität) des Orga­ nismus durchgesetzt haben. Man darf nämlich anneh­ men, daß bes. in diesem Initialstadium die Überwachungsfunktion des Immunsystems einen beträchtl. Teil, vielleicht die überwiegende Mehrheit entstehender Krebs­ zellen zu vernichten in der Lage ist. Die Proliferation als solche kann von zahlreichen Rei­ zen ausgehen: zum einen vom genotox. Karzinogen selbst, zum anderen von epigenet. (umweltgesteuerten) Fakto­ ren, die selbst nicht karzinogen (genotoxisch)sind. Durch ihren ausgeprägten und anhaltenden Proliferationsreiz verkürzen sie die Latenzzeit bereits kanzerisierter Zellen, so daß die Invasionsphase früher einsetzt; die K. kommt vorzeitig zustande, >realisiert< sich früher. Weil diese Rea­ lisationsfaktoren somit die Wirkung der Karzinogene un­ terstützen und damit die Krebsentstehung fördern, wer­ den sie auch Kokarzinogene oder Promotoren genannt. Realisationsfaktoren sind z. B. alle die Zellwucherung fördernden Hormone wie Östrogen, im Prinzip aber auch alle langzeitlich chronischen, entzündl. und regenerator. Reize, die zur Aufstellung der Virchowschen Reiztheorie als Krebsursache führten. So entstehen K. der Gallenblase fast ausschließlich bei Menschen, die viele Jahre bis Jahr­ zehnte an einer chron., meist rezidivierenden Entzündung der Gallenblasenschleimhaut gelitten haben, wobei das Andauern der Entzündung zu immer erneuter Schädi­ gung, Regeneration und Wucherung der Epithelien führt. 5) Häufigkeit der K. Etwa 20-30% aller Menschen ster­ ben an K. Viel diskutiert wird die Frage, ob und wie stark die K. in der Vergangenheit zugenommen haben und ob die Zahl der Krebserkrankungen derzeit im Steigen begrif­ fen ist. Unbestritten ist, daß der zu Anfang dieses Jh. noch sehr seltene Lungen- und Bronchialkrebs etwa seit 1930 fortlaufend so stark zugenommen hat und stetig weiter zu­ nimmt, daß er mittlerweile zur häufigsten K. der Männer geworden ist. Für die Gesamtheit der übrigen K. dagegen dürfte es nicht zu einer starken Zunahme gekommen sein, sofern man folgende Tatsachen berücksichtigt: a) Die durchschnittl. Lebenserwartung eines Neugebo­ renen hat sich während der letzten 300 Jahre etwa verdop­ pelt, sie nimmt, wenn auch weniger schnell, immer noch zu. Da K. mit steigendem Lebensalter zunehmend häufi­ ger werden, ist die Wahrscheinlichkeit, an einer K. zu er­ kranken, um so größer, je älter ein Mensch wird, denn zwei Drittel aller K. treten nach dem 60. Lebensjahr auf. b) Weil sich diediagnost. Möglichkeiten, eine K. zu er­ kennen, laufend verbessern, erscheinen Angaben über K. in den Krankheits- und Todesfallstatistiken immer häu­ figer. Dies schließt natürlich nicht aus, daß Schwankungen in der Häufigkeit verschiedener Tumortypen nach oben wie nach unten beobachtet werden. Die immer wieder geäu­ ßerte Befürchtung jedoch, die Zahl der K. würde bes. we­ gen der Verschmutzung und Verseuchung unserer Um­ welt mit kanzerogenen Schadstoffen stark ansteigen, trifft nach Untersuchungen weder fürdie Bundesrep. Dtl. noch für die USA zu, sie blieb vielmehr — vom Bronchial­ krebs abgesehen — während der letzten 20 Jahre annä­ hernd konstant, sofern gleiche Altersklassen miteinander verglichen wurden (>altersbereinigte Statistikern). 6) Ursachen (Ätiologie). Eine einheitl. Ursache der K. gibt es nicht. Vielmehr sind zahlreiche kanzerogene (on­ kogene) Faktoren, sogenannte -♦ Risikofaktoren, be­ kannt, die einzeln oder in Kombination (Synkanzerogenese) die Bereitschaft, an einer K. zu erkranken, hervorru­ fen oder begünstigen. Bis vor kurzem war man der An­ sicht, daß die Ursache von 85—90% aller K. derzeit noch ganz unbekannt wäre. Epidemiolog. Untersuchungen aus jüngerer Zeit haben jedoch ergeben, daß die Zahl der K., deren Entstehung durch bekannte Umweltfaktoren ver­ ursacht oder wenigstens begünstigt wird, viel größer ist und bei etwa 75-80% aller Krebskrankheiten liegt. Diese Feststellung ist von außerordentl. Tragweite, zeigt sie doch, daß die Entstehung einer beträchtl. Zahl von K. ver­ mieden werden könnte (Prävention), wenn es gelingen

sollte, die krebsfördernden Umweltfaktoren auszu­ schalten. Das Wissen über die kanzerogene Wirksamkeit von Umweltfaktoren beruht auf folgenden Methoden: a) Zahlreiche ehern. Substanzen, darunter Industriepro­ dukte, bei der Verbrennung entstehende Emissionen, Zu­ sätze oder Verunreinigung in Luft, Wasser und Nahrung, Medikamente u. a. werden mit Hilfe von Bakterien-, Zell­ kulturen und Tierexperimenten auf ihre Kanzerogenität getestet. Erweisen sie sich als kanzerogen, so werden sie von nationalen und internationalen Behörden verboten, es wird gewarnt oder zu äußerster Vorsicht bei ihrer Ver­ wendung geraten. Da solche experimentellen Ergebnisse sich aber nur sehr bedingt auf den Menschen übertragen lassen, haben b) epidemiolog. Untersuchungen zuneh­ mend an Bedeutung gewonnen. Sie lassen u. a. erkennen, daß in bestimmten Regionen, Ländern oder Kulturen ge­ wisse K. um ein Vielfaches häufiger vorkommen als in an­ deren Gegenden. Es liegt nahe, diese Unterschiede auf Be­ sonderheiten der Umwelt, z. B. die Ernährung, zurückzu­ führen, die für die Region typisch sind. Eindeutig lassen sich solche Zusammenhänge analysieren, wenn Men­ schengruppen aus ihrer Heimat in ein Gastland auswan­ dern. Z. T. schon in der ersten, häufiger in der zweiten und dritten Generation erkranken diese Menschen nicht mehr an den in ihrer Heimat typ. und häufigen K., sondern an den im Gastland üblichen. Zu den wichtigsten krebserre­ genden Umwelteinflüssen gehören Zigarettenrauchen, Luftverschmutzung, ehern. Stoffe am Arbeitsplatz und physikal. Einwirkungen unterschiedl. Art. Zigarettenrauchen. Unter den karzinogenen Umwelt­ faktoren führt mit weitem Abstand das Zigarettenrau­ chen, das für 22—40% (im Mittel 30%) aller krebsbeding­ ten Todesfälle verantwortlich ist. Im Vergleich zu Nicht­ rauchern erkranken starke Zigarettenraucher 10—25mal häufiger am Lungen-Bronchial-Krebs, 5mal häufiger am Kehlkopfkrebs, 4mal häufiger am Mundhöhlenkrebs, 3—4mal häufiger am Speiseröhrenkrebs, 2mal häufiger am Harnblasenkrebs und l-2mal häufiger an Krebs der Nieren, Bauchspeicheldrüse u. a. Bei Zigarren- und Pfei­ fenrauchern ist das Risiko weniger stark, jedoch erkran­ ken Pfeifenraucher häufiger an Lippen- und Zungen­ krebs. Die K. entstehen i. d. R. erst nach einer langen Latenz­ zeit von durchschnittlich 15—20 Jahren und länger, und zwar um so häufiger, je mehr und je länger geraucht und je früher damit angefangen wurde. Personen, die mit dem Rauchen aufhören, weisen etwa 10 Jahre später das glei­ che geringere Erkrankungsrisiko auf wie Nichtraucher. Auffälligerweise erkranken Frauen viel seltener an Bron­ chialkrebs als Männer, bedingt durch die unterschiedl. Rauchgewohnheiten von Frauen und Männern. Mit der Angleichung dieser Gewohnheiten beginnt sich das unter­ schiedl. Erkrankungsrisiko jedoch auszugleichen. Verursacht werden diese K. durch mehrere im Zigaret­ tenrauch und bes. im Kondensat enthaltene polyzykl., aromatische Kohlenwasserstoffe (Teerabkömmlinge), die bei der unvollständigen Verbrennung der Zigarette entstehen und bes. bei der Inhalation des Zigaretten­ rauchs an den Epithelien der Schleimhäute haften und sie kanzerisieren. Nikotin selbst ist kein Kanzerogen, ledig­ lich eines der Nebenalkaloide (10%) des Nikotins, das N'-Nitrosonornicotin, hat krebserzeugende Eigenschaf­ ten. Ob und wie stark sich das Rauchen von Zigaretten, die weniger Teerabkömmlinge enthalten, auf die Krebserkrankungs- und Sterberate auswirken wird, läßt sich we­ gen der langen Latenzzeit heute noch nicht übersehen. Für die nächsten Jahre jedenfalls wird noch mit einem weite­ ren Anstieg gerechnet. Eine gesundheitsschädigende Wir­ kung des -* Passivrauchens konnte bisher weder bewiesen noch sicher ausgeschlossen werden. Luftverschmutzung wird überwiegend durch den Rauch aus Schornsteinen der Industrie, der Kraftwerke und Müllverbrennungsanlagen, der beheizten Wohnhäu­ ser und durch Abgase der Kraftfahrzeuge hervorgerufen (-•Luftverunreinigung). Die verschmutzte Luft enthält unterschiedl. Schadstoffe, darunter eine Vielzahl kan­ zerogener polyzykl. aromatischer Kohlenwasserstoffe (Abk. p. a. K.), die beider Verbrennung entstehen, ferner 443

Kreb Asbest und Arsen. Somit liegt der Gedanke nahe, daß ein bestimmter Gehalt an p. a. K. in der Luft wie der Zigaret­ tenrauch Bronchialkrebs entstehen läßt. Für diese An­ nahme sprechen epidemiolog. Untersuchungen, die erga­ ben, daß Stadtbewohner in Ballungsgebieten häufiger an diesem Leiden erkranken als Bewohner von Reinluftge­ bieten. Wurden jedoch Raucher und Nichtraucher ge­ trennt untersucht, so fanden sich bei den Rauchern keine Unterschiede mehr. Offensichtlich überlagert der viel >wirksamere< Faktor Zigarettenrauchen die Auswirkun­ gen der Luftverschmutzung. Bedeutsam ist die Feststel­ lung, daß der Gehalt der Luft an p. a. K. in manchen Bal­ lungsgebieten während der letzten 10 Jahre drastisch ab­ genommen hat. So haben Untersuchungen in Düsseldorf, Dortmund und Krahm (Oberbergischer Kreis) ergeben, daß die Luft 1979 nur noch 8—12% der 1969 gemessenen p. a. K.-Konzentration enthielt. Dies soll in erster Linie auf der verbesserten Heiztechnik und auf der Verwen­ dung emissionsarmer Brennstoffe beruhen. Sollten in Zu­ kunft wieder mehr feste fossile Brennstoffe wie Kohle, Koks oder Müll eingesetzt werden, so könnte die Konzen­ tration von p. a. K. in der Luft allerdings wieder ansteigen. Bei krit. Sichtung der z. Z. verfügbaren Daten kann angenommen werden, daß die in der Luft enthaltenen p. a. K. in Ballungsgebieten etwa 10% aller Bronchial­ karzinome, d. h. 2% (1 —5 %) aller K. entstehen lassen. Da die krebserzeugenden Effekte auch kleinster Einzeldosen sich addieren, dürften die im Vergleich zum Zigaretten­ rauch relativ geringen Mengen an p. a. K. sich bes. verstär­ kend auf das Krebsrisiko der Raucher auswirken. Den Auswirkungen weiterer karzinogener Substanzen, die in die Luft gelangen können, wie Asbest oder Arsen, wird derzeit eine wesentl. Bedeutung für die Allgemein­ heit nicht zugesprochen; ein Risiko besteht jedoch unmit­ telbar am Arbeitsplatz. chemische Kanzerogene. Die Zahl der als kanzerogen eingestuften, im Berufsleben (-»Berufskrebse) anfallen­ den Substanzen stieg von 3 im Jahr 1958 auf 75 im Jahr 1979. Diese Vermehrung beruht überwiegend auf der fort­ schreitenden Verbesserung der experimentellen Untersu­ chungsmethoden. Die Anzahl der Substanzen, die erwie­ senermaßen K. erzeugen, ist weitaus geringer. Auf die kanzerogene Eigenschaft vieler ehern. Substanzen, die in Bergwerken, industriellen Betrieben u. a. auch in der Pharmaindustrie anfallen, wurde man in Vergangenheit und Gegenwart häufig dadurch aufmerksam, daß be­ stimmte Berufsgruppen auffallend häufig an K. erkrank­ ten. So beobachtete bereits gegen Ende des 18. Jh.einbrit. Arzt, daß sich bei Schornsteinfegern häufig K. der Haut, bes. am Hodensack (Skrotalkrebs, Schornsteinfeger­ krebs), bilden. Ihre Entstehung konnte später auf p. a. K., z. B. Benzpyren oder Methylcholanthren, zurückgeführt werden, die im Ruß und Teer enthalten sind. Mittlerweile ist bekannt, daß K. der Haut bei Arbeitern, welche mit Mi­ neralöl, Paraffin, Asphalt, Pech, Brikett, Korkstein u. a. umgehen, auf die gleichen p. a. K. zurückzuführen sind. Parallel zur weltweit stark zunehmenden Förderung und Verarbeitung von Asbest (-»Asbesterkrankungen) nahm die Zahl der durch diese Substanz hervorgerufenen K. sehr stark zu. Die Inhalation von Asbeststaub ruft eine Er­ krankung der Lungen (Asbestose) hervor. Bei 20—25% der an dieser Krankheit Verstorbenen wurden K. der Bronchien und Lungen festgestellt, darunter häufig Mes­ otheliome, die von den Deckzellen des Lungenfells ausge­ hen. Dabei ist bedeutsam, daß unter der Asbesteinwir­ kung nahezu ausschließlich Raucher an Krebs erkranken (Synkarzinogese). Dies beruht darauf, daß Asbest keine genotox. Eigenschaften besitzt und daher die Krebsent­ stehung nur unter der Voraussetzung begünstigt, daß be­ reits kanzerisierte, aber bisher nur latente Krebszellen vorhanden sind. Bei Anilinarbeitern (-► Anilinvergiftung) beobachtete man schon zu Anfang des 20. Jh. das gehäufte Vorkom­ men von K. der Harnblase. Anilin selbst erzeugt keine K. Als karzinogen erwies sich vielmehr ein bei der Fabrika­ tion von Azofarbstoffen und Kautschuk anfallendes aromat. Amin, das 2-Naphthylamin, das nach seiner Auf­ nahme in den Körper durch die Nieren ausgeschieden wird und erst in der Harnblase Papillome (-»Papillomatose) 444

und Karzinome entstehen läßt. - Bei Arbeitern, die mit Benzol umgehen, besteht ein erhöhtes Risiko zur Entste­ hung von Blutkrebs. Berufskrebse können sich ferner beim Umgang mit anorgan. Substanzen bilden, z. B. mit Arsen in Haut oder Leber, mit Cadmium in der Vorsteher­ drüse, mit Chrom in Bronchien und Lungen oder mit Nik­ kei in Atemwegen und Lungen. Durch Verbesserung der Schutzmaßnahmen am Ar­ beitsplatz konnte die Zahl der Berufskrebse beträchtlich gesenkt werden. Nach Angaben der Weltgesundheits­ organisation werden 1—5% aller K. am Arbeitsplatz er­ worben. Inder Bundesrep. Dtl. lagder Anteil der entschä­ digungspflichtigen Berufskrebse während der letzten 40 Jahre bei 0,3—1,2%, der Anteil der Todesfälle bei 0,02—0,03% der Gesamtbevölkerung. physikal. karzinogene Faktoren. Energiereiche ionisie­ rende Strahlen (Röntgen-, Alpha-, Beta- und Gamma­ strahlen), ferner Korpuskularstrahlen, bes. Neutronen, rufen im Gewebe durch Abgabe von Energie schwere Schäden, u. a. an den Nukleinsäuren der Chromosomen in den Zellkernen, hervor. Eine bedeutsame Folge der -»Strahlenschädigungen und höchstwahrscheinlich die Ursache des Kanzerisierungseffekts ist die starke Erhö­ hung der Mutationsrate. Voraussetzung für die Entstehung von K., die oft erst nach einer langen Latenzzeit von 10—25 Jahren entstehen, ist die Überschreitung der Toleranzdosis (-»Strahlen­ schutz). Je höher die verabreichte Strahlendosis, desto größer ist das Erkrankungsrisiko. Dabei kann die Kanze­ risierung durch eine einzige sehr hohe Dosis, z. B. bei einer Atombombenexplosion, oder durch Summation vieler kleiner Dosen erreicht werden. Junge Menschen sind stär­ ker gefährdet als ältere. Die größte Gefahr besteht für den Fetus im Mutterleib und für Kinder während der ersten beiden Lebensjahre. Männer erkranken häufiger als Frauen. Nach örtl. Strahleneinwirkung bilden sich K. der Haut. Sie entstanden z. B. während der Pionierzeit der Strahlenforschung bei nahezu allen Physikern und Ärz­ ten, weil sie die Spätfolgen der Strahleneinwirkung noch nicht kannten und bes. Hände und Arme der Strahlung ohne Schutzmaßnahmen aussetzten (-»Röntgenpio­ niere). Nach Einwirkung höherer Strahlendosen entste­ hen K. auch im Inneren des Körpers, bes. häufig als Blut­ krebs (Leukämie). Nach Ganzkörperbestrahlung entwikkelten sich, z. B. nach den Atombombenexplosionen in Japan, vorwiegend akute und chron. Leukämien, viel sel­ tener dagegen Organkrebse anderer Art und Lokalisa­ tion, z. B. Schilddrüsenkrebse. Die Latenzzeit, nach der sich nach den Atombombenexplosionen in Japan Leuk­ ämien entwickelten, war auffallend kurz; sie betrug 2— 15 Jahre, das Maximum lag bei 6—8 Jahren. Die seit dem 16. Jh. bekannte erhöhte Gefährdung der Schneeberger und Joachimsthaler Bergleute, an Lungen­ krebs zu erkranken, konnte auf die Inhalation der in der Grubenluft enthaltenen Radiumemanation (Radon) der Uranpechblende zurückgeführt werden. Der natürl. Ge­ halt an Radioaktivität in der Luft, im Wasser und in der Nahrung dagegen ist so gering, daß er als Ursache der K. nicht herangezogen werden kann. Auch ultraviolette (UV-)Strahlung schädigt die Haut. I. d. R. bilden sich jedoch erst nach sehr langen Latenzzei­ ten und daher vorwiegend bei alten Menschen K. der Haut, und zwar bevorzugt im Gesicht, wenn es der Son­ nenstrahlung ohne Schutz über viele Jahre ausgesetzt war. Bes. gefährdet sind deshalb Personen, die viel im Freien arbeiten. Das Melaninpigment der Haut schützt die Deck­ zellen vor der Einwirkung der UV-Strahlen des Sonnen­ lichts. Menschen mit pigmentarmer Haut, z. B. Rothaa­ rige und v. a. Albinos, sind daher stärker gefährdet. Dunkle Rassen haben sich durch ihre starke Pigmentie­ rung angepaßt; sie entwickeln trotz der in ihrer Heimat starken und lang anhaltenden Sonneneinstrahlung viel seltener Hautkarzinome als hellhäutige Rassen, die den gleichen Bedingungen ausgesetzt sind (z. B. in Austra­ lien). Durch UV-Strahlung erzeugte K. der Haut (-► Haut­ krebs) entstehen in unseren Breiten häufig, ihre Prognose ist aber je nach Einordnung durch die -* Broders-Klassifikation im Vergleich zu anderen K. relativ gut. Alkohol soll 3% aller K. hervorrufen. Unbestritten ist.

Kreb daß übermäßiger Genuß, bes. von hochkonzentriertem Alkohol über viele Jahre, das Risiko, an Mundhöhlen-, Rachen- und Speiseröhrenkrebs zu erkranken, um ein Vielfaches erhöht, und zwar bes. dann, wenn gleichzeitig stark geraucht wird. So steigt das Risiko, an einer K. zu er­ kranken, bei starken Trinkern um das 2,3fache, bei star­ ken Rauchern um das 2,4fache, bei starken Trinkern je­ doch, die zugleich viel rauchen, um das löfache an. Da die Latenzzeit lang ist, entstehen die K. meist erst im höheren Alter und vorwiegend bei Männern. Der Alkohol allein ist wahrscheinlich kein Kanzerogen, aber gefährlich, weil er die Schleimhaut reizt und die Regeneration der Deckzel­ lenerhöht. Auch muß an Verunreinigung der alkohol. Ge­ tränke mit andersartigen karzinogen wirksamen Substan­ zen gedacht werden. Ernährung. Der Einfluß der Nahrung auf die Krebsent­ stehung wird unterschiedlich beurteilt. Die Angaben schwanken zwischen 10 und 70% aller Krebstodesfälle. Die Unsicherheit in der Beurteilung liegt daran, daß gesi­ cherte Zahlenangaben, im Ggs. z. B. zu den Auswirkun­ gen des Zigarettenrauchens, nicht zu erhalten sind, alle Schätzungen daher überwiegend auf mehr oder weniger begründeten Spekulationen beruhen. Durch Tierexperi­ mente belegt und auch für den Menschen erwiesen ist je­ denfalls, daß übermäßige Nahrungszufuhr und dadurch bedingtes Übergewicht die Entstehung gewisser K. begün­ stigt. Am höchsten ist das mit steigendem Körpergewicht stetigzunehmende Risiko bei Frauen, an Krebs des Gebär­ mutterkörpers und der Gallenblase zu erkranken. Bei an­ deren Organkrebsen ist der Einfluß des Übergewichts bei Männern und Frauen weniger stark ausgeprägt oder fehlt sogar, wie beim Lungenkrebs. Die Mechanismen, welche die Krebsentstehung bei Übergewichtigen fördern, sind mit einer Ausnahme unbekannt. Im Fettgewebe wird un­ ter der Stimulation der Nebenniere Östrogen gebildet; das Fettgewebe ist bei Frauen nach der -► Menopause die ein­ zige, mit steigendem Körpergewicht sich vergrößernde Östrogenquelle. Der proliferationsfördernde Einfluß die­ ses Hormons auf die Drüsen der Gebärmutterschleimhaut begünstigt wahrscheinlich im Sinn eines Kokarzinogens die Karzinomentstehung an dieser Stelle. Besondere Beachtung verdienen epidemiolog. Unter­ suchungen, die ergaben, daß das Risiko, an Krebs der Speiseröhre, des Magens und des Darms zu erkranken, in verschiedenen Ländern oder Kulturen auffällige Unter­ schiede aufweist. An Darmkrebs z. B. erkranken in Japan 3, in der Bundesrep. Dtl. 15, in den USA 29 Personen je 100000 Einwohner. Demgegenüber ist in Japan die Zahl der Magenkarzinome am höchsten. Die Beobachtung, daß Auswanderer z. T. schon in der ersten, noch deutlicher in der zweiten und dritten Genera­ tion das gleiche Erkrankungsrisiko aufweisen wie die Ein­ wohner des Gastlandes, zeigt, daß mit großer Wahr­ scheinlichkeit Besonderheiten der Ernährung die Entste­ hung der K. entscheidend beeinflussen. Die Feststellung schließlich, daß Magenkarzinome seit einiger Zeit selte­ ner, die K. der Speiseröhre und des Darms dagegen häufi­ ger werden, läßt erkennen, daß unterschiedl. kanzerogene Faktoren an der Verursachung dieser Geschwülste betei­ ligt sind. Der Speiseröhrenkrebs wird bes. häufig in Ge­ genden beobachtet, in denen viel konzentrierter Alkohol getrunken wird (Calvados in Frankreich). Hinweise, daß Darmkrebse bei Arbeitern gehäuft vorkommen, die in As­ bestminen, in der Kunstfaser- oder Lederindustrie be­ schäftigt sind, haben keine überregionale Bedeutung. Von allgemeinem Interesse dagegen ist die Beobachtung, wonach die bei den westl. Industrienationen übliche, an Fleisch und Fett reiche, an Vegetabilien u. a. Ballaststof­ fen dagegen arme Kost die Darmkrebsentstehung begün­ stigt. Im Vergleich dazu ist das Risiko, an Darmkrebs zu erkranken, in den sozioökonomisch armen Ländern, de­ ren Einwohner sich - wie auch die Japaner - überwiegend mit an Ballaststoffen reichen Nährstoffen wie Gemüse, Reis, Getreideprodukten, Obst u. a. ernähren, sehr ge­ ring. Die Schutzfunktion der -»Ballaststoffe beruht wahrscheinlich darauf, daß sie eine rasche Entleerung des Darminhalts begünstigen. 'Heisch- und fettreiche Nah­ rung erhöht die Ausscheidung von Galle in die Darmlich­ tung, zugleich fördert sie die Vermehrung der zur Darm­

flora gehörenden Clostridien, die, wie jüngst gezeigt wer­ den konnte, in der Lage sind, aus Nahrungsbestandteilen und bes. aus Gallensäuren Substanzen zu bilden, die sich im Tierexperiment als kanzerogen erwiesen haben. Auch wurde festgestellt, daß sich im Darminhalt von Patienten, die an Darmkrebs erkrankt sind, weit mehr Clostridien und Gallensäuren nachweisen lassen als bei Gesunden. Aus diesen Beobachtungen wurde geschlossen: 1) Fleisch­ und fettreiche Nahrung fördert die Galleausscheidung und zugleich das Wachstum der Clostridien, die wie­ derum — vorwiegend aus Gallensäuren - kanzerogene Substanzen bilden; 2) Fleisch- und fettreiche Nahrung verlängert die Verweildauer des Kots in der Dickdarmlich­ tung und damit die Zeitspanne, während der die gebilde­ ten Kanzerogene auf die Darmschleimhaut einwirken können, und zwar überwiegend auf die Schleimhaut des Mastdarms und des ihm vorgeschalteten S-förmigen Teils des absteigenden Darms (Colon sigmoideum), weil hier der Kot eingedickt wird und vor seiner Entleerung am längsten verharrt. Damit steht in Übereinstimmung, daß Dickdarmkrebse sich am häufigsten an diesen Stellen bil­ den. Größte Aufmerksamkeit ist darauf zu richten, daß keine als karzinogen erkannten Substanzen in die Nah­ rung gelangen, z. B. -»Nitrosamine, Pestizide u. a. Ob­ wohl sich kein schlüssiger Beweis dafür hat erbringen las­ sen, daß diese Substanzen einen wesentl. Einfluß auf die Krebsentstehung des Menschen haben, bedarf es großer Anstrengung bei der laufenden Überwachung der Nah­ rung. Nicht unerwähnt sollte bleiben, daß die Forschung sich um die Entdeckung von Stoffen bemüht, die in der Lage sind, karzinogene Substanzen zu inaktivieren; so wird vermutet, daß das im Karotin enthaltene Vitamin A dazu in der Lage sein könnte. Karzinogene Substanzen kommen auch in Naturpro­ dukten, z. B. in Pflanzen und Pilzen, vor, jedoch sind sie überwiegend noch nicht genügend erforscht, um ein kla­ res Bild über die möglichen Auswirkungen auf den Men­ schen zu geben. Besondere Beachtung haben unter diesen Substanzen die -»Aflatoxine gefunden, Produkte des Schimmelpilzes Aspergillus flavus, die im Tierversuch bei Ratten Magen- und Leberkrebs hervorrufen. Die künftige Forschung läßt weitere wichtige Ergebnisse über kanzero­ gene Substanzen dieser Art erwarten. vom Arzt (iatrogen) hervorgerufene K. Eine radio­ aktive Substanz, das Thorotrast (kolloidales Thorium­ dioxid), wurde vor Jahrzehnten als Kontrastmittel zur Er­ kennung peripherer Durchblutungsstörungen in die Lichtung von Blutgefäßen injiziert (Angiographie), weil es auf Röntgenbildern die Blutgefäßveränderungen bes. kontrastreich zur Darstellung bringt. Viele Jahre später auftretende K., bes. in der Leber, hatten wahrscheinlich in dieser Untersuchungsmethode ihre Entstehungsursache. Nach der früher übl. Behandlung der Bechterewschen Krankheit mit Röntgenstrahlen bildeten sich gehäuft nach einer Latenzzeit von 3—5 Jahren Leukämien und nach 9—20 Jahren unterschiedl. Organkrebse. Durch Arz­ neimittel hervorgerufene K. dürften derzeit keine allzu große Rolle spielen. Beispielhaft seien das Blumenkohlge­ wächs und die Deckgewebsgeschwülste genannt, die sehr selten nach langfristiger Einnahme sehr hoher Dosen phe­ nazetinhaltiger Analgetika entstehen. Weniger günstig ist die Situation unter extrementherapeut. Bedingungen. K., die ohne Therapie zum Tod führen würden, müssen, wenn andere Methoden versagen oder nicht anwendbar sind, mit hohen Strahlendosen und/oder massiven Dosen zyto­ statisch wirksamer ehern. Substanzen (-»Chemothera­ peutika) behandelt werden, die derzeit allein in der Lage sind, K. zu zerstören oder wenigstens ihr Wachstum ein­ zuschränken. Solche Behandlungsmethoden erhöhen an­ dererseits das Risiko einer Leukämieerkrankung. Dieses Risiko zeigt nach 3-8 Jahren ein Maximum, um dann wie­ der abzusinken. Um ein Vielfaches höher wird das Risiko, wenn Strahlen- und Chemotherapie miteinander kombi­ niert werden. Bei alleiniger Behandlung der -» Lympho­ granulomatose z. B. mit Röntgenstrahlen steigt das Ri­ siko um das 3,5fache, bei alleiniger Behandlung mit Zyto­ statika um das 4,3fache, bei Kombination beider Metho­ den jedoch um das 29fache. Da das Immunsystem eines Organempfängers Allo445

Kreb transplantate (z. B. Nieren, Herz) abstößt, muß dieser Vorgang mit Hilfe von Medikamenten unterdrückt wer­ den. Damit allerdings wird zwangsläufig in Kauf genom­ men, daß diese Patienten 35— lOOmal häufiger an K. er­ kranken als gleichaltrige gesunde Personen. Infektionen. Viren sind in der Lage, bei Hühnern und bes. bei Nagern Blut- und Brustkrebs zu verursachen. Die Frage, ob ein Virus auch beim Menschen K. erzeugen kann, ist derzeit, von wenigen Ausnahmen (-»Tumorviren) abgesehen, zu verneinen. Zwar werden Viren bes. als Ursache des Blutkrebses intensiv diskutiert, und diese Vermutung wird sogar mit guten Gründen als wahrschein­ lich bezeichnet, schlüssige Beweise aber stehen noch aus. Mit absoluter Sicherheit ist Krebs keine von Mensch zu Mensch übertragbare Infektionskrankheit. Sollte sich die Virustheorie für gewisse Krebstypen absichern lassen, so kann angenommen werden, daß die Mehrzahl der Men­ schen mit solchen Viren latent, d. h. ohne bemerkbare Symptome, infiziert ist und daß K. nur dann entstehen, wenn die latente Infektion durch besondere Umstände, z. B. durch Einwirkung ehern, oder physikal. Karzino­ gene, psychosomat. Einwirkungen oder noch unbekannte andere Faktoren aktiviert wird. Die onkogene (krebser­ zeugende) Wirkung der Viren beruht wahrscheinlich dar­ auf, daß die Nukleinsäuren der Viren in die Zellen des infi­ zierten Organismus gelangen und diesen ihre eigene gene­ tische Information aufzwingen. Damit werden die Eigen­ schaften der infizierten Zelle wie bei einer Mutation ver­ ändert, die Zelle wird kanzerisiert. — Über die onkogene Wirkung von Parasiten -» Harnblasenkrebs. Einflüsse des Sexuallebens. Geschlechtsverkehr ist die Hauptvoraussetzung für die Entstehung von Gebärmut­ terhalskarzinomen (-» Gebärmutterkrebs). So ist das Ent­ stehungsrisiko bei Frauen, die im Zölibat leben, extrem gering. Demgegenüber steigt das Risiko bei Frauen, die frühzeitig mit dem Geschlechtsverkehr beginnen, die häu­ fig den Partner wechseln, und bei unzureichender Schei­ denhygiene. Die Annahme, daß das Risiko auch mit der Zahl der vorausgegangenen Geburten ansteigt, wird neu­ erdings wieder bezweifelt. Angenommen wird, daß das -►Smegma des Mannes karzinogene Substanzen enthält, u. a. Herpesviren vom Typ 2, die beim Geschlechtsakt übertragen werden. Für die kanzerogene Wirksamkeit des Smegmas spricht die Beobachtung, daß Partnerinnen von Männern, bei denen bald nach der Geburt eine Zirkumzision (-» Beschneidung) vorgenommen wurde, ein mini­ males Erkrankungsrisiko aufweisen. Desgleichen erkran­ ken Männer nach Zirkumzision praktisch niemals an ei­ ner K. des Gliedes (Penis). Das Risiko, am -»Brustkrebs zu erkranken, sinkt mit der Zahl der vorausgegangenen Geburten und mit der Zahl der Kinder, die gestillt wurden. Unter diesen Voraus­ setzungen werden offenbar das Zusammenspiel der die Funktion der Brustdrüse regulierenden Hormone am be­ sten harmonisiert und hormonelle Störungen ausge­ schlossen, die für die Entstehung des Brustkrebses vor­ rangig verantwortlich gemacht werden. Je später die Me­ narche und je früher die Menopause einsetzen, desto ge­ ringer ist das Krebsrisiko. Hormone. Langzeittherapie mit Östrogen begünstigt die Entstehung von K. des Gebärmutterkörpers (nicht des Gebärmutterhalses). Ein Risiko, auf Grund der Östro­ genbehandlung an Brustkrebs zu erkranken, kann bislang nicht als wahrscheinlich angenommen werden. Für die Annahme, daß die langfristige Einnahme von Hormo­ nen , meist Hormongemischen, zur Verhütungder Schwan­ gerschaft das Risiko zur Entstehung von K. erhöht, haben sich exakte Beweise bis jetzt nicht erbringen lassen. genetische (endogene) Faktoren. Die K. sind keine Folge einer Erbkrankheit. Jedoch kann die Bereitschaft, an Krebs zu erkranken, im Erbgefüge verankert sein. Diese Bereitschaft schwankt je nach Krebsart zwischen ei­ nem Maximum (80% bis annähernd 100%) und einem kaum erfaßbaren Minimum. Eine maximale Bereitschaft zur Erkrankung besteht z. B. beim -»Xeroderma pigmentosum. Bei diesen Kran­ ken entstehen an der dem Sonnenlicht und damit der UVStrahlung ausgesetzten Haut Entzündungen und bereits in früher Jugend K. DieUV-Strahlen erzeugen stets, auch 446

beim Gesunden, Schäden an den Chromosomen, die aber durch ein Enzym weitgehend >repariert< werden, so daß Schäden der Haut meist erst im höheren Alter auftreten. Beim Xeroderma jedoch kann dieses Enzym wegen eines Gendefekts nicht gebildet werden. Die UV-Strahlung er­ zeugt daher bei diesen Kranken bereits in frühester Jugend schwere Störungen im Zellkern-(DNS-)Stoffwechsel mit einer hohen Rate somat. Mutationen, die höchstwahr­ scheinlich für die Krebsentstehung verantwortlich sind. Genannt seien ferner das Blastom der Retina und die mit der Entstehung überaus zahlreicher Polypen der Dick­ darmschleimhaut einhergehende Polyposis intestini, eine Erbkrankheit, bei der es bereits in früher Jugend zu einer krebsigen (karzinomatösen) Entartung der Polypen kommt. Wie bedeutsam im Genbestand verankerte Be­ reitschaften sich selbst auf K. auswirken, die vorrangig durch Umweltfaktoren hervorgerufen werden, sei am Beispiel des Bronchialkrebses erläutert. Neuere Untersu­ chungen haben gezeigt, daß ein Enzym, die Aryl-Kohlenwasserstoff-Hypoxylase (Abk. AHH), erforderlich ist, um die im Zigarettenrauch enthaltenen aromat. Kohlen­ wasserstoffe in kanzerogene Substanzen zu überführen. Die Bildung der AHH wird von einem einzigen Gen mit 2 Allelen geregelt. Das eine Allel ist hoch (H), das andere leicht (L) wirksam. Nach den Mendelschen Gesetzen sind 3 Kombinationen möglich: HH, HL und LL. Darauf aus­ gerichtete Untersuchungen ergaben, daß Personen mit der Kombination HH ein um das 36fache höheres Risiko aufweisen, am Bronchialkrebs zu erkranken, als Perso­ nen mit der Kombination LL. Eine sehr geringe, genetisch verankerte Bereitschaft, z. B. am Magenkrebs zu erkranken, besteht bei Menschen mit der Blutgruppe A. Eine nicht erbl., vielmehr durch somat. Mutationen er­ worbene Anomalie des Chromosoms 22, das Philadelphia-(Phr)Chromosom, findet sich gehäuft bes. bei chro­ nisch myeloischer Leukämie. Dieses scheint den Verlauf der Krankheit entscheidend zu beeinflussen, da Fälle ohne Ph|-Chromosom eine ungünstigere Prognose aufweisen. Bereits bei der Befruchtung erworbene Chromosomen­ anomalien, z. B. die-»Trisomie des Chromosoms 21 beim Down-Syndrom, gehen häufig mit chronisch myeloischer Leukämie einher. Immundefekte. Die wahrscheinlich wichtigste Funk­ tion des Immunsystems besteht darin, den Organismus zu überwachen und davor zu bewahren, daß sich Körper­ fremdes in seinen Geweben einnistet. Dazu gehören le­ bende Erreger, Allotransplantate und höchstwahrschein­ lich auch autonome Krebszellen. Ein Beweis für diese zwar unvollständige, gleichwohl höchst bedeutsame Schutzfunktion gegenüber der Krebsentstehung wird darin gesehen, daß bei defektem Immunsystem (z. B. AIDS) das Risiko, an Krebs zu erkranken, sehr hoch ist. 7) Krebserkennung und Untersuchungsverfahren. K.

beginnen mit unspezif. Symptomen wie schnelle Ermüd­ barkeit, Appetitlosigkeit, Gewichtsabnahme, Blässe; schon in diesem Stadium geben aber verschiedene Labor­ parameter nützl. Hinweise, z. B. die Blutsenkungsge­ schwindigkeit (-»Blutsenkung). Bereits beim geringsten Verdacht müssen alle zur Krebserkennung zur Verfügung stehenden Hilfsmittel hinzugezogen werden wie die -» Röntgenuntersuchung einschließlich der -► Computer­ tomographie und -* Kernspintomographie, die Isotopendiagnostik (-► Nuklearmedizin, -»Szintigraphie), heute auch zunehmend die Ultraschalldiagnostik (-► Sonogra­ phie), ergänzt durch endoskop. Untersuchungen (z. B. -►Luftröhrenspiegelung, -»Magenspiegelung, -»Darm­ spiegelung und -»Kolposkopie), oft zusammen mit Ge­ fäßdarstellungen (Angiographie) und Gewebsentnahmen zu feingewebl. Untersuchung. Auch durch die -»Punk­ tion mit Hohlnadeln (z. B. der Prostata) können Gewebs­ proben zur mikroskop. Untersuchung gewonnen werden, desgleichen durch Abstriche z. B. vom Gebärmuttermund (-►Zytodiagnostik, nach G. N. Papanicolaou). Die rechtzeitige Krebserkennung ist eine der wesentl. Voraus­ setzungen der Krebsheilung. 8) Krebsverhütung (Prävention). Dies ist die wichtigste Maßnahme, um des >Krebsübels< Herr zu werden, und

Kreb verspricht große Erfolge, wenn ihre Bedeutung von jedem Einzelnen rechtzeitig und richtig erkannt wird. Wenn 85% aller Krebstodesfälle durch Umwelt faktoren hervor­ gerufen werden, solltees möglich sein, das Krebsrisiko je­ des Menschen drastisch zu senken. Allein durch den Ver­ zicht auf das Rauchen sowie durch maßvolle Aufnahme alkohol. Getränke lassen sich 35% der zum Krebstod füh­ renden Faktoren ausschalten. Die Aufnahme einer opti­ mal zusammengesetzten Nahrung (Fleisch und Fett in Maßen und viel an Ballaststoffen reiches Gemüse, Salate, Kartoffeln, Obst usw.) in einer Menge, welche die Entste­ hung eines Übergewichts verhindert, kann das Krebsri­ siko um etwa weitere 20% herabsetzen. Werden Alkohol- und Nikotinmißbrauch als Ausdruck einer neurot. Fehlhaltung gedeutet, so sind damit psycho­ somat. Zusammenhänge aufgezeigt (-»Krankheit). Der Krebskranke sollte auch dann psychosomatisch behan­ delt werden, wenn Anhaltspunkte für Hoffnungslosig­ keit, Isolierung, Unfähigkeit zur aggressiven Entlastung und überhaupt eine Gefühlsabwehr vorliegen, da tiefge­ hende seel. Veränderungen den Krankheitsverlaufschnel­ ler fortschreiten lassen. Das Krebsrisiko am Arbeitsplatz konnte durch Schutz­ maßnahmen gegenüber ehern, und physikal. Karzinoge­ nen nachhaltig gesenkt werden. Auch haben nationale und internationale Institutionen große Anstrengungen darauf verwendet, karzinogene Faktoren in der Umwelt zu entdecken und durch entsprechende Prozesse nach Möglichkeit auszuschalten; dies scheint zu einem gewis­ sen Erfolg geführt zu haben, denn der befürchtete Anstieg der krebsbedingten Todesursachen blieb bisher aus. 9) Krebsverhütungsmaßnahmen. Darunter werden Un­ tersuchungen (-»Vorsorgeuntersuchungen, -» Krebsvor­ sorge) verstanden, die zum Ziel haben, eine oder auch mehrere bestimmte K. in einem so frühen Entwicklungs­ stadium zu entdecken, daß sich ihre optimale Heilung mit möglichst einfachen und ungefährlichen therapeut. Maß­ nahmen ermöglichen läßt. Sie müssen in einem Lebensal­ ter einsetzen, in dem die zu entdeckende Geschwulst noch extrem selten ist. Derzeit können in der Bundesrep. Dtl. nach § 181 Reichsversicherungsordnung (Sozialversiche­ rung) Männer und Frauen jährlich einmal im Rahmen kassenärztl. Leistungen eine Krebsvorsorgeuntersuchung an sich vornehmen lassen, durch die einige bes. gefähr­ liche Organkrebse frühzeitig erkannt werden sollen. Bes. aussichtsreich ist die zytolog. Untersuchung des Gebär­ mutterhalses. Die während der letzten beiden Jahrzehnte im In- und Ausland bei einer großen Zahl von Frauen ge­ wonnenen Erfahrungen haben eindeutig gezeigt, daß sich bei einer mit dem 20. Lebensjahr beginnenden, in regel­ mäßigen Abständen von einem Jahr fortgesetzten Vor­ sorgeuntersuchung dieser Art die krebsige Entartung des Gebärmutterhalses bei 85-90% der Beteiligten in einem Stadium erfassen läßt, das eine noch optimale Heilung mit einfachen und ungefährlichen therapeut. Mitteln erlaubt. 10) Behandlung der K. Sie verfolgt je nach Sachlage unterschiedl. Ziele. kurative Therapie (lat. curare >heilenunterstützenim gesunden Gewebe< Krebszellen im Körper verbleiben, die sich für den Opera­ teur unsichtbar in näherer oder weiterer Entfernung vom Primärtumor angesiedelt haben (diskontinuierl. Mikro­ metastasen). In solchen Fällen ist eine der Operation nachfolgende unterstützende (adjuvante) Strahlen- oder Chemotherapie, ggf. in Kombination, angezeigt. palliative Therapie (lat. palliare >mit einem Mantel be­ decken«): Wenn endgültige Heilung oder wenigstens län­ gere Remissionen nicht zu erreichen sind, muß versucht werden, die durch die Krankheit bedingten Beschwerden durch unterschied!., der Situation angepaßte Maßnah­

men zu lindern. Dabei stehen Beseitigung oder Linderung von Schmerzen im Vordergrund, auch vorsorgl. Maßnah­ men zur Vermeidung krebsbedingter Komplikationen, und die Sorge für eine qualitativ und quantitativ ausrei­ chende Ernährung, um der drohenden Kachexie entge­ genzuwirken; ferner die Stärkung der körpereigenen Ab­ wehr gegenüber Infektionen, aber auch gegenüber dem ei­ genen, bereits festgestellten Krebsleiden, wobei es unter gewissen Voraussetzungen nützlich sein kann, die Geschwulst durch Operation, Bestrahlung oder Chemo­ therapie wenigstens zu verkleinern. Die körpereigene Immunabwehr verliert in dem Maß an Wirksamkeit, in dem die Zahl der Krebszellen im Körper zunimmt. Für die Krebsbehandlung stehen derzeit 4 Methoden zur Verfügung: Operation, Strahlen-, Chemo- und Hor­ montherapie, jeweils einzeln oder in Kombination. Wel­ cher oder welchen Methoden in Kombination der Vorzug zu geben ist, hängt ab: vom Typ der K., von ihrer Lokali­ sation, von der bereits erreichten Ausbreitung (Stadium I—IV), vom Grad des Differenzierungsverlusts und nicht zuletzt von der Empfindlichkeit, mit der ein bestimmter Krebstyp erfahrungsgemäß auf die Einwirkung von Strahlen, Zytostatika oder Hormonen reagiert (Krebssen­ sibilität). Chirurg. Therapie. Bei örtlich noch begrenzten K. ist die operative Beseitigung bis weit in das gesunde Gewebe in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle die bevorzugte Me­ thode. Bei radikaler Operation werden die regionalen Lymphknoten mit entfernt. Von der Zahl der darin nach­ weisbaren Metastasen hängen u. a. Art und Umfang der adjuvanten (unterstützenden) Nachbehandlung ab. Strahlentherapie. Die ionisierenden Strahlen sollen, so­ weit möglich, alle erreichbaren Krebszellen zerstören. Es sind die gleichen Strahlen, die oben als Krebsursache be­ schrieben wurden. K. können also durch ionisierende Strahlen in schädl. Dosierung nicht nur erzeugt, sondern in richtiger Dosierung auch >geheiltdaß aufgefundene Verdachtsfälle einge­ hend diagnostiziert und der weiteren ärztl. Behandlung zugeführt werden sollens Für die K.-Untersuchungen, die einmal jährlich vorgenommen werden sollen, erhalten die Versicherten von den Krankenkassen einen Berechti­ gungsschein, der dem Arzt vor der Untersuchung auszu­ händigen ist; ihn nachzureichen, ist nicht gestattet. Ge­ mäß §181, Abs. 2 RVO hat der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen Richtlinien über die Früherkennung von Krebskrankheiten beschlossen (Änderung v. 26. 2. 1982). Sie dienen a) bei Frauen der Früherkennung von Krebserkrankungen der Brust, des Genitale, des Darms, der Nieren, der Harnwege und der Haut vom Beginn des 20. Lebensjahrs an, b) bei Männern der Früherkennung von Krebserkrankungen des Dickdarms, der Prostata, des äußeren Genitales, der Nieren, der Harnwege und der Haut vom Beginn des 45. Lebensjahrs an. Die einzelnen vorgeschriebenen Untersuchungen sind in den Richtlinien enthalten. Kreislauf, -»Blutkreislauf. Kreislaufkollaps,

Kreislaufmittel,

-»Kollaps.

auf Herz und Blutkreislauf wir­

kende Mittel. Kreislaufperipherie, der Bereich der den großen ar­ teriellen Gefäßen nachgeordneten Strombahnen: Arte­ riolen (kleinste Arterien, die sich zum Kapillarsystem aufzweigen), Kapillarsystem, Venolen (aus den venösen Kapillaren hervorgehende kleinste Venenaufzweigungen) und Venen. In der K. liegen mehr kreislaufregulator. Fähigkeiten als in Herz und Arterien; sie bestimmt daher wesentlich die Größenordnung im örtl. und allgemeinen Kreislaufanpassungsgeschehen. (-*Blutkreislauf) Kreislaufschock,

-»Schock.

Folge einer ungenügenden Blutversorgung der Organe; sie entsteht durch 1) abnorm weite Blutgefäße, 2) Mangel an Blutvolumen (z. B. durch Blutverlust), 3) Beeinträchtigung der Herztätigkeit, ’m ersten und zweiten Fall besteht eine periphere K. (-»Kol­ laps, -» Kreislaufperipherie), im dritten Fall eine zentrale (kardiale) K. (-» Herzschwäche) Kreislaufstörungen, Regulationsstörungen des Ge­ samtkreislaufs (-► Blutkreislauf) oder bestimmter Gefäß­ bereiche. Die Störungen im Gesamtkreislauf äußern sich in schwankenden Blutdruckwerten. In den Gefäßberei­ chen treten u. a. folgende Erscheinungen auf: an der Lunge funktionelle Durchblutungsstörung, >Atemkorsetteingeschlafene Füßeunruhige Beinein Wehen liegens >gebärenaufgehängtKör­ perbau und Charakter< (1921) eine Typengliederung auf. (-» Körperbautypen) Kreuzbandriß, das Ein- oder Abreißen eines oder bei­ der Kreuzbänder im -» Kniegelenk nahe ihrer Ansatzstelle an der Knochenerhebung in der Mitte der Schienbeinge­ lenkfläche. Manchmal ist diese selbst mit abgerissen. Meist ist das vordere Kreuzband betroffen, z. B. durch Stoß gegen den gestreckten oder gebeugten U nterschenkel bei Auto- und Motorradunfällen, bei gewaltsamer Über­ streckung des Unterschenkels (beim Fußballspiel) oder durch plötzl. Einwärtsdrehung des gebeugten und ge­ spreizten Unterschenkels. Erscheinungen: Gelenkerguß mit heftigen Schmer­ Krebsgeschwülste: ein vom Plattenepithel ausgehendes Lippen­ zen, Unsicherheit beim Gehen. Der Unterschenkel ist ge­ karzinom, das in die angrenzende Muskulatur eingewachsen ist gen den Oberschenkel in Richtung von vorn nach hinten und sie zerstört (infiltrierendes und zerstörendes Wachstum) abnorm beweglich (Schubladenzeichen). Im Röntgenbild ist nach Luft- oder Kontrastmitteleinspritzung die Verlet­ Krepitation [lat. crepitare >rasselnKummerspeckStomaversorgung< ist heute durch weitere

öffnung mit magnetischem Verschluß. Lage des im­ plantierten magnetischen Rings zwischen Unterhautfaszie und Muskel­ faszie

Unterhaut­ faszie Magnetring Muskel­ faszie - Muskel

Bauchfell

Die Anlage eines künstl. Enddarmverschlusses kann auch dann notwendig werden, wenn z. B. bei Kindern oder Jugendlichen mit angeborenen oder erworbenen Nerven­ defekten (1982 in der Bundesrep.Dtl. etwa 4500 Kinder) die Steuerung der Darmentleerung gestört ist (Inkonti­ nenz). Bei dieser Form der Störung kann die Anlage eines K. durch Implantation eines Magnetverschlusses (Ma­ gnetring aus Samarium-Kobalt) vermieden werden. Kunst|auge, -»künstliches Auge. Kunstfehler, -» Behandlungsfehler. Kunsthonig, Invertzuckercreme, dickflüssige bis feste, im allgemeinen aromatisierte und gefärbte Masse aus meist durch Säuren mehr oder weniger stark abgebau­ ter Saccharose (Haushaltszucker). — Die Nachfrage nach dem früher vorwiegend zum Backen (Lebkuchen) ver­ wendeten K. ist heute gering, da -» Bienenhonig bevorzugt wird. Künstler-Sozialversicherung, -»Sozialversiche­ rung. künstliche Atmung, Beatmung, lebensrettende Sofortmaßnahme, wenn ein Kranker oder Verletzter von sich aus nicht mehr in der Lage ist, ausreichend zu atmen. Sie wird außerdem im Zusammenhang mit Narkosen an­ gewendet, ferner bei spinaler Kinderlähmung, Arnzeimittelvergiftung, Starrkrampf, Hirnschädigung u. a. sowie nach elektr. Ünfällen und bei Ertrunkenen. Als Maßnahme der Ersten Hife muß die k. A. bei Atem­ stillstand unverzüglich durchgeführt werden, bei gleich­ zeitigem Herzstillstand in Verbindung mit der äußeren Herzmassage. Künstl. Gebisse sind zu entfernen, bei Er­ trunkenen sind Mund und Rachen von Sand und Schlamm zu befreien. Bei der -»Atemspende bläst der Helfer seine Aus­ atmungsluft dem Verunglückten ein. Diese Methode hat sich gegenüber allen anderen Beatmungsverfahren als überlegen erwiesen. Ein mit der Hand bedienbarer Appa­ rat zur k. A. ist z. B. der Atembeutel mit einer den Mund und die Nase bedeckenden Maske, die Beatmung muß aber in einer Notsituation auch bei Fehlen jeden Hilfsmit­ tels begonnen werden. Die früher zur k. A. verwendete Eiserne Lunge ist heute durch technisch bessere -► Beatmungsgeräte ersetzt worden. künstliche Befruchtung, Besamung, Insemi­ nation, die instrumentelle Einbringung von Samenflüs­

sigkeit in die Gebärmutter oder die Deponierung von Sperma in einem napfförmigen Gefäß, der Portiokappe, vor dem äußeren Muttermund zum Zweck der Befruch­ tung einer Eizelle. Unterschieden wird zwischen der Befrucht ung mit dem Samen des eigenen Mannes (homologe Insemination) und der Einbringung von Sperma eines fremden Mannes (heterologe Insemination). Eine weitere Art der k. B. ist die-»extrakorporale Befruchtung. 453

Kuns

Kürbis: männl. Blüten (oben), weibl. Blüte (Mitte), junge Frucht (unten)

Die homologe Insemination kann dann durchgeführt werden, wenn bei intakter Empfängnisfähigkeit der Frau eine Ausübung des Beischlafs wegen seel. oder körperl. Störungen des Mannes (-»Impotenz) nicht möglich ist, oder aber infolge eines krankhaften Verschlusses der ab­ leitenden Samenwege der im Hoden gebildete Samen nicht entleert werden kann. Durch operatives Einbringen und Aufnähen eines Kunststoffgefäßes auf den Nebenho­ den läßt sich aussichtsreicher als durch eine einfache Punktion des Nebenhodens in den genannten Fällen mit Samenzellen angereicherte Samenflüssigkeit gewinnen, die zur homologen Insemination verwendet wird. Die Er­ folgsquote hinsichtlich einer Befruchtung beträgt jedoch lediglich 10—20%. Erfolgreicher verläuft meist die heterologe Insemina­ tion, gegen die jedoch viele eth., religiöse, psycholog. und jurist. Gründe sprechen. Im Ggs. zu anderen Staaten be­ steht inder Bundesrep. Dtl. in bezug auf diek. B. keine gesetzl. Regelung. künstliche Ernährung, bei fehlender natürl. Nah­ rungsaufnahme (Unfähigkeit zu schlucken, Bewußtseins­ einschränkung u. a.) durchzuführende Zufuhr notwendi­ ger Nahrungsbestandteile: Kohlenhydrate, Fett, Eiweiß, Vitamine, Spurenelemente, Elektrolyte und Wasser. Techn. Durchführung durch Sondenernährung, parente­ rale Ernährung oder in Kombination beider. Sondenernährung, Zuführung flüssiger Nahrung in al­ len ihren notwendigen Bestandteilen durch einen etwa bleistiftdicken Schlauch, der in Form einer Plastik- oder Gummi-Magenverweilsonde durch die Nase bis in den Magen geführt wird. Wenn dem Körper lediglich Wasser, Traubenzucker und Salze zugeführt werden sollen, ist die­ ses auch durch ein Nährklistier in beschränktem Umfang möglich. Diese Methode wird dann angewendet, wenn die parenterale Ernährung nicht möglich oder nicht mehr ausschließlich notwendig ist. parenterale Ernährung, Infusion der Nahrungsbe­ standteile in steriler Lösung in eine größere Körpervene. Das Verfahren muß unter streng sterilen Vorsichtsmaßre­ geln mit genauer Beachtung der Infusionszeit, am besten in einer Klinik, durchgeführt werden. Es erfolgt nach ei­ nem meist täglich neu zu errechnenden Infusionsplan mit Infusionslösungen, die nach Kalorienbedarf, Wasserund Elektrolythaushalt der jeweiligen Krankheitssitua­ tion angepaßt werden. Über die k. E. ohne oder gegen den Willen des Betroffenen -► Zwangsernährung. künstliche Niere, -»Dialyse. künstliches Auge, Kunst|auge, Nachbildung des menschl. Auges aus Glas oder Kunststoff bei Verlust die­ ses Organs; dient zur Behebung der Entstellung und schützt gleichzeitig die Augenhöhle vor Entzündung und Schrumpfung. Es ist deshalb auch als Heilmittel anzuse­ hen und gehört zu den Pflichtleistungen der Kranken­ kasse. Bei Kindern ist das k. A. häufig zu erneuern, um eine Schrumpfung des Bindehautsacks zu verhindern, bei Erwachsenen etwa jährlich. Bei zu langem Tragen zeigt das k. A. Abnutzungserscheinungen, die leicht eine Bin­ dehautreizung verursachen. Abends ist das k. A. stets her­ auszunehmen. Durch Einsetzen von Kugeln in den Binde­ hautsack bei der operativen Entfernung eines Auges kann man den Sitz des k. A. fast unsichtbar gestalten und sogar eine gewisse Beweglichkeit dieser Augenprothese er­ zielen.

künstliches Auge künstliches Blut, Kunstblut, Präparate, mit denen nicht nur bei akuten Blutverlusten die verlorengegangene Flüssigkeit ersetzt wird (-► Blutersatzflüssigkeiten), son­ dern auch die wichtigste lebenserhaltende Funktion der

454

Erythrozyten, der Gasaustausch, für eine kurze Zeit auf­ rechterhalten werden kann. K. B. im engeren Sinn ist eine Emulsion von wasserunlösl. Partikeln, die etwa die Größe der roten Blutkörperchen besitzen und chemisch zu den Perfluorocarbonverbindungen gehören. Zur Zeit wird k. B. nur in Tierversuchen erprobt. I. w. S. rechnet man zumk. B.auch menschl. Hämoglobin-Lösungen. Sie sind nur dann für den Menschen ungefährlich, wenn sie völlig frei von den Membranbestandteilen (Stromata) der roten Blutkörperchen sind. künstliches Glied, Körperteilersatzstück (-»Pro­ these). künstliches Herz, -»Herzoperationen. künstliche Zähne, in zahlreichen Form- und Farb­ abwandlungen aus Porzellan oder in neuerer Zeit auch aus Kunststoffen hergestellter -► Zahnersatz. Küntschersche Marknagelung [n. dem Chirurgen G. Küntscher, * 1900, f 1972], -»Knochenbruch. Kupfernase, Burgundernase, -»Rosacea. Kupfer]rose, die -► Rosacea. Kupieren, Behandlung, die beabsichtigt, den Aus­ bruch oder die Weiterentwicklung einer Krankheit durch gezielt eingesetzte Heilmethoden in ihren ersten Anfän­ gen zu verhindern oder wenigstens zu hemmen. Kur, ein -»Heilverfahren mit planmäßiger Anwen­ dung spezifisch zusammengestellter Heilmittel (physikal. Therapie, -» Badekur) und/oder Diätformen. Die Durch­ führung erfolgt meist in -»Heilbädern und Kurorten (Übersicht). Kurare das, Curare, eingedickter Pflanzensaft ver­ schiedener südamerikan. Strychnos-Arten, der von den Indianern als Pfeilgift verwendet wurde. Das gereinigte K. (Kurarin) besitzt muskelerschlaffende Wirkung (-►muskelerschlaffende Mittel) und wird z. B. gegen Wundstarrkrampf und bei der -»Narkose angewendet. Kur|arzt, Bade arzt, von der Ärztekammer verlie­ hene Zusatzbezeichnung für einen Arzt, der ein Jahr lang in einem Heilbad oder Kurort tätig war und eine Weiter­ bildung auf den Gebieten der physikal. Therapie, Balneo­ logie und Klimatologie nachgewiesen hat. Kürbis, Cucurbita, Gattung der zu den Kürbisge­ wächsen (Cucurbitaceae) gehörenden Nutz-(Gemüse, Viehfutter) und Zierpflanzen in Europa, Nord-und Süd­ amerika. Der Riesen- oder Zentner-K. (Cucurbita ma­ xima) hat 75—100 kg schwere Früchte (Speise-K.); der Garten-K. (Cucurbita pepo) liefert Futter-, Öl- und Spei­ sesorten, z. B. den buschförmigen Öl-K. (Cucurbita pepo giromontina oleifera), dessen schalenlose Kerne einen Fettgehalt bis zu 54% und einen Eiweißgehalt von rd. 25% aufweisen. Weitere Speise-K. sindu. a. der Moschus-oder Bisam-K. (Cucurbita moschata) und der Feigenblatt-K. (Cucurbita ficifolia).

Der K. steht als Nahrungsmittel zwischen Gurke und Melone; im frischen Fruchtfleisch sind 5-6% Gesamt­ zuckerenthalten. Das Öl der schalenlosen Samen (Öl-K.) dient als Speise- oder Brennöl. Die Inhaltstoffe der K.Kerne werden in der Naturheilkunde als Mittel gegen Spul- und Bandwürmer, auch Prostataleiden empfohlen, in der Homöopathie bei Seekrankheit und Schwanger­ schaftserbrechen. (Bild Gemüse) Kürettage [-33], die -»Ausschabung. Kur|orte, -► Heilbäder und Kurorte, Übersicht. Kurpfuscher, eine Person, die ohne Approbation oder ohne Erlaubnis als Heilpraktiker Kranke berät oder behandelt (-»Wunderdoktor). Die Kurpfuscherei wird nach der-» Bundesärzteordnung mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. In Österreich ist sie nach § 184 StGB strafbar, in der Schweiz bestehen kan­ tonale Strafvorschriften. Kuru-Kuru, chronisch-degenerative, tödlich verlau­ fende Erkrankung des Zentralnervensystems, die heute zu den Slow-virus-lnfektionen gerechnet wird. Die mit Hirn­ material verstorbener, infizierter Affen geimpften Tiere erkrankten nach langer Inkubationszeit (9 Monate bis zu mehreren Jahren) auf ähnl. Weise wie der Mensch. Das

Kuta vermutete Virus ist noch nicht identifiziert. Eine Übertra­ gung von Mensch zu Mensch ist bisher nur bei Ureinwoh­ nern Neuguineas durch Kannibalismus (Menschenfres­ sen) beobachtet worden. Kurvatur, gekrümmter Teil eines Organs, v. a. die große und kleine K. des Magens. Kurzatmigkeit, Dyspnoe, einehinsichtlichderZahl der Atemzüge, der Atemtiefe und der Luftfülle der Lunge gestörte Atemfunktion mit Anzeichen von Atemnot bei erschwerter und/oder gesteigerter Atembewegung. Zu den akuten Ursachen rechnet z. B. die Atemwegsverle­ gung (Obstruktion) von Kehlkopf, Luftröhre oder Bron­ chien. K. kann organisch bedingt sein durch Lungen­ krankheiten, durch Herzerkrankungen infolge Stauung im kleinen Blutkreislauf, Schädigung des Atemzentrums oder vermindertem Sauerstoffgehalt des Blutes (Anämie). Physiologisch bedingt tritt eine Atemnot bei vermehr­ tem Sauerstoffbedarf infolge verstärkter körperl. An­ strengung oder bei vermindertem Sauerstoffangebot (Höhenlage, Smog, Stäube, Rauch) wie auch aus psych. Gründen (Angst) auf. Die Atemnot kann plötzlich entste­ hen, anfallsweise oder schleichend sich verstärken und dauernd vorhanden sein. Ausgehend vom Lufthunger bei einfacher Atemnot entspricht ihr Grad dem vom Sauer­ stoffangebot abhängigen subjektiven Empfinden, ihr Ausmaß kann durch Lungenfunktionsuntersuchungen erkannt und gemessen werden. Die Behandlung richtet sich nach den Ursachen und besteht ggf. in einer Heilung der Grunderkrankung. Bei akuten Störungen der Atemfunktion sind Sofortmaßnahmen wie etwaige Befreiung der Atemwege von Fremdkör­ pern, Sekret sowie entsprechende Beatmung und Lage­ rung des Patienten notwendig, in allen Notsituationen ist rasche ärztl .Hilfe nötig. Als Notfälle gelten bei obstrukti­ ven Atemwegserkrankungen der schwere Asthmaanfall (Status asthmaticus), akute Verschlechterung einer chron. Kurzatmigkeit, auch plötzl. Spannungspneumo­ thorax sowie Ventilpneumothorax (Luftbrust) nach Lun­ genriß. Kurzfingerigkeit, Brachydaktylie, Verkürzung der Finger-, teilweise auch der Mittelhandknochen in ver­ schiedenem Ausmaß. Es gibt verschiedene erbl. Formen mit sehr ähnl. Ausprägung in der jeweiligen Familie. An­ hand einer Sonderform wurde 1903 erstmalig die autoso­ mal-dominante Vererbung beim Menschen nachge­ wiesen. Kurzpausen, Arbeitspausen von etwa 5 Minuten Dauer nach jeweils 55 Minuten Arbeit, die, betrieblich organisiert und als Arbeitszeit bezahlt, bei bestimmten Tätigkeiten (z. B. bei Monotonie oder einseitig belasten­ den Arbeiten) einen besonderen Erholungswert haben. Sie sollten zu körperl. Ausgleichsübungen genutzt wer­ den. (-»Arbeitspausen) Kurzschlußhandlung, rational unkontrollierte, un­ mittelbar durch starke emotionale Impulse (Affekte, Triebe, Stimmungen, Depressionen) ausgelöste Reak­ tion; kommt in psych. Belastungssituationen bes. bei labi­ len Persönlichkeiten vor, z. T. auch symptomatisch bei Psychosen. Kurzsichtigkeit, Myopie, ein Brechungsfehler (Refraktionsanomalie) des Auges, bei dem nur von nahe gesehenen Gegenständen ein deutl. Bild auf der Netzhaut entworfen wird, während ferne Gegenstände nur undeut­ lich gesehen werden können. Bei der K. ist das Auge zu lang gebaut, so daß aus der Ferne kommende, also parallel in das Auge einfallende Strahlen bereits vor der Netzhaut vereinigt werden. Der Fernpunkt des kurzsichtigen Auges liegt nicht, wie beim normalsichtigen Auge, im Unend­ lichen, sondern, je nach dem Grad der K., in einer Entfer­ nung von lm bis kurz vor dem Auge. Um ferner gelegene Gegenstände scharf sehen zu können, muß man ein Zer­ streuungsglas (Konkavglas) vor das Auge setzen. Das sehr häufig familiäre Auftreten der K. spricht für eine erbgebundene Anomalie. Darüber hinaus können schädigende äußere Einwirkungen zu einer Zunahme der K. beitragen, so z. B. übertriebene oder unter ungünstigen Bedingungen ausgeführte Naharbeit. Auch eine angebo­

rene oder früher erworbene, geringe Widerstandskraft der Lederhaut dürfte für die Entstehung der K. von Be­ deutung sein. Komplikationen der hohen K. sind Dehnungsvorgänge der Netzhaut, so daß auch mit Brille kein brauchba­ res Sehvermögen erzielt werden kann, und v. a. die -»Netzhautablösung. Auch Glaskörpertrübungen, als schwimmende Punkte (-► entoptische Wahrnehmungen) wahrnehmbar, können (in seltenen Fällen) das Sehvermö­ gen beeinträchtigen. Meist überschreitet die K. mäßige Grade nicht und nimmt mit dem Abschluß der Wachstumsperiode nicht mehr zu. Während der Wachstumsjahre ist beim Lesen Wert zu legen auf gute -» Beleuchtung und gerade Haltung am Schreibpult. Das erforderl. Brillenglas sollte dauernd getragen werden. Die Ansicht, daß durch das Tragen der Brillengläser die K. stärker würde, ist nach augenärztl. Auffassung falsch. Ebenso ist die Vorstellung, daß im Al­ ter die K. zurückginge, nicht richtig, denn das zu lang ge­ baute Auge wird im Alter ja nicht kürzer; wohl aber be­ merkt ein Kurzsichtiger die Altersichtigkeit ohne Nah­ brille deswegen nicht so leicht, weil sein Auge normaler­ weise schon ohne Brille für die Nähe eingestellt ist, der Fernpunkt also, je nach dem Grad der K., bis höchstens 1 m vor dem Auge liegen kann. Hat ein Mensch eine K. von 3 -» Dioptrien, so liegt sein Fernpunkt in 30 cm. Er kann dadurch auch in höherem Alter ohne Brille gut lesen (-»Akkommodation), für die Ferne muß er aber dann ebenso eine Brille tragen wie in der Jugend. Außer mit ei­ ner Brille läßt sich die K. gut durch -► Kontaktlinsen korri­ gieren. Ob Kontaktlinsen das Fortschreiten der K. aufhal­ ten können, ist noch nicht geklärt. Augengymnastik und Sehübungen zur Verringerung oder sogar Beseitigung der K. sind in ihrer Wirkung umstritten. Kurzwellenbehandlung, Anwendung von elektromagnet. Wellen zwischen 6 und 30 m zur elektrotherapeut. Behandlung, eine Form der Hochfrequenzbehand­ lung. Mit gleicher Wirkung werden heute bevorzugt -» Ul­ trakurzwellen eingesetzt. Zur Kurzwellen-Durchflutung (Diathermie) des zu behandelnden Körperteils verwendet man entweder verstellbare Kondensatorelektroden, die auf einen gewissen Hautabstand eingestellt werden, oder man legt induktiv wirkende Spulenelektroden an, die indi­ viduell angepaßt (z. B. um Arme oder Beine geschlungen) werden. Die therapeut. Wirkung der K. beruht auf der im Innern des menschlichen Körpers entstehenden Wärme, die sich bes. bei der Muskulatur und dem angrenzenden Fett- und Bindegewebe, weniger aber in der Haut auswirkt. Die Er­ wärmung auf der Hautoberfläche wird dabei als geringer empfunden als bei den sonst üblichen Wärmeanwendun­ gen. Im ganzen Bereich der Temperaturerhöhung kommt es zur Durchblutungssteigerung, der Stoffwechsel wird angeregt, die Muskeln entspannen sich, und eine schmerz­ stillende Wirkung tritt ein. DieK. hat Heilwirksamkeitbei Krankheiten der Bewegungsorgane, bei Neuralgien, Durchblutungsstörungen und anderen chron. Leiden bes. auch im Gelenkbereich. Dabei ist zu beachten, daß vor dem Erfolg einer z. B. schmerzlindernden Wirkung oft erst eine Befundverschlimmerung eintritt, die in Kauf ge­ nommen werden sollte. Kussmaulsche Atmung [n. dem Internisten A. Kussmaul, * 1822,1 1902], stark vertiefte, große Atmung bei relativ geringer Erhöhung der Atemfrequenz; Zeichen einer kompensator. CO2-Abgabe bei stoffwechselbeding­ ter (z. B. diabet.) -»Azidose im Koma. kutan, die Haut (Cutis) betreffend, zur Haut gehö­ rend. Kutanreaktion, Gegenwirkung der Haut auf einen künstlich erzeugten Hautreiz, der entweder durch äußere Auftragung (Perkutanreaktion, z. B. Morosche Salben­ probe, Hautläppchenproben) oder durch Einbringung in die Haut (-»Pirquetsche Hautreaktion durch AllergenExtrakte) hervorgerufen wird. Kurzfingerigkeit: a Verkürzung eines End-, b eines Mit­ tel-, e eines Grundglieds, d Fehlen eines Glieds, e Verkür­ zung eines Mittelhandknochens 455

Q

b

c

d

e

Kurzfingerigkeit

Kwas Die K. dient zur Absicherung einer Krankheitsdiagnose (Tuberkulose, Hautpilze, Syphilis) oder zur Feststellung einer Krankheitsursache (Asthma, Ekzem, Heuschnup­ fen). Auftreten von Rötung und Quaddelbildung (positi­ ver Ausfall) kennzeichnen den betreffenden Stoff als Krankheitsursache.

Kwaschiorkor bei 2jährigem Jungen Kwaschiorkor, Kwashiorkor [-J-], eine in trop. und subtrop. Ländern vorkommende schwere Gesundheits­ störung, die bes. bei Kindern kurze Zeit nach dem Abstil­ len als Folge einseitiger kohlenhydratreicher und eiweiß­ armer Kost auftritt. Auch Mangel an anderen Nährstof­

fen (Magnesium, Kalium) wirkt mit. K. ist ein -* Mehl­ nährschaden. Krankheitszeichen: Zurückbleiben des Längen­ wachstums, Ansammlung von Gewebswasser unter der Haut und in der Bauchhöhle, Blutarmut, Leberschwel­ lung, Entstehung einer Fettleber, anhaltende Durchfälle, Pigmentierungsstörungen in Haut und Haaren, Muskel­ schwund u. a. Schwere Fälle führen häufig zum Tod. Vorbeugung: Verbesserung der Ernährung (eiweißund mineralstoffreiche Nahrung), der hygien. Situation (Bekämpfung von Parasiten und Infektionskrankheiten, Trinkwassersanierung). Die Unterrichtung der Mütter spielt eine wichtige Rolle! Kwaß, russ. Volksgetränk; man läßt 1 1 Wasser, 80—100 g geröstetes Brot, 3-5 g Zucker, Hefe und Mehl 2 Tage gären. K. ist alkoholarm und nahrhaft. Kymographie [grch. kyma >WellearbeitenScheibeBlattWolle< und oleum >Ö1KnalltraumenVerletzungverborgen seinSeitekünstl. Leber< gibt, die Heilungsaussichten oft we­ niger günstig. (-»Transplantation, -»Organspender) Leberzirrhose, Leberverhärtung, Schrumpf­ leber, fortgeschrittene, diffuse, chron. Erkrankung der

Leber. Nach meist langdauernden entzündl. oder toxi­ schen Vorgängen haben — Nekrosen zu einem Untergang des Leberzellgewebes mit nachfolgender Wucherung und Vermehrung des Bindegewebes geführt, dadurch wird der eigtl. Leberzellanteil (-»Parenchym) vermindert. Durch die bindegewebige Narbenbildung hat die normalerweise glatte Leberoberfläche bei der L. eine fein- bis grobhöckrige Oberfläche. Die Häufigkeit der L. ist in der Bundes­ rep. Dtl. unter Schwankungen in Zunahme begriffen.

Leberzirrhose: Sterblichkeit infolge L. in der Bundesrep. Dtl. (pro 100000 Einwohner), unten Alkoholkonsum in Liter reinem Alkohol berechnet pro Kopf der Bevölkerung nach J. Ch. Bode, 1981)

oben

1956 starben jährlich 13,7, 1968:24,1 und 1980: 26,6 von 100000 Einwohnern an L. Männer erkrankten doppelt so häufig wie Frauen. Die häufigste Ursache der L. dürfte chron. Alkoholismus (-► Alkoholgenuß) sein. Die Zu­ nahme der Zirrhosehäufigkeit hat sich parallel mit der Zu­ nahme des Alkoholverbrauchs pro Kopf der Bevölkerung entwickelt, die Häufigkeit der L. ist unter Alkoholikern 6—8 mal größer als bei der Durchschnittsbevölkerung. Das Risiko der Entstehung einer L. ist nach überstande­ ner -»Hepatitis wesentlich geringer. Auch eine nicht ausgeheilte chron. Gallengangsent­ zündung (-»Cholangitis) sowie eine Reihe seltener

Leib Stoffwechselerkrankungen (z. B. -»Bronzediabetes, -»Speicherkrankheiten) können zur L. führen. Krankheitszeichen. Bei der inaktiven Form können typische klin. Erscheinungen fehlen. Die Diagnose wird u. U. zufällig gestellt. Die Anfangssymptome sind uncha­ rakteristisch: Müdigkeit, Leistungsverminderung, Appe­ titstörungen, Verdauungs- und unklare Oberbauchbe­ schwerden mit Völlegefühl, im weiteren Verlauf gelegent­ lich mäßig stark ausgeprägte -»Gelbsucht. Häufig ma­ chen erst Komplikationen der weiter fortgeschrittenen Er­ krankung auf deren Bedrohlichkeit aufmerksam, z. B. schnell zunehmende-» Bauchwassersucht, Blutungen aus -► Ösophagusvarizen. Behandlung: Eine einmal eingetretene L. ist nicht mehr rückbildungsfähig, sie kann jedoch bei konsequen­ ter dauernder Alkoholenthaltung und sorgfältiger ärztl. Überwachung oft jahrelang in kompensiertem Stadium gehalten werden. Lecithine, Lezithine, -»Lipoide. Lederhaut, 1) Korium, Teil der -»Haut. 2) Sklera, Teil des -»Auges. Lederhautkrankheiten, 1) Entzündung der Leder­ haut des Auges; oberflächlich als Episkleritis in Form rasch auftretender, abgegrenzter entzündl. Knoten, meist mit Beteiligung der darüberliegenden Bindehaut, in tiefe­ ren Schichten als Skleritis mit rotbläul. Verfärbung und Anschwellung. Die Krankheit ist schmerzhaft, langwierig und neigt zu Rückfällen. Nach Abheilung kann infolge Verdünnung des Lederhautgewebes die Gefäßhaut dun­ kel durchscheinen. Ursachen sind Erkrankungen des rheumat. Formen­ kreises, selten ist die L. Symptom der Syphilis. Behandlung: Wärme, Augensalbe, Allgemeinbe­ handlung des Grundleidens. 2) angeborene Pigmentablagerungen in der Lederhaut, meist bedeutungslos; man muß jedoch ihre Vergrößerung wegen der Möglichkeit bösartiger Entartung (-»Augen­ geschwülste) beobachten. Leerdarm, Jejunum, Teil des Dünndarms (-► Darm). Leeuwenhoek [1'e:vanhu:k], Antoni van, niederländ. Naturforscher, ♦ Delft 1632, febd. 1723, entdeckte mit selbstgefertigten Mikroskopen u. a. die Blutkörper­ chen und verschiedene lebende Mikroorganismen.

einer Kriegsteilnehmerorganisation (>American LegionGesetzKunstkunstgerechte< den! Für die Diagnose sind folgende Fragen wichtig: 1) (nach den Regeln der Kunst) durchgeführte Behandlung. Wo ist der Ausgangspunkt der Schmerzen? 2) Sind diese Legionärskrankheit, längere Zeit ursächlich unge­ örtlich beschränkt oder über größere Teile des Bauchs klärte Form einer Lungenentzündung, die nach schwe­ ausstrahlend? 3) Werden die L. als ziehend, stechend, rem epidem. Verlauf oft tödlich endet. Erreger ist ein brennend oder krampfartig empfunden? 4) Sind Blähun­ stäbchenförmiges (Durchmesser: 0,3—0,9 pm, Länge: gen abgegangen? 5) Besteht Durchfall oder Stuhlverstop­ 2,0—3,0 um), gramnegatives Bakterium (Legionella fung? 6) Ist Erbrechen vorausgegangen? Besondere Vorsicht ist bei L. der Kinder geboten; bei pneumophilia). Bisher sind 7 Arten der Familie Legionellaceae bekannt. Aus ökolog. Sicht ist der Erreger in die stärkerem Schmerz, großer Unruhe oder Fieber ist der Außenweltkeime einzuordnen (Gewässer, Erdboden). In Arzt zu rufen. Behandlung: Bis zum Eintreffen des Arzts Bettruhe mehreren Fällen ist Übertragung durch Kühlluft aus Kli­ maanlagen nachgewiesen. Die Namengebung des Erre­ einhalten, nichts essen und nichts trinken. Vorsicht mit gers geht zurück auf die Tatsache, daß 1976 beim Treffen örtl. Wärmeanwendung, auch wenn diese als angenehm 469

Leib empfunden wird. Patient aber warm zudecken, Wärmfla­ sche an die Füße. Fieber messen. Keine schmerzstillenden Arzneimittel einnehmen, da hierdurch für den Arzt das Krankheitsbild verschleiert wird. Bei dem leichten harm­ loseren L., der einem unangenehmen Druckgefühl ähnelt und keine alarmierenden Begleiterscheinungen aufweist, soll v. a. für Stuhlgang gesorgt werden. Mit dem Stuhl­ gang gehen auch versetzte Winde ab. Weiter ist ein Diät tag einzulegen, an dem nur Haferschleim, Apfelsaft, Pfeffer­ minztee, trockener Zwieback oder Knäckebrot gegessen werden. Leib-Seele-Problem, die Frage nach den Formen und Gesetzmäßigkeiten der Verknüpfung von seel. und körperl. Erscheinungen. Unter den verschiedenen Model­ len, die zur Erklärung seel. Einwirkungen auf körperl. Vorgänge entwickelt worden sind, nimmt die -^-Konver­ sion einen bedeutenden Platz ein. Als bahnbrechend er­ wies sich dabei die neugefundene Wirkung unbewußter Vorstellungsinhalte für die körperl. Symptombildung und -wähl. Der Konversionsablauf bleibt jedoch, wie das L.-S.-P. überhaupt, so lange ein vornehmlich theoret. Be­ griff, bis es gelingt, jene psychophysiolog. und psychochem. Prozesse zu erkennen, die der psychosomat. Wech­ selbeziehung zugrunde liegen. Erst nach Erforschung die­ ser Vorgänge ist eine gezielte Annäherung in Richtung der Lösung des »Sprungs vom Psychischen in das Somatische< zu erwarten, die dann auch praxisbezogene diagnost. wie therapeut. Schritte ermöglicht. Für das derzeitige praktisch-ärztl. Handeln stellt die psych. Dimension der -►Krankheit den zentralen Inhalt des L.-S.-P. dar. Leibwickel, -» Packung. Leichdorn, das-»Hühnerauge. Leiche, Leichnam, der tote Körper eines Lebewe­ sens. Nach dem Erlöschen des Lebens treten Veränderun­ gen ein, die als L.-Erscheinungen bezeichnet werden. Bei Warmblütern und beim Menschen kühlt sich der Körper ab (Leichenkälte), das Blut gerinnt, die Muskeln werden starr (Totenstarre), das Blut senkt sich der Schwere nach, wodurch an den tiefgelegenen Stellen rotblaue Flecken der Haut (Totenflecke) entstehen. Später folgen Zeichen der Auflösung (-»Todeszeichen). Die Organe weichen auf; am reinsten ist die Auflösung (Mazeration) bei den im Mutterleib keimfrei abgestorbenen Früchten zu beobach­ ten. Sonst wird sie meist durch die auf anaeroben Prozes­ sen beruhende -»Fäulnis vermehrt und damit verdeckt. Diese beruht auf der Tätigkeit von Fäulnisbakterien, die auf der Haut und im Darm immer vorhanden sind, die aber erst die toten Gewebe angreifen können, die keinen Sauerstoff enthalten. Die Fäulnis ist gekennzeichnet durch schmutzige Verfärbungen, Fäulnisgeruch und Auf­ treten von Fäulnisgasen. Geht die Zersetzung bei reichl. Zufuhr von Luftsauerstoff vor sich, so spricht man von -♦Verwesung, bei der Oxidationen die Hauptrolle spie­ len. Etwa vorhandene Krankheitserreger können sich in der Leiche längere Zeit lebensfähig erhalten, so daß bei der L.-Öffnungeine vorhandene Infektion weitergegeben werden kann (-► Leichenvergiftung). Die bei der Fäulnis entstehenden Produkte (Ptomaine) können allein nicht schaden, wohl aber in Kombination mit anderen, bes. anaeroben Krankheitserregern; ein spezif. Leichengift gibt es nicht. Das Fortschreiten der Fäul­ nis ist von Feuchtigkeit und Wärme abhängig. Nach der üblichen Erdbestattung verlangsamen sich die Zerset­ zungsvorgänge, wobei neben den Fäulnis- und Verwe­ sungsvorgängen tier. Lebewesen (Fliegenlarven, Faden­ würmer, Käfer u. a.) sowie Schimmelpilze mitwirken. Bei manchen Vergiftungen (Arsenik u. a.) kann die Zerset­ zung gehemmt werden. Bei L. Erwachsener sind in durch­ schnittlich 2-3 Jahren die Weichteile verschwunden, während die festeren Bänder und Knorpel 5 Jahre und mehr standhalten. Die Knochen können später austrock­ nen und viele Jh. lang erhalten bleiben. Je nach Bodenart, Feuchtigkeit u. a. ist das Zeitmaß der Zersetzung verschie­ den. Unbestattete L. können bei bewegter, sehr trockener und warmer Luft ohne stärkere Fäulnis eintrocknen (Mu­ mifikation). In Mooren können versunkene L. durch die fäulniswidrigen Humussäuren lange Zeit erhalten blei­ 470

ben. Auch durch Einbalsamieren läßt sich die L. vor Fäul­ nis schützen und konservieren. Leichenbestattung darf erst 3 Tage nach Eintritt des Todes sowie nach Ausfertigung eines Totenscheins (-►Leichenschau) durch einen Arzt erfolgen. Bei Erdbe­ stattung liegt die Oberkante des Sargs mindestens 90 cm unter Erdgleiche. Bei Feuerbestattung, die ausschließlich in einem Krematorium durchgeführt werden darf, werden Leiche und Sarg in einer Kammer durch Zufuhr heißer Luft verbrannt, wobei eine nicht zerstörbare Kennummer eine Verwechslung von Asche oder Urne ausschließt. Leichengift, -►Leiche. Leichen|öffnung, Autopsie, Obduktion, Sek­ tion, erfolgt zur Feststellung der Todesursache und zur

nachträgl. Erkennung von Krankheiten durch einen Arzt; wird in patholog. Abteilungen von größeren Krankenan­ stalten durchgeführt, bei berechtigtem Interesse auch ge­ gen den Willen eines Verstorbenen oder seiner Angehöri­ gen. Immer sollte an die Möglichkeit einer Organspende (-►Organspender) gedacht werden. Die Ergebnisse die­ nen in hohem Maß der ärztl. Forschung, aber auch der Ge­ richts- und Versicherungsmedizin. Eine gerichtl. L. findet beim Strafprozeß statt, wenn die Todesursache bei Verdacht eines nicht natürl. Todes nicht durch bloße Leichenschau festgestellt werden kann. Sie wird nach §§ 87—91 StPO im Beisein des Richters und ei­ nes Protokollführers durch 2 Ärzte vorgenommen, unter denen sich ein Gerichtsarzt befinden muß. Der Arzt, der den Verstorbenen unmittelbar vor dem Tod behandelt hat, darf der L. beiwohnen, sie aber nicht vornehmen. Leichenschau, die Feststellung des Todes durch ei­ nen Arzt. Dieser stellt hierüber den amtl. Leichenschein (Totenschein) aus, der von den Angehörigen dem Stan­ desbeamten vorgelegt und von diesem an das Gesund­ heitsamt weitergeleitet wird. Die L. soll die Bestattung Scheintoter verhüten und verhindern, daß gewaltsam ums Leben gekommene Personen vor der Feststellung der To­ desursache begraben werden. Die L. dient auch der Auf­ stellung einer Todesursachenstatistik. Leichenvergiftung, Leichen|infektion, die In­ fektion mit aus Leichen stammenden Erregern von Infek­ tionskrankheiten oder Anaeroben, die durch kleine Haut­ wunden (z. B. Schnittverletzung bei Sektionen) eindrin­ gen können. Es kommt dadurch zu Lymphgefäß- und Lymphknotenentzündungen; die Infektion kann auch zu schweren Phlegmonen führen, mitunter, je nach der Ge­ fährlichkeit der übertragenen Erreger, sogar tödlich ver­ laufen. Rechtzeitige Anwendung von Antibiotika kann die früher sehr gefährl. L. verhindern. Leiden, 1) seel. (Leid)oder körperl. -»Schmerz, meist von größerer Dauer und Tiefe; kann durch äußeres Geschick (persönl. Katastrophen, Zukunftssorgen, menschl. Verluste) oder durch (seel. oder organ.) Krank­ heit verursacht werden und durch ständige Beschwerden, von Unbehagen bis zu anhaltenden Schmerzen, gekenn­ zeichnet sein. Neben Krankheits- und Schmerzbehand­ lung stellt die persönl. Bewältigung des L. einen wesentl. Beitrag zu dessen Überwindung und zur Persönlichkeits­ reifung dar. 2) -»Krankheit. Leidensdruck, bedrückendes Gefühl einer als Last empfundenen inneren oder äußeren Beeinträchtigung; meist bestehen seel. Ursachen mit Minderwertigkeitsge­ fühlen, Versagensängsten, die zu chron. Deprimiertheit führen; aber auch körperl. Mängel oder organ. Krank­ heiten können einen L . erzeugen, einerseits durch die Furcht, von den Mitmenschen nicht mehr voll anerkannt zu werden, andererseits durch die Sorge vor Symptomver­ schlimmerungen und Unheilbarkeit, auch in Anklage des persönl. Geschicks. Wesentl. Hilfe können eine verständ­ nisvolle Umwelt, tragende persönl. Beziehungen, ggf. Psychotherapeut. Behandlung bieten. Leim, Gelatina alba, wasserlösl. Klebstoff in farb­ losen durchsichtigen Tafeln; offizinell wird L. für die Herstellung von Arzneikapseln verwendet (Gelatinekap­ seln), in die schlecht schmeckende oder schlecht riechende Arzneimittel verarbeitet werden.

Leis Lein, Flachs, Linum usitatissimum, zu den Lein­ gewächsen (I.inaceae) gehörende krautige Pflanze, zur Gewinnung von Flachsfasern und Leinsamen kultiviert. Die getrockneten reifen Leinsamen enthalten etwa 25% Eiweiß, 30-40% fettes öl, Schleimstoffe, Pektin, Blau­ säureglykoside; Verwendung v. a. innerlich gegen Ver­ stopfung. Das durch kaltes Pressen der Samen gewonnene fette Leinöl enthält eine je nach Herkunft unterschied!. Zusammensetzung an ungesättigten Fettsäuren, Linol-, Linolen-, öl- und Palmitinsäure. Anwendung: Heilpflan­ zen, Übersicht. Leishmaniasen, Leishmaniosen n. dem brit. Tropenarzt W. B. Leishman, * 1865,1 1926], durch Gei­ ßeltierchen der Gattung Leishmania verursachte Krank­ heiten, deren Vorkommen auf warme Länder beschränkt ist. Die 2-4 gm großen Erreger, die im menschl. Körper unbcgeißclt sind, leben im Zellinneren (intrazellulär) und vermehren sich durch Teilung. Die Übertragung erfolgt durch kleine Stechmücken (Schmetterlingsmücken, Phle­ botomen), in deren Magen sich die Parasiten begeißeln, vermehren und innerhalb 1 Woche zur lnfektionsreife entwickeln. Für den Menschen krankheitserregende Leishmanien kommen auch bei Tieren vor (Hunde, Na­ ger). In bestimmten Gebieten stellen solche Tiere gefährl. Erregerrcservoircdar, von denen eine Übertragung durch Phlebotomen auf den Menschen möglich ist. Beim Men­ schen treten die L. in 3 Krankheitsbildern auf. 1) Kala-Azar, Eingcweide-L., Erreger: Leishmania donovani. Verbreitung: Tropen und Subtropen mit unter­ schied!. Häufigkeit, bes. Mittelmeerraum, Indien. Nach einer Inkubationszeit von einigen Tagen bis zu einigen Monaten kommtcszuallmähl. Fieberanstieg, zunehmen­ dem Kräfteverfall sowie einer dunkelgrauen Hautverfär­ bung (Kala-Azar, indisch >schwarze Krankheit Steinkind). Lithotripsie, Litholypaxie, Zertrümmerung von Steinen, v. a. Blasensteinen, meist auf dem Weg durch die Harnröhre mittels Steinzange; in neuerer Zeit auch durch elektrohydraul. Stoßwellen. (-► Nierensteinzertrümme­ rung). Littlesche Krankheit [litl-, n. dem engl. Arzt W. J. Little, * 1810, 11894], -»infantile zerebrale Kinderläh­ mung. livid(e) [lat. lividus >bleifarbigblau■ Lungenoperationen). Lobeli|e, Lobelia inflata, zu den Glockenblumen­ gewächsen (Campanulaceae) gehörende, bis 60 cm hohe Pflanze in warmgemäßigten Klimazonen, bes. in Nord­ amerika. Die gegen Ende der Blütezeit gesammelten, ge­ trockneten oberird. Teile (Lobeli|enkraut) enthalten u. a. reichlich Alkaloide (hauptsächlich Lobelin mit Wirkung auf das Atemzentrum). Anwendung: Heilpflanzen, Übersicht. Lochi|en Mz., der Wochenfluß (-»Wochenbett). Lochtest, 1) Hemmhoftest, Laboratoriumsverfahren zur Empfindlichkeitsprüfung von Krankheitserregern ge­ genüber Sulfonamiden und Antibiotika in lochförmigen Nährböden. 2) Prüfung des zentralen Sehens mit Hilfe einer Loch­ brille zur differentialdiagnost. Unterscheidung, ob eine organ. oder funktionelle (Refraktionsanomalie) Augen­ erkrankung vorliegt. Locus minoris resistentiae [lat. >Ort des gering­ sten Widerstandst, ein Organ, Organteil oder bestimmte Körpergewebe, die einem Krankheitsprozeß eine gerin­ gere Widerstandskraft entgegensetzen, als es bei voller Gesundheit der Fall wäre. Z. B. ist eine geschädigte Leber der L. m. r. bei Alkoholgenuß. Löffel, scharfer L., ein Chirurg. Instrument; als lin­ sen- bis markstückgroßer scharfrandiger L. mit festem Griff vielfach zum Auskratzen von Weichteil- und Kno­ chenhöhlen, aber auch von oberflächl. Hautgeschwülsten gebraucht; mit gefenstertem Endstück und langem Stiel (Kürette) zur -»Ausschabung der Gebärmutter verwen­ det. Löffelkraut, Cochlearia officinalis, zu den Kreuz­ blütern (Cruciferae) gehörende, bis 30 cm hohe, krautige Pflanze in warmgemäßigten Klimazonen auf salzhaltigen Böden. Das von Mai bis Juni gesammelte, getrocknete Kraut enthält reichlich Vitamin C und bis zu 0,3% äther. Öl. Anwendung: Heilpflanzen, Übersicht. Logasthenie, Sprach- oder Sprechstörung, bei der die Wörter verdreht oder auszusprechen vergessen wer­ den; bei nervösen Störungen oder bei -»Aphasie. Logopäde, Medizinberuf, der bei der Heilung von Stimm- und Sprachgestörten, bes. Kindern, mitwirkt. Die Berufsbezeichnung wurde durch Bundesgesetz v. 7.5.1980 geschützt. Die Erlaubnis zu deren Führung setzt i. d. R. abgeschlossene Realschulbildung oder eine gleich­ wertige Ausbildung sowie eine 3jährige theoret. und prakt. Ausbildung an hierfür staatlich anerkannten Schu­ len für Sprachheilkunde (Logopädie) voraus. Logorrhö, krankhaft ungehemmter, häufig unzu­ 478

sammenhängender Redefluß, Symptom bes. bei Alters­ demenz, sensor. -»Aphasie und Psychosen (Paranoia, Schizophrenie); Ggs.: -» Aphrasie. Logotherapie, auf der -► Existenzanalyse (V. E. Frankl, * 1905) aufgebaute Psychotherapeut. Methode zur Behandlung von seel. Störungen. Sie zielt auf die Ak tivierung der >noetischen< (das Erkennen betreffenden) Schichten der Persönlichkeit, um den Patienten in die Lage zu versetzen, den Sinn seines Daseins zu finden und sich dadurch von den neurot. Fehlhaltungen zu befreien. Wesenti. Verfahren sind die paradoxe Intention (Patient soll das anstreben, was er fürchtet; bes. bei Phobien) und die De|reflexion (Patient soll stärker den Mitmenschen er­ leben als sich selbst und eigene Unvollkommenheiten ak­ zeptieren; bes. bei neurot. Zwängen). Lokalanästhesie, örtl. Betäubung, -»Anästhesie. Lokalisation [von lat. locus >OrtStelleSferics< (-» Atmospherics) über die ganze Erde, die als Störwellen im

Rundfunk bekannt sind und denen man möglicherweise auch biolog. Wirkungen zuschreiben muß. Obwohl die luftelektr. Erscheinungen in ihren Grund­ lagen zum großen Teil erforscht sind, ist man sich über ihre biolog. Wirkungen, die Arbeitsgebiet der Elektro­ bioklimatologie sind, noch nicht klar. Bes. haben die zahl­ reichen Versuche, die Wetterabhängigkeit vieler Krank­ heiten (-» Wetterkrankheiten) auf das luftelektr. Gesche­ hen zurückzuführen, bisher zu keinem eindeutigen Ergeb­ nis geführt, da die luftelektr. Vorgänge eng, im einzelnen aber recht unübersichtlich, mit den anderen meteorolog. Erscheinungen verflochten sind. Dagegen haben diese Versuche den Anstoß zur Entwicklung der -»Ionentherapie gegeben, bei der die Luft künstlich mit Ionen gleicher Ladung angereichert und vom Kranken eingeatmet wird. Nach den bisherigen Erfahrungen sind heilsame Wirkun­ gen auf Blutkreislauf und Nervensystem anzunehmen. Die verwendeten lonenkonzentrationen übersteigen aber die natürlich vorkommenden um das mehr als Hundertfa­ che; ebenso sind biolog. Wirkungen künstl. Wechselfel­ der im günstigen (Kurzwellentherapie) wie im ungünsti­ gen Sinn (>SenderkrankheitHilusdrüsent, hinziehen.

Freßzelle elastische Faser

der Lunge. Bei der Entstehung der L. werden verschiedene Mechanismen biochem. und genet. Art wirksam. Sie füh-

Lung ren zu einer nicht rückbildungsfähigen Erweiterung der Lufträume aufwärts von den kleinsten Endbronchiolen (Bronchiolae terminales) infolge Überdehnung bei chron. Husten oder Zerstörung der Wandstruktur der Lungen­ bläschen. Dieser Zustand bewirkt eine Verminderung der Gasaustausch fläche und damit Störungen in der Atem­ funktion. Die chronische (diffuse) L. ist ein krankhaftes Zu­ standsbild, das sich durch Jahre hindurch entwickeln kann. Die Diagnose, bes. im Frühstadium, ist sehr er­ schwert, kann aber durch Röntgenbild und -► Lungen­ funktionsprüfungen auch schon zu diesem Zeitpunkt ge­ stellt werden. Leitsymptom ist die Atemnot (Dyspnoe), die im späteren Stadium immer stärker auftritt und schließlich auch schon in Ruhe besteht. Die L. ist oft von einer chron. Bronchitis und Herz-Kreislauf-Störungen (Überlastung der rechten Herzkammer) begleitet. Man unterscheidet nach Krankheitsverlauf und Konsti­ tutionstyp der Kranken: 1) den Emphysem-Typ von asthen. Körperbau (normal bis untergewichtig) mit schlankem Brustkorb und -»Tropfenherz. Bei diesem Typ besteht in Ruhe relativ ge­ ringe Atemnot, die sich jedoch schon bei kleiner Bela­ stung deutlich steigert. Die Gesichtshaut ist rosig-blaß, gelegentlich treten Herzbeschwerden auf; 2) den Bronchitis-Typ von mehr pyknischem Körper­ bau (meist übergewichtig). Im Vordergrund stehen der ständige Husten und Auswurf, anfallsweise stärkere Atemnot, bes. bei Belastung, deutl. Zyanose des Gesichts (Blausucht), Herz-Kreislauf-Störungen. Mit fortschreitendem Verlauf sind die sich dann ver­ mischenden Krankheitszeichen der Typen 1) und 2) nur durch genaue klin. Untersuchung und Funktionsprüfun­ gen zu unterscheiden, um eine gezielte Behandlung durch­ führen zu können. Meist sind Personen im Alter von 40—60 Jahren, Männer häufiger als Frauen, und bes. Rau­ cher betroffen. Die chron. L. gehört zu den -»obstruktiven Lungen­ krankheiten, da Störungen in der Atemventilation wie bei der chron. Bronchitis das Krankheitsbild beherrschen. Die Behandlung richtet sich auf die Hemmung eines Fortschreitens des Leidens und entspricht derjenigen bei chron. Bronchitis (-► Bronchialkatarrh). Die Prognose ist stark vom Zeitpunkt des Behandlungsbeginns abhängig. Frühzeitig einsetzende Behandlung kann einer zu erwar­ tenden Thoraxstarre vorbeugen. Von der chron. obstruktiven L. sind zu trennen: die pri­ märe Alters-L., bei der es zur Überblähung der Lungen in­ folge von Verlust der elast. Fasern im Lungengewebe kommt. Abzugrenzen sind ferner akute, vorübergehende Zeichen einer L. bei Bronchialasthma wie auch die örtl. Lungenausdehnungsformen in der Umgebung von narbi­ gen, schrumpfenden Lungenbezirken (Narbenemphy­ sem), die kompensator. (ergänzende) Lungenausdeh­ nung nach operativen Eingriffen an der Lunge, isolierte Emphysemblasen sowie andere die Lungenfunktion be­ treffende Veränderungen des Luftvolumens. Lungenbluten, das Aushusten von Blut, das aus den Lungen stammt (-► Bluthusten). Lungenbrand, die -» Lungengangrän. Lungen|egelkrankheit, Paragonimiasis, eine durch Saugwürmer (Trematoden) der Gattung Paragonimus verursachte, auf warme Länder beschränkte Krank­ heit. Natürl. Endwirte sind Haustiere und freilebende Säugetiere. Menschl. Erkrankungen kommen vereinzelt oder endemisch im trop. Afrika, in Südamerika, am häu­ figsten in SO-Asien vor. Die 7—12 mm langen, kaffeeboh­ nenförmigen Würmer leben in der Lunge. Die Eier gelan­ gen mit Auswurf oder Kot ins Freie. Die aus dem Ei schlüpfende Larve muß zur Weiterentwicklung zunächst in eine Süßwasserschnecke eindringen. Nach einem Reifungs- und Vermehrungsprozeß verlassen die Larven (Zerkarien) die Schnecke und suchen bestimmte Krebs­ tiere auf, in denen sie sich in Zystenform ansiedeln. Beim Verzehr dieser Flußkrebse nimmt der Endwirt die Parasi­ ten auf, die vom Darm aus durch die Bauchhöhle und das Zwerchfell in die Lunge (seltener in Gehirn, Haut, Mus­ kulatur oder andere Organe) wandern. 31-

Beim Menschen äußert sich die L. durch chron. Husten und blutigen Auswurf. Das Allgemeinbefinden ist kaum beeinträchtigt. Komplikationen oder Todesfälle treten nur beim relativ seltenen Befall des Gehirns auf. Eine Behandlung der L. ist heute chemotherapeu­ tisch möglich. Die Vorbeugung besteht im Verzicht auf den Genuß rohen Fleisches von Süßwasserkrebsen in trop. Ländern. Lungenlembolie, Gefäßverschluß im arteriellen Lungenkreislauf durch einen verschleppten Blutpfropf (Thrombus), seltener durch Luft, Fett, Fremdkörper (-» Embolie). Bei Verschluß des Stammes der Lungenarte­ rie oder der Hauptäste kommt es schlagartig zu schweren Herz-Kreislauf-Störungen und Schockzuständen, oft mit Todesfolge. Bei vollständigem Verschluß kleinerer Äste der Lungenarterien oder bei unvollständigem Verschluß größerer Gefäße kann der Kranke überleben. Die kleinen, nicht massiven L. treten meist gehäuft und mit Rückfällen auf, wobei es infolge der ständigen Über­ lastung der rechten Herzanteile zur Entwicklung eines -►Cor pulmonale kommen kann. Vorwiegend betroffen sind ältere, lange Zeit bettlägerige Personen, bes. mit Herzinsuffizienz, Kranke nach schweren Infektions­ krankheiten und größeren Operationen sowie Krebs­ kranke; bei jüngeren Altersgruppen sind v. a. Frauen mit Beckenvenenthrombosen während oder nach der Schwangerschaft bedroht. Eine Komplikation der L. ist der -» Lungeninfarkt, der meist durch Fieber gekenn­ zeichnet ist. Das klinische Bild der L. gestaltet sich je nach Umfang, Anzahl und Ort derembolischen Vorgänge. Bei leichteren Formen ist die L. oft schwer von anderen akuten und subakuten Lungenkrankheiten abzugrenzen. Man unter­ scheidet Verlaufsformen mit oder ohne Schock. Die typ. Krankheitszeichen sind die plötzl. Atemnot, starker ein­ seitiger Brustkorbschmerz, auch mit Ausstrahlung in den Arm, Rücken und Oberbauch, so daß die Abgrenzung ge­ genüber einem Herzinfarkt erschwert ist. Dazu kommen Pulsbeschleunigung, Schweißausbrüche, Unruhe und starkes Angstgefühl. Schon bei Verdacht auf L. muß der Betroffene möglichst schnei) in eine entsprechende Inten­ sivstation oder Chirurg. Abteilung eingewiesen werden. Der weitere Verlauf ist vom Ausmaß der L. abhängig. Die Überlebensaussichten bessern sich, wenn mit Hilfe der Intensivmaßnahmen die ersten Stunden überstanden wurden. Je nach Sitz des Embolus kann ein operativer Eingriff lebensrettend sein. Bei leichteren Formen der L. besteht die Behandlung bei Kranken ohne Schock in Verhütung weiterer Embo­ lien durch blutgerinnungshemmende Mittel (Antikoagu­ lantia) oder auch in der Anwendung von blutgerinnselauf­ lösenden Medikamenten. Bei -»Schock sind besondere Maßnahmen erforderlich. Bei lange Zeit Bettlägerigen, Frischoperierten, Patien­ ten mit Erkrankung des Gefäßsystems (bes. Venenthrom­ bosen) werden — bei stationärer Behandlung ohnehin meist routinemäßig — vorbeugende Maßnahmen getrof­ fen (frühes Aufstehen, kontrollierte Bewegungsübungen durch Krankengymnastik) und blutgerinnungshemmende Mittel verabreicht. Lungen|emphysem, die -► Lungenblähung. Lungen|entzündung, Pneumonie, alle entzündl. Prozesse des Lungengewebes, die durch verschiedene Ur­ sachen, meist Infektionen, ausgelöst werden, wobei die pathologisch-anatom. Reaktionsvorgänge hauptsächlich im Raum der Lungenbläschen (Alveolen) stattfinden und weniger das Lungengerüst (Interstitium) betreffen. Die L. kann als lobäre oder kruppöse Pneumonie (-►kruppös) kleinere oder größere Lungenabschnitte (Segment, Läppchen, Lungenlappen) betreffen oder sich als -»Bronchopneumonie begrenzt und herdförmig mit Beteiligung der kleinen Bronchien entwickeln. Trotz großer Fortschritte der letzten Jahrzehnte in der antibakteriellen Behandlung und starkem Rückgang der Mortalität nimmt die L. weiterhin zu, bes. in den Alters­ gruppen zwischen 20 und 50 Jahren. Ferner sind die Neu­ geborenen und Kleinkinder sowie die Altersgruppen über 60 Jahre auch heute noch gefährdet, wobei die L. am häu­ 483

Lung figsten als Begleitkomplikation anderer Erkrankungen auftritt. Die bisherigen Vorstellungen über die (morpholog.) Einstufung und Unterscheidung der L. nach der Ausdeh­ nung und dem patholog. Bild haben sich in neuerer Zeit geändert. Die L. wird heute nach ursächl. Faktoren klassi­ fiziert. Man unterscheidet allgemein die als selbständige Erkrankung entstandenen primären L. von den sekundä­ ren Formen, die durch eine andere, vorausgegangene Er­ krankung im Lungensystem begünstigt werden. Zu den primären L. zählen die bakteriellen und durch andere Mi­ kroorganismen wie Mykoplasmen und Viren ausgelösten Formen. Die sekundären L. können sich oft entwickeln bei Kranken mit Zirkulationsstörungen der Lungen (Stauung, Ödem, Infarkt), mit Veränderungen in den Bronchien (Bronchialkatarrh, bes. die chron. Form, Bronchiektasen, Neubildungen), bei lange Zeit bettlägeri­ gen Patienten mit verminderter Abwehrkraft (z. B. Krebs­ kranke), als Aspirationspneumonien (-»Aspiration) bei Verschlucken und durch Mischinfektionen mit anaero­ ben Keimen. Die bakteriellen L. werden meist durch Pneumokokkuskeime, seltener durch andere grampositive Strepto­ kokken und Staphylokokken, oder auch durch gramne­ gative Bakterien wie Klebsiellen, Haemophilus und Legionella pneumophilia (-* Legionärskrankheit) hervorge­ rufen. Die >klassische< Pneumokokkenpneumonie tritt ausgedehnt in einem oder mehreren Lungenlappen (Lap­ penpneumonie) auf, zeigt einen charakterist. klinischen Verlauf und ist häufig auch von einer Rippenfellentzün­ dung (Pleuropneumonie) begleitet. Sie beginnt mit Schüt­ telfrost, hohem Fieber, Brustschmerz, Husten; ihre volle Entwicklung kann bei schnellem Einsetzen einer entspre­ chenden Antibiotikatherapie verhindert werden. Die ent­ zündl. Lungenveränderungen bilden sich schnell zurück. Komplikationen wie Lungenabszeß und Rippenfellverei­ terung sind heute selten geworden. Gefahr besteht bei zu schwacher oder zu starker Dosierung der antibakteriellen Mittel. Bes. bei Alkoholikern und Kranken mit abge­ schwächter Abwehrkraft kann es dann zu verzögerter Rückbildung, Fibrosierung und Schrumpfung des ent­ zündl. Lungengewebesund auch zu Rückfällen kommen. Einen schweren Verlauf zeigen L., die durch gramnega­ tive Krankheitserreger hervorgerufen werden; dazu gehö­ ren bes. die sekundären, im Krankenhaus übertragenen Formen (Hospitalismus). Der wahrscheinlich häufigste Erreger der L., der etwa 30—40% aller Erkrankungen verursacht, ist das gram­ negative Mykoplasma pneumonie, das in der mikrobiolog. Klassifizierung zwischen Bakterien und Viren einge­ ordnet wird. Befallen werden bes. junge Erwachsene und Kinder. Der klin. Verlauf ist mild mit schleichendem Be­ ginn, Vorboten sind Entzündungen der oberen Luftwege. Die langsame Temperatursteigerung führt schließlich zu hohem Fieber. Charakteristisch sind heftige Kopfschmer­ zen, v. a. im Stirnbereich. Der Frühverdacht dieser Er­ krankung kann auch durch den Röntgenbefund bei Ab­ grenzung gegen andere Verdichtungen, wie bei Tuberku­ lose und flüchtigen Infiltraten oder Neubildungen, bestä­ tigt werden. Ergebnisse durch serolog. Untersuchungen sind dagegen erst nach 2—3 Monaten erreichbar. Die Pro­ gnose ist gut. Komplikationen sind selten; meist kommt es (auch ohne Antibiotika) innerhalb von 3—4 Wochen zur vollen Genesung. Der Erreger reagiert auf Antibiotika der Tetracyclin- und Erythromycingruppe bes. empfindlich. Die Viruspneumonien treten i. d. R. epidemisch auf. Reine Viruspneumonien sind selten: Da Viren als häufig­ ste Erreger von Erkrankungen der oberen und mittleren Luftwege Schrittmacher bakterieller Entzündungspro­ zesse sein können, kommt es häufig zu Mischformen. Bei Neugeborenen und Kleinkindern sind die Adeno- und RSViren die häufigsten Erreger, sie führen zu einem schwe­ ren Krankheitsbild. Anfangserscheinungen sind Frö­ steln, Kopf- und Gliederschmerzen, hartnäckiger Hu­ sten, allmähl. Temperaturanstieg. Weitaus häufiger sind Influenzaviruspneumonien, die meist in Form einer herd­ förmigen Bronchopneumonie auftreten. Außer wenigen schweren Formen dieser Art der L. zeigen die reinen Virusinfektionen i. d. R. einen leichten Verlauf, ähnlich dem 484

der Mykoplasmapneumonie. Die reinen Virusinfektionen sind resistent gegen Antibiotika. Nur wenn es zu einer zusätzl. bakteriellen Infektion (Mischform) kommt, ist die Behandlung mit Antibiotika anzuwenden. Alle bakteriellen L. haben eine akute Anfangsphase und verlangen Bettruhe. Dieantibiot. Behandlung muß der Art der Erreger (Keimbestimmung im Auswurf) ange­ paßt sein. Wenn die Erregerbestimmung nicht gelingt, kann ein Breitbandantibiotikum eingesetzt werden. An­ dere ergänzende Behandlungsmaßnahmen müssen sich nach dem Einzelfall richten. Wichtig ist die sorgfältige Überwachung von Herz und Kreislauf, um einer durch toxische Bakterien verursachten Herzinsuffizienz recht­ zeitig zu begegnen. Die schweren Formen der L. sollten grundsätzlich stationär behandelt werden. Lungen|erweiterung, die -»Lungenblähung. Lungenfell, der die Lungenoberfläche überkleidende Teil des -*Brustfells. Lungenfibrose, Vermehrung des Bindegewebes in der Lunge, die als herdförmig umschriebene Erscheinung möglicher Endzustand aller chronisch-entzündl. Lungen­ krankheiten ist. Dabei können auch immunolog. Reak­ tionen im Lungengerüst (Interstitium) auslösend wirken. Die L. verläuft chronisch schleichend, aber auch mit aku­ ten entzündl. Schüben (pneumon. Herdbildung), Atem­ not, Zyanose und Lungenfunktionsstörungen. Die Dia­ gnose kann durch das Röntgenbild, notfalls durch Probe­ biopsie gestellt werden. Die diffuse L. ist wesentlich selte­ ner und wird durch zahlreiche Faktoren verursacht. Oft finden sich Zusammenhänge mit Berufskrankheiten (Asbesterkrankungen, Farmerlunge). Die L. ist ein gefährl., zu Invalidität und häufig zum Tod führendes Leiden. Lungenfunktionsprüfungen, wichtige Hilfs­ methoden zur Bestimmung der respirator. Funktion der Atmungsorgane, zur Messung der Atmungsparameter, der Ventilation (-► Lunge), der Diffusion (Austausch von Sauerstoff und Kohlendioxid) und -» Perfusion. Dadurch können allgemeine Funktionsstörungen oder gestörte Teilgebiete der Lunge erkannt werden. Durch entsprechende Messungen und graph. Aufzeich­ nungen lassen sich verschiedene Atemgrößen bestimmen: Die Atemmechanik durch -» Spirographie, wobei mit dem einfachen Spirometer die -► Vitalkapazität und die expirator. -» Sekundenkapazität als wichtigste Funktionsergeb­ nisse erfaßbar sind. Weiter können durch spezielle Spirographen (Glockenspirometer, Pneumometer usw.) zu­ sätzlich auch das durchschnittl. Atemzugvolumen, die Atemfrequenz und, mit Hilfe von Gasmischtechniken (Heliumanalysator), noch das Residualvolumen (die nach Ausatmung verbleibende Restluft) gemessen werden. Durch die -»Spiroergometrie wird gleichzeitig das Lei­ stungsverhalten von Herz, Kreislauf und Atmung beur­ teilt. Alle spirograph. Methoden sind von der Mitarbeit der untersuchten Person abhängig. Im Ggs. zur Spirographie ermöglicht die Ganzkörper­ plethysmographie eine von der Mitarbeit der untersuch­ ten Person unabhängige Prüfung des Atemwiderstands (Resistenz) und Messung des gesamten Gasvolumens in­ nerhalb des Brustraums. Der Meßvorgang bei dieser ge­ naueren, aber auch aufwendigeren Methode wird in einer geschlossenen Kabine durchgeführt. Gemessen werden die Druckschwankungen der Luft in den Lungen, die spie­ gelbildlich zu den Druckverhältnissen im abwechselnd komprimierten und dekomprimierten Thorax auftreten. Sie werden gleichzeitig mit der am Mund gemessenen Atemstromstärke aufgenommen (-»Pneumotachogra­ phie); damit werden der Strömungswiderstand in den Atemwegen registriert und kurvenmäßig die Meßgröße des Gasvolumens ermittelt. Die Lungenelastizität und Atemarbeit können zusätzlich durch die Druckmessung in der Speiseröhre, kombiniert mit Spirographie, be­ stimmt werden. Die weiteren respirator. Funktionen (Gasaustausch in den Lungen, d. h. die Diffusion) werden durch Messung der Diffusionskapazität für Kohlenmonoxid geprüft. So können auch die arteriellen Blutgase (in der Ruhe und un­ ter Belastung) berechnet und bestimmt werden. Ein nied-

Lung riger Sauerstoffpartialdruck beweist einen gestörten Gas­ austausch in der Lunge. Weitere, mehr gezielt auszufüh­ rende Methoden, die vorwiegend den Fachkliniken Vor­ behalten bleiben, sind: die Bestimmung der regionären Verteilung der Lungenzirkulation (Perfusionsszinti­ gramm), die Druckmessung in der Pulmonalarterie und die Überprüfung der Atemmuskulatur durch ein Elektro­ myogramm. Lungen|gangrän die, Lungenbrand, das bran­ dige Absterben eines Teils der Lunge, entsteht wie ein -►Lungenabszeß, wenn Fäulniserreger an der Entzün­ dung beteiligt sind. Die Prognose des L. ist ernst, die Be­ handlung mit Antibiotika hat jedoch die Heilungsaus­ sichten wesentlich gebessert. Lungengeschwülste, vom Lungengewebe ausge­ hende Neubildungen. Man unterscheidet gutartige und bösartige L. Zu den relativ seltenen gutartigen L. gehören Neubildungen von langsamer Entwicklung, die begrenzt bleiben (kein infiltrierendes Wachstum, keine Metasta­ sen). Sie gehen von verschiedenen Gewebearten aus und werden entsprechend klassifiziert, z. B. als Polypen und Adenome, bei Überwucherung der Schleimhaut und Bronchialdrüsen als Osteochondrome (Knochen- oder Knorpelgewebe), als Fibrome und Neurofibrome (Binde­ gewebe, Neurozellen) sowie Lipome (Fettgewebe). Häufiger sind die bösartigen L., die sich durch schnelles Wachstum, Infiltration und Metastasenbildung auszeich­ nen und bei Fortschreiten zu allgemeinem Körperverfall führen. Zu den bösartigen L. gehören das Bronchialkarzi­ nom, das Alveolarzellkarzinom (der eigtl. Lungenkrebs) und das seltener auftretende Lungensarkom, eine bös­ artige Bindegewebsneubildung. Die L. können lange Zeit symptomlos bleiben. Die Dia­ gnose erfolgt oft durch Zufall bei einer Röntgenuntersu­ chung. Eine wichtige Hilfsmethode ist die Bronchosko­ pie, auch zusammen mit einer Probeexzision für die zytologisch-histolog. Untersuchung. Zur Entstehung der L. -► Krebsgeschwülste. Klinischer Verlauf und Behandlung -► Lungenkrebs. Lungen|induration, die -* Lungenschrumpfung. Lungen|infarkt, umschriebener, durch mangelnde Blutversorgung entstandener Gewebszerfall in der Lunge, immer die Folge einer Lungenembolie. Durch diese entsteht zunächst ein weißer L., die völlige Blutleere des hinter dem Embolus liegenden Lungenabschnitts. Durch Rückfluß aus den gestauten Venen der Nachbar­ schaft tritt sekundär Blut in die Lungenbläschen ein, es entsteht ein roter L. Die Folge ist ein scharf begrenzter ke­ gelförmiger Verdichtungsherd, dessen Spitze an der Stelle des Blutpfropfs und dessen entgegengesetzte Abgrenzung nach dem Brustfell zu gelegen sind. Entweder erfolgt vollkommene Rückbildung des L., oder es bleibt ein Schrumpfungsherd mit Kalkeinlagerung zurück, sofern es nicht bei nachfolgender Infektion zur Bildung eines -► Lungenabszesses gekommen ist. Die Be­ handlung entspricht den Maßnahmen bei -»Lungen­ embolie, bei zusätzl. Entzündung denen bei -»Lungen­ entzündung. Lungenkollagenosen, eine dem -»rheumatischen Formenkreis zuzuordnende Lungenerkrankung. Sie be­ trifft als Systemerkrankung kein einzelnes Organ, son­ dern kann mit unterschiedlichen patholog. Veränderun­ gen im Gewebe oder einer Zellart, die in verschiedenen Or­ ganen vorkommt, auftreten. Bei der >Kollagenkrankheit< sind die Elemente des Bindegewebes betroffen. Die Ursachen der -» Kollagenosen sind unbekannt. Bei der L. kommt es zu zerfallenden und schrumpfenden Pro­ zessen im Bindegewebe der Lungen, die häufig auch das Bindegewebssystem der Gefäße, der Bronchien, des Lungengerüsts (Interstitium) wie auch des Rippenfells (Pleura) einbeziehen. Die Lungenbeteiligung zeigt sich in Atemnot, Husten, manchmal Thoraxschmerzen, blutigem Auswurf, Mü­ digkeit, Temperatursteigerung. Auch Krankheitszeichen anderer Organe treten auf, z. B. Hautveränderungen (Ausschläge, Verdickungen) und Gelenkbeschwerden. Die Nieren können ebenfalls beteiligt sein.

Im Verlauf einer fortschreitenden chron. Gelenk­ krankheit werden die L. als >Rheumalunge< mit Knöt­ chenbildung beschrieben: Es kommt zur Fibrosierung im Lungengerüst (-»Lungenfibrose), auch mit Rippenfell­ entzündung (Pleuraerguß). Man findet die L. außerdem als Begleiterkrankung bei -» Sklerodermie (Bindegewebs­ veränderungen der Haut und Unterhaut) und bei der Schmetterlingsflechte (-» Erythematodes). Eine schwere Form der L. stellt die Wegenersche Gra­ nulomatose dar, bei der sich geschwürartige Granulome (Herde) im Nasen-Rachen-Raum, in den oberen Luft­ wegen wie auch in den Lungen bilden. Auch die seltene Systemerkrankung des Gefäßgewebes der Arterien und der Venen, die Pan | arterijtis nodosa, wobei auch das Bin­ degewebe der Arterien und der Venen beteiligt ist, tritt zu­ sammen mit einer L. auf. Die Prognose der L. ist ernst, Spontanrückbildungen kommen nur gelegentlich vor. Die Behandlung erfolgt stationär mit Medikamenten der Corticosteroidgruppe. Lungenkollaps, das Zusammenfallen eines Teils (Segment, Lappen) der Lunge oder des ganzen Lungen­ flügels durch Veränderung der physiolog. Druckverhält­ nisse im Brustraum mit Aufhebung des Unterdrucks zwi­ schen den Brust- und Lungenfellblättern (Absinken des Pleuradrucks). Ein solcher Zustand entsteht z. B. durch einen Lungenriß (Emphysemblase, Lungenfistel). Es kommt zum Spontan- oder Ventilpneumothorax (Luft­ ansammlung im Pleuraraum), meist mit Ergußbildung in der Brusthöhle. Die Kollapstherapie durch einen künstl. -»Pneumo­ thorax spielte früher bei der Behandlung der Lungentu­ berkulose eine große Rolle; die Ruhigstellung der Lunge sollte zur Vernarbung und Schließung der Abszeßhöhlen und Kavernen beitragen. Lungenkrankheiten, funktionelle Störungen der Atmungsfunktion und organ. Erkrankungen der Lunge, die das Lungengewebe selbst, das Bronchial-, aber auch das Lungengefäßsystem betreffen; auch das Rippenfell (Pleura) und der Mittelfellraum (Mediastinum) können einbezogen sein. Durch die Fortschritte in der Lungendiagnostik (Rönt­ genuntersuchungen, Tomographie, Sonographie, Lun­ genfunktionsprüfungen) sowie bes. infolge der stark ver­ besserten Heilungsaussichten durch die Chemotherapie der Lungentuberkulose hat sich in den letzten Jahren, nicht zuletzt unter der Verbesserung der Umweltverhält­ nisse in den zivilisierten Ländern, die Verteilung der L. wesentlich gewandelt. Die wichtigsten L. sind nach wie vor die verschiedenen Formen der -»Lungenentzündung, die immer noch bei Kindern und älteren Personen als gefährl. Krankheit an­ zusehen ist, ferner die chronisch obstruktiven L., zu de­ nen der chron. -»Bronchialkatarrh, die -* Lungenblä­ hung und das -»Bronchialasthma gehören. Wenn auch die -► Lungentuberkulose nach dem 2. Weltkrieg stark zu­ rückgegangen ist, so ist sie doch immer noch wegen ihres unterschied!. Verlaufs und der Gefährdung geschwächter (älterer oder unterernährter) Menschen zu den wichtigen Infektionskrankheiten zu zählen. Von zunehmender Bedeutung sind die im Mittelpunkt neuerer Forschung stehenden Krebsgeschwülste der Lunge (-»Lungenkrebs), wobei bes. den Umwelteinflüs­ sen und dem -»Rauchen eine auslösende Funktion zuge­ schrieben wird. Weniger verbreitet, aber wegen des oft schwerwiegen­ den Verlaufs wichtig, sind die früher selten erkannten -►Lungenfibrosen, die zu Vernarbungen im Lungenge­ rüst führen können, ferner die Beteiligung der Lunge bei Systemkrankheiten, zu denen die -► Lungenkollagenosen und die -► Lungensarkoidose gehören. Als Zweitkrank­ heiten sind zu nennen die -»Lungenembolie und das -►Lungenödem. Parasitäre L. (-► Lungenparasiten) und Pilzkrankheiten der Lunge (-► Lungenmykosen) sind im europ. Raum selten anzutreffen; sie bedürfen aber im Zeitalter des Ferntourismus durchaus der Beachtung. Die Behandlung der L. richtet sich nach der jeweili­ gen Ursache. Zur allgemeinen Therapie gehören Rauch­ verbot und Ausschaltung anderer Inhalationsschäden, 485

Lung

Lungenkrebs: Röntgenaufnahme der rechten Lunge. links Normalbefund, rechts Krebsgeschwulst (Pfeil); Darstel­ lung des Bronchialsystems mit Kontrastmittel (Bronchographie)

eine angepaßte Lebensführung mit zweckmäßiger Ernäh­ rung, physikal. Maßnahmen wie Inhalations- und At­ mungstherapie, auch Rehabilitationsmaßnahmen mit Klimatherapie; medikamentöse Behandlung mit schleim­ lösenden, bronchienerweiternden und entzündungshem­ menden Mitteln; bei Zusatzinfektionen gezielte Therapie mit Chemotherapeutika. Oft ist eine Mitbehandlung des durch Veränderungen im kleinen Kreislauf geschädigten Herzen erforderlich. Lungenkraut, Pulmonaria officinalis, zu den Bo­ retschgewächsen (Boraginaceae) gehörende, etwa 20 cm hohe krautige Pflanze in warmgemäßigten Klimazonen. Verwendet werden die getrockneten oberird. Teile. An­ wendung: Heilpflanzen, Übersicht. Lungenkrebs, Lungen-Bronchial-Krebs, Bron­ chialkarzinom, eine bösartige, meist von der Schleim­

haut der Bronchien ausgehende Lungengeschwulst (-► Krebsgeschwülste), die seit den letzten 50 Jahren stetig im Zunehmen begriffen ist. Mit rd. 27% aller Krebstodes­ fälle ist der L. derzeit die häufigste Ursache des Krebs­ todes beim Mann. Der L. wird überwiegend durch Zigarrettenrauchen, d. h. durch die im Zigarettenrauch enthal­ tenen karzinogenen Teerprodukte hervorgerufen; dies ist wissenschaftlich bewiesen. Frauen erkranken seltener als Männer (etwa 1:5). Nachdem jedoch die Frauen sich den Rauchgewohnheiten der Männer weitgehend angepaßt haben, nimmt der L. auch bei Frauen stetig zu. So wird an­ genommen, daß die Frauen z. B. in den USA etwa seit 1983 gleich häufig an L. erkranken werden wie Männer. Kennzeichen für die L. ist ein anfangs oft als Rau­ cherkatarrh verkannter Husten mit schleimigeitrigem, ge­ legentlich blutigem Auswurf. Später kommt es zu einem oft als Lungenentzündung mißdeuteten wochenlangen Fieber mit Brustschmerzen. Behandlung: Rechtzeitig erkannt, ist Heilung durch Resektion eines Lungenlappens oder Lungenflügels mög­ lich. Insgesamt jedoch ist die Rate der 5-Jahresheilung ge­ ring. Die relativ beste Prognose hat der Stachelzellen­ krebs, die schlechteste der kleinzellige Lungenkrebs. Lungenmykpsen, durch Pilze hervorgerufene Er­ krankungen der Lungen, meist entzündl. Charakters. L. entstehen durch Einatmen von Pilzsporen, die aber auch auf dem Blut- oder Lymphweg ins Körperinnere ver­ schleppt werden können. Ihr Auftreten im europ. Raum ist infolge der für eine Infektion ungünstigen klimat. Be­ dingungen relativ selten. Krankheitsauslösend können Fadenpilze (Erreger der Aspergillosen) und Sproßpilze (Erreger der Kandidamy­ kosen) sein. Die seltene Form der Lungenaspergillose be­ fällt vorwiegend Personen mit herabgesetzten Abwehr­ kräften oder nach langdauernder Behandlung mit Immunsuppressiva; auch die langdauernde Anwendung 486

mancher Antibiotika oder ionisierender Strahlen kann die Abwehrfähigkeit vermindern. Eine sekundäre Form der L. kommt etwas häufiger vor, z. B. bei der Lungentuberkulose in Form einer zusätzl. In­ fektion tuberkulöser Kavernen. Auch Lungenabszesse, Bronchiektasen und das chron. Lungenemphysem kön­ nen zusätzlich mit L. infiziert werden. Die Lungenasper­ gillose ist manifestiert durch das Aspergillom, eine tumor­ artige Form der Pilzanhäufung. Die Lungenaspergillose entwickelt sich langsam, zunächst weitgehend symptom­ arm, bis es zu chron. Husten, auch mit blutigem Auswurf und Fieberschüben kommt. Eine weitere häufigere Form der L. ist die Aspergillose des Bronchialsystems, die meist im Zusammenhang mit einem schweren, langdauernden Bronchialasthma auftre­ ten kann. Die exakte Diagnose einer L. erfolgt ausschließlich durch mikroskop. Nachweis charakterist. Pilzsporen im Auswurf oder Bronchialsekret und ergänzend durch den Nachweis spezif. Antikörper mit Hilfe serolog. Untersu­ chungsmethoden. Die Behandlung kann heute mit Spe­ zialpräparaten (Antimykotika) einigermaßen erfolgreich durchgeführt werden, bei ausgedehnten Lungenverände­ rungen, z. B. beim Aspergillom, ist bisweilen ein operati­ ver Eingriff nicht zu umgehen. Eine besondere Form der L. ist die Lungenkandidamy­ kose. Die durch Sproßpilze ausgelöste Erkrankung ist seL ten und entwickelt sich vorwiegend bei kleinen, in ihren Abwehrkräften geschwächten Kindern im Zusammen­ hang mit einer anderen Grundkrankheit. Auch hier kann die langzeitige Anwendung von Antibiotika und immunsuppressiven Präparaten auslösend wirken. Die Lungenaktinomykose ist eine L., die durch Sproß­ pilze der Aktinomyzes-Gattung hervorgerufen wird (-* Strahlenpilzkrankheit). Diese Erreger nehmen eine Zwischenstellung zwischen Bakterien und Pilzen ein. Die Lungenaktinomykose ist meist eine Sekundärerkran­ kung, die durch Keimverschleppung bei einer Aktino­ mykose an anderer Stelle des Körpers, z. B. bei einer Kno­ chenmarkentzündung des Kiefers, hervorgerufen wird. Diese Erregergruppe ist penicillinempfindlich. Die Abgrenzung der L. gegen andere entzündl. Lungen­ erkrankungen ist oft mit erhebl. Schwierigkeiten verbun­ den, aber wichtig, um gezielt therapeutisch vorgehen zu können. Die Behandlung sollte grundsätzlich durch einen Lungenfacharzt erfolgen. Lungen|ödem, ein Zustand, bei dem zunächst das Lungengewebe, schließlich auch die Lungenbläschen mit wäßriger, aus dem Blutserum stammender Flüssigkeit an­ gefüllt sind, wodurch der Sauerstoffaustausch in der Lunge behindert und schließlich aufgehoben wird. Das L. entsteht 1) bei akutem Versagen des linken Her­ zens (z. B. Herzinfarkt, krisenhafte, erhebl. Blutdruck­ steigerung, Herzklappenfehler); dies führt zu ungenügen­ dem Abfluß des Blutes aus der linken Herzkammer und dadurch zum Druckanstieg in den Lungenvenen und -ka­ pillaren (-»Blutkreislauf). Die Folge dieser Druckerhö­ hung ist ein Austritt von Flüssigkeit aus den Kapillaren in Lungengewebe und Lungenbläschen; 2) bei Steigerung der Kapillardurchlässigkeit durch Toxine (z. B. Schlaf­ mittelvergiftung, verschiedene Inhalationsgifte, Phos­ gen, E-605-Vergiftung und bestimmte Allergien) und rasch fortschreitend bei Nierenversagen; 3) seltener bei Schäden im Zentralnervensystem als Gehirndruckfolge (Gehirntumoren, Gehirntraumen). Die Erscheinungen bestehen in schnell zunehmender hochgradiger Atemnot, beschleunigter Atmung, rasseln­ den Atemgeräuschen, die auch ohne Hilfsmittel aus der Distanz wahrnehmbar sind (Distanzrasseln, Distanzrö­ cheln), sowie reichlich dünnflüssigem blutigschaumigem Auswurf. Ein L. tritt häufig auch bei Sterbenden in den letzten Stunden vor dem Tode auf. Behandlung; intensivmedizin. Maßnahmen mit Oberkörperhochlagerung, Injektion schnell wirksamer harntreibender Medikamente (Diuretika), rasch wirken­ der Herzmittel (Digitalis), Sauerstoffatmung und notfalls auch Aderlässen. Lungen|operationen, Chirurg. Eingriffe an den

Lung Lungen; L. sind erst seit der 1904 von F. -»Sauerbruch entwickelten Unterdruckkammer technisch möglich, heute aber durch die einfachere Überdruckbeatmung nach -»Intubation in größerem Umfang durchführbar. Nach Rückgang der Tuberkulose werden L. vorwiegend zur Entfernung bösartiger Geschwülste an Lunge oder Bronchien durchgeführt. Dabei kann die Entfernung ei­ nes Lungenlappens (Lobektomie oder eines ganzen Lun­ genflügels erforderlich sein (Pneumektomie). Letzterer Eingriff gelang erstmalig 1931 dem Chirurgen R. Nissen (* 1896,1 1981). Weitere Gründe für eine L. sind: 1) schwerere Brustkorb- oder Lungenverletzungen nach Unfällen, bes. wenn Fremdkörper aus Brustkorb oder Lunge entfernt werden müssen; 2) Lungengeschwülste verschiedener Art; 3) größere, die Lungenfunktion beeinträchtigende Zy­ sten im Lungengewebe, auch Teile einer einseitigen Wa­ benlunge, raumfordernde Prozesse, z.B. isolierte Rund­ herde unbekannter Ursache oder mit Aspergillommassen (-» Lungenmykosen) gefüllte Höhlen; 4) ausgedehnte Mißbildungen im Bronchialsystem, zu denen auch verschiedene Formen der Bronchiektasen ge­ hören; 5) funktionsbehindernde Verdickungen, Verklebun­ gen und Verschwartungen des Brustfell-Rippenfell­ raums, die mit einer Versteifung und Verschrumpfung ei­ ner Brustkorbseite einhergehen, z. B. als Folgen einer frü­ her durchgeführten Kollapstherapie (-► Lungenkollaps) bei Lungentuberkulose. Die früher häufig durchgeführte Chirurg. Behandlung wegen eines Lungenabszesses oder einschmelzender tu­ berkulöser Veränderungen des Lungengewebes ist seit der gezielten Anwendung von Antibiotika und der Chemo­ therapie der Lungentuberkulose zur Seltenheit geworden. In einzelnen Fällen kann auch ein Chirurg. Eingriff zwecks Entfernung einer dickwandigen Resthöhle (Kaverne) noch angezeigt sein, bes. dann, wenn therapieresistente Bakterien den Kranken weiter gefährden. Die früher häufig ausgeführte -»Thorakoplastik mit partieller oder totaler Entfernung verschiedener Rippen des Brustkorbs, ist eine heute seltener ausgeführte Opera­ tion. Das gleiche gilt für die früher bei der Lungentuber­ kulose wegen der Verklebung des Lungenfellraums durchgeführte Ablösung der Lunge von der inneren Brustwand, der -»Pneumolyse. Heute entfallen auch weitgehend die Maßnahmen, die früher im Zusammen­ hang mit der Kollapstherapie durchgeführt wurden, z. B. die Anlegung eines -»Oleothorax. Eine Kavernendrai­ nage, wie sie früher nach V. Monaldi (* 1899) vorgenom­ men wurde, ist ebenfalls nicht mehr gebräuchlich. Lungenparasiten, von Tier oder Pflanze stam­ mende Schmarotzer (Parasiten), die selbst oder deren Larven auf dem Atemweg oder durch Verschleppung auf dem Blut- oder Lymphweg die Lunge erreichen und dort zu Entzündungen (meist mit Granulombildung) führen. Beim Krankheitsbild einer Lungenparasitose kommt es auch zur Verstopfung von kleinen Gefäßen im Lungen­ kreislauf. Die wichtigsten L.-Krankheiten, die meist in Form ei­ ner Lungenentzündung auftreten, werden durch spezif. Erreger ausgelöst, z. B. durch Pneumocystis carinii, ein Protozoon. Der Erreger befällt Säuglinge, wenn diese durch langdauernde Erkrankung geschwächt sind, oder wenn durch Antibiotika, Immunsuppressiva oder andere chemotherapeut. Stoffe sich die Widerstandsfähigkeit vermindert hat. In außereurop. Ländern kann die Lunge bei der Amö­ benruhr miterkranken (Lungenabszeß). Bei der Bilhar­ ziose kommt es ebenfalls zum Lungenbefall. Auch bei Aufnahme von Eiern der Nematoden-, Trematoden- und Hydastidenwürmer werden die Lungen befallen. Die Krankheitszeichen, die sich schleichend entwickeln, bestehen in Husten, blutigem Auswurf, Atemnot und Fie­ berschüben. Im Röntgenbild lassen sich abgegrenzte Ver­ änderungen mit Verschattung und blasigen Aufhellungen erkennen. Serolog. Untersuchungen können die Dia­ gnose bestätigen. Eine sorgfältige Erhebung der Vor-

geschichte weist auf den möglichen Kontakt mit Tieren (Hund, Schaf, Reh) hin, die als Wirte der Parasiten und damit als Überträger in Frage kommen. Die im europ. Raum vorkommenden Wurmerkran­ kungen führen gelegentlich zu Lungeninfiltraten flüchti­ ger Art. Sie sind Ausdruck eines umschriebenen allerg. Vorgangs und sind mit Hilfe einer Blutbilduntersuchung (Vermehrung der eosinophilen Zellen) leicht zu diagnosti­ zieren und entsprechend zu behandeln. Lungenpest, -»Pest. Lungensarkojidose, Systemerkrankung mit hauptsächl. Beteiligung der Luftröhren- und Bronchiallymph­ knotengruppen und des Lungengewebes. Sie ist eine der wichtigsten, häufigeren Lungenkrankheiten (-»Sarko­ idose). Lungenschrumpfung, Lungeninduration, bin­ degewebige Wucherung mit Narbenbildung als Ausdruck einer nicht vollkommenen Heilung und Rückbildung ent­ zündl. Vorgänge in den Lungen, z. B. nach ausgedehnter Lungentuberkulose. Dabei wird das zerstörte Lungenge­ webe durch nicht funktionsfähiges Narbengewebe mit oft ausgedehnter Verschwartung und Kalkeinlagerung er­ setzt. Die Atmungsfähigkeit ist eingeschränkt, wenn die L. größere Abschnitte umfaßt, bes. wenn eine Verlage­ rung des Mediastinalraumes durch Zugwirkung vorliegt. Innerhalb der L. spielen sich auch Vorgänge der -»Lun­ genfibrose ab. Lungenspitzenkatarrh, ältere, heute nicht mehr übliche Bezeichnung für eine beginnende Lungentuber­ kulose; ihr lag die Annahme zugrunde, daß sich ein tuber­ kulöser Herd zunächst in der Lungenspitze bildet, um sich von dort aus auf andere Lungenabschnitte auszudehnen. Etwa 70% aller Erkrankungen an Lungentuberkulose ge­ hen tatsächlich vom Oberlappenbereich der Lunge aus. Die über der Lungenspitze hörbaren Atmungsgeräusche galten vor Einführung der Röntgendiagnostik als wichtig­ stes Früherkennungszeichen (Initialsymptom) einer tu­ berkulösen Lungenerkrankung. Lungenstauung, -► Stauungslunge. Lungentuberkulose, die häufigste Form der Er­ krankung an -»Tuberkulose, ausgelöst durch einen spe­ zif. Erreger, das Mycobacterium tuberculosis (-»Tuber­ kelbakterien). Krankheitsgeschehen. Die Tuberkelbakterien ge­ langen durch Tröpfchen- oder Staubinfektion mit der Atemluft durch die Luftwege in die Lunge. Dies geschieht meist bei engem persönl. Kontakt mit Ausscheidern (ge­ meinsames Schlafen und Arbeiten in schlechtbelüfteten Räumen, Aufenthalt in überfüllten Verkehrsmitteln u. a.). Besondere Übertragungsmöglichkeiten bietet eine Partnerbeziehung. Werden die Erreger von einer bisher nicht infizierten Person eingeatmet, kann es nach Ansiedlung in der Lunge, meist einige Wochen nach der Infektion, zur Bil­ dung einer entzündl. Reaktion in Form eines Erstherdes (Primärherd) mit gleichzeitiger Schwellung der regionä­ ren Lymphknoten im Lungenwurzelgebiet (Hilus) kom­ men. Dieser Vorgang, der sich zu etwa 70% im Lungen­ oberlappen-Spitzenbereich abspielt, wird als Primär­ komplex bezeichnet. Bei ungefähr 95% aller Erstinfektio­ nen an Tuberkulose sind die Lungen Sitz des Primär­ herdes. Bildung und Verlauf dieser entzündl. Erstreaktion voll­ ziehen sich bei der Mehrzahl der infizierten Menschen un­ bemerkt und zunächst ohne jegl. Krankheitszeichen. Es kommt jedoch bereits in diesem Stadium zu einer Umstel­ lung im Immunsystem, dieTuberkulinreaktion wird posi­ tiv, so daß bereits jetzt eine Tuberkulindiagnostik (-»Tu­ berkulin) stattfinden kann. Klinische Frühzeichen sind kurzfristige leichte Temperatursteigerungen bei allgemei­ nem Unwohlsein; bisweilen finden sich auch Hautreak­ tionen an den Unterschenkeln (-»Erythem) und leichte Gelenkbeschwerden. Der Primärkomplex, der eine initiale Entzündungsreakt ion auf die Ansiedlung der Keime darstellt, kann sich in einigen Wochen zurückbilden und sogar vollständig auflösen; es kann aber auch zu einem granulomatösen 487

Lung

Lungentuberkulose: 1 Gesunde Lunge mit Orientierungsskizze zum Vergleich mit den erkrankten Lungen (2 und 3); a rechte, b linke Lunge, c rechtes, t/linkes Schlüsselbein, ehintere,/vordere Rippen,g Herz,/1 Zwerchfell. 2Tuberkulose-Infiltrat abgeheilten< Herden können zeit­ lich unbegrenzt noch lebensfähige Tuberkelbakterien Zu­ rückbleiben, die unter ungünstigen Bedingungen und im Zusammenhang mit anderen die Körperabwehrmecha­ nismen schwächenden Krankheiten erneut zu einem akti­ ven tuberkulösen Krankheitsgeschehen führen können (Reaktivierung). Alle Personen, die eine positive Tuberkulinreaktion nach der tuberkulösen Erstinfektion aufweisen, sind in diesem Sinn mit dem Risiko einer späteren Neuerkran­ kung belastet; der Umfang dieses Risikos richtet sich nach dem Vorhandensein natürl. oder erworbener Abwehr­ mechanismen. Nur sehr selten und bes. bei starker Virulenz der Tuber­ kuloseerreger und ungünstiger Abwehrlage kann sich, z. B. als Folge der Verkäsung eines Primärherdes mit Ka­ vernenbildung (-► Kaverne) oder auch ausgehend von ver­ käsenden Lymphknoten, das tuberkulöse Krankheitsge­ schehen fortsetzen; die Verlaufsformen sind dann viel­ fältig. Beim Kleinkind und Kind treten die tuberkulösen Ver­ änderungen in den Lungenlymphknoten mehr in den Vor­ dergrund : Einmal eingeschmolzen, brechen sie leichter in die Bronchien ein und entfalten innerhalb des engen Bron­ chialraums ein bisweilen schweres Krankheitsbild. Das tuberkulöse Geschehen innerhalb des Lungenge­ webes selbst zeigt beim Kind wie beim Erwachsenen im all­ gemeinen die gleiche Verlaufsform: Die Aussaat der Bak­ terien erfolgt vom Primärherd aus über die Bronchien (bronchogen), auf dem Lymphweg (lymphogen) oder auf dem Blutweg (hämatogen) auf benachbarte Lungenab­ schnitte zunächst der einen Seite, dann aber auch auf Lymphknoten und die Lunge der anderen Seite, um schließlich auch andere Organe (Organtuberkulose) ein­ zubeziehen. Diese Vorgänge können durchaus bald nach oder un­ mittelbar im zeitl. Zusammenhang mit dem Primärkom­ plex auftreten, wenn es nicht nach einer Zeit der -» Latenz zu den obengenannten Streuungen kommt, die erst nach 488

Monaten oder Jahren als Fortsetzung der tuberkulösen Ersterkrankung sichtbar werden. Die Ansiedlung von Tuberkelbakterien außerhalb der Lungen wird als extrapulmonale Tuberkulose bezeichnet; diese kann u. a. Knochen, Gelenke, Nieren, Geschlechts­ organe und Lymphknoten des peripheren Lymphsystems einbeziehen. Beim Versagen der Abwehrkräfte (z. B. bei älteren Menschen, Zuckerkranken und Geschwulstkranken) kann es durch umfangreiche Streuung bes. virulenter Bakterienstämme, meist innerhalb der ersten 4 Monate nach dem Primärinfekt, selten später (im ungünstigsten Fall noch nach Jahren), zu einem generalisierten Verlauf des tuberkulösen Geschehens mit der Entwicklung einer -»Miliartuberkulose kommen. Im Zusammenhang mit dieser schweren Erkrankung wird bes. eine Beteiligung der weichen Hirnhäute (Meningitis tuberculosa, -*• Ge­ hirnhauttuberkulose) gefürchtet. Diese früher meist tödl. Entwicklungsform der L. kann heute bei rechtzeitiger An­ wendung der Chemotherapeutika geheilt werden. Als postprimäre L. oder Spät-L. wird jene Form der tu­ berkulösen Lungenerkrankung bezeichnet, die nach einer (meist unbekannt lange) zurückliegenden Erstinfektion auftritt. Bei den heute immer häufiger zu beobachtenden relativ späten vermeintl. >Erstinfektionen< (meist erst im Erwachsenenalter) kann man annehmen, daß es sich wahrscheinlich um postprimäre oder Spät-L. handelt. Die klin. Bilder und der Verlauf der genannten Formen der L. zeigen keine wesentl. Unterschiede. In den europ. Industrieländern erkranken heute häufiger ältere Perso­ nen als jüngere, Männer häufiger als Frauen. Die Auffas­ sungen über die Entstehung und Entwicklung der postprimären L. sind umstritten. Man nimmt an, daß das Krank­ heitsgeschehen seine Ursache in der Reaktivierung der al­ ten Initialherde hat, wenn der Abwehrmechanismus des Körpers geschwächt ist und bei Zunahme der Virulenz der tuberkulösen Erreger die Bildung eines frischen Infiltrats (Frühinfiltrat) mit begrenzter Entzündung entstehen kann. Eine zusätzl. Infektion mit dem gleichen Erreger (Superinfektion) kann dabei mitwirken. In den Entwicklungsländern, in denen das Infektions­ risiko noch groß ist, überwiegt offensichtlich bes. die von außen kommende Superinfektion als auslösender Faktor der Spät-L. In Ländern mit geringerem Infektionsrisiko wird die Erkrankung bei höheren Altersgruppen mehr als Folge einer inneren Reaktivierung älterer Herde ange­ sehen.

Lung Der Verlauf der postprimären L. ist vielgestaltig, sie kann sich schleichend, schubweise wie auch akut entwikkeln, sie kann auf Einzelherde begrenzt bleiben, zum Still­ stand kommen oder sich auf breite Lungenabschnitte bei­ der Seiten ausdehnen. Pathologisch-anatomisch ist zu unterscheiden: 1) die akute oder subakute, exsudative (Flüssigkeit ab­ sondernde), vorwiegend entzündl. L., die bei schneller Ausdehnung und, wenn nicht sofort therapeutisch einge­ griffen wird, zur Verkäsung, Höhlenbildung und zu einer käsigen Lungenentzündung führen kann. Diese wurde früher als Lungenschwindsucht bezeichnet; 2) die produktiv-fibrot. L., die mehr schleichend und chronisch verläuft; die entzündl. Vorgänge sind weniger ausgeprägt, der durch Granulombildung gekennzeich­ nete tuberkulöse Prozeß geht oft in Narben- und Schwar­ tenbildung über, nur selten ist diese Form von Verkäsung und Gewebszerfall begleitet; 3) die produktiv-zirrhot. L. Bei dieser überwiegt die Neigung zu starker Bindegewebs- und Schwartenbildung mit Schrumpfung, Verdichtung und Verkalkung des Lun­ gengewebes. Diese morphologisch verschiedenen Gewebsverände­ rungen können gleichzeitig als Mischformen auftreten. Weil eine präzise Trennung der organ. Veränderungen mit den zur Verfügung stehenden Untersuchungsmethoden (Röntgenverfahren) nicht möglich ist, wurde die Ein­ teilung der L. nach diesen Begriffen heute aufgegeben. Auch haben diese morpholog. Gesichtspunkte ihren prognost. Wert seit den Erfolgen der Chemotherapie verlo­ ren, da sie keine Aktivitätsbeurteilung mehr zulassen. Krankheitszeichen der L. und ihr Verlauf sind sehr un­ terschiedlich. Ein Drittel der Erkrankten wird meist zufäl­ lig (früher durch die Röntgenreihenuntersuchungen, die infolge der damit verbundenen erhebl. Strahlenbelastung jetzt nur noch selten durchgeführt werden) erfaßt. In etwa 50—70% der Fälle wird die Krankheit erst dann diagnosti­ ziert, wenn Beschwerden entstehen, wobei die uncharakterist. Krankheitszeichen (oft als harmloser Infekt der At­ mungsorgane gedeutet) die Krankheitserkennung stark verzögern können. Geht die Krankheit im Anfangssta­ dium mit trockenem Husten und Schwächegefühl einher, werden >grippeähnliche< Symptome vermutet. Schmer­ zen im Brustraum entstehen meistens erst dann, wenn es zur trockenen oder feuchten (wäßrigen) -» Rippenfellent­ zündung kommt; die erkrankte Lunge selbst vermittelt keine Schmerzempfindung, da sie keine schmerzleitenden Nervenfasern hat. Bekannt ist ein >maskierter Verlaufs wenn Erscheinungen des Magen-Darm-Kanals, z. B. Ver­ dauungsstörungen, Oberbauchschmerzen, Magen- oder Gallenblasenbeschwerden im Vordergrund stehen. Wenn gleichzeitig Fieber auftritt, wird dann eher an eine typhöse Infektionskrankheit als an eine L. gedacht. Oft entdeckt man bereits ausgedehnte Lungenbefunde bei Menschen, die sich anscheinend gesund fühlen und auch ihrer Arbeit nachgehen. Bei unklaren fieberhaften Erkrankungen sollte immer an eine L. gedacht werden. Dabei ist von besonderer Be­ deutung die Erhebung einer eingehenden Anamnese (Vor­ geschichte), da gerade bei der Tuberkulose die familiäre Belastung eine Rolle spielt; bei entsprechenden Hinweisen sind gezielte Ergänzungsuntersuchungen, bes. die Durch­ führung einer Röntgenuntersuchung der Brustorgane mit Aufnahme, vorzunehmen. Wichtig für die Deutung des Krankheitsverlaufs und die Einleitung der Therapie sind die Begriffe >Aktivität< oder >InaktivitätoffeneSäurelocker< (Gewürze) zu mei­ den sind. Magendurchleuchtung, -»Röntgenuntersuchung. Magenjerweiterung, Gastrektasie, eine über das normale Maß (-»Magenformen) hinausgehende Form­ veränderung des Magens und Dehnung der Magenmusku­ latur. Die unmittelbare Ursache der M. ist stets eine Er­ schlaffung der Magenmuskulatur. Die normalen Magen­ bewegungen hören auf, es kommt zum Tonusverlust (Atonie). Der Mageninhalt bleibt länger als normal im Magen liegen, dadurch treten krankhafte Gärungs- und Zersetzungsvorgänge auf. Auch die von der Magen­ schleimhaut in den Magen ausgeschiedene Flüssigkeit (Magensaft) wird nicht zeitgerecht weitertransportiert; so kommt es zu erheblichen zusätzl. Flüssigkeitsansamm­ lungen. Derartigeaton. Zustände (Magenatonie) sind fast ausschließlich Begleiterscheinungen anderer Grund­ krankheiten, z. B. bei zahlreichen Formen des längerdau­ ernden Kreislaufschocks, aber auch nach schweren, län­ gerdauernden Operationen. Eine akute M. wird (als reflektor. Vorgang) auch bei akuter Bauchspeicheldrüsen­ entzündung sowie im Koma bei der Zuckerkrankheit be­ obachtet. Auch bei sonst gut eingestellten Zuckerkranken kann es gelegentlich zu Entleerungsstörungen des Magens und in der Folge zu einer M. kommen. Das meist psycho­ gen bedingte vermehrte Luftschlucken (Aerophagie) ist keine M. im eigtl. Sinn. Sehr viel ausgeprägter als bei der Atonie kann die M. sein, wenn ein Hindernis am Magenausgang die Entlee­ rung erschwert oder schließlich unmöglich macht (z. B. narbige Verformung bei Zwölffingerdarmgeschwüren oder seltener bei Krebsgeschwülsten im Bereich des Ma­ genausgangs). Krankheitszeichen. Bei leichteren Formen besteht Druck- und Völlegefühl im Oberbauch. Eine längerdau­ ernde Atonie führt schließlich zu häufigem Erbrechen von Speisebrei und großer Mengen von Magensaft. Immer sollte auf Blutbeimengungen (schwärzl. Verfärbung des Erbrochenen) geachtet werden. Die Behandlung richtet sich nach Grundkrankheit, z. B. auf die Beseitigung des Hindernisses. Bei ausgepräg­ ter Atonie (nach Operationen oder nach Bauchspeichel­ drüsenentzündung) Ableiten des Magensaftes durch eine Magensonde, bis der Magen die normale Funktion wieder aufgenommen hat. Intensivbehandlung kann notwendig werden, z. B. bei M. nach Schock. Magenfistel, durch Gastrostomie operativ angelegte Verbindung des Magens nach außen, meist in Form einer Witzel-Fistel (nach F. O. Witzel, * 1856, 1 1915). Nur noch selten angewendetes Verfahren, um einen Patienten, der keine Nahrung über die Speiseröhre aufnehmen kann, ernähren zu können, z. B. im Endstadium eines Speise­ röhrenkrebses; heute wird die künstl. Ernährung durch -► Infusion bevorzugt. Magenformen, die verschiedenen Gestaltbilder des muskulären Magenschlauchs (häufigste Form wieBiLDa), deren unterschiedl. Ausprägung funktionelle, organische oder auch konstitutionsbedingte Ursachen haben können und im Röntgenbild meist leicht erkennbar sind. 1) Angelhakenmagen, i. d. R. die Form des mit Kon­ trastmittel gefüllten Magens beim stehenden schlanken Patienten (BiLDb). 2) Bei fettleibigen (adipösen) Menschen Stierhorn-

form, da der Magen durch Fettansammlung des Gekröses hochgedrängt ist (Bild c). 3) Bei diesem Konstitutionstyp findet sich auch der Kas­ kadenmagen, bei dem das obere Magendrittel eine nach vorn oder hinten zu gelegene Aussackung (Kaskade) auf­ weist (Bild d). Der Kaskadenmagen kann durch Verzöge­ rung des Speisentransports Beschwerden verursachen, die durch Lageänderung (Bauch-, Seiten- oder Rückenlage nach größeren Mahlzeiten) meist zu beheben sind. 4) Veränderung der M. durch äußere Einflüsse (Opera­ tion, Verletzungsfolgen), meist durch Adhäsionen (Ver­ wachsungen), Geschwüre oder Geschwülste hervorgeru­ fen. Dazu gehört der Sanduhrmagen mit sanduhrförmi­ ger Einschnürung meist in Magenmitte bei Narbenzug nach Geschwürs- oder Geschwulstbildung (Bild e); letz­ tere kann erhebliche Formveränderung zur Folge haben bis zu einer stark unregelmäßig begrenzten nur fingerdikken >MagenstraßeK. o.< mit Gefahr des Herzstillstands eintreten. Magenkatarrh, die -»Magenschleimhautentzün­ dung. Magenkrebs, von der Magenschleimhaut ausge­ hende, bösartige Geschwulst. Vor 60 Jahren stand der M. an der Spitze der krebsbedingten Todesfälle. Seither ist er aus nodi ungeklärter Ursache zunehmend seltener gewor­ den, so daß er in der Bundesrep. Dtl. (1982) mit einer Ster­ berate von 18000 Menschen pro Jahr an dritter, in den USA sogar an fünfter Stelle der Krebstodesfälle steht. Magenkrebs: Röntgenaufnahme des Magens nach Kontrastbrei­ füllung. links Normalbefund; rechts Magenkrebs mit handbrei­ tem, unregelmäßig begrenztem Füllungsdefekt (Pfeil), a Magen­ eingang, b Magenausgang

495

c

Magenformen

Mage

2

3

Männer erkranken häufiger als Frauen. Die Ursache des M. ist unbekannt, wahrscheinlich nicht einheitlich. Erwo­ gen werden Besonderheiten der Ernährung, in neuerer Zeit auch Umwelteinflüsse. (-*Krebsgeschwülste) Die ersten Erscheinungen pflegen gering und uncharak­ teristisch zu sein: Druck- und Völlegefühl, Appetitlosig­ keit, Widerwillen gegen Fleisch, Aufstoßen, Erbrechen, zunehmende Blässe und Abmagerung. Bei Verlegung des Mageneingangs oder -ausgangs versuchen Speiseröhre und Magen durch vermehrte schmerzhafte Zusammen­ ziehung den Inhalt durchzupressen. Gelingt dies nicht mehr in genügendem Maß, so sammelt sich Speisebrei vor der Magenenge (Isthmus) an und zersetzt sich. Im Erbro­ chenen können dann mehrere Tage alte Speisereste gefun­ den werden. Frisches rotes oder kaffeesatzähnl. Blut im Erbrochenen oder schwarzes Blut im Stuhl sind verdäch­ tige Hinweise. Bei mageren Kranken kann die Geschwulst durch die Bauchdecke hindurch tastbar sein. Wichtige Untersuchungen zur Erkennung des M. sind Magenaus­ heberung (-► Magensaftprüfung), -»Magenspiegelung, -»Röntgenuntersuchung und -»Sonographie. Behandlung durch Resektion des Magens und aller regionärer Lymphknoten oder -»Gastrektomie. Erfolgt die Operation im fortgeschrittenen Stadium, so sind die Heilungsaussichten gering, weil meist schon -»Metasta­ sen vorliegen. Es kommt daher darauf an, den M. im Sta­ dium des >Frühkarzinoms< zu entdecken. Die Geschwulst wächst anfangs langsam und kann 2-10 Jahre lang in der Schleimhaut verharren, ohne die Muskulatur zu infiltrie­ ren. Gelingt es, die Chirurg. Behandlung in diesem Sta­ dium vorzunehmen, so kann mit einer 5-Jahres-Überlebenszeit von 75-90% gerechnet werden. Allerdings be­ darf es großer Wachsamkeit, um den M. in diesem Sta­ dium zu erkennen, weil die darauf hinweisenden Sym­ ptome spärlich sind. Immerhin gelang es, durch die auch bei uncharakterist. Beschwerden zunehmend angewen­ dete Magenspiegelung in 5—15% aller vorgenommenen Untersuchungen durch gezielte Entnahme verdächtiger Schleimhautproben und ihre mikroskop. Untersuchung ein Karzinom zu entdecken. Ob es sich dabei allerdings noch um ein Frühkarzinom handelt, kann erst am teilent­ fernten (resezierten) Magen entschieden werden. Wichtig ist die -»Vorsorgeuntersuchung bes. gefährdeter Grup­ pen. So ist das Entartungsrisiko bei -»perniziöser Anämie um das 2- bis 21fache, beim operierten Magen< (Magen­ stumpf) um das lOfache und beim >Polypen tragenden Magen< um das 14fache erhöht. Die Annahme, daß sich beim chron. Magengeschwür in 1 —2% der Fälle oder häu­ figer ein M. entwickelt, wird neuerdings bezweifelt. Magenmittel, Stomachika, Arzneimittel, die auf die Magenverdauung und Magensaftabsonderung einen fördernden Einfluß ausüben. Die meisten sind Bittermit­ tel, die den Appetit anregen und die Magensaftabsonde­ rung steigern, wodurch eine verdauungsfördernde Wir­ kung ausgelöst wird. M. werden im allgemeinen eine halbe Stunde vor den Mahlzeiten eingenommen. Offizinelle M. sind die Bittere Tinktur (Tinctura amara) und die Aromatische Tinktur (Tinctura aroma­ tica). Verdauungsfördernd wirken auch bestimmte Ge­ würze, bes. Senf, Ingwer, Pfeffer, Muskatnuß, Zimt, Meerrettich und Salze, (-»appetitanregende Mittel) Magenpförtnerkrampf, Pylorolspasmus, Pylo­ russtenose, eine krampfhafte Zusammenziehung der

♦— Speisebrei

♦——Gallen- und Bauch­ speicheldrüsen­ absonderung

Magenresektion:

Muskulatur am Magenausgang bis zur -»Stenose mit weitgehender Behinderung der Magenentleerung. Man unterscheidet: 1) den M. der Kleinkinder, -» hypertrophi­ sche Pylorusstenose; 2) den M. der Erwachsenen als be­ sondere Form einer krampfhaften Magenausgangsveren­ gung, die sich bes. häufig bei dem immer wieder mit neuer Narbenbildung abheilenden Zwölffingerdarmgeschwür findet; sie ist im Ggs. zu der durch Krebsgeschwülste be­ 1 Schemat. Darstellung des Magen-Darm-Kanals (schraffierte Fläche ist Resektionsausmaß), 2 Tech­ nik Billroth I, 3 Technik Billroth II, 4 Technik Roux-Y; a Einmündungsöffnung von Gallen- und Bauchspeichel­ drüsengang (Papilla Vateri). Die Erhaltung des Zwölf­ fingerdarms ist wegen der für die Verdauung benötigten Säfte von Galle und Bauchspeicheldrüse erforderlich 496

dingten Entleerungsbehinderung des Magens gutartig, kann aber zu erhebl. -»Magenerweiterung führen. Magenresektion, Chirurg. Teilentfernung der unte­ ren 12/3 des Magens einschließlich des Übergangs zum Zwölffingerdarm; 1881 erstmals erfolgreich durchge­ führt von C.T. Billroth (* 1829, f 1894). Nach ihm sind 2 Techniken benannt. Danach wird der Magenrest mit dem Zwölffingerdarm (Billroth 1) oder dem obersten Teil des Dünndarms (Billroth II) vereinigt. Die Technik >Billroth 11 < wird heute mehr und mehr zugunsten der Y-förmi­ gen Dünndarmanastomosierung nach P. Roux (* 1780, 1 1854) aufgegeben. Eine M. wird bes. bei einem durch an­ dere Maßnahmen nicht zu beeinflussenden Magen- und Zwölffingerdarmgeschwür durchgeführt, um den Teil des Magens, der die Magensäure produziert, zu entfer­ nen. Beim Magenkrebs wird heute eher der ganze Magen (-»Gastrektomie) entfernt. Magenrollkur, früher häufig durchgeführte Behand­ lung bei Magenschleimhautentzündung. Unter der Vor­ stellung, die Magenschleimhaut von säurehaltigem Ma­ gensaft zu reinigen und zu beruhigen, mußte der Kranke morgens in nüchternem Zustand je 5 Minuten auf dem Rücken, der linken Seite, dem Bauch, und der rechten Seite liegen und vor jedem Lagewechsel (>Rollenübernatürl. KräftenBerufenböser Geister«, ferner Versuche, Krank­ heiten auf andere Lebewesen oder Gegenstände zu über­ tragen u. a. Diese Mittel sind nicht ungefährlich, weil hier­ auf vertrauende Kranke nicht selten notwendige medizin. Maßnahmen versäumen. Die -» Parapsychologie bemüht sich als wissenschaftl. Disziplin, magische Praktiken auf­ zuhellen. Magnesium, zu den Erdalkalimetallen gehörendes, zweiwertiges Leichtmetall. Seine Verbindungen sind in der Natur weit verbreitet in Mineralien und Pflanzen, z. B. im -»Chlorophyll. M.-Sulfat ist in vielen natürl. Bitter­ wässern enthalten. Der Mensch benötigt M. als Spurenelement; der tägl. Bedarf beträgt 200—350 mg. M.-Mangel führt zu Funk­ tionsstörungen der Nerven und Muskeln. In der Heil­ kunde findet M.-Sulfat als Abführmittel Verwendung. M.-Carbonat und M.-Oxid werden als -»Antazida zur Neutralisation von übermäßig abgesonderter Magensalz­ säure eingesetzt. Magnetfeldbehandlung, der therapeut. Einsatz von niederfrequenten elektromagnet. Feldern, denen der Körper ausgesetzt und deren Wirkung ggf. durch chirur­ gisch implantierte Überträger örtlich konzentriert wird; Anwendung z. B. im Bereich von Knochenbrüchen bei verzögerter Heilungstendenz, Pseudarthrosen oder son­ stigen Wundheilungsstörungen. Ferner wird über Heil­ erfolge bei weiteren Erkrankungen oder nicht ausgeheil­ ten Verletzungen des Stütz- und Bindegewebes sowie bei Neuralgien, Paresen und gynäkolog. Erkrankungen be­ richtet. Die M. befindet sich noch im Stadium der Erprobung. Die bisher festgestellten Heilwirkungen für die angegebe­ nen Indikationen, bes. bei verzögerter Knochenbruchhei­ lung, müssen durch weitere klin. Erhebungen bestätigt und abgesichert werden. Auch die Wirkungsweise ist nicht abschließend geklärt; einige experimentelle Unter­ suchungen sprechen für einen Einfluß durch Wärmewir­ kung. Die künstl. Erzeugung eines Magnetfelds zu therapeut. Zwecken darf nicht verwechselt werden mit dem angeb­ lich vom Körper selbst ausgehenden animalischen -» Ma­ gnetismus. Magnetfeld|diagnostik, die -► Kernspintomogra­ phie. Magnetismus, animalischer M., angeblich vom Organismus ausströmende, ihrem Wesen nach ungeklärte Kraft, die durch streichende Berührung mit der Hand (>magnet. Striche«) wirksam werden soll. Die Lehre vom tierischen M. geht auf F. A. Mesmer (* 1734, f 1815) zu­ rück, der hierauf eine Heilbehandlung gründete (-»Mes­ merismus). Diese Lehre hatte ihre Blütezeit in der Ausgangszeit des 18. und der ersten Hälfte des 19. Jh., war aber schon da­ mals umstritten. Als nachgewiesen wurde, daß der hypnot. Zustand der nach Mesmer behandelten Menschen auch durch monotone Reize herbeigeführt werden kann, wurden zunehmend Zweifel an der Lehre vom M. laut. Später galt sie zwar als überwunden, die Annahme eines >magnet. Fluidums« lebt jedoch noch heute in den Prakti­ ken mancher Heilbehandler weiter, auch in der vielfach 498

angeblich bestätigten Erfahrung, daß manche Menschen >heilende Hände« haben. Mit Hilfe der physiolog. Grund­ lagenforschung des 20. Jh. wurde festgestellt, daß leben­ des Gewebe Ströme und damit auch Magnetfelder er­ zeugt. Diese sind'äußerst schwach (ein 10—100 Millionstel des Erdmagnetfeldes), jedoch kann dieser «Biomagnetismus« aufschlußreiche Informationen über den Funk­ tionszustand von Organen liefern. Heilende Einflüsse werden nach der bisherigen wissenschaftl. Erfahrung in Abrede gestellt; allenfalls sind suggestive Wirkungen an­ zunehmen. Magnetpflaster, nach einem alten japan. (Taiki-) Verfahren hergestellte Heilpflaster, die eine permanente magnet. Stromstärke von 0,05 Tesla (früher 500 Gauß) in das Gewebe abgeben sollen und damit angeblich um­ schriebene Magnetfelder erzeugen; diese sollen die Durchblutung regulieren, die Muskulatur entkrampfen und dadurch schmerz- und spannungslösend wirken. Maiglöckchen, Convallaria majalis, zu den Li­ liengewächsen (Liliaceae) gehörende, bis 20 cm hohe Pflanze mit weißen Blüten und roten Beeren in gemäßig­ ten Klimazonen. Die getrockneten, zur Blütezeit gesam­ melten, oberird. Teile enthalten mehr als 20 verschiedene Glykoside mit digitalis- oder strophantinähnl. Herzwir­ kung. Wie bei allen herzwirksamen Drogen ist exakte, der Herzkrankheit angepaßte Dosierung unter Beachtung der -»Kumulation Voraussetzung des Heilerfolgs. Anwen­ dung: Heilpflanzen, Übersicht. Mais, Zea mays, bedeutende Getreideart, bes. in Mittel- und Südamerika (etwa 21% der Weltgetreide­ erzeugung), überwiegend für Futtermittel verwendet. Das Eiweiß im M. ist geringwertig und der Vitamingehalt nied­ rig, was jedoch nur bei einseitiger Kost zu Mangelernäh­ rung führt (-» Pellagra). Wegen seiner großen Härte ist M. im Haushalt nur schwer zu verarbeiten. Aus den im Han­ del befindlichen M.-Schroten und anderen M.-Nährmit­ teln ist der wertvolle Getreidekeim grundsätzlich entfernt worden. Unreife M.-Kolben von Zucker-M. (Zea mays convar. saccharata), gekocht, mit Butterzusatz oder ge­ braten, sind ein wohlschmeckendes Gemüse (Bild Ge­ treide). M. wird auch für gliadin-(kleber-)freie Backwa­ ren verwendet (-»Zöliakie). Make up [melk Ap, engl. «Aufmachung«] das, dekora­ tive Kosmetik des Gesichts. Seine Aufgabe ist es, die Ge­ sichtshaut zu pflegen, sie vor äußeren Einflüssen zu schüt­ zen und ihr Aussehen zu verbessern. Zum Make up gehö­ ren die Tagescreme als Unterlage, die Tönungscreme oder -flüssigkeit, die verschiedenen, meist gefärbten Kom­ pakt- oder Cremepuder, die verschiedenen Rougetypen, Augenbrauen-und Kajalstift, Wimperntusche, Lidschat­ ten, Eyeliner, Lippen- und Konturenstift. Während des Tages sollte das Make up dezent sein, weil es bei Tageslicht sonst leicht künstlich wirkt; das AbendMake up kann intensiver und auf die künstl. Beleuchtung abgestimmt sein. In jedem Fall sollte das Make up die per­ sönl. Note unterstreichen und mit der Kleidung harmonie­ ren. Mit Hilfe des Make up den Typ verändern zu wollen, führt i. d. R. zu einem ungünstigen Ergebnis. Ausführung. Auf die gut gereinigte Haut von Gesicht und Hals kommt zuerst eine Tagescreme oder Milchemul­ sion als Unterlage, darüber kann eine den Farbton der Haut ausgleichende oder abdeckende Tönungscreme ge­ geben werden. In Höhe des Jochbein-Schläfenwinkels wird etwas Fettrouge dreieckförmig verrieben. Die Au­ genbrauen lassen sich mit einem gut gespitzten Augen­ brauenstift betonen, indem man kleine Striche setzt in der Art, wie die einzelnen Härchen stehen. Hier keinen dicken Strich ziehen! Die Wimpern können mit Wimperntusche hervorgehoben und dabei leicht nach oben gebürstet wer­ den, jedoch darf die Tusche nicht schmieren. Je nach In­ tensität des Make up wird anschließend der Lidschatten in verschiedenen Schattierungen auf das Oberlid aufgetra­ gen sowie der Unter- und/oder Oberlidrand durch Fär­ bung mit dem Kajalstift oder Eyeliner betont. Zuletzt zieht man mit einem Konturenstift die Kontur der Lippen nach und füllt dann die Lippen mit einem zu Rouge, Na­ gellack und Kleiderfarbe passenden Lippenstift farbig aus. Mit einem Hauch Puder in nicht zu heller Farbe ist das

Mala Make up beendet. Vor der Nachtruhe sollte das Make up wieder sorgfältig von der Haut entfernt und eine Nacht­ creme aufgetragen werden. Makro|angiopathie, die Wanderkrankung der grö­ ßeren und großen arteriellen Blutgefäße an Arterioskle­ rose, bes. bei der Zuckerkrankheit. (-»Mikroangio­ pathie) Makrobiotik, die >Kunst, lange zu lebenMiasmen< oder schlechte Lüftet (ital. mala aria), bes. in Sumpfgebieten, als Ursache der M. 1880 entdeckte der frz. Militärarzt und Nobelpreisträ­ ger C. L. A. Laveran(* 1845,1 1922) die Plasmodien im 500

Blut von Erkrankten. 1898 beschrieb G. B. Grassi (* 1854,11925) die Rolle der Anophelesmücken als Über­ träger. Die Kenntnisse über die verschiedenen Plasmodienarten und ihren Entwicklungszyklus stammen aus diesem Jahrhundert. Malazie, krankhafte Erweichung von Gewebsteilen z. B. des Knochens (Osteomalazie, -»Knochenerwei­ chung) oder Knorpels (Chondromalazie). Die M. kann je nach Ort und Ausdehnung schwere Auswirkungen auf Organ- und Gliederfunktion haben. Maldigestion, Störung der Verdauung im Dünn­ darm. Häufigste Ursachen: 1) mangelhafte Produktion oder Sekretion von Verdauungsenzymen, z. B. Mangel an fettverdauender Lipase bei chron. Pankreatitis (-► Bauchspeicheldrüse); 2) Mangel an Gallensäuren bei bestimmten Erkrankungen der Gallengänge und der Le­ ber sowie bei verschiedenen Dünndarmerkrankungen. Krankheitszeichen sind Durchfälle, oft sehr voluminös, Fettstühle, oft schwer vom -► Malabsorptionssyndrom abzugrenzen. Die Behandlung richtet sich nach der Ursache (z. B. ausreichende Gabe von Verdauungsenzymen bei chron. Pankreatitis); situationsangepaßte Ernährung ist erfor­ derlich. maligne, -»bösartig. Malignom, bösartige Geschwulstbildung, wie z. B. das Karzinom. Malleoli, die -»Knöchel. Malle|us, die Tierkrankheit-»Rotz. Malmignatte [-p'ata], zu den Kugelspinnen gehö­ rende Giftspinne (-» Latrodectus). Maltafieber, -»Brucellosen. Malum [lat. malus >schlecht AbsetzenZerfall< der Persönlichkeit. Nach Abklingen einer Krankheitsphase sind die Patienten wieder so wie vor der Krankheit: ausgeglichen (synton) oder ernst-grüblerisch, auch heiter, lebhaft (hypoma­ nisch). Die ersten Erscheinungen treten meist erst im reiferen Lebensalter, manchmal erst- und einmalig zur Zeit der Le­ benswende, also um das 45.-55. Lebensjahr, auf. Viele Kranke zeigen Merkmale pykn. Körperbaus. Eine erbl. Veranlagung, über deren Erbgang nichts bekannt ist, scheint als Vorbedingung unerläßlich. Die Krankheit er­ scheint bevorzugt bei Menschen aus den sozial und kultu­ rell gehobenen Schichten. Die einzelnen Krankheitszu­ stände dauern durchschnittlich 4-6 Monate. Es gibt aber auch Melancholien, die mehrere Jahre dauern und trotz so langer Dauer völlig ausheilen. Die leichteren Formen der Depression können mit nervösen Erschöpfungszustän­ den und Neurosen verwechselt werden. Behandlung mit Neuroleptika, durch die eine Ver­ kürzung der Krankheitsphasen zu erreichen ist, aber keine endgültige Heilung. Klin. Einweisung ist bisweilen wegen der immer wieder drohenden Selbstmordgefahr nicht zu umgehen. Mann, der männl. Erwachsene. Die bestimmenden körperlich-seel. Merkmale des M. ergeben sich wie bei der Frau aus den sich z. T. wechselsei­ tig beeinflussenden, in ihrer Bedeutung unterschiedlich beurteilten Momenten von geschlechts- und individual-

spezif. Eigenart und von soziokulturell geprägten Rollen­ schemata, die von der Geschlechter-, Entwicklungs- und Sozialpsychologie, Sexualwissenschaft und Soziologie untersucht werden. Von der Frau unterscheidet sich der M. genetisch durch das geschlechtsdeterminierende Y-Chromosom. In der embryonalen und späteren Entwicklung führt dies zur Ausbildung der primären und sekundären Geschlechts­ merkmale. Wesentliche körperl. Merkmale sind der gegenüber der Frau im allgemeinen kräftigere Körper- und Knochen­ bau, stärkere Muskulatur und sekundäre Körperbehaa­ rung (Bart), größerer Kehlkopf und tiefere Stimme. Als geschlechtsspezifische psych. Merkmale wurden früher u. a. Rationalität, Willensbetontheit, höhere Gefühls­ konstanz und eine >polygame< Tendenz im geschlechtl. Verhalten angesehen. Heute geht man mehr von der prägenden Funktion gesellschaftlich-kultureller Rollen­ schemata aus. Soziale Stellung und Leitbilder des M. sind in den ver­ schiedenen Kulturen und Gesellschaften sehr unter­ schiedlich und waren erheblichen geschichtl. Wandlun­ gen ausgesetzt. Grundlegend war v. a. in der christlichabendländ. Gesellschaft lange Zeit die durch festgefügte Rollenverteilung verankerte Vorherrschaft des M. Be­ stimmende Leitbilder waren u. a. das Ideal des Ritters, des Höflings, des Gentleman, in neuerer Zeit des dynami­ schen, jugendlich-sportl. Erfolgsmenschen. Im Bürger­ tum kam ausschließlich dem M. die Rolle des Erwerbs, der öffentl. Wirksamkeit in Gesellschaft, Politik und Kultur und der leitenden Autorität und Beschützerfunktion in Ehe und Familie (Kindererziehung) sowie die größere oder alleinige Rechtsfähigkeit zu. Dieser Status wurde auf eine entsprechende, theologisch untermauerte Weltord­ nung und/oder naturgegebene Geschlechtsunterschiede zurückgeführt, unter denen neben der größeren phys. Kraft v. a. eine ausgeprägtere Fähigkeit zu Schöpfer, gei­ stigen Leistungen geltend gemacht wurde. In der Neuzeit, v. a. seit der industriellen Revolution, wurden die Privilegien des M. in Ausbildung, Beruf und öffentl. Leben (später im Rahmen des Feminismus schlag­ wortartig >Phallokratie< oder >Sexismus< genannt) unter dem Einfluß der Frauenbewegung zunehmend abgebaut und eine grundsätzl. Gleichberechtigung erstrebt. Die stärkere Berufstätigkeit der Frau, die auch Zugang zu >männl.< Berufsfeldern und höheren Positionen fand und in ihrem gesellschaftl. Status von der Bindung an einen M. in Ehe und Familie unabhängiger wurde, änderte z. T. auch das traditionelle Rollenbild des M. im Sinn einer Rol­ lenangleichung bei zunehmend gleichartigen Lebensan­ forderungen und der partnerschaftl. Aufgabenteilung bei deren gemeinsam verantworteter Bewältigung. Einseitige Vorteile bestehen für den M. immer noch im Berufsleben (Bezahlung, Karriere). Ausgeprägten Vorrang besitzt er noch in den roman. Ländern, meist noch stärker als in Entwicklungsländern. Manna die oder das, eingedickter süßer Saft aus der Rinde der zu den Ölbaumgewächsen (Oleaceae) gehören­ den Manna|esche (Fraxinus ornus), die im Mittelmeerge­ biet beheimatet ist. Durch Einschnitte in die Stamm- oder Astrinde läßt sich der Saft gewinnen, der an der Luft fester wird. Hauptbestandteil ist Mannit. M. ist ein mildes Ab­ führmittel für Kinder (Sirupus Mannae, teelöffelweise ge­ geben), überwiegend jedoch als Nährboden für Bakterien in der Bakteriologie und zur Herstellung von Kunstharzen u. a. in der Industrie verwendet. Anwendung: Heilpflan­ zen, ÜBERSICHT.

manuelle Medizin, international gebräuchl. Be­ zeichnung für den ärztl. Tätigkeitsbereich, der sich auf die Behandlung schmerzhafter Funktionsstörungen von Wirbelsäule und Gliedmaßengelenken bezieht und sich dabei in Diagnostik und Therapie u. a. spezieller Hand­ grifftechniken bedient. Der Begriff der m. M. deckt sich weitgehend mit dem der -»Chirotherapie. Die m. M. hat sich aus z. T. sehr al­ ten Vorformen der Volks- und Laienmedizin (Knochen­ flicker, Knochenbrecher, -»Chiropraktik, -»Osteo­ pathie) dadurch weiterentwickelt, daß Ärzte sich mit den

503

Maoh

manuelle Medizin: Gezielte Handgrifftechnik zur Behandlung einer Blockie­ rung der 1. Rippe rechts; rechts gezielte Handgrifftechnik zur Behandlung einer Blockierung im Kopfgelenkbereich rechts links

offensichtl. Heilerfolgen dieser nichtärztl. Behandler be­ faßten. Mit Wissenschaft). Methoden wurden überlieferte Hypothesen korrigiert und neue Konzepte entworfen; da­ mit wurde die m. M. in fast allen europ. Ländern in die akadem. Ausbildung eingegliedert. Im Mittelpunkt der Lehre steht der Begriff der >Blockierung■ Monoaminooxi­ dasen. Marasmus, durch schwere Erkrankungen (bösartige Geschwülste, fortgeschrittene Tuberkulose, bösartige Blutkrankheiten u. a.) eingetretener Körperverfall mit schwerster Entkräftung. Im allgemeinen gleichbedeutend mit -»Kachexie. Marburger Bund, Verband der angestellten und be­ amteten Ärzte Deutschlands e. V., 1946 in Marburg ge­ gründet. Er vertritt die mit über 50000 angestellten und beamteten Ärzte inzwischen größte Ärztegruppe, sat­ zungsgemäß auch Medizinstudenten. Der M. B., dessen Repräsentanten in Führungspositionen der Gesamtärzte­ schaft in zunehmendem Maße die ärztl. Berufspolitik prä­ gen, hat für die angestellten und beamteten Ärzte wirt­ schaftlich und rechtlich die gleiche Bedeutung wie die Kas­ senärztliche Bundesvereinigung und die Kassenärztlichen Vereinigungen der Länder für niedergelassene Ärzte. Sitz des Bundesverbandes ist Köln. Marburg-Virus, erstmals 1967 in Marburg bei Men­ schen nach Kontakt mit Affen aus Uganda beobachtet. Das Virus gleicht dem Ebola-Virus, das 1976 im Sudan und in Zaire entdeckt wurde. Es ist ein ätherempfindl., längliches, zu den Rhabdo-Viren rechnendes RNÄ-Virus und läßt sich im Gewebe mit dem Elektronenmikroskop oder indirekter Immunfluoreszenz nachweisen. Das Vi­ rus kann auf Affen, Meerschweinchen, Mäuse und Gold­ hamster übertragen werden. Deutliche Zellschäden wie Zellzerstörung oder Riesenzellbildung treten nicht auf, jedoch Virusansammlungen (Einschlußkörper) im Zy­ toplasma. Übertragungen von Tier auf Mensch oder Mensch zu Mensch kommen durch direkten Kontakt mit Blut, Gewebe, Urin oder Atemwegssekreten zustande. Das Krankheitsbild der Marburg-Krankheit ist gekenn­ zeichnet durch hohes Fieber, nervi. Störungen, Hämor­ 504

rhagien (-»hämorrhagisches Fieber) und Durchfälle. Nach einer Inkubationszeit von 3—8 Tagen kommt es zu Kopf- und Muskelschmerzen, Fieber und Bindehautent­ zündung, nach weiteren 2—3 Tagen zu Übelkeit, Erbre­ chen und Durchfällen sowie zu Verminderungen der Leu­ kozyten und Blutplättchen, gefolgt von einem fleckenund knötchenförmigen Hautausschlag und Blutungen in die Schleimhäute und in Injektionsstellen. Bauchspei­ cheldrüse, Leber und Niere werden betroffen. Bei schwe­ rem Verlauf tritt der Tod ein durch Blutungen, Nierenver­ sagen oder Schock; die Sterblichkeitsrate liegt bei 25%. Die Diagnose läßt sich stellen durch Virus- oder Antikör­ per-Nachweis. Eine spezifische Behandlung ist nicht be­ kannt. Marfan-Syndrom [marf'ä-, n. dem frz. Arzt J. B. A. Marfan, * 1858, T1942], dominant erbl. Bindegewebs­ anomalie mit Übergröße, langen Extremitäten, Gelenk-, Augen- und Herzbeteiligung. Krankheitsbild. Hochwuchs, schlanke, leicht bre­ chende, fragile Röhrenknochen, >Spinnenfingrigkeit< (Arachnodaktylie), >Vogelgesicht< mit hohem Gaumen und Zahnstellungsanomalien, allgemeine Muskelschwä­ che. Sehfehler durch Linsenverlagerung (Ektopie), Lin­ senschlottern infolge Ziliarmuskelschwäche und Konver­ genzschwäche; oft Gefäßerweiterung (Aneurysma) durch Gefäßwandschwäche. Margarine, der Butter ähnl. Streichfett, das aus pflanzl. und z. T. auch aus tier. Fetten hergestellt wird. Das M.-Gesetz von 1897i.d.F.v. 1.7.1975 bestimmt, daß M. mindestens 80% Fett enthalten muß und der Anteil an Milchfett 1 % des Gewichts nicht übersteigen darf. Außer­ dem werden Format, Verpackung und Beschriftung vor­ geschrieben, um Verwechslungen mit Butter zu verhin­ dern. Um Verfälschungen von Butter mit M. zu vermei­ den, muß der M. außerdem ein gesetzlich vorgeschriebe­ ner kleiner Teil Stärke oder Sesamöl zugesetzt werden. Als Fettrohstoff dienen überwiegend Pflanzenöle so­ wie gehärtete, umgeesterte und fraktionierte Fette, bes. aus Soja-, Erdnuß-, Baumwollsamen-, Palmöl und Palm­ kernfett, Kokosfett und Sonnenblumenöl. Einige M.Sorten werden mit tier. Fetten (Waltran) hergestellt. Je nach den verwendeten Fetten und deren Anteil im Ge­ misch lassen sich bestimmte Eigenschaften der M. entwikkeln (z. B. Schmelzverhalten, Streichbarkeit, Gehalt an -►Linolsäure). Als wäßrigen Anteil benutzt man meist mit Reinkultu­ ren von Milchsäurebakterien gesäuerte Magermilch, da hiermit die Aromabildung unterstützt wird. Halbfett-M. enthält statt 80% nur 39—41% Fett. Der stark erhöhte Wasseranteil (etwa 60% statt 20%) wird mit pflanzl. Quellstoffen gebunden. Zur Herstellung von M. werden die geschmolzenen Fette und der wäßrige Anteil nach Zusatz eines Emulga­ tors emulgiert. Zur Geschmacksverbesserung und aus Gründen der Haltbarkeit werden Geschmacksstoffe, An­ tioxidantien, Farbstoffe, Vitamine u. a. zugesetzt. Fär­ bung, Art der Vitaminierung und Zugabe von Konservie­ rungsstoff müssen auf der Packung angegeben werden. Hinsichtlich der Frage nach der gesundheitl. Bedeu­ tung der M. (v. a. gegenüber der Butter) herrscht folgende Auffassung: Nach dem gegenwärtigen Stand des Wissens ist (laut Bundesgesundheitsamt) eine vermehrte Zufuhr einzelner Nahrungsbestandteile, z. B. von Linolsäure (aus linolsäurereicher M.), nicht allgemein zu empfehlen. Dies gilt auch dann, wenn bei überhöhter Zufuhr von Nah­ rungsenergie lediglich ein Austausch von gesättigten ge­ gen mehrfach ungesättigte Fettsäuren erfolgt. Wichtig ist in erster Linie eine Begrenzung des Gesamtfettverzehrs. Maridi-Fieber [n. dem Dorf Maridi im südl. Sudan], Ebola-Fieber [n. dem zentralafrikan. Fluß Ebola], zu den -»hämorrhagischen Fiebern gehörende trop. Viruskrankheit, die 1976 erstmals im südl. Sudan und nördl. Zaire auftrat. Die mit Fieber, Blutungen, Hautverände­ rungen und Organschäden einhergehende Krankheit hat eine Sterblichkeit von etwa 50%. Daneben scheint es leichtere und symptomlose Verläufe zu geben. Eine spezif. Behandlung existiert nicht; Rekonvaleszentenserum hat sich als günstig erwiesen.

Mask Mari|endistel, Frauendistel, Silybum marianum, zu den Korbblütern (Compositae) gehörende, bis

1,5 m hohe, dornige Pflanze in warmgemäßigten Klima­ zonen auf trockenen, sonnigen Böden. Die kleinen, etwa 7 mm großen Früchte enthalten in der Eiweißschicht unter derSchaleden LeberschutzstoffSilymarin; sie werden da­ her medizinisch in erster Linie innerlich bei Leberleiden verwendet. Anwendung: Heilpflanzen, Übersicht. Marihuana, das -► Haschisch. Marknagelung, von G. Küntscher (* 1900,1 1972) eingeführtes Verfahren der operativen Behandlung des -►Knochenbruchs, bei dem nach Aufbohren der Mark­ höhle über einen Führungsdraht ein nach dem Prinzip der elast. Verklemmung genau passender Stahlhohlnagel in den starren Knochen eingeschlagen wird. Durch diese in­ nere Schienung wird eine stabile und frühzeitig bela­ stungsfähige Versorgung des Knochenbruchs erreicht. Eine mögl. Gefahr durch bestehenbleibende Drehinstabi­ lität im Bruchspalt kann durch Verriegelung mit Schrau­ ben vermindert werden (Verriegelungsnagel). Angezeigt ist die M. bei Quer- und kurzen Schrägbrü­ chen im mittleren Drittel von Schienbein- und Oberschen­ kelknochen. Bei anderen Knochenbrüchen gibt es kon­ kurrierende Verfahren, hier muß die M. oft miteinerinne­ ren oder äußeren Fixation (Drahtumschlingung, Schrau­ ben, Gipsverband u. a.) kombiniert werden. Bei Armbrü­ chen wird primär keine M. durchgeführt, jedoch zur Kor­ rektur fehlerhaft verheilter Knochenbrüche oder bei Falschgelenkbildung. Bei der geschlossenen M. wird der Nagel am Oberschen­ kel vom großen Rollhügel aus oder am Unterschenkel vom vorderen Schienbeinkopf aus unter Röntgendurch­ leuchtung und nach Einrenkung des Knochenbruchs in die Markhöhle eingeschlagen. Bei der offenen M. wird nach operativer Freilegung des Bruchspalts der Nagel unter Sicht bei genauer Einstellung der Knochenfragmente eingeschlagen; häufig werden da­ bei zusätzlich stabilisierende Maßnahmen der Knochen­ bruchbehandlung angewendet. Marmelade, dickbreiiges, streichfähiges Fruchtmus, aus frischen oder konservierten Früchten, Obstpulpe oder Obstmark durch Einkochen mit Zucker hergestellt. Häu­ fig werden Zusätze von Obstpektin, Obstgeliersaft, Stär­ kesirup, Zitronen-, Wein- oder Milchsäure verwendet. Es werden Einfrucht-, Mehrfrucht- und gemischte M. unter­ schieden. Obstkonfitüren enthalten im Ggs. zu M. Fruchtstückchen oder ganze Früchte und bestehen nur aus einer Fruchtart. Zusätze von Konservierungsstoffen zur Oberflächenbehandlung und Farbstoffe müssen kenntlich gemacht sein. M. enthalten etwa 50-60% Zucker.

akute, von Hautausschlag beglei­ tete Infektionskrankheit (Bild Infektionskrankheiten), die wegen ihrer leichten Übertragbarkeit überwiegend im Kindesalter auftritt und lebenslängl. -»Immunität hinter­ läßt. Die M. sind weltweit verbreitet, der Durchseu­ chungsindex liegt sehr hoch. Der Erreger ist ein Virus, das zur Familie der Paramyxoviridae gehört; es wird sehr leicht durch Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch übertragen. Ansteckungsgefahr besteht i. d. R. vom vor­ letzten Tag der Inkubationszeit bis zum Beginn des Aus­ schlags. Tiere sind unter natürl. Bedingungen für das M.Virus nicht empfänglich. Die Krankheit beginnt 11 Tage nach erfolgter Anstekkung mit fieberhaftem Katarrh der Luftwege und der Bin­ dehaut. Dieses Vorstadium ist durch Lichtscheu, Schnup­ fen, krampfhaften Husten und die den M. eigentüml. -» Kopiikschen Flecke in der Wangenschleimhaut zu er­ kennen. Es dauert im allgemeinen 3 Tage, worauf unter Zunahme des Fiebers zunächst im Gesicht, dann am Hals, an der Brust und schließlich am ganzen Körper zahlreiche linsengroße, rundl. rote Flecke aufschießen, die an man­ chen Stellen zusammenfließen. Mit dem vollen Ausbruch des Ausschlags beginnt die Temperatur abzufallen, und die Flecke blassen in der Reihenfolge, wie sie aufgetreten sind, wieder ab. In gutartigen Fällen ist der Ausschlag schon am 8. Krankheitstag bis auf Reste verschwunden; manchmal schuppt die Haut kleienförmig. Masern, Morbilli,

Wenn die Bevölkerung, wie im europ. Raum, hochgra­ dig >durchmasert< ist, tritt die M.-Erkrankung relativ harmlos auf. Im Säuglingsalter sind herdförmige Lungen­ entzündungen gefürchtet, die antibiotisch behandelt wer­ den müssen. Gefährlich ist weiter die allerdings seltene M.-Meningoenzephalitis (Hirnhautentzündung). Da die Marmorknochenkrankheit, Albers-Schön- M. die allgemeine Abwehrlage des Patienten schädigen, bergsche Krankheit [n. dem Röntgenologen H. E. Al­ ist das Zusammentreffen mit anderen Infektionskrank­ bers-Schönberg, * 1865, 11921], Schwund der Mark­ heiten, bes. Diphtherie und Keuchhusten, gefürchtet; eine höhle des Knochens durch Ausfüllung mit abnormem fe­ schon bestehende Tuberkulose kann durch die M. ver­ stem Knochengewebe, begleitet von schwerer Blutarmut, schlimmert werden. Schwellung der Milz und Neigung zu Knochenbrüchen. Behandlung: Masernkranke Kinder müssen Bettruhe marode, ursprünglich >marschunfähignatürl. Konserve< Getreidekorn liche antibiot. Wirksamkeit besitzen (Bild Gemüse). An­ mit mehreren Hüllschichten wird durch das Vermahlen wendung: Heilpflanzen, Übersicht. zerstört, wodurch der gesamte Inhalt, bes. wegen des zer­ Meersalz, aus Meerwasser in Salzgärten oder Meer­ kleinerten, fetthaltigen Getreidekeims schnell verderben salinen durch Verdunsten unter Einfluß von Sonne und kann. Ziel des Mahlprozesses ist es deshalb, Keim und Wind oder andere techn. Verfahren gewonnenes, i. d. R. Randschichten des Korns wegen ihrer weniger guten durch fraktionierte Kristallisation gereinigtes Industrie­ Backfähigkeit und dunklen Färbung (als Kleie, etwa 20% oder Speisesalz. M. enthält viele Spurenelemente und be­ des Korngewichts) vom hellen Inneren (M.-Körper, etwa steht zu mindestens 79%, meist über 90% aus Natrium­ 80%) möglichst exakt abzutrennen und den M.-Körper chlorid; daher sollte es, wie auch -» Kochsalz, nur sparsam dann fein zu vermahlen. Die so erzeugten Auszugs-M. (niedrig ausgemahlenen M.) sind sehr lange lagerbar. Je zum Würzen von Speisen verwendet werden. weniger Kleie sich im M. befindet, desto heller ist es; zu­ Meerträubchen, Ephedra, zu den Fiederblättrigen Nacktsamern (Cycadophytina) gehörende, bis lm hohe gleich sinkt aber sein gesundheitl. Wert durch das Fehlen Rutensträucher in subtrop. und warmgemäßigten Klima­ der in der Kleie reichlich vorhandenen Vitamine, Mineral­ zonen. Die getrockneten, im Herbst gesammelten jungen stoffe einschließlich der Spurenelemente und Ballast­ Zweige enthalten bis zu 3,3% verschiedene Alkaloide, stoffe. Als Gegenmaßnahme zu dieser Entwertung des hauptsächlich -»Ephedrin. Anwendung: Heilpflanzen, Getreides wird in einigen Ländern — nicht jedoch in der Bundesrep. Dtl. — eine Vitaminierung des M. durchge­ Übersicht. führt. Meerwasserbehandlung, Thalassotherapie, Mehlnährschaden, eine chron. Ernährungsstörung die therapeut. Anwendung von Meerwasser. Das am mei­ sten verwendete Nordseewasser ähnelt im Salzgehalt der (-»Dystrophie) des Säuglings infolge einseitiger Ernäh­ Zusammensetzung des menschl. Blutserums. Es enthält rung mit Mehlen (Kohlenhydraten) bei mangelhafter Zu­ alle lebens- und funktionswichtigen Elemente, auch jene fuhr von Eiweiß (Milcheiweiß zusammen mit Milchfett) vorwiegend katalytisch wirkenden Metalle, von denen der und Vitaminen. Durch weitgehende Aufklärung der Be­ völkerung kommt dieser Ernährungsfehler heute in zivili­ Körper nur Spuren benötigt (Mangan, Zink, Kupfer). sierten Ländern nur noch selten vor, wohl aber in Ent­ Anwendung: Meerwasser in entsprechender Zuberei­ wicklungsländern. Die betroffenen Kinder lagern Wasser tung als Getränk hat sich in der Naturheilkunde zur zu- ins Gewebe ein, wodurch sie wie aufgeschwemmt wirken; sätzl. Behandlung von Magen- und Darmkrankheiten so­ ihre Haut ist blaß, die Widerstandskraft gegen Infekte wie von Leber- und Gallenblasenerkrankungen bewährt. deutlich herabgesetzt. Als besondere Variante des M. tritt Es wirkt normalisierend bei Salzsäuremangel oder -Über­ in Ländern der Dritten Welt bei großer Armut häufig schuß. Durch seinen Einfluß auf den Mineralhaushalt -» Kwaschiorkor auf. regt es den Stoffwechsel, die Funktionen der Drüsen und Mehrfachbehinderte, -»Behinderte. des Verdauungskanals an. Bei Kindern fördert Meerwas­ Mehrt ingrigkeit, die -* Polydaktylie. ser den Appetit; darüber hinaus wird es bei allgemeiner Körperschwäche und zur Erhaltung der Widerstands­ Mehrlinge, mehrere, im Verlauf einer Schwanger­ kraft bei Infektionen angewendet. Wegen des hohen Ge­ schaft gleichzeitig entwickelte Früchte. Nach der Wahr­ halts des Meerwassers an Bor und Magnesium wird aus scheinlichkeitsrechnung (Hellinsche Regel) entfällt auf 85 Schulmedizin. Sicht ein längerer Meerwassergenuß mit Geburten eine Zwillingsgeburt. Für Drillinge lautet dieses Skepsis beurteilt. Verhältnis 1:852 (1:7225), für Vierlinge 1:85’(1:614125) Äußerlich dient Meerwasser zur allgemeinen Kräfti­ und für Fünflinge 1:854 (1:5 2 200 625) Geburten. Noch gung (kalte und warme Seebäder), für feuchte Verbände größere Mehrlingszahlen sind Seltenheiten. Die Lebens­ bei großen Abszessen, Knochenmarkeiterungen und fähigkeit sinkt mit der Zahl der M. Über die Entstehung Beingeschwüren. Bei Kuren im Seeheilbad spielen außer von M. -»Zwillinge. dem Meerwasser noch weitere wichtige Komponenten wie Meibomsche Drüsen [n. dem Arzt H. Meibom, Umwelteinflüsse, Klimareize, Bewegungstherapie am *1638, 1 1700], in den Augenlidknorpeln eingelagerte Strand und im Wasser eine wesentl. Rolle. Talgdrüsen (-» Auge). Meerzwiebel, Urginea maritima, zu den Lilienge­ Meiose, Meiosis [grch. >VerminderungSchwarzgalligkeitTapirmaulHäutchenAufgeblähtseins< einhergeht; dabei kann das bolismus, der Summe der abbauenden Prozesse, an denen Zwerchfell hochgedrückt sein, der Arzt stellt -»Tympanie Anabolite oder Katabolite beteiligt sind. Endogene M. fest. M. tritt selten auch in der freien Bauchhöhle bei synthetisiert der Organismus selbst (z. B. Hormone), exo­ -»Pneumoperitoneum auf. Zu Folgezeichen -»Roemgene M. werden durch andere Organismen erzeugt und heldscher Symptomenkomplex. von außen aufgenommen, z. B. Vitamine. (-»Anabo­ Meteorobiologie, Biometeorologie, -► Biokli­ lismus) matologie. Metacarpus, Mittelhand, Teil der -» Hand. Meteoropathologie, wissenschaftl. Grenzfach zwi­ Metalldampf|fieber, Gießfieber, Vergiftungs­ schen Meteorologie und Medizin, Teilgebiet der Geo­ erscheinungen, die durch das Einatmen von Metalldämp­ medizin, erforscht den Einfluß des Wetters auf Gesunde fen verursacht werden, z. B. beim Messinggießen oder und Kranke, auf Entstehung und Verlauf von Krank­ Schweißen von Messing oder Zinkblechen (Zinkfieber). heiten. (-»Wetterkrankheiten) Hierbei kann es nach mehrstündiger Latenzzeit zu Müdig­ Meteorotropie, Wetterfühligkeit oder Witterungs­ keit, Schüttelfrost, Fieber bis zu 40 °C, Schweißausbruch, Gelenk- und Muskelschmerzen sowie Pulsbeschleuni­ abhängigkeit. Bei meteorotropen Krankheiten liegt eine gung kommen. Diese Form des M. wird als kennzeich­ besondere Wetterempfindlichkeit vor (-► Wetterkrank­ nende, aber harmlose arbeitsbedingte Erkrankung be­ heiten), sie sind zu unterscheiden von den -► Saisonkrank­ trachtet. Eine Behandlung ist nicht erforderlich. Vorbeu­ heiten. Met|hämoglobin, Hämiglobin, oxidierte Form des gung: arbeitshygien. Verbesserungen. Das Einatmen von Kadmium- oder Berylliumdämpfen, Hämoglobins (-» Blutfarbstoff). 519

Meth Methanolvergiftung, -» Methylalkoholvergiftung.

schwefelhaltige, essentielle Aminosäure, die für physiolog. Methylierungsvorgänge mit Einbau der CHj-Gruppe in Organ. Verbindungen wichtig ist. Methyl | alkoholvergiftung, Gesundheitsschädi­ gung, die durch Trinken von Methylalkohol (Methanol), Einatmen der Dämpfe oder Aufnahme über die unver­ letzte Haut hervorgerufen wird. Methylalkohol wird in der Technik u. a. als Lösungsmittel für Farben, Harze und Klebstoffe und zur Denaturierung von Äthylalkohol (Vergällungsmittel im Brennspiritus) benutzt. Seine Ver­ wendung in arzneilichen oder kosmet. Präparaten ist in der Bundesrep. Dtl. verboten. — Die M. beruht einmal auf der narkot. Wirkung von Methylalkohol selbst, die schwächer ist als die des Äthylalkohols, und zum anderen auf der Umwandlung von Methylalkohol in Formaldehyd und Ameisensäure, die zur Säuerung des Gewebes (Azi­ dose) und Schädigung des Sehnerven führen. Die akute M. beginnt mit einem Rauschzustand, der wie beim Ätha­ nolrausch in eine tödl. Atemlähmung übergehen kann (-»Alkoholgenuß). Die schweren Schädigungen machen sich erst nach 9—10 Stunden in vollem Umfang bemerk­ bar. Wird die akute Phase überlebt, so kann es nach Stun­ den bis Tagen zur Azidose und zu Sehstörungen bis zur Blindheit kommen. Letztere sind i. d. R. nicht rückbil­ dungsfähig. Die tödl. Dosis beträgt 30—100 ml. Erblin­ dung tritt schon nach wenigen ml auf. Die häufige Auf­ nahme kleiner Mengen Methylalkohols über die Atem­ wege kann zur -» Lösungsmittelvergiftung (Berufskrank­ heit) führen. Erste Hilfe: benetzte Haut und Schleimhäute mit viel Wasser spülen. Bei versehentl. Trinken sofort Erbrechen auslösen (nicht bei Bewußtlosen!). Sofort Arzt rufen, der in erster Linie die -»Azidose behandelt. Sofortige Kran­ kenhauseinweisung, v. a. wegen der Erblindungsgefahr. Metritis, die Entzündung der Gebärmutterwand (-♦Gebärmutterkrankheiten). Metrorrhagie, Blutung aus den weibl. Geschlechts­ organen, die im Ggs. zur -»Menorrhagie keine Regelmä­ ßigkeit und damit keinen Zusammenhang mit der -► Men­ struation erkennen läßt (azyklische Blutung). Sie tritt auf als Zwischenblutung zwischen 2 Menstruationen, als ein­ malige, kurzdauernde Blutung oder auch als Dauerblu­ tung in der Zeit der Geschlechtsreife, in den Wechseljah­ ren oder der Postmenopause. Stets muß zum Ausschluß eines Gebärmutterkrebses, dessen erstes Anzeichen M. sein kann, der Arzt aufgesucht werden. Dieser wird versu­ chen, durch eine genaue Untersuchung, die ggf. auch die mikroskop. Untersuchung des durch Ausschabung oder andere Entnahme gewonnenen Gewebes einschließt, die Ursache der M. zu finden (-»Kolposkopie). Die Blutung kann aus der Scheide (Verletzung, Entzün­ dung, geplatzte Krampfader) stammen, jedoch liegt die Blutungsquelle häufiger im Halsteil oder Körper der Ge­ bärmutter. In seltenen Fällen kann das Blut auch aus dem Eileiter herrühren. Folgende gutartige Erkrankungen können M. verursa­ chen: Erosion (Substanzverlust der Haut) und Ektopie (Ausstülpung) des Muttermunds, Polypenbildung der Schleimhaut des Halskanals und der Gebärmutterhaut, Muskelgeschwülste der Gebärmutter (-► Myom), Entzün­ dungen der Gebärmutterschleimhaut (-»Gebärmutter­ katarrh), Gewebsreste nach Fehlgeburten und -»Extra­ uterinschwangerschaften. Auch Störungen der Funktion der Eierstöcke, Allgemeinerkrankungen und seel. Er­ schütterungen können eine Blutung aus der Gebärmutter auslösen. Bes. in den Wechseljahren oder in der Postmenopause sollte sich eine Frau nie damit beruhigen, daß Blutungen in dieser Zeit unregelmäßig sein müßten oder daß die Re­ gel noch einmal wiedergekommen sei. Bei jeder Blutungs­ unregelmäßigkeit muß der Arzt aufgesucht werden. mg%, Abk. für-»Milligrammprozent. Miasma [grch. >Verunreinigung(Schmerz in einer) Kopfhälftedrainiertklein< und skopein >sehenKulturkammernt, die mit einer Nährlösung (z. B. physiolog. Kochsalzlösung) gefüllt oder durchströmt werden, unter­ sucht. Die Mehrzahl der mikroskop. Dauerpräparate für die medizinisch-biolog. Routineanwendung müssen mit bestimmten Farbstoffen angefärbt werden, damit sie im Mikroskop kontrastreich abgebildet werden. Die be­ kanntesten Färbungen sind die nach A. Pappenheim (* 1870,11916) für die Hämatologie, nach G. N. -»Papanicolaou für die Krebsdiagnostik und HämatoxylinEosin für die Histologie. Als das beste Beleuchtungsver­ fahren für alle gefärbten Präparate wird das Köhlersche Beleuchtungsverfahren angesehen, bei dem Leuchtfeld und Beleuchtungsapertur unabhängig voneinander ver­ ändert werden können. Ungefärbte Präparate, wie bei­ spielsweise Gefrierschnitte für die Schnelldiagnose, Zell­ ausstriche sowie lebende Zellen und Gewebe, können durch Eingriffe in den mikroskop. Strahlengang kon­ trastreich dargestellt werden (-► Phasenkontrast, ->■ Dun­ kelfeld, Interferenzkontrast, -» Differentialinterferenz­ kontrast, Reflexionskontrast). Wichtige Spezialverfah­ ren sind die Polarisations-M., mit der doppelbrechende Strukturen, wie z. B. Kristalle, dargestellt werden kön­ nen, sowie die Fluoreszenz-M. (-»Fluoreszenz), die ihre größte Bedeutung in der Immunologie als Immunfluoreszenz-M. erlangt hat. Moderne Mikroskope können heute zur Mikrophotographie, Mikrokinematographie, Mikro­ photometrie und -Stereometrie ausgebaut werden. Spe­ zielle Fernsehkameras und Bildwandler erweitern den An­ wendungsbereich bis zum UV- und Infrarotbereich. Die M. ist eine wichtige Methode der modernen Wissen­ schaft. Zytologie, Histologie, Pathologie, Zell- und Krebsforschung, Mineralogie, Metallphysik u. a. Spezial­ wissenschaften wären ohne Mikroskope undenkbar. In der medizin. Diagnostik spielt das Mikroskop eine ent­ scheidende Rolle. R. Koch begann bereits 1875 mit der Untersuchung des Milzbrands. Weltberühmt wurde er durch die Entdeckung des Tuberkulose-Erregers, wofür er 1905 den Nobelpreis erhielt. Zusammen mit P. Ehr­ lich hat er neue mikroskop. Färbemethoden entwickelt. Heute wird das Mikroskop in der ärztl. Praxis und im klin. Labor eingesetzt für die Blutbilddifferenzierung, die Krebsvorsorge sowie für die Schnelldiagnose in der gynäkolog. und urolog. Praxis. Erreger von Infektionskrank­ heiten, wie z. B. Malaria, Syphilis und Cholera, können nur mit dem Mikroskop erkannt werden. In der For­ schung hat das Lichtmikroskop einen wesentl. Beitrag zur Aufklärung der Struktur von Zellen und Geweben gelei­ stet. Bereits W. Flemming (* 1843, 1 1905) erkannte in Zellen das >Chromatin< und den Vorgang der Zellteilung. Die Licht-M. mit umgekehrten (inversen) Mikroskopen hat heute einen wesentl. Anteil an den bahnbrechenden Untersuchungen und Ergebnissen in der Zellforschung, Zell- und Entwicklungsbiologie und -► Gentechnologie. Mikrosomen, feinste Körnchen (Granula) im Zyto­ plasma der lebenden Zellen. Mikrosporie, Kleinsporenflechte, -»Hautpilz­ krankheiten. Mikrotom, ein Spezialgerät zur Herstellung regelmä­ ßig aufeinanderfolgender Schnitte von Geweben und Punktaten von einigen tausendstel Millimetern (pm) oder

Bruchteilen eines pm Dicke für die mikroskop. und elek­ tronenmikroskop. Untersuchung. In Paraffin eingebet­ tete Präparate werden entweder mit dem Schlitten-M. (Objekt wird auf einer Gleitbahn an dem feststehenden Messer vorbeigeführt) oder mit dem Rotations-M. (Ob­ jekt wird am feststehenden Messer durch Kurbeldrehung entlanggeführt) in Serienschnitte aufgearbeitet. Die Schnittbänder werden auf einem vorgesetzten Förder­ band langsam vom Messer fortbewegt. Bei allen Gefrier-M. wird das Messer gleichzeitig gekühlt. Die älteren Verfahren benutzen zur Kühlung Kohlensäureschnee, der durch eine Düse auf den Messerrücken gesprüht wird. Bei den Kry otomen oder Kry ostaten befindet sich das M. in ei­ ner Kältekammer. Gefrierschnitte sind für die Fermenthistochemie und zur Schnellschnittdiagnose am unfixier­ ten Material in der Pathologie unentbehrlich. Für die Be­ arbeitung ganzer Organe gibt es Spezial-M. Mit den Hochleistungs-M. lassen sich auch knochenhaltige, ver­ hornte, chitin- und kalkhaltige sowie verholzte Präparate mit Schnittdicken von 30—0,1 pm schneiden. Für noch dünnere Schnitte (Ultradünnschnitte bis 50 nm) für die Licht- und Elektronenmikroskopie muß das zu untersu­ chende Material in Kunststoff (Plexiglas oder Polyester) eingebettet werden. Die dafür eingesetzten Spezial-M. ar­ beiten mit Stahl-, Glas- oder Diamantmessern. Mikrowellenbehandlung, die therapeut. Bestrah­ lung mit sehr kurzen elektromagnet. Wellen, wobei elektr. Energie in Wärme umgesetzt wird. Über Technik Mikroskopie: und medizinische Indikationen -»Dezimeterwellen-Dia­ Lebende Zellen in einer thermie. Zellkulturkammer; Mikrowellengaren, Garverfahren, bei dem im Gar­ oben Phasenkontrast, raum, einem Metallbehälter, der hermetisch abgeschlos­ UNTEN Interferenzkontrast sen sein muß, von einem Mikrowellengenerator hochfre­ quente Strahlungsenergie erzeugt wird (meist etwa 2450 MHz). Die Mikrowellenenergie wird von vielen Materia­ lien, bes. allen wasserhaltigen, absorbiert und erzeugt da­ bei einen Temperaturanstieg. Dies kann zum Garen und Aufwärmen von Speisen genutzt werden, lm Vergleich zu anderen Gar- und Erhitzungsverfahren besitzt das M. Vorteile bezüglich verkürzter Gar- und Aufwärmzeit und eines geringeren Energieverbrauchs bei der Zubereitung kleiner Mengen. Daher wird es bes. bei der Verpflegung einzelner Personen (Imbißstand, Nachtschicht) verwen­ det. Nachteilp sind (selten) gesundheitl. Gefahren, die durch Leckstrahlung entstehen können. Im Ggs. zu ande­ ren Garverfahren können solche Mängel am Gerät vom Verbraucher im allgemeinen nicht wahrgenommen wer­ den. Sie werden erst festgestellt, wenn bereits Verbren­ nungen aufgetreten sind. (Bild S. 524) Mikrozephalie, abnorme Verkleinerung des Gehirn­ schädels bei meist normaler Größe des Gesichts, verur­ sacht durch Wachstumshemmung des Gehirns; dadurch fast immer -»Idiotie und andere Störungen, z. B. Sprach­ behinderung. M. kann durch äußere Einflüsse in der Schwangerschaft bewirkt sein und ist häufig mit anderen Fehlbildungen verbunden. Ein Teil der Fälle folgt ein­ fach-rezessivem Erbgang. Mikrozirkulation, Durchblutung im Bereich der Ka­ pillarendes menschl. Blutkreislaufs, lebensnotwendig für die Sauerstoffversorgung der Gewebe. Miktion, das Harnlassen. M.-Beschwerden, Be­ schwerden bei der Harnentleerung. Milben, Acarinae, achtbeinige, z. T. sehr kleine Spinnentiere. Manche, gewöhnlich an Pflanzen lebende M.-Arten sowie einige Haus-M. lösen bei empfindl. Per­ sonen, wenn sie mit der Haut in Berührung kommen, allerg. Erscheinungen aus. Hartnäckig juckende Haut­ krankheiten verursachen die Krätze-M. (-»Krätze). Milch, Absonderung der Brustdrüsen bei Mensch und Säugetieren. Sie ist als einziges Erzeugnis originär (dem Ursprung nach) von der Natur als Nahrungsmittel be­ stimmt. Die artspezif. M. entspricht in vollem Maß dem Ernährungsbedürfnis des Neugeborenen. M. ist eine Mikroskopie: oben Pappenheimfärbung; Blutausstrich. Zwei weiße Blutkörperchen (Leukozytenj neben zahlrei­ chen roten Blutkörperchen (Erythrozyten), unten Papanicolaoufärbung; Zellabstrich für die Krebsvorsorge 523

Mikroskopie

Mile weißlich-bläul. oder weißlich-gelbl., undurchsichtige, wäßrige Flüssigkeit. Sie stellt ein polydisperses (vielfach verteiltes) System mit komplizierter biochem. Zusam­ mensetzung dar, in dem Fett in emulgierter Form als fein­ ste Tröpfchen, Eiweiß überwiegend in kolloidaler Lö­ sung, d.h. als Schwebeteilchen, Zucker und Mineralsalze in echter Lösung enthalten sind. M.-Arten und Zusammensetzung. Für den menschl. Säugling ist die Mutter-M. von höchstem Wert (-»Frau­ enmilch). Dies gilt auch trotz ihrer mögl. allgemeinen Be­ lastung mit verschiedenen ehern. Stoffen, welche die Mut­ ter je nach Umweltbelastung aufgenommen hat. Wertvoll für den Menschen sind ferner Kuh-M. und Ziegen-M., auch Schaf-M. zur Käseherstellung. Lebensmittelrecht­ lich und im allgemeinen Sprachgebrauch wird unter M. ausschließlich Kuh-M. verstanden, M. anderer Tierarten muß entsprechend gekennzeichnet sein. Über vegetabile M .-Ersatzpräparate -* P flanzenmilch. 2 Wellenrührer

Wellenleiter

Glaskeramik-Bodenplatte

Mikrowellengaren: Mikrowellenherd (schematisch)

Die Zusammensetzung der einzelnen M.-Arten ist ver­ schieden. Sie richtet sich nach der Wachstumsgeschwin­ digkeit der jeweiligen Tierart. Je rascher das Junge wächst (sein Geburtsgewicht verdoppelt), um so höher ist der Ge­ halt der M. an Eiweiß und Mineralstoffen. Frauen-M. be­ sitzt die niedrigsten Eiweiß- und Mineralstoffgehalte; der menschl. Säugling wächst am langsamsten. Zusammensetzung von Milch (Durchschnittswerte in %)

Milchart

Frauenmilch Kuhmilch Ziegenmilch

Milch

Wasser Eiweiß

Milch­ zucker

Fett

Mineral­ stoffe

1,2-1,5 3,0-3,5 3,0-3,8

6,5-7,0 4,5-5,0 4,0-4,8

4,0 3,5—4,0 4,0-4,5

0,2 0,7 0,8

88 88 87

Bei längerem Stehen rahmt M. auf: Die Fettkügelchen (2,5-5 pm Durchmesser, 2—6 Mrd. je ml) sammeln sich an der Oberfläche als gelbl. Rahm, da Fett ein geringeres spezif. Gewicht hat als Wasser. Der Rahm kann abgeschöpft werden; in der Molkerei wird er teilweise oder vollständig abzentrifugiert und teils zu -*Butter verarbeitet. Dabei wird der Fettgehalt der M. normiert: Vollmilch: meist 3,5% (natürl. Fettgehalt über 3,5%), teilentrahmte (fettarme) M.: 1,5—1,8%, entrahmte M.: höchstens 0,3%. Das Fett ist wegen seiner feinen Verteilungin der M. im allgemeinen sehr gut bekömmlich. Da (teil-)entrahmter M. ein Großteil der fettlösl. Vitamine fehlt, ist sie für Kleinkinder nicht zu empfehlen.

524

Verarbeitung. Da M. leicht verderblich ist, werden seit den Anfängen der M.-Gewinnung mit verschiedenen Verfahren besser haltbare -»Milchprodukte daraus her___________ '

Vollmilch I

___________

|süße Sahne = Rahm| | (teil-)entrahmte Milch |

Säuerung ] [ Säuerung ]

Milch

Sauerrahm­ butter

Buttermilch

Süßrahm­ butter

gestellt. Wichtig sind bes. die Säuerung, die starke Ver­ minderung des Wassergehalts nach Ausfällung des Eiwei­ ßes, d. h. M.-Gerinnung (Käse), meist in Verbindung mit dem gezielten Zusatz bestimmter Mikroorganismen (Sauermilchprodukte, Käse). Darüber hinaus dienen ver­ schiedene Erhitzungsverfahren, z. T. mit anschließender Kühllagerung, zur Haltbarmachung. Die Säuerung von M. zur Herstellung von Sauermilch­ erzeugnissen (Dick-M., Joghurt, Kefir, Bioghurt, Butter-M.) geschieht überwiegend durch M.-Säure, die aus dem M.-Zucker in der M. selbst erzeugt wird. Diese Um­ wandlung, wie auch die Bildung verschiedener Aroma­ stoffe, bewirken die M.-Säurebakterien, die in jeder ro­ hen M. von Natur aus enthalten sind. Zur gezielten und beschleunigten Säuerung können sie auch durch Impfung mit einer kleinen Menge Sauer-M., die reichlich M.-Säu­ rebakterien enthält, zugegeben werden. Die jeweils ver­ wendeten Bakterien, z. T. auch Hefen, sowie Dauer und Höhe der Erwärmung, bei der sich die Mikroorganismen rasch vermehren, sind spezifisch für die einzelnen Sauer­ milcherzeugnisse. Die Säuerung führt zum Ausflocken (Gerinnen) des Eiweißes. Dies kann jedoch auch durch Zugabe von Lab, einem eiweißspaltenden Enzym, be­ wirkt werden. Dabei wird -*■ Kasein (Käsestoff) aus seiner Vorstufe, dem Kaseinogen, in feine oder gröbere Flocken überführt und ausgefällt. Auch das Fett wird mit einbezo­ gen und findet sich in den Flocken des Kaseins. Die übrig­ bleibende grünl. Flüssigkeit heißt -»Molke. Sie wird bei der Quark- und Käseherstellung mehr oder weniger voll­ ständig abgetrennt, z.T. auch durch Pressung und Sal­ zung. Je nach Dauer der Pressung und Höhe des Preß­ drucks entstehen -» Käse mit verschiedenen Trockenmas­ segehalten und unterschiedl. Konsistenz. Auch bei der Käseherstellung bewirken Zusätze verschiedener Kultu­ ren von Bakterien, Schimmelpilzen u. a. die Reifung und Ausbildung der typ. Aromen. Die zugelassenen Schim­ melpilzkulturen sind nicht gesundheitsschädlich. Erhitzungsverfahren. Die Haltbarkeit hygienisch einwandfrei gewonnener Roh-M. beträgt bei Aufbewah­ rung unter 10 °C etwa 3 Tage, bei 20 °C etwa 20 Stunden. Um M. in der Molkerei auch nach mehreren Tagen Lage­ rung noch technisch verarbeitbar zu halten und bei der Abgabe als Trinkmilch Händlern und Verbrauchern eine gewisse Haltbarkeit garantieren zu können, muß die Zahl der Mikroorganismen in der M. durch Kühllagerung mög­ lichst niedrig gehalten und durch Erhitzung (-»Pasteuri­ sieren) stark vermindert werden. Auch etwaige Krank­ heitserreger in der M. sollen dabei abgetötet oder abge­ schwächt werden. Als Erhitzungsverfahren sind üblich: 1) Kurzzeiterhitzung: 40 sec, 71-74 °C; häufigstes und ver­ gleichsweise schonendstes Verfahren, die Haltbarkeit der M. wird um einige Tage verlängert; 2) Hocherhitzung: 8—16 sec, mindestens 85 °C; vorgeschrieben für Butte­ rungsrahm; 3) Ultrahocherhitzung: wenige Sekunden, 135-150 °C bei >H-MilchH-Milch< darf nicht als Frisch-M. bezeichnet werden und ist als Säuglings­ nahrung weniger geeignet; 4) Sterilisation: 20 Minuten, 120 °C bei Steril-M. und Kondens-M.; erhebl. Vitamin­ verluste und Eiweißschädigungen.

Milc Roh-M. (nicht erhitzt) darf vom Hersteller ohne beson­ dere Überwachung nur in beschränkter Menge direkt an Verbraucher abgegeben werden. Als Vorzugs-M. wird Roh-M. bezeichnet, die einer verstärkten hygien. Kon­ trolle unterliegt. Sie kann unbedenklich ohne vorherige Erhitzung genossen werden. Ohne Zweifel besitzt allein Vorzugs-M. ungeminderte Vitamingehalte und die höch­ sten Geschmackswerte. Bei der als Kinder-M. bezeichneten M. handelt es sich vorwiegend um Säuglings-M. (-»Säugling), die einer zusätzl. Verarbeitung durch >Adaption< (z. B. Säure- oder Zuckerzusatz, Bestrahlung) oder einer Pasteurisierung unterzogen wird. Nahrungswert. DaM. von Natur aus dazu bestimmt ist, das Neugeborene in der Zeit stärksten Wachstums eine Zeitlang fast ausschließlich zu ernähren, muß sie alle in dieser Zeit notwendigen Nährstoffe enthalten. M. und verschiedene Milchprodukte sind auch nach der Säug­ lingszeit außerordentlich wertvolle Nahrungsmittel; sie bieten den Vorteil einer großen Vielfalt an Geschmacks­ richtungen und Zubereitungsmöglichkeiten. Zudem ist M.-Eiweiß erheblich billiger als eine gleich große Menge Fleisch-Eiweiß. Bedeutsam bei der heutigen Ernährungssit uat ion ist in erster Linie der Gehalt der M. an hochwerti­ gem Eiweiß, Kalzium, Magnesium, Vitamin D, B; und B,,. Für Kinder und Jugendliche ist wegen des Gehalts an Kalzium und Vitamin B2 ein mittlerer tägl. Verzehr von etwa1 /2 Liter wünschenswert. In Speisen vermischtest M. zum Teil besser verträglich als in größeren Mengen ge­ trunken. Auch sollte man sich darüber klar sein, daß M. kein Getränk i. e. S., sondern ein flüssiges Nahrungsmittel ist. Sie ist daher zum Durstlöschen weniger geeignet. Auch für den Fieberkranken stellt sie eine zu hohe Belastung der Verdauung dar. Da M. ein starkes Sättigungsgefühl gibt, sollten Kinder, v. a. appetitschwache, ihre M. erst nach dem Essen trinken. In seltenen Fällen besteht eine angeborene oder im Lauf des Lebens sich entwickelnde Überempfindlichkeit gegen M., die sich gegen Bestandteile des M.-Eiweißes oder den M .-Zucker richtet. In weiten Teilen der Welt, in denen tra­ ditionell keine oder nur geringe M.-Wirtschaft besteht, tritt Unverträglichkeit von M.-Zucker gehäuft beim größ­ ten Teil der erwachsenen Bevölkerung auf. Sie ist in dem Mangel eines Verdauungsenzyms begründet. Rechtliches. Das Milchgesetz v. 31.7. 1930 (mit vie­ len Durchführungsverordnungen der Länder) regelt die Anforderungen, die an Gewinnung und Handel mit M. und Milcherzeugnissen hinsichtlich des Gesundheits- und Verbraucherschutzes zu stellen sind. Zur verkaufsferti­ gen Abgabe abgefüllte M. darf nur in fest verschlossenen Gefäßen und mit Angaben über Sorte, Einfüller und Ab­ fülldatum (auch Haltbarkeitsdatum) in Verkehr gebracht werden. Durch das Milch-und Fettgesetz i. d. F. v. 10. 12. 1952 wird der Weg vom Erzeuger bis zum Verbraucher ge­ regelt. Das Gesetz trifft auch Bestimmungen zur Förde­ rung der Qualität und ermöglicht Preisregelungen. Milchbrustgang, der -» Brustlymphgang. Milchdrüsen, die -*Brustdrüsen. Milchfieber, gelegentlich am 2.-3. Tag des Wochen­ betts beim Einschießen der Muttermilch auftretende, ge­ ring erhöhte Temperatur, der im allgemeinen keine Be­ deutung beizumessen ist. Das Fieber klingt bald wieder ab. Sollte in seltenen Fällen Schüttelfrost auftreten, Fie­ ber über 38,5 °C (rektal) bestehen oder die Temperatur­ erhöhung über mehrere Tage anhalten, ist ein Arzt zu Rate zu ziehen, da dann der Verdacht auf ein beginnendes -►Wochenbettfieber oder auf eine Brustdrüsenentzün­ dung (-► Brustdrüsen) besteht. Milchfluß, der unwillkürl. Abgang von Milch aus der weibl. Brust während der Stillzeit. M. kann bei reichl. Milchbildung und mangelhaftem Verschlußmechanis­ mus der Milchkanälchen in der Brustwarze auftreten. Behandlung: Für das Vorlegen und den häufigen Wechsel eines sauberen Brusttuchs und ein möglichst weitgehendes Trockenhalten von Brustwarze und War­ zenhof durch ausgiebiges Pudern ist zu sorgen. Besteht kein Bedarf mehr für eine Stilltätigkeit, so können bei M.

die beim -»Abstillen gebräuchl. Maßnahmen durchge­ führt werden. Vom M. ist die -* Galaktorrhö zu unterscheiden. Milchgebiß, das kindl. Gebiß bis zum Durchbruch des ersten bleibenden Zahnes. Mit 2‘/2 bis 3 Jahren hat das Kleinkind ein vollständiges M. mit 20 Zähnen, also je Kie­ fer 4 Schneidezähne, 2 Eckzähne und 4 Backenzähne, de­ ren normale Stellung den Kauakt gewährleistet (Bild Ge­ biß). Angewohnheiten wie das Fingerlutschen können die normale Entwicklung der Kiefer und die ordnungsge­ mäße Stellung v. a. der Schneidezähne verändern: Die Oberkieferfrontzähne werden durch den angesaugten Finger, meist Daumen, nach vorn und die Unterkiefer­ frontzähne nach hinten zur Zunge hin gedrückt. Diese Veränderung kann so stark sein, daß ein normaler Lip­ penschluß nicht mehr möglich ist, ja sogar die Unterlippe hinter der oberen Schneidezahnebene liegt. Es kann auch ein >offener Biß< entstehen, bei dem sich die Schneide­ zähne des Oberkiefers und des Unterkiefers nicht mehr berühren können und das Kind nicht mehr richtig abbei­ ßen kann. Fehlentwicklungen im M. führen i. d. R. auch zu unregelmäßiger Entwicklung des bleibenden (Erwachsenen-)Gebisses. Das M. soll durch entsprechende Nahrungskonsistenz regelmäßig und nachhaltig belastet werden. Nur die im­ mer wieder geübte Kaufunktion führt zu einem gesunden Kieferwachstum und zu einer guten Entwicklung des blei­ benden Gebisses. Schließlich sichert auch nur eine starke Kautätigkeit die erforderl. Nahrungsaufbereitung und damit eine gute Ernährung des Kindes. Das M. ist wie das bleibende Gebiß sorgfältig zu pflegen (-» Zahnpflege). Milchzähne dürfen nicht vorzeitig verlo­ ren gehen, weil sie Platzhalter für die bleibenden Zähne sind. Wird ein Milchzahn zu früh gezogen, bleibt das Kie­ ferwachstum im entsprechenden Abschnitt zurück, und der bleibende Zahn kann sich später wegen Platzmangels nicht ordnungsgemäß in die Zahnreihe einstellen. Gehen gleich mehrere Milchzähne zu früh verloren, gerät die Entwicklung des gesamten bleibenden Gebisses in Unord­ nung. Das M. erfordert daher die genaue Überwachung durch den Zahnarzt ab dem dritten Lebensjahr. Die Be­ handlung von Zahnfehlstellungen und fehlerhaften Kie­ ferentwicklungen ist Aufgabe des Kieferorthopäden. Milchküche, Einrichtung in Kinderkliniken zur Her­ stellung der z. T. sehr unterschiedlich zuzubereitenden Säuglingsnahrung (Trockenmilch, trinkfertige Milch). Durch industrielle Fertigung der Säuglingsnahrung konnte die Arbeit in den M. wesentlich erleichtert werden. Milchleiste, eine sich sowohl beim weibl. wie auch beim männl. Embryo in den ersten Wochen einer Schwan­ gerschaft von der Brust bis zur Leistengegend erstrekkende verdickte Leiste der oberen Hautschichten, aus der sich im Brustabschnitt beim Menschen beiderseits je ein Milchhügel entwickelt. Normalerweise bilden sich die Re­ ste dieser Leiste etwa im dritten Schwangerschaftsmonat zurück, geschieht dies unvollständig, verbleiben überzäh­ lige Brustdrüsenanlagen (Polymastie). Milchnährschaden, eine Form der chronischen Er­ nährungsstörungen (-»Dystrophie) des Säuglings, die heute kaum mehr vorkommt, früher aber durch Verfütterung von Kuhvollmilch ohne Kohlenhydratzusatz bei j ungen Säuglingen gelegentlich auftrat. Die Kinder neigen zu hartnäckiger Verstopfung, der faulig riechende Stuhl ist trocken und grau gefärbt (Kalkseifenstuhl). Behandlung: Zufuhr von Kohlenhydraten in Form von Malzsuppe oder einer speziellen Heilnahrung unter kinderärztl. Anleitung beseitigt diesen Zustand schnell. Milchprodukte, aus Milch hergestellte Erzeugnisse, v. a. -» Butter, -» Buttermilch, -» Käse, -» Kefir, -► Molke, -►Quark und -»Joghurt. Im Ggs. zum Trinkmilchkon­ sum hat der Verzehr von M. in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen. Vielfältige, verzehrfertige Zuberei­ tungen von M. in kleinen Portionen und zahlreichen Ge­ schmacksrichtungen ermöglichen bequeme Zwischen­ mahlzeiten und Desserts; sie enthalten vielfach größere Mengen an Zucker, Bindemittel und anderen Zusatzstof­ fen, z. B. Aromastoffe und Konservierungsmittel, wo­

525

Mile durch das an sich sehr hochwertige Lebensmittel Milch an Wert verlieren kann. Milchpulver, die -»Trockenmilch. Milchpumpe, Vorrichtung zur künstl. Entleerung der weibl. Brustdrüsen während der Stillperiode. Sie kann als Handmodell oder in Form einer elektrischen M. angewen­ det werden. M. werden benötigt, wenn ein natürl. Saugen unmöglich ist, z. B. bei trinkschwachen Neugeborenen, bei Hohlwarzen, bei Brustwarzenentzündung, auch bei Brustdrüsenentzündung zur schonenden Entleerung der Brust. Sie werden auch zur Förderung der Brustdrüsentä­ tigkeit und zur vollständigen Entleerung der Brust zu Be­ ginn der Stillzeit verwendet. Bei der Benutzung ist auf äu­ ßerste Sauberkeit (regelmäßiges Auskochen der Glasteile vor Gebrauch) zu achten.

Milchpumpe: links elektrisch betriebenes fahrbares Stand­ modell. Festgelegter Saugrhyth­ mus, erforderliche Soghöhe ein­ stellbar. rechts Handmodell

der -»Chylus. -»Milch. Milchschorf, bei der -»exsudativen Diathese an der Haut auftretendes Krankheitszeichen. milchtreibende Mittel, Lakt|agoga, Mittel, wel­ che die Milchbildung in der Stillperiode steigern sollen. Ihr Wert ist zweifelhaft. Eine kräftige, gemischte Kost in ausreichender Menge mit genügend Vitaminen und etwa 1 Liter Vollmilch täglich ist zweckmäßig. Malzbier und verschiedene Heilpflanzen sollen milchfördernde Wir­ kung haben (Heilpflanzen, Übersicht). Zur Anregung und zum Inganghalten der Milchbildung ist die regelmä­ ßige völlige Entleerung der Brust, ggf. mit Hilfe einer Milchpumpe, empfehlenswert. Sie sollte jeweils zur glei­ chen Zeit mindestens 4mal am Tag durchgeführt werden. Eine zusätzl. Bindegewebsmassage kann sich bei ungenü­ gender Stilleistung positiv auswirken. Milchzucker, Laktose, Laktobiose, ausTraubenzucker und Galaktose bestehendes Disaccharid, ein Hauptbestandteil der Milch der Säugetiere (Kuhmilch etwa 5%). M. ist als Saccharum Lactis offizinell. Da er an der Luft nicht so leicht feucht wird wie Rohrzucker, dient er als Grundsubstanz (Konstituens) für wasseranziehende Pul­ vermischungen und zur Herstellung von Tabletten. Auch die homöopath. Verreibungen und Streukügelchen wer­ den mit M. hergestellt. In größeren Mengen (30-50 g) wirkt er harntreibend; bei Säuglingen wird er in kleinen Mengen als leichtes Abführmittel gegeben. Milchzyste, mit Milch gefüllte Höhlen in den Milch­ gängen der Brust der stillenden Frau. Ursache ist meist Milchsaft,

Milchsäure,

526

eine Brustdrüsenentzündung. Durch Zersetzung der Milch in diesen Zysten können Käse- oder Seifenzysten entstehen. Miliaria, der-»Schweißfriesel. Miliartuberkulose [von lat. milium >Hirsekornnatürl.< Gleichheit des Menschen und seiner Veränder­ barkeit durch die Umgestaltung des M. verknüpft. Die Auseinandersetzungen um M. und Vererbung wa­ ren oft von ideolog. Vorentscheidungen geprägt. Auswir­ kungen fanden sie u. a. in der Kriminologie (Problem der Täterverantwortlichkeit) und Pädagogik (Frage der Bild­ barkeit des Menschen, des Einflusses von Begabungen). Nach einer stärkeren Betonung des M. in der neueren Zeit (z. T. unter neomarxist. Einfluß) brachte die Intelligenz­ forschung wieder Belege für die bestimmende Bedeutung der Anlage vor, die allerdings nicht unbestritten blieben. In der gegenwärtigen Aggressionsforschung sind beide Positionen ersichtlich, lm allgemeinen geht man in den Sozialwissenschaften heute mit im einzelnen unterschiedl. Gewichtung von der Bestimmtheit des Menschen durch genet. Momente wie auch durch die kulturelle und gesellschaftl. Prägung, v. a. in der Sozialisation, aus. Milium, der -» Hautgrieß. Milligrammprozent, Abk. mg°/o, Konzentrations­ maß, das angibt, wieviel mg einer Substanz in 100 g Le­ bendgewicht (manchmal auch in 100 ml) enthalten sind. Milz, das größte, in den Blutstrom eingeschaltete lymphoretikuläre Organ des -»retikulo-endothelialen Sy­ stems. Die M. liegt in der linken Seite des Oberbauchs, be­ deckt von der 9,—11. Rippe (Modell des Menschen nach S. 400); sie ist etwa 200 g schwer. Im embryonalen Leben bildet die M. rote Blutkörperchen, später nur noch weiße. Sie speichert die wertvollen Baustoffe, die durch den na­ türl. Zerfall der roten Blutkörperchen frei werden, bes. das Eisen. Bei Infektionskrankheiten ist die Bildung wei­ ßer Blutkörperchen stark gesteigert, wodurch die M. an­ schwillt. Die z. B. nach Unfall lebensnotwendige Entfer­ nung der M. hat i. d. R. keine schwerwiegenden Folgen. Milzschwellung (Splenomegalie), Vergrößerung der M., kann durch folgende Ursachen entstehen: 1) bei Herz­ schwäche. Zu den übrigen Stauungserscheinungen im Kreislauf gesellt sich auch eine Stauungs-M.; 2) bei Leber­ zirrhose. Durch Behinderung des Pfortaderkreislaufs kommt es zur Stauung in der M.; 3) bei Infektionskrank­ heiten, z. B. Sepsis, Typhus, Rückfallfieber, Malaria, Kala-Azar; 4) bei myeloischer und lymphat. Leukämie so­ wie (selten) bei Agranulozytose. Das Lymphgewebe wu­ chert dann geschwulstartig und überschwemmt das Blut mit großen Mengen von weißen Blutkörperchen (iflüssiger TumorSagomilzGliedertaxenOrgan-M.überwertigenKrankheitsgewinn< zu einem fiktiven Machterlebnis füh­ ren kann. Die Kompensation von M. -Gefühlen kann auch zu außergewöhnl. Leistungen führen. Minderwuchs, Körpergröße unterhalb der altersge­ mäßen Maße (-»Zwergwuchs). Mineral, Mz. Minerale, Mineralien, übergeordne­ ter Begriff für die chemisch und physikalisch einheitl., natürl. Bestandteile der Erdkruste; sie sind fast ausschließ­ lich feste und kristallisierte anorganisch-chem. Verbin­ dungen. In nicht kristalliner Beschaffenheit (amorph) fin­ den sie sich als wasserhaltige Mineralgele und ihre Ab­ kömmlinge, flüssig sindz. B. Quecksilber und Wasser. M. mit gleicher ehern. Zusammensetzung und gleicher Kri­ stallstruktur bilden eine Mineralart. Viele M. sind wichtige Bestandteile des menschl. Kör­ pers, z. T. müssen sie ständig durch die Nahrungsauf­ nahme ergänzt werden (essentielle, d. h. lebens- und zu­ fuhrnotwendige M.), was innerhalb des Mineralstoff­ wechsels geschieht. Innerhalb dieses Stoffwechselvor­ gangs erfolgen Aufnahme, Ein- und Umbau und später Ausscheidung der anorgan. Nahrungsbestandteile, von denen viele eine lebensnotwendige Funktion haben (z. B. Eisen im Hämoglobin der Blutkörperchen). Mineral |öle, Kohlenwasserstoffgemische, z. B. Schmier-, Zylinder- und Bohröle, soweit sie bei 30°C und mehr sieden. Sie können, wenn ungereinigt, krebsbil­ dende Substanzen enthalten und bei langzeitiger Einwir­ kung auf die Haut zu Hautkrebs oder zur Krebsbildung neigenden Hautveränderungen führen, die u. U. eine Be­ rufskrankheit sind. Sie wirken darin biologisch ähnlich wie -»Ruß, Rohparaffin, Steinkohlenteer, Anthrazen und Pech. (-» Hautkrankheiten, -»Ölakne) Mineralsalze, anorgan. Salze, die als Minerale, aber auch als anorgan. Bestandteile der Lebewesen vorkommen. Die löslichen, größtenteils in Ionen gespaltenen M. spielen eine wichtige Rolle bei allen Lebensvorgängen. Sie bestimmen die Konstanz des osmot. Drucks und sind be­ deutsam für den Wasserhaushalt, das Säure-BasenGleichgewicht, auch im Bau-und Betriebsstoffwechsel als Aktivatoren und Wirkgruppen von Enzymen. Die M. werden v. a. durch die Elemente Kalium, Natrium, Kal­ zium, Magnesium, Chlor, Brom, Jod, Schwefel, Phos­ phor, Stickstoff, Eisen, Mangan, Kupfer, Zink und Sili­ cium gebildet. Beim Menschen und bei Tieren werden M. durch Niere und Dickdarm ausgeschieden und durch die Nahrung oder durch Osmoregulation (-»Osmose) wieder ergänzt. Der größte Teil der M. macht jedoch nur einen inneren Kreislauf beim Ab- und Aufbau von Körpersubstanz und Zellen (Mineralstoffwechsel) durch. M. sind erforderlich u. a. für die Erregbarkeit von Muskeln, peripheren Ner­ ven und des Zentralnervensystems. Nutztiere benötigen die ständige Zufuhr von Mineralstoffen und Spurenele­ menten, in Gegenden mit Mineralstoffmangel auch die Wildtiere. Bei Mangel sinken Fruchtbarkeit und Leistun­ gen, körperl. Schäden treten auf. Mineralstoffe, Bezeichnung für die beim Veraschen von Körpersubstanzzurückbleibenden mineral. Bestand­ teile des pflanzl. und tier. Organismus. M. mit Spurenele­ ment-Charakter, die v. a. katalyt. Funktionen erfüllen (z. B. Fluor, Brom, Jod, Eisen, Kupfer), überwiegen die als Bau-und bes. Skelettstoffe vorkommenden (z. B. Kal-

527

Mine zium, Natrium, Kalium, Phosphor, Schwefel, Magne­ sium, Chlor). Durch zusätzliche Maßnahmen der Land­ wirtschaft (Mineralfutter, Düngung) oder durch Diät­ maßnahmen im Rahmen einer zusätzlichen Ernährungs­ behandlung können Mängel im Mineralhaushalt ausge­ glichen werden. Mineralwasser, zum Trinkgebrauch geeignetes mi­ neralhaltiges Wasser aus natürl. oder künstlich erschlos­ senen Quellen, das mindestens 1000 mg/1 gelöste feste Be­ standteile enthält und häufig einen höheren Gehalt an freiem Kohlendioxid (>KohlensäureVerkleinerungErbarme dich!FadenBindezerhackteAbklatschgeschwüre< entstehen an den Stellen der ist anomal und hat auch meist einen ungünstigen Einfluß Wangen, die dem Zahnfleisch gegenüberliegen, auch an auf die Gestaltung des Nasengerüstes und die Sprache. der Zunge. Der größere vordere Teil, der harte Gaumen, ist mit einer Ein Patient mit M. sollte sich in zahnärztl. Behandlung festen Schleimhaut bedeckt, die im Abschnitt unmittelbar begeben. Bis dahin sind Spülungen mit Kamille oder ver­ hinter den Schneidezähnen mehrere derbe Querfalten dünnten Wasserstoffsuperoxidlösungen und Ernährung zeigt und in ihren mehr hinteren seitl. Teilen mit Fettge­ mit konzentrierter Flüssigkost hilfreich. Die weiteren the- webe unterpolstert ist. Etwa in der Verbindungslinie der rapeut. Maßnahmen richten sich nach der Ursache. letzten Backenzähne endet die knöcherne Unterlage, und Die unkomplizierte, nicht mit Geschwürbildung ein­ es schließt sich der weiche, bewegl. Gaumen an, der nach hergehende Stomatitis ist von der M. abzugrenzen. Zu ihr hinten zu den Gaumenbögen und dem Zäpfchen (Uvula) gehört die Stomatitis apthosa (-»Apthen). Eine beim führt. Der weiche Gaumen ist für den Schluckakt und Menschen seltene Krankheit ist die Stomatitis epidemica, auch für die Sprache wichtig. Er schließt beim Schluckakt ausgelöst durch die zur Maul- und Klauenseuche der Wie­ den Nasenrachen gegen den Mundrachen lüft- und was­ derkäuer und Schweine führenden Gruppe der Picona- serdicht ab und verhütet somit das >Verschlucken< in Nase viren. Die Seuche ist durch die in den meisten europ. Län­ und Nasenrachen. Weiterhin steuert der weiche Gaumen dern durchgeführte Schutzimpfung der Tiere selten ge­ den Atemstrom wahlweise durch Mund oder Nase: Auch worden. Bei der Stomatitis epidemica erscheinen neben bei geöffnetem Mund kann man bei entsprechender Gau­ schmerzhaften linsengroßen Blasen an der Mundschleim­ meneinstellung ausschließlich durch die Nase ein- und haut auch solche an Fingern, Zehen, der Augenbindehaut ausatmen. Zwischen den Gaumenzungenbögen und dem Gaumenschlundbogen sind beiderseits die Gaumenman­ und den äußeren Geschlechtsorganen. Mundflora, die in der Mundhöhle vorkommenden deln eingebettet. (Bild Mandeln) Mikroorganismen (Bakterien). Die verschiedenen Bakte­ rienstämme leben in der gesunden Mundhöhle in symbiot. Ordnung, wobei die Zusammensetzung in den einzelnen Regionen verschieden sein kann. Bei Erkrankungen der Mundhöhle (Zahnfleischentzündung, faule Zähne, Man­ delentzündung) verschiebt sich das Verhältnis zugunsten der krankheitserregenden Bakterienstämme. Die Zusam­ mensetzung der M. kann auch durch Medikamente, v. a. Antibiotika, verändert werden. Mundgeruch, Foetorex ore, Halitosis, Folge von Fäulnisvorgängen bei Erkrankungen der Mundhöhle oder des Rachens. Häufigste Ursache ist die fortgeschrit­ tene Karies der Zähne mit der Bildung von Hohlräumen, in denen Bakterien zurückgebliebene Speisereste zerset­ zen. Auch starke Zahnbeläge, bedingt durch mangelnde Mundhöhle: links untere Fläche der Zunge und Boden der M. bei Zahnpflege, sowie Zahnfleischbluten, die (eitrige) Ent­ erhobener Zungenspitze, an der linken Seite der Zunge ist die Zun­ zündung der Rachenmandeln und bestimmte Magen­ genschleimhaut entfernt, a Zungenspitzendrüse, b Zungenbänd­ chen, c Unterzungendrüse, d Speichelwärzchen mit den einmün­ erkrankungen führen zu M. denden Ausführungsgängen der Unterzungen- und Unterkiefer­ Die Behandlung besteht in sorgfältiger Zahnpflege, drüse, e Ausführungsgang der Unterkiefer- und Unterzungen­ v. a. vor dem Schlafengehen, und der Sanierung schad­ drüse. rechts Mundboden nach Abtragung der Zunge, der Weishafter Zähne. Bei einer Mandelentzündung ist der Fach­ heitszahn fehlt auf beiden Seiten. f Kehldeckel, g hinterster Teil der arzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, bei vermuteter Zunge mit Zungenmandel, h Schnitt durch das Verbindungsstück Magenbeteiligung oder Magenbeschwerden der Arzt für zwischen aufsteigendem und waagerechtem Ast des Unterkiefers, i großes Horn des Zungenbeins, k Unterkieferdrüse, m Zungen­ Allgemeinmedizin oder der Internist aufzusuchen. nerv, n Teil des XII. Hirnnervs, o Unterzungendrüse, p Ausfüh­ Mundhöhle, Körperöffnung für die Atmung und rungsgang der Unterzungendrüse, r Speichelwärzchen (linke Abb. Nahrungsaufnahme. Zusammen mit dem Gebiß und der nach Rauber-Kopsch, Lehrbuch der Anatomie; rechte Abb. nach Schultze und Lubosch, Atlas und kurzgefaßtes Lehrbuch der topo­ Zunge ist die M. nicht nur der äußerst wichtige Anfangs­ graphischen und angewandten Anatomie) teil des Verdauungswegs, sondern hat auch einen bestim­ menden Einfluß auf den Gesichtsausdruck und die Bei Erkrankungen ist die M. ein sehr wichtiges Beob­ menschl. Sprache. Die Lippen mit ihrer kräftigen Musku­ achtungsgebiet. Viele Krankheiten lassen erste Anzeichen latur begrenzen nach außen den Mundvorhof. Die in der M. erkennen (-»belegte Zunge, -»Mandeln). Schleimhaut der Lippen und Wangen zieht über eine Um­ Mündigkeit, 1) die -»Volljährigkeit. 2) die Fähigkeit schlagsfalte zu den Kiefern und den Alveoiarfortsätzen, den zahntragenden Teilen der Kiefer. In der Umschlags­ zur verantwort!. Selbstbestimmung des Daseins, unter faltengegend ist die Schleimhaut noch locker und zart, medizin. Aspekt v. a. im Sinn einer gesunden Lebensfüh­ während sie im Zahnfleischabschnitt derb und fest mit der rung aus der Verantwortung für den eigenen Körper. Er­ Knochenhaut des Alveolarknochens verwachsen ist. Ge­ nährungsfehler, Mißbrauch von Genußmitteln, Mißach­ gen die Zahnkronen ist das Zahnfleisch girlanden- oder tung grundlegender Gesundheitsregeln, Überbeanspru­ arkadenförmig begrenzt, in die Zahnzwischenräume ragt chung des Körpers durch Unausgewogenheit von Arbeit jeweils eine Spitze oder ein Zipfel des Zahnfleisches, die und Erholung u. a. werden in diesem Sinn als Zeichen von Interdentalpapille. Auf der Innenseite der rückwärtigen Unmündigkeit verstanden; dies gilt für den Kranken, oberen M. in Höhe des dritten Backenzahns (erste Mo­ wenn er die zu seiner Heilung notwendigen Maßnahmen lare) sieht man eine stecknadelkopfgroße Erhebung, das und die Anpassung seiner Lebensweise an seinen Zustand Ende des Ausführungsgangs der Ohrspeicheldrüse (Par­ unterläßt. (-»Compliance, -»Patientenrolle) Mundpflege wird beim gesunden Menschen i. d. R. otis), die die Hauptmenge dünnflüssigen Speichels ab­ zusammen mit der Zahnpflege durchgeführt. Sie vermit­ sondert. Beim öffnen des Munds zeigt sich als erstes die telt zwar das Gefühl von Sauberkeit und Frische, darf je­ -►Zunge, die als stark muskulöses Gebilde in ihrer Funk­ doch keinesfalls so weit gehen, daß die natürl. -»Mund­ tion entscheidend für die Sprache, das Schlucken und flora gestört wird. Prinzipiell reinigt sich die Mundhöhle auch für den Kauakt ist. Im vorderen Teil des Mundbo­ von selbst. So soll auch beim gesunden Säugling keine M. dens liegen auf jeder Seite 2 kleine Papillen, die Ausfüh­ durchgeführt werden. Abschilfernde Epithelien werden mit dem Speichel und rungsgänge von 2 Speicheldrüsen, der Unterzungendrüse und der Unterkieferspeicheldrüse. Diese beiden Drüsen der Nahrung abtransportiert, die Speicheldrüsen sorgen bilden hauptsächlich zähflüssigen Speichel (Bild Spei­ für die Anfeuchtung der Mundschleimhaut, und die Zunge ist in der Lage, Mundschleimhaut und Zahnreihen chel). 533

Mund von groben Speiseresten zu befreien. Selbstverständlich müssen aber die Zähne immer einer speziellen Zahnpflege unterzogen werden. Eine separate M. ist nur bei Erkrankungen der Mund­ höhle und ihrer Beteiligung bei Allgemeinerkrankungen durchzuführen. Dies betrifft v. a. Krankheiten des Kin­ desalters (Masern, Scharlach, Diphtherie, Mundfäule). Hier kann die häusl. M., außer den vom Arzt verordneten Maßnahmen, im Gurgeln und in Spülungen mit Kamillen­ tee, verdünnter Wasserstoffperoxidlösung (0,3%) oder Lösungen von doppeltkohlensaurem Natron (1 Messer­ spitze auf ein Glas Wasser) bestehen. Auch aromat. Mundwässer können angewendet werden. Mundschleimhaut|erkrankungen, — Zahn­ fleischerkrankungen, -»Mundfäule. Mundsperre, die -»Kieferklemme. Mundtrockenheit, Xerostomie, Trockenheit der Mundschleimhaut infolge verminderten Speichelflusses, z. B. nach starker Entwässerung, nach langem starken Schwitzen, hohem Fieber und Durchfällen; medikamen­ tös hervorgerufen durch Atropin und ähnl. Mittel. Die ex­ treme Form wird als Zagari-Krankheit (nach G. Zagari, * 1863,11946) bezeichnet. Ursachen sind völliges Fehlen der Speichelabsonderung. Es bestehen Mundschleim­ hautdefekte und Lippenrisse. Behandlung mit künstl. Speichel. Mund-zu-Mund-Beatmung, -»Atemspende (Bild Erste Hilfe, Atemspende, Anhang). Muschelvergiftung, durch den Genuß einiger Mu­ schelarten hervorgerufene Vergiftung, deren Anzeichen denen der —Fischvergiftung ähneln. M. kann hervor­ gerufen werden durch die eßbare Miesmuschel, die häufig Massenerkrankungen verursacht, und die gewöhnl. Auster, die bisweilen während der Laichzeit (von Mai bis Juli) gesundheitsschädlich ist (Austernvergiftung). Die M. verläuft entweder mit nesselartigen Hautaus­ schlägen oder mit Magen-Darm-Störungen, teils unter (auch tödl.) Lähmungserscheinungen. Das Muschelgift (Saxitoxin) entsteht nicht erst bei Fäul­ nis, sondern kann bereits in den lebenden Muscheln nach­ gewiesen werden; es ist v. a. in der Leber der Muschel ge­ speichert. Es entstammt den von den Muscheln als Nah­ rung aufgenommenen Mikroorganismen (Dinoflagella­ ten, Plankton). Das Gift findet sich nur bei Tieren, die in stehendem, verunreinigtem Wasser leben, wogegen die auf klarem, sandigem Grund in freier See gezüchteten oder gefangenen Muscheln im allgemeinen unschädlich sind. Erste Hilfe: rasche Entleerung von Magen und Darm; Brechmittel, Rizinusöl, medizin. Kohle; sofort Arzt hinzuziehen, auch bei Verdacht! Musiktherapie, Psychotherapeut. Hilfsmittel, um die seelisch-körperl. Gesamtverfassung eines Menschen günstig zu beeinflussen. Bei der passiven (rezeptiven) M. wird Musik vorgespielt, bei der (wichtigeren) aktiven M. musizieren die Patienten in Instrumentalgruppen oder Chören selbst. Anwendung v. a. bei psych. Erkran­ kungen. Nach neueren Untersuchungen wurden auch fördernde Wirkungen der Musik auf den Arbeitsprozeß festgestellt: Arbeitsbewegungen werden durch Rhythmus ökonomi­ siert, d. h. sparsamer und gezielter; >Ablenkung< durch Musik kann die Konzentration bei der Arbeit erhöhen. Musikai. Reize beschleunigen den Gesamtstoffwechsel, die Muskeltätigkeit weist unter Musikeinfluß größere Energie auf. Muskarin, ein Pilzgift (—Pilzvergiftung). Muskel, Körpergewebe, das durch Spannungsände­ rungen der Zellen aktive Körperbewegungen ermöglicht, wobei unter Wärmeentwicklung ehern. Energie in Arbeit umgesetzt wird. Die Gesamtheit der M., die Muskulatur, Muskel: ist ein sehr großes, differenziertes Organ und macht etwa Lokalisation 40% des Körpergewichts aus (Modell des Menschen der am häufigsten auftretenden Muskel­ nach S. 400). Man unterscheidet 2 Arten von M.: die quergestreiften härten; oben Vorder-, oder willkürl. M. und die glatten oder unwillkürl. M. unten Rückansicht 534

Die quergestreifte Muskulatur stellt die weitaus größte Masse der M. dar. Sämtl. am Knochensystem angreifen­ den M. gehören zu ihr, ebenso der Herz-M., der jedoch nicht dem Willen unterworfen ist und einen besonderen Aufbau zeigt. Ein quergestreifter M. des Skeletts besteht aus einzelnen, zylindrisch geformten Muskelfasern, die einen Durchmesser von 0,01 bis 0,06 mm und sehr unter­ schiedl. Längen (bis 10 cm) haben. Die einzelne Faser setzt sich wiederum aus feinsten Fäserchen, den Muskelfibril­ len, zusammen, die aus den kontraktilen Filamenten (sich verkürzenden Fäden), den Aktin- und Myosinfilamenten, bestehen. Bei der Betrachtung unter dem Mikroskop zei­ gen die M.-Fibrillen eine feine Querstreifung, die dieser M .-Art den Namen gegeben hat und die auf der bes. regel­ mäßigen Anordnung der Aktin- und Myosinfilamente be­ ruht. Die einzelnen M.-Fasern sind durch Bindegewebe zu größeren Bündeln zusammengefaßt. Den Abschluß nach außen bildet eine derbe Haut, die Faszi|e. An seinen En­ den mündet der M. in eine Sehne, die als breite Sehnen­ platte am Knochen ansetzen kann oder, wie z. B. an den Gliedmaßen, als langer Sehnenstrang dorthin führt, wo die Kraft des M. am Knochen wirken soll. Die Sehne strahlt weit in den M. aus und ist durch viele Ausläufer mit ihm verbunden. Die Sehnen sind die Verbindung zwischen M. und Knochen. Niemals setzt ein M. direkt am Knochen an. Während derM. die lebendige, aktive Kraft gibt, sind die Sehnen passive und, wie der M. selbst, elast. Leitseile und Verbindungsstücke, die ihre Bewegung vom M. emp­ fangen und auf den Knochen übertragen. Jeder M. ist mit einem Bewegungsnerv versorgt, der die von bestimmten Teilen des Gehirns ausgehenden Befehle zu seiner Zusammenziehung überträgt. Dieser Vorgang untersteht dem Willen (daher willkürliche Muskulatur). Sehr viele nervöse Impulse, die nicht mit einem bewußten Willensakt verknüpft sind, laufen ebenfalls zu den M. Der Nerv spaltet sich in feinste Ästchen und endet an den mo­ tor. Endplatten. Außer den Bewegungsnerven ziehen zu jedem M. auch Empfindungsnerven und Fasern der vege­ tativen Nerven (—Nervensystem). Der Mensch besitzt etwa 500 einzelne Skelett-M., die je nach ihrer Lage, Form oder Wirkungsweise eigene Namen haben. Der Form nach unterscheidet man länglich-runde M., die vorzugsweise an den Gliedmaßen vorkommen, und breite oder Flächen-M., die sich am Rumpf befinden; letztere sind flach und glatt und enden in breiten Sehnen­ häuten. Der M. hat die Fähigkeit, sich zu verkürzen oder ohne Verkürzung nur seine Spannung zu erhöhen. Die physioMuskel

A Sehne

Gruppe von Muskel fosern

Blutgefäße Muskel: die Bandelemente des Muskels; im Muskel (A) sind einzelne Faser­ bündel (B) ent­ halten. Diese bestehen aus Muskel fibrillen (C). Myosinund Aktin­ stränge (E, E') bauen die kon­ traktilen Fila­ mente (D) auf, die in den Muskelfibrillen liegen

Z-Streifen

A-Streifen

Myofibrille

|.Streifen

Musk log. Vorgänge, die der M.-Verkürzung zugrunde liegen, sind erst durch neuere Forschungen weitgehend geklärt worden. Ein M., der sich verkürzt hat, kann sich nicht allein wie­ der strecken, sondern wird durch den gegensinnig wirken­ den M., den Antagonisten, wieder gedehnt. An den Glied­ maßen unterscheidet man z. B. die Beuger und Strecker (Bild Beugemuskeln), die in diesem Sinn gegenseitig wir­ ken (Agonisten und Antagonisten). Im Körper wirken im­ mer viele M. zusammen, um eine bestimmte Bewegung auszuführen. Wennz. B. der Unterarm gebeugt, d. h. dem ruhigstehenden Oberarm genähert wird, ist es nicht nur erforderlich, daß die entsprechenden Beuge-M. sich ver­ kürzen, sondern andere M.-Gruppen müssen ihre Span­ nung erhöhen, um das Schultergelenk, den Ursprung der beugenden M., ruhigzustellen, damit der Unterarm zum Oberarm und nicht umgekehrt der Oberarm zum Unter­ arm bewegt wird. Der Säugling hat bereits alle M., kann sie jedoch noch nicht zweckmäßig gebrauchen. Er lernt erst allmählich zu greifen, zu laufen usw. Auch komplizierte Tätigkeiten, die später erlernt werden, wie Schreiben, Basteln, Turnen, Radfahren u. a., müssen erst bewußt geübt werden, um eine sinnvolle Zusammenarbeit der M.-Gruppen zu erler­ nen. Je reibungsloser dies abläuft und je genauer die M. für den geforderten Zweck eingesetzt werden, desto voll­ kommener ist die Beherrschung des Körpers für den be­ treffenden Bewegungsvorgang. Der Mensch lernt auch nicht, bestimmte M. zu gebrauchen, sondern bestimmte Bewegungen auszuführen, zu denen immer Gruppen von M. notwendig sind. Nach der Art der Bewegung, welche die willkürl. M. veranlassen können, tragen diese fol­ gende Bezeichnungen: Beuge-M. oder Flexoren, StreckM. oder Extensoren, Anzieh-M. oder Adduktoren, Abzieh-M. oder Abduktoren, Roll-M. oder Rotatoren. (Modell des Menschen nach S. 400) Auch der ruhende M. befindet sich in einem bestimm­ ten Spannungszustand (Tonus). Dieser wird stark durch das vegetative Nervensystem beeinflußt und ist kenn­ zeichnend für den Zustand des betreffenden Indivi­ duums. Schlaffe Haltung kann Ausdruck einer Übermü­ dung oder seel. Bedrückung sein. Die gleichmäßig erscheinende Bewegung eines M. setzt sich aus vielen einzelnen Zuckungen infolge kleiner An­ triebsimpulse von M.-Fasern zusammen. Je mehr M.-Fa­ sern beteiligt sind, desto stärker ist die Kraft, die entwikkelt wird. Es gilt für die einzelne M .-Faser das > Alles-oderNichts-GesetzOrganismus< zwischen 2 Organis­ men: Mutter und Kind. Der scheibenförmige, flache, schwammige, braunrote M. ist etwa 2—3 cm dick und hat einen Durchmesser von etwa 20 cm; seine Größe und Form können stark wech-

Muskelzerrung, unvollständiger -»Muskelriß mit Zerreißung einzelner Muskelfasern durch Überdehnung oder Anprall. Es bestehen Druckschmerz und leichter Bluterguß bei erhaltener Muskelfunktion. Behandlung: Ruhigstellung, feuchte Verbände, wel­ che die Abschwellung fördern, auch durch heparinhaltige Salben. Muskulatur, die Gesamtheit der -»Muskeln; mus­ kulär, die M. betreffend; muskulös, mit gut ausgebilde­ ten Muskeln versehen. Musterung, Verfahren zur Feststellung der Wehr­ dienstfähigkeit. Dabei werden die geistige und körperl. Tauglichkeit untersucht, Wehrpflicht- und Wehrdienst­ ausnahmen geprüft und die Art des zu leistenden Wehrdiensts festgestellt. In der Bundesrep. Dtl. geschieht die M. auf Grund des Wehrpflichtgesetzes v. 7. 11. 1977 und der Musterungsverordnung v. 5. 3.1975 durch 2 M.-Ärzte und die bei den Kreiswehrersatzämtern gebildeten M,Ausschüsse. (-» Wehrpflicht) Mutation [lat. >VeränderungstummUrvertrauenoverprotecschnitt durch ein Köpfchen, d krugförmige Vertiefung tionSchleimPilz< ent­ halten, deutet nicht auf eine Pilzerkrankung hin, sondern beschreibt nur das letzte Stadium der Erkrankung mit pilzartigen, braunroten, oft blutig-geschwürigen Haut­ knoten. Die M. f. beginnt meist mit allgemeinem Juck­ reiz, es treten dann fleckige und flächenförmige Haut­ rötungen mit Schuppungen auf, schließlich kommt es zu Hautknotenbildungen. Die Behandlung sollte immer durch den Hautarzt er­ folgen: Beginn mit cortisonhaltigen Salben und UV-Be­ strahlung, in fortgeschrittenem Stadium auch innerliche Anwendung von Cortison, im Spätstadium Versuch einer Behandlung mit Röntgenstrahlen. Mydriasis, die Erweiterung der Pupille, eine normale Erscheinung beim Blick in die Ferne und bei Dunkelein­ stellung des Auges. Auch Krankheiten, z. B. Vergiftungen (Atropa bella-donna), oder Arzneimittel, wie sie z. B. zur Untersuchung des Augeninnern verwendet werden (Atro­ pin u. a.), können M. verursachen. Konstante, durch Lichtreize nicht zu beeinflussende M. (über 5 mm) gilt als eines der Todeszeichen. Myelitis, Rückenmark|entzündung, seltene, stets iebensgefährl. Erkrankung in 2 Formen: Querschnitts-M., mit ausgebreiteten (diffusen) Entzündungen im Rückenmark nach Infektionskrankheiten (Typhus, Malaria, schweren Eiterungen u. a.), und disseminierte M., mit verstreuten (disseminierten) Entzündungsher­ den, wohl meist identisch mit -» multipler Sklerose, deren eigtl. Ursache unbekannt ist. Die Behandlung bekämpft die Grundkrankheit. Myelographie, das Einbringen eines Kontrastmittels mit Hilfe der -»Subokzipitalpunktion oder -»Lumbal­ punktion in den mit Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit ge­ füllten Spaltraum, der zwischen weicher und harter Rükkenmarkhaut liegt (Subarachnoidalraum). Das Kontrast­ mittel erscheint auf dem Röntgenschirm als Schatten. Wenn im Rückenmarkkanal raumbeengende Prozesse (Geschwulst u. a.) vorliegen, wird das Kontrastmittel an der betreffenden Stelle ganz oder teilweise gestoppt. Mit der M. sind die genaue Lage und der ungefähre Umfang des krankhaften Geschehens festzustellen. Myelographie: Stopp des Kontrastmittels (A) im Sub­ arachnoidalraum oberhalb einer Rückenmarkge­ schwulst (B), deren Umriß dabei hervortritt, links im Röntgenbild Wirbelkörper (Pfeil)

das-»Plasmozytom. die -► Fliegenlarvenkrankheit. Mykobakteri|en, stabförmige Bakterien, die sich von allen anderen Bakterien dadurch unterscheiden, daß sieeinen hohen Gehalt an Fettstoffen haben, in der Kultur langsam wachsen und nach der Färbung Säure-AlkoholFestigkeit aufweisen. Einige dieser Arten rufen beim Menschen und vielen Tierarten meist tuberkuloseähn­ liche Krankheiten (Mykobakteriosen) hervor. Ihr Cha­ Myelom das, multiples M., Myiasis,

539

Myelographie

Myko rakteristikum ist, daß sie mit granulomatösen und nekro­ tisierenden Gewebsveränderungen verschiedener Aus­ dehnung verlaufen. Es werden etwa 40 Arten definiert, die man grundsätzlich unterteilt in tuberkulöse, nichttuber­ kulöse und atypische M. Das Hauptkennzeichen der tuberkulösen M., zu denen das Mycobacterium tuber­ culosis (-»Tuberkulose) und das Mycobacterium leprae (-»Lepra) zählt, ist der epidemiologisch infektiöse Ver­ lauf. Dabei ist die Übertragung von Mensch zu Mensch (oder von Tier zu Tier bei der Rindertuberkulose) die Hauptvoraussetzung für ihre fortschreitende Existenz. Die nichttuberkulösen M. zeichnen sich bes. durch ihre Resistenz gegen die sonst außerordentlich wirksamen Tu­ berkuloseheilmittel (Tuberkulostatika) aus. Sie haben ab­ weichende biolog., biochem. und serolog. Merkmale. Die Mehrzahl der bisher definierten nichttuberkulösen M. ist weder für Menschen noch Tiere krankheitsauslösend; meist vegetieren sie außerhalb lebender Organismen in der Natur als -»Saprophyten. Lediglich bei besonderer Ab­ wehrschwäche des Wirtsorganismus können sie, in diese als Begleitbakterien in Form einer Superinfektion einge­ drungen, pathogen werden. Die dann hervorgerufenen Lungenkrankheiten zeigen zwar der Tuberkulose ähn­ liche Bilder, haben jedoch meist einen symptomarmen, uncharakteristischen Verlauf und sind der exakten Dia­ gnostik schwer zugänglich. Um den krankheitserregen­ den Charakter der Bakterien zu beweisen, müssen diese durch mehrfach wiederholte Untersuchungen und Anle­ gung von Kulturen nachgewiesen werden. Zu diesen For­ men der M.-Erkrankung gehört z. B. die Geflügeltuber­ kulose. Mykoplasmen, kleinste zellwandlose, daher stark verformbare und selbst durch bakteriendichte Filter fil­ trierbare, auf künstl. Nährböden züchtbare Bakterien. Seit 1898 als Erreger von Pleuropneumonien bei Rindern bekannt (daher zunächst als PPLO bezeichnet, Abk. von engl. pleuro-pneumonialikeorganisms). Erst 1962 gelang die Zuordnung zu Erkrankungen des Menschen. Durch M. verursachte Krankheiten treten auf im Bereich der Atemwege durch Mycoplasma pneumoniae (z. B. atyp. Pneumonie), im Bereich der Harnwege und Geschlechts­ organe durch Mycoplasma hominis und die verwandte Art Ureaplasma urealyticum. Mycoplasma pneumoniae wird durch engen Kontakt von Mensch zu Mensch über­ tragen und ist weltweit verbreitet. Mycoplasma hominis und Ureaplasma urealyticum werden durch Geschlechts­ verkehr übertragen. Sie finden sich oft auch beim Gesun­ den im Urogenitalbereich und führen nur unter bisher un­ geklärten Umständen zu Entzündungen. Die Diagnose wird entweder durch Erregernachweis oder durch Fest­ stellung von Antikörpern im Serum gestellt. Zur Behand­ lung eignen sich Tetracykline und Erythromycin. Myom:

I Bauchfellüberzug, 2 intramurale M., 3 subseröses M., 4 Gebärmutterschleimhaut, 5 Gebärmutterhöhle, 6 Ge­ bärmutterkörper, 7submuköses M., 8 Gebärmutterhals Mykosen, Pilzkrankheiten, die durch höhere Pilze verursachten Erkrankungen. Zu ihnen gehören die Aktino-M. (-»Strahlenpilzkrankheit) und die Dermato-M. (-»Hautpilzkrankheiten). Zur Krankheitserken­ nung dient der Nachweis der Pilze, der auch für die Be­ handlung von Bedeutung ist. Diese wird je nach der Art des Erregers, seiner Empfindlichkeit und dem Sitz der Er­ krankung mit pilzabtötenden Lösungen, Pudern, Salben oder innerlich durch die Gabe von Breitbandantimyko­ tika durchgeführt. (Bilder Bartflechte, Hautkrank­ heiten, Strahlenpilzkrankheit) Myodegeneratio cordis, Myokardschaden, der Herzmuskelschaden (-» Herzkrankheiten). Myogelose, die-»Muskelhärte. myogen, durch Muskeln verursacht, z. B. myogene Lähmung, eine Bewegungseinschränkung, die durch Schwund bestimmter Muskeln entstanden ist. Myoglobin, roter Muskelfarbstoff, sauerstoffbin­ dendes Protein des Muskels, das aus einer Peptidkette mit 153 Aminosäuren und einer Hämgruppe besteht, deren

540

Eisenatom ein Sauerstoffmolekül reversibel (wiederauf­ lösbar) binden kann. M. hat eine höhere Affinität zum Sauerstoff als Hämoglobin und stellt den Sauerstoffspei­ cher für den Muskel dar. Myoglobin|ämie, Einschwemmung von Muskel­ farbstoff (Myoglobin) aus der durch Trauma (Verlet­ zung), Toxine (Gifte) oder Minderdurchblutung geschä­ digten quergestreiften Muskulatur in die Blutbahn. Der M. folgt je nach Art und Schwere der Schädigung eine kontinuierl. oder anfallsweise auftretende (paroxysmale) Ausscheidung von Myoglobin im Harn. Bei schwerem Muskeltrauma kommt es zum -»Crush-Syndrom. Myographie, neurophysiolog. Verfahren zur graph. Darstellung von Muskelzuckungen. Die Elektromyogra­ phie registriert die Entladungsfrequenzen der Muskel­ fasern. Myokardie, Myokardose, ursprünglich aus der frz. Medizin stammende Bezeichnung für Störungen im Vit­ aminhaushalt oder in der hormonellen Steuerung im Herzmuskel sowie für Störungen unbekannter Ursache. Die M. tritt familiär gehäuft auf und kann zu einer nicht beeinflußbaren Herzschwäche führen. Die Ursache ist nicht eindeutig geklärt. Myokardinfarkt, der-► Herzinfarkt. Myokarditis, Entzündung des Herzmuskels (-► Herz­ krankheiten). Myokardschaden, Myodegeneratio cordis, der Herzmuskelschaden (-» Herzkrankheiten). Myoklonie, blitzartige Muskelzuckungen, die nicht rhythmisch, sondern unregelmäßig auftreten. Myom das, Sammelbezeichnung für meist gutartige, vornehmlich aus Muskelgewebe aufgebaute Geschwül­ ste. Während die von der quergestreiften Muskulatur und der Herzmuskulatur ausgehenden M. außerordentlich selten sind, findet man M. sehr häufig in der glatten Mus­ kulatur der Gebärmutterwand. Etwa 10% aller Unter­ leibserkrankungen der Frauen werden durch M. verur­ sacht, die häufig nach dem 30. Lebensjahr und meist in größerer Zahl auftreten; sie können Kopfgröße erreichen. Je nach der Lage unterscheidet man subseröse M., un­ ter der Bauchfellbedeckung der Gebärmutter, intra­ murale M., inmitten der Muskelwand, und submuköse M., unter der Gebärmutterschleimhaut gelegen. Die Bildung und das Wachstum der M. scheinen mit der Tätigkeit des Eierstocks in engem Zusammenhang zu ste­ hen, denn nach dem natürl. oder künstlich herbeigeführ­ ten Erlöschen dieser Funktion wachsen sie nicht mehr wei­ ter und können sogar etwas schrumpfen. Die Behaup­ tung, daß Frauen, die nicht geboren haben, zur M.-Bil­ dung neigen, läßt sich statistisch nicht bestätigen. Während einerseits viele M. überhaupt keine krankhaf­ ten Erscheinungen hervorrufen und nur zufällig bei einer frauenärztl. Untersuchung entdeckt werden, können an­ dererseits die durch sie verursachten Krankheitszeichen sehr vielseitig sein. Durch die Größe der Geschwulst kön­ nen Verdrängungserscheinungen und Völlegefühl im Leib auftreten; auch kann es zur Vortäuschung einer Schwangerschaft kommen. Direkter Druck auf Blase oder Mastdarm verursachen häufigen Harndrang oder Verstopfung. Bei subserösen M. kann sich ein aus Binde­ gewebe bestehender >Stiel< zwischen dem M. und der Ge­ bärmutter bilden. Wenn dieser Stiel sich um seine Achse dreht, was gelegentlich vorkommt, werden die in ihm ver­ laufenden Blutgefäße abgeschnürt; es treten mit Fieber und starken Schmerzen einhergehende Ernährungsstö­ rungen des M. auf. Die in der Muskelwand gelegenen M. hemmen die Zu­ sammenziehungsfähigkeit der Gebärmuttermuskulatur. Da die Blutstillung in diesem Organ durch eine Zusam­ menziehung der Muskulatur und somit auch der in ihr ver­ laufenden Blutgefäße bewirkt wird, außerdem die myomatöse Gebärmutter bes. stark mit Blut versorgt wird, kommt es zu sehr heftigen und langanhaltenden Men­ strualblutungen (Menorrhagien). Sitzt das M. direkt un­ ter der Gebärmutterschleimhaut und wölbt diese vor, so treten oft unregelmäßige Blutungen (Metrorrhagien) auf.

Myze Behandlung: Jedes M., das Beschwerden oder Blu­ tungsstörungen hervorruft, sollte operativ behandelt wer­ den; die Operation besteht meist in der Entfernung der Gebärmutter. Lediglich bei jüngeren Frauen, zudem wenn noch der Wunsch nach Kindern besteht, kann ver­ sucht werden, durch Ausschälen eines isoliert sitzenden M.-Knotens die Gebärmutter zu erhalten. Bei Frauen mit M., die sich bereits den Wechseljahren nähern und bei de­ nen keine Störungen vorhanden sind, läßt sich ein operati­ ves Vorgehen u. U. vermeiden, da i. d. R. mit Beginn der Postmenopause (-»Menopause) ein Schrumpfungspro­ zeß der M. einsetzt. Jedoch sind dann bis weit in die Post­ menopause hinein regelmäßige, mindestens halbjährl. Kontrollen mit Überprüfung des Tastbefunds erforder­ lich. Sollte der operative Eingriff nicht möglich sein, so kann man durch eine Radium- oder Röntgenbehandlung die M. zur Schrumpfung bringen. Die Umwandlung eines M. in eine bösartige Geschwulst ist selten. Myopathi|en, die -*Muskelkrankheiten. Myopie, die -»Kurzsichtigkeit. Myositis, Muskel|entzündung, -* Muskelkrank­ heiten. Myotonie, Muskelspannung, tonischer -»Muskel­ krampf. Myotonia congenita, Thomsensche Krankheit, erbl. Anomalie der Muskeln, die dadurch gekennzeichnet ist, daß die Muskeln nach Anspannung nicht gleich wieder er­ schlaffen, sondern sich aus der Zusammenziehung nur langsam lösen; so entsteht eine mehrere Sekunden bis Mi­ nuten dauernde Muskelsteife, die vom Willen unabhängig ist. Kinder mit M. fallen durch Blickstörungen auf: nach Augenschluß werden die Lider verspätet geöffnet; nach Geschrei bleiben die Gesichtszüge eine Zeitlang starr. Pathologisch anatomisch besteht eine Volumenzu­ nahme (Hypertrophie) der Muskelfasern. Formen: de Lange-Syndrom (n.C. de Lange, * 1871, 1 1950). Die angeborene Muskelhypertrophie ist mit einer Gehirnleistungsschwäche (Hirnatrophie) vergesellschaf­ tet; es finden sich Entwicklungsverzögerung, Debilität, motor. Störungen, auch die Kombination mit anderen Mißbildungen. Das Talma-Syndrom (n. S. Talma, * 1847, f 1918) wird als myoton. Krankheitsbild im Anschluß an ver­ schiedene Primärerkrankungen beobachtet. Umstritten ist, ob es sich dabei um eine erworbene (ausheilbare) Stö­ rung handelt oder um eine Spätmanifestation der angebo­ renen M. Myrrhe, Echte M., Myrrha, der eingetrocknete Milchsaft der zu den Balsambaumgewächsen (Burseraceae) gehörenden Myrrhenstrauch-Arten Commiphora abyssinica und Commiphora molmol, die in trop. Trokkengebieten vorkommen. Das aus Rissen der Rinde und Einschnitten austretende Gummiharz enthält bis zu 10% äther. Öl. Die Myrrhentinktur (Tinctura Myrrhae), ein alkohol. Auszug aus M. mit adstringierender Wirkung, dient in starker Verdünnung hauptsächlich zu Mundspü­ lungen und zum Bepinseln entzündeten Zahnfleisches. Das durch Wasserdampfdestillation gewonnene äther.

Myrrhenöl wird in der Parfümerie verwendet. Wohlrie­ chender M.-Duft spielte im Altertum (Bibel) eine große Rolle. Anwendung: Heilpflanzen, Übersicht. Myrte, Echte M., Braut-M., Myrtus communis,

zu den Myrtengewächsen (Myrtaceae) gehörender immer­ grüner, meist buschiger Strauch in warmgemäßigten Kli­ mazonen, bes. im Mittelmeergebiet. Die getrockneten Blätter enthalten bis zu 0,6% äther. Öl. M.-Kränze als Brautschmuck gehen auf einen uralten babylonisch-jüdi­ schen Hochzeitskult zurück. Heilkundl. Anwendung: Heilpflanzen, Übersicht. Mystik, die unmittelbare Erfahrung des Göttlichen in der Tiefe der eigenen Seele. Der Weg des Mystikers ist auf den höchsten Grad der Vereinigung mit Gott gerich­ tet: die geistl. Vermählung (unio mystica), in der die individuelle Seele im Wesen Gottes aufgeht. Die Lehre der M. unterscheidet verschiedene Stufen dieses Weges (z. B. Reinigung, Erleuchtung); in der myst. Ekstase wird die auf der letzten Stufe dauernde Vereinigung vor­ übergehend erreicht. Psychosomat. Einflüsse myst. Erle­ bens sind als wahrscheinlich anzusehen (-»Stigmatisa­ tion). Die Schriften der Hl. Theresia von Avila, der großen span. Mystikerin im Zeitalter Philipps II., sind Quellen für die eigentüml., seelisch-geistigen Erlebnisse der myst. Erfahrung. Mystiker waren u. a. Meister Eckhart, Suso, Tauler, J. Böhme, Ruysbroek, An­ gelus Silesius. Myxödem, durch Unterfunktion der Schilddrüse (Hypothyreose) verursachte Krankheit, auch mit Kropf­ bildung, die zu einer Ansammlung schleimartiger, eiweiß­ haltiger Flüssigkeitsmengen im extrazellulären Raum des Körpers führt. Die Haut, bes. des Gesichts, ist gespannt und gedunsen, im Ggs. zum Ödem hinterläßt Fingerdruck keine Dellenbildung. Es besteht eine ausgeprägte Herz­ funktionsstörung sowie eine Fettstoffwechselstörung mit Fettleibigkeit. Die Oberhaut ist trocken, rissig und runz­ lig, die Augenbrauen sind spärlich und borstig. Es entwikkeln sich eine allgemeine körperl. Schwäche (mit Hypoto­ nie) und geistig-seelische Schwerfälligkeit. - Als postope­ ratives M. wird der Zustand der Cachexia thyreofstrumijpriva nach weitgehender operativer Entfernung der Schilddrüse bezeichnet. — Behandlung: Substitution (Er­ satz) der Schilddrüsenhormone mit Schilddrüsenpräpa­ raten. (-»Hormonbehandlung, -»Hormone) Myxom, schwulst,

Gallertgeschwulst,

Schleimge­

seltene, dem embryonalen Schleimgewebe, also dem gallertartigen Gewebe der Nabelschnur äh­ nelnde, knollige Geschwulst der Weichteile, meist die Va­ riante einer -» Fettgeschwulst. Bösartige, v. a. in Lunge und Leber -» Metastasen bildende Typen des M. werden Myxosarkome genannt; sie finden sich bevorzugt im retroperitonealen Bauchraum. Behandlung: Da das M. keine Kapsel besitzt, muß es unter Mitnahme gesunden Gewebes operativ entfernt werden; beim Myxosarkom kann die Amputation des be­ troffenen Glieds erforderlich sein. Myzetom,

der -*Madurafuß.

541

Myxödem

N Nabel, rundl. bis sternförmige Einziehung in der Mitte des Bauchs. Zur Zeit des Lebens im Mutterleib mündet im N. der N .-Strang, der die Verbindung zwischen Mutterku­ chen und Embryo darstellt. Durch den N. laufen die bei­ den N.-Arterien und die N.-Vene (-»Blutkreislauf). So­ bald das Kind nach der Geburt zu atmen beginnt, hört der Blutkreislauf in den N.-Gefäßen auf. Durch die Hebamme wird der N.-Strang unterbunden und durchgeschnitten. Während gleichzeitig die in der Leibeshöhle gelegenen N.-Gefäße veröden, vernarbt der N., indem der Rest des N.-Strangs schrumpft und nach wenigen Tagen abgestoßen wird. Der N. ist zunächst noch eine offene Wunde und daher mit großer Sauberkeit zu be­ handeln. Er wird mit einem geeigneten Puder bestreut, ei­ nem keimfreien Mulltupfer bedeckt und einer N.-Binde verbunden. Erst wenn er trocken ist, darf das Kind geba­ det werden. Es ist wichtig, nach dem Baden den N. mit Zellstoffwatte trockenzutupfen und nachzupudern. Stö­ rungen im Verlauf des Abheilens der N.-Wunde machen sich in einer entzündl. Rötung, auch Schwellung des N,Rings oder in einer Absonderung von Eiter aus dem N. be­ merkbar. In diesen Fällen ist sofort ein Arzt zu befragen. Entzündung des N. (Omphalitis) ist gefährlich, da die eben erst verödeten Gefäße des N. leicht infiziert werden können und diese Infektion in die Bauchhöhle eindringen kann. Selten kommen Diphtherie des N. und von der N.Wunde ausgehender Wundstarrkrampf vor. Nabelbrüche kommen durch entsprechende Neigung des N.-Rings zur Ausbildung. Man erkennt den Bruch an einer Vorwölbung des N. Leichtere N.-Brüche sind beim Säugling außerordentlich häufig. Meist schließt sich die N.-Lücke im Verlauf des ersten Lebensjahrs von selbst, so daß sich eine Behandlung erübrigt. N.-Brüche können durch einen Streifen Heftpflaster, der die Haut schont, zurückgehalten werden; dabei wird eine Falte gebildet, in diese der N. eingelegt und durch einen Pflasterstreifen zu­ sammengehalten. Hierdurch soll der N.-Ring zusammen­ gezogen werden und bindegewebig verwachsen. Wenn das nicht gelingt, muß der N.-Bruch operativ beseitigt werden, im allgemeinen erst nach Vollendung des ersten Lebensjahrs. Abgesehen von dieser Regel kann eine Ope­ ration notwendig werden, wenn Gefahr besteht, daß sich im (größeren) N.-Bruch Darmschlingen einklemmen. Auch beim Erwachsenen kann sich ein N.-Bruch ausbil­ den, bes. durch Erschlaffung der Bauchdecke, z. B. bei Frauen nach Geburten; meist operative Behandlung. Nabelkoliken sind anfallsweise auftretende Bauch­ schmerzen bei Kindern, bes. im 3.—10. Lebensjahr; in schweren Fällen können sie mit allgemeiner Blässe, Erbre­ chen und Schweißausbrüchen einhergehen. Ursache: krampfhafte Zusammenziehungen (Spas­ men) der glatten Muskulatur des Dickdarms, die durch psych. Ursachen (Schreck, Schulangst, Wutausbrüche u. a.), Verdauungsstörungen oder Infektionen ausgelöst werden können; AusstrahlungsschmerzindieN.-Gegend. Behandlung: im akuten Anfall Bettruhe, feuchte, heiße Leibwickel, Trinken von Fencheltee, vorüberge­ hend keine Nahrung. — Vorbeugung: Maßnahmen zur allgemeinen Kräftigung (Hautpflege, Gymnastik, Schwimmen), auch Psychotherapie. Bei anhaltenden N.-

542

Koliken muß auf Organ. Erkrankungen, z. B. -* Mesente­ rialdrüsentuberkulose, untersucht werden. Naboth-Eier [n. dem Arzt Martin Naboth, * 1675, 11721], bis kirschkerngroße, mit Schleim gefüllte Bläs­ chen in der Nähe des äußeren Muttermundes. Es handelt sich um von Scheidenepithel überwachsene und somit ver­ schlossene Schleimdrüsen als Zeichen der Heilung einer Erosion oder einer Ektopie (-»Gebärmutterkrank­ heiten). N. haben keine krankhafte Bedeutung und wur­ den früher fälschlich für Eizellen gehalten. Nachblutung, eine mehrere Stunden oder Tage nach der ursprüngl. Verletzung einsetzende neuerl. Blutung aus Gefäßen, die noch nicht oder nur ungenügend durch Blutgerinnsel verschlossen waren. Durch sorgfältige Blut­ stillung (Gefäßkontrolle) und Beobachtung des Verletz­ ten (Kreislaufverhalten) können N. vermieden werden. Nachgeburt, -»Geburt, -»Mutterkuchen. Nachstar, -»grauer Star. Nachtarbeit, Arbeit zwischen 20 und 6 Uhr. Aus physiolog. Gründen ist die -» Leistungsbereitschaft, bes. von 23—5 Uhr (Leistungstief: 3 Uhr), stark herabgesetzt. Nachtarbeiter sollten zu dieser Zeit nicht zu Mehrarbeit herangezogen und betriebsärztlich betreut werden. Es gibt ein grundsätzl. N.-Verbot für Arbeiterinnen von 20 bis 6 Uhr und für Jugendliche von 20 bis 7 Uhr (hiervon ab­ weichend bestehen gesetzlich geregelte Ausnahmen). -►Schichtarbeit. Nachtblindheit, Hemeralopie, das herabgesetzte Anpassungsvermögen der Augen an geringe Helligkeit. Man unterscheidet 2 Formen: 1) die angeborene erbl., schwere Schädigung oder der völlige Ausfall des Stäb­ chenapparats der Netzhaut. Dabei kann das Tagessehen völlig normal sein, da sich in der Mitte der Netzhaut nur Zapfen und keine Stäbchen befinden. Die Betroffenen sehen wie durch ein Schlüsselloch und sind infolge dieses röhrenförmigen Gesichtsfelds häufig sehr hilflos. Eine sichere Behandlung gibt es nicht, doch kann versucht wer­ den, ein Fortschreiten der Erkrankung aufzuhalten. 2) N. infolge von Mangelerscheinungen durch Fehl­ ernährung, bes. durch Mangel an Vitamin A. Sie tritt bes. auf in Notzeiten (Krieg) und bei allgemeiner Unterernäh­ rung, auch in Begleitung mit anderen Krankheiten oder Vitaminmangel im Frühjahr. Eine entsprechende Vit­ aminbehandlung kann hier schnellen Erfolg bringen. Nachtklinik, -»Tages- und Nachtklinik. Nach|tripper, volkstüml. Bezeichnung für katarrhal. Erscheinungen in der Harnröhre, die sich an den -»Trip­ per anschließen. Sehr oft handelt es sich um einen nicht ge­ heilten, chronisch gewordenen Tripper. Nachtschweiß, starkes nächtl. Schwitzen. Bei Ge­ sunden kommt N. nach erhebl. körperl. Anstrengungen vor. Als Begleiterscheinung von Krankheiten tritt N. in der Genesungszeit nach schwerer Ernährungsstörung auf, bei Überfunktion der Schilddrüse, Zuständen vege­ tativer Dystonie mit Entgleisung des Wasserhaushalts so­ wie bei der aktiven Tuberkulose. Gegen N. helfen Abrei­ bungen mit Essigwasser oder Franzbranntwein, Verzicht

Nahp auf Flüssigkeitszufuhr ab Mittag sowie salzarme Kost. Bei langdauerndem N., der zu erhebl. Schwächung führt, muß der Arzt um Rat gefragt werden. Nachtwandeln, das -»Schlafwandeln. Nachwehen, die nach Beendigung der Geburt in den ersten Stunden und Tagen des Wochenbetts auftretenden schmerzhaften Zusammenziehungen der Gebärmutter­ muskulatur, die der Blutstillung aus der Geburtswunde der Gebärmutter und deren Verkleinerung bis zur norma­ len Größe dienen. Sie können bei Frauen, die schon mehr­ fach geboren haben, bes. heftig auftreten. Nacken, Genick, der zum Rücken (dorsal) gelegene Teil des Halses, dessen Knochengrundlage von der Hin­ terhauptsschuppe des Schädels und den Halswirbeln ge­ bildet wird. An die Halswirbel legt sich zu beiden Seiten die N.-Muskulatur an (Modell des Menschen nach S. 400), in der Mittellinie verläuft das elastische N.-Band. Nackensteifigkeit, schmerzhafter Spannungszu­ stand der Nackenmuskulatur, ähnlich dem -»Hexen­ schuß. Nacktkultur, die -»Freikörperkultur. Naevus, das-»Muttermal. (-»Blutgefäßmal) Nagel, Unguis, Onyx, die dünne, durchscheinende, gebogene Hornplatte auf der Rückenfläche des Endglieds der Zehen und Finger. Jeder N. liegt seiner Hautunter­ lage, dem Nagelbett, fest auf und wird seitlich und hinten von einer Erhebung der Haut, dem Nagelwall, begrenzt. Nagel: 1 Finger­ endglied mit halbseitig ent­ fernter Nagel­ platte. 2 Schnitt durch die Na­ gelwurzel bei starker Vergrö­ ßerung (senk­ recht zu Bild 1; nach Benninghoff); a Nagel­ bett, b Nagel­ wall, c Nagel­ möndchen, d Nagelplatte, e Nagelwurzei, /Nagel falz

Hinten und seitlich senkt sich die Nagelplatte in den Na­ gelfalz ein. Der N. wächst nur von der im hinteren N.-Falz liegenden Nagelwurzel aus, einer weichen unverhornten Mutterzellschicht. Die Nagelzellen schieben sich von hier

auf dem N .-Bett nach vorn und verhornen dabei mehr und mehr. Das Längenwachstum der N. beträgt etwa 3 mm im Monat. Die halbmondförmige weiße Stelle vor der N.Wurzel heißt N.-Möndchen. Die weißl. Färbung ist durch die darunterliegende, verhältnismäßig undurchsichtige Oberhautschicht bedingt; weiter vorn ist diese weniger dick und läßt die blutreiche Unterlage rosa durchschei­ nen. Vom N.-Wall schiebt sich ein feines Häutchen, das N.-Oberhäutchen, auf den N. vor. Der über die Finger­ kuppe hervorragende Teil der N.-Platte wird freier N.Rand genannt. Nagelbett|entzündung, Onychie, -»Panaritium, -» Nagelkrankheiten. Nägelkauen, das Abbeißen der Nägel bis in das dann oft blutende Nagelbett, auch gelegentlich der Zehennägel; meist bei Kindern, häufig aber auch noch bei Jugendli­ chen und Erwachsenen. N. gilt als Ersatzbefriedigung im Sinn einer gestauten Erregungsabfuhr, als aggressiver Ausdruck von Enttäuschung und Unbefriedigtsein. Behandlung: Psychotherapeut. Hilfe durch Beseiti­ gung der spannungsgeladenen Ursachen ohne Anwen­ dung von Strafe oder Zwang. Nagelkrankheiten, Onychosen, krankhafte Ver­ änderung der Nägel. Sie können als selbständige Krank­ heitsbilder auftreten, sind aber häufig Teilerscheinung ei­ ner inneren Erkrankung oder einer Hautkrankheit. Die Ursachen vieler N. sind noch ungeklärt. Das angeborene Fehlen der Nägel (Anonychie) ist selten und tritt meist familiär auf.

Völliges Ausfallen der Nägel (Onycholysis) kommt bei schweren inneren Krankheiten oder Hauterkrankungen vor; nach Abheilen des ursächl. Leidens wachsen die Nä­ gel meist von selbst nach. Eine Teilloslösung der Nagel­ platte vom Nagelbett kommt beim Ekzem als Entzün­ dungsfolge und bei Pilzerkrankungen (Bild Hautkrank­ heiten) vor; auch als Berufsschädigung beim dauernden Umgehen mit schädigenden Arbeitsstoffen (Wasch­ frauen, Fleischer, Konditoren, Chemiearbeiter). Die Weißfärbung der Nägel (Leukonychie) tritt in Form von weißen Punkten oder Streifen auf; die Verfär­ bung wird darauf zurückgeführt, daß Luftbläschen in feine Verletzungen der Nagelsubstanz eingedrungen sind. Querfurchen der Nagelplatte entwickeln sich im An­ schluß an schwere innere oder Hauterkrankungen, sie sind Ausdruck einer zeitweiligen Störung des Nagel­ wachstums im Bereich der Nagelwurzel (schlechte Durch­ blutung, Giftstoffe von Krankheitserregern oder Stoff­ wechselgifte, Ekzem, Schuppenflechte). Aus ähnl. Gründen kann eine abnorme Brüchigkeit der Nagelsubstanz (Onychorrhexis) entstehen, aber auch durch Entfettung der Nägel bei Staubarbeiten, bei Um­ gang mit Kalk und bestimmten Lösungsmitteln. Auch Kalk- oder Vitaminmangel und Pilzkrankheiten der Nä­ gel können diese Veränderung hervorrufen. Der Krallennagel (Onychogryposis) ist durch übermä­ ßiges Verhornen des Nagelbetts, starke Verdickung und krallenartige Verbiegung der Nagelplatte gekenn­ zeichnet. Behandlung: erweichende Seifenbäder, Salizylsal­ ben und ständiges Abfeilen halten die Deformierung in Grenzen. Der Niednagel oder Neidnagel entsteht durch Eintrock­ nen und Einreißen des Nageloberhäutchens bei mangeln­ der Pflege. Der Riß setzt sich in die Haut des Nagelwalls fort, vertieft sich und ist bei jeder Berührung schmerz­ empfindlich. Behandlung: Der Niednagel muß nach einem Seifen­ bad vorsichtig mit feiner gebogener Schere abgeschnitten werden. Durch falsche Behandlung eines Niednagels, Verlet­ zungen bei ungeschickter Nagelpflege und bei eitrigen Hauterkrankungen können sich infolge Eindringens von Eitererregern eine Nagelfalz- und Nagelwallentzündung (Paronychie) oder eine Nagelbettentzündung (Onychie) entwickeln. Sehr heftige, klopfende Schmerzen, stark entzünd!. Rötung der ganzen Nagelgegend und später gelbl. Verfär­ bung unterhalb der Nagelplatte infolge Eiteransammlung kennzeichnen das Krankheitsbild in seiner akut verlau­ fenden Form; die Erkrankung kann aber ebenso unter ständigen Rückfällen mit gelegentl. Absonderung eines Eitertropfens aus dem Nagelfalz und der Bildung einer warzenähnl. Wucherung von >wildem Fleisch< am Nagel­ wall einen chron. Verlauf nehmen. Die ärztl. Behandlung versucht, durch heiße Seifen­ bäder, alkohol. Umschläge mit antisept. Zusätzen und mit antibiot. Salben die Entzündung auszuheilen. Bei Verzögerung der Heilung führt ein kleiner Chirurg. Ein­ griff bei örtl. Betäubung meist schnell zum Ziel. Über das Einwachsen des Großzehennagels in den vor­ deren Nagelfalz -»eingewachsener Nagel. Nagelpilzerkrankung, -» Hautpilzkrankheiten. Nagelpflege. Zu den selbstverständlichen allgemeinhygien. Erfordernissen gehören das Abschneiden und Abfeilen des freien Nagelrands sowie das Reinigen des Raums darunter. Das Nageloberhäutchen wird mit einem Stäbchen (mit Watte umwickelt und mit Nagelhautentfer­ ner angefeuchtet) vorsichtig zurückgeschoben. Verlet­ zungen sind dabei zu vermeiden, um keine Eintrittspforte für Krankheitserreger zu schaffen. Der Glanz der Nägel kann durch Abreiben mit etwas Zitronensaft und Nach­ polieren mit Lederkissen sowie durch Nagellack erhöht werden. Alle Geräte zur N. sind peinlichst sauberzu­ halten. Nagelpsoriasis, Einbeziehung der Nägel bei der -»Schuppenflechte. Nahpunkt, -»Akkommodation. 543

Nähr Nährhefe,

-»Hefen.

Ernährung. Nährpräparate, fabrikmäßig hergestellte Zuberei­ tungen (meist Mischpräparate) aus Lebensmitteln, die bei bestimmten Krankheiten oder Ernährungsstörungen die Kost ergänzen sollen. N. sind konzentrierte Nahrungsmit­ tel, sie enthalten einen oder mehrere, z. T. durch Vorbe­ handlung aufgeschlossene Nährstoffe. Salze und Vit­ amine werden häufig angereichert, um bei Schwächlichen und Genesenden eine rasche Gewichtszunahme zu errei­ chen. Überwiegend kohlenhydratreiche N. enthalten Zucker, Traubenzucker, Dextrin, Maltose, Stärke u. ä., für Dia­ betiker wird Sorbit bevorzugt. Bei Getreidemehlpräpara­ ten ist die Stärke z.T. in Dextrin umgewandelt. — Vorwie­ gend fetthaltige N. werden meist auf der Basis von Leber­ tran und angereicherter Milch hergestellt. — Verstärkt ei­ weißhaltige N. enthalten leichtverdaul. Eiweiß oder abge­ baute Eiweißstoffe, die meist aus Milch oder Fleisch her­ gestellt werden. — Die Multi-Vitamin-Präparate enthal­ ten Vitamine, Mineralsalze und Spurenelemente. Nährsalze, frühere Bezeichnung für Salzgemische, die eine Reihe von Mineralstoffen (z. B. Kalium, Na­ trium, Kalzium, Magnesium, Eisen) in Form von Salzen verschiedener anorgan. und organ. Säuren enthalten. Die N. sollen als isolierte Mineralstoffzugaben die heute meist üblichen Kost formen aufwerten, die großenteils aus Nah­ rungsmitteln bestehen, deren Verarbeitung Mineralstoff­ verarmung zur Folge hat, z. B. Auszugsmehl, Zucker. Vorzuziehen ist eine vollwertige, betont pflanzl. Ernäh­ rung, bei der sich ein Zusatz von N. erübrigt. Nährschäden, Erkrankungen, die durch falsche Er­ nährung bedingt sind. (-»Mangelkrankheiten, -»Mehl­ nährschaden, -► Mesotrophie, -»Milchnährschaden, -»Spurenelemente, -»Vitalstoffe, -»Vitamine) Nährstoffe, in der Nahrung enthaltene Stoffe, die ei­ nem Lebewesen Energie und/oder Bausteine für Wachs­ tum und Regeneration liefern und damit einen als Bauund Betriebsstoffanlieferer besonderen Nährwert haben. Dieser wird nach Menge und Art in Joule (früher Kalo­ rien) gemessen. Als essentielle Nahrungsinhaltsstoffe werden jene N. bezeichnet, die ein Lebewesen nicht selbst zu bilden vermag unddiei.d.R. nicht durch andere ersetz­ bar sind. Der Nährstofftransport ist die Verlagerung der aufgenommenen N. vom Aufnahmeort, z. B. der Schleim­ haut des Magendarmkanals, bis zum Verbrauchsort, letztlich der Körperzelle. (-»Nahrung, -»Ernährung) Nahrung, alle Stoffe, die lebende Organismen zu ihrer Erhaltung und zur Lebenstätigkeit aufnehmen müssen. Da die einen Lebewesen meist die N. anderer Lebewesen sind, entstehen N.-Ketten oder -Netze, an denen ein er­ hebt. Teil der Materie in der Biosphäre beteiligt ist. Art, Zusammensetzung und Zustand der menschl. N. können sehr unterschiedlich sein. Sie werden von zahlrei­ chen Faktoren beeinflußt und geprägt, z. B. Klima, Stand der gesellschaftl. Entwicklung (Wirtschaft, Technologie, Religion, kulturelle Tradition u. a.). Individuelle Fakto­ ren sind: Geschmacksempfindung, Alter, Ausmaß kör­ perl. Aktivität, Gesundheitszustand, Stimmung u. a. Die N. muß die Bedürfnisse (Hunger, Durst) befriedigen und alle physiolog. Funktionen (z. B. Wachstum, Regenera­ tion, Fortpflanzung) gewährleisten. Die weitgehenden Möglichkeiten des Menschen, in die Umwelt einzugreifen und dieN. auszuwählen und zu verändern, könnenauchzu ungünstiger oder unzureichender Zusammensetzung und Qualität der N. (Fehlernährung) führen, wodurch Wohl­ befinden und Leistungsfähigkeit beeinträchtigt werden. Qualität, Nährwert. Die große Zahl von Merk­ malen, nach denen die Qualität der N. beurteilt wird, läßt sich entsprechend ihrer verschiedenen Zwecke in 3 Teil­ begriffe gliedern: 1) Genußwert: Farbe, Form, Geruch, Geschmack, Konsistenz und Temperatur sind Eigenschaften, die ein Mensch beim Genuß eines N.-Mittels mit seinen Sinnen wahrnehmen kann. Als allgemeine Qualitätsanforderung kann gelten, daß Aussehen und Geschmack sich entspre­ chen müssen. Während beim Einkauf von N.-Mitteln der Nährklistiere, -» künstliche

544

opt. Eindruck bestimmend ist, kommen beim Verzehr zu­ sätzl. Geruchs- und Geschmacksaspekte zur Geltung. 2) Eignungswert: Zusammenfassung von Merkmalen, die sich in Kosten oder Arbeitszeitaufwand ausdrücken lassen. Sie sind entsprechend den unterschiedl. Interessen von Verbrauchern, Erzeugern und Händlern verschieden. Hierbei versucht jeder Beteiligte, seinem Qualitätsbegriff allgemeine Geltung zu verschaffen. Für den Verbraucher sind v. a. günstiger Kaufpreis, Haltbarkeit und küchentechn. Eignung wichtige Merkmale. 3) Gesundheitswert: die Eignung eines N.-Mittels oder Genußmittels, nach dem Verzehr zu Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit des Organismus beizutragen. Der Ge­ sundheitswert ist vom Verbraucher in wesentl. Gesichts­ punkten (z. B. Gehalt an essentiellen Inhaltsstoffen, uner­ wünschten Mikroorganismen oder Giften) nicht oder nur schwer wahrnehmbar und allenfalls nur sehr beschränkt an Hand der Zutatenliste und der teils angegebenen ehern. Zusammensetzung erkennbar. Um lebensmittelchem. o.ä. Untersuchungsergebnisse zu verstehen und angemes­ sen in die prakt. Ernährung umsetzen zu können, sind zu­ dem Fachkenntnisse erforderlich. Hilfreicher und anschaulicher ist deshalb bei Auswahl und Zubereitung der Vollwert der N.: Durch die N. muß der Organismus mit allen essentiellen, d. h. lebensnotwen­ digen Bestandteilen, die der Körper nicht selbst bilden kann, versorgt werden. Die Wahrscheinlichkeit, daß eine Gesamt-N. alle diese Stoffe in ausreichender Menge ent­ hält, ist um so größer, je frischer und naturbelassener die Lebensmittel sind. Denn fast jede Verarbeitung vermin­ dert den natürl. Gehalt der essentiellen Inhaltsstoffe und beschleunigt die Zerstörung des Ordnungsgefüges, in dem höchstwertige Energieformen gespeichert sind (-» Nah­ rungsenergie). Der Grad der Naturbelassenheit und um­ gekehrt der Verarbeitungsgrad ist demnach bei einem sehr großen Teil der heutigen N. ein geeigneter Maßstab für den Gesundheitswert. Da die analyt. Wissenschaft nicht ausschließen kann, daß außer den z. Z. bekannten essen­ tiellen Inhaltsstoffen noch weitere unbekannte existieren, wird empfohlen, sich bei der N.-Wahl sicherheitshalber an eine traditionell bewährte Kost zu halten. Hierauf be­ ruht der Grundsatz von W. -► Kollath: >Laßt unsere Nah­ rung so natürlich wie möglich !< Das bedeutet, daß die Le­ bensmittel nicht völlig unverändert sein müssen und z. T. auch nicht sein sollen (z. B. Hülsenfrüchte, Kartoffeln). Zudem wird auch eine Kost mit bis zu 40% erhitzter N. noch als ideale Vollwertkost angesehen. Neben dem Vollwert ist der Reinwert der N. ein weiteres entscheidendes Merkmal des Gesundheitswerts. Der Reinwert eines Lebensmittels gibt das Ausmaß der Rein­ heit (Fehlen von Schadstoffen) an. Häufigste Schadstoff­ quellen sind: a) Rückstände von Chemikalien, die in der Landwirtschaft eingesetzt werden (z. B. Tierarzneimittel, Pestizide), dazu gehören auch Hormonsubstanzen im Tierfutter; b) Schadstoffe, die aus der Umwelt in die Le­ bensmittel gelangen (z. B. Schwermetalle); c) zugelassene Zusatzstoffe, die langfristig bei hohen Konzentrationen oder bei unsachgemäßer Anwendung gesundheitsschäd­ lich sein können (z. B. Fruchtbehandlungsmittel); d) Gifte, die sich bei der Verarbeitung oder Lagerung bilden (z. B. -»Benzpyren, -»Nitrosamine, -»Aflatoxine); sie können meist nicht durch Erhitzen zerstört werden; e) Gifte, die von Natur aus in Lebensmitteln vorkommen; manche können durch geeignete Bearbeitung unschädlich gemacht werden (z. B. durch Kochen das in grünen Boh­ nen enthaltene Phasein oder das Aalgift). Zu einer Erhöhung des Rein werts der N. tragen deshalb bes. die landwirtschaftl. Produktionsmethoden bei, die weniger oder keine bedenkl. Stoffe erfordern, ferner umweltfreundl. Technologien in Verkehr, Haushalt und In­ dustrie und schließlich jene Verfahren der Lebensmittel­ verarbeitung und Konsumgewohnheiten, die weniger oder keine (schädl.) Zusatzstoffe erfordern. Zusammensetzung. Zur Beschreibung der N.-Mittel werden vielfach die Ergebnisse ehern. Analysen herange­ zogen. Diese geben über den Gesundheitswert eines N.Mittels jedoch nur einen beschränkten Aufschluß. Über­ dies sind solche Analyseergebnisse, wenn sie überhaupt ausgewiesen werden, beim Kauf schwer zu deuten.

NAHRUNG

Ei

Leberwurst Rindfleisch, mager

Schweinefleisch, fett Schweinefleisch, mager Schellfisch

Hering Schinken, geräuchert

Zervelatwurst Fleischwurst

Speck, geräuchert, gesalzen

Schweineschmalz Milchschokolade

Colagetränke Weißwein

AB 35 : :

545

Nähr Nach ihrer Bedeutung für den menschl. Organismus teilt man die N.-Inhaltsstoffe ein in: 1) Hauptnährstoffe, bes. -»Kohlenhydrate, -»Eiweiß, -»Fette, in zweiter Linie treten Alkohole und Hydroxysäuren (Milchsäure und >FruchtsäurenReinwertKünstlichkeit< der Nahrungsmittel und fordert eine entsprechende Verbraucheraufklärung. Nahrungsverderb, qualitätsmindernde Beeinträch­ tigung von Nahrungsmitteln bis hin zur völligen Genuß­ 546

untauglichkeit. Man unterscheidet zwischen mikrobiel­ lem N., von Mikroorganismen (Bakterien und Schimmel­ pilzen) bewirkt, deren Vermehrung und Tätigkeit verrin­ gert werden kann, und biochem. N. durch Enzyme, wel­ che die ehern. Reaktionen beschleunigen und häufig aus dem Lebensmittel selbst stammen. Gegen beide Arten hilft z. B. Erhitzen. Chem. N. vollzieht sich meist bedeu­ tend langsamer (z. B. in Konserven und Fetten) und kann durch Abschluß von Licht und Luftsauerstoff stark ver­ zögert werden. Kühllagerung dient fast immer der Ver­ langsamung des N. (-»Kältetechnik). Nahrungsveredlung, Bezeichnung für die Um­ wandlung von für den Menschen geeigneten pflanzl. Nah­ rungsgütern (z. B. Getreide) in (tier.) Veredlungspro­ dukte (Fleisch, Eier), v. a. durch ihre Verwendung als Tierfutter. In der Bundesrep. Dtl. wird etwa 4mal soviel Getreide verfüttert, wie direkt, also als Brei- und Brot­ getreide, von der Bevölkerung verzehrt wird. Die Vered­ lungsprodukte sind vom Ökonom. Gewinn her höherwer­ tig, dies trifft jedoch nicht gleichermaßen auf den gesund­ heitl. Wert zu. Bei der N. treten erhebl. Verluste an Nah­ rungsenergie, Nahrungseiweiß u. a. Nährstoffen auf. Bei der Erzeugung von tier. Nahrungsmitteln gehen im Durchschnitt von 7 Joule (1,7 Kalorien) aus pflanzl. Nah­ rung 6 Joule (1,4 Kalorien) verloren, so daß nur 1 Joule (rd. 0,3 Kalorien) in dem tier. Nahrungsmittel für den Menschen verbleibt. Praktisch bedeutet dies, daß bei ei­ ner Ernährung mit hohem Anteil tier. Nahrungsmittel we­ sentlich weniger Menschen von der gleichen Ackerfläche ernährt werden können als bei einer überwiegend pflanzl. Ernährung. Das ist für die Ernährung der Weltbevölke­ rung von entscheidender Bedeutung. Nährwert, -»Nährstoffe, -»-Nahrung. Nährzucker, leicht verdauliches Kohlenhydratge­ misch aus Dextrin und Maltose (Malzzucker), hergestellt durch Abbau von Stärke. N. wird lediglich besser vertra­ gen als andere Kohlenhydrate, ernährt aber nicht etwa be­ sonders gut (was die Bezeichnung vermuten ließe). N. ist im Darm weniger gärfähig und wird deshalb hauptsäch­ lich bei Dyspepsie verwendet. Im Vergleich zum Haushaltszucker süßt N. weniger, weshalb oft Süßstoff zusätz­ lich gegeben wird. Bestimmte Heilnahrungen enthalten i. d. R. 5% N. Er wird ärztlich verordnet bei Neigung zu dünnen Stühlen und zwecks Aufbau einer Diät nach aku­ ten oder mit Rückfällen auftretenden leichten Ernäh­ rungsstörungen. Naht, 1) Anatomie: Verwachsungslinie (Sutura) von Organ- oder Gewebeteilen, z. B. von Knochen am Schädel (Pfeilnaht). 2) Chirurgie: die künstl. Vereinigung durchtrennter Ge­ webe. Als N.-Material dient z. B. Katgut, ferner Seide, Draht und synthet. Material (Polyamid, Polyäthylenterephthalat u. a.). Nanosomie, der -»Zwergwuchs. Narbe, Cicatrix, Ausheilungszustand einer durch Verletzung, Krankheit oder Operation entstandenen Wunde an der Haut und/oder im Körperinneren. Die N. besteht aus Bindegewebe, das nach Bildung von -► Granu­ lationen auf dem Wundgrund und Zusammenziehung der Wunde (Kontraktion) ein Ersatzgewebe im Bereich der ehemaligen Wunde darstellt. Eine einfache Deckschicht aus Epithelzellen bedeckt das im Vergleich zur Haut nur wenig elast. und kaum belastungsfähige Bindegewebe. Während kleine N. meist keine Beschwerden verursa­ chen, bestehen im Bereich größerer N. oft Berührungs­ empfindlichkeit, Gefühlverlust, Schwellung, Juckreiz, Schmerzen und Verwachsungsstränge. Nach verzögerter Wundheilung ist eine solche N. verbreitert. Im Gesicht bedeuten entstellende N. eine ernste psych. Belastung; durch N. auf den Augenlidern kann der Lid­ schluß behindert sein (Hasenauge). Derbe und ziehende N. über Gelenken (z. B. Hand) führen zu Funktionsbehin­ derung oder sogar fixierter Fehlstellung (-»Kontraktur). Übermäßige bindegewebige Wucherung führt, bei Kin­ dern und Dunkelhäutigen vermehrt, zum -»Keloid. Bei problemat. N.-Bildung, z. B. nach ausgedehnten Verbrennungen, sind häufig Maßnahmen der —»plasti-

Nark sehen Chirurgie erforderlich. Nach Verätzung und Ent­ zündung in Speiseröhre und Darm können narbige Veren­ gungen entstehen; die Überdehnung einer Bauchdecken­ narbe kann einen -» Narbenbruch verursachen. N. in der Bauchhöhle können zu -* Verwachsungen führen. N.-Schmerzen. Während N. nach oberflächl. Wunden keine Beschwerden verursachen, kommt es nach Opera­ tion, Knochenbruch, Amputation und Verletzung größe­ rer Nervenäste häufig zu langdauernden Schmerzzustän­ den im N.-Bereich bei Ruhe, Berührung oder bei Tempe­ ratur- und Wetterwechsel. Ursache dieser Mißempfin­ dung (-► Kausalgie) ist nach Amputation die Wucherung der unterbrochenen Nervenstümpfe, z. B. in Form eines Neuroms (-»Nervengeschwulst); auch werden Fehlregu­ lationen im peripheren oder zentralen Nervensystem an­ genommen. (-» Phantomschmerz) Behandlung: örtl. Einspritzungschmerzausschalten­ der Mittel, N.-Pflege und N.-Korrektur; in hartnäckigen Fällen auch medikamentöse Nervenblockaden und Chir­ urg. Eingriffe am Nervensystem. Narbenpflege, die Verhinderung von Druck- und Scheuerstellen durch Kleidung oder Prothese. Reinhal­ tung, Massagen und Einreibungen dienen der Verhütung von Hautkrankheiten und Durchblutungsstörungen. Narbenbruch, meist im Bereich einer Bauchnarbe entstehender Bauchdecken- oder Eingeweidebruch. Der N. entwickelt sich bes. dann, wenn eine Wunde erst nach längerer Eiterung geheilt ist. Das sich bildende Narbenge­ webe besitzt keine ausreichende Elastizität und Festigkeit, um dem dauernden Druck der Eingeweide, bes. bei Hu­ sten und schweren körperl. Arbeiten, Widerstand entge­ genzusetzen. Behandlung: N. sind nach Möglichkeit zu operieren, bes. wenn dieGefahr der Einklemmung besteht (-»Bruch). Narbenflechte, Lupus vulgaris, -» Hauttuber­ kulose. Narbengeschwüre, infektiöse, chronisch eiternde Hautdefekte in ausgedehnten Narbengebieten, die wegen der schlechten Durchblutung der Narben nicht heilen. Sie erfordern deshalb gelegentlich plast. Operationen. Narbenkarzinom, Narbenkrebs, Krebsge­ schwulst, die v. a. in höherem Lebensalter auftritt und an den unteren Gliedmaßen auf Verbrennungsnarben oder chron. Beingeschwüren entsteht. Charakteristisch sind blutende Fleischwärzchen (-»Granulationen), ein derber Grenzwall gegen die Umgebung, schmierige Nekrosen (-• Brand), schlechte Heilungsneigung. Behandlung: Das N. wird mit der darunterliegenden -►Faszie unter Mitnahme gesunden Gewebes ausge­ schnitten und der Defekt plastisch gedeckt. Die Heilungs­ aussichten sind günstig. Narbenleber, Ausheilungszustand nach akuter nekrotisierender infektiöser Leberentzündung; durch narbige Schrumpfung entsteht eine grobe Höckerung der Leberoberfläche. Die Erkrankung neigt i. d. R. nicht zum Fortschreiten. Mit längerer Dauer der entzündl. Verände­ rungen (Entwicklungeiner chron. Hepatitis) ist jedoch ein Übergang in eine hepatit. -»Leberzirrhose mit narbigen Veränderungen möglich. Die Schrumpfung des Narben­ gewebes kann zur Pfortaderstauung (-»Ösophagusvari­ zen) führen. Narben|niere, höckerige Einziehungen der Nieren­ oberfläche nach Verschluß der Arterien oder Arteriolen der Niere (Niereninfarkt, -* Infarkt) durch Embolie. Das beim Niereninfarkt zerstörte Gewebe wird durch Binde­ gewebe ersetzt. Narbentetanus, -»Wundstarrkrampf. Narkolepsie, eine im Zusammenhang mit den Folge­ zuständen der epidem. Gehirnentzündung selten auftre­ tende, auch ohne erkennbare Ursache (idiopathisch) vor­ kommende Erkrankung. Dabei handelt es sich um plötzl. Funktionsausfälle in den vegetativen Zentren des Mittel­ und Zwischenhirns im Bereich des 3. Ventrikels. Die Stö­ rungen äußern sich in vorübergehendem Einschlafen (Dauer 5-15 Minuten), das mehrmals täglich auftritt. Ein weiteres Symptom ist die Kataplexie in Form von plötzl. 35‘

affektivem Tonusverlust der Muskulatur: Beim Lachen (>Lachschlagtoten< Klang. ferhöhle, i Gerüst der unteren Muschel, k unterer Teil der Die Untersuchung des N.-Innern von vom (vordere hinteren Nasenscheidewand, l Oberkieferknochen, Rhinoskopie) erfolgt mit dem N .-Spekulum; zur Üntersum Nasenboden (Gaumenbein), n unterer, o mittlerer, p oberer Nasengang, q Jochbein, r Stirnbein chung der hinteren N.-Höhle und der Choanen (hintere 548

Nase Rhinoskopie) dient der dem Kehlkopfspiegel ähnl. kleine N.-Rachenspiegel, durch den die hintere N.-Höhle von der Rachenhöhle aus beleuchtet wird. Näseln, Rhinolalie, organisch oder funktionell be­ dingter oder angewöhnter Sprachfehler: Der Nasenraum bleibt zur Mundhöhle hin offen, wenn er geschlossen, oder geschlossen, wenn er offen sein sollte. Nasenlaute sind m, n, ng; ist dabei die Nase verlegt, so wird >geschlossen< genäselt (Rhinolalia clausa, >Stockschnupfenspracheoffen< genäselt (Rhinolalia aperta), z. B. bei Gaumensegellähmungen oder Gaumenspalten, normal bei genäselten Selbstlauten im Französischen. Nasenbein, — Nase. Nasenbluten, Epi|staxis, Ausdruck einer örtl. Stö­ rung im Bereich der Nase oder allgemeinen Erkrankung. Bei örtlich bedingtem N. blutet es i. d. R. aus einem klei­ nen Gefäß im vorderen Teil (Locus Kiesselbachi) der Na­ senscheidewand, vielfach ausgelöst durch unvorsichtige Berührung oder heftiges Schneuzen. Auch Austrock­ nungserscheinungen, Geschwülste in der Nase oder äu­ ßere Gewalteinwirkung, z. B. Schädel- oder Nasenverlet­ zung, können Ursachen von N. sein. Als Zeichen einer Allgemeinerkrankung kommt N. vor: bei Krankheiten des Kreislaufs (hoher Blutdruck), der Gefäße (Arterienverkalkung und dadurch bedingte Gefäßbrüchigkeit) und der Nieren, bei hämorrhag. Dia­ these (Blutungsneigung durch Schädigung feinster Blut­ gefäße aus verschiedener Ursache), auch als vikariieren­ des (>stellvertretendeskalten< Abszeß übergehen kann, der dann die Haut durchbricht. Diese Form der N. hat oft eine tuberkulöse Ursache. Behandlung: Bettruhe, Hochlagern des Hodensacks; feuchte kühlende Umschläge, Antibiotika. Bei unspezif. N. Anlegen eines -»Suspensoriums, heiße Sitzbäder, Kurzwellenbehandlung. Die Entfernung des Neben­ hodens kann notwendig sein. Bei Tuberkulose Anwen­ dung von Tuberkulostatika. Nebenhöhlen, Höhlenbildungen des Gesichtsschä­ dels, die mit der Nasenhöhle in Verbindung stehen: Kie­ ferhöhlen (-»Oberkiefer), Stirnhöhlen (-»Stirnbein), Siebbeinzellen oder Siebbeinlabyrinth (— Siebbein), Keil­ beinhöhlen (-»Keilbein). Über Erkrankungen der N. — N asenkrankheiten. Neben|nieren, zwei den oberen Nierenpolen halb­ mondförmig aufsitzende, flache, etwa 12 g schwere Drü­ sen mit innerer Sekretion. Entwicklungsgeschichtlich, der Funktion und dem Gewebsaufbau nach lassen sich zwei Organanteile unterscheiden: das Nebennierenmark (Abk. NNM) und die Nebennierenrinde (Abk. NNR). Beide erzeugen mehrere lebenswichtige Hormone. Das Hormon des Nebennierenmarks, das — Adrenalin, wirkt steigernd auf den Blutdruck und den Zuckergehalt des Blutes. Es ist das erste Hormon, dessen ehern. Konsti­ tution um die Jahrhundertwende geklärt wurde. Die Auf­ findung des Noradrenalins folgte erst 1944. Die NNR-Hormone zeigen in ihrem Aufbau große Ähnlichkeit mit den männl, und weibl. Keimdrüsenhor­ monen sowie mit dem Cholesterin; sie gehören zu den — Steroiden. Die Hauptgruppen werden nach ihrer peri­ pheren Wirkung unterschieden. Zu ihnen zählen: 1) die Glucocorticoide. Hauptvertreter sind Cortisol und Cortison als die Streßhormone i. e. S. mit Wirkung auf Kohlenhydrat-, Fett- und Eiweißstoffwechsel. 2) die Mineralcorticoide. Hauptvertreter ist Aldosteron mit Wirkung auf Wasser- und Elektrolytstoffwechsel. 3) die Androgene. Zu ihnen gehört u.a. Testosteron mit Wirkung auf die Ausprägung der sekundären Ge­ schlechtsmerkmale. Cortison und seine synthet. Derivate haben bei der Pharmakotherapie besondere Bedeutung erlangt (Hor­ monbehandlung). Nebennierengeschwülste und geschwulstartige Wuche­ rungen von Rinde oder Mark sind verhältnismäßig selten: Sie machen sich gelegentlich durch gesteigerte Hormon­ erzeugung (Hyperkortizismus) bemerkbar, wie z. B. die Cushingsche Krankheit. N.-Rindengeschwülste im Kin­ 551

Nebe desalter führen zum vorzeitigen Auftreten von sekundä­ ren Geschlechtsmerkmalen. Bei Erwachsenen kann es zur Umkehr der äußeren Geschlechtsmerkmale kommen (z. B. Bartwuchs bei Frauen). Von den N.-Markgeschwül­ sten werden oft blutdrucksteigernde Hormone gebildet (-►Phäochromozytom). Über Unterfunktion der N. (Hypokortizismus) -► Addisonsche Krankheit. Nebenschilddrüsen, Epithelkörperchen, Or­ gane mit -*innerer Sekretion. Nebenwirkungen von Arzneimitteln, uner­ wünschte Begleiterscheinungen der angestrebten therapeut. Arzneimittelwirkungen, die bei nahezu allen Arz­ neimitteln auftreten können. Sie haben ihre wichtigsten Ursachen darin, daß Arzneimittel meist mehrere Wirk­ orte (Zielorgane, Zielgewebe) und damit auch mehrere Wirkungen haben. Weiterhin sind die Funktionen der ein­ zelnen Organsysteme so eng miteinander verbunden, daß der Eingriff in ein System fast zwangsläufig Funktions­ änderungen auch in anderen Systemen bewirkt. Die mei­ sten Nebenwirkungen sind abhängig von der Arzneimit­ teldosis, d. h. bei geeigneter Dosierung halten sie sich in vertretbaren Grenzen. Hyperergie oder Idiosynkrasie ist eine bei manchen Menschen mit erblich bedingter Veranlagung vorkom­ mende, extrem starke Reaktion auf manche Medika­ mente. Allergische Reaktionen (-»Allergie) sind weitge­ hend dosisunabhängige, abnorme Reaktionen auf Arz­ neimittel u. a. Stoffe. Vergiftungen können bei unsachge­ mäßem Gebrauch (zu hohe Dosis, falsche Anwendung von Arzneimitteln u. a.) auftreten. Negativismus, Verhaltensstörungen, die sich als all­ gemeiner Widerstand gegen die Umwelt, starre, feind­ selige Haltung und geringe Beeinflußbarkeit zeigen. Beim aktiven N. wird mit einem zur äußeren Erwartung gegen­ teiligen Verhalten, beim passiven N. mit Unterlassung ei­ ner erwarteten Handlung reagiert. Vorkommen bes. bei Katatonie (-»Schizophrenie); i. w. S. abgeschwächt als negative Phase auch in den Trotzperioden der kindl. und jugendi. Entwicklung. Negativliste, ein durch den Gesetzgeber mit Wirkung v. 1.4. 1983 geänderter Text des § 182 f. RVO (Reichsver­ sicherungsordnung). Danach sind für Kranke, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, Arzneimittel bei Erkäl­ tungskrankheiten und grippalen Infekten, Mund und Ra­ chentherapeutika (außer bei Pilzinfektionen), Abführ­ mittel und Arzneimittel gegen Reisekrankheit von der kassenärztl. Versorgung ausgeschlossen. Die Verord­ nung kann also nur noch auf Privatrezept (Kostenerstat­ tung durch den Patienten selbst oder seine Privatkrankenkasse) erfolgen. Neidnagel, Niednagel, -»Nagelkrankheiten. Nekrobiose, das langsame Absterben von Zellen im Zwischen-(Intermediär-)Stadium zwischen Leben und Zelltod, im Ggs. zu dem als Nekrose bezeichneten, rasch einsetzenden Gewebstod als Endstadium einer örtl. Stoff­ wechselstörung. Nekrose, umschriebener (abgegrenzter) Gewebstod als Folge einer Stoffwechselstörung durch Zellschädi­ gung, z. B. im Fettgewebe (Fettgewebs-N.) und bei der Ar­ teriosklerose (atheromatöse N.). Ursachen sind oft Durchblutungsstörungen, wobei ehern, (bakterielle Gifte) oder physikal. Ursachen (Hitze, Kälte, Strahleneinwirkung) eine zusätzl. Rolle spielen können. Die N. führt zum Krankheitsbild des -»Brands. Nelken |öl, das in den Blütenknospen des zu den Myr­ tengewächsen (Myrtaceae) gehörenden Gewürznelken­ baums, Syzygium aromaticum (auch Eugenia caryophyllata genannt), enthaltene äther. Öl; es ist als Oleum caryophylli offizinell. N. enthält 80—96% Eugenol sowie Azetyleugenol und ist eine fast farblose bis schwach gelb­ lich gefärbte Flüssigkeit; wegen der schwach anästhesie­ renden und antisept. Wirkung in der Zahnheilkunde ver­ wendet, als Duft- und Würzstoff in der Parfümerie und Aromenherstellung. Heilkundl. Anwendung: Heilpflan­ zen, Übersicht. Nematoden, die -»Fadenwürmer.

552

Neoplasma,

abnorme Gewebsneubildung (-»Ge­

schwulst).

operative Entfernung einer Niere. die — Nierenentzündung. Nephrographie, Isotopen|nephrographie, die Bestimmung und Aufzeichnung der Durchblutungsgröße und Ausscheidungsleistung der Nieren nach intravenöser Injektion einer harnpflichtigen, mit Radionukliden mar­ kierten Substanz (z. B. 131 J-Hippursäure) mittels sym­ metrisch über den Nierenlagern angebrachter Szintilla­ tionszähler (Szintigramm). Die N. ergänzt die Röntgen­ untersuchung der Nieren und ermöglicht Erkennung und Lokalisierung von Nierenfunktionsstörungen. Die Weichteildarstellung des Nierenparenchyms nach intra­ venöser Injektion eines nierengängigen Röntgenkontrast­ mittels (Radionephrographie) gilt als Zeichen der begin­ nenden Ausscheidung. Nephrolithiasis, die Nierensteinkrankheit (-»Nie­ rensteine). Nephrologie, die Lehre vom Bau der gesunden und kranken Niere, ihren Funktionen und den Auswirkungen von Nierenkrankheiten auf den Gesamtorganismus. Der Nephrologe, ein internistisch weitergebildeter Arzt mit besonderen Kenntnissen auf dem Gebiet der Nieren­ krankheiten, behandelt diese konservativ, der Urologe operativ (-»Urologie). Nephrom, vom Nierengewebe ausgehende Ge­ schwulst. (-»Nierenkrebs) Nephroptose, die -»Wanderniere. Nephros, die -»-Niere. Nephrose, früher übliche Bezeichnung für Nieren­ erkrankungen sehr unterschiedl. Entstehung und Ver­ laufsform, deren gemeinsames Symptom eine erhebliche Eiweißausscheidung im Urin ist. Mit den früher zur Ver­ fügung stehenden mikroskop. Methoden konnten krank­ hafte Veränderungen in Gefäßschlingen der Filterkörper­ chen (Glomerula) der Nieren nicht gefunden werden. Man stellte hingegen mikroskopisch deutlich erkennbare Ver­ änderungen an den Epithelzellen der Harnkanälchen (Tu­ buli) fest und deutete diese als Hinweis auf eine mögliche degenerative Erkrankung ohne Entzündungsbeteiligung. Seitdem durch verbesserte mikroskop., elektronenmikroskop. und immunhistolog. Untersuchungsmetho­ den erwiesen ist, daß eine erhöhte Glomerulusundurchlässigkeit für Serumeiweißkörper unabhängig von der Grundkrankheit zu vermehrter Eiweißausscheidung im Urin führt, gilt die Bezeichnung -»nephrotisches Syn­ drom. Nephro|sklerose, -► Schrumpfniere. nephrotisches Syndrom, engl. minimal-changes-nephritis [m'iniml tJ'eindjiz nefr'aitis], früher Lipoidnephrose, eine Erkrankung überwiegend im Kindesalter, bei der die feingewebl. Veränderungen so ge­ ring sind, daß sie nur mittels besonderer mikroskop. Techniken (Elektronenmikroskopie) erkannt werden können. Mit Hilfe der Serumelektrophorese ist zu erse­ hen, daß sich die Zusammensetzung des Serumeiweißes deutlich von der Gesunder unterscheidet. Ursache ist fast immer eine vorangegangene Nierenschädigung, die zum Auftreten von Fett (Lipurie) und Eiweiß (Proteinurie) im Harn führt. Die Kinder sind anfällig für Infektionen, die Erkrankung erstreckt sich über Monate und Jahre. Auch beim n. S. der Erwachsenen liegt in einem hohen Prozentsatz eine primäre Nierenkrankheit vor. System­ erkrankungen, z. B. eine längerdauernde Zuckerkrank­ heit, die oft die Nieren beteiligt, können ebenso zu einem n. S. führen wie seltenere andere Erkrankungen. Die Behandlung richtet sich immer nach der Grund­ krankheit, wobei bes. nach der Ursache der primären Nie­ renerkrankung zu fahnden ist. Eine Behandlung mit Ne­ bennierenrindenpräparaten (Cortison) ist oft nicht zu umgehen. Nephrotomie, Einschnitt in die operativ freigelegte Niere. N. kann notwendig sein bei Nierenabszeß, Nieren­ steinen, zur Entlastung (Dränage) des Nierenbeckens. Nephrektomie,

Nephritis,

Nerv das Nervensystem und Teile von ihm betref­ fend. N. ist abzugrenzen von nervös (-»Nervosität). Nerven, gebündelte Nervenzellfortsätze, die der Erre­ gungsleitung zwischen dem Zentralnervensystem und dem übrigen Organismus dienen. Sie bestehen aus mark­ haltigen und marklosen N.-Fasern. Die einzelnen N.-Fa­ sern werden von zartem Bindegewebe (Endoneurium) umhüllt, einige bis zu mehreren hundert N.-Fasern von strafferem Bindegewebe zu Kabeln zusammengefaßt (Pe­ rineurium), das Epineurium verbindet alle Kabel unter­ einander und mit der Umgebung. Die großen N.-Stämme sind Stricknadel- bis fingerdick, die feinsten Verästelun­ gen mikroskopisch klein. Die vom Zentralnervensystem (Gehirn und Rücken­ mark) ausgehenden N. werden nach Funktion und Lei­ tungsrichtung unterschieden. Die von den Sinnesendigungen (Endkörperchen, Rezeptoren) zum Zentralner­ vensystem leitenden N. heißen Empfindungs-N. (sen­ sible, sensorische oder afferente N.), die vom Zentralner­ vensystem zu den motorischen Endplatten der willkür­ lichen Skelettmuskeln ziehenden N. heißen Bewegungs-N. (motorische, efferente N.). Dazu kommen die N. des vegetativen Nervensystems. Die zerebrospinalen N. gliedern sich in Gehirn-N. und Rückenmarks- oder Spinal-N-, deren Anzahl von der Länge des Rückenmarks abhängt. Die größeren N. entspringen aus N.-Geflechten und enthalten sowohl motorische als auch sensible Fasern nerval,

(gemischte N.).

Die Nervenleitungsgeschwindigkeit beträgt 0,1—135 m/s und ist um so höher, je dicker und markhaltiger die N.-Faser ist. Die ruhende Membran der N.-Faser ist au­ ßen positiv, innen negativ geladen (Ruhepotential), bei Erregung erfolgt eine Spannungsumkehr (Aktionspoten­ tial, -»Aktionsstrom). Der Impuls pflanzt sich entlang der N.-Faser fort, bei markhaltigen Fasern verläuft er sprung­ haft von einem Ranvierschen Schnürring zum andern (sal­ tatorische Erregungsleitung). Dadurch wird die Leitungs­ geschwindigkeit erhöht und der Energieverbrauch ernied­ rigt. Wird ein N. verletzt, so verliert der von der N.-Zelle abgetrennte Teil seine Erregbarkeit und zerfällt (N.-Dege­ neration). Die Faser kann jedoch (außer in Gehirn und Rückenmark) von der N.-Zelle wieder in die alten Bahnen hineinwachsen, sofern der N. nicht völlig durchtrennt war (N.-Regeneration). -»Nervensystem Nervenchirurgie, die ->■ Neurochirurgie. Nervenentzündung, Neuritis, krankhafte Vor­ gänge an den peripheren Nerven, hervorgerufen durch Entzündungen, Vergiftungen (z. B. Blei, Alkohol) oder Verletzungen. Auch dauernde, übermäßige Beanspru­ chung kann das Bild einer N. verursachen (-► Beschäfti­ gungsneuralgien). Es gibt auch N. in fortgeschrittenen Stadien bösartiger Krankheiten, z. B. bei Krebs; sie sind anders zu beurteilen als die N., die zu dem Formenkreis der rheumat. Erkrankungen gehören. Verlauf. Eine N. beginnt entweder mit Empfindungs­ störungen, z. B. Kribbeln, Taubsein (Parästhesien, -►Einschlafen der Glieder), Schmerzen, oder mit Schwä­ che, Unsicherheit bei der Ausführung bestimmter Bewe­ gungen . In diesem Stadium bestehen fließende Übergänge zur -»Neuralgie. Schreitet die N. fort, so treten ausge­ prägte Empfindungslosigkeit und Lähmung im Gebiet der betroffenen Nerven auf. Die N. kann entweder nur ei­ nen oder viele Nerven befallen (-»Polyneuritis). Der Verlauf ist meist günstig. Nur wenn lebenswichtige Nerven befallen werden, können sich, selten auftretende, ernste Komplikationen ergeben. Für die Behandlung steht dem Arzt eine große Zahl erprobter medikamentöser, physikal. und diätet. Verfah­ ren zur Verfügung. In schweren Fällen ist Bettruhe gebo­ ten. Dabei muß darauf geachtet werden, daß die Glieder zweckmäßig gelagert sind, um Versteifungen der Gelenke zu verhüten. Im Heilungsstadium ist von Krankengymna­ stik ausgiebig Gebrauch zu machen. Ist die N. Anzeichen einer bekannten Grundkrankheit, z. B. der Zuckerkrank­ heit, so muß in erster Linie diese behandelt werden. Liegt eine gewerbl. Vergiftung vor, muß der schädigende Stoff dem Kranken ferngehalten werden. Handelt es sich bei der N. um Folgen eines mechan. Drucks durch Geschwulst,

Geschoßsplitter, Bandscheibenvorfall, so kommt auch Operation in Betracht. Nervengeschwulst, Neurom, eine an den Nerven vorkommende, gutartige Geschwulst, die nicht vom eigentl. Nervengewebe, sondern von der Hülle, dem Neuri­ lemm, ausgeht und daher eigtl. als Neurilemmom zu be­ zeichnen ist. Sie kann je nach Sitz (z. B. am Gehör- und Gleichgewichtsnerv, Nervus statoacusticus) die Erschei­ nungen einer Gehirngeschwulst oder (an einem periphe­ ren Nerv) Lähmungen hervorrufen. An Amputations­ stümpfen entwickeln sich zuweilen an den abgeschnitte­ nen Nervenenden Nervenknoten, die hauptsächlich aus Bindegewebe bestehen und starke Schmerzen auslösen können (Amputationsneurom, -»Amputation). Nervengifte, Neurotoxine, Stoffe, die auf Grund einer Affinität das Nervensystem in besonderem Maß schädigen. Bei höherer Dosierung oder Mißbrauch kön­ nen sich auch andere Substanzen, z. B. Arzneimittel oder Alkohol, alsN. auswirken. Nervenkrankheiten, zusammenfassende, volkstüml. Bezeichnung für alle Krankheiten des Nervensy­ stems. Zu den N. gehören alle organ. Störungen des Ge­ hirns (-► Gehirnkrankheiten), des Rückenmarks, der peri­ pheren Nerven (-»Nervenentzündung) und des -»vegeta­ tiven Nervensystems. Vielfach werden fälschlicherweise auch die seelischen Krankheiten den N. zugerechnet. Ein Zusammenhang mit Erkrankungen der inneren Or­ gane ist bisweilen anzunehmen; sind diese aber seelisch ausgelöst, so besteht keine organ. N., sondern eine Stö­ rung leiblich-seel. Vorgänge. Nervenlähmung, -»Lähmung. Nerven|naht, -»Neurochirurgie. Nervenpunktmassage, von A. Cornelius!* 1865, 1 1933) eingeführte Form der — Massage. Nervenschmerz,

die-»Neuralgie.

Nervenschwäche, — Nervosität. Nervensystem, ein den gesamten Körper durchzie­ hendes System aus Nervenzellen und Nervenfasern (Ner­ vengewebe), die Informationen aufnehmen, weitergeben, blockieren oder speichern können und somit ein Kommu­ nikationssystem bilden, das es dem Körper ermöglicht, auf innere oder äußere Reize zu reagieren. Aus letzterem Grund unterscheidet man das Umwelt- oder zerebrospi­ nale N., das den Kontakt mit der Außenwelt ermöglicht, vom Lebens-N. oder autonomen (vegetativen) N., wel­ ches die Steuerung der Körperfunktionen (Herz, Darm, Drüsen u. a.) übernimmt. Beide hängen aber funktionell und anatomisch eng zusammen. Die Unterteilung deutet nur die jeweilige Richtung der Arbeitsweise des N. an. Das zerebrospinale N. wird nach den beteiligten Gebil­ den unterteilt in 1) das aus Gehirn und Rückenmark beste­ hende Zentral-N. und 2) das periphere N., das aus den Kopf- oder Hirnnerven, den Rückenmark- oder Spinal­ nerven und dem angegliederten vegetativen N. besteht. Die funktionelle und morpholog. Baueinheit des N. ist die Nervenzelle (Ganglienzelle), die mit ihrem Zelleib und den zugehörigen Fortsätzen als Neuron bezeichnet wird. Diese Neurone sind so miteinander verschaltet, daß die In­ formation von ihnen auf andere Neurone verteilt (Diver­ genzprinzip) oder die Information aus mehreren Neuro­ nen auf eines konzentriert werden kann (Konvergenzprin­ zip). Bestimmte komplizierte Schaltungsmuster, wie sie im Gehirn vorkommen, sind in der Elektronik übernom­ men worden. Neben den Nervenzellen sind am Aufbau des N. auch Gljazellen beteiligt. Sie haben u. a. Stütz- und Ernäh­ rungsfunktion und sind bei der Regeneration zerstörter Nervenfasern von großer Bedeutung. Feinbau des N. Die Nervenzellen verarbeiten und lei­ ten Signale (elektr. Impulse) weiter. Im menschl. Gehirn kommen 10l2= 1 Billion Nervenzellen vor. Sie unterschei­ den sich durch ihre Form, bes. die Fortsätze (Axone oder Neuriten und Dendriten), die vom Zelleib (Perikaryon) abgehen. Im Perikaryon kann man mit Spezialfärbungen die Nisslsubstanz (Nisslschollen) darstellen. Es handelt sich dabei um Ribonukleinsäure, die der Bildung von Ei-

553

Nerv Großhirn

Nervenbahnen zum Hirnstamm und Rückenmark

Auge

Zwischenhirn

I

parasympathische Fasern, dem III. Hirnnerven, /II. Hirnnerven beigemischt Speicheldrüsen Blutgefäße des Kopfes

Schilddrüse verlängertes

Herz

Halswirbel
umherschweifender< Nerv, mäch­ tiger Nerv, der Kehlkopf und un­ tere Schlundbereiche, Speiseröhre, Bronchien, oberen Magen-DarmTrakt innerviert; gleichzeitig ein Teil des vegetativen N.: Para­ sympathikus), (Beinerv, einzelne Halsmuskeln), (ünterzungennerv, Zungenmusku­ latur).

ein Reflexzentrum für den Hör- und Gesichtssinn, sowie IV. Trochlearis die Extrapyramidalmotorik, der auch das anschließende Kleinhirn und die Brücke (Pons) dienen. Im Bereich des V. Trigeminus Mittelhirns, der Brücke und des sich nach unten fortset­ zenden verlängerten Marks (Medulla oblongata mit -»Atemzentrum und Gefäßzentrum, -»Gefäßnerven) lie­ VI. Abducens gen neben den langen auf- und absteigenden Fernbahnen VII. Facialis noch die Ursprungs- oder Endkerne mehrerer Hirnner­ ven. Sie stehen v. a. im Dienst der Innervation der Haut, Sinnesorgane, Gesichtsmuskulatur und Drüsen und wer­ den in 12 Paare unterteilt (vgl. Tabelle), wobei die ersten VIII. Statoacusticus beiden Paare von der Entwicklung her als Hirnteile und IX. Glossopharyngeus nicht als Nerven anzusehen sind. Das Rückenmark (Bild Rückenmark) ist ein stabför­ X. Vagus miges Gebilde mit zugespitztem Ende, das, eingehüllt in die Rückenmarkhäute und umgeben von Gehirn-Rücken­ marks-Flüssigkeit, die oberen 2/3 des Rückenmarkkanals ausfüllt. Über vordere und hintere Wurzeln steht es mit den Rückenmark- oder Spinalnerven in Verbindung, de­ ren unterste am unteren Ende des Rückenmarks wie ein XI. Accessorius Pferdeschweif herunterhängen und vom Rückenmark in XII. Hypoglossus Richtung Zwischenwirbellöcher und weiter ziehen. Im Zentrum besteht das Rückenmark aus einem dünnen Ka­ nal und darum herum angeordneter grauer Substanz, die Die Rückenmark- oder Spinalnerven (peripheren Ner­ einen schmetterlingsförmigen Querschnitt aufweist. Je­ ven) entspringen paarig mit jeweils einer vorderen (mo­ weils ein Vorder-, Seiten- und Hinterhorn (oder räumlich tor.) und einer hinteren (sensiblen) Wurzel, in die das Spi­ Vorder-, Seiten- und Hintersäule) der einen Seite ist durch nalganglion eingelassen ist, von den Rückenmarksegmen­ eine schwache Verbindungsbrücke (Kommissur) mit der ten. Sie geben einen Ast zu den Rückenmarkhüllen ab, ei­ körpersymmetrisch gegenüber gelegenen Vorder-, Seiten- nen weiteren zum Rücken (Wirbelsäulenmuskulatur und und Hintersäule verbunden. Im Vorderhorn liegen die Rückenhaut) und ventrale Äste, die Geflechte (Plexus) motor. Vorderhornzellen, die bei Kinderlähmung erkran­ bilden. Entsprechend den Rückenmarksegmenten unter­ ken und geschädigt werden. scheidet man 8 Zervikal-, 12 Thorakal-, 5 Lumbal-, 5 Sa­ Im Seitenhorn, bes. des Hals-, Brust- und Lenden­ kral- und 1-2 Coccygealnerven, die sich in bestimmter marks, liegen Nervenzellen, die das autonome N. ansteu­ Weise zum Hals-, Arm-, Lenden- und Kreuzbeingeflecht ern, während in das Hinterhorn afferente Nervenfasern zusammenlagern. In diesen Ästen laufen auch Anteile aus eintreten, deren Zellkörper im Spinalganglion, einem im dem vegetativen N. mit, so daß die größeren Nerven, die Zwischenwirbelloch hängenden Nervenknoten, gelegen Arme und Beine versorgen, der Hüftnerv (Nervus ischia­ sind. Außerdem kommen im Hinterhorn und in den be­ dicus), der Mittel-, Ellen- und Speichennerv (Nervus me­ nachbarten Gebieten Nervenzellen vor, die einzelne Seg­ dianus, ulnaris und radialis) wie auch die segmentalen mente des Rückenmarks untereinander verbinden oder Zwischenrippennerven sowohl efferente (motor.) wie innerhalb eines Segments Verbindungen herstellen. An auch afferente (sensible) und vegetative Fasern enthalten. die graue Substanz von außen angelagert ist die weiße Sub­ Das vegetative N. besteht aus den meist antagonistisch stanz der langen Bahnen, die durch einen Spalt hinten und (gegenläufig) wirksamen Anteilen des Sympathikus und eine Furche vorn in 2 Hälften unterteilt sind. Weitere Parasympathikus (dualist. Auffassung), deren überge­ Spalten machen die Untergliederung in Vorder-, Seiten- ordnete Zentren im Hypothalamus, dem limbischen Sy­ und Hinterstränge möglich. Bei diesen Strängen ist der Ei­ stem und in bestimmten Rückenmarkzentren liegen. Die genapparat, welcher der Steuerung von Reflexen dient, Aufgabe des vegetativen N. besteht darin, das innere vom Verbindungsapparat zu trennen. Wichtige Bahnen Milieu des Körpers konstant zu halten (Homöostase). Das sind z. B. die Hinterstrangbahnen für die Tast- und Tie­ vegetative N. regelt unbewußt (also auch im Schlaf oder fenwahrnehmung (Tiefensensibilität, Wahrnehmung bei Ohnmacht) die Tätigkeit der glatten Muskulatur (z. B. von Reizen, die im Körper entstehen), für die Temperatur­ in Eingeweiden und Gefäßen), der Drüsen und des Her­ und Schmerzempfindung usw. die Kleinhirnbahnen, die zens. Dies geschieht über vegetativ afferente und efferente dem Kleinhirn Informationen über Muskel- und Sehnen­ Neurone. Letztere werden in typ. Weise in Ganglien um­ spannungen und Gelenkstellungen liefern, die absteigen­ geschaltet, wobei beim Sympathikus die Umschaltung den extrapyramidalmotor. Bahnen und die Pyramiden- nahe dem Zentralorgan erfolgt, die postganglionäre Strecke also lang ist, während die parasympath. Umschal­ Nervengewebe; 8 verschiedene Formen von Nervenzellen tungen nahe dem Erfolgsorgan liegen, die postganglio­ (oberhalb des Pfeils Perikaryon mit Dendriten, unter­ näre Strecke demnach kurz ist. halb Neurit), a uni-, b multipolare Nervenzelle mit lan­ Nach Entdeckung der Neuropeptidtransmitter, die zu gem, cmit kurzem Neuriten, d Pyramidenzelle, e Purkin­ den Peptidhormonen zählen, wird die bisher gültige dua­ je-Zelle, f bipolare, g pseudounipolare Nervenzelle 556

Nerv list. Auffassung in Zweifel gezogen. Der Funktionsablauf im vegetativen N. werde nicht nur durch Hemmung (cholinergisch) oder Stimulierung (adrenergisch) reguliert, sondern stehe in Abhängigkeit zur Tonuslage des Nerven­ gewebes; die Regulation des Erregungsablaufs sei Folge einer Tonusänderung, die von an Ort und Stelle abgeson­ derten Neuropeptiden (vasoaktives intestinales Polypep­ tid, Abk. VIP) gesteuert werde. Gelänge die synthet. Dar­ stellung solcher Stoffe, würden wesentl. Fortschritte in der Behandlung nerval bedingter Störungen zu erreichen sein, z. B. bei der Behandlung des Bronchialasthmas, der Angina pectoris u. a. gefäßbedingter Erkrankungen. (-► Prostaglandine) Bei Fehlsteuerungen im vegetativen N. kann es zu schweren Veränderungen kommen, bei derKreislaufsteuerung z. B. zum Kollaps. Viele Erkrankungen lassen sich durch eine Stabilisierung des vegetativen N. beein flussen. nervöses Herz, Cor nervosum, ungenaue Be­ zeichnung für funktionelle Herzstörungen, früher als Herzneurose bezeichnet. Das n. H. ist durch subjektive Krankheitszeichen, Mißempfindungen, Herzunregelmä­ ßigkeiten, vereinzelte, flüchtige Doppelschläge u. a. ge­ kennzeichnet, ohne daß eine Herzerkrankung, d.h. eine organisch nachweisbare Schädigung, vorliegt. In früher Jugend auftretende Erscheinungen des n. H. werden als Schulkindherz oder auch Pubertätsherz bezeichnet. In dieser Phase wirken das rasche Längenwachstum, die hor­ monale Entwicklung und die vielseitigen seel. Belastun­ gen zusammen. Treten nach dem 50. Lebensjahr ver­ mehrte Zeichen einer vegetativ-nervösen Erregbarkeits­ steigerung am Herzen auf wie Herzleere, Herzbeängsti­ gung, Verstimmung, Wetterfühligkeit, leichte ErmüdNervensystem: Lageverhältnisse der Hirnfunktionen, oben Großhirn von außen gesehen: 1 Motorik; 2 Antrieb; 3 Bewegungs-und Lageempfindun­ gen; 4 motorisches Sprachzentrum; 5 Persönlichkeit (Gesinnung, Sozialgefühl, Triebej; 6 Bewegungen (a Kopf, b Arm, c Rumpf, d Bein); 7 Schmerz-, Berührungs-, Temperatur-, Bewegungsemp­ findungen; 8 Tastsphäre; 9 Verständnis für Gehörtes; 10, 11 Hö­ ren; 12 sensibles Sprachzentrum; 13, 14 komplexe optische Funk­ tionen (Lesen, Erkennen, Ortssinn); 15 Sehen; 16 Geschmack. — unten Schnitt in der Mittelebene: 1 Motorik; 2 Antrieb; 3 Bewe­ gungs- und Lageempfindungen; 4 Bewegungen; 5 Sensibilität (Körper); 6Tastsphäre; 7 Körperschema; 8 Charakter und Persön­ lichkeit; 9 Geruchszentrum; 10 seelische akustische Funktionen (Verstehen, z. B. von Namen und Musik); 11 seelische optische Funktionen; 12 Blickbewegungen; 13 Gesichtsfeld (unterer Qua­ drant); 14 Gesichtsfeld (oberer Quadrant); 15 Blickbewegun­ gen (unterer Quadrant); 16 Blickbewegungen (oberer Quadrant)

Scheitellappen

Stirnloppen

Schläfenlappen

Hinterhauptslappen

Nervensystem: Nervengewebe; 9 Spinalnerv mit Bindegewebe (Querschnitt, etwa 300fach vergrö­ ßert). 10 Spinalganglienzelle mit Mantelzellen (periphere Glia) und Neuritenabgang (etwa 350fach vergrößert)

barkeit mit Neigung zu Herzklopfen, Unverträglichkeit von Kaffee und Nikotin, sollte der Arzt befragt werden. Im Vordergrund der Behandlung stehen physikal. Maßnahmen; dosiertes, sich steigerndes körperliches Training, Wasseranwendungen (Teilbäder, Duschen, Kneippkuren), klimat. Umstimmung, Massagenu. a. Un­ terstützende Arzneimittel sollen entspannen, die Neigung zu Verkrampfungen beheben, beruhigen und guten Schlaf garantieren. Auf Nikotin muß verzichtet werden, mäßiger Alkoholgenuß ist erlaubt. Bei langdauernden Be­ schwerden sollte ein psychosomatisch geschulter Arzt be­ fragt werden. Nervosität, volkstüml. Ausdruck für sehr verschie­ denartige Störungen des Nervensystems, die auf organ. Veränderungen beruhen oder seelisch bedingt sein kön­ nen. Ursache dieser Leiden ist in einer bes. empfindl. Ver­ fassung des vegetativen Nervensystems zu suchen, meist handelt essich um körperlich vollkommen gesunde, oft so­ gar robuste Menschen, die am Arbeitsplatz voll leistungs­ fähig sind. Sind solche Menschen aber einer ungünstigen Umwelt ausgesetzt, die ihnen viele schmerzl. Erlebnisse vermittelt, besteht die Gefahr, psychisch zu erkranken. Die N. kann sich überwiegend seelisch (Psychasthenie) oder körperlich äußern, tritt jedoch meist seelisch und gleichzeitig körperlich (Neurasthenie) in Erscheinung. BlullTapetenwechsel/? des Körpergewichts vom 10. Tag an. Das anfänglich vom N. entleerte braunschwarze — Kindspech wird vom 3. Tage an durch den breiig-salbigen, gelblich-bräunl., seltener auch grünl. Stuhl, der 2—3mal täglich entleert wird, ersetzt. Beschaffenheit und Häufigkeit des Stuhlgangs geben gute Hinweise auf das Befinden des N. Durch die anfänglich geringe Nahrung und durch den starken Wasserverlust des N. wird dessen normaler Gewichtsverlust verursacht, der am 3.-5. Tag seinen Höhepunkt erreicht hat und 10% des Geburtsge­ wichts nicht überschreiten darf. Am Ende der 2.-3. Le­ benswoche ist dieser Gewichtsverlust wieder ausgegli­ chen; das nun regelmäßig steigende Gewicht ist ein siche­ rer Gradmesser des guten Gedeihens. Ebenfalls eine Folge des Flüssigkeitsverlusts ist das in

Neur den ersten Lebenstagen, bes. am Tag des tiefsten Ge­ wichtsstands, gelegentlich zu beobachtende -»Durstfie­ ber, das in seltenen Fällen eine Höhe von 40 °C erreichen kann. Treten Fieber in Rückfällen oder Temperaturerhö­ hungen im Wechsel mit Untertemperaturen auf, muß fest­ gestellt werden, ob organ. Ursachen vorliegen. Urin wird am 1. Tag oft überhaupt nicht oder nur spärlich entleert und kann rötlich gefärbt sein. In den folgenden Tagen können Urinentleerungen bis zu 30mal am Tag auftreten. Da beim N. die Regulierungsmechanismen der Körper­ temperatur, die gleichförmig zwischen 36 und 37 °C liegen soll, nicht völlig ausgebildet sind, muß sowohl Abküh­ lung als auch Überwärmung durch zu warme Decken und Kissen vermieden werden. Der große Sauerstoffbedarf des N. veranlaßt eine beschleunigte Atmung mit etwa 50 Atemzüge/min; eine Normalisierung der Atemfrequenz auf 20—30 Atemzügen/min tritt nach einigen Tagen ein. Bei etwa 75% aller N. ist die frische, rosige Färbung der Haut vom 2.—3. Lebenstag an mehr oder weniger gelblich getönt. Es handelt sich um die harmlose Gelbsucht des N. (Icterus neonatorum), die normalerweise am Ende der 2. Lebenswoche von selbst verschwindet. Die Ursache ist ein verstärkter Zerfall roter Blutkörperchen in Leber, Milz und Knochenmark; das N. wird durch die Lungen besser mit Sauerstoff versorgt als während der Schwan­ gerschaft durch den Mutterkuchen und benötigt deswe­ gen weniger rote Blutkörperchen. Mit der Beendigung der Versorgung durch den Mutter­ kuchen findet auch der Einfluß mütterl. Hormone auf das Kind sein Ende. Das kann sich, sowohl bei Mädchen wie bei Knaben, in einer am 2. oder 3. Tag auftretenden An­ schwellung der Brustdrüsen, aus denen sich eine milchähnl. Flüssigkeit (Hexenmilch) absondern kann, äußern. Jedes Herumdrücken an diesen Brustdrüsen ist zu unter­ lassen, bei starker Schwellung genügt ein Watteverband. Ebenso durch mütterl. Hormone bedingt ist eine An­ schwellung der Schleimhäute im Bereich der Scheide bei neugeborenen Mädchen, die zu Ausfluß und auch gering­ fügigen genitalen Blutungen führen kann. Der Nabelschnurrest, der bei der ersten Versorgung des N. nach der Geburt mit Puder behandelt, von einem steri­ len Läppchen bedeckt und von einer sauberen Nabelbinde umwickelt wurde, stößt sich zwischen dem 2. und 8. Tag unter Zurücklassung einer ebenfalls in 2-3 Tagen abge­ heilten Wunde ab. Erst wenn diese Nabelwunde völlig trocken ist, darf das N. zum ersten Mal gebadet werden; vorher genügen Waschungen des Körpers. Die Nabel­ binde, die bei Beschmutzung gewechselt werden muß, kann nach Einkrempelung des Hautnabels (nach 2—3 Wochen) weggelassen werden (-► Nabel). Für die Pflege des N. gelten dieselben Grundsätze wie für den Säugling. Das N. ist gegenüber Keimen, bes. den Eitererregern und Erregern von Katarrhen der Luftwege, sehr empfindlich. Größte Reinlichkeit bei der Versorgung des Kinds ist daher notwendig; Personen mit Husten oder Schnupfen müssen ferngehalten werden. Ist die Mutter selbst erkältet, so sind Mund und Nase durch ein Tuch zu bedecken. Von den Erkrankungen desN. ist die große Reihe der Fehlbildungen (Hasenscharte, Wolfsrachen, angebore­ ner Verschluß von Speise-, After- und Harnröhre, Bauch­ oder Rückenspalte, angeborener Herzfehler mit Blau­ sucht u. a.) ebenso zu nennen wie die bei der Geburt erlitte­ nen Verletzungen (-► Entbindungslähmungen), Störun­ gen der Atmung (-»Asphyxie) und Folgen angeborener Infektionen nach Toxoplasmose, Röteln, Listeriose oder Lues, auch -► Augentripper. Die schwere, schon am 1. Lebenstag auftretende Gelbsucht (Icterus gravis), die Wassersucht und bestimmte Formen der Blutarmut sind Anzeichen der -»hämolytischen Neugeborenenerkran­ kung. Eine gewisse Blutungsbereitschaft des N., die auf einem Mangel an Vitamin K beruht, kann sich zu schwe­ ren Magen-Darm-Blutungen mit Abgang reinen Bluts aus dem Darm (Melaena neonatorum) steigern. Diese Er­ krankung erfordert ebenso dringend eine ärztl. Behand­ lung wie die durch Atemnot und Fieber erkennbare, sehr ernst zu nehmende Lungenentzündung des N. Sie entwikkelt sich häufig dann, wenn während der Geburt in die Atemwege gelangte Flüssigkeit (Fruchtwasser, Schleim)

nicht sofort nach der Entbindung durch Hebamme oder Arzt abgesaugt wurde und sich infiziert hat. Heute werden routinemäßig bei allen N. Reihenunter­ suchungen (-»Screening) zum Ausschluß gewisser Stoff­ wechselkrankheiten durchgeführt, z. B. Phenylketon­ urie, Hypothyreose, Mukoviszidose. neural, Teile des Nervensystems (Nerven) oder dieses im ganzen als Organ oder seine Funktion betreffend. Neuralgie, Nervenschmerz, Schmerz, der vom Kranken subjektiv als lästig oder sogar quälend empfun­ den wird, für den sich aber kein objektiver Krankheitsbe­ fund findet. N. beschränken sich entweder auf ein be­ stimmtes Nervengebiet, z. B. Trigeminus, Zwischenrip­ pennerven, Hüftnerven (Ischias), oder sie befallen ver­ schiedene Körperstellen. Manchmal sind N. die Vorboten einer Nervenentzündung. Wahrscheinlich liegen den mei­ sten N. auch organ., mild verlaufende Entzündungsvor­ gänge zugrunde. Viele rheumat. Erkrankungen sind schwer von N. abzugrenzen. N. sind oft auch Ausdruck seel. Krisen (-»Neurosen) oder einer Depression. Viele wetterfühlige Menschen leiden bei jedem Wetterwechsel, bei Föhn, vor Gewitter u. a. an neuralgischen Be­ schwerden. Die Behandlung richtet sich nach dem Grundleiden, oft müssen Psychotherapeut. Maßnahmen mit einbezo­ gen werden. Die Anwendung der -► Neuraltherapie ist umstritten, kann aber vorübergehend Erleichterung bringen. Neuralrohrdefekt, unvollständige Entwicklung des Medullarrohrs (Neuralrohrs) mit Ausbleiben der media­ nen Verschmelzung. Das Zentralnervensystem wird im Embryo zunächst als Platte angelegt, die sich später zum Neuralrohr schließt. Störungen dieses Vorgangs führen zur mangelnden Ausbildung von Gehirn und Schädel (Anenzephalie) oder zum Offenbleiben von Wirbelkanal und Rückenmark (>offener Rückern, Spina bifida aperta). Die Häufigkeit solcher Störungen in Mittel­ europa beträgt etwa 1—3 pro Tausend Neugeborene. Ihre Erkennung ist im 2. Drittel der Schwangerschaft mit Hilfe der pränatalen Diagnostik möglich. Neuraltherapie, Neuralmedizin, früher Heil|anästhesie, eine etwa 50 Jahre alte Behandlungsart, die von der Auffassung ausgeht, daß jede Zell- und Organlei­ stung von Antrieben des Nervensystems abhängig und deshalb auch durch dieses primär einer Behandlung zu­ gängig sei. Schon 1889 zeigte der brit. Arzt H. Head (* 1861, f 1940) Zusammenhänge zwischen inneren Orga­ nen und Körperoberflächen (-»Headsche Zonen) auf. Schwächste Form der N. ist die Hydrotherapie (-►Kneippkur). Weitere, vorwiegend unspezif. Maßnah­ men sind: die Injektionsbehandlung (am Nerv) nach F. H. Huneke (* 1891, t 1966) mit Impletol (-► Sekundenphä­ nomen), die -» Segmenttherapie, die -► Neuroblockade u. a. DieN. ist heute vorwiegend eine Methode innerhalb der Erfahrungsmedizin; die Schulmedizin steht ihr, da ihre Auswirkung nicht als spezifisch eingestuft werden könne und bei der Injektionsbehandlung auch erhebliche Gefahren (z. B. Gefäßschädigungen oder Nervenschädi­ gungen) in Kauf zu nehmen seien, äußerst kritisch gegen­ über. Neurasthenie, -»Nervosität. Neurinom, Neurilemmom, Schwannom, eine von den Zellen der Schwannschen Scheide der Nerven aus­ gehende, fast immer gutartige und meist solitär (verein­ zelt) auftretende Geschwulst. Sie entsteht an Hirnnerven (in 57% der Fälle am Nervus acusticus, dem Hörnerven), zu 29% an den Wurzelnerven des Rückenmarks (Wurzel­ schmerzen, gelegentlich Querschnittslähmung), zu 14% an peripheren Nerven und gelegentlich am vegetativen Nervensystem. Das N. des Nervus acusticus kann Taub­ heit hervorrufen; wenn es doppelseitig auftritt, handelt es sich meist um die Folge der -► Recklinghausenschen Krankheit. Behandlung: operative Entfernung. Neuritis, die -»Nervenentzündung. N. optica, die -► Sehnervenentzündung. Neuroblockade, ein Verfahren, das meist als Injek­ tionsbehandlung mit novocainhaltigen Präparaten 559

Neur durchgeführt wird; es dient der Schmerzstillung, der Lö­ sung von Gefäß- und Muskelkrämpfen (z. B. nach Embo­ lie) und der Durchblutungsanregung. Neurochirurgie, Nervenchirurgie, die Chirurgie des zentralen und peripheren Nervensystems. Die heute hochentwickelte und spezialisierte N. kommt bes. den an Geschwülsten des Gehirns (-»Gehirnoperation) und des Rückenmarks leidenden Kranken zugute. Bei gutartigen Formen ist volle Heilung möglich. Die durch Computer­ tomographie, Sonographie, Arteriographie, Enzephalographie, Elektroenzephalographie und Myelographie außerordentlich verbesserten Möglichkeiten der Frühdia­ gnose und der genauen Orts- und Artbestimmung sichern Erfolge, die noch vor einigen Jahrzehnten unmöglich schienen. Auch die seit dem 1. Weltkrieg viel geübte Naht (Nervennaht) der durch Schußverletzung durchtrennten peripheren Nerven ist ein Bestandteil der N. Das Operie­ ren mit dem elektr. Messer und unter dem Operationsmi­ kroskop, die sorgsame Vorbereitung des Kranken und kunstgerechte Nachbehandlung in bes. dafür eingerichte­ ten Abteilungen für N. ermöglichen auch Eingriffe am ve­ getativen Nervensystem. Bei Durchblutungsstörungen im Bereich der Arme und Beine, bei Angina pectoris, Asthma und chron. Kopfschmerz werden Erfolge erzielt, wenn Teile des Grenzstrangs oder Nervenknoten entfernt oder verödet werden. Unheilbar Kranke, z. B. mit bösartigen Geschwülsten, können von unerträgl. Schmerzen befreit werden, wenn die schmerzleitenden Bahnen im Rücken­ mark durchschnitten werden (Chordotomie). Auch die -»Leukotomie ist ein Verfahren der N. Bei beiden, heute kaum mehr üblichen Operationen, sind erhebl. Neben­ wirkungen in Kauf zu nehmen. Neurodermitis, Neurodermatitis, Juckflechte,

Hautkrankheiten, die in 2 Formen auftreten: 1) N. circumscripta, Lichen simplex chronicus Vidal, gekennzeichnet durch umschriebene Herde von kleinen roten, runden Knötchen mit brauner Pigmentierung und vergröberter Hautfelderung bei starkem Juckreiz. Befal­ len sind bes. die Hals- und Nackengegend, aber auch an­ dere Körperstellen. Ursache sind oft Magen-, Gallen­ oder Darmstörungen. 2) N. diffusa, eine Form des Ekzems endogener (konsti­ tutioneller) Ursache durch erhöhte allgemeine Reizbar­ keit der Haut. Behandlung: örtl. Anwendung von corticoidhaltigen Salben und Teerpräparaten, juckreizstillende Mittel; ggf. Abklärung der Ursachen. Neurofibrom, -»Fibrom. Neurofibromatosis, -» Recklinghausensche Krank­ heit. Neuroglia, Glia, Stützgewebe des-»Nervensystems. Neurolepsie, durch -» Neuroleptika bewirkte Minde­ rung einer seel. Spannung. Neuroleptika, zur Gruppe der Psychopharmaka ge­ hörende psychotrope Substanzen, die den Stoffwechsel biogener Amine beeinflussen und damit Funktionsände­ rungen bestimmter Hirnabschnitte (subkortikaler Zonen) mit Dämpfung der Erregung und Aggressivität bewirken. Dies gilt bes. für psychosomatisch gestörte Kranke, bei denen Psychotherapie nicht angezeigt oder nicht durch­ führbar ist. Eine Einnahme der N. über einen längeren Zeitraum ist aber zu vermeiden. Neurologie, Teilgebiet der Heilkunde, das alle Maß­ nahmen zur Erkennung und Behandlung des Nerven­ systems sowie der von ihm beeinflußten Organe umfaßt. Neurologe, in der N. weitergebildeter -»Arzt. Neurolyse, operativer Eingriff an Nerven, die durch eine äußere Verletzung geschädigt sind. Die den Nerven umklammernden oder in seinem Innern befindl. Ver­ wachsungen werden gelöst. Neurom das, die -► Nervengeschwulst. Neurpmschmerz, starker, quälender, oft anfallartig auftretender Schmerz bei Amputierten. Ursache ist ein Neurom (meist tastbar), eine bindegewebige gutartige Ge­ schwulst des Nervenstumpfs in Höhe der Amputation. Vergleichbar ist der -► Phantomschmerz. 560

Behandlung: Schmerzmittel, ggf. operative Revision des Stumpfs und Abtragung des Neuroms. Der Nerv wird bei der Operation auf 1 -2 cm Länge gespalten. Die beiden Enden werden schlingenförmig miteinander vernäht, wo­ durch eine erneute Neurombildung meist verhindert wird. Neuron, die aus einer Nervenzelle und ihren Fortsät­ zen bestehende Einheit des -» Nervensystems. Neuropathie, übergeordnete, nicht wissenschaftl. Bezeichnung für >NervenleidenNervositätOrganneurosen< bezeichnet. Der Berliner Nervenarzt J. H. Schultz hat folgende Einteilung der N. vorgeschlagen: I. Fremdneurosen, der Konfliktstoff, der nicht richtig verarbeitet wurde, kommt von außen. II. Randneurosen, entstehen vorwiegend auf dem Boden körperl. Schäden, z. B. nach Unfällen. III. Schichtneurosen, kommen aus verdrängten Affekten, auch nach heftigen Gemütserschütte­ rungen. IV. Kernneurosen, sind immer tief in der Lebensgeschichte verankert. Typische neurot. Strukturen nach S. Freud sind z. B.: Der orale Charakter: Gier nach Essen, Trinken, Dro­ gen, Menschen (starke Abhängigkeit von anderen), Ten­ denz zur Anklammerung, Identifikation (Gleichsetzung eigener Wesenszüge mit denen einer Bezugsperson).

Nier Der anale Charakter: Neigung zu Wutausbrüchen, Sa­ Niacin, Nikotinsäure, Biochemie: Pyridin-3-cardist . Impulsen, Ärger, Haß, Rachsucht. Reaktionsbildun­ bonsäure, Bestandteil des Vitamin-B2-Komplexes. N. gen: Ordnungsliebe bis zur Pedanterie, Sparsamkeit bis kommt in Leber, Niere, Fleisch, Fisch, Weizenmehl u. a. zum Geiz und Eigensinn bis zur starrköpfigen Intoleranz. vor. Es kann, entgegen der Definition des Vitamins, im Der narzist. Charakter: Selbstliebe, Sei bst Verherrli­ Organismus aus der Aminosäure Tryptophan gebildet chung, Wunsch nach Geliebtwerden; kühle Menschen, werden; Vorstufe des Niacinamids (-»Nikotinsäure­ die sich als unwiderstehlich erleben. Sie sublimieren diese amid). Bei N.-Mangel tritt —Pellagra, eine Vitaminman­ Antriebe als Schauspieler oder Führertypen, die gern sich gelkrankheit, auf. selbst darstellen oder andere beeinflussen. Nicht|ehelichenfürsorge, die Fürsorge für nichtDie Neopsychoanalyse stellt neurot. Strukturen als ehel. (früher unehel.) Kinder; sie obliegt neben den Eltern Charakterneurosen in den Mittelpunkt. Sie unterscheidet des Kindes auch dem Jugendamt. Die elterl. Sorge steht bestimmte Antriebsbereiche, deren Hemmung in der Er­ seit dem 1.7. 1970 der Mutter zu (§ 1705 BGB), dem leibl. ziehung die schizoide, depressive, zwanghafte oder hy- Vater nur im Fall der Ehelichkeitserklärung. Eine Pfleg­ ster. Charakterstruktur bewirkt. Das Kind und später der schaft für das Kind wird im allgemeinen (nur noch) für Erwachsene haben dadurch Angst vor diesen Antrieben, eine etwaige Vaterschaftsfeststellung sowie bei der Rege­ bauen Barrieren auf oder eliminieren sie ganz. Kennzeich­ lung des Unterhalts und des Erbrechts bestellt. Das nichtnend sind neurot. Passivität, übergroße Erwartungen ehel. Kind kann jetzt mit gewissen Einschränkungen auch oder Ansprüche, Überkompensation, Ersatzbefriedi­ seinen Vater beerben. Die automat. Amtsvormundschaft gung. des Jugendamts ist weggefallen; es behält jedoch noch die Man ist heute der Meinung, daß N. nur auftreten, wenn Aufsicht über das Wohl minderjähriger Kinder. mehrere Ursachen Zusammentreffen: 1) vererbte Bereit­ Nickel, Element aus der Gruppe der Eisenmetalle. N. schaften wie hohe Empfindlichkeit, starke Triebhaftig­ keit oder Antriebsschwäche, heftiges oder schwaches und seine Verbindungen können Erkrankungen hervor­ Temperament; 2) ungünstige Umwelteinflüsse, bes. in der rufen. Nickelkrätze tritt als chron. Berufsekzem vorwie­ Kleinkindzeit, wie etwa starke Elternbindungen, Ein­ gend der Hände bei Kontakt mit N.-Salzen (galvan. Ver­ schüchterung, Entmutigung, Hemmungen, die auf die nickelungsbäder) auf. Auch akute Vergiftungen, z. B. Anlage verstärkend wirken; 3) sich hieraus ergebende cha- eine chemisch ausgelöste Lungenentzündung oder Marakterist., die normalen Bedürfnisspannungen abweh- gen-Darm-Erkrankungen, sind möglich. Zudem können rende Einstellungen wie etwa die Neigung, sich schnell zu­ Stäube und Aerosole von N. durch Einatmen krebserzeu­ rückzuziehen, Verdrängungen von Regungen, die mit gend wirken. Schutzmaßnahmen, die die Einwirkung von dem Erziehungsideal (z. B. Sauberkeit, Gehorsam, Lei­ N. verhindern, sowie ärztl. Überwachung gefährdeter Be­ stung, Ordnung) nicht übereinstimmen, Projektion die­ schäftigter sind erforderlich. Nidation, Implantation, die Einnistung der be­ ser verdrängten Regungen auf andere; 4) akute Belastun­ gen in Form von Versuchungs- und Versagungssituatio­ fruchteten Eizelle in die Gebärmutterschleimhaut, etwa nen, wodurch diese Bedürfnisse gestärkt und die Abwehr­ 7—8 Tage nach der Verschmelzung der Keimzellen. Als N.-Hemmer dienen Stoffe, welche die N. verhindern; das kräfte geschwächt werden. Gegenüber der klassischen psychoanalyt. Vorstellung, befruchtete Ei geht zugrunde (>Monatspillesauren Regent kommt, der für erhebl. Schäden am dingter Persönlichkeitsfaktor, der zu neurot. Reaktionen Waldbestand mitverantwortlich gemacht wird. bei stärkeren psych. Belastungen disponiert. Von N. ist Niednagel, Neidnagel, -»Nagelkrankheiten. die Neurose streng abzugrenzen. Niehans, Paul, schweizer. Arzt, * Bern 1882, t Mon­ Neurotoxine, die — Nervengifte. treux 1971, führte die Behandlung mit Aufschwemmun­ Neurotransmitter, an den Nervenendigungen gebil­ gen lebender Zellen (Frischzellenbehandlung) ein, bes. dete und gespeicherte ehern. Substanzen (z. B. Azetylcho­ aus embryonalen tier. Organen und Mutterkuchen lin, Adrenalin, Noradrenalin, Dopamin, bestimmte Ami­ (— Zelltherapie). nosäuren), die durch elektr. Erregungsimpulse im — Ner­ Niemandsland, Fachbegriff in der Handchirurgie: vensystem aus der präsynapt. Membran in den synapt. Bereich der Handinnenfläche und der Fingergrundglie­ Spalt freigesetzt werden, sich an die postsynapt. Mem­ der, in dem nach S. Bunnell (* 1882,1 1957) bei Verlet­ bran binden und dadurch den Impuls weiterleiten zung der Fingerbeugesehnen keine sofortige Sehnennaht (-►Synapse). Die N. werden im synapt. Spalt durch En­ oder Sehnenplastik durchgeführt werden soll. Dieser wie­ zyme rasch inaktiviert (z. B. Azetylcholin durch Azetyl­ derherstellende Eingriff wird nach Abschluß der Wund­ cholinesterase). heilung durch einen Handchirurgen vorgenommen. Aus­ Neurotropie, neurotrope Wirkung, die Fähigkeit nahmen bestehen bei Schnittverletzungen, die durch den mancher Substanzen (Arzneimittel, Gifte u. a.) oder Handchirurgen sofort versorgt werden können. Krankheitserreger, bes. am Nervensystem anzugreifen. Niemann-Picksche Krankheit [n. A. Niemann, Neutronentherapie, Strahlenbehandlung mit Neu­ * 1880, f1921, und L. Pick, * 1868,11944], —Speicher­ tronen, die durch im Neutronengenerator beschleunigte krankheiten. Wasserstoffkerne in einem Tritiumtarget (-»Target) aus­ Niere, Nephros, paariges Organ der Harnbereitung gelöst werden; dient zur Bestrahlung sonst resistenter bös­ und der Regulation des Wasser- und Elektrolythaushalts. artiger Geschwülste. Lage und Gestalt. Die beiden N. liegen an der hinte­ ren Bauchwand (Modell des Menschen nach S. 400). Sie Neutrophile, eine Art der weißen — Blutkörperchen. AB 36 :

561

Nier Niere: Hufeisenniere; links schematisch, 1 Nebennieren, 2 Hohlvene, 3 Harnleiter, 4 Aorta, rbchts Präparat

sind bohnenförmig und haben einen äußeren konvexen und einen inneren konkaven Rand. Ihre Länge beträgt im Durchschnitt 11 cm, ihre Breite 5—7 cm, ihre Dicke 3—4 cm. Sind beide N., meist beckenwärts im Bereich der unteren Nierenpole, U-förmig miteinander verbunden, so besteht eine Hufeisenniere. Die vordere Fläche der N. ist vom Bauchfell überzogen, die hintere grenzt nach oben an den Lendenteil des Zwerchfells. An der gehöhlten inneren Seite liegen die Pforte der N. (Nierenhilus) für die großen Blutgefäße, Nerven, Lymphgefäße und die Abgangsstelle des Harnleiters. Im Innern der N. befindet sich eine Höh­ lung, der Nierensinus. In ihm liegen die Blutgefäße der N. und das Nierenbecken. Jede N. ist von der bindegewebi­ gen Nierenkapsel umgeben; sie liegt eingebettet in die Fettkapsel der N. (Nierenfett), die bes. die hintere Fläche Läppchenarterie Kapsel

Bogenarterie

Markstrahlen

Rinde

Fettlager Mark Nierenarterie

Pyramide

Nierenbecken

Kelch Papillenspitze

Innenzone Außenzone

Niere: schemat. Längsschnitt durch eine N. (von hinten gesehen)

Innenzone--------- H— Außenzone

und den konvexen Rand umhüllt. Vor und hinter der N. ziehen kräftige Bindegewebshäute entlang, die als Nieren­ faszie bezeichnet werden. Dieser fällt vornehmlich die Aufgabe zu, die N. in ihrer Lage zu halten; auch die Fett­ kapsel trägt durch ihre Gewebespannung dazu bei. Feinbau. Auf der Schnittfläche der N. unterscheidet man 2 Schichten: eine äußere, die nur den Hilus der N. frei läßt, die Rindensubstanz, und eine von dieser umschlos­ sene Marksubstanz. Die Rindensubstanz erscheint körnig und röter als die strahlig gestreifte Marksubstanz. Die Körner (Nierenkörperchen), die in der Rindensubstanz leicht auffallen, bestehen aus Knäueln feiner Gefäße, den HaargefäBknäueln (Glomeruli), die einen Durchmesser von 0,2 mm besitzen und von einer doppelwandigen Blase, der Bowmanschen Kapsel, umschlossen werden. Hier findet der Übertritt der Harnflüssigkeit aus dem Blut statt. Von dem äußeren Blatt dieser Kapsel geht ein sehr enger Schlauch (Hauptstück) aus, der sich in ein weiteres, vielfach gekrümmtes (gewundenes Kanälchen), dann in ein etwas enges, gerades (gestrecktes Kanälchen), endlich in ein sehr enges, schleifenartiges Stück (Henlesche Schleife) fortsetzt; er mündet durch das wieder etwas wei­ tere, ebenfalls gewundene Mittelstück in das vielen Harn­ kanälchen gemeinsame Sammelkanälchen. Die Sammel­ kanälchen enden bündelweise an den Spitzen (Nieren­ Niere:

Bau eines Nierenkörperchens (schematisch); a Mittel­ stück, b Verbindungsstück, c Gefäßknäuel (Glome­ rulus), d Hauptstück, e Mittelstück (gerader Teil), f Überleitungsstück, g Sammelrohr, h Papillengang 562

papillen) von pyramidenförmigen Vorsprüngen (Nieren­ pyramiden) und ergießen hier den ->Harn in kurze häu­ tige Schläuche, die Nierenkelche, aus denen er in das Nie­

renbecken abfließt. Dieses geht unmittelbar in den feder­ kieldicken, 32 cm langen Harnleiter über, der, aus einer Muskel-, Bindegewebs- und Schleimhaut bestehend, sich längs der hinteren Bauchwand nach dem Becken hinab­ zieht und in die -» Harnblase einmündet, wo der durch wellenförmige (peristaltische) Bewegung der Harnleiter­ muskeln tropfenweise abfließende Harn gesammelt wird. Die Blutversorgung erhält die N. durch die Nierenarterie. Das aus der N. abfließende Blut führt die Nierenvene un­ mittelbar in die untere Hohlvene. Die N. sind Ausscheidungsorgane für harnpflichtige Stoffe (z. B. Harnstoff, Harnsäure, Kreatinin), ferner für überschüssige Elektrolyte, Fremdstoffe und Wasser. Da­ mit regulieren die N. das Flüssigkeitsvolumen des Orga­ nismus und die Osmolarität (Isotonie), die Konstanz der Gefäßpol.

abführende Arterie

Bowmansche Kapsel-------(eröffnet)

Hauptstückzelle

■zuführende Arterie

.Kapillarschlingen mit Deckzellen

Deckzelle Harn pol

Niere: Bau eines Gefäßknäuels (schematisch)

Elektrolytkonzentration (Isoionie) und des pH-Werts (lsohydrie). Zunächst wird aus dem Blutplasma in den Kapillaren der Haargefäßknäuel der eiweißfreie, aber zuckerhaltige Primärharn (Vorharn) herausgefiltert. Im Hauptstück werden Zucker und der größte Teil der Elek­ trolyse sowie Aminosäuren mit bis 85% des Filtratwassers wieder in die Blutkapillaren resorbiert. Die Hauptstücke sind zur Ausscheidung bestimmter Stoffe befähigt, schließlich gelangt nur etwa 1% des Primärvolumens als Endharn in das Nierenbecken. Die Tätigkeit der N. wird durch komplizierte nervale und humorale Mechanismen gesteuert. Die gewaltige Leistung der N. und ihre Bedeu­ tung für den Blutkreislauf wird wie folgt verdeutlicht: Je Minute fließt durch die N. rd. ein Fünftel der Gesamtblut­ menge, in 24 Stunden werden rd. 150 1 Primärharn gebil­ det und 1,5 1 Endharn ausgeschieden. Der Feststellung der Ausscheidungsarbeit dienen die -*Nierenfunktionsprüfungen. (Weiteres Bild S. 563) Nieren | abszeß, Eiterhöhle im Nierengewebe oder im Gewebe um die Niere (Nierenkarbunkel, paranephrit. Abszeß). Der N. entsteht durch eitererregende Bakterien, die auf dem Blut weg oder aufsteigend von der Blase in eine bereits vorgeschädigte Niere (Steine, Stauung u. a.) gelan­ gen. Er kann auch in die umliegenden Organe durchbre­ chen (z. B. Darm, Nierenbecken). Hauptsymptome sind Fieber, Schüttelfrost, Schmerzen in der Nierengegend und starkes Krankheitsgefühl. Diagnose ist durch Ultraschall und Röntgenuntersu­ chung (Urogramm oder Computertomogramm) möglich. Behandlung: Dränage des Abszesses operativ oder durch Anstechen von außen. Eventuell Entfernung der Niere (Nephrektomie). Nieren,agenesie, eine Form der abdominellen Age­ nesie (fehlende Anlage eines Körperteils): Fehlen einer Niere durch embryonale Anlagestörung. Nieren|aphasie, zu klein oder mißgestaltet angelegte Niere. Nierenbecken|entzündung, Pyelitis, akute oder chron. Entzündung der Nierenbeckenschleimhaut, her­ vorgerufen durch Bakterien, die meist von der Blase durch den Harnleiter in das Nierenbecken gelangen. Frauen, bes. in der Schwangerschaft, sind wegen der Kürze der weibl. Harnröhre häufiger betroffen. Da die Papillen des Nierengewebes in das Nierenbecken ragen, beteiligen sich Teile der Niere an der N. Es kommt zur Pyelonephritis. Eine Erregerverschleppung mit Entzündungsfolge ist auch auf dem Blut- oder Lymphweg möglich. Krankheitszeichen: Fieber, Schüttelfrost, Rücken-

Nier Arterie und Vene der schmerzen, allgemeines Krankheitsgefühl, häufiges Was­ ,/ Nierenkapsel serlassen, aber auch schleichend unklare Schmerzen beim Nieren­ Beklopfen der Nierengegend, Müdigkeit u. a., im Urin körperchen vermehrt Eiweiß und weiße Blutkörperchen. Bakterien­ kulturen im Urin werden angesetzt, um die antibiot. Be­ einflußbarkeit zu testen. Behandlung: Ruhigstellung, Antibiotika nach Fest­ stellung der Erreger für mindestens eine Woche, Erhö­ hung der Urinproduktion durch vermehrtes Trinken. Nach Abklingen sollte festgestellt werden, ob eine Harn­ abflußstörung besteht, da N. häufig als Komplikation bei c o Nierensteinleiden vorkommt. tu Nierenbiopsie, Nierenpunktion, Entnahme klei­ ner Gewebsstücke durch Punktion, entweder durch die Z Hauptstück Bogen­ Haut mittels Hohlnadel oder offen durch kleine Opera­ arterie tion . N. ist notwendig bei bestimmten Arten der Glomeru­ Mittelstück lonephritis (immunolog. Entzündung der Niere), ggf. zur Nieren­ Erkennung von Nierentumoren. lappen­ Überleitungs­ stück arterie Nierendiät, allgemeine Ernährungsgrundsätze bei und Nierenerkrankungen. Zu den wesentl. Symptomen aku­ ter und chron. Nierenkrankheiten gehören Ausschei­ dungsstörungen für Wasser, Mineralsalze und Stoff­ Nierenpapille wechselschlacken. Das quantitative Ausmaß dieser Stö­ rungen ist bei den verschiedenen Nierenkrankheiten sehr Niere: getrenntschemat. Darstellung der Nierenkanälchen (links) unterschiedlich. Außerdem muß beachtet werden, daß ein und der Nierenblutgefäße (rechts): Nierenkörperchen und Nieren­ Teil der Nierenkrankheiten mit unterschiedlich starkem kanälchen, bestehend aus Hauptstück, Überleitungsstück und Mittelstück mit Übergang in das Sammelrohr, bilden ein Nephron Bluthochdruck einhergeht, der stets eine strenge Koch­ salzbeschränkung erfordert, während andere Nieren­ Gesicht, das gedunsen und geschwollen aussieht, bes. im kranke einen normalen Blutdruck haben. Wenn in diesen Bereich der Augenlider. Der Blutdruck ist überhöht, der Fällen gleichzeitig eine dauernde Mehrausscheidung von Harn durch die Beimengung von roten Blutkörperchen Kochsalz über die Nieren erfolgt, kann eine Einschrän­ braun-rötlich verfärbt und zeigt Eiweißausscheidung. Oft kung der Kochsalzzufuhr zu einer Verminderung des Ge­ kommt es zu einer vorübergehenden erhebl. Verminde­ samtkörpernatriums und damit unter Umständen sogar zu rung der Harnmenge. Die Erkrankung kann sich an eine einer weiteren funktionellen Verschlechterung der bereits eitrige Halsentzündung oder an eine an anderer Stelle sit­ eingeschränkten Nierenfunktion führen. Die früher viel­ zende streptokokkenbedingte Entzündung anschließen, fach befolgte, fälschlicherweise F. Volhard (* 1872, i. d. R. etwa 7—20 Tage nach Beginn des Streptokokken­ 1 1950) zugeschriebene Grundregel einer strengen Ein­ infekts, meist nachdem dieser bereits abgeklungen ist schränkung der Kochsalzzufuhr ist demnach nicht richtig. (Poststreptokokken-Glomerulonephritis). Zu beachten ist z. B., daß Patienten mit einer chron. Die Rate spontaner Heilungen dieser Erkrankung ist dialysebedürftigen Niereninsuffizienz den Genuß von ro­ groß, bei schweren Verlaufsformen kann es jedoch in­ hem Obst und Gemüse weitgehend meiden müssen, weil folge der Ausscheidungsstörungen zu Überwässerung, er­ damit u.a. auch eine unerwünschte Zufuhr von nicht aus­ höhtem Blutdruck und Linksherzversagen kommen. Der reichend ausscheidungsfähigem Kalium verbunden ist. Übergang in eine chron. Niereninsuffizienz ist selten. Oft ist eine Verminderung der Eiweißzufuhr nötig, da Die Behandlung besteht heute vorwiegend in der prodie Ausscheidung der aus dem Eiweißstoffwechsel phylakt. Bekämpfung jedes Streptokokkeninfekts mit stammenden stickstoffhaltigen Stoffwechselschlacken Penicillin. Bei einer akuten, durch Streptokokken ent­ nahezu ausschließlich über die Nieren erfolgt. Bei Patien­ standenen Glomerulonephritis wird vielfach die Penicil­ ten mit länger dauerndem renalen Ei weißverlust (nephrot. linbehandlung über ein halbes Jahr fortgesetzt. Während Syndrom) kann dagegen vorübergehend eine vermehrte der akuten Phase sollte die Behandlung möglichst in einer Eiweißzufuhr nötig werden. Zuckerkranke Patienten mit Klinik erfolgen. Die Flüssigkeitszufuhr und -ausscheieiner chron. (diabet.) Niereninsuffizienz benötigen eine dung sowie das Körpergewicht müssen täglich kontrol­ anders zusammengesetzte Diät als Kranke, deren chron. liert werden, um eine Überwässerung mit den Folgen der Nierenerkrankung eine andere Ursache hat. chron. Hochdruckkrankheit, der Herzinsuffizienz und Aus allem ist zu entnehmen, daß es eine schematisch an­ des Lungenödems zu vermeiden. Die Einführung der wendbare, einheitl. N. nicht geben kann. Von Ärzten und >Hunger- und Dursttherapie< durch F. Volhard (* 1872, Diätassistenten muß individuell berechnet werden, wel­ 1 1950) in der Zeit des 1. Weltkriegs hat die vorher er­ che Nahrungsstoffe im einzelnen und zu welchem Zeit­ schreckend hohe Letalität beträchtlich vermindert. Ein punkt zugeführt werden sollen. kategorisches Hungern und Dursten ist heute bei sorgfäl­ Nierenentzündung: Nieren|entzündung, Nephritis, Sammelbezeich­ tiger Bilanzierung von Flüssigkeit und Körpergewicht wassersüchtige An­ nung für sehr verschiedene, primär nicht bakteriell be­ nicht mehr erforderlich; weiteres -»■ Nierendiät. 2) perakute Glomerulonephritis, eine relativ seltene Er­ schwellungen im Gesicht dingte Nierenerkrankungen, die durch entzündl. Vor­ gänge an den Nierenkörperchen und dort bes. an den Ba­ krankung, die sich über Wochen und Monate entwickelt salmembranen der Gefäßschlingen gekennzeichnet sind. und fast immer in -► Niereninsuffizienz endet. Betroffen Meist kommt es zu beiderseitiger Erkrankung der Filter­ sind bevorzugt Männer im 2.-4. Lebensjahrzehnt. Die körperchen (Glomeruli) der Niere (Glomerulo|nephritis, Erkrankung setzt nicht so plötzlich ein wie die akute Glo­ Brightsche Nierenkrankheit [br'ait-]). Bei Sonderformen merulonephritis. Ihr Beginn wird oft kaum wahrgenom­ der N. sind entzündl. Vorgänge im eigtl. Sinn (ortsstän­ men, sie schreitet jedoch innerhalb von Wochen bis Mo­ dige Vermehrung weißer Blutkörperchen) im Gewebe naten zur Niereninsuffizienz fort; Spontanheilungen sind nicht immer nachweisbar. Auslösend bei dieser Erkran­ selten. Die auslösende Ursache ist meist unbekannt. Eine sichere Therapie gibt es bisher nicht. Vereinzelt werden kung sind fast immer Immunreaktionen. Die N. kann unter ganz verschiedenen klinischen Bil­ Besserungen durch immunsuppresive Medikamente be­ dern auftreten: 1) akute diffuse Glomerulonephritis, eine schrieben. Außerdem wurde versucht, die für die Krank­ oft in wenigen Tagen zu einem schweren Krankheitsbild heit verantwortl. Antikörper durch Plasmaaustausch führende Erkrankung mit plötzlichem Beginn aus voller (Plasmapherese) zu entfernen. Die Erfolge dieser Be­ Gesundheit, gekennzeichnet durch unbestimmte Allge­ handlung sind nicht einheitlich. 3) chronische Glomerulonephritis, eine sich über Jahre meinbeschwerden, Gliederschmerzen (Schmerzen in der Nierengegend fehlen meistens), Schwellungen (Ödeme) hinziehende Erkrankung, bei der entweder das nephrot. nicht nur im Bereich der Fußknöchel, sondern auch im Syndrom oder die Hochdruckkrankheit im Vorder-

34’

563

Nier

i

2

3

4

Nierensteine:

gründ steht. Häufig bleibt die Erkrankung als latente -»Schrumpfniere relativ symptomlos, sie beginnt in vie­ len Fällen schleichend. Die Ausscheidung von Eiweiß (Proteinurie), Erythrozyten oder der Nachweis eines er­ höhten Blutdrucks bei zufälligen Routineuntersuchungen führen dann zur Diagnose. Gelegentlich wird die Erkran­ kung erst beim Auftreten einer Urämie im Endstadium entdeckt. Dann muß die Dialysebehandlung eingesetzt werden; eine ursächl. Behandlung gibt es nicht. Regelmä­ ßige ärztl. Kontrollen sind nötig; bei Zunahme der Nieren­ insuffizienz muß der Eiweißgehalt der Nahrung der jewei­ ligen Situation angepaßt werden. Die sekundären Sym­ ptome der Herzinsuffizienz, des Bluthochdrucks und der Überwässerung bedürfen gesonderter Behandlung. Bei zunehmendem Nierenversagen bleibt als letzter Ausweg die Nierentransplantation. Nierenfistel, krankhafte oder operativ angelegte Ver­ bindung des Hohlraumsystems der Niere mit der Körper­ oberfläche, durch die der Harn abfließt. Nierenfunktionsprüfungen, Prüfverfahren zur Bestimmung der Ausscheidungsleistung der Nieren. Als Maß für die Ausscheidungstätigkeit gilt die errechnete (virtuelle) Menge des Blutserums, das in der Zeiteinheit (z. B. einer Minute) durch die Niere von einem ausschei­ dungsfähigen Stoff durch Absonderung in den Harn ge­ reinigt (>geklärtübersättigtem< Urin. Vorstufen sind Nierensand, Nierengrieß. Größere N. können sich im Harnleiter einklemmen und zu Harnstauung und Nieren­ kolik führen. Die Nierenkoliken, das Hauptkrankheitszeichen der Nierensteinkrankheit (Nephrolithiasis), treten anfalls­ weise auf und bestehen in plötzlich einsetzenden, meist sehr starken Schmerzen, die von der einen Nierengegend längs des Harnleiters bis in die Geschlechtsorgane und den Oberschenkel ausstrahlen. Werden sie beidseitig empfun­ den, so ist das durch einen >renorenalen Reflex< ausgelöst. Bei Fieber, Schüttelfrost sofort den Arzt aufsuchen, da Urosepsis, ein lebensgefährl. Zustand, droht. Ursachen können verminderte Urinausscheidung, ge­ störter Harnfluß und Stoffwechselerkrankungen sein. Behandlung: schmerz- und krampflindernde Mittel (Spasmoanalgetika), warme Bäder, vermehrte Urinanre­ gung (Spüleffekt) durch Trinken größerer Flüssigkeits­ mengen (mindestens 1,5 1 täglich). Geht der N. auf diese Weise nicht ab (Harnleitersteine sind in 80% der Fälle spontanabgangsfähig), werden andere Verfahren ange­ wendet: Vor der Blase liegende, festsitzende Steine wer­ den mit der Schlinge entfernt. Nierenbeckensteine (Kelch­ ausgußsteine) müssen durch Operation oder -»Nieren­ steinzertrümmerung entfernt werden. Bei Patienten mit häufig wiederkehrendem Steinleiden müssen zusätzl. Stoffwechselstörungen abgeklärt werden (z. B. chron. Harnwegsinfektionen, Gicht). Die Diagnose wird durch Röntgenaufnahme und/oder Ultraschall gestellt.

Nies Nierensteinzertrümmerung, Verfahren zur Zer­ kleinerung (Lithotripsie) von Nierensteinen, die dann auf natürl. Weg abgehen können. Die extrakorporale N. wird

Nierensteinzertrümmerung: Anlage zur Zertrümmerung von Nierensteinen mit Stoßwellen; oben Gerät in der klinischen Er­ probung, unten schemat. Darstellung des Stoßwellengenerators und Ortungssystems zur berührungsfreien N. (extrakorporale N.)

bei Steinen angewendet, die im Nierenbecken lokalisiert sind; sie erfolgt mit dem Lithotripter. Der mit Antibiotika vorbehandelte Patient erhält eine Lokalanästhesie am Rückenmark zur Unterbrechung der Schmerzleitung. Durch eine genau eingepaßte Hebeeinrichtung wird er in eine mit dem techn. Gerät versehene Badewanne gehoben und sitzt in dieser bis zur Brusthöhe unter Wasser. Zwei außerhalb des Körpers angebrachte Stoßwellengenerato­ ren werden durch Röntgenzielgeräte so eingestellt, daß die Schnittstelle der Wellen im Stein liegt. Dadurch wird ein großer Stein in viele kleine (möglichst bis Sandkorngröße) zerlegt, die dann spontan abgehen können. Ein anderes Verfahren ist die perkutane Nd. h. durch die Haut ausge­ führte N. Dabei wird unter Ultraschallkontrolle eine Na­ del von außen auf den Nierenstein geführt und über diesen Kanal eine hochenerget. Ultraschallsonde unter Sicht di­ rekt auf den Stein aufgesetzt, der dadurch zerschlagen wird. Die Anwendung beider Verfahren ist bisher auf be­ stimmte Patienten beschränkt. In vielen Fällen ist die Operation heute noch der komplikationsärmere Eingriff, dasämtl. Teilsteine entfernt werden können, während bei der N. Teilsteine unter Koliken abgehen können. Nierentransplantation, Übertragung einer Spen­ derniere (allogene N.), um eine funktionsunfähige Niere

zu ersetzen (-»Transplantation); 1954 erstmals beim Menschen erfolgreich durchgeführt zwischen eineiigen Zwillingen. Man unterscheidet Nieren von lebenden und toten Organspendern. Die N. ist heute an zahlreichen Zen­ tren zu einem Routineverfahren geworden, bei dem die aus der Leiche oder einem lebenden Organspender ent­ nommene Niere in eine künstl. Nische zwischen Darm­ beinschaufel und Bauchfell transplantiert wird, die zuund abführenden Blutgefäße an Beckenarterie und -vene und der mit der Niere transplantierte Harnleiter direkt an die Harnblase des Empfängers angeschlossen werden. Für eine N. kommen prinzipiell alle Patienten in Betracht, deren eigene Nierenfunktion infolge verschiedener Nie­ renerkrankungen auf Dauer erloschen ist. Da eine Niere in speziellen Nährlösungen bis zu 48 Stunden konserviert werden kann, ist durch Vermittlung übergeordneter Or­ ganisationen die Verpflanzung auf den geeignetsten Emp­ fänger auch über weite Entfernungen möglich. In Mitteleuropa werden die gewebstyp. Daten der Emp­ fänger in der Eurotransplant-Zentrale in Leiden (Hol­ land) gespeichert. Diegewebstyp. DatenderSpenderniere werden nach Leiden telephonisch übermittelt, und der Empfänger mit der größten Übereinstimmung wird über Computer ausgesucht. Durch Hubschraubertransport ist schnellste Organübermittlung möglich. Nierentuberkulose, Befall der Niere (und meist der ableitenden Harnwege) mit dem Erreger der -»Tuberku­ lose (Mycobacterium tuberculosis). Nach der Lungentu­ berkulose ist die N. die häufigste Tuberkuloseform. Sie befällt heute in stärkerem Maß als früher höhere Alters­ gruppen. Durch den schleichenden Beginn ist die Früher­ kennung schwierig, bei Verdacht sind laufende Untersu­ chungen des morgens gelassenen Harns (Morgenharn) mit dem Nachweis von Eiweiß und Blut (meist in kleinsten Mengen vorhanden) notwendig; bes. aber muß bei gering­ stem Verdacht eine Bakterienkultur angelegt werden; auch ergänzende Tierversuche können in der Diagnose weiterhelfen. Das ausgebildete Krankheitsbild wird durch die Röntgenuntersuchung mit Ausscheidungsurogramm, ergänzend durch eine Blasenspiegelung abgeklärt. Die Krankheitszeichen sind i. d. R. uncharakteri­ stisch, verdächtig sind wiederholte kolikartige Beschwer­ den ohne erkennbaren Nierensteinbefund und geringe Blutabgänge. Allgemeines körperl. Unwohlsein und leichtes Fieber sind als Begleitzeichen zu bewerten. Behandlung: Die Einleitung einer gezielten antitu­ berkulösen Chemotherapie sollte stationär vorgenom­ men werden; die Kombination von mehreren Tuberku­ loseheilmitteln hat sich als bes. wirksam erwiesen; nach mehrmonatiger Anwendung kann mit einer Ausheilung gerechnet werden. Im fortgeschrittenen Stadium, bes. wenn es zu narbigen Veränderungen im Bereich der ablei­ tenden Harnwege gekommen ist, kann ein operatives Vor­ gehen angezeigt sein. Die früher oft angewendeten klimat. Heilverfahren werden heute als überholt angesehen. Nierenversagen, ein plötzlich (akut) einsetzender Ausfall der Nierenfunktion, oft bedingt durch eine von der Niere unabhängige Erkrankung, z. B. nach -» Schock oder durch Einwirkung bes. nierenwirksamer Gifte (z. B. Tetrachlorkohlenstoff). Auch akute entzündl. Nierener­ krankungen können in seltenen Fällen zum N. führen. Lebensbedrohl. Folgen sind die -» Harnvergiftung mit Abnahme der Urinproduktion oder -ausscheidung, auch -► Hyperkaliämie. Im Zusammenhang mit einer dann ein­ tretenden Flüssigkeitsüberladung des Organismus kann es zu Herz- und Lungenversagen mit Lungenödem kom­ men. Bei vorübergehendem N. läßt sich durch -»Dialyse die Zeit bis zur Normalisierung der Nierenfunktion über­ brücken. Krankenhauseinweisung ist erforderlich. Nierenzyste, -* Zystenniere. Niesen, Reinigungsreflex der oberen Luftwege. Aus­ gelöst von der Nasenschleimhaut durch Geruchs-, Temperatur- und mechan. Reize, gelegentlich auch durch plötzl. hellen Lichteinfall ins Auge, kommt es reflekto­ risch über den Nervus Trigeminus zu Tiefeinatmung und folgender krampfähnl. Ausatmung, bei der das Gaumen­ segel so gespannt wird, daß der Luftstrom nicht in den Mund, sondern in Nasenrachen und Nase getrieben wird. 565

NOBELPREISTRÄGER FÜR MEDIZIN UND GRENZGEBIETE

von Behring, * 1854, 1901 E. 11917, Dtl. 1902 Sir R. Ross, * 1857, 11932, Großbritannien 1903 N. R. Finsen, * 1860, 11904, Dänemark 1904 I. P. Pawlow, * 1849, 11936, Rußland 1905 R. Koch, * 1843, f 1910, Dtl. 1906

1907 1908 1909 1910

1911 1912

1913 1914 1919 1920

1922

1923

1924 1926

1927 1928 1929

1930

1931

1932

1933 1934

1935

1936

1937

Serumtherapie

Entdeckung des Malaria­ überträgers Lichttherapie

Arbeiten zur Physiologie der Verdauung Arbeiten über Tuberku­ lose C. Golgi, *1844, 11926, Ita­ Arbeiten über die Be­ schaffenheit des Nerven­ lien S. Ramon y Cajal, * 1852, systems 11934, Spanien Ch. L. A. Laveran, * 1845, Arbeiten über Protozoen als Krankheitserreger 11922, Frankreich I. I. Metschnikow, *1845, Arbeiten über Immunität t1916, Rußland P. Ehrlich,* 1854,f 1915, Dtl. E. Th. Kocher,* 1841,11917, Arbeiten über Physiolo­ gie, Pathologie und Chir­ Schweiz urgie der Schilddrüse A.Kossel, * 1853,1 1927, Dtl. Arbeiten über Eiweißsub­ stanzen, bes. über Nuk­ leinsäuren A. Gullstrand, * 1862, f 1930, Arbeiten über die Gesetz­ Schweden mäßigkeit der Lichtbre­ chung des Auges A. Cärrel, * 1873, 1 1944, Erfindung einer Gefäß­ nahtmethode und Ver­ USA dienste um die Transplan­ tation von Blutgefäßen und Organen Ch. Richet, * 1850, 1 1935, Arbeiten über Anaphy­ Frankreich laxie R. Bäräny, * 1876, 1 1936, Arbeiten über den Vestibularapparat Ungarn J. Bordet, * 1870,11961, Bel­ Arbeiten über Immunität gien (1920 verliehen) S. A.S.Krogh,* 1874,11949, Entdeckung der kapillarmotor. Regulation Dänemark A. V. Hill, *1886, 11977, Arbeiten zur Muskelphy­ Großbritannien siologie O. Meyerhof, * 1884, 11951, Dtl. (1923 verliehen) F. G. Banting, * 1891,11941, Entdeckung des Insulins Kanada J. J. R. MacLeod, * 1876, 1 1935, Kanada W. Einthoven, * 1860,11927, Entdeckung des Mecha­ Niederlande nismus des Kardio­ gramms J. A. G. Fibiger, *1867, Entdeckung des Spirop11928, Dänemark (1927 ver­ tera-Karzinoms liehen) J. Wagner von Jauregg, Entdeckung der Impfma­ laria als Heilmittel gegen ♦1857,11940, Österreich best. seel. Krankheiten Ch. J. H. Nicolle, ♦ 1866, Arbeiten über die Schutz­ f 1936, Frankreich kraft des Rekonvaleszen­ tenserums bei Typhus Chr. Eijkman, * 1858, f 1930, Entdeckung des antineurit. Vitamin B, Niederlande Sir F. G. Hopkins, *1861, Nachweis der Vitamine A 11947, Großbritannien und B K. Landsteiner, * 1868, Entdeckung der Blut­ 11943, Österreich gruppen O. H. Warburg, * 1883, Erforschung der At­ 11970, Dtl. mungsvorgänge Sir Ch. S. Sherrington, Forschungen über Ner­ venerregungen * 1857, 1 1952 Lord E. D. Adrian, * 1889, 11977, beide Großbritannien Th. H. Morgan, * 1866, Arbeiten über die Bedeu­ 11945, USA tung der Chromosomen als Vererbungsträger G. H. Whipple, *1878, Entwicklung der Leber­ 1 1976, USA diät bei perniziöser An­ G. R. Minot, * 1885, f 1950, ämie USA W. P. Murphy, • 1892, USA H. Spemann, * 1869, 1 1941, Entdeckung des OrganiDtl. sator-Effekls in der Em­ bryonalentwicklung SirH.H. Dale,* 1875,11968, Arbeiten über die ehern. Großbritannien Übertragung von Nerven­ O. Loewi, * 1873, tl961, impulsen Österreich A. von Szent-Györgyi, Nachweis des Vitamin C * 1893, Ungarn und Isolierung der Askor­ binsäure

1938 C. Heymans, * 1892, 1 1968, Belgien (1939 verliehen)

1939 G. Domagk, * 1895, 11964, Dtl. 1943 H. C. P. Dam, * 1895,1 1976, Dänemark E. A. Doisy, * 1893, USA (beide 1944 verliehen) 1944 J. Erlanger, * 1874, t1965, USA H. S. Gasser, * 1888, 11963, USA 1945 Sir A. Fleming, ♦ 1881,1 1955 SirE. B. Chain, ♦ 1906, t 1979 Sir H. W. Florey, * 1898, 11968, alle Großbritannien 1946 H. J. Muller, * 1890, 11967, USA

1947 C.F.Cori,* 1896, USA Gerty Th. Cori, * 1896, 11957, USA B. A. Houssay, * 1887, 11971, Argentinien 1948 P. H. Müller, * 1899, 11965, Schweiz 1949 W. R. Hess, *1881, f 1973, Schweiz

A. C. Moniz-Egas, * 1874, 11955, Portugal

1950 E. C. Kendall, * 1886,1 1972, USA T. Reichstein, * 1897, Schweiz Ph. S. Hench, * 1896,11965, USA 1951 M. Theiler, *1899, f 1972, Südafrika 1952 S. A. Waksman, * 1888, 11973, USA 1953 H. A. Krebs, * 1900, 11981, Großbritannien F. A. Lipmann, * 1899, USA

1954 J.F. Enders, * 1897, USA Th. H. Weller, *1915, USA F. C. Robbins, * 1916, USA

1955 A. H. Th. Theorell, * 1903, 1 1982, Schweden 1956 A F. Cournand, * 1895, USA W. Forssmann, * 1904, 1 1979, Bundesrep. Dtl. D. W. Richards, * 1895, 11973, USA 1957 D. Bovet, * 1907, Italien

1958 G.W. Beadle, * 1903, USA E. L. Tatum, * 1909, 11975, USA J. Lederberg, * 1925, USA

1959 1960

1961

1962

Entdeckung der Rolle der Aorta und der rechten Lungenarterie für die At­ mung Entdeckung der antibak­ teriellen Wirkung des Prontosils, des 1. Sulfon­ amids Nachweis des Vitamin K Entdeckung der ehern. Struktur des Vitamin K Arbeiten über die Nerven­ faserfunktionen Entdeckung des Penicil­ lins

Erzeugung künstl. Muta­ tionen durch Röntgen­ bestrahlung Entdeckung des Glyko­ genstoffwechsels Entdeckung der Rolle des Hypophysenvorderlap­ pens für den Zuckerstoff­ wechsel Entdeckung der insektizi­ den Wirkung des DDT Erforschung des Zwi­ schenhirns und dessen Funktionen Entwicklung des therapeut. Verfahrens der Leukotomie Isolierung der Hormone der Nebenniere (Cortison)

Bekämpfung des Gelbfie­ bers Entdeckung des Strepto­ mycins Entdeckung des Zitronen­ säure-Zyklus Entdeckung des Coen­ zyms A Entwicklung von Metho­ den zur Züchtung des Poliomyelitisvirus als Grundlage zur Herstel­ lung eines Impfstoffes ge­ gen Kinderlähmung Entdeckung der Oxida­ tionsenzyme Entdeckung und Entwick­ lung der Herzkatheterisie­ rung Erforschung der muskel­ erschlaffenden Wirkweise von Kurare und von kurareähnlichen synthet. Stoffen Arbeiten über die Funk­ tionsweise von Genketten

Entdeckung der genet. Be­ schaffenheit von Bakte­ rien Entdeckung der Mecha­ S.Ochoa,* 1905, USA A. Kornberg, * 1918, USA nismen in der biolog. Syn­ these der Nukleinsäuren SirF. M. Burnet, * 1899, Au­ Entdeckung der Immun­ toleranz stralischer Bund P. B. Medawar, * 1915, Groß­ britannien G. von Bekesy,* 1899,11972, Untersuchungen der Be­ wegungsmechanismen im USA Innenohr F.H.Crick,* 1916, Großbri­ Arbeiten über die Be­ schaffenheit der Nuklein­ tannien J.D. Watson, *1928, USA säuren M. H. F. Wilkins, *1916, Großbritannien

Nitr 1963 Sir J. C. Eccles, * 1903, Au­ stralischer Bund A. L. Hodgkin, * 1914, Groß­ britannien A. F. Huxley, • 1917, Groß­ britannien 1964 K. Bloch, • 1912, USA F. F. K. Lynen, »1911, f 1979, Bundesrep. Dtl. 1965 F. Jacob, • 1920 A. Lwoff,» 1902 J. L. Monod, » 1910, 11976, alle Frankreich 1966 F. P. Rous, »1879, 11970, USA Ch. B. Huggins, • 1901, USA 1967 R. Granit, * 1900, Schweden H. K. Hartline, » 1903, USA G. Wald, • 1906, USA 1968 R. W. Holley, * 1922, USA H. G. Khorana, »1922, USA M. W. Nirenberg,» 1927, USA 1969 M. Delbrück, • 1906, 11981, USA A. D. Hershey, * 1908, USA S. E. Luria, »1912, USA 1970 B. Katz, • 1911, Großbritan­ nien U. S. von Euler, • 1905, Schweden J. Axelrod, » 1912, USA 1971 E. W. Sutherland, »1915, 1 1974, USA 1972 G.M. Edelman, • 1929, USA R. R. Porter, * 1917, Großbri­ tannien 1973 K. von Frisch, • 1886, f 1982, Bundesrep. Dtl. K. Lorenz, * 1903, Österreich N. Tinbergen, * 1907, Groß­ britannien

Untersuchungen über die Ionenmechanismen bei Nervenreizung

Arbeiten über die enzymat. Bildung ungesättig­ ter Fettsäuren Arbeiten zur genet. Steue­ rung der Enzymsynthese bei Viren

Nachweis von krebserzeu­ genden Viren Entwicklung einer hormo­ nalen Therapie des Pro­ statakrebses Arbeiten zur physiolog. Chemie des Auges Interpretation des genet. Codes und seiner Funk­ tion in der Proteinsynthese Arbeiten über den Muta­ tionsmechanismus und die genet. Struktur der Viren Aufklärung der ehern. Vorgänge an den Kontakt­ stellen der Nervenendi­ gungen (Synapsen)

Arbeiten über die Wir­ kung von Hormonen Arbeiten über die ehern. Struktur der Antikörper Erarbeitung von Verhal­ tensmustern bei Tieren

Tritt ein krampfhafter Niesanfall auf, der längere Zeit an­ dauert, spricht man von einem Nieskrampf. Nieswurz, Weiße N., Weißer Germer, Veratrum album, zu den Liliengewächsen (Liliaceae) gehörende,

bis 1,5 m hohe Pflanze in gemäßigten Klimazonen, bes. in Gebirgen. Der im Herbst gegrabene, getrocknete Wurzelstock enthält bis zu 1% verschiedene Alakaloide. Anwen­ dung: Heilpflanzen, Übersicht. Nikotin [n. dem frz. Diplomaten J. Nicot de Villemain, * 1530, 11600, der den Tabak in Frankreich ein­ führte] das, Bestandteil des -»Tabaks, ein Alkaloid der Tabakpflanze von chemisch verhältnismäßig einfachem Bau. Reines N., eine stark alkalisch reagierende farblose Flüssigkeit, die sich beim Aufbewahren unter Braunfär­ bung und Abnahme der Wirksamkeit mit Sauerstoff ver­ bindet, ist stark giftig. Etwa 40—60 mg sind für den Men­ schen tödlich. Diese Menge ist in einer Zigarre von 4 g Ge­ wicht oder in 2—3 Zigaretten von je 2 g aus gewöhnl. Ta­ bak enthalten. Die Giftigkeit des N. entspricht jener der Blausäure, doch wird N. beim Rauchen nach Aufnahme durch die Schleimhäute oder Lungen im Körper rasch ent­ giftet. Vergiftungen mit reinem N. sind selten, häufiger kommen Vergiftungen mit Roh-N. oder Tabakextrakten vor, die zur Bekämpfung von Pflanzenschädlingen (z. B. Blattläusen) dienen. Hierbei kann die Vergiftung durch Aufnahme des Gifts durch die Atemwege (Verstäuben der Lösungen) oder versehentl. Trinken erfolgen. Weiter wurden Vergiftungen bei Tabakschmugglern beobachtet, die sich Tabakblätter um den Leib gebunden hatten (Auf­ nahme des Gifts durch die Haut), ferner bei Kindern nach Essen von Zigaretten (Vorsicht mit Zigarettenstummeln bei Kleinkindern!). Da N. mit der Muttermilch ausge­ schieden wird, kann es beim Säugling zu leichten Vergif­ tungen kommen, wenn die Mutter starke Raucherin ist. Angriffspunkt des N. im Körper sind die Ganglien des vegetativen Nervensystems und das Zentralnervensy­ stem. N.-Genuß führt erst zu einer Erregung, dann zu ei­ ner Lähmung des Nervensystems (Ermüdung, Beruhi­ gung). Die akute Nikotinvergiftung verursacht Blässe,

1974 A. Claude, »1899, Belgien C. R.deDuve,* 1917, Belgien G. E. Palade, »1912, USA 1975 D. Baltimore, »1938, USA R. Dulbecco, * 1914, USA H. M.Temin, *1934, USA 1976 B. S. Blumberg, • 1925, USA D. C. Gajdusek, • 1923, USA 1977 R. L. Guillemin, » 1924, USA A. V. Schally, * 1926, USA Rosalyn S. Yalow, »1921, USA 1978 W. Arber, * 1929, Schweiz D. Nathans, * 1928, USA H.O. Smith, »1931, USA

1979 1980

1981

1982

1983

Arbeiten zur Struktur und Funktion der Zelle

Untersuchungen zur In­ teraktion zwischen tumor­ erzeugenden Viren und ge­ net. Material Entdeckungen neuer Me­ chanismen für Ursache und Ausbreitung von In­ fektionskrankheiten Isolierung, Strukturfor­ schung und Synthese von Peptidhormonen

Entdeckung der Restrik­ tionsenzyme und ihre An­ wendung in der Moleku­ largenetik A. M. Cormack, » 1924, USA Entwicklung der theoret. G. N. Hounsfield, »1919, Grundlagen der Compu­ Großbritannien tertomographie B. Benacerraf, * 1920, USA Arbeiten auf dem Ge­ J. Dausset, * 1916, Frank­ biet der Transplantations­ reich immunologie (HLA-SyG. D. Snell, » 1903, USA stem) D. H. Hubel, » 1926, USA Arbeiten auf dem Gebiet R. W. Sperry, » 1913, USA der Gehirnforschung T. N. Wiesel, »1924, Schweden S. K. Bergström, »1916, Prostaglandinforschung Schweden B. I. Samuelsson, * 1934, Schweden J. R. Vane, * 1927, Großbri­ tannien Barbara McClintock, * 1902, Arbeiten auf dem Gebiet USA der Genetik über beweg­ liche Strukturen der Erb­ masse

Schwindel, Kopfschmerz, Übelkeit, Erbrechen, Schwä­ chegefühl in den Beinen, Leibschmerzen, Durchfälle, Blutdrucksteigerung mit nachfolgender Blutdrucksen­ kung, im Endzustand Krämpfe. Der Tod erfolgt durch Herzversagen. (-»Rauchen) Erste Hilfe: Bei Aufnahme des Gifts durch den Ma­ gen Erbrechen auslösen, bei Atemlähmung künstl. Beat­ mung. Sofort den Arzt rufen. Nikotinsäure, das -»Niacin. Nikotinsäure|amid, Niacin|amid, Bestandteil des Vitamin-B2-Komplexes; Pellagraschutzstoff. Unverträg­ lichkeit bei gleichzeitiger Sulfonamidgabe! Nitrobenzolvergiftung, kanndurch Aufnahme von Nitrobenzol durch die unverletzte Haut, über den MagenDarm-Kanal oder durch Einatmung der Dämpfe eintre­ ten. Nitrobenzol wirkt als schweres Blutgift, indem es Hä­ moglobin in Methämoglobin (-»Blutfarbstoff) umwan­ delt und damit zu Sauerstoffmangel in den Geweben führt. N. tritt meist als Berufskrankheit auf (-»Nitro- und Aminoverbindungen). Die Erkrankungszeichen bei akuter N. ähneln denen der -» Anilinvergiftung: Zyanose mit graublauer Verfär­ bung der Haut, Kopfschmerz, Übelkeit, Atemnot, Un­ ruhe, schließlich Bewußtlosigkeit und Tod. Bei chron. Vergiftung kommt es zu Gelbsucht und Leberschäden. Erste Hilfe: durchtränkte Kleidung wechseln. Haut gründlich mit Wasser spülen, bei Vergiftung durch Trin­ ken von Nitrobenzol Erbrechen auslösen. Frischluftzu­ fuhr, künstl. Beatmung. Arzt rufen. Nitroglyzerin,

Spreng|öl,

Glyzerin|tri|nitrat,

äußerst empfindl. und unverdünnt leicht explosive Ver­ bindung. Die schwach gelb gefärbte, ölartige Flüssigkeit ist in Form einer 1 %igen alkohol. Lösung als Nitroglycerinum solutum offizinell. N. wirkt wie andere Ester der Salpetersäure (Erythroltetranitrat, Triäthanolamintri­ nitrat) und salpetrigen Säure (Amylnitrit) krampflösend auf die glatte Muskulatur der kleinen Gefäße, bes. des Herzens, des Gehirns, der Nieren, des Magen-DarmTrakts und der Atemwege. N. wird hauptsächlich zur Ko­ 567

Nitr ronargefäßerweiterung bei Angina pectoris verwendet, meist in Form zerbeißbarer Kapseln oder als Tropfen, neuerdings auch in Gestalt eines in der Herzgegend auf die Brustwand aufgeklebten Membranpflasters. Dieses gibt innerhalb 24 Stunden etwa 5 mg N. als transkutane mole­ kulare Diffusion direkt in den Blutkreislauf ab. Nitros|amine, Stickstoff-Nitrosoverbindungen von Aminen der allgemeinen Formen N—NO, die bei Einwir­ kung salpetriger Säure oder Nitriten auf sekundäre Amine entstehen. Unter den N. werden viele als krebserregende Stoffe angesehen. N. wurden im Tabakrauch und in sehr geringer Menge auch im Bier nachgewiesen. Nitro- und Aminoverbindungen, Verbindungen des Benzols oder deren Homologene; über die Atem-, sel­ tener über die Verdauungswege oder durch Hautresorp­ tion aufgenommen, sind sie großenteils starke Blutgifte (-►Nitrobenzolvergiftung). Auch Schädigung der Leber, des zentralen Nervensystems und Hautschäden sind mög­ lich. Durch N.-u. A. hervorgerufene Erkrankungen kön­ nen Berufskrankheiten sein; Gefahrenquellen z. B. in der Sprengstoff-, Farbstoff- und Seifenindustrie. Nobelpreisträger für Medizin und Grenzge­ biete (Übersicht S. 566 und 567).

Nocardiose, eine klinisch von der -►Strahlenpilz­ krankheit kaum zu unterscheidende Krankheit, deren Er­ reger, das Bakterium Nocardia asteroides, sich nur bei der Züchtung von dem Bakterium Actinomyces israeli (Erre­ ger der Strahlenpilzkrankheit) unterscheidet. Hauptsäch­ lich in den Tropen vorkommende Erkrankung. Behand­ lung mit Sulfonamiden oder Antibiotika. nodös [lat. nodus >KnotenHeimwehguten alten ZeitLoch unter der AugenhöhleSchneidezahnkanalÜberbeschützungVerbrennung< auch bei O. i. w. S.), oder die Abspaltung von Wasserstoff durch bestimmte, z.B. enzymat. Vorgänge (Dehydrierungen). Bei Ionenreaktionen, die im organ. Geschehen eine ent­ scheidende Rolle spielen, ist O. gleichbedeutend mit dem Entzug negativer und der Vermehrung positiver elektr. Ladungen, so z. B. mit dem Wechsel der Wertigkeit von Metallionen, etwa dem Übergang von 2wertigem in 3wertiges Eisen, wobei der Elektronenhülle des 2wertigen Eisenions ein (negatives) Elektron entzogen wird. Durch O. wird i. d. R. Energie gewonnen. Der Energie­ bedarf des Menschen zur Aufrechterhaltung des Stoff­ wechsels und der Körpertemperatur sowie zur Leistung von Arbeit wird durch die >Verbrennung< der Nahrungs­ stoffe gedeckt. Man spricht deshalb auch vom >Brenn­ werte der Nahrungsmittel (Joule, früher Kalorien).

581

Oxid Oxidations|therapie, Methode zur Behandlung von Sauerstoffmangelzuständen, wird in mehreren, z. T. um­ strittenen Verfahren angewendet: 1) Ozontherapie, Injektion eines Ozon-Sauerstoffge­ mischs in Arterien, Venen oder Muskeln. Das Blut kann auch entnommen, mit Ozon-Sauerstoff versetzt und zu­ rückinjiziert werden. Dieses Vorgehen wird >Blutwäsche< genannt, wodurch der (unzutreffende) Eindruck einer re­ gelmäßig zu wiederholenden Reinigungsprozedur er­ weckt werden kann. Die Erfolge der Ozontherapie konnten bisher außer­ halb des Kreises ihrer Anhänger nicht wissenschaftlich bestätigt werden. Bei der Anwendung intravenöser Ozon­ gaben kam es zu Todesfällen. 2) Bei der hämatogenen O. (Abk. HOT, >Blutwäsche nach WehrliGeist des Lebens« gesteuert würden. Er bevor­ zugte einfache einheim. Heilmittel, weil er glaubte, daß Gott in jedem Land auch die Heilkräuter wachsen lasse, die gegen dort auftretende Krankheiten wirksam wären. Den wirkl. Arzt, so lehrte P., macht erst die Erforschung der Natur und die Erfahrung am Krankenbett. Er schrieb über 200 meist frühneuhochdeutsch, z. T. auch lateinisch verfaßte theolog. und philosoph. Werke, die erst in der Gegenwart voll gewürdigt werden. Der wissenschaftl. P.Forschung widmet sich die Internationale P.-Gesellschaft (Sitz: Salzburg). Paracusis Willisii [n. dem engl. Arzt Willis, * 1622, 11675], Bezeichnung für das subjektive Gefühl Schwer­ höriger, besser im Lärm als bei Stille hören zu können. P. W. beruht darauf, daß andere Menschen im Lärm lau­ ter sprechen und der Schwerhörige durch den Störlärm nur wenig belästigt wird. Eine objektive Gehörverbesse­ rung ist aber nicht eingetreten. Paradentitis, frühere Bezeichnung für Parodontitis (-► Zahnwurzelhautentzündung, -» Zahnbettschwundj. Paradentose, frühere Bezeichnung für Parodontose (-► Zahnbettschwund). Paraffinkrebs, entschädigungspflichtige Berufs­ krankheit, die nach langjähriger Einwirkung von Roh­ paraffin auf die Haut entstehen kann, z. B. bei Arbeitern in der Zündholz-, Papier- und Sprengstoffindustrie. Die Erkrankung betrifft bes. Hautbezirke, an denen mit unge­ reinigtem Paraffin verschmutzte Kleidung eng anliegt. Paraffin|öl, Paraffinum liquidum, Flüssigkeit, die aus den bei über 300 °C siedenden Anteilen des Erdöls ge­ wonnen wird; sie ist klar, farblos, geruch- und ge­ schmacksfrei und wird in der Hauptsache zur Bereitung von Salben verwendet. P. wird auch als Stuhlgleitmittel gebraucht, weil es die Resorption von Wasser und somit ein Festwerden des Stuhls im Dickdarm verhindert. Paraffinpackungen, Einpackung von einzelnen Körperteilen oder des ganzen Körpers in eine Paraffin­ schicht; vereinigt die Vorzüge der trockenen und feuchten Wärme. Da Paraffin ein schlechter Wärmeleiter ist, gibt es seine aufgespeicherte Wärme nur langsam an seine Um­ gebung ab. Es kann daher mit einer Temperatur bis zu 65 °C auf die Haut gebracht werden, während Wasser nur bis höchstens 50 °C vertragen wird. Die Temperatur rich­ tet sich nach der Verträglichkeit. Dauer etwa 30—40 Minu­ ten. Nach dem leicht durchzuführenden Abnehmen der P. sollte der Patient 1 Stunde nachschwitzen. Die Körper­ temperatur steigt während der P. auf 38—39°C an, der diastol. Blutdruck fällt bis um 20 mm Hg.

Para Anwendungsgebiete sind rheumat. Erkrankungen, akute und chron. Katarrhe, Stoffwechselstörungen, Nie­ renerkrankungen, krampfartige Zustände wie Bronchial­ asthma, Hautkrankheiten (Ekzeme, Erfrierungen), Rip­ penfellergüsse, Frauenkrankheiten. Nicht angewendet werden sollte die P. bei schweren Herzkrankheiten, Lun­ gentuberkulose, fortgeschrittener Zuckerkrankheit. Paragangli|en, neben den autonomen Ganglien des Nervensystems vorkommende, gut durchblutete, meist von einer bindegewebigen Kapsel umgebene, endokrin aktive Zellverbände, die sich vom peripheren Sympathi­ kus (adrenalinbildende, chrom-affine P., bes. das Para­ ganglion suprarenale, das Nebennierenmark und die Ne­ bennieren) und vom Parasympathikus (z. B. das Paragan­ glion caroticum) ableiten. Paragonimiasis, die -► Lungenegelkrankheit. Paraguaytee, der -► Mate. Parallaxe, scheinbare Lageänderung, die zwei in unterschiedl. Entfernung gelegene Objektpunkte bei Ände­ rung der Beobachtungsrichtung gegeneinander zeigen. Parallakt. Verschiebung, scheinbare Wanderung eines fixierten Objekts, wenn das Projektionszentrum bei ab­ wechselnder Betrachtung mit dem rechten oder linken Auge parallel zur Projektionsebene verlagert wird. Paralyse, 1) eine vollständige -»Lähmung. 2) progressive P., früher Gehirnerweichung genannt, Spätform der Syphilis, bei welcher der Erreger (Trepo­ nema pallidum) in das Gehirn eindringt und dort, bes. in der Gehirnrinde, sehr kennzeichnende (und gut erforsch­ te) Veränderungen bewirkt: zunächst Entzündungsvor­ gänge an den Blutgefäßen, später Entartungsprozesse der Ganglienzellen bis zum Schwund der Gehirnrinde. Nur etwa 5% aller mit Syphilis Angesteckten bekom­ men nach einer beschwerdefreien Zwischenzeit von 8—15 Jahren eine P. Die ersten Anzeichen werden oft weniger vom Kranken selbst als von seinen Angehörigen bemerkt: Vergeßlichkeit, Nachlassen des Taktgefühls sonst fein­ fühliger Menschen, leichte Abstumpfung bei meist auf­ fällig gehobener Stimmung, häufiges Versprechen (Sil­ benstolpern) und Verschreiben. Unsinnige Einkäufe, Größenwahn, Enthemmung (auch sexuelle) sind bereits Zeichen fortgeschrittener P. Neben kennzeichnenden Erscheinungen am Nerven­ system (Pupillenstarre und z. B. — Amimie) ist die Krank­ heit heute zuverlässig durch eine Untersuchung der Ge­ hirn-Rückenmarks-Flüssigkeit festzustellen, die durch Lumbalpunktion gewonnen wird. Die ursprünglich erfolglose Bekämpfung wurde seit der durch J. -»Wagner von Jauregg eingeführten künstl. Impfung mit Malaria (1918) aussichtsreicher und ist heute durch eine rechtzeitige Behandlung mit Antibiotika durchaus erfolgreich. Je früher die Krankheit erkannt und behandelt wird, desto besser sind die Heilungsaus­ sichten. Der günstigste Zeitpunkt für den Beginn der Be­ handlungeiner P. liegt innerhalb der noch akuten Entzün­ dungserscheinungen. Schwere Schäden an den Nervenzel­ len lassen sich nicht mehr beheben und hinterlassen, auch wenn der Krankheitsvorgang zum Stillstand gebracht wurde, bleibende Ausfallserscheinungen. Um einer Erkrankung an P. vorzubeugen, sollte jeder Syphiliskranke nach erfolgreicher Behandlung im Ab­ stand von 5 Jahren eine Untersuchung seiner Gehirn-Rükkenmarks-Flüssigkeit vornehmen lassen. Ist diese 15 Jahre nach der Ansteckung frei von Krankheitszeichen, kann eine spätere Erkrankung an P. ausgeschlossen werden. Paralysis agitans, die -► Parkinsonsche Krankheit. Paramedizin [grch. para >nebenStörfaktoren< inaktiviert oder Funktionen »normalisierte »reguliert und >harmonisiert< werden. Eines der Prinzipien der P. lautet, daß Ähnliches mit Ähnlichem geheilt werden könne (Simileprinzip der -►Homöopathie), z. B. Cholera mit Arsen, weil Arsen choleraartige Vergiftungserscheinungen hervorruft, oder

Nierenkrankheit mit Nierenextrakt (-► Zelltherapie). Fer­ ner werden vorrangig Symptome bewertet, jedoch, wie Gegner der P. behaupten, mit nicht immer ausreichender Berücksichtigung medizinisch bereits bekannter Zusam­ menhänge, so daß z. B. bei Schmerzen ein möglicherweise ursächl. Tumor übersehen werden kann. Von der P. abzugrenzen ist die auf bewährten empir. Erkenntnissen beruhende und z. T. auch wissenschaftlich anerkannte -► Naturheilkunde. Parametritis, die Entzündung des Beckenbindegewe­ bes, das Gebärmutter und Scheide mit der Beckenwand verbindet und an Blase und Mastdarm angrenzt (Para­ metrium). Die P. entsteht durch Ein wandern von Entzündungs­ erregern von der Gebärmutter her, meist auf dem Lymphweg und überwiegend aus dem Halsteil der Gebärmutter. Sie tritt am häufigsten nach Infektionen auf, die im Ver­ lauf oder nach einer Schwangerschaft, bes. nach einer Fehlgeburt oder einem Schwangerschaftsabbruch, die Gebärmutter befallen. Die Erscheinungen der frischen P. ähneln denjenigen einer -»Eileiterentzündung, die auch mit der P. gemeinsam auftreten kann; ein Übergreifen der P. auf die Bauchhöhle ist jedoch selten. Der Verlauf der P. kann verschieden sein. Der Entzün­ dungsherd kann sich unter Hinterlassung einer Narbe fast völlig zurückbilden, in anderen Fällen kommt es zu einer eitrigen Einschmelzung des Herds, zur Bildung eines Ab­ szesses, der das Bestreben hat, nach außen durchzubre­ chen und sich zu entleeren. Das kann an der vorderen Bauchwand, oberhalb des Leistenbands geschehen; der Abszeß kann aber auch in den Mastdarm oder die Blase durchbrechen, aus denen sich dann unter Nachlassen der Schmerzen reichlich Eiter entleert. Die Behandlung verlangt im akuten Stadium gleiche Maßnahmen wie bei der Eileiterentzündung. Hat sich ein Abszeß gebildet, muß er vom Arzt eröffnet und entleert werden. Narbige Restzustände einer abgelaufenen P. er­ fordern konservative Maßnahmen, bes. in Form der Wärmeanwendung (Kurzwellen, Moorbäder u. a.). Paramunität, 1979 in die Immunologie eingeführter Begriff, mit dem die erregerunspezif. Wirkungsmecha­ nismen der Infektabwehr bei Mensch und Tier zusam­ menfassend beschrieben werden. P. steht im Ggs. zur -» Immunität mit dem streng spezif. Wirkungsmechanis­ mus der Antigen-Antikörper-Reaktion und zum Begriff der -» Resistenz als genetisch vermittelter Abwehr einer bestimmten Spezies gegen Erreger und Gifte. Folgende biolog. Vorgänge werden heute unter der Bezeichnung P. zusammengefaßt: Steigerung der Phagozytose, Aktivie­ rung der bei der Infektabwehr beteiligten Enzyme wie Komplement, Properdin, Interferon, Lysozym u. a., Sti­ mulierung von Immunzellen. Stoffe, die diese Mechanis­ men der Infektabwehr verstärken, nennt man Paramunitätsinduktoren. Biolog. Substanzen (Viren, inaktivierte Bakterien oder Extrakte aus ihnen, Pflanzenextrakte) ha­ ben sich bisher als wirksamer erwiesen, eine P. zu induzie­ ren, als synthet. Stoffe. paraneoplastisches Syndrom, ein von Boudin 1961/62 geprägter Oberbegriff für Begleitzeichen bösar­ tiger Geschwülste, die nur in mittelbarem Zusammen­ hang mit der Geschwulst (also nicht wie bei Metastasen unmittelbar) oder vor ihrer klin. Erfaßbarkeit als -► Vor­ krebskrankheiten infolge humoraler Fernwirkung auftre­ ten; es handelt sich dabei um metabol., dystroph, und de­ generative Vorgänge, die sich an fast allen Organen (Or­ gansystemen) bemerkbar machen können. Sie äußern sich in Gewichtsabfall bis zur -»Kachexie, Appetitlosigkeit, Magen- und Darmerkrankungen (Malabsorption, Hy­ perazidität, Geschwürbildung), Stoffwechselstörungen, Fieber, Haut-, Blutbild- und Gefäßveränderungen. Bei Beteiligung innerer Drüsen kann eine schwere Muskel­ schwäche (-► Muskelkrankheiten) vorgetäuscht sein. Oft finden sich Knochenschmerzen als Folge krankhafter Knochenhautveränderungen. Bes. das Bronchialkarzi­ nom (-» Lungenkrebs) kann auch unter Zeichen des p. S. auftreten. - Nach Tumorentfernung kommt es zum spon­ tanen Abklingen der Krankheitserscheinungen. Das Krankheitsbild des p.S. sollte auch in seinen Einzeler585

Para scheinungen immer die Suche nach einem auslösenden Tumor veranlassen. Paranoia, Verrücktheit, Störung der Geistestätig­ keit mit systematisiertem Wahn bei sonst weitgehend in­ takter Persönlichkeit. Der Wahn (z. B. Größen-, Verfol­ gungswahn) ist meist zu einem in sich schlüssigen System ausgebaut und bestimmt alle Denk- und Wahrnehmungs­ vorgänge; er ist durch Gegeneinwände nicht zu entkräf­ ten. Besonnenheit und Ordnung im Denken, Wollen und Handeln, auch die Arbeitsfähigkeit, sind weitgehend er­ halten. Beziehungen zur paranoiden Form der -»Schi­ zophrenie sind gegeben und teils schwer abzugrenzen. Paraphimose, -» Vorhautverengung. Paraplegie, -»Lähmung. Parapsychologie, Teilgebiet der Psychologie, das sich mit der Erforschung von okkulten Erscheinungen, d. h. von außersinnl. Wahrnehmungen (-»Telepathie, -►Hellsehen, Präkognition, -»Prophetie) und von physi­ kalisch unerklärbaren seel. Wirkungen auf materielle Vorgänge (Psychokinese oder -»Telekinese) und -► Mate­ rialisation, befaßt. Die P. faßt diese heute als parapsych. oder -»Psi-Phänomene zusammen. Quellen der For­ schung sind quantitativ-statist. Versuche mit beliebigen Versuchspersonen, Untersuchung spontaner Erlebnisse (Ahnungen, Wahrträume, Visionen, Erscheinungen, Spuk u. a.) und qualitative Versuche mit bes. begabten Sensitiven (Medien). In der P. gilt die außersinnl. Wahr­ nehmung (Abk. ASW) als relativ gesichertes Phänomen; naturwissenschaftl. Erklärungen für parapsycholog. Phänomene und Fähigkeiten konnten bislang nicht ge­ funden werden. Vorläufer der P. kann man schon im myst. und Philo­ soph. Gedankengut des Altertums finden. Für die Zeit­ losigkeit und allgemeine Verbreitung spricht auch, daß Beobachtungen über Deutungen >unerklärl.< Phänomene in verschiedenen Kulturen analog beschrieben werden. Während diese >Gleichförmigkeit< von der P. als Beweis für die >Echtheit< der Erscheinungen ausgelegt wird, wer­ den die Phänomene von Kritikern rational (z. B. als Irr­ tum, Täuschung, durch Geisteskrankheit bedingt) er­ klärt. Der neuzeitl. Anfang der P. wird im -»Mesmerismus gesehen, auf den 1882 in London die Gründung der Ge­ sellschaft für psych. Forschung (Society for Psychical Re­ search) mit dem Ziel systemat. Untersuchungen folgte. Pärchenegel:

Das männl. Exemplar umschließt das hier nur z. T. sichtbare fadenförmige Weibchen in einer Bauchfalte Parasit, Schmarotzer, in der Biologie und Medizin die Bezeichnung für ein Lebewesen, das auf Kosten seines jeweiligen Wirts lebt, im Ggs. zum Symbionten. Viele P. verursachen mehr oder weniger schwere Krankheiten. Die meisten P. sind an ganz bestimmte Wirte angepaßt, ohne die sie nicht lebensfähig wären. Der Parasitismus ist in der Natur weit verbreitet. Zu den parasitären Erkrankungen gehören bes. alle Wurmkrankheiten. Par|ästhesie, das -»Einschlafen der Glieder. Parasympathikus, Nervus parasympathicus, parasympathisches Nervensystem, Teil des -»ve­

getativen Nervensystems; bildet im Ggs. zum Gegenspie­ ler, dem Sympathikus, keine morpholog. Einheit, da weitgehend an andere Nervenstränge angelagert. Paratyphus, Gruppe von Infektionskrankheiten, die dem -»Typhus im Verlauf ähneln, also auch Allgemein­ infektionen mit Erregerbefall im Blut sind und dabei mit dem Typhusbakterium nah verwandte Erreger haben. Typhus- und P.-Bakterien gehören zur Familie der -» Salmo­ nellen, zu der auch eine große Zahl von Bakterien gehö­ ren, die sich bes. bei Haustieren finden und beim Men­ schen nur eine örtl. Darminfektion mit Brechdurchfall (-»Fleischvergiftung) hervorrufen. Die P.-Bakterien kommen ebenso wie die Typhusbakterien nur beim Men­ schen vor und werden daher auch nur durch menschl. Ausscheidungen verbreitet. Von den Typhusbakterien sind sie nach dem Antigenaufbau sowie mit Hilfe der Bak­ terienzüchtung und -»Phagentypisierung unterscheid­ bar. Man kennt 3 Typen: A, B und C. 586

Der Paratyphus B kommt überall, auch in Mittel­ europa, vor. Er verläuft meist in etwas kürzerer Zeit als der echte Typhus, ist aber im Einzelfall nicht ohne Erre­ gernachweis von diesem zu unterscheiden. Paratyphus A kommt in Dtl. nur durch Einschleppung vor, ist aber in Südeuropa und den wärmeren Kontinenten weit verbreitet. Sein Verlauf ist meist noch leichter und kürzer als beim Typ B. Beide Formen sind meldepflichtig. Paratyphus C findet sich im Balkan u. a. Ländern; er tritt fast nie allein, sondern kombiniert mit anderen Krankheiten, bes. mit Malaria, als Mischinfektion auf. Seine Übertragungsweise ist unklar, sein Verlauf aber meist günstig. Behandlung: Bettruhe, Krankenkost, Antibiotika. Parazentese, das Durchstechen des Trommelfells bei -»Mittelohrentzündung. Pärchen|egel, Saugwürmer der Gattung Schisto­ soma (Bilharzia), getrenntgeschlechtlich; das Männchen trägt das fadenförmige Weibchen in einem röhrenförmi­ gen Hohlraum, der durch die bauchwärts eingerollten Sei­ tenränder seines platten Körpers gebildet wird. Die P. sind Erreger der -» Bilharziose. Par|enchym das, die spezif. Gewebselemente eines Organs (bes. eines drüsigen Organs) im Ggs. zu dem stüt­ zenden Bindegewebsgerüst (Stroma oder interstitielles Gewebe) zusammen mit den ernährenden Gefäßen und den Nerven. par|enteral, unter Umgehung des Magen-Darm-Kanals. Wege der parenteralen Zufuhr von Arzneimitteln sind: Injektion, Resorption durch die Haut oder Schleim­ haut, Aufnahme von Gasen durch die Lunge. Parese, unvollständige -» Lähmung. Parkinsonismus, nach Gehirnentzündung auftre­ tendes, durch Symptome der -► Parkinsonschen Krank­ heit gekennzeichnetes Krankheitssyndrom. Parkinsonsche Krankheit, Paralysis agitans, Schüttellähmung, nach ihrem ersten Beschreiber, dem engl. Arzt J. Parkinson (* 1755,t 1824) benannte extra­

pyramidale Störung der koordinierten Muskelbewegung (-»Koordination); beginnt mit 50—60 Jahren, selten frü­ her. Krankheitszeichen: Starre (Rigor) der Muskulatur, dadurch trippelnder kleinschrittiger Gang, Zittern der Hände und Finger (>PillendrehenMünzenzählenMaskengesichtSalbengesichterlebnisbedingten P.-Wandel< kommen. Erfahrungen liegen hier v. a. mit den Opfern von Konzentrationslagern, polit. Flüchtlingen und Vertriebenen vor (-» Haftreaktion). Persufflation,

die -»Tubendurchblasung.

Perthes|sche Krankheit [n. dem Chirurgen G. C. Perthes, * 1869, f 1927], eine aus unbekannter Ursache auftretende asept. Knochennekrose des Oberschenkel­ kopfs, die zu einer Abflachung des Gelenkkopfes (Koxarthrose) führen kann. Betroffen sind Kinder, überwie­ gend Knaben vom 3. bis 14. Lebensjahr. Die P. K. äußert sich in hinkendem Gang, Belastungsschmerzen der Hüf­ ten und Einschränkung der Innendrehung des Oberschen­ kels; sie kann frühzeitig erkannt werden, wenn Gangstö­ rungen auffallen. Die Behandlung besteht in einer Entlastung des Hüftkopfs durch eine Thomas-Schiene. Durch eine Umstel­ lung des Oberschenkelknochens kurz unterhalb des gro­ ßen Rollhügels kann so die Belastung des Hüftkopfs ver­ ringert werden. Damit wird die Krankheitsdauer (etwa 4 Jahre) um die Hälfte verkürzt. Auch eine inkomplette Knochendurchtrennung im Gebiet des Schenkelhalses (Reizosteotomie) ist möglich. Nach dieser Operation muß ebenfall die Thomas-Schiene getragen werden. Die wei­ tere Behandlung (z. B. orthopäd. Schuhwerk) richtet sich nach dem jeweiligen Krankheitszustand.

592

die -»Tubendurchblasung. der -»Keuchhusten. Perversion, Abweichung vom Normalen, bes. das von einer Statist, oder gesellschaftl. Norm abweichende Sexual verhalten, das durch die einseitige Fixierung auf anormale Triebobjekte (v. a. Sodomie, Nekrophilie, Pädophilie) oder abweichende Befriedigungsarten (v. a. Sadismus, Masochismus, Exhibitionismus, Fetischis­ mus) gekennzeichnet ist. P. wurde zunächst als >Instinktverirrung< gewertet; S. Freud machte jedoch deutlich, daß perverse Handlun­ gen innerhalb des Sexualverhaltens nicht einem vorge­ formten Verhaltensschema entsprechen, sondern als -»Partialtriebe Teil normaler Sexualität sind; sie werden im Rahmen frühkindl. Entwicklung einzeln durchschrit­ ten und im Normalfall in der Pubertät der Vorherrschaft des Genitaltriebs untergeordnet. Eine P. gilt demgemäß als Fixierung auf eine der infantilen Stufen der Sexualität. Pertubation, Pertussis,

Pessare, aus Metall, Porzellan, Hart- oder Weich­ gummi hergestellte Gebilde, die zur Korrektur von Lage­ anomalien der Gebärmutter in die Scheide eingeführt wer­ den. Bügel- oder Schlitten-P. werden angewendet, um eine nach hinten geknickte und vom Arzt in ihre normale Lage gebrachte Gebärmutter in dieser Stellung zu halten. Ring-, Schalen- oder siebförmige P. werden zur Unter­ stützung eines erschlafften Beckenbodens und somit zur Zurückhaltung einer Gebärmutterscheidensenkung oder eines Gebärmuttervorfalls eingeführt. Da ihre Anwen­ dung jedoch eine regelmäßige ärztl. Kontrolle mit Wech­ sel und Reinigung des P. erfordert und sie zudem Druck­ geschwüre in der Scheide erzeugen können, sollten sie nur in solchen Fällen benutzt werden, in denen eine operative Korrektur nicht möglich ist. Über Scheidendiaphragma, Intrauterin- und Okklusiv-P. -»Empfängnisverhütung. Pest, eine bei Nagetieren endemisch vorkommende Krankheit, die durch Flöhe auf andere Nager sowie den Menschen übertragen werden kann. Erreger: Yersinia pe­ stis (von A. E. Yersin und S. Kitasato 1894 entdeckt), ein kurzes, stäbchenförmiges Bakterium. Verbreitung und Übertragung. Gebiete, in denen die P. bei wildlebenden Nagern endemisch ist, gibt es in Zentralasien, Vietnam, Java, im Orient, in Ost- und Zen­ tralafrika, Madagaskar, Südamerika sowie im Westen der USA. Der Mensch kann sich in diesen >Naturherden< infizieren (Einzelfälle). Die Seuche kann auch in Ratten­ populationen der Siedlungsgebiete eindringen (SiedIungs-P.) und von hier zu Ausbrüchen bei der Bevölke­ rung führen. Die Übertragung erfolgt in beiden Fällen über Flöhe, Hauptüberträger ist der Ratten-oder P.-Floh (Xenopsylla cheopis). Im Rahmen menschl. Endemien ist auch eine direkte Übertragung des Erregers durch Tröpf­ cheninfektion möglich. Krankheitsbild. Die P. beginnt nach einer Inkuba­ tionszeit von 3-6 Tagen akut mit Fieber, Schüttelfrost, Gliederschmerzen und schwerem Krankheitsgefühl. Nach 1-2 Tagen kommt es zu Lymphknotenschwellun­ gen, die eitrig einschmelzen (Bubonen- oder Beulen-P.). Durch den Befall innerer Organe (Lunge) und Ausbrei­ tung des Erregers über die Blutbahn (P.-Sepsis) kann sich das Krankheitsbild rasch verschlechtern und zum Tod führen. Bei direkter Übertragung durch Tröpfcheninfek­ tion befällt der Erreger primär die Lunge (Lungen-P.). Die Inkubationszeit beträgt hierbei nur 1—2 Tage, der Verlauf ist schwerer und endet mit zunehmender Luftnot innerhalb 2—5 Tagen fast immer tödlich. Behandlung: P.-Bakterien sind empfindlich gegen Antibiotika. Frühzeitig einsetzende Chemotherapie senkt die Sterblichkeit von über 50% bei unbehandelten Fällen auf unter 5%. Zur individuellen Vorbeugung gibt es in einzelnen Län­ dern Impfstoffe, deren Wirksamkeit bei z. T. starken Ne­ benwirkungen umstritten ist. Man kann sich durch geeig­ nete Schutzkleidung, hygien. Maßnahmen und für einen begrenzten Zeitraum durch Chemoprophylaxe mit einem Antibiotikum schützen. Bekämpfungsmaßnahmen (In­ sektizide) richten sich gegen den Überträger und gegen die

Pfla Ratten. DieP. unterliegt internationalen Vorschriften be­ züglich Meldepflicht und Quarantäne. Geschichtliches. Die P. war als eigenes Krankheits­ bild schon in der Antike bekannt. Ob es sich bei dem Mas­ sensterben der Philister (Buch Samuel) um eine P. gehan­ delt hat, ist ungewiß. Die >Pest< des Thukydides von 430—425 v. Chr. war wohl Fleckfieber, doch hat Oribasios den Bericht eines Dionysos um 280 v. Chr. überlie­ fert, der deutlich P.-Symptome beschrieb. Für die P. des Justinian von 531-80 ist dies ebenso gesichert wie für den Schwarzen Tod, der Europa 1347—52 heimsuchte. In China kannte man die >Rattenpest< schon im Jahre 610 n. Chr. Die bedeutendste zeitgenöss. Schilderung der P. entstammt Boccaccios >Decamerone■ Blutfleckenkrank­ heit auftreten. Petersilie, Petroselinum crispum, zu den Doldenblütern (Apiaceae) gehörende, würzig riechende Pflanze, heimisch im Mittelmeergebiet, in warmgemäßigten Klimazonen als Gewürzpflanze kultiviert. Die etwa 2 mm langen Früchte enthalten bis zu 7% äther. Öl, v. a. Apiol und Myristicin. Auch das Kraut und die Wurzel werden wegen ihres hohen Gehalts an Vitamin C verwen­ det. Anwendung: Heilpflanzen, Übersicht. Petit mal [ptim'al, frz. >kleines ÜbelliebkosenTaschenschreier< (engl. pocket-crier), die auf geringste Strahlungen durch einen gut hörbaren Summton ansprechen und damit ihren Träger rechtzeitig vor der gefährl. Strahlung warnen. 623

Radi Radiumbad, Bad, das Radium zu einem kleineren Teil als löst. Radiumsalz, vorwiegend aber in Form des -»Radons enthält. Auf Grund der neueren Erkenntnisse über die radioaktive Strahlenwirkung werden heute in der Balneotherapie die radiumsalzhaltigen Wässer nicht mehr empfohlen, wohl aber die Aufnahme kleinster Men­ gen des Radons in gasförmigem oder gelöstem Zustand. Radius, die Speiche (-»Arm). Radiusfraktur, der Speichenbruch. (-»Knochenbruch) Radix [lat. >WurzelzufälligRechtsneuroserastlose Beine I................

retrograde Amnesie

................................ ..................

T

Eintritt der Bewußtlosigkeit



Bewußtlosigkeit ohne Erinnerung (Amnesie)

retrograde Amnesie

nur für die Zeit, in der er bewußtlos war, sondern auch für die Zeit, welche dem zur Bewußtlosigkeit führenden Un­ fall unmittelbar voranging. Die r. A. kann eine Zeit­ spanne von Minuten bis Stunden umfassen. Retrokardialraum, der hinter dem Herzen gelegene Raum, nach dem Radiologen G. Holzknecht (* 1872, 11931) auch als Holzknechtscher Raum bezeichnet. retroperitoneal, hinter dem Bauchfell (Perito­ naeum) gelegen. retropharyngeal, hinter dem Nasen-Rachen-Raum gelegen. retrosternal, hinter (unter) dem Brustbein gelegen, z. B. retrosternale Struma (-»Kropf). Rettich, Raphanus sativus, zu den Kreuzblütern (Cruciferae) gehörende Pflanze in Europa und dem Mit­ telmeerraum. Ihre dickfleischige Wurzel liefert wegen ih­ res Gehalts an Senfölen eine wertvolle Rohkost (Bild Ge­ müse). Rettichsaft wird in der Volksmedizin als Mittel ge­ gen Gallen- und Leberkrankheiten und, mit Zucker ver­ mischt, gegen Husten verwendet. Anwendung: Heil­ pflanzen, Übersicht. Retikulose, Retikulo|endotheliose, RetotheRettungsmedaille, Auszeichnung für Rettung aus liose, die allgemeine Wucherung undifferenzierter Zel­ Lebensgefahr unter Einsatz des eigenen Lebens. Es gibt a) len des -»retikulo-endothelialen Systems. Als Ausgangs­ die staatliche R., die von den Bundesländern auf Antrag punkte können Milz, Leber, Lymphknoten und Knochen­ verliehen wird, b) die Rettungsplakette der Dt. Lebensmark dienen; je nach Herkunft der Stammzellen unter­ Rettungs-Gesellschaft in 3 Stufen (Bronze, Silber, Gold) scheidet man deshalb Lympho-R., Myelo-R. und histio- für hervorragende Rettungstaten. Durch den Bundesprä­ plasmozytäre R. Nach Ursache und Verlauf sind reaktive sidenten sind weiterhin das Ehrenzeichen der Dt. Gesell­ R. zu trennen von neoplast. R. Die reaktive R. tritt auf als schaft zur Rettung Schiffbrüchiger, das Ehrenzeichen des Reaktion auf schädl. Einflüsse (z. B. bestimmte Infek­ DRK und das Feuerwehr-Ehrenzeichen geschaffen wor­ tionskrankheiten, Gelenkrheumatismus, Mißbrauch von den. Nähere Auskunft durch das Bundespräsidialamt in schmerzstillenden Mitteln); die Milz ist meist stark ver­ Bonn. größert, es bestehen Leukopenie und mäßige Vermehrung Rettungs|schlauch, Gerät zur Rettung von Perso­ der Gammaglobuline. Es kommt schließlich zu Knochen­ nen aus brennenden Gebäuden (frz. und japan. System). marksinsuffizienz. Behandlung: Beseitigung der Ursa­ Der bis zu 200 m lange R. aus flammwidrigem Kunststoff chen; Nebennierenrindenhormone. ist so eng und elastisch, daß darin ein Mensch nicht schnel­ Die neoplastischen R. sind gekennzeichnet durch ein ler als mit 1 m/sec hinabgleitet (-► Rettungswesen). primäres Wachstum der Retikulumzellen; dabei sind zu Rettungs|schwimmen, eine durch die Dt. Lebensunterscheiden: aleukämische R., leukämische R. und die eigtl. neoplastische R. — Während bei der aleukämischen Rettungs-Gesellschaft und die Wasserwacht betriebene R. die Zellwucherung sich innerhalb der Organe abspielt, Spezialausbildung von Schwimmern zur Rettung Ertrin­ treten bei der leukämischen R. in großer Zahl Retikulum­ kender. Die Ausbildung umfaßt Tauchen, Rettungs- und zellen im Blut auf; letztere verläuft wie eine -► Leukämie. Befreiungsgriffe sowie Wiederbelebung (künstl. Beat­ mung). Retikulozyten, unreife rote Blutkörperchen, die zwi­ Rettungswesen. Rettungsstellen zur Ersten Hilfe schen den kernhaltigen Vorstufen der Erythrozyten im Knochenmark (Erythroblasten) und den normalen (kern­ bei Unfällen und plötzl. Erkrankungen werden i. d. R. freien) Erythrozyten im strömenden Blut stehen. Retiku- von den Gemeinden eingerichtet, vielfach sind sie Kran­ lozytose, abnorme Vermehrung der R. im Blut (normal kenanstalten angeschlossen. Sie haben z. T. ständigen 8—15%o) bei überstürzter Neubildung von roten Blutkör­ ärztl. Wachdienst (-»Notarzt) und sind dauernd mit be­ rufsmäßigen Nothelfern besetzt. Die Hilfe wird haupt­ perchen, z. B. bei hämolyt. Anämien. sächlich außerhalb der Rettungsstelle geleistet. Auch Retina die, die Netzhaut (-»Auge). Retinitis, die Polizeiwachen und Feuerwehrwachen verfügen über Ret­ -» Netzhautentzündung. tungseinrichtungen mit Spezialgeräten. Einsatz, Koordi­ Retinitis pigmentosa, die -► Pigmentdegeneration nation und Verteilung der Patienten werden von der Ret­ der Netzhaut. tungsleitstelle organisiert. Städt. Rettungsämter verfügen Retinographie, elektr. Meßverfahren zur Erken­ über einen zentralen Bettennachweis. Unter ländl. Ver­ nung von Aktionsströmen des Auges. Auch vom Auge hältnissen ist Rettungsgerät bei einer im Sanitätsdienst lassen sich, ähnlich wie vom Herzen, elektr. Ströme ab­ ausgebildeten Vertrauensperson, vielfach der Gemein­ nehmen, durch deren Abweichungen vom Normalen be­ deschwester, untergebracht. Je nach Bevölkerungs- und stimmte Augenkrankheiten, v. a. seltene Netzhautleiden, Verkehrsdichte, der Industrialisierung und der Belange des Fremdenverkehrs wurde das R. den sich daraus ergeerkannt werden können. 634

Reze benden Notwendigkeiten angepaßt (R. im industriellen und betriebl. Bereich, Techn. Hilfswerk, Dt. Lebens-Ret­ tungs-Gesellschaft, Bergwacht u. a.). Mit dem R. ist das Krankenbeförderungswesen organisatorisch verbunden. Als Beförderungsmittel stehen weitgehend standardi­ sierte Einsatzfahrzeuge zur Verfügung. Am R. beteiligt sind das Rote Kreuz, das Malteser Hilfswerk, der Arbei­ ter-Samariter-Bund, die Johanniter Unfallhilfe und die Feuerwehr. Die Zunahme der Verkehrsunfälle machte ne­ ben der Entwicklung spezieller Rettungsgeräte die Ausbil­ dung des einzelnen Autofahrers in der Technik der Wie­ derbelebung und der Ersten Hilfe erforderlich. Außer­ dem ist jeder Autobesitzer gesetzlich gezwungen, einen Verbandskasten zur Ersten Hilfe mit sich zu führen. Die gemeinsame Arbeit der Rettungsorganisationen hat neben der Entwicklung von DIN-Normen für Ret­ tungswagen (DIN 75080 für Krankentransportwagen und Rettungstransportwagen) auch die Luftrettung mit Hub­ schrauber entscheidend gefördert und damit das Notarzt­ system vervollständigt. Zur prakt. Durchführung des R. sind je nach den speziellen Erfordernissen mannigfache Rettungsgeräteeinsatzbereit; zur Rettung aus Feuers­ gefahr stehen der Feuerwehr zur Verfügung: tragbare Leitern: Klappleitern, Hakenleiter, vierteilige Steckleiter, mehrteilige Schiebeleiter; fahrbare Leitern: Anhängelei­ tern 10, 12,18 m; Hubrettungsfahrzeuge: Leitern, Leiter­ bühnen, Gelenk- und Teleskopmastbühnen; außerdem Sprungtuch, Sprungpolster, Sprungkissen (mit Genera­ toren aufblasbares großflächiges Luftkissen, zum Ab­ sprung aus großen Höhen, bis zu 60 m, geeignet); Ret­ tungsschlauch und Abseilgeräte mit Gurt u. a. Immer wer­ den Beatmungsgeräte mitgeführt (— Reanimation). Die Katastrophenplanung (-* Katastrophenmedizin) erfor­ dert zusätzl. Maßnahmen. (Weitere Bilder S. 636)

Rettungswesen: Rettungsweste

Revakzination, Wiederimpfung, Wiederholung einer Schutzimpfung. Nach Aufhebung des Impfzwanges zur Pockenschutzimpfung (Gesetz v. 18.5. 1976) entfällt auch dieR. für diese Geimpften. Revaskularisations-Syndrom, das TourniquetSyndrom (-»Crush-Syndrom). Rezept, die schriftl. Anweisung eines Arztes an den Apotheker zur Herstellung und/oder Abgabe von Arz­ neien, wobei heute die Abgabe in Form von Fertigpräpa­ raten bei weitem überwiegt. Nur noch in wenigen Fällen werden Arzneien >nach Rezept< in der Apotheke herge­ stellt. Viele stark wirkende Arzneimittel und Spezialitäten unterliegen dem Rezeptzwang, sind also verschreibungs­ pflichtig. Das Kassen-R. enthält neben der Krankenkasse den Namen sowie Geburtsdatum und Anschrift des Pa­ tienten und den Arbeitgeber des Mitglieds. Ferner muß die Anschrift des ausstellenden Arztes angegeben sein. Die früher übl. Rezeptgebühr wurde 1977 durch die Arznei­ mittelkostenbeteiligungersetzt. Für jedes verordnete Me­ dikament muß derzeit (1983) DM 2,— bezahlt werden. Davon befreit sind in der Familienversicherung Kinder (in der Ausbildung bis maximal 27 Jahre), auf Antrag Rent­ ner mit niedrigem Einkommen und Sozialhilfeempfänger sowie Kriegsversehrte und Schwangere (nur bei Medika-

Benzinmotor-Hydraulikpumpe

Hydraulischer Spreizer (Spreizweite 610 mm)

Hydraulische Handpumpe

Hydraulisches Schneidegerät (Maulöffnung 100 mm)

Hydraulikschlauch für Druck- und Rücklaufleitung Schnellverschluß-Steckverbindungen

Rettungswesen: hydraulisch betriebene Rettungsgeräte zur Ber­ gung von Unfallopfern. Der von einer Pumpe erzeugte Druck wird über Schlauchverbindungen in den Spreizer und/oder das Schnei­ degerät weitergeleitet

menten, die mit der Kriegsverletzung oder Schwanger­ schaft in Verbindung stehen). Am Beginn der Verordnungen wird die Abkürzung Rp. (lat. recipe >nimmRickettsiales< zu den Bakterien beson­ derer Ordnung gerechnet werden. Die meisten R. lassen sich nicht auf künstl. Nährböden, sondern nur auf Zell­ kulturen züchten. Ihre Entwicklung ist an Warmblüter und Gliederfüßer angepaßt, die in der Natur als Überträ­ ger dienen. Die durch R. verursachten Krankheiten faßt man unter dem Begriff Rickettsiosen zusammen. Hierzu gehören das klass. Fleckfieber und das Wolhynische Fieber, Er­ krankungen durch R., die von Läusen übertragen werden. Felsengebirgsfieber (Rocky mountains spotted fever), Fievre boutonneuse, Tsutsugamushifieber und murines Fieber sind weitere Rickettsiosen, die neben dem Men­ schen tier. Reservoire (meist Nagetiere) haben und durch Zecken, Milben oder Flöhe übertragen werden. Die ein­ zelnen Krankheitsbilder, die mit Fieber und Hauterschei­ nungen einhergehen, sind unterschiedlich; schwere Ver­ läufe entstehen durch Himbeteiligung (Enzephalitis). Bei Fleckfieber und Wolhynischem Fieber können Rückfälle noch nach Jahren auftreten. Zur Behandlung der Rickett­ siosen werden Antibiotika eingesetzt. Riechen, -»Geruch. Riechnerv, Nervus olfactorius, der 1. Gehirnnerv, vermittelt der Gehirnrinde die von der Nasenschleimhaut empfangenen Geruchseindrücke. Riechstäbchen, kleine, seidenumsponnene Glas­ röhrchen, die mit der Hand ohne Verletzungsgefahr zer­ brochen werden können und ein Gemisch von Salmiak­ geist und Lavendel enthalten, das bei Schwächezuständen vor die Nasenöffnung gehalten durch Reiz auf die Ge­ ruchsnerven und Auswirkung auf das vegetative Nerven­ system belebend wirkt. Riesenkinder, Neugeborene mit einem Gewicht von über 5 000 g. Die Ursache dieser abnormen Größe ist selte­ ner die Erbanlage, häufiger liegt eine wesentl. Überschrei­ tung der Tragezeit zugrunde (Spätgeburt). Bei normalen Beckenverhältnissen der Mutter können bei der Geburt eines R. durch dessen großen, meist auch harten und unnachgiebigen Schädel dieselben Schwierigkeiten wie bei der Geburt eines normal großen Kindes bei engem Becken auftreten. Das R. ist häufig schon während der Schwangerschaft durch den großen Leibesumfang der Mutter zu erkennen. Bei einem Geburtsgewicht von über 4000 g und bei einer Länge von über 55 cm spricht man von Übergröße. Riesenwuchs, Gigantismus, Körpergröße, die bei Männern 200 cm, bei Frauen 185 cm überschreitet. Der nicht krankhafte Hochwuchs tritt als erblich bedingte Fa­ milieneigenschaft auf. Es gibt auch bestimmte hochwüch­ sige Rassen (z. B. einige afrikan. Negerstämme) mit einer Durchschnittsgröße von 182 cm. Diese Hochwüchsigen weisen außer ihrer auffallenden Körpergröße keine Be­ sonderheiten auf. Hiervon zu unterscheiden ist der krank­ 637

Rhabdoviren: elektronenmikroskop. Aufnahme des Marburg-Virus (Rhabdovirus simiae)

Ries hafte, meist unproportionierte R., der mit Störungen be­ stimmter Drüsen mit innerer Sekretion einhergeht. So kann durch eine verstärkte Wachstumshormonproduk­ tion der Hirnanhangdrüse (Hypophysenvorderlappen) beim J ugendlichen vor Schluß der Knochenwachstumsfu­ gen ein proportionierter, hypophysärer R., beim Erwach­ senen nach Schluß der Knochenfugen die disproportio­ nierte -»Akromegalie auftreten. R. findet sich ferner beim -»Klinefelter-Syndrom. Entfernung der Keimdrü­ sen oder Ausfall ihrer Funktion vor Eintritt der Ge­ schlechtsreife führen zum eunuchoiden Hochwuchs, ge­ kennzeichnet durch Überlänge der Gliedmaßen, bei der das Verhältnis von Oberlänge zu Unterlänge zugunsten der Unterlänge verschoben ist. R. ist seltener als Zwerg­ wuchs. Riesenzell|arteriitis, Arteriitis temporalis, Hortonsche Krankheit, eine seltene Erkrankung unbe­

kannter Ursache, wahrscheinlich eine allerg. (vielleicht autoallerg.) Reaktion. Sie tritt meist jenseits des 50. Le­ bensjahrs auf, wobei Frauen häufiger befallen werden als Männer. Betroffen sind überwiegend die Schläfenarte­ rien. Sie sind als verhärtete, geschlängelte Stränge schmerzhaft tastbar. Die Wand der Arterien ist nekro­ tisch, später wird die Nekrose durch ein Granulationsge­ webe (-»Granulationen) mit Riesenzellen ersetzt, die Teile der zerfallenden elast. Fasern speichern. Die Lich­ tung der Arterien ist häufig durch einen Thrombus ver­ schlossen. Bei 50% der Fälle treten ein- oder beidseitig Sehstörungen auf, die durch die Beteiligung der Augenge­ fäße hervorgerufen werden. Die Krankheit beginnt schlei­ chend mit leichtem Temperaturanstieg, dann kommt es plötzlich unter heftigen Kopf- und Gesichtsschmerzen zur Schwellung und Verhärtung der Schläfenarterien sowie zu Fieber, hoher Blutkörperchensenkungsgeschwindig­ keit, Leukozytose und schlechtem Allgemeinbefinden. Behandlung: operative Entfernung der befallenen Gefäßstrecke, symptomat. Behandlung mit Antiphlogistika und Corticoiden. Riesenzellen, durch Verschmelzung benachbarter Zellen oder durch fortgesetzte Kernteilung ohne nachfol­ gende Zellteilung entstandene Gebilde mit mehreren Zell­ kernen, z. B. Langhanssche R. bei Tuberkulose; im gesun­ den Gewebe z. B. im Knochenmark als Megakaryozyten. Rigor, Rigidität [lat. rigor >StarrheitZahnradphänomenSerienbruchDistanzetablierte< Gesellschaft op­ ponieren und die Bevölkerung provozieren, teils auch ter­ rorisieren; charakteristisch sind Lederkleidung und Mo­ torräder als Statussymbole. Die Lösung des Kindes von den Eltern und der Familie, also der Übergang vom Kind zum Jugendlichen, erfolgt bes. durch Integration in >peer groups< (Gruppen Gleich­ altriger oder wenig Älterer). Der schwierige Prozeß der Loslösung von der eigenen Familie vollzieht sich im allge­ meinen mit der Entwicklung einer starken Opposition ge­ gen die Eltern. Die damit zusammenhängenden Frustra­ tionen fördern eine Aggressivität (Frustrationsaggres­ sion), die sich gruppenmäßig zu einem Kult der Gewalt und Rohheit verstärken kann. Jugendalkoholismus, Reizüberflutung in der Konsumgesellschaft, Jugendreli­ gionen, oft auch die zunehmende Jugendarbeitslosigkeit, tragen zur Verhärtung dieser aggressiven Fehlhaltung und der negativist. Weltanschauung bei, die zusammen das R. charakterisieren. Befriedigende positive Alternativen, die Einbeziehung in tragfähige menschl. Bindungen, wohl auch verhaltenstherapeutisch orientierte Konzepte im Sinn des >Lernens am Erfolg< bieten Möglichkeiten, die jungen Menschen in die Gemeinschaft einzugliedern und sie vor einem Abgleiten in die Kriminalität zu bewahren. Rocky Mountains spotted fever [r'aki m'auntinz sp'ätid f'itva, engl.], das -»Felsengebirgsfieber. Rödern, Absaugen der vereiterten Gaumenmandeln mit einem metallenen oder gläsernen Saugkopf. Das Va­ kuum wird dabei durch einen Gummiball oder eine Säug­ pumpe erzeugt. Die Methode wurde von dem Arzt H. Rö­ der (* 1866, f 1918) angegeben. Der Hals-Nasen-Ohrenarzt muß von Fall zu Fall entscheiden, ob dem wiederholt notwendigen R. nicht die operative Entfernung (Tonsill­ ektomie) vorzuziehen ist. (-»Mandelentzündung) Roemheldscher Symptomenkomplex [n. dem Internisten L. Roemheld, *1871, f 1938], funktionellreflektor. Herz-Kreislauf-Beschwerden, die von Erkran­ kungen oder Funktionsstörungen im Bereich des MagenDarm-Kanals ihren Ausgang nehmen. Am häufigsten handelt es sich ursächlich um eine Gasansammlung im Magen oder im Darm, durch die das Zwerchfell hochge­ drängt und das Herz leicht um seine eigene Achse gedreht oder nach rechts verschoben wird. Die Beschwerden tre­ ten meist einige Stunden nach dem Essen auf, das beglei­ tende Völlegefühl im Oberbauch ist typisch. Beklem­ mung, Kurzatmigkeit, Herzklopfen bis zu Herzjagen, Ex­ trasystolen u. a. kennzeichnen das Bild. Behandlung: Verzicht auf blähende und scharf ge­ würzte, zu kalte oder zu heiße Speisen, auf kohlensäure­ haltige Getränke (Sekt, Bier u. a.); Atemübungen (Sand­ sackatmung) und Beruhigung des reflexbereiten Nerven639

Rohk

Wilhelm Röntgen

Wilhelm Röntgen: eine der ersten Röntgenaufnahmen (22. 12. 1895)

Auguste Rollier

Systems; körperl. Bewegung. Auf regelmäßigen Stuhl­ gang achten. Gewichtskontrolle! Rohkost, Frischkost, vorzugsweise aus frisch ge­ ernteten, möglichst vollreifen pflanzl. Lebensmitteln zu­ sammengesetzte Nahrung. Sie gehört zu den ursprüngl. Ernährungsformen, ergänzte in früheren Zeiten die Wildund Fischnahrung und wurde bei den Nomaden bes. durch Milchgerichte vervollständigt. Obwohl schon frü­ her manche Arzte frische Pflanzenkost empfohlen haben, bleibt es das Verdienst des schweizer. Arztes M. BircherBenner, den Wert der R. auch und gerade als Kranken­ ernährung erkannt und ausgebaut zu haben. Er erklärte die Heilwirkungen mit einem differenzierten Verständnis der Nahrungsenergie als organisierter Sonnenlichtenergie< und war damit der Wissenschaft voraus, welche spä­ ter diese Erfolge zum großen Teil auf die Wirkung der Vit­ amine zurückführen konnte. Seine Anschauung, die der R. den höchsten Grad an Geordnetheit der Nahrungsener­ gie und damit den höchsten Wert als Heilnahrung zuer­ kennt, fand durch biophysikal. Forschungsergebnisse teilweise Bestätigung. Die Heilwirkung der R. läßt sich in 2 Komponenten auf­ teilen: 1) die direkte Wirkung ihrer Bestandteile (z. B. Reichtum an -»Ballaststoffen und -» Aromastoffen), welche die Funktion der Verdauungsorgane fördern und hohen Sättigungswert haben, 2) die eigenständig einset­ zende Selbstheilungsmöglichkeit des Organismus bei Fortfall der bis dahin verzehrten, z. T. unzweckmäßigen >ZivilisationskostRollbrett■ Wasserstoffionenkonzentration. Sauerampfer, Rumex acetosa, zu den Knöterich­ gewächsen (Polygonaceae) gehörende, bis 1 m hohe Pflanze in warmgemäßigten Klimazonen. Die getrockne­ ten oberird. Teile enthalten reichlich Kaliumoxalat und Vitamin C. Anwendung: Heilpflanzen, Übersicht. Sauerbruch, Ferdinand, Chirurg, * Barmen (Wup­ pertal) 1875, t Berlin 1951, war Prof, in Marburg, Zürich, München und Berlin; erarbeitete grundlegende neue Me­ thoden für Eingriffe an den Brustorganen (-► Druckdiffe­ renzverfahren) und schuf die Möglichkeit, Prothesen durch Muskeln des Gliedstumpfes zu bewegen. Sauerkraut, feingehobelter Weißkohl, der gewürzt und einer milchsauren Gärung überlassen wurde. S. ent­ hält bis 15mg% VitaminC. Roh und gekocht ist S. ein bal­ laststoffreiches Lebensmittel. Sauermilch, -»Milch. Sauerstoff, lebensnotwendiges Gas, das der Mensch mit Hilfe der -» Atmung seinem Körper zuführt. Er benö­ tigt es zum Abbau (Verbrennung) der Nahrung in Kohlen­ dioxid, Wasser, Harnstoff und Harnsäure. Über Vor­ kommen des S. -» Atmosphäre. S. ist unmittelbar lebens­ notwendig. Bei fehlender Zufuhr erstickt der Mensch in wenigen Minuten. Sauerstoff |apparate, -» Beatmungsgeräte. Sauerstoff bad, Bad, in dem mit Hilfe von künstl. Badezusätzen Sauerstoff entwickelt wird. Der Sauerstoff scheidet sich in Form von Bläschen ab, die den Körper um­ spülen und durch Hautreize günstig auf Kreislauf und vegetatives Nervensystem einwirken. S. werden mit Vor­ liebe für Badekuren im Haus verwendet. Anwendungsge­ biet wie-»Luftsprudelbad. Sauerstoffbehandlung, Angebot einer sauerstoff­ angereicherten Atemluft (-»Sauerstoffzelt) oder Zufuhr von Sauerstoff in die Atemwege, auch direkt in die Lunge mit Erhöhung der Sauerstoffkonzentration von normal 21% bis auf (kurzzeitig!) 100%. Grund für die S. ist ein plötzl. oder andauernder Sauerstoffmangel im arteriellen Blut, der durch Messung und Beobachtung der Atmung und durch Blutgasanalyse, z. B. während der-»Narkose, festgestellt wird. S. ist als Erste Hilfe nützlich bei vielen /Allgemeinerkrankungen, Vergiftungen, während oder nach der Operation, bei Atembehinderung infolge Stö­ rungen von Lunge, Herz und Kreislaufsystem, auch bei Frühgeburten. Bei der Sauerstoffüberdruckbehandlung atmen die Kranken in stählernen Überdruckkammern täglich für ei­ nige Stunden bei 2—3 bar Überdruck Sauerstoff ein. Die Erhöhung des Sauerstoffpartialdrucks (Kurzbezeich­ nung Pa O2) in der Lunge bewirkt vorübergehend eine ver­ mehrte physikal. Lösung von Sauerstoff im Blutplasma und damit ein erhöhtes Sauerstoffangebot im Stoffwech­ sel. Dieses erlaubt den teilweisen Ausgleich von Sauer­ stoffmangelsituationen des Organismus bei Zellatmungs­ und Sauerstofftransportstörungen. Anwendung bei Kohlenmonoxidvergiftung, Caissonkrankheit, Luftembolie, peripheren Durchblutungsstörungen. Günstige Erfolge erzielt die frühzeitige Anwendung von S. bei Gasbrand. Ein weiteres Verfahren zur Erhöhung des Sauerstoff­ partialdrucks in der Lunge ist die -»Sauerstoffmehr-

Saug schritt-Therapie. Durch ein erhöhtes Sauerstoffangebot kann in den Lungenbläschen mehr Sauerstoff gebunden und durch den Blutfarbstoff Hämoglobin transportiert

------- 23

Sauerstoffbehandlung: Inhalationsgerät (schematisch); 1 Sauerstoff-Flasche, 2 Absperr­ ventil, 3 Druckminderer, 4 Vorratsdruckmesser für Sauerstoff, 5 Verteilerstück, 6 Ventil >PulmotorInhalationAbsaugenPulmotorNeugeborene mit niedrigem Geburtsgewicht (engl. >low weightr) ge­ nannt werden. Naturgemäß ist die Pflegebedürftigkeit und Abhängigkeit von der Mutter um so stärker, je schwä­ cher der S. ist. 1. Entwicklung

Der menschl. S. erreicht erst nach Jahresfrist einen Ent­ wicklungszustand, den die meisten Säugetiere schon bei oder kurz nach der Geburt aufweisen. Die Entwicklung des S. schreitet bei lebhaftem Wachs­ tum zügig voran. Kurz nach der Geburt kommt es zu ei­ nem Gewichtsverlust von 200—300 g, nach einer Woche steigt die Gewichtskurve wieder an. Beim gesunden S. folgt eine gleichmäßige Zunahme: im ersten Halbjahr 150—180 g wöchentlich, später weniger. Betrachtet man isoliert die Körperbeherrschung, dann wirken alle Bewegungen zunächst unbewußt-reflek­ torisch; sie werden erst nach und nach zielstrebig. An­ fangs kann der S. den Kopf in Bauchlage nicht anheben, dies gelingt ihm erst ab der 4. Woche für kurze Zeit. Auch mit Unterstützung gelingt die eigene Kopfkontrolle vor­ läufig kaum. 8 Wochen alt, strampelt der S. bereits in Rückenlage kräftig mit den Beinen. ImAltervon lObis 12 Wochen gelingt es ihm, sich aus der Seitenlage auf den

Rücken zu rollen; gleichzeitig beginnt er, sich in Bauch­ lage mit den Armen bei geschlossenen Händen aufzustüt­ zen. Wird er beim Sitzen gestützt, kann er mit 4 Monaten den Kopf aufrecht halten und nach beiden Seiten drehen. Im 5. Monat gelingt das Greifen nach vorgehaltenen Ge­ genständen, was eine opt. Wahrnehmung voraussetzt. Der S. sitzt frei ab dem 6.-7. Monat und kann dann auch gezielt ergriffene Gegenstände zum Mund führen. Nun­ mehr können die Beine das Körpergewicht übernehmen, wenn der S. auf die Füße gestellt wird. Mit 8 Monaten dreht er sich selbständig aus der Rückenlage auf den Bauch, jetzt stützt er sich bei geöffneten Händen auf die gestreckten Arme; dies leitet über zum Kriechen oder Krabbeln. Mit Unterstützung steht ein S. ab dem 10. Le­ bensmonat, er lernt sich aufzurichten (z. B. an Möbel­ stücken). Schließlich beginnt er, zunächst an der Hand ge­ führt, mit dem Laufen. Die Entwicklung der Sinnesorgane geht der motor. Entwicklung parallel. Vermutlich ist der Geschmackssinn bereits bei der Geburt entwickelt. Sehen und Hören stellen sich erst allmählich ein. Liebevoll angesprochen, reagiert ein S. bereits mit 4 bis 6 Wochen, indem er zu horchen scheint und seinen Blick zum Sprechenden wendet. Ende des 3. Monats können einige Laute spontan gebildet wer­ den; Gegenstände werden im näheren Umkreis mit den Augen verfolgt. Mit 5 Monaten übt der S. bestimmte Sil­ ben (Lallen) wie >mamaere-ereFremdeln< ein gegen­ über Personen, die nunmehr von der Bezugsperson als fremdartig unterschieden werden. Bis dahin haben sich über die Sinnesorgane Auge und Ohr auch mit Hilfe der Sprache mancherlei Kontakte zur Umwelt herausgebil­ det, beginnend in der 8. Woche mit flüchtigem Lächeln und deutlicher Tendenz zur Erwiderung des Lächelns ab dem 4. Monat. Hieraus ergibt sich ein Fortschreiten der Säugling: Säuglingspflege; 1 und 2 Richtiges Halten des S. beim Baden. 1 In der Rückenlage unterstützt die Mutter Kopf und obere Wirbelsäule des S. mit ihrem Unterarm. 2 In der Bauchlage unter­ stützt der Unterarm den Brustkorb, die Hand kann gleichzeitig den Kopf über Wasser halten. 3 Durch regelmäßiges Wiegen wird das Gedeihen des S. kontrolliert. 4 Die Haut erhält durch Öl oder Pu­ der Schutz vor der Windelnässe. 5 Richtige Haltung beim Fla­ schenfüttern: Kopf und Wirbelsäule werden unterstützt. 6 Zum Aufstoßen wird der S. aufrecht gehalten und der Kopf leicht vorn­ über geneigt

654

Saug Sprachentwicklung. Gegen Ende des S.-Alters hat das Kind i. d. R. auch gelernt zu rufen, anstatt lediglich zwecks Kontaktaufnahme zu schreien, wenn Verbindung mit Personen aus der Umgebung angestrebt wird: Dies be­ günstigt die Kommunikation. Die Stimme der Mutter, ihr Anblick, das Fläschchen und gewisse Vorbereitungen für die Körperpflege gewinnen Signal wert. Daraus ergeben sich Ansätze für Merkfähigkeit und schließlich das Ge­ dächtnis. II. Ernährung

1) Brusternährung. Das Stillen ist die natürl. Ernäh­ rung an der Brust (Brustkind). Die Muttermilch ist die be­ ste Nahrung für den S. Im Notfall ist Frauenmilch von Spenderinnen ein wertvoller Ersatz. Das Verfüttern abge­ pumpter oder abgedrückter Frauenmilch aus der (vorher sterilisierten) Flasche hat Nachteile. Am vorteilhaftesten ist es, wenn der S. die Muttermilch unmittelbar aus der Brust trinkt. Sie ist dann körperwarm und weitgehend keimfrei. Kommt das Neugeborene nicht in den Genuß der mütterl. Vormilch (-»Kolostrum), so muß es bei künstl. Er­ nährung den immunolog. Schutz durch das sekretor. Im­ munglobulin A und die Lymphozyten in der Vormilch entbehren, die für die Infektionsabwehr wertvoll sind. Bei der Wöchnerin schießt am 3. bis 4. Tag nach der Ge­ burt unter ziehendem, spannendem Gefühl in der Brust die Milch ein. (Über Funktion und Störungen der Brust -►Brustdrüsen.) Regelmäßiges Anlegen des S. wirkt bes. anregend auf die Milchproduktion. Um Mutter und Kind zunächst etwas Ruhe zu gönnen, beginnt das Anlegen häufig erst 12 Stunden nach der Geburt oder etwas später, zunächst in liegender, erst später in sitzender Stellung. Meistens wird der S. im Abstand von 3 oder 4 Stunden an­ gelegt, morgens gegen 6 Uhr beginnend. Eine Nachtpause erscheint wichtig; hält der S. diese aber nicht durch, scha­ det es keineswegs, wenn auch nachts gestillt wird. Ohne­ hin findet der S. bald zum Tag-Nacht-Rhythmus seiner Umgebung. Bereits nach 1 Woche kann ein vollgestillter S. täglich bis zu 500 g Muttermilch trinken. Zur Kontrolle der Trink­ menge dient eine S.-Waage. Der S. wird vor und nach dem Stillen gewogen. Manchmal geht die Trinkmenge abends deutlich zurück, da die Brust dann durch die körperl. Ta­ gesanstrengung der Mutter weniger ergiebig ist. Während der ersten Lebenswochen trinkt ein S. täglich nahezu */s seines Körpergewichts, bis Ende des dritten Monats >/6, gegen Ende des ersten Halbjahrs rund '/i-1/», später nur etwa */io, je nach dem, was an Beikost verabreicht wird. Die Trinkmenge läßt sich rechnerisch festlegen, wobei Angaben bisher in Kalorien, neuerdings in Joule, Verwen­ dung finden. Umgerechnet auf 1 kg Körpergewicht braucht der S. im ersten Lebensquartal (Trimenon) 120 bis 100 Kalorien, im zweiten 90 bis 80, im dritten 80 bis 70 und später etwa 70 bis 60 Kalorien an täglicher Nahrungs­ energie. 1 1 Frauenmilch liefert 700 Kalorien (etwa 2850 Joule). Trinkmenge und altersentsprechender Nahrungs­ bedarf lassen sich auf diese Weise zueinander in Bezie­ hung setzen. Der Nahrungsbedarf der Mutter liegt durch das Stillen um etwa 30% höher als normal. Sorgen und seel. Erschüt­ terung können sich nachteilig auf das Stillen auswirken. Ähnliches gilt für übermäßige körperl. Belastung. Eine spezielle Diät benötigt die Wöchnerin nicht; es genügt die übliche gemischte Kost mit Rücksicht auf den individuel­ len Geschmack. Der zusätzliche Flüssigkeitsbedarf kann etwa durch Suppen oder Säfte gedeckt werden. Durch Spucken (Speien oder Ausschütten) des S. kann getrunkene Milch anteilig verloren gehen. Erbrechen führt zu Verlust größerer Mengen des Mageninhalts, manchmal ergänzt durch beigemischten Magensaft. Im Ggs. zum Erbrechen, dessen Ursache durch ärztl. Unter­ suchung aufgedeckt werden sollte, gilt Spucken als harm­ los: Es erfolgt auch dann, wenn der S. zu hastig und zuviel getrunken hat. Deshalb sollte der S. nach jeder Mahlzeit (auch zwischendurch) zum Aufstoßen (>BäuerchenRückstände< nach weisen. Da die chem. Verbindungen noch jahrelang im Fettgewebe der Mutter gespeichert sein können, ist stillenden Frauen von einer Abmagerungskur in der Stillzeit abzuraten. InwieSäugling: Säuglingsgymnastik; 1 Beinheben: Die Mutter faßt die Beine um die Knie und hebt sie bis an die Bauchdecke. 2 Auf­ richten aus der Bauchlage, wobei Rücken, Nacken und Schulter­ gürtel gekräftigt werden. Der Kopf soll bei dieser Übung im­ mer oberhalb der Ärmchen blei­ ben. 3 Schweben in der Bauch­ lage, die Hände der Mutter lie­ gen korbähnlich unter der Brust des Kindes. 4 Beinhang: Die Mutter faßt die Waden des Kin­ des und hebt es langsam von der Matte ab. 5 Klimmzug: Das Kind umfaßt die Daumen der Mutter und zieht sich zum Sit­ zen hoch

4

2

3

656

5

weit Schadstoffe des >sauren Regenst (z. B. Blei, Kad­ mium und Schwefelsäure) in der Frauenmilch angerei­ chert sind, ist noch nicht eingehend erforscht. Nach den bisherigen prakt. und klin. Erfahrungen und unter Abwä­ gung der vielseitigen Vorteile gegenüber vorhandenen oder möglichen Nachteilen wird z. Z. kein Grund gesehen, die Frauenmilchernährung des S. als gefährlich zu beur­ teilen und ärztlicherseits von der natürl. Ernährung des S. mit Muttermilch abzuraten. Werden Genußmittel während der Stillperiode in mäßi­ gem Ausmaß von der Mutter eingenommen, so bedeutet dies für den S. meist keine besondere Gefährdung. Dies trifftv. a. fürKaffeeundTeezu, welche die Milchproduk­ tion anregen können. Nikotin ist jedoch zu vermeiden. Raucht die Mutter mehr als 10 Zigaretten täglich, können sich beim S. Unruhe, Erbrechen, Durchfälle und Herz­ jagen einstellen. Alkohol, in geringen Mengen (1 Glas Bier oder Wein tägl.) von der Mutter genossen, hat keine oder nur geringe Wirkung auf das Kind, jedoch kann die Stillei­ stung absinken. Hinsichtlich der Einnahme von Medikamenten durch die Stillende, gilt im Grunde Ähnliches wie in der Schwan­ gerschaft; auch in der Stillperiode sind Medikamente nach Möglichkeit zu vermeiden. Sind sie unbedingt erfor­ derlich, so sollte ihre Anwendung auf eine möglichst kurze Spanne beschränkt werden. Je nach Art des Medi­ kaments muß u. U. nach ärztl. Beratung das Stillen für längere Zeit oder überhaupt unterbleiben. Von einigen Arzneimitteln weiß man, daß sie in die Frauenmilch übergehen und somit den S. gefährden kön­ nen. Wegen der Gefahr der Sensibilisierung und Erzielung einer bakteriellen Resistenz sollten Penicilline und auch andere Antibiotika nicht verabreicht werden. Chlor­ amphenicol und Tetracycline wie auch Sulfonamide soll­ ten möglichst vermieden werden. Nicht mit dem Stillen vereinbar ist die Anwendung von Zytostatika oder die Be­ handlung der Mutter mit radioaktiven Substanzen. Alle wenig stark wirkenden Schmerzmittel können während der Stillzeit verabreicht werden, jedoch sind wegen der Gefahr der Auslösung zerebraler Symptome beim Kind pyrazolonhaltige Arzneimittel nicht angezeigt. Auch Mi­ gränemittel, die Ergotamin enthalten, sind nicht verträg­ lich und rufen beim S. Erbrechen, Durchfall und andere Vergiftungssymptome hervor. Psychopharmaka, auch Barbiturate enthaltende Beruhigungs- und Schlafmittel, sollten nur mit größter Vorsicht oder überhaupt nicht ein­ genommen werden. Fast alle Abführmittel sind für den Säugling ungefährlich, jedoch können Präparate, die Aloe, Cascara sagrada oder Senna enthalten, beim S. Durchfälle verursachen. 2) Flaschenernährung. Als Ersatz für Muttermilch werden hauptsächlich Kuhmilchzubereitungen verwen­ det (S.-Milch), während die Milch von anderen Tieren (Ziege, Schaf, Stute) in Mitteleuropa nur eine untergeord­ nete Rolle spielt, etwa bei Allergie gegenüber Kuhmilch­ eiweiß. Kuhmilch ist im Vergleich zu Frauenmilch reich an Eiweißkörpern und Mineralien, dagegen relativ arm an Milchzucker. Bes. hoch ist der Anteil an Kasein (3%) im Verhältnis zu den Molkeneiweißen (letztere in beiden Milcharten rund 0,5%). Deshalb gerinnt Kuhmilch im Magen des S. grobflockig, was die Verdaulichkeit herab­ setzt. Kuhmilch wird von jungen S. besser vertragen, wenn sie in ihrer Zusammensetzung wesentlich verändert wird. Voraussetzung für die Herstellung von S.-Milch ist außer­ dem ein hygienisch einwandfreier Zustand der Kuhmilch. Seit Jahrzehnten wird zunächst auf Verdünnung der Kuh­ milch mit abgekochtem Wasser Wert gelegt, außerdem er­ folgen dann - aus Gründen der Nahrungswertigkeit — Zu­ sätze von Kohlenhydraten, neuerdings auch Ölen pflanzl. Herkunft. Solche Verfahren stoßen im Haushalt auf tech­ nische Schwierigkeiten. Im Prinzip werden in der moder­ nen Säuglingsernährung adaptierte oder teiladaptierte Milchpräparate verschiedener Firmen verwendet. Adaptierte S.-Nahrung ist der Frauenmilch weitgehend angeglichen, teiladaptierte dagegen stellt bezüglich der einzelnen Bestandteile (Proteine, Fette und Kohlenhy­ drate) einen Kompromiß dar. Letztere ist bei den Müttern wegen ihres besseren Sättigungseffekts beliebter.

Saug Die früher übliche Ansäuerung der S.-Milch mit Zitro­ nen- oder Milchsäure ist inzwischen weitgehend aufgege­ ben worden. S.-Milchpräparate sind finanziell wesentlich aufwendiger als die althergebrachten Kuhmilchverdün­ nungen (wie Halb- oder Zweidrittelmilch), die aus Voll­ milch durch Verdünnung mit Wasser und durch Zusatz von Kochzucker und Mehl (Maismehl) hergestellt wur­ den. In einer Notlage kann man auf diese billigen S.-Nah­ rungen aber zurückgreifen. Zusammensetzung der Milcharten (in %)

Eiweiß............... Fette ................ Milchzucker . Mineralien . .

Kuhmilch

Frauenmilch, reif

Vormilch der Frau

3,5 3,5 5 0,7

L2 3-5 7 0,2

2-3 2-3 2-3 0,35

Seine Mahlzeiten erhält der gesunde S. mit normalem Gewicht 5mal täglich während der ersten 3 Lebensmonate als Flasche, falls die Mutter nicht stillen kann oder will; die Mütter richten sich oft auch nach dem Hungergefühl des S. Empfehlenswert ist eine Nachtpause von etwa 8 Stun­ den. An heißen Tagen oder bei Fieber kann zusätzlich Tee mit Süßstoff oder 5% Traubenzucker angeboten werden, um den Durst zu stillen. Ab 4. Monat genügen meist schon 4 Mahlzeiten. Dabei erfolgt allmählicher Übergang auf -►Beikost, die als Fertiggemüse, Obst- oder Milchbrei, vorwiegend aus Gläschen aufgewärmt, je nach Appetit verabreicht wird. Hin und wieder verträgt der hautge­ sunde S. nach dem 6. Monat ein Eigelb. Ältere S. dürfen gelegentlich leicht verdauliche Speisen in pürierter Form am Tisch mitessen. Die Milchflaschen und alle Gefäße, die für die Zuberei­ tung der S.-Nahrung benutzt werden, sind durch Aus­ kochen peinlich sauber zu halten. Dies gilt bes. auch für die Sauger, die entweder vor Gebrauch ausgekocht oder nach gründl. Reinigung im Desinfektionsbad (Vorschrif­ ten beachten!) bis zur nächsten Mahlzeit aufbewahrt werden. Auf regelmäßige Stuhlentleerung ist zu achten. Das Brustkind setzt meist ein- bis zweimal täglich Stuhl ab, pausiert aber manchmal auch einen Tag. Bei Flaschen­ nahrung wird mindestens einmal täglich, höchstens zweibis dreimal Stuhlgang erwartet. Der Muttermilchstuhl sieht gelblich aus, riecht säuerlich-aromatisch und besitzt salbenartige Konsistenz; er kann aber auch >zerhackt< und relativ dünn sein, ohne daß eine Ernährungsstörung vor­ liegt. Selbst wenn der Stuhl des Brustkinds bei Entleerung grünlich aussieht, muß dies nichts Krankhaftes sein. Un­ ter Flaschennahrung ist die Beschaffenheit des Stuhls un­ terschiedlich, er kann schmutziggrau aussehen und riecht manchmal faulig. Treten vor oder unter der Stuhlentlee­ rung von Geschrei begleitete kolikartige Beschwerden auf, so ist der Kinderarzt zu konsultieren, desgleichen auch bei auffallender Stuhlbeschaffenheit (Durchfall mit wäßrigen oder schleimigen Entleerungen, Blutbeimen­ gung) und bei chron. Verstopfung.

III. Pflege. Jeder S. braucht seine eigene Lagerstätte. Bis zum 3. oder 4. Lebensmonat kann dies ein Körbchen oder der Stubenwagen sein. Später wird ein Gitterbett­ ehen notwendig mit Matratze (am besten mit Roßhaarfül­ lung), Gummiunterlagen und Laken als Überzug. Zum Zudecken genügt eine leicht zu reinigende Wolldecke mit entsprechendem Bezug. Oft wird zusätzlich ein leichtes, am Fußende zu fixierendes Federkissen verwendet. Zur Erleichterung der Pflege dient ein Wickeltisch mit den Ge­ genständen zur laufenden Pflege in nächster Nähe. Grö­ ßere Beweglichkeit erhält der S. später in einem Laufstall. An Wäsche sind Hemdchen und Jäckchen, Einschlag­ tücher, Spucktücher und Windeln nötig, ferner mehrere Wollgarnituren, Strampelhosen, Bettbezüge und -tücher sowie Badetücher und Waschlappen. Auf Überempfind­ lichkeitsreaktionen gegen Kunststoffasern ist zu achten. Statt der waschbaren Windeln verwenden die Mütter heute allgemein Einmalwindeln und saugfähige, hygie­ nisch sehr vorteilhafte Vliesstoffartikel. Hierdurch redu­ ÄB 42 : :

ziert sich der tägliche Wäschebedarf erheblich; allerdings ist der finanzielle Aufwand merklich größer. Regelmäßiges Trockenlegen ist für den Zustand der Haut des S. wesentlich. Der Wechsel erfolgt zu jeder Mahlzeit, außerdem zwischenzeitlich, wenn Stuhl in der Windel ist. Der S. wird gründlich mit warmem Wasser oder Öl von Stuhl-, Urin-, Salben- und Puderresten ge­ säubert. Das Baden des S. erfolgt gewöhnlich täglich, am be­ sten vor der 2. Mahlzeit vormittags. Zu häufiger Ge­ brauch von Badezusätzen oder Seife kann möglicherweise den Säuremantel der Haut schädigen. Beim Baden sollte die Zimmertemperatur mindestens etwa 18 bis 20 °C be­ tragen, die Temperatur des Badewassers 35 bis36°C. Der S. wird in der Wanne so gehalten, daß sein Kopf auf dem linken Unterarm der Mutter ruht, während das Waschen mit der rechten Hand erfolgt. Sorgfältig sind Hals, Ach­ selhöhlen, Leistenbeugen und Gesäßfalte, wo Haut auf Haut liegt, zu reinigen. Zum Waschen des Gesichts dient ein gesonderter Waschlappen. Sorgfältiges zartes Ab­ trocknen beendet den Badevorgang. Säuglingsturnen. Im wachen Zustand hat der S. ei­ nen ausgesprochenen Bewegungsdrang. Nackt auf dem Tisch liegend, strampelt er mit Wohlbehagen. Bewe­ gungsmöglichkeiten sind von der Altersstufe abhängig. Dem Bedürfnis zu körperl. Bewegung soll die Mutter un­ ter Berücksichtigung des Entwicklungsstands nachkom­ men. Ein gesunder S. bewegt sich normalerweise so leb­ haft, daß er nur gewisse Anregungen und wenig Unter­ stützung braucht. Bewegungsarme S. mit stärkeren Fett­ polstern erhalten mit Vorteil systematische S.-Gymnastik auf ärztl. Anordnung. Mit Säuglingsturnen kann nach dem 5. Lebensmonat begonnen werden. Unterschieden wird zwischen passiven und aktiven Übungen wie Beugen und Strecken der Arme und Beine, Kreisbewegungen der Arme mit Unterstützung, Aufrichten von Kopf und Rumpf bis hin zu Kriechübungen. Säuglingsdystrophie, -► Dystrophie. Säuglingsfürsorge, Einrichtungen und Maßnah­

men zur Verbesserung der Lebensbedingungen von Kin­ dern im Säuglingsalter. Die S. wurde zu Beginn des 20. Jh. wegen der Höhe der -»Säuglingssterblichkeit ein bevorzugtes Arbeitsgebiet der sozialen Hygiene; seit 1934 ist sie Aufgabe der Gesundheitsämter. Im Mittel­ punkt der offenen S. stehen die Mütterberatungsstellen zur Aufklärung und Beratung der Mütter in allen Fragen der Säuglings- und Kleinkinderpflege. In der halboffenen S. werden Säuglinge erwerbstätiger Frauen in Kinderta­ gesheimen betreut. Diese Einrichtungen werden ebenso wie die Säuglingsheime (geschlossene S.) von Städten und Kreisen oder von der freien Wohlfahrtspflege unter­ halten. Die Nichtehelichenfürsorge und der Schutz des Kin­ des der erwerbstätigen Mutter (-► Mutterschutz) erfassen bes. gefährdete Gruppen von Säuglingen. Säuglingsheime, Einrichtungen, in denen kranke, familienlose oder vernachlässigte Säuglinge betreut wer­ den. Säuglings^pflege, -»Säugling. Säuglings| Skorbut, Moeller-Barlowsche Krankheit [-b'ailau-, n. den Ärzten J. Moeller, * 1819,

1 1887, und Sir Th. Barlow, * 1845,1 1945], bei Kindern bevorzugt im Alter von 6 Monaten bis zu 2 Jahren auftre­ tende, in zivilisierten Ländern heute seltene Erkrankung, die wie der Skorbut auf einem Mangel an Vitamin C be­ ruht. Krankheitszeichen: zunehmende Blässe und Appe­ titlosigkeit, Schmerzhaftigkeit der Knochen, Schwellun­ gen der Gelenke und Glieder, Blutungen in Haut und Schleimhäute. — Behandlung: rohe Frucht- und Ge­ müsesäfte; Zufuhr synthet. Vitamine, bes. Vitamin C. Säuglings|sterblichkeit, Zahl der im ersten Le­ bensjahr gestorbenen Kinder, bezogen auf die Lebendge­ borenen eines gleich langen Berichtszeitraums. Die S. ist ein Ausdruck für den medizin. und hygien. Standard eines Landes. Für eine Industrienation lag die S. der Bundesrep. Dtl. lange Zeit relativ hoch. Die Sterblichkeit der Flaschenkinder ist wesentlich hö657

Saug sen Saugglocken werden kreisende und zentralwärts (zum Herzen) gleitende Bewegungen ausgeführt. Die S. beein­ flußt den Säftestrom im Unterhautgewebe, weshalb man Land 1981 1979 1973 1969 1961 auch von Saugwellenmassage spricht; es kommt dabei zu einer passiven Hyperämie. 12,62) 21,1 Bundesrep. Dtl............... 11,7 23 32 12, l2) Dt.Dem.Rep.................. 13,9 16,0 20 39 Saunabad, ein Baderaum mit 70—90 °C trockener Italien ............................ 9,7 15,3 25,7 30 40 Hitze und einem relativ geringen Feuchtigkeitsgehalt der Österreich ................... 12,3 14, l2) 23,4 25 33 Luft von 10—25%, um die Schweißabsonderung stark an­ Polen ............................ 9,2 14,5 34 28,5 55 zuregen. Die traditionelle Haussauna hat Vor-, Umklei­ Rumänien ................... 29,32) 31,6 38,1 55 71 Schweden...................... 11,1 7,32) 9,6 13 16 de-, Ruhe- und Baderaum; der Ofen aus Mauerwerk oder Schweiz ......................... 7,6 8,52) 12,8 15 21 Stahlblech wird vom Vorraum oder vom Baderaum aus Spanien ......................... 11,1 13,2 47 30 15,1 etwa 5 Stunden lang befeuert und gibt dann bis zu 48 Stun­ Australien ................... 10,0 12,2 16,7 18 20 den Strahlungshitze ab. Einmal im Verlauf jedes Bade­ Chile............................... 33, l2) 37,9 70,9 92 128 vorgangs wird durch Aufgießen kalten Wassers auf die Japan ............................ 6,1 8,02) 29 15 11,7 glühendheißen Steine des Ofens feuchte Hitze erzeugt, die USA ............................... 8,9 13,0 17,6 21 25 sich als Dampfstoß auswirkt. ') im 1. Lebensjahr Gestorbene je 1000 Lebendgeborene;2) 1980. In modernen Saunaanlagen mit elektr. Beheizung ist die prinzipielle Anordnung und Einrichtung die gleiche: her als die der Brustkinder; nach einer früheren Untersu­ treppenartig aufsteigende hölzerne Stufenbänke, erhitzte chung lag sie z. B. im Jahre 1885 in Berlin 7fach höher, Steine für den Dampfstoß und Vorraum mit Gieß­ auch heute noch geht man von einem 2- bis 3fachen Risiko schlauch, Dusche oder Tauchbad zur Abkühlung. beim Flaschenkind aus. Geschlechtsbedingt ist die Über­ Ein Saunagang besteht aus 2 Phasen: Aufheizungs­ sterblichkeit der männl. Kinder, die im Durchschnitt die phase im Saunaraum und der Abkühlungsphase im Vor­ derweibl. um 12% übertrifft. Inheißen Sommern starben raum. In der Aufheizungsphase steigt nicht nur die Haut­ früher viele Säuglinge an Ernährungsstörungen. Seit etwa temperatur, sondern auch die -» Kerntemperatur be­ 1920 gibt es diesen >Sommergipfel< kaum noch, während trächtlich (bis + 2 °C und mehr) an. Dabei erfolgt eine Er­ der >Wintergipfel< der S., v. a. durch Lungenentzündun­ weiterung der peripheren Blutgefäße, häufig mit Absin­ gen verursacht, noch immer auftritt. Wird die Statistik ken des diastol. Blutdrucks und Vergrößerung der Blut­ der S. nach dem Alter beim Tod gegliedert, zeigt sich der druckamplitude (-»Blutdruck); die Durchblutung und große Umfang der -» Frühsterblichkeit. der Stoffwechsel werden dementsprechend gesteigert, die Säuglings|tod, Krippentod, SIDS, Abk. fürSud- innere Sekretion wird angeregt, die Pulsfrequenz und da­ den Infant Death Syndrome [sAdn ' infant de0 sindr' aum, mit das Herzminutenvolumen (die pro Minute geförderte engl.], das plötzl. Eintreten des Todes bei Säuglingen aus Blutmenge) steigen erheblich an. Es kommt zum Schweiß­ anscheinend völliger Gesundheit heraus. An Vorerkran­ ausbruch, der durch den Dampfstoß noch verstärkt wird, kungen werden häufig nur leichte Infektzeichen der obe­ so daß bis zu einem Liter und mehr Schweiß abgesondert ren Luftwege beobachtet. Eine Leichenöffnung bringt wird. Diese Hitzephase sollte i. d. R. etwa 10—15 Minuten dauern, sie hängt von der individuellen Verträglichkeit i. d. R. keine Klärung. Die Häufigkeit liegt zwischen 1 und 4%o, das höchste ab. Risiko liegt wahrscheinlich zwischen dem 2. und 4. Die Abkühlungsphase im Vorraum beginnt mit kaltem Lebensmonat. Es besteht eine eindeutige jahreszeitl. Wasser, am besten als Teilguß oder Dusche, wobei zuerst Häufung: In den Monaten November bis März werden Arme und Beine, dann Nacken und Rücken, Brust und etwa 80% der so verstorbenen Kinder registriert. Anschei­ Bauch, schließlich der ganze Körper übergossen werden. nend bestehen Beziehungen zu sozialen und Ökonom. Ge­ Wird ein Tauchbad benutzt, so soll das sehr langsam ge­ gebenheiten, schlechten Wohnverhältnissen, mangelnder schehen und dabei die gleiche Reihenfolge beim Abkühlen Pflege und Zuwendung seitens der Eltern sowie Unterlas­ eingehalten werden. Vor einem plötzl. Einsteigen oder gar sung ausreichender Schwangerenfürsorge. Bei Frühgebo­ einem Sprung ins kalte Tauchbad muß dringend gewarnt renen ist ein lOfach größeres Auftreten gegenüber reif ge­ werden, da hierdurch Herz- und Kreislauffunktion sehr borenen Kindern festzustellen. stark belastet werden und versagen können. Nach der kur­ Die Ursachen sind vielschichtig und letzlich noch un­ zen Abkühlungsphase, in der Pulsfrequenz und Blut­ klar. Früher wurden Störungen der Thymusdrüsenfunk­ druckamplitude sich normalen Werten annähern, kann tion (Thymustod), der Nebenschilddrüsen und des Im­ bei guter Kondition der Saunagang noch 1 - oder 2mal wie­ munsystems angenommen. Nach neueren Untersuchun­ derholt werden. Bei auftretender Müdigkeit nach dem S. gen wird als Ursache eine Unterfunktion der zentralen sollte man eine Ruhepause einlegen; aufputschende Ge­ Atemregulation im Hirnstamm vermutet: Es besteht in­ tränke oder Medikamente sind zu vermeiden. folge einer Fehlanlage eine chron. zentrale alveoläre Hy­ Medizinisch gesehen, ist das S. ein intensives Training poventilation, die als >Undine-Syndrom< bezeichnet wird von Herz und Kreislauf, Stoffwechsel und Nierentätig­ (Syndrom des vergessenen Atmens, nach der Märchen­ keit, Drüsen- und Hautfunktion; speziell ist es ein vorerzählung >UndineKommunikationsmuster< zwischen Mutter und Kind in der frühen Kindheit mit widersprechenden, für das Kind verwirren­ den Eindrücken, werden als mögliche Ursache angesehen. Da dies wohl v. a. bei selbst schizoiden Müttern eintreten dürfte, könnte man darin genauso eine Bestätigung der Erbtheorie sehen. Behandlung: Psychopharmaka, Arbeits- und Be­ schäftigungstherapie, Psychotherapeut. Verfahren; die Schockbehandlung mit elektr. Strom, Kardiazol oder In­ sulin ist weitgehend aufgegeben. Auch Dauerschlafbe­ handlung sowie die -» Leukotomie werden nur noch in sel­ tenen Fällen angewendet. Teils geht man heute zur Fami­ lientherapie (die ganze Familie als Patient) über, insofern man den Psychotiker nur als Symptomträger für die ganze Familie ansieht und der Patient deshalb in der Gruppe und mit der Gruppe behandelt werden müsse. Eine Anstalts­ einweisung wird dabei abgelehnt, da diese -»Hospitalis­ mus hervorrufe und die Heilchancen verschlechtere. Die Kranken der paranoiden Form lassen sich im allgemeinen bei entsprechender Dauerbehandlung sozial gut ein­ gliedern; nur bei für den Patienten selbst oder seine Umgebung gefährl. Wahnvorstellungen ist Isolierung erforderlich. Schizothymie, von E. Kretschmer eingeführte Be­ zeichnung für das Vorherrschen von Erlebens- und Ver­ haltensweisen, die der -► Schizophrenie nahestehen, aber noch dem Normalbereich angehören. Schizothyme zeigen hohe Empfindlichkeit, Schwierigkeiten bei Umstellungen und Anpassung, große Perseveration (Kleben am Gegen­ stand, der einmal ergriffen wurde). Sie sind stark -»intro­ vertiert. Kretschmer nahm an, daß schizothyme Gemütsund Temperamentseigenschaften häufig mit dem leptoso­ men Körperbau (-► Körperbautypen) gekoppelt auftre­ ten. Der S. wird die -»Zyklothymie gegenübergestellt. Schlacken, 1) unverdaul. Bestandteile der Nahrung (-►Schlackenkost). 2) Stoffwechselschlacken, vom Kör­ per verarbeitete, nicht mehr verwertbare Endprodukte des Eiweiß-, Fett-, Kohlenhydrat- und Intermediärstoff­ wechsels, die ausgeschieden werden. Schlackenkost, eine an un- oder schwerverdaul. Stoffen (Schlacken) reiche Nahrung; sie liefert die für eine geregelte Stuhlentleerung erforderl. Füllstoffe für den Darm und regt die-» Peristaltik an. Schlacken bilden z. B. die Zellwandbestandteile des Obstes, der Gemüse und die Kleiebestandteile der Getreide sowie der dunklen Brotsor­ ten, die ein hohes Quellvermögen haben, Wasser festhal­ ten und den Verdauungsrückständen eine weiche, form­ bare Konsistenz geben. Ernährungstherapeutisch werden getrocknete, in Wasser eingeweichte Dörrpflaumen, Leinsamenschrot und getrocknete, gemahlene Kleie ver­ wendet. Schlaf, der Erholung dienender Zustand eines Orga­ nismus, der in Phasen oder Zyklen abläuft, mit den äuße­ ren Kennzeichen relativer Bewegungslosigkeit, herabge­ setzter Bewußtseinsfähigkeit, stark herabgesetzter An­ sprechbarkeit und verminderter Sensibilität gegen äußere Reize. Die Verdauungstätigkeit ist unverändert. Das S.-Zentrum liegt im Hypothalamus, am Übergang vom Mittelhirn zum Zwischenhirn. Durch elektr. Reizung des Zentrums oder durch Chirurg. Eingriff bei Versuchs­ tieren kann S. hervorgerufen werden. Dieses S.-Zentrum ist relativ stark psych. Einflüssen zugänglich. Es gibt Menschen, die durch Willensentschluß zu jeder Stunde einschlafen können, (-»autogenes Training, -»Entspan­ nung)

Formen und Dauer. Es werden hauptsächlich 2 S,Formen unterschieden, die in etwa 3—6 period. Wechseln im Abstand von 90—100 Min. aufeinander folgen und u. a. durch charakterist. Hirnstromkurven feststellbar sind: der orthodoxe S. (auch Non-REM- oder NREM-S.) und der REM-S., engl. rapid-eye-movement [r'aepid 'ai m'u:vmant, schnelle Augenbewegungem], auch para­ doxer S. genannt. Der S. beginnt mit der Einschlafphase (Prädormitium), an die sich der orthodoxe S. mit einer etwa 4fach geglieder­ ten S.-Tiefe anschließt und in den ersten (meist längsten) Tief-S. mündet. Die Weckschwelle steigt hierbei entspre­ chend. Der orthodoxe S. ist durch Herabsetzung der mei­ sten Körperfunktionen und mehr bruchstückartige, we­ nig emotionale Träume gekennzeichnet. Im orthodoxen S. treten auch Somnambulismus, Bettnässen und das Re­ den im S. auf. Hieran schließt sich die erste der REM-Phasen. Diese sind durch fast vollständiges Erlöschen des Muskeltonus, aber Anstieg und Unregelmäßigkeit ande­ rer Funktionen (Herz- und Atemfrequenz, Blutdruck, Hirndurchblutung, schnelle rollende Augenbewegungen, auf die sich die Benennung dieser Phase bezieht, sexuelle Erregung) und gefühlsbetonte, bildhafte, zusammenhän­ gende Träume charakterisiert. Die Aufwachphase (Postdormitium) kann ebenfalls von halluzinator. Eindrücken begleitet sein. Die Dauer des REM-S. beträgt jeweils 3-60 Min. und nimmt gegen S.-Ende zu; der Anteil am Gesamt-S. (bei Neugeborenen rd. 50%) sinkt mit zunehmendem Lebens­ alter erheblich (20—25% beim Erwachsenen). Der Anteil des Tief-S. liegt beim Erwachsenen bei 12—15%, der des Leicht-S. bei 50%. Gezielter S.-Entzug führt nach etwa 60 Stunden zu Halluzinationen und wahnhaften Vorstel­ lungen. Neuere Theorien über den S. führen den S.-WachRhythmus und die S.-Phasen auf aktivierende und hem­ mende Wirkungen des Zentralnervensystems (v. a. retiku­ läres System und Brücke des Hinterhirns) unter Beteili­ gung neurochem. Substanzen (Neurotransmitter) zu­ rück. Die Bedeutung des S. liegt wahrscheinlich in ver­ schiedenen psychophysisch-regenerativen Funktionen. Das Bedürfnis nach S. sowie S.-Zeiten und S.-Dauer wechseln individuell sehr stark und sind von Lebensalter, Beruf, Lebensgewohnheiten, Klima, Erziehung und Per­ sönlichkeitsstruktur abhängig. Die normale S.-Dauer be­ trägt: Schlafdauer

Lebensalter Säugling............................... . 1. Lebensjahr .................. . 2.bis5.Jahr....................... 5.bis6.Jahr...................... . 7. bis 14. Jahr...................... . 15. bis50. Jahr.................... 50. bis 70. Jahr.................. .

. . . . . . .

. 14 bis 16 Stunden . 18 Stunden . 14 Stunden . 12 Stunden . 10 Stunden . 7 bis 8 Stunden . 5 bis 8 Stunden

Wichtig ist, daß Säuglinge und Kinder genügend S. be­ kommen; die Eltern sollten sehr darauf bedacht sein, die Kinder vor dem Schlafengehen in einen Zustand der seel. Entspannung und Zufriedenheit zu versetzen. Es ist also falsch, Kinder vor dem S. aufregenden Sendungen im Fernsehen auszusetzen. Zwei verschiedene Typen von Schläfern lassen sich erkennen: die Morgenmenschen, die gern früh schlafen gehen und auch früh aufstehen, und die Abendmenschen, die abends immer munterer werden, da­ für aber als >Morgenmuffel< ihrer Umgebung durch Ver­ drossenheit auffallen. Manche Menschen brauchen einen Mittagsschlaf. Voraussetzungen. Trotz vieler individueller Unter­ schiede lassen sich einige allgemeine Regeln darüber auf­ stellen, unter welchen Bedingungen am ehesten ein guter S. zu erwarten ist. Wer tagsüber mehrere Stunden körper­ lich gearbeitet hat, zumal im Freien, wird gut schlafen, wenn sein S.-Raum hygienisch einwandfrei (gut gelüftet, nicht zu warm) und ruhig gelegen ist. Die letzte Mahlzeit sollte mindestens 1 Stunde zurückliegen, die Blase entleert sein. Das Abendessen sollte mengenmäßig gering und leicht verdaulich sein. Der S. auch des körperlich Arbei665

Schl Das S. besitzt ferner eine Reihe von Öffnungen (Ka­ tenden ist davon abhängig, daß er — abgesehen von kör­ perl. und seel. Gesundheit — frei von drückenden Sorgen näle) für hindurchtretende Gefäße (Kopfschlagader, Ge­ ist. Bei allen Menschen, die nicht regelmäßig körperlich sichtsnerv). Am S. entspringt z. T. der kräftige, sich am arbeiten, lassen sich viel schwerer allgemeingültige Regeln Unterkiefer befestigende Schläfenmuskel, ein Kaumus­ finden. Viele Geistesarbeiter können sich nur dadurch kel. Am Warzenfortsatz setzen mehrere kräftige Muskeln vom Weiterdenken, das sie am Schlafen hindern würde, des Rückens und des Halses, vornehmlich der Kopfnikablösen, daß sie sich eine leichte Lektüre vornehmen. ker, an. Auch bestimmte Techniken der Autosuggestion, Medita­ Schlafklinik, Spezialklinik zur Durchführung des zu tion und Entspannung tragen zu rascherem Einschlafen Heilzwecken verordneten -»Heilschlafs. Eine S. liegt bei. Individuelle Einschlafgewohnheiten, z. B. das Hören meist in stiller, angenehmer Umgebung und vermittelt alle beruhigender Musik (-»Musiktherapie) oder eine be­ Voraussetzungen für Ruhe und Entspannung. Die Kran­ stimmte Körperlage (Einschlafrituale) können die Ein­ ken sind einzeln in kleinen geräuschisolierten Räumen un­ schlafzeit verkürzen. tergebracht. Schlaf- und Wachzeiten sind genau einge­ Die häufigsten Ursachen von Schlafstörungen (Hypo- teilt. Der Schlaf wird durch geeignete Schlafmittel herbei­ somnie) sind seel. Art. Zu den äußeren Faktoren gehören geführt. Der Gesundheitsüberwachung dienen täglich der -» Lärm, der durch die Zunahme des Verkehrs (Auto, mehrmalige Puls- und Temperaturmessungen, Blut­ Flugzeug), die dichte Besiedlung, die Industrialisierung druckkontrollen u. a., Beobachtung des seel. Verhaltens wesentlich gestiegen ist, sowie unhygien. Wohnverhält­ im Wachzustand, Kontrolle des 24-Stunden-Urins, des nisse, schlechte Lagerstätten, unzweckmäßige Ernäh­ Urinstatus, des Blutbilds und der Blutsenkung. Als pflerung, Mißbrauch von Genußmitteln (Kaffee, Tabak, Al­ ger. Maßnahmen kommen hinzu: Gymnastik zur Anre­ kohol) u. a. Auch starke Lärmeinwirkung am Tag (Ar­ gung der Darmbewegung, Atemgymnastik, Psychothera­ beitsplatz, Diskothek) kann sich negativ auf den S. aus­ pie, Hautpflege, Reinigungseinläufe, Begleitung durch wirken. Erst in zweiter Linie liegen den S.-Störungen Pflegepersonal bei Verlassen des Betts. Krankheiten zugrunde; sie treten z. B. bei schmerzhaften Schlafkrankheit, afrikanische Trypanosomia­ Erkrankungen oder hohem Fieber, Herzkrankheiten, Asthma auf. Eine Gehirnentzündung kann schwere S.- sis, auf das trop. Afrika beschränkte Infektionskrank­ Losigkeit (Insomnie) oder S.-Verschiebung (nachts heit, die durch Geißeltierchen der Gattung Trypanosoma schlaflos, starkes S.-Bedürfnis am Tag) hervorrufen, Epi­ verursacht und durch Stechfliegen der Gattung Glossina lepsie kann mit abnormem S.-Bedürfnis verbunden sein, (Tsetsefliegen) übertragen wird. Erreger sind Trypano­ altersbedingte Abbauprozesse können zu verwirrtem soma gambiense (entdeckt von J. E. Dutton 1902) und Trypanosoma rhodesiense (entdeckt von Stephens und nächtl. Umherirren führen. Die Behandlung der S.-Störungen hat sich nach der Fantham 1910). Die Stechfliegen nehmen die Erreger aus Ursache zu richten. Psychotherapie, bes. in der Form des dem Blut erkrankter Menschen oder trypanosomenhalti­ autogenen Trainings, zeitigt da gute Erfolge, wo seel. ger Tiere (z. B. Antilope, Hyäne, Löwe, Rind) auf und ge­ Konflikte, unzweckmäßige Gewohnheiten, Unfähigkeit, ben sie nach einer Entwicklungs- und Vermehrungsphase sich zu entspannen, die Hauptquelle der Störung sind. beim Stechen weiter. Die relativ große, schwarzbraune Physikal., bes. hydrotherapeut. Maßnahmen (Waden­ Tsetsefliege hat einen waagerecht vorgestreckten Stech­ wickel, lauwarmes Bad, Ganzpackung) sind, allein oder rüssel und bringt ihre Flügel im Ruhestadium über dem Hinterleib zur Deckung. Sie lebt im Freien und sticht nur verbunden mit Psychotherapie, oft wirksam. 3 am Tag. Zur Vorbeugung von S.-Störungen sollte das S.-Zim­ Krankheitsbild. An der Stichstelle entwickelt sich mer kühl, gut gelüftet, das Bett warm, aber nicht zu warm nach 1—2 Wochen eine umschriebene Schwellung, die in­ sein, der Kopf kühl bleiben. Harmlose Einschlafgewohn­ nerhalb von 2 weiteren Wochen spontan abklingt. Da­ heiten wie leichte Lektüre, ein Apfel, ein Glas Zitronen­ nach kommt es zu uncharakterist. Fieberschüben mit Be­ 4 wasser, Bier, Wein oder Selterswasser, ein paar Tropfen einträchtigung des Allgemeinbefindens, Hauterschei­ Baldrian sind oft hilfreich. Gelegentlich wirkt sogar Kaf­ nungen und Lymphknotenschwellungen, bes. im Halsbe­ fee günstig, der im allgemeinen sonst gegenteilige Folgen reich. Dieses erste Stadium kann einige Monate bis Jahre hat (Wirkungsumkehr). Die Einnahme von -» Schlafmit­ dauern. Anschließend dringen die Erreger in das Zentral­ teln sollte nur bei S.-Losigkeit wegen akuter Krankheit nervensystem ein. Das zweite Stadium ist durch anhal­ und ausschließlich auf ärztl. Anordnung erfolgen; häufig tende Kopfschmerzen, Lähmungen, Krämpfe und psych. kann in diesen Fällen der S. bereits durch -» Beruhigungs­ Veränderungen gekennzeichnet; die typ., auffällige Le­ mittel positiv beeinflußt werden. thargie mit Schlafsucht war Anlaß für die Benennung der Therapeut. Zwecken dient der -» Heilschlaf. Krankheit. Unter Kräfteverfall endet dieses Stadium, das sich ebenfalls über Monate bis Jahre hinziehen kann, un­ Schlafkrankheit: Tsetsefliegen; 1 Glossina palpalis, 2 Glossina morsitans, behandelt immer mit dem Tod. Dieser tritt bei Trypano­ beide mit künstlich ausgebreitetem Flügel, 3 und 4 Glos­ soma rhodesiense innerhalb eines Jahres ein. Infektionen sina morsitans, 3 nüchtern, 4 vollgesogen, 5 Larve mit Trypanosoma gambiense verlaufen gewöhnlich mil­ Schlafbehandlung, Anwendung des künstlich er­ der und länger; bis zum tödl. Ausgang können 6 Jahre ver­ zeugten Heilschlafs zu Heilzwecken; v. a. in -»Schlaf­ gehen. Die Diagnose wird durch Nachweis des Erregers kliniken durchgeführt. aus Blut, Lymphknoten oder Liquor gestellt. (Bild Blut) Behandlung: Im ersten Stadium ist eine Heilung Schläfe, Tempora, die seitl. obere, rechts und links hinter den Augen gelegene Begrenzung des Gesichtsschä­ durch Suramin oder Pentamidine fast immer möglich. Das zweite Stadium ist bisher nur arsenhaltigen Mitteln dels. Schläfenbein, Temporale, einerderpaarigen Kno­ zugänglich, die erhebl., z. T. tödl. Nebenwirkungen ha­ chen des Schädels. Das S. besteht aus einem knorpelig vor­ ben können. Eine individuelle Vorbeugung bei Aufent­ gebildeten, enchondral verknöchernden Anteil (-»Kno­ halt in einem Endemiegebiet ist chemoprophylaktisch mit chen), dem Felsenbein, und 2 durch Hautverknöcherung Suramin oder Pentamidinen möglich. Bekämpfungs­ entstehenden Anteilen, der Schuppe und dem Pauken­ maßnahmen richten sich durch Anwendung von Insekti­ ziden gebietsweise gegen den Überträger, verbunden mit bein. Am Felsenbein unterscheidet man die Felsenbeinpyra­ systemat. Behandlung aller Erkrankten durch Spezialprä­ mide und den Warzenteil. Die Felsenbeinpyramide liegt in parate. Schlaflähmung, Schlafdrucklähmung, Nerven­ der Schädelbasis und trennt mittlere und hintere Schädel­ grube. Sie umschließt das innere Ohr und das Mittelohr lähmung meist durch Druck auf den Oberarmnerven (die Paukenhöhle). Der Warzenteil bildet den außen am (Nervus radialis); tritt überwiegend nach Schlafmittelein­ Schädel zutage tretenden, von lufthaltigen Räumen er­ nahme oder Alkoholgenuß (vertiefter Schlaf) auf. Schlafmittel, Hypnotika, Stoffe, die den Eintritt füllten Warzenfortsatz. Von der S.-Schuppe geht nach vorn hin der Jochfortsatz aus, der einen Teil des Jochbo­ des natürl. Schlafs begünstigen oder künstlich den Schlaf Schlafkrankheit: gens bildet. Dem Jochfortsatz des S. liegt unten die Ge­ herbeiführen. In niedrigen Dosen wirken sie auf die Groß­ Trypanosoma hirnrinde, das Schlafzentrum oder das limb. System des lenkgrube für das Kiefergelenk an. gambiense 666

Schl Gehirns beruhigend und entspannend und führen so zu ei­ nem für das Einschlafen günstigen Zustand. In kleinen Dosen können S. zum Teil auch tagsüber als -► Beruhi­ gungsmittel verwendet werden. Höhere Dosen wirken schlaferzwingend. S. sind keine chemisch einheitl. Arz­ neimittelgruppe. Zu ihnen gehören: Alkohole, Aldehyde, Carbamate, Ureide, Barbiturate, Benzodiazepine u. a. Je nach ihrer Wirkungsdauer werden sie als Einschlaf- oder Durchschlafmittel eingestuft. Langwirkende S. besitzen am nächsten Tag noch eine Restwirkung (Müdigkeit, ver­ minderte Reaktionsfähigkeit u. a.), welche die Leistungs­ fähigkeit beeinträchtigt. Wegen ihrer entspannenden und euphorisierenden Wirkung können alle S. zu Abhängigkeit und Gewöhnung führen, bei denen es zum teilweisen Wirkungsverlust kommt. Viele S. (z. B. Barbiturate, Methaqualon u. a.) sind daher den Betäubungsmittelgesetzen (-»Betäu­ bungsmittel) unterstellt. Vor Dauergebrauch ist zu warnen. Bei chron. Schlafstörungen ist der Arzt zu Rate zu zie­ hen, da Schlaflosigkeit Symptom einer inneren Erkran­ kung sein kann und dann besser mit spezif. Mitteln behan­ delt wird. Gegen kurzdauernde S.-Anwendung bestehen keine ernsthaften Bedenken. Die Einnahme soll rechtzei­ tig erfolgen, da die Wirkung erst nach frühestens einer halben Stunde eintritt. Sehr hohe Dosen der S. wirken narkotisch; sie erzeugen Bewußtlosigkeit und können durch Atem- und/oder Kreislauflähmung zum Tod führen. Die akute Schlafmit­ telvergiftung ist häufig (Selbstmordversuche). Bei An­ wendung moderner Behandlungsmethoden besteht hier­ bei eine relativ günstige Prognose. Erste Hilfe: Bei leichter Vergiftung (Vergifteter nicht bewußtlos) Erbrechen auslösen, Abführmittel geben, Arzt rufen; bei schwerer Vergiftung eventuell künstl. Be­ atmung, Herzmassage, sofort Arzt rufen. Schlafmohn, der -»Mohn. Schlafstörungen, Hyposomnie, -»Schlaf. Schlafsucht, Hypersomnie, Schlafbedürfnis, das erheblich über die normale Schlafdauer hinaus reicht, manchmal mit Schlafverschiebung (nächtl. Schlaflosig­ keit). S. ist meist Zeichen einer Erkrankung des Stamm­ hirns (-»Nervensystem), von dem aus Schlafen und Wa­ chen geregelt werden. Häufig wird S. beobachtet bei epidem. -»Gehirnentzündung. Schlaftherapie, Hypnotherapie, -»Heilschlaf, -►Schlafklinik. Schlaftrunkenheit, ein Zustand unvollständigen Er­ wachens, bei dem die Bewußtheit später eintritt als die Handlungsfähigkeit. Es kommt in diesem Zustand, bes. nach dem Erwachen aus Schreckträumen, zu sinnlosen Handlungen, z. B. Gewalttaten gegen vermeintl. Angrei­ fer. Bei vollem Erwachen besteht darüber Erinnerungslo­ sigkeit (-»Amnesie). Unter S. leiden v. a. Menschen mit labilem Nervensystem, oft nach vorhergegangener Er­ schöpfung oder Gemütsbewegung. (-► Aufschrecken, -►Schlafwandeln) Schlafwandeln, Nachtwandeln, ein -»Dämmer­ zustand, bes. bei übersensiblen (neuropathischen) Ju­ gendlichen. Sie schrecken auf, verlassen das Bett und irren zuweilen umher. Bei ihnen fehlt die lähmende Wirkung des Schlafs, die den Schlafenden trotz der Träume im Bett hält. Menschen beim S. sollte man nicht jäh wecken (Ge­ fahr des Hinstürzens). Bei mehrfachem Auftreten von S. sollte der Arzt befragt werden, da es solche Zustände auch auf organ. Grundlage, z. B. bei Epilepsie, gibt. Ein angebl. Zusammenhang mit dem Stand des Mondes (Mond­ sucht) ist bisher nicht bewiesen. Schlagladern, Arteri|en, von den Herzkammern wegführende Blutgefäße. Die von der rechten Herzkam­ mer zur Lunge führende S. führt kohlendioxidreiches (ve­ nöses) Blut, die von der linken Herzkammer ausgehende große Körperschlagader (Aorta) sauerstoffreiches (arte­ rielles) Blut; von dieser zweigen alle anderen S. ab (-» Blut­ kreislauf). Die Wand der S. besteht aus Muskulatur und elast. Häuten. Wegen dieser Elastizität sind die rhythm. Zusammenziehungen des Herzens als Pulswelle zu füh­

len. Die S. unterliegen einem normalen Verschleiß, ihre Dehnbarkeit nimmt im Lauf des Lebens ab. Die Aorta ei­ nesjungen Kindes ist dehnbar wie ein Gummiband; selbst bei einem völlig gesunden 30jährigen Erwachsenen ist die Elastizität schon wesentlich geringer. Die wichtigste Er­ krankung der S. ist die -»Arteriosklerose. Schlag|anfall, Gehirnschlag, Hirnschlag, Apo­ plexie, apoplektischer Insult, plötzlich eintretende,

meist mit Bewußtseinsverlust und Lähmungen, oft mit Sprachverlust (Aphasie) einhergehende Ausschaltung von mehr oder minder großen Hirnteilen. S. tritt meist ein durch Bersten eines Hirngefäßes infolge erhöhten Blut­ drucks oder — gegensätzlich — durch plötzl. Absinken des Blutdrucks: Seine Erscheinungen entstehen durch den Druck der ausgetretenen Blutmassen auf das Gehirn­ gewebe. Die Lähmungen sind, wenn nicht lebenswichtige Be­ zirke (Atmungs- und Gefäßzentrum) oder zu große Hirn­ teile betroffen werden, oft in hohem Grad rückbildungs­ fähig. Auch plötzl. Verstopfungen von Blutadern (-► Em­ bolie) durch einen Blutpfropf (Thrombus) können ähnl. Symptome hervorrufen. Meist betreffen die Lähmungen nur eine Körperhälfte: bei Blutung in die linke Hirnhalb­ kugel die rechte Seite, bei rechtsseitigem Sitz die linke, weil die hauptsächlich betroffenen Bewegungsnerven, die vom Gehirn zum Rückenmark führen, sich im verlänger­ ten Rückenmark kreuzen. Die gelähmten Gliedmaßen sind anfangs schlaff und gehen erst später in das krampf­ hafte (spast.) Stadium über. Ursachen. Zum S. kommt es offenbar bes. bei dazu veranlagten Menschen, wobei die -»Hochdruckkrank­ heit und Arteriosklerose eine wesentl. Rolle spielen. Die untersetzten, vollblütigen, oft fettleibigen Pykniker sind mehr gefährdet als schlank wüchsige Typen. Doch fördert auch ungesunde Lebensweise (übermäßiges Essen, ver­ mehrter Alkohol- und Tabakgenuß, wenig Bewegung) das Auftreten von S. Überwiegend treten S. erst im reife­ ren Lebensalter auf, vorzugsweise nach dem 50. Lebens­ jahr. Auch -* Gehirnkrankheiten können im Beginn unter dem Bild des S. verlaufen (Geschwülste, Paralyse, multi­ ple Sklerose). Bei Menschen, die zu Gefäßkrämpfen nei­ gen (-»Migräne), können flüchtige Lähmungen entste­ hen, die sich nach Lösung des Krampfs rasch wieder zu­ rückbilden. Der S. bei der Hochdruckkrankheit kündigt sich oft durch zunehmend heftige Kopfschmerzen an.

Schlaganfall: Schematische Darstellung eines Hirnschlags in der linken Hirnhalb­ kugel. Infolge Kreuzung der Be­ wegungsnerven werden die rechts­ seitigen motori­ schen Nerven ge­ lähmt. Die Blu­ tung tritt in der >inneren Kapsel< auf, wo sich alle Bahnen aus der motorischen Rin­ denregion treffen

Behandlung: Sofort Arzt rufen! Der Kranke ist be­ quem zu lagern und von beengenden Kleidungsstücken zu befreien. Keine Nahrungs- oder Flüssigkeitszufuhr (Erstickungsgefahr!). Meist erfolgt Klinikaufnahme. Die Behandlung der Folgen eines S. erstreckt sich über viele Monate. Durch Massage und gymnast. Übungen sind wesentl. Besserungen der Lähmungsfolgen zu er­ zielen. Regelmäßige Kuranwendungen nach Empfehlung des Arztes sind angezeigt. Schlammbäder, den -»Moorbädern nahestehende 667

Schl Wärmeanwendung. Beim Heilschlamm überwiegt stets der mineral, (anorgan.) Bestandteil, der überwiegend aus Kalk- und Kieselsäuresalzen besteht. Dem organ. Schlamm geben die Überreste von Lebewesen, meist von Pflanzen, das Gepräge, obwohl die Mineralien anteilmä­ ßig überwiegen. Die organ. Schlämme haben ein hohes Quellungsvermögen und sind schlechte Wärmeleiter. Sie ähneln in ihren Eigenschaften dem Moor. Durch Fäulnis entsteht im organ. Schlamm u. a. Schwefelwasserstoff, der ihm den kennzeichnenden Geruch nach faulen Eiern gibt. Durch größeren Gehalt an Schwefelverbindungen zeichnen sich die Schwefel-S. aus, die bes. bei Resten von Gewebsausschwitzungen nach Verletzungen, bei hart­ näckigen Neuralgien, Lähmungen und Gelenkleiden an­ gewendet werden. Die reinen Mineralschlämme sind wenig quellungs­ fähig und halten die Wärme schlechter als das Moor, sie werden daher meist zu Packungen verwendet. Hierfür eignen sie sich besser als Moor, da sie glatter, anschmieg­ samer, feinkörniger und weniger faserreich sind. Der be­ kannteste Mineralschlamm ist der Fango, ursprünglich ein Schlamm aus Battaglia in Norditalien. Ähnliche Schlämme sind der Eifelfango (Bad Neuenahr) und der Jurafango (Bad Boll). Zwischen organ. und mineral. Schlamm steht der Schlick, der sich an den Meeresküsten findet und zu Schlickbädern verwendet wird. Sein Gehalt an organ. Stoffen ist gering. Die überwiegend in Schweden üblichen See-S. enthal­ ten den Faulschlamm tiefer, ruhiger Meeresbuchten oder abgeschlossener Teile des offenen Meeres sowie gelegent­ lich Beimengungen radioaktiver Stoffe. See-S. sind ange­ zeigt bei chron. Gelenk- und Muskelrheumatismus und hartnäckigem Ischias. Das S. wirkt hauptsächlich durch seine Wärme. Rein chemische perkutane Wirkungen hat z. B. der Schwefel, der sich oft im Schlamm findet. S. sind bei den gleichen Krankheiten angezeigt wie Moorbäder. Zahlenmäßig tre­ ten die Kurorte mit S. gegenüber den Moorbädern zurück. Schlangenbiß, -»Giftschlangen. Schlangengifte, die Absonderung der Giftdrüse von Giftschlangen. Die Giftdrüse ist von der Schlange willkür­ lich entleerbar. Das Gift fließt entweder in einer Rinne des Zahns ab, oder es wird durch einen Kanal des Giftzahns ausgespritzt. Die entleerte Giftmenge ist davon abhängig, ob es sich um einen Verteidigungs- oder um einen Jagdbiß handelt. S. enthält i. d. R. Eiweißkörper, die als Enzyme, Neuro­ toxine (Nervengifte) oder Cardiotoxine (Herzgifte) wirk­ sam werden. Die Neurotoxine, z. B. Kobratoxin, Bungarotoxine, bewirken eine Lähmung der Muskulatur, die Cardiotoxine, z. B. Viperotoxine, führen zum Herzstill­ stand. Die Enzyme der S., z. B. Phospholipasen, Protei­ nasen, führen u. a. zur Zerstörung von Zellen und Ge­ webe, Blutgerinnungsstörungen und Hämolyse. Die Zu­ sammensetzung der einzelnen S. aus diesen Komponenten ist sehr unterschiedlich, ebenso ihre Giftigkeit. Einige sind hochtoxisch (tödl. Dosis des Gifts der Kobra Naja naja: 15 mg, Giftmenge pro Biß 210 mg; zum Vergleich Kreuzotter Vipera berus: tödl. Dosis 75 mg, Giftmenge pro Biß 10 mg). S. werden auch zur Herstellung von Antiseren (Antiveninen) gegen Schlangenbisse verwendet. Diese sind die wirksamsten Mittel zur Behandlung von Schlangenbis­ sen. Bei richtiger Anwendung können sie noch nach Stun­ den, u. U. noch nach Tagen nach dem Biß nützlich sein. Einige S. haben therapeut. Verwendung gefunden, so das Kobragift als Schmerzmittel, >Reptilase< als blutstil­ lendes Mittel. Schlankheit. Die S. eines Menschen ist zunächst der Ausdruck seines konstitutionell bestimmten -► Körper­ bautyps. Dem Erscheinungsbild des schlanken Menschen entsprechen — allgemein gesehen — bestimmte Leistun­ gen, z. B. im Sport. Da die Neigung zu Fettansatz auf erb­ bedingten Stoffwechselverhältnissen beruht, ist die Um­ wandlung eines untersetzten, späterhin dick werdenden pykn. Menschen in einen schlanken, leptosomen Typ nor­ malerweise nicht möglich; es handelt sich um feststehende 668

ererbte Baupläne: Man wird nicht dick ohne die Anlage zum Dickwerden, und man bleibt nicht schlank ohne ent­ sprechende Veranlagung. Ausgewogene, maßvolle Er­ nährung und körperl. Bewegung können den Fettansatz jedoch verhindern. Entfettungsdiäten sollten ohne ärztl. Überwachung nicht durchgeführt werden, da sie zu schweren gesundheitl. Schäden führen können. (-»Kör­ pergewicht) Schlattersche Krankheit, Osgood-Schlattersche Krankheit ['osgud-, n. C. Schlatter, * 1864,

1 1934, und A. B. Osgood, * 1873, 1 1956], eine im ju­ gendi. Alter auftretende Verknöcherungsstörung in der Apophyse des Schienbeinkopfes, der vorn dicht unter­ halb des Kniescheibenbandes liegt. Dabei kommt es zu ei­ ner Verschiebung dieses Vorsprungs nach oben. Die S. K. äußert sich durch Schmerzen beim Gehen. Behandlung: langdauernde Ruhigstellung im Gips­ verband, bis die Verknöcherung eingetreten ist. Eine ope­ rative Korrektur kann notwendig werden, wenn konser­ vative Maßnahmen erfolglos bleiben. Schlauchverband, -»Verbände. Schlehdorn, Schlehe, Schwarzdorn, Prunus spinosa, zu den Rosengewächsen (Rosaceae) gehören­

der, dicht verzweigter, bis 3 m hoher Strauch oder kleiner Baum in warmgemäßigten Klimazonen. Verwendet wer­ den die getrockneten Blüten und Blätter. Anwendung: Heilpflanzen, Übersicht. Schleiferkrankheit, die -»Silikose der Sandstein­ schleifer. Schleim, Mucus, die Absonderung der Schleimdrü­ sen (mukösen Drüsen) und Becherzellen der -»Schleim­ haut. S. dient dem Feuchthalten und Schlüpfrigmachen der Schleimhaut sowie als mechan. Schutzschicht. Bei al­ len katarrhal. Entzündungen, z. B. bei -»Schnupfen, ist die S.-Bildung als Abwehrmaßnahme vermehrt. Schleim, abkochungen werden hergestellt aus: a) Haferflocken (Haferschleim), b) Graupen (Gersten­ schleim), c) Reis (Reisschleim). Zubereitung. Zua): 1—3 Eßlöffel Haferflocken wer­ den in 1 1 Wasser 10 Minuten (siehe Packungsvorschrift) gekocht und durch ein Haarsieb gegeben. Zu b): 2—4 Eß­ löffel Graupen werden 12 Stunden vorher eingeweicht und etwa 2 Stunden gekocht. Durchtreiben durch ein Haarsieb und Auffüllen des eingekochten Wassers. Zu c): 50—100 g Reiskörner werden 12 Stunden eingeweicht und mindestens 2 Stunden gekocht. Es folgt zweimaliges Durchtreiben durch ein Haarsieb und Auffüllen des ein­ gekochten Wassers. Nach Geschmack kann bei allen Zubereitungen eine Prise Salz beigefügt werden. Es sind auch vorgekochte Schleime im Handel, welche die Herstellung von S. außer­ ordentlich erleichtern. Am gebräuchlichsten ist der in der kürzesten Zeit herstellbare Haferschleim. S. sind leicht verdaulich und werden als Schonkost bei allen akuten Durchfällen verwendet. Sie haben aber nur geringen Nährwert und stellen auf die Dauer eine völlig unzurei­ chende Nahrung dar, da sie nur Kohlenhydrate enthalten, während Eiweiß, Fett und Vitamine fehlen. — S. in der Säuglingsernährung, -» Heilnahrung. Schleimbeutel, Bursae synoviales, Säcke, die mit Gelenkschmiere (Synovia) gefüllt sind und innerhalb des Bindegewebes in der nächsten Umgebung an Gelen­ ken, Muskeln oder Sehnen liegen. Sie mildern die Reibung zwischen Haut, Sehnen, Gelenkkapseln und Knochen (z. B. Ellenbogen, Kniescheibe). Bei chron. Belastung nei­ gen sie zu schmerzhafter Entzündung (-► Schleimbeutel­ entzündung). Schleimbeutelentzündung, Bursitis, eine Er­ krankung des zum Weichteilmantel eines Gelenks gehö­ renden Schleimbeutels. Ursachen sind wiederholte Ver­ letzungen oder chron. Dauerreiz. Typisch ist die S. über der Kniescheibensehne bei Fliesen- oder Parkettlegern (Scheuerknie), die S. am Ellenbogen bei Glasschleifern. Seltener ist die S. als Begleiterkrankung durch chron. Ent­ zündungsvorgänge bei Polyarthritis, Tuberkulose, Go­ norrhö oder Gicht. Die chron. S. kann nach Monaten zu Kalkeinlagerun­

Schl gen und später zu Verknöcherungen neigen (Bursitis calcarea). Über ihr Auftreten an der Schulter -» Periarthritis humeroscapularis. Nach äußeren Verletzungen wie Stich­ wunden, Eindringen von Fremdkörpern und durch Punk­ tionen kann es zur eitrigen S. kommen. Behandlung: Beseitigung der Ursache; Punktionen des Schleimbeutels oder Einspritzungen (meist von Corti­ sonpräparaten) führen selten zum Erfolg. Die operative Entfernung des Schleimbeutels gilt als sicherste Maßnah­ me. Vorbeugung durch Tragen von Schutzmitteln (z. B. Kniekappen) bei belastenden Tätigkeiten. Relativ selten und der Behandlung mit Chemotherapeutika gut zugäng­ lich ist die tuberkulöse Schleimbeutelerkrankung. Schleimdrüsen, muköse Drüsen, schleimabson­ dernde Drüsen (-»Schleim, -»Schleimhaut). Schleimgeschwulst, das -»Myxom. Schleimhaut, Tunica mucosa, die schleimabson­ dernde innere Auskleidung der Hohlorgane des Körpers, des gesamten Verdauungskanals (Mundhöhle bis After), des Atmungsapparats (Nasenhöhle, Luftröhre, Lungen), der harnableitenden Wegeund vonTeilen derGeschlechtsorgane (Samenleiter, Eileiter und Gebärmutter). In man­ chen Hohlorganen fehlt die Schleimbildung, z. B. in der Harnblase. Die S. bestehen aus einer Bindegewebsschicht von wechselnder Dicke und aus der oberen, an der freien S.-Fläche gelegenen Epithelschicht, die aus einschichti­ gem oder mehrschichtigem Platten-, Zylinder- oder Flim­ merepithel besteht. In der Epithelschicht münden einfa­ che (Becherzellen) oder zusammengesetzte Schleimdrü­ sen. Außerdem sind in das Epithel selbst Schleimdrüsen eingelagert. Unter dereigtl. S. liegt meist eine Schicht von glatter Muskulatur, die die Eigenbewegung der S. voll­ zieht, bes. der von der Darm-S. gebildeten Falten und Zot­ ten. Der Schleimüberzug ermöglicht einem rauhen Kör­ per (Bissen), leicht über die S. hinwegzugleiten, und der Luft, ohne große Reibung über sie zu streichen (im Kehl­ kopf beim Sprechen und Singen). Die S. des Darms hat auch die Aufgabe, aus dem Nahrungsbrei Nährstoffe auf­ zusaugen. Andere S. wieder liefern ein besonderes Sekret, so z. B. die Magen-S. den Magensaft. Schleimhautpolyp, gutartige, von den Schleimhäu­ ten verschiedener Organe, z. B. der Nase, des Verdau­ ungskanals, der Harnblase und der Gebärmutter, ausge­ hende Gewebswucherung, die, je nach ihrem Sitz, ver­ schiedene Erscheinungen, u. a. auch Blutungen, verursa­ chen kann. (-»Polypen) schleimlösende Mittel, -»Hustenmittel. Schlenzbad, das-► Überwärmungsbad. Schleudertrauma, Peitschenschlagverlet­ zung, typ. Schädigung der Halswirbelsäule und der be­

nachbarten Weichteile bei Auffahrunfällen. Entweder folgt einer heftigen Beschleunigung des Rumpfes ein Zu­ rückschlagen des Kopfs in der Gegenrichtung, oder einem Vorschnellen des Kopfs (z. B. bei Insassen mit Sicherheits­ gurt) folgt eine rückwärtige Überstreckung. Dabei wer­ den Nerven und Gefäße, die seitlich zwischen den Wirbel­ körpern verlaufen, gezerrt. Das Rückenmark kann durch Bänder und Zwischenwirbelscheibenwülste kurzzeitig ge­ quetscht werden. Verletzungszeichen sind schmerzhafte Bewegungseinschränkung und verspannte Muskulatur, oft als -» Halswirbelsyndrom auftretend. Bei stärkerem S. können Schwindel, Übelkeit, Gefühlsstörungen mit Miß­ empfindungen in den Gliedern und Muskelschwäche (auch einseitig) vorkommen. Stärkere Gewalteinwirkung führt ferner zur Verrenkung oder zum Wirbelbruch. Im­ mer sind Röntgenaufnahmen in mehreren Ebenen nötig. Behandlung: Ruhigstellung der Halswirbelsäule durch Schanzsche Halskrawatte für 2—6 Wochen. Durch geeignete Nackenstützen in Kraftfahrzeugen kann das Zurückschleudern des Kopfes verhindert werden. Schlichtungsstelle für Arzt-Haftpflichtfragen,

-» Behandlungsfehler. Schlickbäder, -»Schlammbäder. Schließmuskel, Sphinkter, ringförmig um eine Öffnung liegender Muskel. S. aus quergestreifter Musku­ latur sind dem Willen unterworfen, z. B. der S. des Mun­

des, der Scheide, des Afters, des membranösen Teils der männl. Harnröhre; S. aus glatter Muskulatur wirken un­ abhängig vom Willen und öffnen sich reflektorisch auf Nervenreize hin, z. B. der S. des Pförtners am Magen. Blase, Harnröhre und After werden außerdem durch un­ willkürlichen S. in einem Dauerverschluß gehalten. Auch der S., der die Pupille verengt und erweitert, ist ein unwillkürl. Muskel. Schlottergelenk, Gelenk mit abnormer Beweglich­ keit aber krankhaften Bewegungsrichtungen. Ursachen sind: 1) Kapsel- oder Bänderüberdehnungen durch chron. Gelenkerguß oder durch Verletzungen. Typisch ist das mehrfach verletzte >Fußballerknie< mit früheren Rissen eines oder beider Kreuzbänder und der hinteren Gelenk­ kapsel. 2) Lähmungen der Muskulatur (z. B. Kinderlähmung, Tabes dorsalis); es fehlt hierdurch die muskuläre Stabili­ sierung. Bei Schulter- und Kniegelenken kommt es bes. zum S., bei anderen Gelenken eher zur Verrenkung. 3) Veränderungen an den Gelenkflächen, z. B. bei der schweren Arthrosis deformans im Alter (O- oder X-Beine) infolge chron. deformierender Arthritis oder nach Kno­ chenbrüchen von Gelenkkopf oder -pfanne; häufig nach Schienbeinkopfbrüchen. 4) Gelenkblutungen nach deren Rückbildung bei Blu­ tern. Die Behandlung richtet sich nach der Ursache. Schlucken, 1) das Befördern von flüssigen oder fe­ sten Speisen aus der Mundhöhle in den Magen. Das S. be­ steht aus einer Reihenfolge von Muskelzusammenziehun­ gen, die den Bissen zuerst allmählich, dann rasch an den Mageneingang bringen. Durch das Heben zuerst der Zun­ genspitze und dann des Zungenkörpers wird der Bissen nach hinten geschoben und gleichzeitig durch die Rachenund Gaumenmuskulatur die Nasenhöhle gegen den Ra­ chenraum verschlossen. Der so eingeengte Bissen, der auch nach vorn nicht gegen den noch erhobenen Zungen­ körper entweichen kann, gleitet nun mit Hilfe der Schlundschnürermuskulatur in die Speiseröhre. Da deren Längsfasern sich gleichzeitig zusammenziehen, wird sie in einen klaffenden Schlauch verwandelt, durch den Flüssig­ keiten und weiche Bissen mit einem Ruck hindurchge­ spritzt werden. Feste Speisen werden durch die ringförmig durchschnürende (peristalt.) Bewegung der Ringmusku­ latur in der Speiseröhre weitergeschoben. Zur Sicherung gegen das Verschlucken werden die Luftwege durch mehr­ fachen Verschluß gegen den Schlund abgetrennt, bes. da­ durch, daß der Kehlkopf hochgezogen und so der Zungen­ grund wie ein Pfropfen auf ihn gedrückt wird; außerdem schließt sich der Kehldeckel und gleichzeitig die Stimm­ ritze. Das S. ist ein Reflex; die zusammengesetzten Einzel­ vorgänge sind dem Schluckzentrum im verlängerten Mark unterstellt. Der Schluckreflex wird durch Berüh­ rung bestimmter, Schluckstellen genannter Teile an den Gaumenbögen ausgelöst und verläuft, wie jeder Reflex, ohne Willen. Beim willkürl. S. bringt man Speichel an die Schluckstellen und löst dadurch den Reflex aus. Die Dauer des S. liegt beim Menschen für Flüssigkeiten unter einer, für feste Speisen zwischen 5 und 10 Sekunden. Schlucken 1): Schematische Darstellung. Um den Bissen über die Kreuzungsstelle zwischen dem Luft- und Speise­ weg (Bild 1) sicher in die Speiseröhre (b) zu leiten, werden der Nasenraum (c) durch den weichen Gaumen (d) und die Luftröhre (a) durch den Kehldeckel (e) abgeschlossen (Bild 2)

Schluckstörungen (Dysphagien) treten bei Schädigung des Schluckzentrums im Verlauf bestimmter seltener In­ fektionen auf und sind gefährlich, da durch Verschlucken Speiseteile in die Luftwege und Lungen gelangen und zu Lungenentzündungen führen können. Die häufigste Ursache einer Lähmung der Schlundmuskulatur sind neurolog. Erkrankungen. Oft ist lange Sondenernährung notwendig. In den meisten Fällen heilt die Läh­ mung aus. Bei unvollständigem Gaumen, z. B. Lippen-Kiefer-Gaumenspalten (Wolfsrachen), oder bei -►Gaumensegellähmung können Speiseteilchen in die Nasenhöhle kommen. Bei Verengung der Speiseröhre 669

Schleimhaut: Flimmerepithel mit Becherzellen

2

Schlucken 1)

Schl durch Geschwüre, Geschwülste, Aussackungen (Diverti­ kel) oder Krämpfe kann der Bissen steckenbleiben. Dia­ gnose durch Röntgenuntersuchung. Beim Auflachen während des S. oder beim Sprechen während des Essens kann es zum -»Verschlucken kommen. 2) Schluckauf, Schlucksen, Singultus, ein eigentümlich schallendes, unwillkürl., krampfhaftes Einatmen, das durch stoßweise Zwerchfellzusammenziehungen hervor­ gebracht wird. Der Schluckauf ist im allgemeinen harm­ loser Natur, aber bei längerer Dauer lästig. Er wird durch hastiges Herunterschlingen und rasche Anfül­ lung des Magens hervcrgerufen; leicht auslösend wirken trockene Speisen, z. B. Brötchen. Anhaltender, quälen­ der Schluckauf entsteht gelegentlich nach Bauchopera­ tionen und im Verlauf von entzündl. Erkrankungen des Bauches, bes. bei Bauchfellentzündung. Behandlung: Häufig genügt Ablenkung. Günstig wirken Atemanhalten, Betätigung der Bauchpresse mit anschließender übertrieben starker Ausatmung (Reizung des Atmenzentrums durch Kohlendioxidanreicherung, nicht bei Kindern!), Trinken von kohlensäurehaltigem Wasser, Eiswasser oder Novocainlösung, Riechmittel, Schnupftabak. Die Behandlung des schweren anhaltenden Schluck­ aufs ist Aufgabe des Arztes. Schluckimpfung, -»Schutzimpfung. Schlund, Pharynx, umfaßt den -»Nasenrachen­ raum, den Rachen und die Gegend unmittelbar oberhalb des Kehlkopfs. Schlupfwarzen, die -»Hohlwarzen. Schlüsselbein, Clavicula die, der paarige Kno­ chen, der beiderseits zwischen Schulterblatt und Brust­ bein vom den knöchernen Schultergürtel schließt (Mo­ dell des Menschen nach S. 400). Durch das S. wird die Form des oberen Brustkorbs wesentlich beeinflußt. Schlüsselbeinbruch, entsteht meist durch Sturz auf den Arm, seltener durch direkten Anprall. Krankheitszeichen sind Schonhaltung des Arms, der nicht aktiv gehoben werden kann; über dem Schlüsselbein sind Schwellung und Knochenreiben (Krepitation) fühl­ bar (nicht bei dem Grünholzbruch, -► Knochenbruch),

Schlüsselbeinbruch

Schmerzhaftigkeit bei Bewegungen. Komplikationen ent­ stehen durch Verletzung der Schlüsselbeinarterie oder der Lunge (selten). Manchmal wird zunächst an eine Schulter­ verrenkung gedacht, deshalb sollte stets eine Röntenaufnahme des Schultergelenks erfolgen. Behandlung: Nach Einrenkung des Bruchs wird ein stramm sitzender Rucksackverband angelegt. Dieser ist während 4 Wochen täglich zu kontrollieren und nachzu­ spannen. Eine Ruhigstellung des Schultergelenks ist nicht notwendig. Gelegentlich kommt es nach S. zu einer Falschgelenkbildung. Schlüsselblume, Primula veris, zu den Schlüssel­ blumengewächsen (Primulaceae) gehörende, formenrei­ che Pflanzenart in warmgemäßigten Klimazonen. Der ge­ 670

trocknete Wurzelstock enthält bis zu 10% Saponine, v. a. Primulasäure A, und bis zu 0,25 % äther. Öl. Die getrock­ neten gelben Blüten (mit und ohne Kelche) enthalten Stoffe mit vermutlich schweißtreibender und beruhigen­ der Wirkung. Die artverwandte Becherprimel (Primula obconica) enthält in Kelch und Blütenstielen das Gefäß­ gift Primin, das nach Kontakt mit der Haut lokal entzündlich-allerg. Erscheinungen hervorrufen kann. Anwen­ dung: Heilpflanzen, Übersicht. Schlüsselkinder, ganz oder zeitweise unversorgte Kinder aus Familien, deren Eltern (ggf. auch der alleinste­ hende Eltemteil) z. B. wegen Erwerbstätigkeit sich nicht im vollen Umfang ihren Kindern widmen können und ih­ nen den Wohnungsschlüssel aushändigen, um ihnen die Selbstversorgung nach Schulschluß zu ermöglichen. Durch mangelnde Zuwendung und Beaufsichtigung, teils auch durch die von den Eltern als Ausgleich geübte Ver­ wöhnung, können sich häufig Fehlentwicklungen, emo­ tionale Störungen (Gefühllosigkeit) sowie Schul- und Er­ ziehungsschwierigkeiten ergeben. Schlüsselreize, Kernreize, Reize, die angeborenen Verhaltensweisen angepaßt sind und dem Instinktverhal­ ten entsprechende Handlungen auslösen (K. Lorenz, * 1903). Die Bezeichnung Signalreize gilt u. a. für S., die ausschließlich von Individuen derselben Art ausgehen. S. spielen im emotionalen Bereich des Menschen, somit auch in seinem gesellschaftl. und geschlechtl. Verhalten, eine wichtige Rolle. Schmarotzer, der -» Parasit. Schmerz, unangenehmes bis peinigendes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit tatsächl. oder möglicher Ge­ websschädigung verknüpft ist oder mit Begriffen einer solchen Schädigung beschrieben wird. Entstehung. S. entsteht bei der Reizung spezieller Reizaufnehmer (Nozizeptoren, >SchadensmelderaufschaukelnLeitschiene Nerv< der Schädi­ gungsort bestimmt werden. 3) übertragener S., S.-Gebiet und Schädigungsort wei­ sen keinen direkten Zusammenhang auf; der z. B. von den Eingeweiden oder vom Bewegungsapparat ausgehende S. wird jedoch in bestimmte, zugeordnete Oberflächenge­ biete übertragen (— Headsche Zonen). 4) Kausalgie, chron., brennender S. mit Schwitzen und vermehrter Hautdurchblutung im betroffenen Gebiet, verursacht durch Nervenverletzung. Die S.-Empfindung ist eine höchst bemerkenswerte Fä­ higkeit des Organismus. Da der S. so wenig quantitativ zu fassen ist, hat eine mechanist. Wissenschaft ihn häufig übersehen und als unwichtiges, >nur< subjektives Krank­ heitssymptom vernachlässigt. Unter diagnost. Aspekt können sowohl das Fehlen einer S.-Empfindung von Be­ deutung sein wie auch das Auftreten eines S., seine Lokali­ sierung, Artung (z. B. brennend, ziehend, stechend, dumpf) und Dauer. Das Vorhandensein von S. und seine Stärke sind jedoch nicht unbedingt ein Kennzeichen für die Schwere einer Erkrankung. Viele gefährl., sogar auf die Dauer tödl. Erkrankungen können fast oder völlig ohne S. verlaufen. Die ersten Stadien des Krebses und an­ derer Geschwülste sind allgemein schmerzlos. Die schwe­ ren Erkrankungen des Blutes, die perniziöse Anämie und Leukämie, verursachen keine unmittelbar damit zusam­ menhängenden S. Die bedrohl. Folge einer Nierenentzün­ dung, die Schrumpfniere, deren Entwicklung man durch rechtzeitige Erkennung und Behandlung der akuten Nierenentzündung verhindern könnte, entwickelt sich schmerzlos. Der Herzklappenfehler und die Hochdruck­ krankheit sind, zumindest im größten Teil ihres Verlaufs, ebenso frei von S. wie viele Erkrankungen des Stoffwech­ sels. Andererseits gibt es Krankheiten, bei denen keine ernste Lebensgefährdung vorliegt, die aber zu den schlimmsten S. führen, unter denen die Kranken schwer leiden. Dazu gehören die Neuralgien des Gesichtsnervs (Trigeminusneuralgie), die Migräne, der Zahn-S., viele Formen des rheumat. S. u. a. Sehr auffällig ist die Tatsa­ che, daß es viele Menschen gibt, die schon jahrelang eine große Zahl von Gallensteinen, gelegentlich auch von Nie­ rensteinen, haben, ohne einen S. zu spüren, und anderer­ seits kann ein einziger kleiner Stein stärkste Kolik-S. ver­ ursachen, sobald er in den muskelreichen engen Wegen der galleabführenden Gänge oder im Harnleiter stecken­ bleibt und dort eine Muskelkontraktion der Wände aus­ löst. Bei anderen Fällen kommt der S. erst spät, und wenn z. B. der erste Anfall einer schweren Angina pectoris die Gefährdung des Herzens dringlich anzeigt, so ist diesem Stadium meist schon eine lange Entwicklung vorangegan­ gen, in der die krankhafte Umgestaltung der Herzarterien sich allmählich und schmerzlos vorbereitete. Das Schmerzerlebnis ist in wesentl. Maß von seel. Einflüssen abhängig, die Empfindlichkeit ist individuell unterschiedlich. Als subjektives Erlebnis entzieht sich die

S.-Empfindung weitgehend einer objektiven Messung. Durch Ablenkung, Suggestion (auch Verabreichung von -►Plazebos) und durch Hypnose kann die Empfindlich­ keit in verschiedenem Maß herabgesetzt werden. Auf autosuggestive Wirkungen ist auch die extreme Unemp­ findlichkeit von Yogis zurückzuführen. Bestimmte seel. Krankheiten können ebenfalls mit einer starken Herab­ setzung der S.-Empfindlichkeit verbunden sein (Selbst­ verstümmelung der Kranken). Bei abnormen Persönlich­ keiten kann ein überwiegend bis ausschließlich lustbeton­ tes S.-Erleben gegeben sein (-»Masochismus). Es gibt auch S.-Erlebnsisse hohen Grades, die rein seel. Ursprung haben und denen mit den bekannten Untersu­ chungsmethoden keine körperl. Veränderungen zugeord­ net werden können. Schmerz: Verteilung der Druck-und Schmerzpunkte auf der Haut (Innenseite des Unterarms); die Gesamtfläche beträgt 1 cm2 (nach Strughold, aus H. Rein/M. Schnei­ der, /Physiologie des Menschent)

Schmerzbekämpfung, Versuch einer Ausschal­ tung körperl. Schmerzen durch Eingriffe an den schmerz­ leitenden Nervenbahnen oder deren Zentren. Den Er­ kenntnisfortschritten über Entstehung, Leitung, Wahr­ nehmung und Beantwortung des Schmerzes entsprechen unterschiedl. Behandlungsformen, die in die einzelnen Schmerzphasen einzugreifen versuchen: 1) Tabletten, Zäpfchen, Lösungen zum Einnehmen, Salben zum Einreiben, die klass. konservativen Ver­ fahren. 2) Injektionen von in Flüssigkeit gelösten Schmerzmit­ teln zur örtl. Betäubung (Lokalanästhesie) oder zur Un­ terbrechung der Schmerzleitung (Nervenblockade) mit Hilfe der Infiltrations- oder der Leitungsanästhesie (-►Anästhesie). Eine weitere Methode der S. ist die der kontralateralen Lokalanästhesie, bei der die Schmerz­ punkte der gegenüberliegenden gesunden Körperhälfte örtlich betäubt werden. Man erreicht so — über Reflex­ bahnen — eine Schmerzausschaltung. 3) Operation, z. B. Durchtrennung der betroffenen Nerven; Zerstörung der schmerzleitenden Bahnen im Ge­ hirn (-»Leukotomie); Einpflanzung von Elektroden in oder an das Rückenmark, über die der Patient elektr. Impulse auslösen kann, die den Schmerz >übertönen< und ihn damit praktisch ausschalten; die stereotakt. Zerstö­ rung bestimmter kleinster Hirnareale, bei der Elektroden durch den Schädelknochen an den gewünschten Ort auf zuvor mit einem Computer errechneten und festgelegten Bahnen gebracht werden, über die dann das bestehende Gewebe >verkocht< (Gewebezerstörung durch hohe Temperatur) werden kann. 4) Suggestion, Hypnose, Psychotherapie; dabei werden nicht die Schmerzen selbst, sondern ihre Wahrnehmung verändert. Das Schmerzgefühl bleibt erhalten, jedoch wird der Schmerz weniger stark beachtet und bewertet. 5) Elektrostimulation, bei der mit großflächigen Elek­ troden die Haut im schmerzhaften Bereich oder über den in den schmerzhaften Bereich ziehenden Nerven mit hoch­ frequenten elektr. Impulsen durchflutet wird. Dadurch kommt es zu einer vermehrten Beanspruchung der Ner­ venleitungsbahnen durch die Hautreize; der Schmerz kann nur noch über die verbleibenden wenigen Fasern ge­ leitet werden, der Schmerzreiz verliert dadurch an Um­ fang und wird nur am Rand wahrgenommen. 6) Die in ihrem Wirkungsmechanismus noch nicht ge­ nau geklärte -»Akupunktur. 7) Phytotherapie. Sie beruht auf der Anwendung teils seit langem bekannter, vielgebrauchter, teils auch in Ver­ gessenheit geratener Heilkräuter. Da es sich im wesentl. um homöopath. Zubereitungen handelt, ist der Nachweis ihrer Wirksamkeit infolge der starken Verdünnung nur sehr schwer oder gar nicht zu führen; oft tritt eine helfende Wirkung ein, bei der auch ein Plazeboeffekt (-► Plazebo) beteiligt sein kann. 8) Mit der manuellen Therapie (-»Chirotherapie) wer­ den v. a. Störungen im Bereich des Bewegungsapparats (Muskeln, Sehnen, Knochen) behandelt. Bei allen diesen Verfahren muß die Ursache des Schmerzes festgestellt werden, damit die Entwicklung 671

Druckpunkte (/ Haore •

Schmerzpunkte

Schmerz

Schm von bösartigen Tumoren oder anderen ursächl. Erkran­ kungen nicht übersehen wird. Da die Wirkungender klass. Methoden 1—3 oft nur von kurzer Dauer sind und gelegentlich nicht mehr rückgängig zu machende Eingriffe darstellen (operative Durchtren­ nung von Nerven) oder bei langfristiger und hochdosier­ ter Anwendung anderweitige Organschäden, v. a. an Niere oder Leber, verursachen, sollte beim akuten, bes. aber beim chron. Schmerz, stets erst der Versuch unter­ nommen werden, die wegen ihrer geringen Schädlichkeit nicht so stark eingreifenden Methoden anzuwenden. Schmerzensgeld, ein Schadensersatzanspruch, der bei Verletzung des Körpers, der Gesundheit oder der Frei­ heit für einen nicht vermögensrechtl. (immateriellen) Schaden verlangt werden kann. Der S.-Anspruch hat über den Ausgleich für erlittene Schmerzen hinaus Genug­ tuungsfunktion. Seine Höhe richtet sich nach Billigkeit und kann durch Vergleich mit ähnlich gelagerten Fällen in etwa bestimmt werden. Der S.-Anspruch ist i. d. R. nicht übertragbar, nicht pfändbar und nicht verpfändbar, fer­ ner nicht vererblich, es sei denn, daß er vertraglich aner­ kannt oder rechtshängig geworden ist (§ 847 BGB).

Schmerzensgeld: S.-Beträge nach Verkehrsunfällen; Höchstsummen, die für die in den letzten Jahren nach Verlet­ zung des angegebenen Körperteils gezahlt wurden (Stand 1981/82)

In der Dt. Dem. Rep. kann S. in begrenztem Umfang bei Gesundheitsschäden verlangt werden (§ 338 Abs. 3 ZGB). — Das österr. Recht versteht unter S. den Ausgleich für alles Ungemach, das der Verletzte gefühlsmäßig erlit­ ten hat; der Anspruch ist abtretbar und verpfändbar (§ 1325 ABGB). — In der Schweiz kann jede Verletzung in den persönl. Verhältnissen bei Tötung oder Körperverlet­ zung auch ohne Verschulden eine Zahlungspflicht auslö­ sen (Art. 47, 49 O R); auch den Angehörigen eines Getöte­ ten kann ein S. zugesprochen werden. Schmerzkliniken, Kliniken, in denen Fachärzte ver­ schiedener Fachbereiche Zusammenarbeiten, um die je­ weiligen Ursachen eines chron. Schmerzzustands zu klä­ ren und gezielt zu behandeln. In Zweifelsfällen muß ge­ meinsam eine Diagnose oder Therapie erarbeitet werden. Die S. ermöglichen die Weiterentwicklung bisher ge­ bräuchlicher und die Erforschung neuer Methoden der Schmerzdiagnostik und -therapie. Im Ärzteteam einer S. sind v. a. folgende Fächer vertreten: Allgemeinmedizin, Anästhesie, Zahn- und Kieferheilkunde, Neurologie, Psychiatrie und Psychologie, Röntgenheilkunde, Neuro­ chirurgie und innere Medizin; andere Fächer werden bera­ tend hinzugezogen: Chirurgie, Orthopädie, Augenheil­ kunde, Gynäkologie und Kinderheilkunde. schmerzstillende Mittel, Analgetika, Antineuralgika, Mittel, die geeignet sind, die Schmerzleitungs­

bahnen oder ihre Zentren zu beeinflussen. Sie werden in Form von Tabletten (Dragees) und Zäpfchen verabreicht oder in einer Lösung eingespritzt (-»Einspritzung). 672

Man unterscheidet: 1)zentral angreifendes. M. Hierzu gehören -» Morphium und die mit ihm wirkungsverwand­ ten Opiate, wie z. B. Kodein, Levorphanol, Methadon, Pentazocin, Pethidin, Fentanyl. Die Opiate haben neben der schmerzstillenden eine beruhigende, schlaferzeu­ gende, hustendämpfende und pupillenverengende Wir­ kung. Sie setzen die Darmperistaltik herab und erschwe­ ren die Blasenentleerung. Wegen ihrer euphorisierenden Wirkung können sie Gewöhnung und Abhängigkeit ver­ ursachen. Die meisten Opiate unterliegen deshalb dem Be­ täubungsmittelgesetz. Überdosierung der Opiate kann zu Bewußtlosigkeit und tödl. Atemlähmung führen (-► Arz­ neimittelmißbrauch). 2) peripher angreifende s. M., eine chemisch uneinheitl. Gruppe, zu der Abkömmlinge der -»Salizylsäure (z. B. Azetylsalizylsäure), Pyrazolabkömmlinge (z. B. Propy­ phenazon, Metamizol), Fenamate (z. B. Mefenaminsäure), Arylessigsäureabkömmlinge (z. B. Diclofenac) sowie Aminophenolabkömmlinge (z. B. Phenazetin, Pa­ razetamol) gehören. Sie wirken auch fiebersenkend und, mit Ausnahme der Aminophenole, entzündungshem­ mend. Vertreter dieser Gruppe sind einzeln oder kombi­ niert in den gängigen Mitteln gegen Kopfschmerzen, Neu­ ralgien, Menstruationsbeschwerden u. ä. sowie in Rheumamitteln enthalten. Mißbrauch kann Nierenschädigun­ gen zur Folge haben (-»Phenazetin-Nephropathie). 3) Inhalationsnarkosemittel (-» Narkose) erzeugen vor Eintritt der Bewußtlosigkeit allgemeine Schmerzfreiheit. 4) Lokalanästhetika verursachen eine örtl. Schmerz­ ausschaltung (-»Anästhesie). Schmetterlingsflechte, der -»Erythematodes. Schmier|infektion, Übertragung von infektiösem Material (Auswurf, Eiter, Stuhl oder Harn) u. a. durch Nachlässigkeit oder Ünsauberkeit, Unwissenheit, schlechte sanitäre Lebensbedingungen, z. B. bei Typhus, Ruhr, Virushepatitis, Wurmkrankheiten. Schmierkur, Inunktionskur, alte Methode der Sy­ philisbehandlung durch Einreiben von grauer Quecksil­ bersalbe in die Haut; heute wegen der mit ihr verbundenen Vergiftungserscheinungen nicht mehr angewendet; sie er­ übrigt sich überdies nach Einführung des Penicillins. Schmier|öl|dermatitis, die Ölakne (-»Akne). Schmierseife, -»Seifen. Schminken, fettfreie Lösungen von Farbstoffen in wäßrigen oder wäßrig-alkohol., parfümierten Lösungen oder flüssige, creme- oder puderförmige Mittel, die meist höhere Anteile an ungefärbten oder gefärbten Pigmenten und flüssige bis streichfähige Fette oder fettartige Stoffe enthalten. Sie dienen zur Färbung der Haut, Lippen, Wimpern und Augenbrauen, auch zur Überdeckung von Hautdefekten. Aus den S. entwickelten sich die Make-upPräparate (-► Make up). Aus medizin. Gründen werden bei entstellenden Nar­ ben, Feuermälern u. a. Hautstörungen reiz- und allergen­ freie S. benutzt. Diese lassen sich durch die zusätzl. An­ wendung eines besonderen Puders wasserfest gestalten. Schmoren, ein Verfahren des -»Garens. Schmutzgeschwür, das -» Ekthyma. Schnabeltasse, Tasse mit röhrenförmigem langem Ansatz, der in den Mund genommen wird. Sie erleichtert Kranken das Trinken im Liegen (Bild Krankenpflege). Schnarchen, Geräusch, das beim Atmen durch die geöffnete Mundhöhle entsteht, wobei das schlaff herab­ hängende Gaumensegel in Schwingungen gerät. Es ent­ steht weiterhin zwischen Zungengrund und Rachenhin­ terwand (Zurückfallen der Zunge) oder im Bereich der Stimmlippen. Das S. tritt meist unwillkürlich im tiefen Schlaf auf. Bei Kindern wird es durch vergrößerte Ra­ chenmandeln begünstigt. Behandlung: Es gibt kein sicheres Mittel gegen S. Durch Rütteln oder lauten Anruf wird die Schlaftiefe her­ abgesetzt und das S. wenigstens vorübergehend behoben. Eine Behinderung der Nasenatmung sollte vordringlich behandelt werden. Nicht auf dem Rücken schlafen, son­ dern in Seitenlage! In unbeeinflußbaren Fällen Hochbin­ den des Unterkiefers mit einer elast. Binde.

Scho Schnecke, Knöcherne S., Cochlea, Teil des In­

nenohrs (-»Ohr). Schneeberger Lungenkrankheit [n. der Stadt Schneeberg im Erzgebirge], bei Bergarbeitern von Schneeberg u. a. Orten im Erzgebirge (Uranbergbau) auf­ getretener Lungenkrebs (oft zusammen mit Staublungen­ erkrankung und Tuberkulose). Ursache ist die über Jahre hindurch eingeatmete radioaktive Grubenluft. Schneeblindheit, Erkrankung der Hornhautober­ fläche und Bindehautentzündung, verursacht durch intensive kurzwellige (ultraviolette) Strahlenanteile des Sonnenlichtes bei langem Anblick besonnter Schnee­ felder; Verhütung durch Schutzbrille. Behandlung wie bei Bindehautentzündung. schnellender Finger, durch knotenförmige Verdikkungen der Beugesehnen (Sehnenknötchen) verursachte Streck- oder Beugehemmung eines Fingers, die dadurch zustande kommt, daß die Sehne mit dem Knoten in den Engen der Sehnenscheide oder an ihrem Anfang hängen­ bleibt . Dieser Widerstand kann nur durch gewaltsame Be­ wegungsversuche überwunden werden, wobei es zu einem kurzen, schmerzhaften Ruck kommt. Die Behandlung ist operativ: Durchtrennen der Verdikkung oder Spaltung der Sehne. Schnitt|entbindung, der -»Kaiserschnitt. Schnüffeln, engl. Sniffing, das Einatmen von Dämpfen leichtflüchtiger Stoffe, z. B. Verdünnungs­ oder Lösungsmittel (Färb- oder Klebstoffe), zur Rausch­ erzeugung. Schnüffelsucht, -»Rauschgifte. Schnuller, Gummihütchen, das Säuglingen als Beru­ higungsmittel in den Mund gegeben wird. Ein S. ist harm­ loser in der Wirkung als ein Medikament. S. sind peinlich sauberzuhalten und täglich einmal aus­ zukochen. Bei längerem Gebrauch von Teeflaschen mit Saugern, die heute oft bis ins Kleinkindalter verwendet werden, ist die Gefahr der Gewöhnung an eine überhöhte Flüssigkeitsaufnahme, des Übergangs in -» Fingerlut­ schen und vermehrten Auftretens von Zahnkaries (durch Zuckergehalt des Tees) und Zahnfehlstellung gegeben. Schnupfen, Rhinitis, i. e. S. vermehrte und in ihrer Konsistenz veränderte Nasensekretion, i. w. S. ein akuter oder chron. Entzündungszustand von Nase und Nasen­ nebenhöhlen. Beim S. ist die Nasenschleimhaut nicht mehr in der Lage, durch ihre Flimmerhärchen das Sekret auf seinem natürl. Weg in den Nasenrachen und damit in die Speisewege zu transportieren, sondern das vermehrt produzierte Sekret tritt vorn aus der Nase aus. Der S. ist also nur ein Symptom, das viele Ursachen haben kann: vi­ rale oder bakterielle Infekte, ehern., mechan. oder therm. Reize (-»Erkältung), Allergien (z. B. Heuschnupfen), Intoxikationen; er kann sogar auf rein psych. Grundlage (-► Vasoneurosen) entstehen. Familiär auftretender chro­ nischer S. beruht offenbar auf Veranlagung. Neben der vermehrten Nasensekretion ist der S. gekennzeichnet durch eine Schwellung der Schleimhaut, bes. auf den Na­ senmuscheln, und damit eine Behinderung oder Verle­ gung der Nasenatmung. Daher bemüht sich die S.-Be­ handlung v. a. um Schleimhautabschwellung und damit Freimachen der Nasenatmung (Nasentropfen oder -spray); zugleich wird die Sekretion der Nasenschleim­ haut gehemmt. Chron. Formen des S. bedürfen einer ge­ nauen ärztl. Untersuchung, zu der auch immer die Rönt­ genaufnahme der Nasennebenhöhlen gehört, da Nase und Nebenhöhlen funktionell ein Ganzes bilden. Blutiger oder fleischwasserfarbener S. muß immer den Verdacht auf eine bösartige Geschwulst in Nase oder Nebenhöhlen erwecken, während einseitiger wasserklarer S. durch eine Liquorfistel, eine offene Verbindung zwischen Nase und Schädelinnerem (Subduralraum), verursacht sein kann. Der akute S. heilt unter symptomat. Behandlung mit Nasentropfen meist sehr schnell ab und bedarf keiner wei­ teren Maßnahmen. Dagegen sollte bei chron. S. immer durch den Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde eine genaue Untersuchung und Klärung der Ursachen vor­ genommen werden; erst dann sollte die Therapie erfolgen, die eine Beseitigung der Ursachen zum Ziel hat und sich nicht in rein symptomat. Maßnahmen erschöpfen darf. AB 43 : :

Schock, 1) körperlicher S., lebensbedrohl. Sauer­ stoffmangel in Organen und Geweben durch plötzl. Min­ derdurchblutung. Man unterscheidet: 1) Volumenmangelschock (hypovolämischer S.) bei Unfall, Operation, Verbrennung, Darm Verschluß, anhal­ tenden Durchfällen. Hauptmerkmal ist eine starke Ver­ minderung der zirkulierenden Blutmenge; die Gefahr ei­ nes S. besteht bei Blutverlusten ab 20%. 2) Kreislaufschock, herzleistungsbedingter S. (kardio­ gener S.) bei Herzinfarkt, Versagen des Lungenkreislaufs durch Überbelastung, Herzrhythmusstörung bis zum Kammerflimmern, Herzschwäche, Herzbeutelblutung und Embolie. Charakteristisch ist die akute Verminde­ rung der Herzpumpleistung (Herzzeitvolumen). 3) zentralnervöser S. (neurogener S.). Durch einen im Gehirn ausgelösten Reflex kommt es über den Vagus­ nerv (vegetatives Nervensystem) zu einer plötzl. Kreis­ laufschwäche (-»Kollaps); Vorkommen bei Schreck, Schmerz, Angst, Schädigung des Kreislaufregelzentrums im zentralen Nervensystem (Vasomotorenschock) und bei Verletzungen von Hohlorganen (Perforationsschock, z. B. nach Bauchverletzungen). 4) bakterieller S. (septischer S.). Bei diesem oft tödl. S.Geschehen wird der Körper von (meist gramnegativen) Bakterien überschwemmt. Zellbestandteile der Bakterien (Toxine) schädigen Organe und Gewebe, die Kreislauf­ pumpleistung bricht (u. U. nach vorübergehender Steige­ rung der Herzleistung) dann rasch zusammen. Einen weniger schweren Verlauf nimmt das auf örtlich begrenzter Staphylokokkeninfektion (Staphylococcus aureus) beruhende toxische Schocksyndrom (TSS), das stets ursächlich mit einer Wundinfektion in Zusammen­ hang steht: bei der Frau v. a. während der -»Menstrua­ tion, selten (auch beim Mann) als Verletzungsfolge. Das Erscheinungsbild dieser Schock form tritt auch ver­ spätet nach bereits erfolgter Wundheilung auf. Das Krankheitsbild (hohes Fieber, Hauterscheinungen, Ma­ gen-Darm-Störungen und Muskelschmerzen) kann durch eine Leber- und Nierenschädigung kompliziert sein. Be­ reits bei Verdacht sollte eine gezielte Therapie mit Breit­ bandantibiotika durchgeführt werden. 5) allergischer S. (anaphylaktischer S.). Die wieder­ holte Gabe eines Arzneimittels, bes. bei Injektion in die Blutbahn, kann eine Immunreaktion (-► Immunität) aus­ lösen und führt im Rahmen einer meist erworbenen Über­ empfindlichkeit des Körpers gegen dieses Mittel zu einer bedrohl. Allgemeinreaktion: Frösteln, Juckreiz, Haut­ erscheinungen, Kreislaufversagen. Beobachtet werden solche schlagartig einsetzenden Reaktionen bei Gabe von Röntgenkontrastmitteln, Antibiotika, Schmerzmitteln, Impfstoffen u. a. 6) Blutzuckermangel-S. (hypoglykämischerS.), Absin­ ken des Blutzuckerspiegels unter eine lebensnotwendige Konzentration, meist durch übermäßige Insulinzufuhr; ferner bei Arzneimittel- oder Alkoholvergiftung, Ge­ schwülsten, angeborenen Stoffwechselkrankheiten und Leberkrankheiten. Am Anfang treten neben den typ. Schockzeichen auffallende Schwäche und Bewußtseins­ störungen auf. Zuckerzufuhr ist oft lebenssrettend. Obgleich verschiedene Ursachen den S. auslösen kön­ nen, sind Ablauf und Krankheitsbild im wesentl. ähnlich. Das im Vordergrund stehende zunehmende Kreislaufver­ sagen führt zu einer Störung der lebensnotwendigen Sauerstoffversorgung der Organe. Der Kreislauf be­ schränkt sich au f seine zentrale Fun kt ion, die Strecken des Sauerstoffaustausches sind verbreitert, dadurch wird das Sauerstoffangebot dem Sauerstoffbedarf der Zelle nicht mehr gerecht. Die notwendige Umstellung der Zellen auf einen Stoffwechsel unter Sauerstoffmangel führt zu einer Übersäuerung des Gewebes mit einer Häufung von schädl. Substanzen. Ursächlich daran beteiligt ist die stockende Durchblutung der kleinsten Blutgefäße (Kapil­ laren), in welchen der Sauerstofftransport erfolgen soll. Hier kommt es unter Veränderungen der Fließeigenschaf­ ten (Viskosität) des Blutes zu Störungen der Blutgerin­ nung mit Bildung von kleinsten Gerinnseln. U. a. führt die zunehmende Übersäuerung zur Zerstörung von Zellen, deren frei werdende Bestandteile (lysosomale Enzyme, Endotoxine, Kinine u. a.) den S. verstärken. Zentrales 673

Scho Problem beim S. ist offenbar der Zellmembranschaden mit seinen weitreichenden Folgen für alle Organe. Die Veränderungen in der Lunge bestehen in einer Ver­ dickung der feinen Membranen zwischen Lungenbläs­ chen und Lungenkapillaren (Schocklunge). Dadurch ist der Sauerstofftransport (Diffusion) in das Blut behindert. Bei zusätzlich verminderter Lungendurchblutung ent­ steht eine Wasseransammlung im Lungengewebe und so­ gar in den Lungenbläschen, es kommt zum -»Lungen­ ödem. Lungenversagen im S. wird im internat. Sprach­ gebrauch als Adult respiratory distress syndrome (engl., Abk. ARDS) bezeichnet. In den bes. gefährdeten Nieren kommt es zur Zellschwellung und Gerinnselbildung, die Durchblutung und nachfolgend die Urinproduktion sin­ ken. Schockniere durch Nierenversagen. Schockzeichen: auffallende Blässe, kühle schwei­ ßige Haut, Durst und Übelkeit, schneller Schlagaderpuls, Blutdruck unter 100, geringe oder abnehmende Urinaus­ scheidung. Der -» Schockindex dient als Hinweis auf die Schwere des S. Wichtiger als dieser Wert ist allerdings der Gesamteindruck des Kranken. Behandlung durch Sofortmaßnahmen: a) Schock­ lagerung (Kopf tief, Bild Erste Hilfe, Anhang); b) Sauerstoffzufuhr, Patient frischer Luft aussetzen, Unter­ kühlung vermeiden; oft ist -» künstliche Atmung notwen­ dig; c) Infusionsbehandlung. Bei allen S.-Formen (Aus­ nahme: herzleistungsbedingter S.) ist die sofortige Gabe von mindestens einem Liter Infusionsflüssigkeit nötig. Zuerst werden Blutersatzflüssigkeiten gegeben, dann wäßrige Lösungen; im Krankenhaus werden Bluttransfu­ sionen durchgeführt. Die Gefahr einer Überinfusion mit zuviel Flüssigkeit besteht beim Volumenmangelschock nicht, zuwenig Infusionsflüssigkeit verschlechtert aber die Überlebensaussichten. Im Krankenhaus wird ein zen­ tralvenöser Katheter gelegt, um den Blutdruck vor der rechten Herzhälfte messen zu können. Ein Blasenkatheter ist unbedingt notwendig. Die Durchbrechung des S., der unbehandelt tödlich ist, gelingt heute unter Anwendung intensivmedizin. Behandlungsmaßnahmen fast immer. 2) seelischer S. (Nervenschock, psychischer S.), tiefe, unerwartete Betroffenheit durch katastrophale Ereig­ nisse oder persönl. Schicksalsschlag. Der psychisch-af­ fektive S. (Orientierungsverlust, Erregung, Erstarrung) und die begleitenden körperl. Anzeichen (Zittern, Schwit­ zen, Ohnmacht, Kreislaufschwäche) klingen meist spur­ los wieder ab. Andererseits darf die Gefahr einer abnor­ men Erlebnisreaktion oder einer traumat. Neurose nicht unterschätzt werden (z. B. nach Geiselnahme, Vergewal­ tigung); Psychotherapeut. Behandlung wird dann nötig. Schockbehandlung, 1) die Behandlung des -»Schocks. 2) Heilkrampfbehandlung, die Herbeiführung eines künstl. Schocks (Elektroschock, Elektrokrampf), ein äl­ teres Verfahren zur Behandlung von Hirnkrankheiten. Auf der alten psychiatr. Erfahrung fußend, daß Epilepsie und Schizophrenie sich im allgemeinen ausschließen, be­ nutzte der Wiener Nervenarzt M. J. Sakel den seit Ein­ führung des Insulins bekannt gewordenen, durch Blut­ zuckersenkung bedingten Schock, um auf diesem Weg eine künstliche Ausschaltung des Bewußtseins zu errei­ chen. Etwas später wurde die Insulinschocktherapie durch weitere Verfahren mit dem schnell in die Venen ein­ gespritzten Cardiazol (Cardiazolschock) ergänzt (nach Meduna). 1937 entwickelten die ital. Ärzte Cerletti und Bini ein Verfahren, mittels starker elektr. Ströme, die durch das Hirn geleitet werden, ebenfalls Krampfanfälle mit Bewußtlosigkeit auszulösen. Dieser Elektroschock wird, weil am besten steuerbar, heute noch, wenn auch sel­ ten, bei akuter Schizophrenie und schwersten Fällen von Depression angewendet. Die S. ist heute weitgehend durch die Behandlung mit Psychopharmaka abgelöst. Schock| index, Quotient aus Herzfrequenz und systol. Blutdruck zur Bestimmung der Minderung des Blutvolumens im Schock. Normal wird ein Wert von 0,5 angenommen (Herzfrequenz 70 : systol. Blutdruck 140, S. = 0,5). Der S. kann bei zunehmendem Blutverlust auf 1,0 und höher ansteigen (dekompensierter Schock). Schocksyndrom, -»Schock. 674

Schokolade, Nahrungsmittel aus Kakaomasse, Zukker, Gewürzen (Vanille, Zimt, Nelken, Kardamom), mit oder ohne Kakaobutter, Milch, Sahne. Vielfach werden Trockenmilchprodukte, Nüsse, Trockenfrüchte und Fül­ lungen (Nougat, Marzipan, Krokant u. a.) zugesetzt. Die S.-Herstellung unterliegt einer strengen Kontrolle durch die Lebensmittel-Untersuchungsämter, um Beimischung von Fremdstoffen zu verhindern. S. enthält Eiweiß, Fett, Kohlenhydrate und Mineralstoffe, der Nährwert beträgt 2242—2410 Joule/100 g; sie gehört nicht zu den vollwerti­ gen Nahrungsmitteln (geringer Eiweißgehalt, kaum Vit­ amine oder Spurenelemente) und sollte im Kindesalter nur in kleinen Mengen genossen werden. Der Genuß von S. fördert bei manchen Menschen die Neigung zur Verstopfung. Schöllkraut, Chelidonium majus, zu den Mohn­ gewächsen (Papaveraceae) gehörende, bis 1 m hohe Pflanze in warmgemäßigten Klimazonen. Die zu Beginn der Blütezeit gesammelten, getrockneten oberird. Teile enthalten bis zu 0,6% verschiedene Alkaloide, v. a. Chelidonin. Größere Mengen sind giftig (Erbrechen, Durch­ fall, Kreislaufstörungen, Tod im Kollaps). Anwendung: Heilpflanzen, Übersicht. Schönheitspflege, Kosmetik, pfleger. Maßnah­ men zur Erhaltung, Verbesserung oder Wiederherstel­ lung der natürl. Schönheit des Körpers. Durch sie kann das Auftreten von Alterserscheinungen verdeckt werden. Da der Idealtyp der Schönheit im Lauf der Zeiten stets einem gewissen Wandel unterworfen ist, bemüht sich die S. um die Gestaltung und Betonung der jeweils als schön geltenden Besonderheiten. Ein großer Teil der in Frage kommenden Möglichkeiten gilt der Haut und ihren Anhangsgebilden. Über die für ihre Pflege zweckmäßigen Maßnahmen (Waschungen, Bäder, Einfetten usw.) -»Hautpflege, -»Haarpflege, -► Nagelpflege. Daneben darf die Bedeutung ausreichen­ den Schlafs, zweckentsprechender Bekleidung und sportl. Ausgleichsbetätigung nicht unterschätzt werden. Zu den über das normale Maß allgemeiner Hautpflege hinausgehenden Maßnahmen gehört bes. die Gesichts­ pflege unter Berücksichtigung der einzelnen Hauttypen. Hier werden in der Behandlung 3 Grundbegriffe unter­ schieden: Reinigen, Nähren, Schützen. Die Reinigung der empfindl. Gesichtshaut kann durch Wasser und gute Seife vorgenommen werden, falls die Haut das verträgt. Andernfalls wirken Reinigungscreme oder -milch, ein mildes Gesichtswasser oder ein Kleieauf­ guß weitaus schonender. Ist eine gründlichere Reinigung zur Befreiung von Hautunreinheiten, Pusteln und Mit­ essern notwendig, so ist ein Gesichtsdampfbad (Fertig­ packung mit Vorschrift in der Apotheke) zu empfehlen. Vorsicht bei Asthma, Herzleiden und überempfindl. Haut (Allergie). Eine andere wohltuende Wirkung auf die Gesichtshaut haben Kompressen mit verschiedenen Zutaten (Kräuter, Gurkenscheiben u. a.), die einmal durch ihreTemperatur, zum anderen durch die Feuchtigkeit zusammen mit den Wirkstoffen eine beabsichtigte Reaktion hervorrufen können. Die Kompressen können warm, kalt oder im Wechsel gegeben werden. Eine weitere Behandlungsart sind Gesichtsmassagen, die sich auch über Hals und Nacken erstrecken und nur von einer Fachkosmetikerin durchgeführt werden sollen. Gesichtsmasken sind Applikationen von verschiedenen Naturstoffen wie Heilerde, Moor, Honig-Ei-Mischung, Kräuter, Enzyme, Kleie, Hefe, Quark, Wachs und Paraf­ fin. Alle diese Wirkstoffe werden in breiigem oder ge­ schmolzenem Zustand auf die Haut aufgetragen und je­ weils nach dem Antrocknen oder Erstarren abgenommen. Verschiedene Wirkungen werden angenommen: nährend (Quark, Honig-Ei), beruhigend und heilend (Heilerde, Kräuter), regulierend auf den Fettstoffwechsel der Haut (Enzyme, Moor, Hefe). Bei der tägl. Behandlung ist die intensive Hautreini­ gung mit anschließendem Nähren wichtig. Natürlich er­ folgt dieeigtl. Ernährung der Haut von innen her über das Blut, jedoch ist es durchaus möglich, mit Hilfe einer guten Hautnährcreme von außen her der Haut zusätzlich eine

Sehr gewisse Geschmeidigkeit zu verleihen. Sie muß den Haut­ eigenschaften (z. B. feucht oder trocken) angepaßt sein. Tagsüber kann die Haut, wenn notwendig, durch Spe­ zialcreme geschützt werden. Nach morgendl. Reinigung wird eine Tagescreme oder ein pflanzl. Hautfunktionsöl auf Gesicht und Hals gegeben. Dies bildet auch gleichzei­ tig eine ausreichende Unterlage für ein -► Make up. Zur allgemeinen S. gehört neben der Gesichtspflege auch die Pflege des Halses, der Brust, der Augen, Wimpern, Zähne, Haare, Hände und Füße. Bei krankhaften Hautveränderungen sollte immer ärztl. Rat eingeholt werden. Schonklima, -»Klima. Schonkost, eine Dauerkosteinstellung, die bestimm­ ten Beeinträchtigungen von Organfunktionen Rechnung trägt. (-» Diätformen) Schönung, das Verbessern des Aussehens von Le­ bensmitteln durch Färben, Bleichen oder Klären. Die künstl. -» Lebensmittelfärbung ist auf bestimmte Lebens­ mittel sowie einige wenige Farbstoffe beschränkt, die ge­ sundheitlich als unbedenklich angesehen werden, jedoch deklariert werden müssen. Das Bleichen von Mehl ist durch Verordnung v. 27. 12. 1956 verboten. Die S. von Flüssigkeiten, das Klären, erfolgt durch Fil­ tration über Zellulose- oder Asbestfilter, maschinell in Klärschleudern, oder durch Behandlung mit Klärmitteln wie Eiweiß, Gelatine, Tannin, Adsorptionskohle, Bento­ nit oder Kaliumeisen(II)zyanid, die für Wein, Fruchtsäfte u. ä., außerdem z. T. auch bei der Ölraffinerie und Zukkerfabrikation benutzt werden. Sie werden nach der Klä­ rung wieder völlig aus dem Lebensmittel entfernt. Schorf, Borke, volkstüml. Bezeichnungen für Kru­ ste, die zu den Sekundäreffloreszenzen der Haut (-► Effloreszenz) gehört. Ein S., der sich auf einer Hautwunde ge­ bildet hat, darf nicht abgekratzt werden, er schützt die Wunde (Kopfgrind, Milchschorf, -»exsudative Dia­ these). Das Abfallen des S. kann durch Salbenanwendung (Borsalbe, Salizylsalbe) beschleunigt werden. Schreck, Primitivaffekt, der den gleichmäßigen nor­ malen Rhythmus des psychosomat. Geschehens (-»Ho­ möostase) unterbricht und als Reaktion auf bedrohen­ de Erlebnisse, z. B. Unfall, Katastrophe, oder einen un­ erwartet starken Sinnesreiz erlebt wird. Bes. betroffen ist das vegetative Nervensystem mit Blässe des Gesichts, Schweißausbruch, Herzstörungen, auch Ohnmacht (Blutdruckabfall), Harn- und Stuhldrang. Tiere reagieren auf S. mit >Bewegungssturm< oder Totstellreflex. Meist sind die Erscheinungen des S. nach einigen Tagen wieder abgekiungen; ist dies nicht der Fall, muß ein Arzt befragt werden, da eine S.-Neurose vorliegen kann, die bei Un­ fallverletzten Bedeutung für Versicherungsansprüche ha­ ben kann. Schrecksekunde, Schreckzeit, die Zeit, in der, durch Schreck ausgelöst, eine völlige Reaktionsunfähig­ keit infolge Denk- und Willenshemmung besteht. Die Dauer dieser Hemmung (0,6—1,2 s) ist individuell ver­ schieden und hängt von der Art des auslösenden Ereignis­ ses ab. Sie kann ebenso wie die Reaktionszeit durch Über­ müdung, Alkoholgenuß, Arzneimittel, nervöse und seel. Unausgeglichenheit u. ä. ungünstig beeinflußt werden. Juristisch wird bei Verkehrsunfällen eine Reaktionsver­ zögerung von 0,8 s berücksichtigt. Schreibstörungen, körperlich oder seelisch verur­ sachte Beeinträchtigungen des Schreibvorgangs, z. B. bei Lähmung oder starkem Schwund der zum Schreiben nöti­ gen Muskulatur, u. a. nach Verletzung des Arms oder aus­ gelöst durch Hirnprozesse (-► Gehirnkrankheiten). Dabei kann es zu -»Agraphie und -»Apraxie, auch in Verbin­ dung mit -»Aphasie kommen. Auch Paralyse, Parkinso­ nismus und Quecksilbervergiftung sind von S. begleitet. Alle diese S. haben organ. Ursachen. Der Schreibkrampf dagegen tritt meist im späten Ju­ gend- oder im Erwachsenenalter auf. Seine offenbar seel. Ursachen (z. B. Beschäftigungsneurose) sind vielschich­ tig. Bei der Behandlung (u. a. Lockerungsübungen) steht die Psychotherapie im Vordergrund. Schriftpsychologie, die -»Graphologie. 43«

Schröpfen, eine Reizkörperbehandlung: Maßnahme zur örtl. Umverteilung von Blut oder zur Blutentziehung (Ableitungskur). Man unterscheidet blutiges und unbluti­ ges S. Beim unblutigen S. wird das Schröpfglas über einer Spiritusflamme erhitzt und sofort auf die zu behandelnde Stelle gesetzt. Beim blutigen S. verwendet man kleine Schröpfschnäpper, welche die Haut ritzen. Auf die vor­ behandelte Stelle wird das Schröpfglas wie beim unbluti­ gen S. gesetzt; es kommt dadurch zu einer entlastenden Nachblutung. Anwendung v. a. bei Erkrankungen des rheumat. Formenkreises, auch bei Kopfschmerzen, Schwindel u. a. Schroth, Johann, Naturheilkundiger, * Böhmisch­ dorf bei Freiwaldau (Österr.-Schlesien) 1800, t Linde­ wiese 1856, Landwirt, entwickelte aus der Erfahrung, daß zuviel Flüssigkeitszufuhr die Leistungsfähigkeit herab­ setzt, eine Trockendiät (-»Schrothkur). Schrothkur [n. J. Schroth], Umstimmungsbehand­ lung der Naturheilkunde, bei der feuchte Packungen mit Trockenkost kombiniert werden. Durchführung. Montag: Trockentag (beliebige Menge trockener Semmeln und trockener Backpflaumen, keine Zukost, keine Getränke). Dienstag: kleiner Trink­ tag (Semmeln und Backpflaumen in beliebiger Menge; mittags ein dicker Brei aus Hafer, Gerste, Reis, Grieß, Graupen, Nudeln oder ähnl.; etwas gesüßter Zitronen­ saft; nachmittags 1 Glas Landwein; abends Semmeln und Backobst, 1 Glas Landwein; Flüssigkeitsmenge 500 ml). Mittwoch: Trockentag wie Montag. Donnerstag: großer Trinktag (trockene Semmeln und Backpflaumen in belie­ biger Menge; mittags eine dicke Suppe aus Haferschleim, Grieß, Graupen; danach ein dicker Brei wie Dienstag, et­ was Kompott; Flüssigkeitsmenge fürdenganzenTag: 11). Freitag: Trockentag wie Montag und Mittwoch. Sonn­ abend: kleiner Trinktag wie Dienstag. Sonntag: großer Trinktag wie Donnerstag; dabei in jeder Nacht 6—8 Stun­ den eine feuchte Dreiviertel- oder Ganzpackung, die sich so erwärmen soll, daß der Körper zum Schwitzen kommt. Im Lauf des Tages ausgiebige Bewegung, gegebenenfalls Luftbäder. Die anstrengende Kur kann bis zu 6 Wochen ausgedehnt werden und sollte nur unter ärztl. Leitung stattfinden; Gewichtskontrolle, Stuhlregelung. Die S. ist angezeigt bei Stoffwechselstörungen (Fett­ sucht, Gicht), bei chron. Muskel- und Gelenkrheumatis­ mus und chron. Bronchitis. Voraussetzung ist die genaue Abklärung der Diagnose. Bei Herz- und Kreislaufstörun­ gen, Lungentuberkulose und Diabetes sollte keine S. durchgeführt werden. Schrumpfblase, Verkleinerung der Harnblase nach chron. Harnblasenentzündung unter weitgehendem Ver­ lust der Schleimhaut. Das Fassungsvermögen der Harn­ blase, das normalerweise 300—400 ml beträgt, kann bis auf wenige ml abnehmen. Schrumpfleber, die -»Leberzirrhose.

Schrumpfniere, Nephro|Sklerose, Sammelbe­ griff für alle Nierenveränderungen, bei denen es durch Untergang des spezif. Nierengewebes und dessen Ersatz durch Narbengewebe zu einer Verkleinerung, Schrump­ fung und Funktionseinschränkung der Nieren kommt. S. können durch Kreislaufstörungen, z. B. bei Arterienver­ kalkung, bes. auch der kleinsten Arterien (Arteriolen), entstehen, wobei ein arterieller Hochdruck von entschei­ dender Bedeutung ist. Eine sehr schwere und schnell fort­ schreitende Form der hochdruckbedingten Nierenschädi­ gung stellt die maligne (bösartige) Nephrosklerose dar. In diesen Fällen wird auch von primärer oder genuiner S. ge­ sprochen. Hiervon zu trennen ist die sekundäre S., zu der es im Endstadium jeder Nierenkrankheit kommen kann. Krankheitszeichen können lange Zeit, manchmal jahrelang fehlen, oder es sind lediglich die Symptome der Grundkrankheit (z. B. Bluthochdruck oder Zucker­ krankheit) vorhanden. Bei weiterem Fortschreiten der Er­ krankung stellen sich Störungen der Nierenfunktion ein. Die gesunde Niere kann den Harn stark verdünnen und hoch konzentrieren und sich so den jeweiligen Bedürfnis­ sen des Stoffwechsels anpassen. Bei der kranken Niere ist diese Fähigkeit mehr oder weniger eingeschränkt. Der 675

Sehr Blutdruck ist dauernd erhöht. Hierdurch ist das Herz ver­ größert. Der chronisch Nierenkranke sieht blaß aus (wei­ ßer Hochdruck infolge verminderter Hautdurchblutung oder Folge der in fortgeschrittenen Fällen fast immer be­ stehenden erhebl. Blutarmut). Am Auge finden sich dege­ nerative, arteriosklerotisch bedingte Netzhautverände­ rungen, die zu Sehstörungen führen können. Durch mangelhafte Ausscheidung der Stoffwechselschlacken kommt es zur -»Harnvergiftung (-► Niereninsuffizienz). Behandlung: Notwendig ist eine individuell angepaß­ te Ernährung, die im Stadium der bereits ausgeprägten Niereninsuffizienz einen Eiweißanteil von nicht mehr als 60 g/Tag enthalten soll. Die Ernährung ist kochsalzarm zu halten. Die Zufuhr soll sich nach der Höhe des Blut­ kochsalzspiegels und der tägl. Kochsalzausfuhr richten, um ein Salzmangelsyndrom zu vermeiden. Bei gleichzeiti­ gem Bluthochdruck ist eine Einschränkung der Kochsalz­ zufuhr erforderlich. Eine Flüssigkeitseinschränkung ist notwendig, wenn die Ausscheidungsfunktion der Niere für Wasser bereits eingeschränkt ist. Eine bestehende Hochdruckkrankheit ist außer durch Einschränkung der Kochsalzzufuhr auch durch blutdrucksenkende Medika­ mente zu behandeln. Jeder Infekt stellt eine zusätzl. Be­ drohung der Nierenfunktion dar; ist dieser bakteriell, muß er durch Antibiotika ausreichend behandelt werden. Bei weiterer Verschlechterung der Nierenfuktion ist die rechtzeitige Einleitung einer Dialysedauerbehandlung er­ forderlich. Schrunden, Rhagaden, oberflächl. oder tiefere, häufig blutende Hauteinrisse bei spröder oder schwieliger Haut. Sie sitzen oft in den Lippen winkeln, an den Brust­ warzen, am After oder über den Fingergelenken. S. der Brustwarzen entstehen meist während des Stillens, kön­ nen beim Anlegen des Kindes heftig schmerzen und Ein­ gangspforte für Eitererreger sein. Behandlung: Bei S. kommen die gleichen Heilmaß­ nahmen in Betracht wie bei -» Aufspringen der Haut. S. der Brustwarze sind rechtzeitig ärztlich zu behandeln. (-* Brustdrüsen) Schüchternheit, Ausdruck einer Hemmung oder Störung im Ausdrucksverhalten gegenüber den Mitmen­ schen: Scheu, Verlegenheit, Unsicherheit, linkisches Ge­ baren, -»Erythrophobie, Zeichen -»vegetativer Dysto­ nie, bes. gegenüber autoritären Personen. Die sozialen Kontakte können durch S. gestört sein. Kinder, die so in ihrem Selbstgefühl beeinträchtigt sind, bedürfen der Er­ mutigung, Anerkennung ihrer Leistungen, einer Behand­ lung, die Ängste vermeidet, und der Möglichkeit, sich vor sich selbst und in der Gesellschaft zu bewähren. Oft ist Psychotherapeut. Behandlung erforderlich. Schuhe, -»Fußbekleidung. Schule, S. und Gesundheit. 1) Schulgesundheits­ fürsorge, gesundheitl. Überwachung der Schüler wäh­

rend der gesamten Pflichtschulzeit an allgemeinbildenden und berufsbildenden S. durch den schulärztl. Dienst der Gesundheitsämter. Da die Schulgesundheitsfürsorge die Möglichkeit hat, einen Überblick über die Gesundheit aller Kinder in dem wichtigen Lebensabschnitt von 6 bis 14 Jahren zu gewinnen, ist sie eine bedeutsame Fürsorgeein­ richtung. Mit der Ausdehnung der gesetztl. Schulpflicht als Berufsschulpflicht auf die 15—18jährigen hat sich die gesundheitspolit. Aufgabe weiter gewandelt. Aus den Schulkindern sind Schüler geworden, deren körperl. und seel. Entwicklung weit in die Pubertät hineinreicht. Aufgaben der Gesundheitsfürsorge sind: individuelle Überwachung der Leistungsfähigkeit und der Behand­ lungsbedürftigkeit, eventuell gesundheitl. und soziale Hilfsmaßnahmen (schulärztl. Sprechstunden); Aufstel­ lung eines Gesundheitskatasters des Jugendalters (Statist. Erfassung des Gesundheitszustands der Jugend, z. B. durch Auswertung von Reihenuntersuchungen). I. w. S. gehört zur Schulgesundheitsfürsorge auch die Seuchenbekämpfung nach dem Bundesseuchengesetz: Fernhaltung Infektionskranker zum Schutz vor Weiter­ verbreitung, regelmäßige Gesundheitsüberwachung der Lehrpersonen, Maßnahmen zur Erkennung der Tuberkulose. Für die Förderung der Gesunden ist die Pflege der Kör­ 676

perübungen von großer Bedeutung. Zum Ausgleich kör­ perl. Fehler dienen orthopäd. Turnkurse. -»Sonderschu­ len bestehen für Lern- und Sprachbehinderte, geistig Be­ hinderte, Körper- und Sinnesgeschädigte und andere Gruppen behinderter Kinder. Zu den Mitarbeitern der Schulgesundheitsfürsorge gehören neben Schularzt und Schulfürsorgerin auch die Lehrer. Sie werden daher auch mit Fragen der Gesundheitspflege und -erziehung ver­ traut gemacht. Die Überwachung der Schulhygiene und Durchführung der Schulgesundheitsfürsorge ist Aufgabe der Gesundheitsämter. 2) schulärztlicher Dienst. Er besteht zunächst in Ein­ schulungsuntersuchungen als Grundstock für spätere Reihen- und Sprechstundenuntersuchungen, auch mit Testverfahren. Reihenuntersuchungen verschiedener Schülerjahrgänge geben eine Gewähr, daß alle Schulkin­ der in regelmäßigen Abständen untersucht werden; damit ist eine Früherfassung gesundheitl. Schäden möglich. Der Schularzt steht mit den Ärzten, denen er behandlungsbe­ dürftige Fälle überweist, in Verbindung. Bei Ausbruch von meldepflichtigen Infektionskrankheiten hat er dafür Sorge zu tragen, daß nach den Vorschriften der Seuchen­ gesetzgebung verfahren wird. 3) Schulentlassenenfürsorge. Sie ist eingehend im -» Ju­ gendarbeitsschutzgesetz v. 12.4. 1976 geregelt. Schülerunfallversicherung, -* Sozialversiche­ rung. Schulmedizin, die an den Hochschulen gelehrte, na­ turwissenschaftlich begründete Heilkunde. Sie hat durch die in den letzten Jahren erfolgte Einführung der Fächer medizin. Soziologie und medizin. Psychologie, Psycho­ somatik und Psychotherapie, Sozial- und Arbeitsmedizin ihre Basis erheblich verbreitert. Auch die -► Naturheil­ kunde, soweit ihre Methoden überprüfbar und in ihren Auswirkungen wiederholbar sind, ist an den meisten Fa­ kultäten, so im Rahmen der physikal. Therapie und Phar­ makologie, vertreten. Schulpsychologie, Teilgebiet der angewandten Psychologie, befaßt sich in Anknüpfung an die Entwick­ lungspsychologie und pädagog. Psychologie mit psycholog. Problemen der Schule. Die sich aus der pädagog. Pra­ xis ergebenden Fragen (Schullaufbahnberatung, Über­ prüfung der Schulreife, Eignung zum Besuch weiterfüh­ render Schulen oder verschiedener Niveaustufen in der Gesamtschule, Diagnose und Behandlung von Problem­ fällen wie Schul versagen, Lernstörungen, aber auch Un­ terrichts- und schulorganisator., psycholog. Probleme) werden vom Schulpsychologen bearbeitet (i. d. R. Di­ plompsychologe, der einer Schulaufsichtsbehörde oder größeren Schule zugeordnet ist). Schulreife, Bezeichnung für den geistig-seelisch-körperl. Entwicklungsstand des Kindes z. Z. der Schul­ pflicht. Diese wird in der Bundesrep. Dtl. i. d. R. mit dem vollendeten 6. Lebensjahr angesetzt. S. setzt gewisse Fä­ higkeiten und Fertigkeiten voraus, die als >Bildbarkeit in der Gruppe< umschrieben werden können. Die körperl. S. ist dann gegeben, wenn das Kind hinreichend kräftig ist, um den Schulweg allein zurückzulegen, dem Unterricht ohne besondere Ermüdung zu folgen und die anfallenden Arbeiten in der Schule und zu Hause zu bewältigen. Die seel. S. ist an den sozialen Entwicklungsstand des Kindes gebunden. Es muß die Schwierigkeiten des Gruppenle­ bens ertragen, sich altersgemäß durchsetzen, aber auch sich einordnen können; dazu muß es genügend von der Mutter abgelöst sein. Übergroße -»Schüchternheit oder Aggressivität eventuell eines Einzelkindes sind hemmend. Kindergartenbesuch vor dem Schulantritt fördert die Ent­ wicklung der S. und ist deshalb ratsam. Die geistige S. zeigt sich in der notwendigen Entwicklung des Denkens und des Willens, der Fähigkeit zur Konzentration und der Spannkraft auch zu langfristiger Anstrengung, zu der eine normale (gesunde) körperl. Verfassung die Vorausset­ zung ist. (-»Erziehung) Schulter, die obere Grenze des Rumpfes zu beiden Seiten des Halses, die von den Schlüsselbeinen, den S.Blättern und den zugehörigen Muskeln gebildet wird (Mo­ dell des Menschen nach S. 400). Die Schlüsselbeine sind

Schu mit dem oberen Teil des Brustbeins durch ein zweikamme­ riges Gelenk verbunden (Sternoklavikulargelenk), ver­ laufen nach außen und verbinden sich mit den S.-Blättern (Skapulae) im Akromioklavikulargelenk; beide Skelett­ stücke bilden den S.-Gürtel. Die dreieckig geformten S.Blätter haben auf der hinteren Fläche eine stark hervor­ springende Leiste, die S.-Blattgräte (Spina scapulae), de­ ren äußerer Teil in die S.-Höhe (Akromion) übergeht, ein nach vom und außen gerichteter, mit dem Schlüsselbein gelenkig verbundener Fortsatz. Das S.-Blatt hat nur durch Muskeln Verbindung mit dem Rumpf und wird durch diese beweglich festgehalten. Viele Muskeln, deren Anheftungspunkte sich an den S.-Blättern befinden, die­ nen zur Verbindung mit den umliegenden festen Teilen (Wirbelsäule, Schädel und Rippen) sowie zur Bewegung der S.-Blätter und des Oberarmes im S.-Gelenk (Articulus humeri). Die wie ein abgestumpfter Kegel geformte S. er­ scheint von unten ausgehöhlt (Achselgrube). Schulter-Arm-Syndrom, Sammelbegriff für in Schulter und Arm (überwiegend links) ausstrahlende Schmerzen, die durch Reiz- oder Ausfallerscheinungen zervikaler (zur unteren Halswirbelsäule gehörender) Ner­ venwurzeln bedingt sind; Teilerscheinung des -» Halswir­ belsyndroms. Ursachen: Bandscheibenschaden, Gefüge­ störungen oder Spondylose der -» Halswirbelsäule, -» basiläre Impression. Erscheinungen: Kopfschmerzen (bis zur Migräne, -»Migraine cervicale), Gleichgewichtsstörungen (Menieresche Krankheit), Segmentschmerzen (-»Headsche Zo­ nen), Sensibilitäts- und Durchblutungsstörungen, Mus­ kelschwund; Abklärung zunächst durch Röntgenunter­ suchung der Halswirbelsäule. Bei Empfindungen in der Herzgegend, die wie bei der -» Angina pectoris mit Angst­ gefühl verbunden sein können, ist eine gründl. differentialdiagnost. Abklärung (-► Elektrokardiographie) nötig. Die orthopäd. Behandlung richtet sich nach der Ur­ sache. Schultergelenk, -»Arm, -»Schulter. Schultz, Johannes Heinrich, Nervenarzt, * Göttingen 1884, t Berlin 1970, war 1915—24 Prof, in Jena, seit 1924 in Berlin als Neurologe tätig, 1936—45 Direktor des Berli­ ner Instituts für Psychotherapie. S. wurde bes. durch die Entwicklung und Anwendung des -» autogenen Trainings bekannt. Schuppe, trockene Abstoßung von Oberhautteil­ chen (-»Effloreszenz, -»Abschuppung); Kopf-S., -»Se­ borrhö. Schuppenflechte, Schuppenkrankheit, Pso­ riasis vulgaris, chron. Hautkrankheit, bei der bes. an

den Streckseiten des Ellenbogen- und Kniegelenks, weiter an der behaarten Kopfhaut, den Fingernägeln, an der Brust und am Rücken auf scharf begrenztem rotem Grund silberweiße, leicht abkratzbare Schuppenmassen auftre­ ten (Bild Hautkrankheiten). Bei Beginn der Erkrankung finden sich nur kleine, rotbraune, stecknadelkopfgroße Knötchen, die an der Spitze bald schuppen. Außer gerin­ gem Jucken, das v. a. im frischen Stadium auftritt, beste­ hen kaum Beschwerden. Unbehandelt kann die S. in wechselndem Ausmaß jahrelang bestehenbleiben, sie kann auch eines Tages von selbst verschwinden. An den abgeheilten Stellen zeigt sich gelegentlich ein Farbstoff­ mangel (Leukoderma psoriaticum). Neben der gewöhnt S. kommt es bei Befall des gesam­ ten Körpers zu einer Hautentzündung (psoriat. Erythrodermie). Eine bes. schwere Form ist die mit Pusteln ein­ hergehende Psoriasis pustulosa. Bei Mitbeteiligung der Gelenke, v. a. im Bereich der Finger, kommt es zur Psoria­ sis arthropathica, die zu schwerer schmerzhafter Gelenk­ zerstörung führen kann (-»Psoriasis-Arthritis). Die genaue Ursache ist unbekannt. Man nimmt z. T. eine erbt Belastung an; ferner handelt es sich offensicht­ lich um Stoffwechselstörungen innerhalb der Haut selbst. Behandlung: äußerlich durch Erweichen und Ablö­ sen der Schuppen, mit Seifenwaschungen und Salizylsal­ ben, daneben Teer-, cignolin- und corticoidhaltige Präpa­ rate. Innerlich werden in neuerer Zeit Retinoide verab­ reicht; Diätkuren haben keinen befriedigenden Erfolg. In den letzten Jahren hat die Behandlung mit ultravioletten

Strahlen in Verbindung mit der Gabe von Psoralenen (Photochemotherapie) an Bedeutung gewonnen. Zwar läßt sich durch diese Behandlung eine Verkürzung der Be­ handlungszeiten nicht erreichen, sie ist jedoch für den Kranken angenehmer und kann gute Resultate ergeben. Selbst bei ordnungsgemäßer Behandlung einer S. kommt es jedoch häufig zu Rückfällen. Schußwunden, durch Geschosse von Handfeuer­ waffen oder durch Sprenggeschosse hervorgerufene Wunden. Bei Verletzung durch Handfeuerwaffen unter­ scheidet man einen Einschuß, einen Schußkanal und, wenn das Geschoß den Körper wieder verlassen hat, den Ausschuß. Der Ausschuß ist gewöhnlich größer als der Einschuß und zeigt das Aussehen einer Quetsch-RißWunde. Der Schußkanal ist ein gerader, zylindr., nach dem Ausschuß hin sich trichterförmig erweiternder Gang. Nur selten verläuft er (bei geringer Durchschlagskraft des Geschosses) bogenförmig an einem Knochen entlang, z. B. an den Rippen oder dem Schädeldach (Kontur­ schüsse). Nahschüsse haben bei der großen Anfangs­ geschwindigkeit der modernen Geschosse eine sehr große Sprengwirkung infolge des entstehenden hydrodynam. Drucks; das Ausmaß der Gewebszerstörung ist je nach Art des Geschosses sehr unterschiedlich. Die zerstörende Wirkung des Geschosses kann durch mitgerissene Fremd­ körper und Knochensplitter sehr verstärkt werden, ebenso dadurch, daß es schräg oder quer auftrifft (Quer­ schläger). Ein matt auf die Haut auftreffendes Geschoß erzeugt nur eine Quetschung (Prellschuß). Bei Streif­ schüssen entstehen nur Rinnen in der Haut, beim Haar­ seilschuß verläuft der Schußkanal noch eine Strecke unter der Haut. — Im allgemeinen empfindet der Verwundete im Augenblick der Verletzung nur einen geringen kurzen Schmerz. Tödlich sind in den meisten Fällen Verletzungen des Herzens, des Gehirns, der großen Gefäßstämme. — Am Knochen rufen die Geschosse Brüche (Schußfraktu­ ren) mit bisweilen bedeutenden Zertrümmerungen her­ vor. Bauchschüsse sind wegen der Gefahr einer Bauchfell­ entzündung bei durchschossenem Darm und der Gefahr der Verblutung bei Verletzung von Leber, Milz, Nieren sehr gefährlich. Weniger gefährlich sind Lungenschüsse ohne größere Gefäßverletzung, da das Lungengewebe zu glatter Vernarbung neigt. Bei den Sprenggeschossen ist die Wirkung ganz verschieden; sie geht vom leichten Prell­ schuß bis zur breiten Eröffnung der Körperhöhlen; auch ganze Glieder können abgerissen werden. Durch die Art der S. läßt sich gerichtsärztlich feststellen, ob Selbstmord, Tötung durch fremde Hand oder Un­ glücksfall vorliegt. Behandlung: Einfache Weichteilschüsse oder -durchschösse sind als praktisch steril anzusehen. Findet man die Kugel nicht unmittelbar unter der Haut, so soll sie zunächst nicht entfernt werden, da Kugeln gut einheilen können. Ein keimfreier Verband und Ruhigstellen genü­ gen zur ersten Behandlung; keine Sondierung! Dagegen sind die durch Granatsplitter oder zackige Geschoßteile entstandenen Zertrümmerungsverletzungen stets als in­ fiziert anzusehen (-»Gasbrand, -»Wundstarrkrampf). Dasselbe gilt für Verletzungen mit Platzpatronen. Bei S. spielt die Schockwirkung eine Rolle. Die Wund­ versorgung hat bes. die nachträgl. Wundinfektion (etwa durch Sondieren nach der Kugel) zu verhüten und durch Aufschneiden der Wunde für günstige Wundverhältnisse zu sorgen. Starke Blutungen sind durch Kompressionen, Tamponade, Anlegen des Esmarchschen Schlauchs (eines abschnürenden Gummischlauchs), später durch Unter­ binden des blutenden Gefäßes oder auch durch Gefäß­ naht zu bekämpfen. Darmverletzungen müssen möglichst bald operativ versorgt werden. Immer ist die Tetanus­ schutzimpfung durchzuführen, wenn nicht nachweisba­ rer Impfschutz besteht. Schüttelfrost, -»Fieber.

Schüttellähmung, Paralysis agitans, die -» Parkinsonsche Krankheit. Schutzbrillen, Brillen zum Schutz vor Staub, Split­ tern, ehern. Ätzwirkungen u. ä.; gegen starke Strahlungen der Sonne oder Blendung durch künstl. Lichtquellen und 677

Schu zum Schutz der Augen bei Lichtscheu infolge Augener­ krankungen werden Brillen mit Filterglas verwendet. Die sichtbare Strahlung löst auf der Netzhaut ohne Schädigung für irgendwelche Teile des Auges das Sehen aus. Bei zu starker Strahlungsintensität fühlt sich das Auge geblendet, und das Sehvermögen geht zurück. Hier­ gegen kann man die Augen durch braune, graue oder blaue Gläser schützen, wobei es weniger auf die Farbe als auf die Absorptionskraft des Glases ankommt; durch zu dunkle Gläser wird die Sehschärfe herabgesetzt. An der See und im Mittelgebirge empfehlen sich Sonnenbrillen mit einer Absorptionskraft bis zu höchstens 50%, im Hochgebirge dagegen ist wegen der stärkeren Blendung durch Schnee und Gletscher eine solche von 75% erfor­ derlich. Eine noch höhere Absorption ist nötig im Stra­ ßenverkehr gegen Scheinwerferblendung, wobei man Gläser braucht, die unten klar sind und nach oben zu dunkler werden (dichromat. Gläser). In den letzten Jah­ ren sind Brillen mit -»phototropen Gläsern entwickelt worden. Viel gefährlicher als die sichtbaren Strahlen (700—400 nm) ist für das Auge die unsichtbare Strahlung (infrarot und ultraviolett). Die infrarote (Wärmestrahlung) kann Verbrennungserscheinungen an der Linse (Feuerstar), aber auch, beim Blick in die Sonne ohne Schutzglas, an der Netzhaut hervorrufen. Bes. Arbeiten an Schmelzöfen in Eisengießereien mit der Gefährdung eines >Feuerstars< machen das Tragen von S. erforderlich. Hierzu empfeh­ len sich Gläser mit einem Gehalt an Eisenoxydul. Die ultraviolette Strahlung kann Entzündungserscheinungen an der Bindehaut, der Hornhaut und auch an der Regen­ bogenhaut bewirken (-» Bindehautentzündung, -» Horn­ hautkrankheiten, -»Gefäßhautkrankheiten). Sie erfor­ dert jedoch einen Augenschutz durch S. nur in höheren Gebirgen oder bei Luftreisen, denn selbst im Mittelge­ birge genügt gegen die natürliche Strahlung die Absorp­ tionskraft eines gewöhnl. farblosen Brillenglases. Die opt. Industrie stellt Brillengläser her, die sowohl gegen die Wärmeschädigungen der infraroten als auch gegen die Blendungsgefahren der ultravioletten Strahlen schützen; überall dort, wo infrarote und/oder ultraviolette Strahlen die Arbeiter gefährden, sind Schutzgläser vorgeschrie­ ben. Darüber hinaus gibt es heute getönte Gläser für Kurzund Übersichtige, so daß das Tragen einer S. über einer erforderl. anderen Brille vermieden werden kann. Für die berufsbedingten Gefahren durch Staub, Fremdkörper und ehern. Reize sowie beim Sport werden verschiedene Arten von S. empfohlen, z. T. aus nicht split­ terndem Glas oder mit engem Drahtgeflecht. Schützengrabenfieber, -» Fünftagefieber.

hen im Blut des Impflingsantitox. Antikörper, die im Fall einer Infektion das gefährl. Gift dieser Krankheitserreger im Blut abfangen. Hier sind bes. die aktiven S. gegen Diphtherie und Wundstarrkrampf zu nennen, die sich seit Jahrzehnten gut bewährt haben. Zur parenteralen Massenimpfung (z. B. betriebl. Grippe-S.) eignet sich die -»Impfpistole. Die parenterale Injektion inaktivierter, nicht vermeh­ rungsfähiger Erreger war früher für viele bakterielle Krankheiten gebräuchlich (Typhus, Paratyphus, Ruhr, Pest, Cholera, Keuchhusten u. a.); der inaktivierte Impf­ stoff (auch Eigenimpfstoff, -» Autovakzine) wurde dem Impfling eingespritzt, entweder in die Haut (intrakutan), unter die Haut (subkutan), in den Muskel (intramuskulär) oder seltener auch in andere Gewebe. Er wirkt als Anti­ genreiz im Körper des Impflings und regt zur Bildung von Antikörpern an. Es entsteht also bei dieser Methode der S. eine überwiegend humorale, spezif. Immunität. Wird der Impfling später infiziert, so kann der Krankheitserreger zwar zunächst in den Körper eindringen; in der Blutbahn aber wird er von den Antikörpern abgefangen und un­ schädlich gemacht. Es kommt deshalb seltener zu schwe­ ren oder tödl. Krankheitsfällen. Diese Form der S. gibt dem Impfling einen relativen, individuellen Schutz vor ei­ nem schweren Schaden. Da die Infektion aber nicht ver­ hindert wird, können Infektketten weiterlaufen. Es ist deshalb nicht möglich, auf diese Weise eine echte Seu­ chenbekämpfung zu betreiben und eine Infektionskrank­ heit auszurotten. Naturgemäß ist dieser Teilschutz nur bei zykl. -»Infektionskrankheiten zu erwarten, da bei ihnen die Erreger im Generalisationsstadium (zweite Krank­ heitsphase) in das Blut gelangen. Da dies bei Lokalinfek­ tionen (Ruhr, Cholera, Koliinfektionen u. a.) nicht der Fall ist, hat hier diese Form der S. keine Wirkung. Dies ist erst relativ spät erkannt worden. Die S. mit vermehrungsfähigen, virulenzgeschwächten Erregern zielt auf eine leichte ImpfTrankheit hin, die zwar zu einer wirkungsvollen Krankheitsimmunität führt, aber keine schweren Krankheitssymptome verursacht. Auch diese Form der S. ist nur bei zykl. Infektionskrankheiten sinnvoll. Nach der Impfinfektion dringt der Erreger in das primär empfindl. Gewebe (Haut oder Schleimhaut) ein, vermehrt sich hier lokal und durchläuft somit das erste Stadium der zykl. Infektion, die Inkubationszeit. Meist kommt es noch zu einer kurzen Einschwemmung des Erre­ gers in das Blut, also zur Generalisation, aber das Stadium der Organmanifestation wird vermieden. Diese aktive Im­ munisierungsform setzt voraus, daß ein Erregerstamm vorhanden ist, dessen Pathogenität und Virulenz so einge­ stellt sind, daß er zwar noch infiziert und sich vermehrt, aber nicht mehr organgerichtet wirkt. Sie wird bevorzugt Schutzimpfung, das vorbeugende Einbringen von bei allen zykl. Infektionskrankheiten angewendet, sofern Impfstoffen (Vakzine), um bei Mensch oder Tier gegen­ geeignete Impfstoffstämme zur Verfügung stehen. Be­ über Krankheitserregern oder Giften eine künstl. -»Im­ währt haben sich bisher folgende S.: die Kuhpockenmunität zu erzeugen, die der natürlich erworbenen Im­ (Vaccinia-)lmpfung gegen Pocken (seit 1976 keine allge­ munität nach Überstehen von Infektionskrankheiten meine Impfpflicht mehr in der Bundesrep. Dtl.), die BCGgleichkommt, deren Wirksamkeit aber nicht übertreffen Impfung gegen Tuberkulose, die Gelbfieberimpfung mit dem 17 D-Virusstamm, die Schluckimpfung gegen Kin­ kann. Eine aktive S. mit dem Ziel der aktiven Immunisierung derlähmung (Sabin-lmpfung), bei der in 3 Impfgängen im ist heute auf 4 verschiedenen Wegen möglich, die sich Abstand von mindestens 6 Wochen die lebenden, abge­ grundsätzlich in ihrem Ziel und ihrer Wirkungsweise un­ schwächten Erreger geschluckt werden und über die terscheiden: Darmschleimhaut als natürl. Angriffsort der Krankheit 1) parenterale Injektion von entgiftetem Bakteriengift zur Immunität führen, und die meist kombinierte S. mit (Toxoid, -»Anatoxin): Bildung antitox. Antikörper im Masern-, Röteln- und Mumps-Impfstoffstämmen. Die lokale S. mit inaktivierten Krankheitserregern strömenden Blut; 2) parenterale Injektion von inaktivier­ ten Bakterien oder Viren (>TotimpfstoffeLebendimpf- gesichert ist, daß die lokale Gabe nichtvermehrungsfähi­ stoffeKonkurrenz< der Antigene), oder aber sie können ihre Wirkung gegenseitig steigern (Synergismus). Seit Jahrzehnten haben sich Kombinationsimpfstoffe verschiedenster Zusammensetzung bewährt. Die plötzliche (unnatürl.) Ant igenzu fuhr durch eine In­ jektion hat Nachteile, denn die beste Immunität entsteht, wie im Tierversuch erprobt, wenn im Abstand von einigen Stunden über einen Zeitraum von etwa 2 Wochen mit zahlreichen Injektionen geimpft wird. Da diese Methode bei der S. praktisch nicht durchführbar ist, hat man den Adsorbatimpfstoff entwickelt; hierbei wird das Antigen von oberflächenaktiven Substanzen (Mineralöl, Alumi­ niumhydroxid, Aluminiumoxid) adsorbiert (gebunden), es kann dann nur langsam aus einem solchen Impfstoff­ depot aufgenommen werden. (-»Grippe) Wenn der Körper nicht durch die Gabe eines Impfstoffs veranlaßt wird, selbst aktiv eine Infektabwehr aufzu­ bauen, sondern ihm vorgefertigte Antikörper zugeführt werden (passive Immunisierung), spricht man von passi­ ver S. Durch parenterale Injektion von spezif., antitox. oder antiinfektiösen Antikörpern, die vom Tier (heterologes Serum) oder vom Menschen (homologes Serum) ge­ wonnen werden, kann man vorbeugend oder therapeu­ tisch passiv immunisieren. Die Immunseren oder deren Abkömmlinge stammen entweder von aktiv hyperimmunisierten großen Säugern (Pferd, Rind, Hammel) oder von Spendern nach Impfung oder natürl. Infektion. Der Schutz tritt wenige Stunden nach der Injektion ein und ist auf 3—4 Wochen begrenzt. Eine Infektionskrankheit kann durch sie nicht verhindert, aber in ihrem Verlauf we­ sentlich günstiger beeinflußt werden. Immunseren vom Menschen stehen gegen Wundstarrkrampf, Masern, Rö­ teln, Mumps, Hepatitis und Tollwut zur Verfügung. In­ jektion von Seren tier. Herkunft kann zu Überempfind­ lichkeitsreaktionen und bei wiederholter Gabe von Seren derselben Tierart zu schweren allerg. Zwischenfällen füh­ ren (-»Serumkrankheit). Immunseren vom Tier werden z. B. gegen Diphtherie, Botulismus, Gasbrand und Schlan­ gengifte eingesetzt. Native (natürlich gewonnene, unver­ änderte) Seren werden kaum noch benutzt. Die antikör­ perhaltigen Seren werden entweder zur besserem Verträg­ lichkeit gereinigt und konzentriert (Fermoseren), oder die Gammaglobulinfraktion wird isoliert, hochgereinigt und als Immunglobulin zum Gebrauch angeboten. Wenn der schnell einsetzende, aber kurz dauernde Schutz der passi­ ven Immunisierung mit dem länger anhaltenden, aber langsam einsetzenden Schutz der aktiven Impfung kom­ biniert werden soll, ist eine Simultanimpfung angezeigt (gleichzeitige Gabe von Immunseren und Impfstoff). Gesundheitsschäden infolge einer S. sind heute selten (-►Impfschäden).

Schwachsichtigkeit, Amblyopie, Einschränkung des Sehvermögens bei -» Brechungsfehlern des Auges mit Druckgefühl im Auge, Verschwimmen der Sehobjekte, Kopfschmerz u. a. Eine Sonderform ist die S., welche bei Schielfehlern am nicht fixierenden Auge entsteht (Schielamblyopie).

Schwachsinn, früher Oligophrenie, Bezeichnung für einen angeborenen (erbl., endogenen) oder in frühe­ ster Kindheit erworbenen erhebl. Intelligenzrückstahd. Wenn er gering ist, wird er noch als (physiolog.) Dumm­ heit bezeichnet, bei höherem Grad früher als Blödsinn. Man unterscheidet in der Medizin: S. leichten Grades = Debilität, S. mittelschweren Grades = Imbezillität, S. schweren Grades = Idiotie. In Pädagogik und Psychologie wird von Lern- oder gei­ stiger Behinderung (-► Behinderte) gesprochen, wobei da­ von ausgegangen wird, daß der Lernbehinderte sich die normale Grund- und Hauptschulbildung, der geistig Be­ hinderte sich die Sonderschulbildung nicht mehr aneignen kann. Der Lernbehinderte ist zu selbständiger Lebensfüh­ rung noch fähig, der geistig Behinderte ist auf den Halt ei­ ner beschützenden Werkstatt oder eines Wohnheims an­ gewiesen. Allerdings gibt es auch Fälle völliger Hilflosig­ keit und Pflegebedürftigkeit in Anstalten. Maßstab für die Einordnung zu einem bestimmten Schweregrad ist der Intelligenzquotient, der mit psycholog. Testmethoden er­ faßt werden kann. Einen erst später erworbenen Intelligenzmangel nennt man -»Demenz. Der S. fällt im allgemeinen schon in der frühen Kindheit durch Entwicklungsrückstände auf, da er auch mit ande­ ren seel. und oft auch körperl. Anfälligkeiten verbunden ist. Ein Mangel an Intelligenz hindert den Menschen auch seelisch, die Höhen und Tiefen menschl. Existenz zu erle­ ben (>GesamtseelenschwächeGeNichtehelichkeit eines Kindes, schlechte wirtschaftl. Ver­ lüste der Schwangerem) sind durch Abweichungen in der hältnisse sowie allgemeine Notzeiten können den seel. Zu­ nervösen Regulation zu deuten. Die wachsende Frucht stand einer schwangeren Frau wesentlich beeinflussen verlangt neben anderen mineral. Stoffen Kalk zum Auf­ und bes. in den ersten S.-Monaten eine ablehnende Ein­ bau ihres Knochensystems. Dieser wird, wenn er dem stellung zur S. hervorrufen. Die Konfrontation mit dem mütterl. Organismus nicht in geeigneten Nahrungsmit­ Kind wird jedoch häufig diese Haltung ändern. teln (Milch) oder als Kalkpräparat in genügender Menge Die körperl. Veränderungen der Frau werden durch die zugeführt wird, dem mütterl. Knochensystem entzogen. Frucht hervorgerufen und dienen der späteren Geburt so­ Ferner benötigt eine Schwangere in vermehrtem Maß Ei­ wie dem Stillen des Säuglings. Der gesunde, anpassungs­ sen, Folsäure und Vitamine, hier bes. das Vitamin B6. fähige Körper kann alle notwendigen Umstellungen so Auch das Zusammenspiel der Nerven, die die Blutge­ vornehmen, daß das Allgemeinbefinden nur wenig leidet. fäße versorgen und deren Zusammenziehung oder Er­ Über die Entwicklung des befruchteten weibl. Eies zum schlaffung bewirken, kann im Beginn der S. gestört sein. reifen Kind -»Fruchtentwicklung. So sind häufiger Wechsel der Gesichtsfarbe, Schwindel­ An den Schwangerschaftsveränderungen sind gefühl und Neigung zur Ohnmacht zu erklären. Die Drüsen mit innerer Sekretion zeigen Funktionsab­ die Frucht, die im Mutterkuchen gebildeten Hormone (Östrogene, Gelbkörperhormon und das Choriongona­ weichungen, die der S. dienen und nur ihr eigentümlich dotropin) sowie eine vermehrte Tätigkeit des Vorderlap­ sind. Ein neues Ei wächst während der bestehenden S. pens der Hirnanhangdrüse maßgeblich beteiligt. Sie be­ nicht heran; beherrschend und für die Erhaltung der S. in dingen sowohl die Veränderungen der Geschlechtsorgane den ersten 3—4 Monaten unentbehrlich ist der nach dem Eisprung des jetzt befruchteten Eies entstandene >blüwie auch sämtl. anderer Körperorgane und der Psyche. hende< Gelbkörper. Die hormonbildenden Funktionen oben Stand des Gebärmuttergrunds am Ende der des Eierstocks gehen während der S. nach und nach auf verschiedenen Schwangerschaftswochen: 16. Woche: den Mutterkuchen über und werden vom 4. Monat ab 2 Querfinger oberhalb des Schambeins. 20. Woche: 3 Querfinger unterhalb des Nabels. 24. Woche: Nabel­ wohl ganz von ihm übernommen. Entsprechend dieser höhe. 28. Woche: 3 Querfinger oberhalb des Nabels. Ruhe im Eierstock unterbleiben auch die zykl. Verände­ 32. Woche: Mitte zwischen Nabel und Schwertfortsatz rungen der Gebärmutterschleimhaut. Die Menstruation des Brustbeins. 36. Woche: am Rippenbogen. 40. Wo­ setzt aus, der erste Hinweis auf das Vorliegen einer S. che: 1-2 Querfinger unterhalb des Rippenbogens. Während der S. auftretende Blutungen sind also niemals unten Die Silhouetteeiner Schwangeren vor (gestrichelte Regelblutungen, sondern haben immer eine andere UrsaLinie) und nach (getönte Fläche) Senkung des Leibes 680

Schw ehe. Meistens handelt es sich bei Blutungen in der ersten Hälfte der S. um Anzeichen einer Störung im Sinn einer drohenden Fehlgeburt. In der zweiten Hälfte der S. kön­ nen sie ein Hinweis für einen anormalen Sitz des Mutter­ kuchens sein. In seltenen Fällen kann auch ein Gebärmut­ terkrebs die Blutungsursache sein. Immer bedürfen Blu­ tungen in der S. einer ärztl. Klärung ihrer Ursache. Aber auch alle anderen Drüsen mit innerer Sekretion lassen Funktionsänderungen erkennen. So ist die Schild­ drüse regelmäßig vergrößert. Auf eine Änderung der Ne­ bennierenfunktion weisen Pigmentveränderungen hin. Die Brustwarzen und der Brustwarzenhof nehmen durch hier in der Haut vermehrt abgelagerten Farbstoff (Mela­ nin) eine dunkle Farbe an. Dieselben Veränderungen sieht man auch im Bereich der äußeren Geschlechtsorgane, in alten Narben und in Form einer dunklen, vom Nabel zum Schamberg ziehenden Linie. Die bei manchen Frauen ge­ gen Ende der S. im Gesicht auftretenden gelbl. Flecken (Chloasma uterinum) werden ebenfalls so erklärt. An der Auslösung des in der S. allgemein gesteigerten Wachstums, das seinen sinnfälligsten Ausdruck in der mächtigen Vergrößerung der Gebärmutter findet, dürfte der für das Wachstum so bedeutsame Vorderlappen der Hirnanhangdrüse (Hypophyse) nicht unbeteiligt sein. Das vermehrte Wachstum geht auch aus der Zunahme der Körpersubstanz, die während einer S. 3—10 kg beträgt, hervor. Gesteigertes Wachstum läßt sich auch an den Brü­ sten erkennen; das Kopfhaar wächst bes. gut, im Gesicht zeigt sich häufig ein Flaum. Durch Wachstum und Ver­ dickung der Knochenhaut können Gesichtszüge vergrö­ berte, plumpe Formen zeigen, die sich nach der Geburt wieder völlig zurückbilden. Die Last der schwangeren Gebärmutter verändert die Haltung der Frau. Das kommt nicht nur in ihrem Gang zum Ausdruck, sondern kann auch Rücken- und Kreuz­ schmerzen verursachen. Bedeutungsvoll sind die am Herz, am Blutkreislauf und am Blutsystem zu beobachtenden Veränderungen. Die Blutmenge ist um etwa 1 1 vermehrt, und das Blut ist im Vergleich zu seiner sonstigen Zusammensetzung ver­ dünnt. Eine erhöhte Durchlässigkeit der kleinen Haarge­ fäße (Kapillaren) begünstigt im Zusammenhang mit Ei­ weißverschiebungen in der Blutflüssigkeit den Austritt von Flüssigkeit aus den Gefäßen in die umliegenden Ge­ webe. So ist die >Vollsaftigkeit< der Haut (-»Turgor) in der S. zu erklären. Durch diese Veränderungen besteht eine Ödembereitschaft, die bes. in einer Schwellung der Beine zum Ausdruck kommen kann. Die Vermehrung der Blut­ menge bedingt eine Mehrarbeit des Herzens. Dieses paßt sich den erhöhten Anforderungen durch eine Vergröße­ rung an. Die dem Stoffwechsel dienenden Organe, bes. die Le­ ber und die Nieren, sind in der S. einer besonderen Bela­ stung ausgesetzt. Hierauf ist bei der Ernährung der Schwangeren bes. zu achten. Schwangerschaftsbeschwerden. Aus dem Gesag­ ten geht hervor, daß Beschwerden, die individuell ver­ schieden stark auftreten und empfunden werden, am häu­ figsten im ersten und letzten Drittel auftreten, während das Wohlbefinden im mittleren Drittel nur selten gestört ist. In den ersten 3 Monaten haben diese Beschwerden ihre Ursache in der Umstellung des Körpers, in einer noch nicht vollendeten Einstellung der mütterl. Organe, bes. auch des Nervensystems, auf die veränderten Verhältnisse in der S. Das bes. morgens nüchtern auftretende Übelsein und Erbrechen, das übrigens durch Nahrungsaufnahme im Bett vor dem Aufstehen erfolgreich bekämpft werden kann, Schwindelgefühl, Unlustgefühle, ungewöhnl. Ge­ lüste usw. haben also durchaus keine krankhafte Bedeu­ tung, sondern sind als Folge der Umstellung erklärbar. Im letzten Drittel der S. werden Beschwerden durch die Größe der Gebärmutter bedingt, deren oberer Pol in der 36. Woche den Rippenbogen erreicht. Es kommt zu Ver­ drängungserscheinungen, die sich in einem Druck auf den Magen, Kurzatmigkeit wegen Bewegungseinschränkung der Lungen, Hochdrängung des Zwerchfells und Herzens und schließlich einem Druck auf Blase und Mastdarm mit häufigem Wasserlassen und einer Störung der Stuhlent­ leerung äußern. Diese Beschwerden (Magendruck, Kurz­

atmigkeit) lassen in den letzten 4 Wochen nach, wenn sich die Gebärmutter unter leichten Zusammenziehungen (S.Wehen) senkt, bei der Erstgebärenden durch Eintritt des untenliegenden Kindsteils in das Becken, bei der Mehrge­ bärenden durch ein Nachgeben der Bauchdecken und ein Umkippen der Gebärmutter nach vorn. Das letzte Drittel der S. stellt aber auch an die Stoffwechselorgane (Leber, Nieren) besondere Anforderungen, denen diese nicht im­ mer voll gewachsen sind. Steigert sich diese Belastung ins Krankhafte, treten Kopfschmerzen, Augenflimmern, sehr starke Wasseransammlungen in den Geweben, bes. in den Beinen auf, so können dies Zeichen einer drohen­ den -»Eklampsie sein (-»Schwangerschaftstoxikosen). Der Arzt ist unbedingt aufzusuchen, seine Diätvorschrif­ ten sind streng einzuhalten. Die empfindl. Psyche der Schwangeren ist vor seel. Er­ schütterungen, Schreck u. a. zu schützen. Neuere Unter­ suchungen der Psychoanalytiker haben aufgezeigt, daß schwere seel. Erlebnisse der Mutter in der S. sich auf die Entwicklung des Ungeborenen auswirken und für psych. Störungen im späteren Leben verantwortlich gemacht werden müssen. Es ist dringend zu raten, daß jede Frau während der S. einen Arzt aufsucht. Über die Art der Untersuchungen und der ärztl. Beratung -»Schwangerenfürsorge. Das Ende der S. und die bevorstehende Geburt kündi­ gen sich durch verschiedene Zeichen an. Der Druck auf Blase und Mastdarm nimmt zu, die Heftigkeit der Kinds­ bewegungen läßt nach, manche Frauen klagen über Schlaflosigkeit und Unruhe. Mit dem Beginn einer regel­ mäßigen Wehentätigkeit oder mit dem Sprung der Frucht­ blase beginnt die eigentliche -»Geburt. Feststellung der S. Das erste Zeichen, das die Frau auf das Vorliegeneiner S. hinweist, ist das Ausbleiben der Menstruation. Da hierfür aber auch eine Reihe anderer Ursachen (-»Amenorrhö) verantwortlich sein kann, gel­ ten diese und alle anderen vom weibl. Organismus ausge­ henden Erscheinungen (Vergrößerung des Leibesum­ fangs und der Brüste, Übelkeit, Erbrechen, Neigung zu Ohnmächten, >Gelüste< u. a.) als unsichere S.-Zeichen. Ihrem Auftreten kann auch eine eingebildete S. (>grossesse nerveuseUmstandsgürtel< ist bei sehr schlaffer Bauch­ muskulatur notwendig und empfehlenswert (möglichst Maßanfertigung). Die starke statische Belastung des weibl. Körpers in der S. verlangt festes Schuhwerk, mög­ lichst mit niedrigen Absätzen. Bei der Ernährung der Schwangeren ist zu berücksichti­ gen, daß durch den Bedarf an Aufbaustoffen für die wachsende Frucht sowie durch den erhöhten Stoffwechsel der Schwangeren ein größerer Nahrungsbedarf besteht. Die Schwangere soll sich satt essen, soll das essen, was ihr schmeckt, und das meiden, was ihr widersteht. Die qualitativ richtige Zusammensetzung der Nahrung, d. h. die richtige Mischung der Hauptnahrungsstoffe sowie der ausreichende Gehalt an Vitaminen und Mineralstoffen, ist bei gemischter Kost immer gegeben. Auf den Wert von Obst, Frischgemüse und Butter als Vitaminträger und von Vollmilch (täglich bis 11) zur Deckung des Kalkbedarfs sei bes. hingewiesen. Der Anteil an Eiweiß und Fett soll, da beide die Leber nicht unerheblich belasten können, einen bestimmten Prozentsatz der tägl. Nahrungsmenge nicht überschreiten. Zur Deckung des Eiweißbedarfs sind etwa 100g täglich ausreichend. Da 100g Milch etwa3,1 g, 100g Fleisch etwa 20 g verwertbares Eiweiß enthalten, sollen außerdem auch pflanzl. Eiweißträger (Brot, Mehl, Hül­ senfrüchte, Haferflocken, Kakao) mit herangezogen wer­ den. Der Rest des Nahrungsbedarfs soll durch Kohlen­ hydrate gedeckt werden. Trotz der Seltenheit einer Infektion z. B. durch -»To­ xoplasmose sollte auf den Genuß von rohem Schabe­ fleisch (Tartar) verzichtet werden. Kochsalz- und Flüssig­ keitszufuhr sind in der zweiten Hälfte der S. einzuschrän­ ken (Nierenbelastung). Medikamentengebrauch. Die durch Thalidomid bewirkten Mißbildungen bei Kindern in den frühen 60er Jahren (-»Thalidomidembryopathie) haben das allge­ meine Bewußtsein für das Problem mögl. Schädigungen der Leibesfrucht durch während der S. eingenommene Medikamente in zunehmendem Maße geschärft, dies um so mehr, als noch Wissenslücken auf diesem Gebiet beste­ hen. Nach den Erfahrungen und inzwischen durchgeführ­ ten Untersuchungen rechnet man heute, daß etwa 45 % al­ ler Medikamente die Frucht nicht schädigen. Über eine ge­ naue Anzahl kann noch keine bindende Aussage gemacht werden. Zu bedenken ist, daß die Ziffer für die Produkte, bei denen ein Risiko zu erwarten oder Mißbildungen und bleibende Schäden für die Leibesfrucht beobachtet wur­ den oder zu vermuten sind, immerhin etwa 7% beträgt! 682

Dabei ist auch die Gefahr des Übergangs von Medikamen­ ten in die Muttermilch zu beachten. Da nahezu alle Medi­ kamente in die Muttermilch übergehen, jedoch im allge­ meinen nicht mehr als 1% der von der Mutter aufgenom­ menen Dosis dem Säugling durch das Stillen zugeführt wird, muß vom Arzt entschieden werden, ob das der Mut­ ter verordnete Arzneimittel dem Kind, bes. bei einer Langzeitbehandlung, schadet. Gegen einen mäßigen Ge­ nuß von Alkohol in nicht konzentrierter Form in der S. ist nichts einzuwenden. Auch geringe Mengen von Kaffee und Tee sind i. d. R. erlaubt. Dagegen sollte das Rauchen vermieden werden, da es sich als Kreislaufgift schädigend auf die Leibesfrucht auswirkt. Schwangerschafts|abbruch, Interruptio gravi­ ditatis, die künstl. Herbeiführung einer -»Fehlgeburt.

Die Durchführung des S. als ärztl. Maßnahme erfordert entweder eine allgemeine oder lokale Betäubung. Bis zur Vollendung der 12. Schwangerschaftswoche kann der Eingriff durch eine instrumentelle Ausräumung (Saugkü­ rettage) erfolgen (-»Ausschabung). Ist dieser Zeitpunkt erreicht, wird, um eine rasche, gewaltsame Dehnung des Halskanals der Gebärmutter zu vermeiden, zur Auflocke­ rung ein hormonartig wirkendes Gemisch natürlich vor­ kommender Fettsäureverbindungen (Prostaglandine) in den Halskanal eingespritzt. Durch Injektion einer prostaglandinhaltigen Lösung in das Fruchtwasser oder aber Einbringen einer solchen Lösung zwischen Gebärmutter­ wand und Eihäute kann eine Wehentätigkeit ausgelöst werden. Diese läßt sich durch die intravenöse Infusion we­ henanregender Mittel unterstützen, so daß die selbsttätige Ausstoßung der Leibesfrucht bei fortgeschrittener Schwangerschaft abgewartet werden kann. Der S. ist nicht unerheblich mit Komplikationen bela­ stet. Solche können unmittelbar während des Eingriffs auftreten (Einrisse im Halsteil der Gebärmutter, Durchstoßung der Gebärmutterwand, Blutung) oder sich aber bald danach in Form von Infektionen im Bereich der Un­ terleibsorgane einstellen. Zu den Spätfolgen müssen Un­ fruchtbarkeit und Eileiterschwangerschaft als Folge von Eileiterentzündung, Fehl- und Frühgeburten sowie Nach­ geburtskomplikationen bei nachfolgenden Schwanger­ schaften, Menstruationsstörungen, Kopfschmerzen und nicht selten eine schwere Depression als seelische Reak­ tion auf den S. gerechnet werden. Der Prozentsatz aller Nachfolgestörungen liegt bei 20%. Rechtliches. Der S. ist im Grundsatz strafbar (§ 218 StGB), jedoch ist durch das 15. Strafrechtsänderungsge­ setz v. 18.5. 1976 ein Katalog von Ausnahmesituationen erstellt worden, in dessen Rahmen der S. nicht strafbar wird. Soweit die Schwangere selbst einen illegalen S. vor­ nimmt oder durch ihre Einwilligung daran mitwirkt, wird sie mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geld­ strafe belegt. Der bloße Versuch des S. durch die Frau ist nicht strafbar. Straflosigkeit der Frau tritt auch ein, wenn sie sich nach §218 b Abs. 1 Nr. 1, 2 gesundheitlich und über die sozialen Hilfen hat beraten lassen und der Ein­ griff in den ersten 22 Wochen der Schwangerschaft von ei­ nem Arzt vorgenommen wird. Ferner kann das Gericht von einer Bestrafung der Schwangeren absehen, wenn sie sich zur Zeit des Eingriffs in besonderer Bedrängnis be­ funden hat. Demgegenüber wird ein Außenstehender (Arzt oder Privatperson), der einen S. vornimmt oder daran mitwirkt, mit Freiheitsentzug bis zu 3 Jahren oder mit Geldbuße, in bes. schweren Fällen (z. B. bei fehlender Einwilligung der Frau oder bei Gefahr für Leib oder Le­ ben der Schwangeren) mit Freiheitsentzug von 6 Monaten bis zu 5 Jahren bestraft. Beim Außenstehenden sind auch der Versuch und die Fälle strafbar, in denen die Schwan­ gere selbst nicht bestraft wird. Generell straffrei sind jedoch alle Handlungen, deren Wirkung vor Abschluß der Einnistung des befruchteten Eies in der Gebärmutter (Nidation) eintritt. Die Nidation ist spätestens mit dem 13. Tag nach der Empfängnis abge­ schlossen. Alle Handlungen, die vor diesem Zeitpunkt wirksam werden, gelten nicht als S. (§ 219d StGB). Auf diese Weise werden Mittel wie die >Pille danach< (morning-after-pill), Pessare, Spiralen und Schleifen, aber auch Ausspülungen oder Ausschabungen in den ersten Tagen

Schw nach der Empfängnis von der Strafbarkeit ausge­ sigem S. tritt Strafbarkeit nach §§ 153, 154 StGB ein. nommen. Auch Österreich hat sich 1975 für die Fristenlösung ent­ Der S. ist ferner nicht nach § 218 StGB strafbar, wenn er schieden. In der Schweiz gilt eine Indikationenlösung, die von einem Arzt mit Einwilligung der Schwangeren (auch nach schweizer, herrschender Ansicht nur die Fälle der bei Minderjährigen entscheidet i. d. R. deren persönl. Ein­ medizin. Indikation als straflose Unterbrechung der willigung, nicht die ihrer Eltern) vorgenommen wird und Schwangerschaft (Art. 120 StGB) aus dem Bereich der eine der 4 anerkannten Indikationen (angezeigte Gründe) > Abtreibung« (Art. 118,119StGB)herausnimmt. Die Ein­ nach § 218a StGB vorliegt. führung der Fristenlösung wurde durch Volksabstim­ 1) Eine medizinische Indikation liegt vor, wenn der S. mung v. 26. 9. 1977 mit knapper Mehrheit abgelehnt. angezeigt ist, um eine auf andere zumutbare Weise nicht Die ethische Einstellung zum S. wird von der Frage zu beseitigende schwere Gefahr für Leben oder Gesund­ bestimmt, ob das Recht auf Leben des ungeborenen Kin­ heit der Schwangeren abzuwenden. 2) Eine eugenische des als sittl. Gebot gilt. Wesentlich ist das Problem, ob (kindliche) Indikation ist gegeben, wenn dringende vom Anfang der embryonalen Entwicklung an ein Gründe für die Annahme sprechen, daß das Kind an einer menschl. Leben als eigenständiges Rechtsgut anzuneh­ nicht behebbaren Schädigung seines Gesundheitszustan­ men ist (so bes. die Kath. Kirche) oder dem Embryo diese des leiden würde, die so schwer wiegt, daß von der Eigenständigkeit erst später mit der Entfaltung bestimm­ Schwangeren die Fortsetzung der Schwangerschaft nicht ter Merkmale zugesprochen wird. Als mögl. Rechtferti­ verlangt werden kann. In einem solchen Fall darf ein S. gung des S. wird gegen dieses Argument das Recht der nur bis zu 22 Wochen nach der Empfängnis vorgenom­ Frau auf freie Selbstbestimmung und -Verwirklichung be­ men werden. 3) Eine kriminologische (ethische) Indika­ tont . Allein die Betroffene solle darüber entscheiden kön­ tion setzt voraus, daß an der Schwangeren eine rechtswid­ nen, ob sie ihr Kind austragen wolle oder nicht. Oft wird rige Tat nach den §§ 176—179 StGB (Sexualdelikte) began­ mit dem Recht auf Leben die Vorstellung eines lebenswergen worden ist und dringende Gründe für die Annahme ten und menschenwürdigen Daseins verbunden: Eine me­ sprechen, daß die Schwangerschaft auf der Tat beruht. dizin., eugen. und ethische Indikation wäre dann ein legi­ Bei diesem S. dürfen seit der Empfängnis nicht mehr als 12 timer Grund für einen S. Bes. umstritten ist die soziale In­ Wochen verstrichen sein. 4) Eine soziale Indikation (Not­ dikation: In diesem Fall ist weder das Leben der Mutter lageindikation) ist anzunehmen, wenn der S. angezeigt ist, noch das des Kindes gefährdet. Weder wirtschaftl. Not­ um von der Schwangeren eine auf andere zumutbare lage noch gesellschaftl. Ächtung könnten daher als sittlich Weise nicht zu beseitigende Notlage abzuwenden, die so hinreichender Grund für eine S. hingenommen werden, schwer wiegt, daß eine Fortsetzung der Schwangerschaft betonen die Gegner dieser Indikation. Mit gutem Willen nicht verlangt werden kann. Auch hier dürfen beim Ein­ und finanzieller Hilfe könne ein aufgeklärter Sozialstaat griff nicht mehr als 12 Wochen seit der Empfängnis ver­ diese Umstände abwenden. Einigkeit scheint aber darin flossen sein. zu bestehen, daß S. nur ein äußerstes Notmittel zur Bewäl­ Die Regelungen werden durch eine Reihe von begleiten­ tigung sonst auswegloser Konflikte ist. den Maßnahmen strafrechtlich abgestützt. Nach § 218b Die Lehre der kath. Moraltheologie zumS. geht da­ StGB wird der Arzt (nicht die Frau) auch beim Vorliegen von aus, daß der Beginn des menschl. Lebens mit der Ver­ einer Indikation bestraft, wenn er einen S. vornimmt, schmelzung von Ei- und Samenzelle gleichzusetzen ist. ohne daß die Schwangere mindetens 3 Tage vor dem Ein­ Ein Eingriff nach der Empfängnis gilt demnach als Tö­ griff von einer Beratungsstelle oder einem anderen Arzt tung (moraltheologisch als Mord). Bei medizin. Indika­ über die zur Verfügung stehenden öffentl. und privaten tion könnte ein S. nur als nicht direkt gewollte Nebenfolge Hilfen und über die ärztlich bedeutsamen Gesichtspunkte eines ärztl. Eingriffs (Beseitigung eines Karzinoms o. ä.) beraten worden ist. Nach § 219 StGB wird der Arzt (wie­ sittlich verantwortet werden. Grundsätzlich könnte je­ derum nicht die Frau) bestraft, wenn er einen S. vor­ doch das Recht auf Leben als absolutes ethisches Prinzip nimmt, ohne daß ihm die schriftl. Feststellung eines ande­ und als vorstaatl. Menschenrecht keine Ausnahme ge­ ren Arztes darüber vorgelegen hat, ob eine der gesetzl. In­ statten. dikationen gegeben ist. Nach § 219a StGB wird ein Arzt Auch die evang. Sozialethik betont den Rechts­ bestraft, wenn er wider besseres Wissen ein unrichtiges Attest über das Vorliegen einer Indikation ausstellt. Nach schutz des ungeborenen Lebens und lehnt ein grundsätzl. § 219b StGB werden ferner die eines Vermögensvorteils Recht auf S. und ihm folgend deren allgemeine Freigabe wegen oder in grob anstößiger Weise erfolgende öffentl. ab. Als Gründe für einen S. werden nur die medizin. und in Werbung für den S. und nach § 219c StGB das Inverkehr­ gewissen Fällen die soziale Indikation anerkannt. bringen von Mitteln zum rechtswidrigen S. bestraft. — Ein Schwangerschafts|gingivitis, hormonell bedingte Arzt ist nicht verpflichtet, an einem S. mitzuwirken, es sei Auflockerung der oralen Weichgewebe während der denn, dies ist notwendig, um von der Frau eine anders Schwangerschaft. Zahnfleischentzündungen werden da­ nicht abwendbare Gefahr des Todes oder einer schweren durch begünstigt. Die veränderten Enzymaktivitäten im Körperverletzung abzuwenden. Speichel sowie die Übersäuerung der Mundhöhle durch Versicherte der sozialen Krankenversicherung und mit­ häufiges Erbrechen während der ersten Monate der versicherte Familienangehörige haben Anspruch auf Schwangerschaft können zu ausgeprägten Entkalkungen ärztl. Beratung und Untersuchung. Bei legalem S. besteht am Zahnschmelz führen (Schwangerschaftskaries). Beide ein Anspruch auf Leistungen der Krankenversicherung Krankheitsbilder sind bei guter Mundhygiene und Zahn­ (§§ 200e-g Reichsversicherungsordnung u. a. Vorschrif­ pflege vermeidbar. ten). Entsprechende Regelungen gelten in der Sozialhilfe Schwangerschaftsgymnastik, körperl. Übungen (§§ 37a Bundessozialhilfegesetz). 1978 kamen auf 576 468 Lebendgeborene in der Bun- zur Auflockerung muskulärer Verspannung und zur För­ desrep. Dtl. 73548 legale Schwangerschaftsabbrüche derung der Durchblutung als phys. und psych. Vorberei­ (12,9%), davon entfielen 22,9% auf die allgemeinmedi- tung der Schwangeren auf die Geburt. Durch Aufklärung über den Geburtsvorgang und durch Erlernen des richti­ zin. und 67,0% auf die soziale Indikation. Rechtspolit. Entwicklung des S. Das 5. Straf­ gen Verhaltens während der verschiedenen Geburtspha­ rechtsreformgesetz v. 18.6.1974 hatte sich für die Fristen­ sen soll die Schwangere die Angst vor der Geburt überwin­ lösung (generelle Freigabe des S. in den ersten 12 Wochen) den und geburtshemmende Muskelverkrampfungen ver­ entschieden. Auf Antrag der Länder Bayern und Bad.- meiden . Sie erlernt im Unterricht, sich beim Einsetzen der Württ. erklärte das Bundesverfassungsgericht die Fri­ Eröffnungswehen zu entspannen, verschiedene, den Ge­ stenlösung durch Urteil v. 25. 2. 1975 für grundgesetzwid­ burtsphasen angepaßte Atmungsarten (Voll-, Brust-, He­ rig und nichtig. Das 15. Strafrechtsänderungsgesetz v. chel- und Preßatmung) und spezielle Übungen für die 18.5. 1976 brachte die jetzt gültige Indikationenrcgelung. während der Schwangerschaft und Geburt bes. bean­ Ob die vom Urteil gezogenen Grenzen eingehalten sind, spruchte Muskulatur. Es empfiehlt sich, S. unter fachl. Aufsicht zu betreiben ist weiterhin umstritten, da § 218 Abs. 3 Satz 2 z. T. als ver­ und damit frühestens im 5. Monat der Schwangerschaft kappte Fristenregelung angesehen wird. Inder Dt. Dem. Rep. gilt die Fristenlösung; bei unzuläs­ zu beginnen. (Tafel S. 684) 683

SCHWANGERSCHAFTSGYMNASTIK

1—3 Atemübungen. Übung 1 (Bauchatmung, ohne Bild): Flach hinlegen, unter die leicht angezogenen Knie eine zusammengerollte Decke geben. Beide Hände auf den Oberbauch legen und mit dem Bauch ruhig atmen, indem beim Einatmen die Bauchdecke gegen die Hände gedrückt wird. In regelmäßigen Abständen lOmal ein- und ausatmen, dann eine Pause einlegen. Übung mehrfach wieder­ holen, beim Atmen mitzählen. Übung 2 (Brustkorbatmung, ohne Bild): Ausgangslage wie bei Übung 1, Hände unter der Brust so auf den Brustkorb legen, daß sich die Fingerspitzen in der Mitte berühren. Tief durch die Nase einatmen, so daß die Fingerspitzen auseinandergezogen werden. Übung 3 (Schlüsselbeinatmung, ohne Bild): Ausgangslage wie bei Übung 1, Hände jedoch an den Hals­ ansatz legen. Mit offenem Mund in rascher Folge ein- und ausatmen (Hecheln). Beim schnellen Atmen heben und senken sich Schlüsselbein und Brustbein. 4—7 Entspannungsübungen. Übung 4: Ausgangssituation: Hinknien, auf die Fersen setzen. Muskulatur anspannen und aus dem Sitz hochschnellen zum Knien, dabei das Kreuz durchdrücken. Wieder zurücksetzen und Muskulatur lockern. Bei völliger Ent­ spannung einen Katzenbuckel machen. Übung 5: Flach auf den Rücken legen, Arme unter dem Kopf verschränken. Das linke Bein bis zur Senkrechten hochheben und strecken. Dann das linke Bein über das rechte Bein hinweg auf den Boden legen und locker liegen lassen, dabei Bauchatmung. Nach wenigen Atemzügen Bein wieder nach oben strecken und Muskeln anspannen. Übung mit jedem Bein 5mal ausführen. Übung 6: Lockerungsübung: Bei Rückenlage und leicht gespreizten Beinen die Füße locker nach innen und außen drehen. Die Gesäßmuskulatur dabei entspannen und zugleich Bauchatmung versuchen. Übung 7: Knien und nach vorn mit flach aufgelegten Händen aufstützen. In dieser Ausgangsstellung ist der Rücken fast gerade. Jetzt den Kopf zwischen die Arme senken und dabei den Rücken nach oben zum Katzenbuckel wölben. Die Arme stehen dabei senkrecht, die Ellenbogen sind durchgedrückt. Kopf heben und Wirbelsäule durchhängen lassen, so daß ein Hohlkreuz entsteht. Dabei ruhig atmen. 8—12 Muskeltraining. Übung 8: In Rückenlage Knie leicht anziehen. Arme neben dem Körper flach auf den Boden legen. Ober­ körper leicht anheben und versuchen, mit der rechten Hand die rechte Ferse zu erreichen. Die Übung 5mal rechts und 5mal links durchführen (nicht im Wechsel rechts-linksl). Dazwischen immer wieder in Ausgangslage zurückkehren und ruhig durchatmen. Übung 9: Ausgangslage wie bei Übung 8. Den linken Arm heben und ihn am rechten Knie vorbeiführen, dabei den Oberkörper leicht anheben. Nicht mit der rechten Hand aufstützen. In die Ruhelage zurückkehren und durchatmen. Übung 5mal mit der linken Hand üben, dann umgekehrt mit der rechten Hand am linken Knie vorbei 5mal üben (nicht zwischen rechts und links abwechseln!). Übung 10: Bei Rückenlage Arme unter dem Kopf verschränken und Knie leicht anziehen. Beide Beine abheben und die Füße soweit wie möglich nach rechts, dann nach links absetzen. Dabei muß der Rücken auf dem Boden aufliegen (kein Hohlkreuz machen). Übung 11: Bei Rückenlage Beine anheben und »Radfahrern üben. Dabei darauf achten, daß das Kreuz auf der Unterlage aufliegt und daß die Bauchmuskulatur angespannt ist. Die Füße also nur wenig anheben, nicht in der Senkrechten »Radfahrern. Übung 12: Bei Rückenlage Knie bis zur Brust anziehen und Beine mit beiden Händen unterhalb der Knie umfassen. Kopf leicht von der Unterlage abheben und so tief wie möglich einatmen. Nun Atem anhalten und wie zum Stuhlgang etwa 19 Sekunden fest nach unten pressen. Mit leicht angezogenen Beinen in die Rückenlage zurückgehen - die Füße stehen jetzt auf der Unterlage mehrere Male ruhig durchatmen. Dann Knie erneut anziehen, Kopf von der Unterlage abheben und nach tiefem Einatmen pressen. Übung lOmal wiederholen. Dabei auf ausreichende Ruhepausen achten.

684

Schw Schwangerschaftsreaktion, Schwanger­ schaftstest, biolog. oder immunolog. Untersuchung

zur Feststellung einer bestehenden Schwangerschaft. Sie beruht auf dem Nachweis des in den Zotten des Mutterku­ chens gebildeten Hormons Choriongonadotropin, dessen Überschuß im mütterl. Harn ausgeschieden wird. Mit Hilfe dieses Tests läßt sich u. U. schon 3 Wochen nach der Befruchtung, also etwa eine Woche nach dem ersten Aus­ bleiben der Menstruation, eine Schwangerschaft nach­ weisen. Zur Durchführung der Untersuchung ist der zu­ erst gelassene morgendl. Urin (etwa 15—20 ml) bes. geeig­ net, da in ihm das Hormon in angereicherter Menge vor­ handen ist. Der Test wird entweder als biolog. Reaktion (z. B. Froschtest) durch Einspritzen von Harn der zu untersu­ chenden Frau in Versuchstiere (Maus, Ratte, Kaninchen, Kröte, Frosch) mit Nachweis hormonell bedingter Verän­ derungen bei diesen, in neuerer Zeit fast ausschließlich als immunolog. Antigen-Antikörper-Reaktion ausgeführt. Während bei den zunächst entwickelten biolog. Tests Tiere benutzt oder getötet (Aschheim-Zondeksche Reak­ tion) werden mußten und das Ergebnis erst nach Stunden oder Tagen vorlag, ist die immunolog. Reaktion ein Rea­ genzglastest, der kurzfristig ein Resultat erbringt. Außer zum Nachweis einer an normaler Stelle sitzenden Schwangerschaft, dient die S. auch zur Diagnostik einer Extrauterinschwangerschaft sowie zur Erkennung und Verlaufskontrolle einer Blasenmole und des -»Chorion­ epithelioms. Die Bestimmung von in der Schwangerschaft in steigen­ der Menge gebildeten Östrogenen und Gestagenen in Form ihres Ausscheidungsprodukts Pregnandiol kann ebenfalls zur Diagnose einer Schwangerschaft herangezo­ gen werden. Die Prüfung der Ansprechbarkeit der Gebärmutter­ schleimhaut auf Zuführung eines Östrogen-GestagenGemischs (pharmakolog. Test) wurde bis vor kurzem häufig zum Nachweis einer Schwangerschaft benutzt. Wegen der Möglichkeit von Mißbildungsschäden an der Frucht wird diese S. nicht mehr angewendet. Schwangerschafts|toxikosen, Gestosen, Schwangerschaftvergiftungen, Erkrankungen der

schwangeren Frau, deren Ursache mit der im Mutterleib sich entwickelnden Frucht in Zusammenhang steht (bei Zwillingen sind S. häufiger zu beobachten) und die außer­ halb der Schwangerschaft nicht vorkommen. Von den im ersten Drittel einer Schwangerschaft beobachteten Früh­ gestosen werden die im letzten Schwangerschaftsdrittel auftretenden Spätgestosen unterschieden. Zu den Frühgestosen ist bes. das unstillbare Erbrechen (Hyperemesis gravidarum) zu rechnen. Es handelt sich um eine mit allgemeinem, schwerem Krankheitsgefühl einhergehende Steigerung des bei etwa 50—70% aller Frühschwangeren auftretenden morgendl. Übelseins (Vomitus matutinus) oder des gelegentl. Erbrechens (Emesis gravidarum). Das anhaltende Erbrechen kann jede Nahrungsaufnahme erschweren und durch die Flüssigkeits- und Nährstoffverarmung des Körpers zu lebensbedrohl. Zuständen führen. Bei diesem Krankheitsbild kann auch die Tätigkeit der Leber bedrohlich in Mitlei­ denschaft gezogen werden. Auch der sehr lästige, anhal­ tende Speichelfluß (Ptyalismus) kann als Begleiterschei­ nung oder auch allein auftreten. Die Hyperemesis ist durch die notwendige Umstellung des mütterl. Organismus bedingt und gilt als komplexes Geschehen. Neben psychogenen und neurovegetativen Faktoren sind solche hormonaler und bes. stoffwechseltox. Art an ihrer Auslösung beteiligt. Das unstillbare Erbrechen verlangt unbedingt rechtzei­ tig ärztl. Behandlung; in manchem Fall ist eine stationäre Krankenhausbehandlung notwendig zur Behandlung mit Antihistaminen, neuropleg. Medikamenten und Trau­ benzucker- sowie Kochsalzinfusionen, die mit Vitaminen angereichert sind. Daneben ist eine Leberschutzbehand­ lung zweckmäßig. Die Hinzuziehung eines Psychothera­ peuten ist oft hilfreich. Bei den Spätgestosen werden die Erkrankungen, die durch die Schwangerschaft entstanden sind, Präeklamp­ sie und Eklampsie, als reine Gestosen von den Erkrankun­

gen ähnl. Charakters unterschieden, die nicht durch die Schwangerschaft verursacht sind. Hierher gehören chron. Bluthochdruck in der Schwangerschaft und ver­ schiedene Nierenerkrankungen. Die Entstehung der Spät­ gestosen ist bis in alle Einzelheiten noch nicht restlos ge­ klärt. Anscheinend hat das Gefäßsystem in der Form von Gefäßspasmen wesentl. Anteil an der Gestoseentstehung; dadurch wird die Durchblutung der Gebärmutter und da­ mit des Mutterkuchens vermindert, so daß von diesem blutdrucksteigernde Substanzen in die Blutbahn abgege­ ben werden. Wasseransammlung im Unterhautgewebe (Ödeme), Blutdruckerhöhung und eiweißhaltiger Urin deuten auf eine Schädigung der Nierenfunktion (Nephropathia gra­ vidarum) hin und verdienen als Vorläufer der schwersten Form der S., der -»Eklampsie, stärkste Beachtung. Ödeme des Körpers können, bes. wenn sie nur abends, nach stehender Beschäftigung, an den Unterschenkeln auftreten, harmloser Natur sein. Immer müssen aber in diesen Fällen vom Arzt der Blutdruck und der Harn unter­ sucht werden. Zeigen sich hierbei Veränderungen, die auf eine Nierenschädigung hindeuten, so ist unbedingt Bett­ ruhe und eine streng salzlose Diät mit starker Flüssigkeits­ einschränkung einzuhalten, um das mit Kopfschmerzen, Übelkeit, Unruhe und Augenflimmern einhergehende Vorstadium der Eklampsie, die Präeklampsie, zu verhü­ ten. Ist es zur Präeklampsie gekommen, so können jeder­ zeit die mit Bewußtseinsverlust einhergehenden Krampf­ anfälle der Eklampsie auftreten, die es wegen ihrer Ge­ fährlichkeit für das Leben der Mutter und des Kindes un­ bedingt zu vermeiden gilt. Durch ärztl. Betreuung in der Schwangerschaft können die Vorboten der Eklampsie häufig rechtzeitig erkannt, behandelt und ihr Ausbruch verhindert werden. Je besser in einem Land die Schwangerenfürsorge aus­ gebaut ist, desto seltener wird die Eklampsie beobachtet. Sie tritt am häufigsten während der Geburt auf, oft auch in den letzten Wochen der Schwangerschaft und nur selten im Wochenbett. Erstgebärende werden häufiger betrof­ fen als Mehrgebärende, bei Mehrlingsschwangerschaft wird sie zahlreicher beobachtet. Das gleiche gilt für Schwangerschaften mit Hydramnion (-»Fruchtwasser) und bei Blasenmolen. Bei späteren Schwangerschaften wiederholt sich eine Eklampsie nur selten, bes. dann, wenn eine schon außerhalb der Schwangerschaft beste­ hende Nierenschädigung besteht. Wird eine Frau von einem eklampt. Krampfanfall über­ rascht, so soll sie in ein abgedunkeltes und ruhiges Zimmer gebracht werden. Um Zungenbisse zu vermeiden, wird ihr ein mit Stoff umwickelter Löffelstiel zwischen die Zähne geschoben. Ärztl. Hilfe und stationäre Behandlung mit der Entscheidung, ob und wie die Schwangerschaft zu be­ enden ist, ist dringend erforderlich. Nach Beendigung der Schwangerschaft bilden sich mit der Eklampsie einhergehende krankhafte Organveränderungen, meist der Leber und der Nieren, i. d. R. vollkom­ men zurück, sofern eine reine Spätgestose vorlag. Schwanzbein, das -»Steißbein. Schwäre, der-»Furunkel. Schwarte, dicke, harte Haut, v. a. aus entzündl. Vor­ gängen entstandene, große, flächenhafte Narbe, z. B. des Rippenfells (Pleura-S.) nach Rippenfellentzündung. Schwarzblütigkeit, die -» Melanämie. Schwarze Pocken, Blattern, -»Pocken. Schwarzer Tod, mittelalterliche Bezeichnung für schwerste Verlaufsformen der Pest und der Pocken. Schwarzwasserfieber, früher gefürchtete Kompli­ kation der Malaria tropica, die bes. bei Europäern auf­ trat. Hierbei kam es unter schweren Krankheitszeichen mit Nierenversagen zu einem plötzl. Blutzerfall, der in Kürze zum Tod führen konnte. Kennzeichnend ist die Dunkelfärbung des Harns (Hämoglobinurie), die namen­ gebend für das S. war. Die Ursache des S. ist nicht restlos geklärt. Enzymdefekte der roten Blutkörperchen, im­ munolog. Reaktionen und Medikamentenunverträglich­ keit werden diskutiert, wobei das Chinin eine besondere 685

Schw Der S. besteht im wesentl. aus Wasser, er enthält bis 2% Rolle spielte. Unter den neueren Malariamitteln wird das Trockensubstanz, vorwiegend Kochsalz, weiter Harn­ S. nur noch selten beobachtet. Schwefel, nichtmetall. chemisches Element, das als stoff, Harnsäure, Ammoniak, Aminosäuren (bes. ArgeBestandteil von Salben, Pasten und Schüttelmixturen äu­ nin und Histidin) und Fettsäuren. Infolge der beigemeng­ ßerlich zur Behandlung von Akne, Ekzem, Schuppen­ ten schwachen Säuren hat er meist eine saure Reaktion. flechte, Seborrhö und Furunkulose angewendet wird. In Der Geruch wird durch die mehr oder weniger starke Zer­ der Form von gereinigtem S. (Sulfur depuratum) und S.- setzung der Fettsäureanteile bestimmt. Mit der S.-Abson­ Milch (Sulfur praecipitatum) wurde es früher als Abführ­ derung erfüllt die Haut wesentl. Allgemeinaufgaben im Dienst der Ausscheidung und der Wärmeregulierung des mittel verwendet. Körpers. Übermäßige S.-Bildung (Hyperhidrose) und ab­ S. wird auch in der Homöopathie verwendet. norme S.-Absonderung können auf Schilddrüsenerkran­ Schwefelkohlenstoff |erkrankungen, durch Auf­ kung, Lungentuberkulose, Mukoviszidose oder nervöse nahme (Einatmen) von Schwefelkohlenstoff verursachte Leiden zurückzuführen sein. Weiteres -► Achselschweiß, Erkrankungen, meist Berufskrankheiten. Gefahren­ -♦Fußschweiß, -» Handschweiß. quellen sind die Herstellung von Schwefelkohlenstoff, Die Behandlung der übermäßigen allgemeinen S.seine Verwendung als Löse-, Extraktions- und Schäd­ Bildung hat in erster Linie eine möglicherweise vorlie­ lingsbekämpfungsmittel, in der Viskose-Industrie (syn- gende ursächl. Erkrankung zu berücksichtigen. Im übri­ thet. Spinnstoffe) und bei der Kohleveredlung. Schwefel­ gen sorge man für leichte, luftdurchlässige Bekleidung, kohlenstoff ist ein Nervengift. In größerer Dosis wirkt es häufigen Wäschewechsel und leichte Bedeckung wäh­ narkotisch. Jahrelange Einwirkung kleinerer Mengen rend der Nacht. Die Anwendung von Desodorantien kann zu Erkrankungen des peripheren Nervensystems (-►Desodorieren) sollte wegen mögl. Hautschäden mit (Polyneuritis) sowie zu zerebralen und hormonellen Stö­ dem Hautarzt besprochen werden. rungen, auch zu Gefäßschäden führen, (-»gewerbliche Schweißdrüsen|abszeß, eine Entzündung der Vergiftungen) Schweißdrüsen mit Abszeßbildung, v. a. in der Achsel­ Schwefelmoorbäder, -»Moorbäder. grube; entsteht durch Eindringen von Eitererregern in die Schwefelschlammbäder, -»Schlammbäder. Ausführungsgänge der Schweißdrüsen, seltener auf dem Schwefelwasserstoffbäder, Schwefelbäder, Blutweg. Auffallend häufig finden sich S. bei dunkelhaa­ Heilbäder im Wasser von Schwefelwasserstoffquellen rigen Menschen. (-»Heilquellen). Anzeichen sind Schwellung, Rötung und Schmerz­ Schwefelwasserstoff |erkrankungen,durchAuf- haftigkeit. Die S. der Achselgrube haben die Eigentüm­ nahme von Schwefelwasserstoff verursachte Erkrankun­ lichkeit, sehr rasch nahezu die ganze Achselhöhle zu erfas­ gen, meist Berufskrankheiten. Schwefelwasserstoff, ein sen. Daher ist es notwendig, gleich beim ersten Abszeß ra­ farbloses, brennbares, explosives Gas, entsteht dort, wo dikal vorzugehen, denn wenn einmal zahlreiche Abszesse organ. Material in Fäulnis übergeht. Es findet sich auch entstanden sind, kann sich die Krankheit monatelang hin­ im Schlamm vulkan. Binnenseen (Fango). Außerdem bil­ ziehen; sie neigt überdies sehr zu Rückfällen. Behandlung: Wirksam ist oft die Röntgenschwach­ det sich Schwefelwasserstoff bei der Herstellung von Salz-, Schwefelsäure und Schwefelkohlenstoff; er tritt bestrahlung, wenn sie sofort eingesetzt wird. Da die S. im auch in Hochöfen, Erdölraffinerien, Gaswerken, Koke­ Ggs. zu den Furunkeln schlecht reifen, muß zu Beginn rei­ reien und in der Viskose-Industrie (Zellwoll- und Kunst­ nes Ichthyol sowie Bestrahlung mit Rotlicht oder Kurz­ seidenherstellung) auf. Geringe Mengen bewirken starke welle angewendet werden. Unterstützend wirken Antibio­ Reizung an Augen-, Nasen-, Rachenschleimhäuten. In tika. Der entstehende Eiter wird durch Einschnitt entfernt größerer Menge aufgenommen, ist Schwefelwasserstoff und die Wundhöhle mit Antibiotika, Desinfizienzien und ein -»Erstickungsgas; es kann zu Atemlähmung kom­ Gazestreifen behandelt. Bei Rückfällen werden die ent­ men. Die langfristige Aufnahme geringerer Mengen kann zündlich veränderten Hautstellen entfernt. Schäden an den Atemwegen, am Herz-Kreislauf-System Schweiß|ekzem, dyshidrotisches Ekzem, Dys­ und bes. am Zentralnervensystem verursachen, (-»ge­ hidrosis, Hauterkrankung; tritt bei Menschen, die zu werbliche Vergiftungen, -* Kanalgasvergiftung) vermehrter örtl. Schweißbildung neigen, gelegentlich zu Schweigepflicht, ärztliche S., die Verpflichtung Beginn der heißen Jahreszeit in Form von zahlreichen, aller Personen, über die in Ausübung ihres ärztl. Berufs schnell aufschießenden, kleinen, juckenden Bläschen bei Untersuchung und Behandlung von Kranken gewon­ auf; es werden bes. die Seitenflächen der Finger und Ze­ nene Erfahrung oder Mitteilung Dritten gegenüber Still­ hen, die Hohlhände und Fußsohlen befallen. Im weiteren schweigen zu bewahren (-» Arzt). Die Verletzung der S. ist Verlauf können die Erscheinungen ekzemähnl. Charak­ strafbar (§ 203 StGB). ter annehmen, bes. wenn sich an den erkrankten Stellen Schweinebandwurm, -»Bandwürmer. Eitererreger oder Hautpilze ansiedeln. Dabei handelt es Schweiß, Sudor, die Absonderung (Schwitzen, sich nicht um eine Erkrankung der Schweißdrüsen, son­ Transpiration) aus den S.-Drüsen der Haut. Die Drüsen­ dern um entzündl. Reaktionen an bes. durchfeuchteten zellen der S.-Drüsenknäuel erzeugen den S. aus der Blut­ Hautstellen. Die ärztl. Behandlung folgt zunächst den gleichen flüssigkeit der die Knäuel umgebenden Blutgefäße (-►Haut). Auch bei völliger Körperruhe findet ständig Richtlinien wie beim -► Ekzem; Fettpräparate sind zu mei­ eine geringgradige Abdunstung an der Körperoberfläche den, angewendet werden Lotionen, Pasten oder Cremes, in Form der >unmerkl. Hautwasserabgabe< (Perspiratio zu Beginn mit Corticoiden als Wirkstoffen. Bei Vorliegen insensibilis) statt, an der hauptsächlich die S.-Drüsen, in einer Hautpilzerkrankung oder Eitererregern sind Anti­ geringem Maß auch die Oberhautzellen, beteiligt sind. mykotika und/oder erregerabtötende antibiot. und des­ Die hierbei abgedunstete Flüssigkeitsmenge beträgt in­ infizierende Maßnahmen angezeigt. Weitere Behand­ nerhalb 24 Stunden etwa 500 ml. Bei erhöhter Außen­ lungsmaßnahmen wie bei -»Impetigo oder bei -► Haut­ temperatur (über 28 °C), bei körperl. Arbeit und im Fieber pilzkrankheiten. Schweißer|krankheit, Gesundheitsstörungen, die steigt die S.-Absonderung durch die S.-Drüsen erheblich an; dies erreicht man auch durch schweißtreibende Mittel. beim Schweißen durch Einwirkung von ultraviolettem Auch nervöse Übererregbarkeit und seel. Einflüsse kön­ Schweißlicht in Form von Binde- und Hornhautschäden nen in gleichem Sinn wirksam werden. Der S. tritt dann, an den Augen und/oder infolge ungenügender Absau­ am besten auf der Stirn sichtbar, in kleinen Flüssigkeits­ gung von Schweißgasen als Vergiftungserscheinungen perlen aus den S.-Drüsenporen hervor. Die Absonderung auftreten können. Nach langzeitigem Elektroschweißen ist an den am meisten mit S.-Drüsen ausgestatteten Kör­ wurden Lungenveränderungen im Sinn einer -»Siderose perstellen (Hohlhände, Fußsohlen, Achselhöhlen, Lei­ beobachtet. Die Verwendung ummantelter Elektroden stengegend) am stärksten. Bei großer körperl. Anstren­ kann in Abhängigkeit vom Material möglicherweise zu gung (Bergsteigen, Feldarbeit in Sommerhitze) können schrumpfenden Lungenveränderungen mit Störungen zeitweilig 2 1 Flüssigkeit in einer Stunde ausgeschwitzt der Lungenfunktion führen. Strenge Beobachtung der entsprechenden Unfallverhütungsvorschrift ist nötig. werden. 686

Schw Schweißfriesel, Friesei, Miliaria, Sudamina, Hitzbläschen, harmloser Hautausschlag, aus kleinen

hirsekorngroßen Bläschen bestehend, die mit wasserhel­ ler, später trüb werdender Flüssigkeit gefüllt sind. Die Bläschen können auch mit feinem rotem Saum umgeben sein. Hitze fördert die Entstehung. - Behandlung: Haut­ puder; leichte Bekleidung. Schweißfuß, Fuß mit übermäßiger Schweißabsonde­ rung (-»Fußschweiß). schweißtreibende Mittel, Mittel, welche die Schweißabsonderung anregen sollen, z. B. die -»Fieber­ mittel, ferner heißer Lindenblüten- oder Fliedertee, hei­ ßes Zitronen wasser u. a. Die s. M. werden im Rahmen ei­ ner Schwitzpackung (-»Packung) angewendet. Schweiß­ ausbruch bewirkt ein Sinken des Fiebers. Schwellkörper, Corpora cavernosa, Gewebe, die durch Blutstauung zum Schwellen gebracht werden kön­ nen. Der männl. Körper hat 3 S., die den Penis, der weibl. 2 S., die den Kitzler bilden, und 2, die (in der Wand des Scheidenvorhofs liegend) den Scheideneingang umgeben (Bilder Geschlechtsorgane, Ejakulation). Schwellkörperschwiele, Induratio penis pla­ stica, knoten-, platten- oder strangförmige Bindege­

websverhärtung in den Schwellkörpern des männl. Glieds; sie bewirkt bei der Erektion eine schmerzhafte Ab­ knickung des Glieds und damit eine Funktionsbehinde­ rung. Die Ursache der S. ist ungeklärt; sie tritt oft zusam­ men mit der -» Dupuytrenschen Fingerverkrümmung auf. Behandlung durch Arzt für Urologie, der je nach Umfang und Auswirkung der örtl. Veränderung über die an­ zuwendende Maßnahme entscheidet. Die Beschwerden werden gut durch eine Röntgenschwachbestrahlung be­ einflußt, jedoch nur selten der Organbefund selbst; Ver­ such einer Injektionsbehandlung mit Cortison, bei Versa­ gen operative Korrektur. Schwerbehindertengesetz, -* Behinderte. Schwerelosigkeit, ein von der Einwirkung der Gra­ vitationskräfte (Erdanziehung) und Beschleunigung freier Zustand. Die S. hat seit Beginn der -»Raumfahrt zunehmende medizin. Bedeutung gewonnen. Schwerhörigkeit, Minderung des normalen Hörver­ mögens, wobei als Norm die an einer großen Zahl jugendi. gesunder Menschen ermittelten Schwellenwerte der ge­ samten Frequenzskala des Hörbereichs zwischen 16 und 20000 Hertz gelten. S. kann ein- oder doppelseitig, gleich­ bleibend oder fortschreitend, angeboren oder erworben sein. Man unterscheidet geringgradige, mittelgradige, hochgradige S. und schließlich -»Taubheit. S. kann ihre Ursache in allen anatom. Teilen des gesamten Hörorgans bis hinauf zur Hirnrinde haben. Die Diagnose bedarf nach Abklärung des klin. Befunds auch der -» Hörprüfung und soll klären, auf welcher Seite die S. vorliegt und ob einoder doppelseitig; sie soll außerdem über Grad, Typus, Sitz der Ursache und die Möglichkeiten einer Behandlung Klarheit schaffen. S. infolge von Veränderungen am äußeren und am Mittelohr können durch Freimachen des Gehörgangs oder Eingriffe am Mittelohr behoben oder gebessert werden (-»Tympanoplastik), während das In­ nenohr bisher nur mit Medikamenten und durch Maßnah­ men an der Halswirbelsäule beeinflußt werden kann. Zen­ trale S. wird durch Hirnerkrankungen oder -degenerationen verursacht und kann, wenn überhaupt, nur durch Be­ handlung der Hirnveränderung angegangen werden. In vielen Fällen, v. a. bei Schalleitungs-S., können moderne -► Hörapparate entscheidend helfen. Häufige Ursachen einer S. sind: am äußeren Ohr -►Ohrenschmalzpfropf, Fremdkörper, Gehörgangsent­ zündung; am Mittelohr akute und chron. -»Mittelohr­ entzündung, Otosklerose, Verletzungen; am Innenohr Durchblutungsstörungen, bes. auf der Basis einer Hals­ wirbelsäulenverformung, Innenohrentzündung, Innen­ ohrintoxikation, Lärmtraumen; am zentralen Hörorgan Durchblutungsstörungen, Hirntumoren, Hirntraumen, auch eine Kombination verschiedener Ursachen. Neben dem verminderten akust. Kontakt zu seiner Um­ welt leidet der Schwerhörige bei stärkerem Ausmaß seiner S. an einer herabgesetzten Kontrolle seiner Spracherzeu­

gung. Je nach Grad der Hörstörung sowie Zeitpunkt ihres Eintretens spricht der Schwerhörige mit einer verstüm­ melten und auch in ihrer Lautstärke unangemessenen Sprache. Trat die S. oder Taubheit vor dem 7. —8. Lebens­ jahr auf, dann geht eventuell erlerntes Sprech vermögen wieder ganz oder teilweise verloren. Für hochgradig Schwerhörige gibt es Schwerhörigenschulen, Schwerhöri­ genvereine, Schwerhörigengottesdienste. Eine bleibende S. bedingt immer eine Erwerbsminderung, die von 5% (geringgradige S.) bis 70% (Taubheit) reichen kann. Schwermut, Niedergeschlagenheit als Ausdruck ei­ ner tiefen Verzweiflung; entspricht als Krankheitszeichen etwa der depressiven Phase der -»manisch-depressiven Krankheit. Schwertfortsatz, der kleine, oft nur knorplige An­ satz am unteren Ende des Brustbeins. Schwiele, umschriebene Verdickung der Hornschicht der Haut (Keratose) von graugelber Farbe, ent­ steht meist an arbeitsmäßig stark beanspruchten Haut­ stellen (Berufs-S.) oder auch an sonstigen Druckstellen, so bes. an den Fußsohlen. Die S. ist im allgemeinen eine Schutzmaßnahme der Haut; sie verschwindet von selbst, wenn die Beanspruchung aufhört. Behandlung ist nur nötig, wenn sich eine S. entzün­ det, manchmal mit Blasenbildung unterhalb der S., oder wenn sich innerhalb der schwieligen Haut schmerzhafte -*Schrunden bilden. Schwielen|abszeß, kleine Eiteransammlung unter der Hornhaut von Schwielen an Händen und Füßen, die sich durch Rötung und allmähl. Schmerzhaftigkeit äu­ ßert. S. entstehen durch von außen eindringende Eiter­ erreger; sie sind meist harmlos und neigen kaum dazu, sich auszubreiten. Behandlung: Öffnungdes Abszesses durch Abtragen der Schwiele, hierauf offene Wundbehandlung. Schwimmbad, Anlage zum Schwimmen. S. befinden sich als Freibäder an natürl. Gewässern (Meer, Seen, Flüsse) oder sind als künstl. Wasserbecken angelegt, in parkartig angelegtem Gelände mit einfachen Umkleide­ zellen (nur Sommerbetrieb), Liege- und Spielwiesen, mit oder ohne Gaststätten. Hallenbäder sollen auch in der kalten Jahreszeit zum Schwimmen Gelegenheit geben. Wassertemperatur: zwi­ schen 20 und 28 °C, in Springer- und Kinderbecken noch höher. In den letzten Jahren werden zunehmend Düsen, die unter hohem Druck Wasser für Unterwasserstrahl­ massage abgeben, in die Beckenwände eingebaut .Die An­ wendung ist, bes. für Kinder, nicht ungefährlich; die An­ weisungen sind genau zu beachten. In kleineren Becken besteht die Möglichkeit, durch An­ schwimmen gegen Gegenstromanlagen die Schwimmlei­ stung zu erhöhen. Die seit Jahrzehnten bestehenden Wellenbäder, in de­ nen der Wellenschlag des Meeres technisch nachgeahmt wird, sind nach wie vor beliebt. Zur Reinhaltung von Fuß­ böden und Beckenwasser bestehen im allgemeinen eine Trennung von >Stiefelseite< und >Barfußseite< sowie Vor­ reinigungsräume auf dem Weg zwischen Kabine und Schwimmhalle (Drehkreuze, selbsttätige Brausen u. ä.). Über das Verhalten beim Baden -» Bad, Abschnitt Frei­ bad. Wenn mit Betreiben einer Bädereinrichtung beson­ dere Pflege und Heilbehandlung verbunden werden, ist eine Genehmigung nach § 30 GewO erforderlich. Schwimmbad-Bindehaut |entzündung, Form der Bindehautentzündung, die dem -»Trachom ähnelt, doch kommt es niemals zur Hornhautbeteiligung. Auf der Bindehaut sieht man zunächst, meist nur an einem Auge, massenhaft graue Körner; die Krankheit dauert i. d. R. mehrere Wochen und heilt dann ab, ohne das Sehvermö­ gen geschädigt zu haben. Erreger sind die TRIC-Viren (Trachom-Inclusions-Conjunctivitis-Viren). Die S.-B. wird erworben durch das Baden in öffentl. Schwimm­ bädern, wobei Epidemien entstehen können (die erste 1891 in Berlin). Die Behandlung entspricht der einer akuten -»Binde­ hautentzündung. Wichtig ist die Vorbeugung durch Des­ infektion des Badewassers. 687

Schw

Schwimmen, eine der gesündesten Leibesübungen, bes. für die Kräftigung von Herz und Kreislauf, Training der gesamten Muskulatur, auch zur Vorbeugung und Be­ handlung von Haltungsschäden. Menschen schwimmen bei geeigneten Bewegungen durch dynam. Auftrieb. Der Schwimmer übt mit Händen und Füßen einen Stoß oder Druck auf das Wasser aus. Durch die Luftfüllung des Brustkorbes erhält er den erforderl. Auftrieb. Im Säuglingsalter knüpft der Schwimm­ unterricht an das vorgeburtl. Leben des Kindes im Frucht­ wasser an. Später werden Atem-, Tauch-, Gleit-, Auf­ triebs- und Abstoßübungen angewendet, um langsam zu den Schwimmstilen hinzuführen. Schwindbeute, Skrophuloderm, eine Form der -» Hauttuberkulose. Schwindel, Vertigo, eineFehlfunktion desGleichgewichtsorgans, sei es in seinem peripheren Anteil, dem In­ nenohr, sei es im zentralen, den Gleichgewichtszentren im Klein- und Großhirn. Man unterscheidet undefinierbare, weil sehr diffuse S.-Erscheinungen (>Schwarzwerden vor den Augen■ Hauttuberkulose. Schwindsucht, früher volkstüml. Bezeichnung für die fortschreitende -» Lungentuberkulose. 688

Schwindwarze, Leichentuberkel, eine Form der -* Hauttuberkulose. Schwitzbad, die Erzeugung von Schweißausbrüchen durch Wärmezufuhr von außen (-»Dampfbad, -»Heiß­ luftbad). Schwitzen, vermehrte Schweißabgabe des Körpers, bes. bei stärkerer Anstrengung oder mit Hilfe einer Schwitzkur, bei der durch Wärmezufuhr und/oder Wär­ medämmung (warmes Einpacken des Körpers) die Schweißsekretion angeregt wird. Aus Sicht der Naturheil­ kunde oft angewendete Heilmaßnahme. Schwitzpackung, eine-»Packung. Schwüle, ein subjektiv unangenehmer Zustand der Atmosphäre, der durch zu warme, gleichzeitig sehr feuchte Luft entsteht, wozu als weitere Faktoren zu ge­ ringe Luftbewegung und erhöhte infrarote Wärmestrah­ lung beitragen. Quantitativ physikalisch ist der Begriff wegen der Wechselwirkung der verschiedenen Faktoren schwer zu fassen. In der medizinmeteorolog. Praxis be­ nutzt man als vereinfachtes Maß der Wärmebelastung eine Kombinationszahl aus Lufttemperatur und Dampf­ druck, die Äquivalenttemperatur. Screening [skr'i:nrr|,engl. >Prüfungflimmernden< Zusam­ menziehungen des Herzmuskels (-► Kammerflimmern) kann das Blut nicht mehr befördert werden, und soforti­ ger Herztod tritt ein. Ein bes. dramatisches Ereignis ist der S. bei scheinbar gesunden Kindern und Jugendlichen, z. B. Sportlern. Fast immer liegt eine bis dahin unbe­ kannte Herzmuskelschwäche (Herzmuskelschaden, Kar­ diomyopathie) zugrunde, die ihre Ursache in vorangegan­ genen Herzmuskelentzündungen und ihren Folgen (-» Herzkrankheiten) hat; dabei spielen verschiedene For­ men der Volumen Veränderung des Herzens mit Hypertro­ phie und Dilatation und die dadurch unphysilolog. Pumpfunktion eine unterschied!. Rolle. Seltener ist der S. die Folge eines Anfalls beim -► Adams-Stokesschen Symptomenkomplex. Eine Behandlung (z. B. Entflimmerung durch elektr. Stromstöße, -* Defibrillieren) und/ oder Injektion eines Nebennierenpräparats direkt in die linke Herzkammer sind nur innerhalb von wenigen Minu­ ten noch erfolgreich. Sekundenkapazität, Begriff der -»Lungenfunk­ tionsprüfung: Luftmenge in der Lunge, die nach tiefstmögl. Einatmung innerhalb 1 s maximal schnell ausgeat­ met wird. Sekundenphänomen, von F. Huneke (*1891, 11966) beschriebener, zentraler Bestandteil der von ihm propagierten -► Neuraltherapie. Danach sollen chron. Schmerzen von Störungsfeldern ausgehen, diez. B. in den Mandeln, Zahnwurzeln oder Narben gesucht werden. Nach >Anspritzen< dieser Herde mit einem Lokalanästhe­ tikum sollen die Beschwerden unmittelbar für 20 Stunden (bei Zähnen für 8 Stunden) verschwinden. Die Lehre von der Wirksamkeit des S. ist von Schulmedizin. Seite um­ stritten. Selbstbefriedigung, geschlechtliche S., -»Ma­ sturbation. Selbstbeherrschung, die Fähigkeit und Haltung, durch die Gefühle, Triebe, Strebungen, Begierden und Leidenschaften in ihrer Tendenz zu Maßlosigkeit einge­ schränkt und auf ein vernünftiges Maß zurückgeführt werden. Leitendes Ziel können dabei vom Verstand be­ stimmte äußere und innere Zwecke oder die Bildung der Persönlichkeit sein. Selbstbeteiligung, der Anteil eines Versicherten an den Krankenkosten. Auf Grund des starken Anstiegs der Ausgaben der gesetzl. Krankenversicherung wurde in der Bundesrep. Dtl. eine verstärkte S. eingeführt. Durch das Kostendämpfungsgesetz wurden 1977 eine S. von 1 DM je verordnetes Arzneimittel und von 20% zu den Ko­ sten für Zahnersatz und Zahnkronen gesetzlich festge­ legt. Seit 1.1. 1983 gilt folgende Regelung: Die S. beträgt je verordnetes Arzneimittel 2 DM, je verordnetes Heil­ mittel und je verordnete Brille 4 DM. Auch bei der In­

standsetzung von Heilmitteln und Brillen wird eine S. von 4 DM erhoben. Die S. bei Krankenhausbehandlung und Heilverfahren beträgt 5 DM pro Tag, bei Sanatori­ umskuren 10 DM pro Tag (maximal für 14Tage im Jahr zu entrichten). Selbstbewußtsein, i. w. S. das im Ich zentrierte Be­ wußtsein des Individuums, im Ggs. zum Bewußtsein von der Welt. Wesentlich ist dabei das Bewußtsein des unteil­ baren inneren Zusammenhangs der gesamten Person als erlebbarer Einheit, bes. die Kontinuität, die auch Zu­ stände der Bewußtlosigkeit und des Schlafs überdauert. Der eigene Leib ist im S. in einer besonderen, mit den Ge­ genständen der Außenwelt unverwechselbaren Weise ge­ geben: Wie alle seel. Erlebnisse nur zusammen in einem Ich erlebt werden, so alle Organempfindungen und Bewe­ gungsgefühle in einem Leib, der im S. als der eigene gege­ ben ist. I. e. S. das Selbstgefühl, eine wertbetonte Selbstbeja­ hung. Ihre Ausprägung ist individuell stark unterschied­ lich. Das S. oder sein Fehlen wird unmittelbar in Haltung und Gebärde anschaulich. Es entwickelt sich in engem Zu­ sammenhang mit dem Erlebnis von Erfolgen und Versa­ gen. (-»Minderwertigkeit) Selbst|erhaltungstrieb, die Gesamtheit der An­ triebe, die für die Lebenserhaltung eines Individuums zweckmäßig sind (z. B. Nahrungs-, Schutz-, Verteidi­ gungstrieb). Die Ethik rechnet die Selbsterhaltung zu den Pflichten der Person gegen sich selbst (sittl. Verbot des Selbst­ mordes) und verwirft sie nur in ihrer übersteigerten Form (Egoismus, Selbstsucht, Habgier, Aggression). Selbsterkenntnis, Einsicht in Wesen und Motive der eigenen Person. Der S. sind je nach individueller Fä­ higkeit zur Selbstkritik enge Grenzen gesetzt durch die Fülle unbewußter Motive, durch das -»Geltungsbedürf­ nis sowie durch die Aufstellung eines Ich-Ideals, das zur Selbsttäuschung verführt. Selbsthilfegruppen, selbstverantwortl., aus freier Initiative gegründete Kleingruppen, deren Teilnehmer durch regelmäßige Zusammenkünfte mit persönl. Aus­ sprache und Beratung (auch sozialrechtl. Art) die Bewälti­ gung bestimmter gleichgelagerter persönl. Probleme so­ wie seel. und/oder körperl. Störungen oder Beeinträchti­ gungen, auch im Zusammenhang mit Entzugskuren, an­ streben. Zu den S. rechnen u. a. die Anonymen Alkoholi­ ker, S. für seel. Gesundheit (nach dem Muster der >Emotions Anonymous< in den USA) sowie zahlreiche andere (z. B. Eltern mit behinderten Kindern, Infarktkranke, Vereinigungen der Altenselbsthilfe). S. werden teilweise von Ärzten unterstützt oder gegr., da sie die Arbeit des be­ handelnden Arztes wesentlich ergänzen oder überhaupt erst wirksam machen können. Andere S. verstehen sich al­ lerdings auch als gewollte und engagierte Alternative zur herkömml. Medizin. Die Grenzen zwischen diesen ver­ schiedenen Zielrichtungen der S. sind unscharf. Die zen­ trale Vermittlungsstelle für Kontaktadressen ist die Dt. Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen (Gießen). Selbstmedikation, die Selbstbehandlung von gesundheitl. Störungen, meist durch rezeptfreie, auch auf­ bewahrte rezeptpflichtige Arzneimittel oder durch Natur­ heilverfahren, teils zusätzlich zu einer ärztl. Behandlung. Eine auf bestimmte Fälle begrenzte S. wird teils im Sinn ei­ ner Entlastung des Gesundheitswesens akzeptiert, jedoch kann sie grundsätzlich nicht als Alternative zur ärztl. Be­ handlung gelten. Die Gefahren der S. liegen zum einen darin, daß schwerwiegende Gesundheitsstörungen ver­ kannt und deshalb nicht in erforderl. Weise behandelt werden, zum anderen können auch rezeptfreie Medika­ mente bei falscher Anwendung und Dosierung ebenso wie zu lange gelagerte, v. a. angebrochene Mittel, Schäden hervorrufen; dies gilt auch für gleichzeitige Einnahme mehrerer Mittel, z. B. unkontrolliert zusammen mit ärzt­ lich verordneten, deren Zusammenwirken schädl. Neben­ wirkungen erzeugen kann. Grundsätzlich sollte die S. auf Störungen wie Unpäßlichkeiten, Beschwerden durch Diätfehler u. ä. beschränkt bleiben, auch um einer u. U. vorhandenen Neigung zur -► Hypochondrie zu begegnen. 693

Selb Selbstmord, der-»Suizid. Selbststeuerung, Begriff für Regelvorgänge, die

Ignaz Semmel weis

den Ablauf zuverlässig selbstgesteuerter Funktionen von­ einander abhängiger Organe oder Organsysteme (At­ mung, Kreislauf, innere Drüsen) gewährleisten. So wird die Aktivität zahlreicher peripherer Drüsen durch zen­ trale z. B. im Zwischenhirn (Hypothalamus) und Hypo­ physenvorderlappen gelegene innere Drüsenformationen gesteuert: Hormone des Hypophysenvorderlappens sti­ mulieren z. B. die Nebennierenrinde; die dann im Blut kreisenden Nebennierenhormone wiederum bremsen die Aktivität der Hypophyse so lange, bis ein erneuter Bedarf an Nebennierenrindenhormonen besteht. Durch derar­ tige >Feedback-Mechanismen< werden auch zahlreiche andere Reaktionen ausgelöst; z. B. wird so die Aufrecht­ erhaltung eines mittleren Blutzuckerspiegels gesteuert. Selbstvergiftung, Auto|intoxikation, Erkran­ kung, die durch Substanzen verursacht wird, die im Orga­ nismus selbst entstehen. Bei diesen handelt es sich um to­ xisch wirkende Umwandlungen von Darmbakterien oder um abnorme Zwischen- oder Endprodukte des Stoff­ wechsels, die z. B. bei schwerer Beeinträchtigung der Leber- oder Nierenfunktion gebildet werden. Ursachen sind chron. Fehlernährung, Leber- oder Nie­ renschaden, auch -► Dysbakterie und -► Malabsorptions­ syndrom. Als Krankheitszeichen treten Benommenheit, Appetit­ losigkeit, Übelkeit, Schwindel, Schwäche, Reizbarkeit, Kopfschmerzen, Durchfälle, gelegentlich auch Fieber auf. Die Behandlung richtet sich nach der Grundkrank­ heit, außerdem Diätmaßnahmen. Selbstverstümmelung, die Beschädigung des eige­ nen Körpers (Artefakt). Vorkommen z. B. bei Haftpsy­ chose, abnormen seel. Entwicklungen, Schizophrenie und schwerer endogener Depression. Rechtliches. Grundsätzlich ist die S. straflos, es sei denn, der Täter hat die Absicht, einen Versicherungsbe­ trug zu begehen oder sich wehrpflichtuntauglich zu ma­ chen. Im letzten Fall werden Wehrpflichtige nach § 109 StGB, Soldaten nach § 17 Wehrstrafgesetz regelmäßig mit einer Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren bestraft. Ähnl. Be­ stimmungen gelten in der Dt. Dem. Rep. (§ 256 StGB), in Österreich (§10 Militär-StG v. 30. 10. 1970) und in der Schweiz (Art. 95 Militär-StGB 1927). Selektion, die biolog. -»Auslese. Selye [z'elja], Hans, Arzt, *Wien 1907, t Montreal 1982, war seit 1934 Prof, in Montreal (Kanada). S. be­ gründete die Lehre vom Anpassungs- oder Adaptations­ syndrom und prägte den Ausdruck -»Streß. Seminom, eine Hodengeschwulst (-► Hodenkrank­ heiten). Semmelweis, Ignaz, Arzt und Geburtshelfer, * Budapest 1818, t Döbling bei Wien 1865, wies 1847 die Kontaktinfektion als Ursache des Wochenbettfiebers nach; entwickelte die ersten erfolgreichen Desinfektions­ methoden. (-»Wochenbettfieber) Senderkrankheit, durch luftelektr. Erscheinungen ausgelöste biolog. Wirkungen auf den menschl. Organis­ mus (-» Luftelektrizität). Senf, Schwarzer S., die Samen von Brassica nigra, einer zu den Kreuzblütern (Cruciferae) gehörenden, bis 1 m hohen Pflanze, bes. in warmgemäßigten Klimazonen, enthalten u. a. bis zu 7970 Sinigrin, aus dem durch Spal­ tung das stark haut- und schleimhautreizende (in gerin­ gen Mengen verdauungssaftanregende), antibiotisch wir­ kende Allylsenföl entsteht. Größere Mengen sind giftig (Erbrechen, Durchfall, Nierenversagen, Krämpfe, Koma). Anwendung: Heilpflanzen, Übersicht. Verwendung des gemahlenen Samens oder des Öls als Hausmittel zu hautreizenden Umschlägen (-»Senfpakkung) und Bädern (-► Senfbad), auch zu Gewürzzwecken in unterschiedl. Zubereitung (Speise-S.). Senfbad, ein warmes bis heißes Bad, in dem 4—5 Eß­ löffel (schwarzes) Senfmehl in einem Säckchen einige Mi­ nuten ausgelaugt werden. 694

Das S. wirkt hautreizend; das Blut wird daher in die Haut abgezogen, Herz und Kreislauf werden entlastet. Außerdem wird die Atmung kräftig angeregt. Anwendung bei Grippe, Bronchitis, beginnender Lungenentzündung. Da sich beimS. Dämpfe entwickeln, welche die Schleimhaut stark reizen, ist es fast allgemein durch die bes. bei Kindern gebrauchte Senfpackung ver­ drängt. Vorsicht bei empfindl. Haut! Senfpackung, Senfwickel, Maßnahmen zum Er­ zielen einer starken Durchblutung der Haut, wirksames Mittel gegen Bronchitis und Lungenentzündung. Anwendung: 3 Tropfen Senföl werden in 100 ml hei­ ßen Wassers gut durchgeschüttelt, damit wird eine Windel befeuchtet und um den Brustkorb des Kranken gewickelt, darüber kommt eine am Hals fest abschließende Woll­ decke (Schutz der Augen vor Senfdämpfen). Nach 5 Mi­ nuten Entfernung des Wickels. Haut mit warmem Wasser abwaschen. Statt Senföl kann auch Senfmehl (20 g auf 100 ml heißen Wassers) verwendet werden. Vorsicht bei empfindl. Haut! senil, greisenhaft; senile Demenz, -»Demenz. Senkfuß, -»Fußdeformitäten. Senkungs|abszeß, Ansammlung von Eiter, die nach ausgedehnter Wanderung durch den Körper weit vom eigtl. Krankheitsherd entfernt zum Vorschein kommt, da der Eiter sich, dem Gesetz der Schwere fol­ gend, in den Spalträumen der Gewebe senkt; im ärztl. Sprachgebrauch als kalter Abszeß bezeichnet, treten S. bei Knochen- und Gelenktuberkulose relativ häufig auf. Sie werden gelegentlich mit Eingeweidebrüchen oder Drü­ senschwellungen verwechselt. Nach Durchbrechen der Haut entwickeln sich Fisteln, aus denen sich monate-, mit­ unter jahrelang Eiter entleert. Senkungsgeschwindigkeit chen, -»Blutsenkung.

der

Blutkörper­

Sennesblätter, die Blätter von Cassia-Arten, bes. Cassia angustifolia und Cassia senna, zu den Hülsen-

früchtern (Leguminosae) gehörende, bis 2 m hohe Sträu­ cher in trop. und subtrop. Klimazonen, enthalten bis zu 3% Anthrazenverbindungen mit mild abführender Wir­ kung. Anwendung: Heilpflanzen, Übersicht. Sensibilisieren, Sensibilisierung, die Erschei­ nung, daß die Einverleibung eines Stoffes (Nahrungsmit­ tel, eingespritzte Stoffe, z. B. artfremdes Eiweiß, Stoffe aus Krankheitserregern, also Antigene) eine Überemp­ findlichkeit auslöst (-»Allergie). — Auch gegen Lichtein­ wirkung kann Sensibilisierung auftreten. Sensibilität, 1) Medizin: die Fähigkeit, alle Sinneseindrücke ungestört aufzunehmen. Bei vielen Nerven­ krankheiten ist die S. gestört (-»Agnosie, -»Agraphie, -»Aphasie, -»Ataxie u. a.). Die Prüfung der S. ist also eine neurolog. Untersuchung. 2) Psychologie: Bezeichnung für eine erhöhte Gefühls­ erregbarkeit, auch Empfindsamkeit genannt. S. ist er­ höhte Ansprechbarkeit des Erlebens im Gemüt, mit der auf feinste Unterschiede im Wechsel der Eindrücke rea­ giert wird. sensible Nerven, die Empfindungsnerven (-»Ner­ ven). Sentimentalität, unverhältnismäßige affektive Er­ regbarkeit und Gefühlsbestimmtheit der Reaktionen; bei seel. Störungen kann S. im Rahmen eines unechten Ge­ fühlslebens als hysterisches Symptom auftreten. Sepsis, eine allgemeine fieberhafte bakterielle Infek­ tion des gesamten Organismus ohne spezif. Organverän­ derungen (-► Blutvergiftung). Sequester der, ein aus dem Zusammenhang mit dem noch lebenden Gewebe losgelöstes, lebloses Gewebs­ stück, bes. am Knochen (-► Knochensequester, -► Kno­ chenmarkentzündung). Serodiagnostik, Serumdiagnostik, die Lehre von der Erkennung der Krankheiten, bes. der Infektions­ krankheiten, aus Veränderungen im Blutserum. Unter dem Einfluß von Infektionen (Typhus, Fleckfieber, Sy­ philis u. a.) bilden sich im Blutserum Reaktionsprodukte

Seuc (Antikörper, Agglutinine, Lysine u. a.), die mit den Me­ der Kranke immer zu befragen, ob er etwa früher schon thoden der S. nachgewiesen werden können. Eine wich­ einmal ein Serum erhalten hat und um welches Serum es tige Serumreaktion ist z. B. die -»Agglutination. dabei gehandelt hat. Krankheitszeichen. 5—12 Tage nach dem Einsprit­ Serologie, die Lehre vom Blutserum und seinen Ver­ änderungen. Hierzu rechnen zum einen die durch Infek­ zen treten Nesselsucht, Fieber, Ödeme und Gelenk­ tionen bewirkten Abweichungen in der Serumreaktion schmerzen auf. Die Stärke der S. ist abhängig von der Menge des eingespritzten Serums. (-►Serodiagnostik). Behandlung: wie bei den anderen Formen der Über­ Ein anderes großes Aufgabengebiet der S. ist die Aller­ gie; hierbei finden sich Veränderungen im Blutserum, die empfindlichkeit mit Kalzium- und Cortisonpräparaten. Serveto [serß' eto], Miguel, auch Michel Servet, span. mit den Methoden der S. erforscht und geklärt werden. Die S. befaßt sich weiter mit anderen Körperflüssigkeiten, Arzt und Theologe, * Villanueva (Prov. Huesca) 1511(7), z. B. der Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit. Ein wichtiges t (verbrannt) Genf 1553, beschrieb in noch rein theoret. Aufgabengebiet der S. stellt die Bestimmung der -»Blut­ Form den kleinen Blutkreislauf. gruppen dar. Sesambein, Knochen, der entweder aus einem Teil serös, serosus, aus serumartiger Flüssigkeit zusam­ einer Gelenkanlage (so an der Beugefläche des Grund­ mengesetzt, serumhaltig, seröse Haut, Tunica serosa, gelenks von großer Zehe und Daumen) hervorgeht, oder feine, durch Absonderung seröser Flüssigkeit immer eine rundl. Verknöcherung in Sehnen. feuchte, spiegelnde Haut, welche eine reibungsfreie Be­ Seuchen, weit ausgebreitete -»Infektionskrank­ wegung gegeneinander verschiebl. Organe garantiert; heiten, sowohl -»Epidemien wie auch -»Endemien. hierzu rechnen z. B. im Brustraum das Rippenfell, im Seuchenbekämpfung, Maßnahmen zur Verhü­ Bauchraum das Bauchfell. tung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten. Nach­ Serotonin, 5-Hydroxytryptamin. S. hat die Funktion dem vor mehr als 100 Jahren der Beweis geführt worden eines Neurohormons und kommt bes. in den Nervenzellen war, daß Seuchen durch lebende Mikroorganismen verur­ des Gehirns und den Endigungen des sympath. Nervensy­ sacht werden, konnte sich eine kausale S. entwickeln, die stems, auch in best. Zellen der Darmschleimhaut, vor. Es darauf abzielte, die Infekt ketten zu unterbrechen, die all­ wird bei der Blutgerinnung aus den Thrombozyten ins gemeine -» Hygiene zu erhöhen und die Infektabwehr des Blutserum abgeschieden. Menschen zu verstärken. Zur S. gehören deshalb heute Serüle, ein mit Flüssigkeit gefüllter Glaskörper mit viele von den Gesundheitsämtern koordinierte und kon­ Hohlnadel zum Einspritzen. Er steht unter Überdruck. trollierte Maßnahmen wie Überwachung zentraler Was­ Erst nach Einstechen wird durch leichtes Abknicken die ser- und Abwasseranlagen und von Schlachthöfen, Auf­ Verbindung des gefüllten Glasinnenraums mit dem Hohl­ sicht über alle Lebensmittelbetriebe, Absonderung von raum der Nadel hergestellt. Der Inhalt des Glasbehälters Infektionskranken, Quarantäne- und Desinfektionsmaß­ strömt infolge des Überdrucks durch die Nadel in den nahmen (-» Desinfektion), Erfassung von -» meldepflich­ Körper. Die S. gestattet ein sicher steriles Einspritzen un­ tigen Krankheiten durch Seuchengesetz, Suche nach In­ ter die Haut oder in den Muskel ohne Kolbenspritze. Soll fektionsquellen und Ausscheidern von Krankheitserre­ Blut durch Unterdrück entnommen werden, so geschieht gern und Durchführung von Schutzimpfungen. Im Inter­ esse der S. sind erhebl. Einschränkungen von Grundrech­ dies mit Hilfe der -» Venüle. ten zulässig, z. B. hinsichtlich der Freiheit, der körperl. Serum das, die nach der -»Blutgerinnung über dem Blutkuchen stehende, gelbl., klare Flüssigkeit. S. besteht Unversehrtheit und der Unverletzlichkeit der Wohnung. Seuchengeographie, die -»Geomedizin. aus Plasma, dem das bei der Gerinnung ausfallende Fibrin fehlt. Das S. enthält nach Überstehen einer Krankheit Seuchengesetzgebung, gesetzl. Regelung der oder nach einer Schutzimpfung einen wesentl. Teil der ge­ Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung übertrag­ gen die Krankheitserreger oder ihre Gifte gerichteten barer Krankheiten (Bundesseuchengesetz i.d.F.v. 18.12. Schutzstoffe (-» Lysine, -► Antitoxine; -» Immunität), au­ 1979, in Kraft seit 1.1. 1980 mit weiteren Änderungen). ßerdem die Agglutinine (-»Agglutination) und Präzipi­ Es schreibt für Ärzte und Krankenhäuser die Meldepflicht tine (Antikörper, die mit den entsprechenden gelösten bei Feststellung einer Reihe schwerer Infektionskrank­ Antigenen unter Präzipitation, d. h. Bildung eines Nie­ heiten (-► meldepflichtige Krankheiten) an das Gesund­ derschlags, reagieren). Diese Schutzstoffe können bei heitsamt vor. Personen, die an Cholera, Pest, Pocken Tieren in hohen Konzentrationen durch entsprechende oder an virusbedingten hämorrhag. Fieberleiden er­ Vorbehandlung gewonnen werden und werden in der S.- krankt sind, sind in Isolierstationen (in allen größeren Therapie als -* Heilserum verwendet. Der Gewinnung der Krankenhäusern) abzusondern (-»Quarantäne). Zur Schutz- oder Heilseren dienen eigene S.-Institute. Verhütung einer weiteren Ausbreitung regelt die S. die Artfremdes S. ruft bei den damit behandelten Indivi­ Schutzimpfungen, Tätigkeits- und Beschäftigungsver­ duen eine Überempfindlichkeit gegen dieses S. hervor, so bote beim Umgang mit Lebensmitteln und Krankheitser­ daß bei einer erneuten Injektion Krankheitserscheinun­ regern, die Hygienebestimmungen für Schulen u. a. Ge­ gen auftreten können. Diese führen bei intravenöser In­ meinschaftseinrichtungen, schließlich auch Entschädi­ jektion u. U. zu dem sofortigen Auftreten eines lebens­ gungen bei Verdienstausfall infolge von Beschäftigungs­ bedrohenden Schocks (Anaphylaxie, -► Allergie) oder bei verboten oder Isolierung. In Durchführungsverordnun­ Einspritzung unter die Haut nach 5—12 Tagen zur -» Se­ gen wird u. a. die Wasserreinhaltung (-»Abwasser) ge­ rumkrankheit. regelt. Serumreaktionen, zur -» Serodiagnostik ausgenutzte Der internationalen Seuchenbekämpfung dienen v. a. Reaktionen des durch Blutentnahme gewonnenen Blut­ die internationalen Gesundheitsvorschriften< auf Grund serums mit bestimmten zugesetzten Stoffen. Art. 21 f. der Satzung der Weltgesundheitsorganisation; Serumdiagnostik, die -»Serodiagnostik. dieBundesrep. Dtl. trat ihnendurchGesetz v. 21.12.1955 Serumkrankheit, auf -»Allergie beruhende Neben­ bei. In der Dt. Dem. Rep. gilt das Gesetz zur Verhütung und wirkung der Einspritzung von -»Heilserum, auch nach Bekämpfung übertragbarer Krankheiten beim Menschen -» Bluttransfusion. Nach jeder Tier-Serumgabe ist der Organismus gegen v.20.12.1966 mit zahlreichen Ausführungs-und Sonder­ das Eiweiß der Serumart überempfindlich. Diese Über­ bestimmungen. Für den Seuchenschutz sind die Organe empfindlichkeit entsteht etwa im Verlauf einer Woche. der Hygiene-Inspektion zuständig. — In Österreich sind Nach dieser Zeit ist es gefährlich, die gleiche Serumart zu maßgeblich: das Epidemiegesetz v. 8. 8. 1950, das Bazil­ spritzen, da ein lebensbedrohender anaphylakt. Schock lenausscheidergesetz v. 22. 8. 1945, das Gesundheits­ entstehen kann. Die Überempfindlichkeit hält in stärke­ schutzgesetz v. 3. 7.1952, mehrere Impfgesetze und meh­ rem Maß mindestens '/2 Jahr an. Muß in dieser Zeit Serum rere hygienerechtl. und lebensmittelpolizeil. Vorschrif­ gegen die gleiche Krankheit gespritzt werden, so nimmt ten. — In der Schweiz ist die Bekämpfung übertragbarer man das Serum einer anderen Tierart (statt Pferd vom Krankheiten Sache des Bundes. Die Durchführung der in Rind oder Hammel). Vor Einspritzung von Heilserum ist verschiedenen Bundesgesetzen (Epidemiegesetz v. 18.12. 695

Miguel Serveto (Ausschnitt aus einem Kupferstich, 1748)

Seuc 1970, Tuberkulosegesetz v. 13. 6. 1929) vorgesehenen Maßnahmen obliegt den Kantonen. (-»Geschlechts­ krankheiten, Rechtliches) Seuchenstatistik, wichtiger Zweig der Gesundheits­ statistik und der Epidemiologie. Die Forschungen müssen oft weit in geschichtl. Zeiträume zurückgreifen, um den großen Bewegungen der Seuchen über die Jh. nachzuge­ hen, sie müssen ferner die Ansteckungswege von Ort zu Oft und von Land zu Land geomedizinisch verfolgen. Auch die Wandlungen im Charakter der Krankheit und der Erfolgsnachweis der Seuchenbekämpfung sind Ge­ genstand Statist. Untersuchungen. Seufzer |atmung, Atemstörungin Form einer tiefen, gesteigerten Atmung mit dem Zwang zu tiefem Durch­ atmen. S. ist meist psychisch bedingt und i. d. R. harmlos. Sex-Appeal [s'eksapi:1], amerikan. Schlagwort (seit etwa 1930) für die v. a. durch körperl. Merkmale be­ stimmte geschlechtl. Anziehungskraft der Frau; i. w. S. auch auf männl. Personen angewendet. Sexismus, aus dem Amerikanischen übernommener Begriff der emanzipator. Frauenbewegung, der die für die vergangene und gegenwärtige Gesellschaft als typisch er­ achteten Formen der Benachteiligung und Unterdrükkung der Frau auf Grund ihrer Geschlechtszugehörigkeit bezeichnet. Sexualdelikte, die -»Sittlichkeitsverbrechen. Sexualhormone, die -► Geschlechtshormone. Sexualität, die -»Geschlechtlichkeit. Sexualkunde, Lehrstoff an allgemeinbildenden Schulen, der die biolog. Grundlagen der Sexualität des Menschen zum Inhalt hat. Erste Ansätze entstanden in den 50er und 60er Jahren. Form und Mittel (>S.-AtlasScheidenschleimhautNebenschlußKurzschlußSpeichelpneumatisiert< ist, also aus zahlreichen von Knochen­ lamellen umkleideten kleinen Hohlräumen, den Siebbein­ zellen (Cellulae ethmoidales), besteht. Aus den feinen Öffnungen der waagerechten, siebartig durchlöcherten Siebplatte treten die Fäden des Riechnervs zur Schädel­ höhle aus. Die Beteiligung des S. bei der Nebenhöhlenent­ zündung wird als Sinusitis ethmoidalis bezeichnet. Sigmatismus [von Sigma, dem grch. Namen des Buchstaben S], Lispeln, eine Sprachstörung (— Sprache). Sigmoid [zu grch. Sigma], der S-förmig gebogene Teil des Dickdarms (— Darm). Sigmo|idoskop, flexibles, kurzes Endoskop (—Endoskopie) mit Glasfiberoptik, mit dem der Dick­ darm bis hin zur S-förmigen Schlinge (— Darm) im Be­ reich der linken Dickdarmkrümmung inspiziert werden kann. Gleichzeitig ist die Entnahme von Gewebsteilen möglich (—Biopsie, — Koloskopie). Signalreize, — Schlüsselreize. Signa minima, Frühsymptome, kleinste Anzeichen, die auf eine Änderung des Gesundheitszustands hindeu­ ten. Die S. m. des Herzens z. B. teilt man in Allgemein­ symptome ein, deren Entstehen v. a. vegetativen Störun­ gen zuzuschreiben ist und die in ähnl. Weise auch bei ande­ ren Erkrankungen beobachtet werden können, und in sol­ che, die eine offenkundige Herzbezogenheit besitzen, z. B. — Linksbehutsamkeit, Nikotin- und Kaffeeunver­ träglichkeit. Die Beachtung der S. m. verfeinert die Früh­ diagnose und verbessert die Möglichkeiten der Frühbe­ handlung. Silberpräparate, Silberverbindungen wie Argentum

henden und desinfizierenden Wirkung bei entzündl. und ulzerösen (geschwürigen) Schleimhauterkrankungen an­ gewendet. Argentum nitricum dient in konzentrierter Lö­ sung oder als Höllensteinstift äußerlich als Ätzmittel zur Beseitigung von Wucherungen. Silikose, Quarzstaublunge, Kieselgurlunge,

nach der Gesamtzahl der zu entschädigenden Fälle die bedeutsamste —Berufskrankheit. Sie ist die häufigste — Pneumokoniose, verursacht durch Einatmung von Feinstaub, der freie kristalline Kieselsäure (SiO2) enthält. Komplikationen sind Lungentuberkulose, chron. Bron­ chitis mit Lungenblähung und als mögl. Folge das — Cor pulmonale. Gefährdet sind u. a. Arbeiter im Bergbau, in der Stein-, Kies-, Sand- und keram. Industrie. Auch die Sandstrahlbearbeitung von Quarzsand enthaltenden Oberflächen sowie kieselsäurehaltiger Talkumstaub sind Gefahrenquellen. (— Staubinhalationskrankheiten) Similesatz, Ähnlichkeitsgesetz, Heilgesetz der — Homöopathie: Similia similibus (curentur), d. h. Ähn­ liches muß mit Ähnlichem geheilt werden. Die im Rahmen der Allopathie übliche Bekämpfung von Symptomen mit entgegengesetzt wirkenden Medikamenten (lat. Contrarii contrariis Gegensätzliches durch Gegensätzliches^ hat nach Lehrmeinung der Homöopathie nur beschränkte Anwendungsmöglichkeiten in der Medizin und wirkt bei konservativer Behandlungsweise überwiegend sympto­ matisch-palliativ, beseitigt also nicht die Ursache. Simmonds-Sheehan-Syndrom [s'imandz fi:an-], Simmonds-Krankheit [n. dem engl.-dt. Arzt M.

Simmonds, * 1855, 11925, und dem amerikan. Arzt D. Sheehan, 11964], Späterscheinungsbild nach Funk­ tionsausfall des Vorderlappens der Hirnanhangdrüse (— innere Sekretion). Ursache ist die Zerstörung der Hirn­ anhangdrüse durch thrombot. entzündlich-nekrotisie­ rende und bösartige Vorgänge; der bei Wöchnerinnen durch schwere Geburt mit blutverlustbedingter Störung der Sauerstoffversorgung bewirkte Untergang des Drü­ sengewebes (post-partale Nekrose) wird i. e. S. als Shee­ han-Syndrom bezeichnet. Im Vordergrund der Beschwer­ den stehen Leistungsunfähigkeit, Neigung zu Frieren und Ohnmächten, Appetitmangel, zunehmende Gleichgültig­ keit. Es kommt zum Schwund von primären und sekundä­ ren Gechlechtsmerkmalen, zum Schwund der Schilddrüse mit Senkung des Grundumsatzes, zur Störung im Kohlen­ hydrathaushalt. Behandlung: Durch individuell dosierte Gabe von Hypophysenvorderlappen-, Nebennierenrinden-, Schild­ drüsen- und Geschlechtshormonen läßt sich meist eine Besserung erzielen. Simons-Syndrom [n. dem Berliner Arzt A. Simons], lokalisierter Fettgewebsschwund (—Lipodystrophie). Simulation, die Vortäuschung von Krankheiten. Echte S. ist äußerst selten; von Laien wird sie vielfach mit seel. Erkrankungen verwechselt, z. B. der hypochondr. Form einer Melancholie oder einer Neurose. Ggs.: Dissi­ mulation, Krankheitsverheimlichung. Simulator, Patientensimulator, aus Kunststoff zu Lernzwecken angefertigte Nachbildung eines Menschen, dessen Organe weitgehend nachgebildet sind und die auch einige Funktionsabläufe (Herzschlag, Blutdruck u. a.) vortäuscht. Der in den USA zur Ausbildung von Ärzten und Pflegepersonal verwendete S. (>Sim OneLichtDrucksalzigkaltRauch< und fog>NebelSperrschichtKörperexistentielles VakuumSozialwerdensnervösen< Erkrankungen. Die eigtl. Ursache dieser Muskelverkrampfung ist nicht geklärt. Zu den Krankheitserscheinungen rechnen Schluck­ beschwerden, Wiederhochkommen der Nahrung und Ge­ wichtsverlust. Aus der bisweilen stark erweiterten Speise­ röhre lassen sich oft einige Liter Flüssigkeit absaugen. Die Diagnose ergibt das Röntgenbild mit Kontrastflüssigkeit, wobei sich diese oberhalb des Magenmunds staut. Behandlung: bei der (häufigen) psychisch bedingten funktionellen Störung Versuch der Psychotherapie. Sonst Abklärung durch -»Speiseröhrenspiegelung und u. U. Dehnungsversuche oder operative Maßnahmen. Speiseröhrenkrampf {adern, die -»Ösophagus­ varizen. Speiseröhrenkrebs,Ösophaguskarzinom, bös­ artige Geschwulst der Speiseröhre (-► Krebsgeschwülste), bei Männern 7mal häufiger als bei Frauen, tritt bevorzugt an den physiolog. Engen der Speiseröhre auf. Die Kran­ ken leiden an zunehmenden Schluckbeschwerden; am ehesten können sie noch flüssige Nahrung zu sich nehmen. Notfalls muß ein neuer Mageneingang angelegt werden. Behandlung: S. ist bei frühzeitiger Erkennung heil­ bar durch operative Entfernung des erkrankten Speise­ röhrenabschnitts, der durch den hochgezogenen Magen oder eine Kunststoffprothese ersetzt wird. Eine ergän­ zende Strahlenbehandlung bessert die Heilungsaussicht.

Speiseröhrenspiegelung,

Ösophagoskopie,

Untersuchungsmethode zur direkten Betrachtung der Speiseröhre mit dem Ösophagoskop, einem durch den Mund eingeführten Endoskop, das eine Lichtquelle be­ sitzt. Auf diese Weise können Fremdkörper, die in der Speiseröhre steckengeblieben sind, entdeckt und über die in das Ösophagoskop eingebauten Instrumentierkanäle entfernt werden; auch läßt sich von Geschwülsten in der Speiseröhre zur Erkennung der Art der Geschwulst eine Gewebsprobe entnehmen. Die S. ist immer ein Teil der -► Magenspiegelung. Speiseröhrenstimme, Ersatzstimme, die nach ope­ rativer Entfernung des Kehlkopfs und dadurch bewirkten Verlust der Stimme durch Schlucken und Wiederhoch­ rülpsen von Luft am Speiseröhreneingang als >Rücksprache< gebildet werden kann. Speiseröhrenverätzung, Verletzung der Speise­ röhre durch Schlucken von Säuren oder Laugen. Die äu­ ßerst schmerzhafte Verätzung ist an den Stellen der phy­ siolog. Engen der Speiseröhre, also am Speiseröhrenein­ gang, in deren Mitte und an der Mündung in den Magen, am stärksten. Behandlung: als Sofortmaßnahme fortgesetztes Trinken von Wasser in kleinen Schlucken. Nach Erho­ lung und Beseitigung etwaiger Vergiftungserscheinungen sollte eine frühzeitige Dehnungsbehandlung der Speise­ röhre durch -► Bougies einsetzen, die über einen längeren Zeitraum vorgenommen werden muß, um die gefürchtete Speiserohrendivcrtikel narbige -»Speiseröhrenverengung zu verhindern. Wei­ (schematisch): tere Maßnahmen sind künstl. Ernährung (Infusionen) a mit Speiseresten und u. U. das Anlegen einer Magenfistel. Wenn eine stär­ angefülltes Divertikel, b Speiseröhre kere Schrumpfung der Narben durch konservative Maß709

Spei nahmen nicht zu verhindern ist, muß versucht werden, die Speiseröhre durch eine -»Transplantation zu ersetzen. Speiseröhrenverengung,Ösophagus| Striktur,

Erkrankungen der Speiseröhre, die meist durch Narben nach Entzündungen, Verätzung durch Säuren oder Lau­ gen sowie Krebs, seltener durch Krampf der Muskulatur (-► Speiseröhrenerweiterung) oder Druck von außen, ver­ ursacht wird. Krankheitserscheinungen sind die mit dem Engerwerden fortschreitende Behinderung der Nah­ rungsaufnahme, Erbrechen der Speisen, allmähl. Kräfte­ verfall. Die Behandlung richtet sich nach dem Grundleiden (-► Speiseröhrenverätzung, -» Speiseröhrenkrebs). Spekulum, trichter-, rinnen- oder röhrenförmiges In­ strument zum Besichtigen von Körperhöhlen durch Aus­ einanderhalten ihrer Wände, z. B. Nasen-S. (-»Nase), Scheiden-S. (-► Mutterspiegel). Sperma das, Samenflüssigkeit des Mannes (-►Samen). Sperma-Kryokonservierung, Methode, um Pa­ tienten, denen Zeugungsverlust, z. B. durch Hodenver­ lust (Hodentumor), Zytostatikabehandlung, Bestrah­ lungstherapie u. a., bevorsteht, die Möglichkeit zu geben, vor dem schädigenden Ereignis Samen computergesteuert einzufrieren und in der Kryobank, Krefeld, über lange Zeit zu lagern. Auch vor Vasektomien (Durchtrennung der Samenleiter) zur Sterilisation kann auf diese Weise eine >Zeugungsfähigkeit< durch die Möglichkeit einer spä­ teren künstl. Insemination erhalten werden. Spermatorrhö, der -► Samenfluß. Spermiogramm, Aufzeichnung von Untersu­ chungsergebnissen des Ejakulats, v. a. über Anzahl, Be­ weglichkeit und Formen der Spermien; dient zur Beurtei­ lung der männl. Zeugungsfähigkeit. Spez., Abk. für Spezialität, pharmazeut. Spezial­ präparat (-»Arzneimittel). spezifisch, eigentümlich, einem Einzelfall entspre­ chend, angepaßt, kennzeichnend. Spezifische Symptome sind für eine Krankheit kennzeichnende und daher für die Erkennung wichtige Krankheitszeichen; spezifische The­ rapie ist eine auf die zu behandelnde Krankheit bes. abge­ stimmte Behandlung, im Unterschied zur unspezifischen Therapie (-► Krankheitsbehandlung). spezifisch-dynamische Wirkung, Abk. SDW, nach dem Hygieniker M. Rubner (* 1854, 1 1932) die nach einer Nahrungsaufnahme auftretende Stoffwechsel­ steigerung. Bezieht man diese Umsatzsteigerung (in Joule) auf den Joule-Wert der aufgenommenen Nahrung, so erhält man eine Verhältniszahl (in Prozenten ausge­ drückt), die die SDW der betreffenden Nahrung angibt; sie beträgt im Mittel bei Eiweiß 16% (maximal bis 30%), bei Kohlenhydraten 4—9% und bei Fetten 2—4%. Es gibt auch eine negative SDW bei Absinken der Stoff­ wechselvorgänge, z. B. im Hunger. Als Gesamtdurch­ schnitt bringt man für die in Mitteleuropa übliche Er­ nährung 10% in Ansatz. Im Einzelfall hängt die SDW von zahlreichen Bedingungen ab (Ernährungszustand, Arbeitsleistung, Zeitpunkt der Mahlzeit, Zusammen­ setzung und Darreichungsform der Nahrung, Höhe der Außentemperatur u. a.). Spirillen: spezifisches Gewicht, heute spezifische verschiedene S. oder Masse, spezifische Dichte, Abk. D, das auf eine Vo­ Schrauben bakterien lumeneinheit bezogene Gewicht einer Substanz. Das s. G. (Riesenspirillum aus der von Wasser, bezogen auf 1 ml bei einer Temperatur von Jauche, feine Vibrionen der Cholera) 4°C, wird mit 1 g (geschrieben 1001) angenommen. Unter Berücksichtigung der z. B. im Harn gelösten Substanzen beträgt das s. G. im gesammelten Tagesurin beim gesun­ den Menschen 1 015—1 030. Die gesunde Niere kann einen verdünnten Harn bis 1 001 produzieren. Sphinkter, der-»Schließmuskel. Sphygmographie [grch. sphygmos >Pulsspiel gutdornförmigpostthrombot. Syndrom< ent­ stehen läßt.

3) allergische V., v. a. Phlebitis migrans, wandernde V.,

sehr seltene Sonderform, die zu den Autoaggressions­ krankheiten zählt. Hierbei erkranken hintereinander oder gleichzeitig Venen verschiedener Körperregionen.

773

Ventile: Schema der Wirkungsweise

Vene Venen|erkrankung, krankhafte Veränderungen der Blutadern; unterschieden wird zwischen einer Bildung von -► Krampfadern und Verschlußkrankheiten der Blut­ adern (-»Thrombose mit und ohne -► Venenentzündung). Ein wesentl. Faktor für die venöse Blutstauung in den Bei­ nen ist die ungenügende Funktionsfähigkeit der Venen­ klappen, die den Blutrückfluß im Stehen verhindern und damit den Bluttransport zum Herzen bei Betätigung der Beinmuskulatur erleichtern. Die wirksamste Vorbeu­ gungsmaßnahme bei V. sind Bewegungsübungen der Beinmuskulatur. Venenwandschwäche, Status varicosus, Form der Bindegewebsschwäche innerhalb der Wand der Blut­ adern; kann zu Venenerweiterung führen (-»Hämor­ rhoiden, -»Krampfadern). venerische Krankheiten [nach Venus, der Göttin der Liebe], die -»Geschlechtskrankheiten.

venerische Lymphknoten|entzündung, Lymphogranulomatosis inguinalis, Lymphopathia venerea Donovanosis, eine Geschlechtskrankheit; tritt überwiegend in trop. Ländern auf, dort als klimat. Bubonen bezeichnet.

Erreger der v. L. ist ein Virus, das beim Geschlechts­ verkehr übertragen wird. Am Ansteckungsort, den Ge­ schlechtsteilen, bildet sich zunächst ein kleines Knötchen oder Geschwür, das fast immer übersehen wird. Nach 3—4 Wochen entwickeln sich ausgedehnte, mit der Haut ver­ backene, blaurote Schwellungen der in der Leistengegend liegenden Lymphknoten (Bubonen), die unter Eiterung einschmelzen und zu langwierigen Fistelbildungen füh­ ren. Durch Verschluß der Lymphwege kann es zu chron. Stauungszuständen und Schwellungen im Bereich der Ge­ schlechtsteile und des Mastdarms kommen (Elephantiasis genito-analis), häufig von Mastdarmverengung begleitet. Für die Krankheitsfeststellung ist die Komplement­ bindungsreaktion von Bedeutung, ferner auch die Frei’sche Reaktion, eine Hautimpfung mit abgetöteten Erregern. Die Behandlung gehört in ärztl. Hand. Es werden Sulfonamide und Antibiotika (Tetracycline) angewendet, ggf. auch operative Maßnahmen. venerisches Geschwür, der -»Schanker. Venerologie [n. Venus, der Göttin der Liebe], die Lehre von den Geschlechtskrankheiten. Ihre Behandlung erfolgt in Praxis und Krankenhaus vorwiegend durch Hautärzte (Dermatologen). Ventilation, Lufterneuerung (-► Lüftung).

Venenerkrankung: Gymnastische Übungen gegen Venenstauungen. Als Bettgymnastik ist ein Teil dieser Übungen wesentlicher Bestandteil der Thromboseprophylaxe nach Operationen, Unfällen und bei langem Krankenlager. Wichtig auch während der Schwangerschaft und im Wo­ chenbett. Das Ziel der Übungen ist, die Muskelgruppen zu trainieren, die für die Entlee­ rung der tiefen Beinvenen und für die Entstauung der Gewebe maßgeblich sind. Die Übun­ gen sind auch zur Vorbeugung und Nachsorge venöser Erkrankungen der Beine geeignet. Übung 1 Ausgangsstellung: Rückenlage, ausgestreckt, Hände hinter dem Kopf. Aus­ führung: Vorfuß im Fußgelenk kräftig strecken und wieder anziehen. Zehen dabei mit­ beugen und mitstrecken. Gleichsinnig oder im Wechsel. l-2mal in der Sekunde; 20mal. Übung 2 Ausgangsstellung: wie bei Übung 1. Ausführung: Kniescheibe kräftig anspan­ nen und wieder locker lassen. Gleichsinnig oder im Wechsel, lmal in der Sekunde; lOmal. Übung 3 Ausgangsstellung: wie bei Übung 1. Ausführung: Anheben des Beckens unter Anspannung der Gesäßmuskulatur, dabei ausatmen. Becken senken und ent­ spannen, dabei einatmen. 5mal. Übung 4 Ausgangsstellung: In Rückenlage werden die Fußsohlen rechtwinklig gegen das untere Bettende oder gegen eine Wand gestellt. Ausführung: Wechselweise Vorfuß und Ferse gegen den Widerstand stemmen, lmal in der Sekunde; 20mal. Übung 5 Ausgangsstellung: Sitzstellung auf dem Boden mit angezogenen Knien. Ausführung: a Die Hände pressen die Knie zusammen. Mit den Knien wird gegen den Widerstand der Hände gedrückt, b Die Knie werden zusam­ mengepreßt. Mit den Händen wird versucht, gegen diesen Widerstand die Knie auseinanderzuziehen. Je 4mal über drei Sekunden. Übung 6 Ausgangsstellung: wie bei Übung 1. Ausführung: Jeweils ein Knie anziehen, Bein hochstrecken, Vor­ fuß auf- und abbewegen. Bein wieder zum Boden senken. Wechselweise im lang­ samen Tempo, je 15mal. Übung 7 Ausgangsstellung: Aufrecht stehen in Schritt­ stellung: Füße in einer Linie voreinanderstellen, sich dabei an einer Stuhllehne fest­ halten. Ausführung: Fersen langsam bis zum hohen Zehenstand heben, dabei das Gewicht vom rückwärtigen auf den vorderen Fuß verlegen. Knie und Hüftgelenke bleiben gestreckt. lOmal langsam üben, dann Wechsel der Füße. Übung 8 Ausgangs­ stellung: Aufrechter Stand, Zehen gegeneinander stellen, Fersen auseinander. Ausfüh­ rung: Füße rasch in Zehenstand heben und senken. Fersen bleiben dabei nach außen gedrückt, die Knie bleiben gestreckt. 20mal 774

Ventilationsstörung, vom Normalen abweichende Durchlüftung (Ventilation) der Lunge als Folge einer ge­ störten äußeren oder inneren Atmung. Unterschieden wird eine extrabronchopulmonale V. durch Funktions­ ausfälle des Atemzentrums, der Atemmuskulatur und des Blutchemismus (Azidose) von der bronchopulmonalen V., die weit häufiger ist. Ursache kann sein: 1) eine Ver­ kleinerung der ventilationsfähigen Lungenparenchym­ fläche, z. B. Brustkorboperationen (Thorakoplastik), Lungenresektion, Lungenfibrose und Verschwartung; 2) eine innerhalb oder außerhalb des Bronchus gelegene Atemwegsverengung, z. B. bei Asthma bronchiale; bes. auch dann, wenn es durch Druck von Geschwülsten oder vergrößerten Bronchiallymphknoten, Ergüssen im Rip­ penfellraum oder vegetativ nervale Einflüsse zur Bildung von Lungenatelektasen oder der atelektat. Pneumonie kommt. Es sind dann kleinere (plattenförmige) oder grö­ ßere (keilförmige) Lungenbezirke von der Durchlüftung ausgeschlossen. Ventilpneumothorax, Spannungspneumotho­ rax, -»Pneumothorax. ventral [lat. venter >Baucherweiterter< Selbstmord), ein Wahnkranker kann gegen vermeintl. Verfolger aggressiv werden u. ä. Bei der Gehirn­ entzündung kann es zu drangartigen Entgleisungen kommen. Gehirnkrankheiten können schließlich auch zu einem Intelligenzabbau (-»Demenz) führen und damit die Ein­ sichtsfähigkeit des Täters in die Strafbarkeit seines Han­ delns schwer beeinträchtigen. In gleicher Weise sind auch schwere Formen des angeborenen Schwachsinns zu beur­ teilen, dem in diesem Sinn Krankheitswert zukommt. Die strafrechtl. Verantwortlichkeit ist bei den meisten dieser Fälle aufgehoben (—Zurechnungsfähigkeit). Von den genannten V. als Folge einer Krankheit sind die Straftaten zu unterscheiden, die ihren Grund in einer seel. Abnormität des Rechtsbrechers haben. II. V. und seelische Abnormität. Es gibt keinen einheitl. Verbrechertyp. Man hat verschiedentlich versucht, die Rechtsbrecher in Gruppen einzuteilen: 1) Verbrecher aus Neigung. Darunter fallen u. a. die Be­ rufs- und Gewohnheitsverbrecher, Rückfallbetrüger. 2) Verbrecher aus Schwäche (haltlose Diebe, Gelegen­ heitsverbrecher). 3) Verbrecher aus Triebhaftigkeit und Leidenschaft. 4) Verbrecher aus falsch verstandener Ehre und Über­ zeugung (polit, oder ideologisch fehlgeleitete Verbrecher). Hinsichtlich der Bedeutung von Charakteranlage und Milieu wird heute im allgemeinen der Einfluß der Umwelt stärker hervorgehoben. Man findet häufig die Auffassung, eine Charakter­ anlage, die eine Verbrecher. Lebensführung bewirke, müsse doch eigtl. krankhaft sein; das ist nicht der Fall. Es gibt freilich V., die in der Einwirkung einer Krankheit auf

1

■F

4

2

Verbände: Schlauchverbände; 1 Achselverband. 2 Gesichtsmaske. 3 Fingerverband. 4 Desaultverband. 5 Mützenverband. 3

Bewußtseinslage oder Geistes- und Gemütsverfassung des Täters ihre Erklärung finden; für die Mehrzahl der V. gilt das aber nicht. Dennoch findet man unter Verbrechern Abnormitäten der Charakterstruktur in gehäuftem Ausmaß. Diese Ab­ wegigkeiten gehören in den Bereich der psychopath. Per­ sönlichkeiten (— Psychopathie) und dürfen nicht mit seel. Krankheiten verwechselt werden. So findet man unter den Neigungsverbrechern manche gemütsarme, willens­ schwache oder egozentr. Psychopathen. Die Verbrecher aus Überzeugung sind nicht selten fanat. Psychopathen oder Querulanten. Abwegigkeiten oder ungenügende Be­ herrschung des Trieblebens können ebenfalls zu V. führen (—Triebverbrechen). Auch einer Brandstiftung liegen bisweilen seel. Abnormitäten zugrunde (— Brandstifter). Große Bedeutung für die kriminelle Anfälligkeit hat fer­ ner eine anlagemäßige Schwäche oder ungenügende Ent­ wicklung der haltgebenden Strukturen des Charakters (—Haltlosigkeit). Bei den Rechtsbrüchen Jugendlicher besteht die Pro­ blematik, daß ein noch unfertiger und ungefestigter Cha­ rakter, der dazu in der Pubertät oft tiefgreifende innere Umwälzungen und Krisen verarbeiten muß, Schwierig­ keiten hat, sich den Gesetzen und Anforderungen der Ge­ sellschaft unterzuordnen. Soweit hier überhaupt seel. Ab­ normitäten vorliegen — vielfach trifft das gar nicht zu —, können sie vorübergehend sein (—Jugendkriminalität). Verbrennung, Combustio, Gewebsschädigung durch kurz oder länger einwirkende Hitze über 50 °C, Flammeneinwirkung, heiße Gase, Flüssigkeiten (Verbrü­ hung) oder Strahlung (Sonne, ultraviolette und ionisie­ rende Strahlen, durch Stromeinwirkung bei elektr. Unfäl­ len). Nach der Intensität der Gewebsschädigung werden unterschieden: V. 1. Grades: Hautrötung (z. B. Sonnenbrand), leichte Schwellung und brennender Schmerz; V. 2. Grades: Blasenbildung (Brandblase) und Gewebs­ zerstörung der oberen Hautschicht, mit erhebl. Schmer­ zen verbunden. Volle Regeneration ist möglich; V. 3. Grades: schwere Schädigung (Nekrose bis zur Ver­ kohlung) der ganzen Haut, wobei die Zerstörungen des Gewebes bis ins Unterhautfettgewebe reichen. Eine selb­ ständige Regeneration der Haut ist nicht möglich. Bei tie­ feren V. besteht bei einem Anteil von etwa 10— 15 % an der 777

Verb

1,2 I Speichel

2,0 I Magensaft

Hautoberfläche die Gefahr eines Schocks für den Patien­ ten, bei Kindern auch bei geringerer Ausdehnung der V,Fläche. Tiefe V. sind wegen der Aufsaugung tox. Stoffe aus Zerfallsprodukten des Gewebes oft lebensgefährlich. Bei schweren V. muß daher immer mit der lebensbedrohl. Verbrennungskrankheit gerechnet werden. Diese beginnt mit Fieber, Erbrechen, Störungen der Nierenfunktion u. a. und erreicht während der ersten Woche ein Maxi­ mum. Am Ende der zweiten Woche beginnt die Repara­ tionsphase mit Aufbau von Körpersubstanz und Beginn der Epithelisierung (Neubildung der oberen Hautschich­ ten) des verbrannten Gewebes. Die Überlebensaussichten sind vom Alter abhängig. 20jährige haben bei 50% V. der Hautoberfläche noch eine Überlebenschance von 50%. Bei älteren Menschen besteht die gleiche schlechte Über­ lebensrate schon bei 20%iger V. Die Beurteilung des Ausmaßes der Gewebsschädigung ist von großer Bedeutung, Behandlung und Verlauf sind davon abhängig. Hierzu wird die Neunerregel verwendet (-»thermische Läsion). Zu 80% entstehen V. durch Eigenverschulden, häufig­ ste Ursachen sind Rauchen im Bett, Verbrühungen im Haushalt und unachtsames Arbeiten mit brennbaren Stoffen. Bei Kindern stehen V. an 3. Stelle aller möglichen Todesursachen. Eine ausgedehnte Gewebszerstörung durch V. geht zu­ nächst mit starker Verschiebung von Elektrolyten, Was­ ser und Eiweiß in den Flüssigkeitsräumen des Körpers ein­ her. Die Blutfließeigenschaften ändern sich, es kann zum -♦Crush-Syndrom mit Schock kommen. Werden nicht sofort örtliche Chirurg. Behandlung und intensivmedizin. Maßnahmen möglichst in einer Spezialklinik für Schwer­ brandverletzte eingeleitet, drohen zunehmendes Nieren­ versagen, Infektionen und Blutvergiftung (Sepsis) mit tödl. Krankheitsverlauf. Wird eine schwere V. überlebt, ist mit monatelangem Heilverlauf und schweren Entstel­ lungen zu rechnen. Es werden plastisch-chirurg. Maßnah­ men zur Wiederherstellung notwendig. Erste Hilfe: Entfernung der betroffenen Kleidung und sofortige Kühlung unter fließendem Wasser (kein Eiswasser!) für 10—15 Minuten bis zum Nachlassen der Schmerzen. Dadurch wird ein Fortschreiten der Hautzer­ störung gebremst. Abdecken der V. mit frischen Leinen­ tüchern oder keimfreiem Metallfolienverband, keine Sal­ ben- oder Puderanwendung! Bei ausgedehnteren V. so­ fortige Flüssigkeitszufuhr (Trinken von Kochsalzlösung) und Wärmeisolierung, schnellster Transport ins Kran­ kenhaus möglichst mit bereits angelegter -»Infusion. Dort Bekämpfung des Schocks durch Dauertropfinfu­ sion von isoton. Elektrolytlösungen, Stützung von Herz und Kreislauf u. a. Weitere Maßnahmen sind Schmerzbe­ kämpfung, zur Vorbeugung von Infektionen Gabe von Antibiotika, Schutzimpfung gegen Tetanus, ggf. Luft­ röhrenschnitt und Einlegen eines Dauerkatheters. Verbrühung, eine Form der -»Verbrennung durch

Flüssigkeiten. Erste Hilfe wie bei Verbrennung. Verdauung, die Umwandlung der zugeführten Nah­ rungsstoffe in eine zur Aufnahme in die Körpersäfte ge­ eignete Form. Sie umfaßt die Vorgänge des Abbaus der 1,0 I Nahrung im V.-Kanal, ihre Aufnahme im Darm und die Galle Ausstoßung der Nahrungsreste durch den Enddarm. Der V. dient der V.-Kanal mit seinen Anhangsgebilden (Spei­ cheldrüsen, Bauchspeicheldrüse, Leber u. a.), der im Mund beginnt, Speiseröhre, Magen, Darm umfaßt und im After endet. Die V. beginnt in der Mundhöhle mit der mechan. Zer­ 3,0 I kleinerung der Nahrung durch die Zähne (-► Kauen). Die­ Darmsaft ser Vorgang ist von größter Bedeutung für die weitere glatte Abwicklung der V. Daher ist es wichtig, daß die Kauwerkzeuge leistungsfähig sind. Die Nahrung wird im Mund zugleich eingespeichelt, so daß der Bissen durch­ feuchtet ist, schlüpfrig wird und die Speiseröhre hinab­ gleitet. Ebenso beginnt im Mund schon die chem. Aufbe­ reitung der Kohlenhydrate durch die Enzyme des Spei­ =8,4 I Verdauungssaft chels. Dieser enthält das Enzym Ptyalin, das die zusam­ Verdauung: die von den Verdauungs­ mengesetzten Kohlenhydrate in ihre Bausteine aufzuspal­ ten beginnt. Die durch den Speichel eingeleitete, im Ma­ drüsen in 24 Stunden abgesonderten Säfte gen zunächst unterbrochene Zerlegung der Kohlen­ 1,2 I Bauchspeichel

778

hydrate wird vollendet durch Enzyme im Saft der Bauch­ speicheldrüse und des Dünndarms. Die Fette werden überwiegend erst im Dünndarm durch das fettspaltende Enzym Lipase der Bauchspeicheldrüse in Glyzerin und Fettsäuren zerlegt. Dabei spielt die Galle eine wichtige Rolle, die durch die Leber gebildet, in der Gallenblase gesammelt, eingedickt und je nach Bedarf abgegeben wird; sie aktiviert die Lipase und teilt das Fett in feinste, in dieser Form leichter aufzusaugende Tröpfchen auf. Die V. des Eiweißes beginnt im Magen durch Einwir­ kung des Enzyms des Magensafts, des Pepsins, wobei durch die Magensalzsäure der für die Wirkung des Pep­ sins günstigste Säuregrad geschaffen wird. Die Magen­ salzsäure vernichtet außerdem normalerweise die mit der Nahrung aufgenommenen Bakterien. Das Eiweiß wird in seine Bausteine zerlegt und im Dünndarm durch die Enzyme Trypsin, Erepsin u. a. bis zu den Aminosäuren abgebaut. Damit die Enzyme intensiv wirken können, müssen sie gründlich mit dem Speisebrei gemischt werden. Dies wird erreicht durch die Magen- und Darmbewegungen (Pen­ delbewegungen und -»Peristaltik) mit Hilfe der den V,Schlauch umspannenden glatten Muskulatur.

Die Aufsaugung (Resorption) der abgebauten Nahrung beginnt in der Schleimhaut des Dünndarms. Die Oberflä­ che des Darms ist durch Falten- und Zottenbildung stark vergrößert, um für die Resorption möglichst günstige Be­ dingungen zu schaffen. Die Abbauprodukte der Kohlen­ hydrate (Traubenzucker) und des Eiweißes (Aminosäu­ ren) gehen in das Blut über. Das Blut des Darms wird in der Pfortader gesammelt, die zur Leber führt. Die Leber ist das zentrale Organ des Stoffwechsels, in dem der Trau­ benzucker unter Mitwirkung des Insulins zu tier. Stärke (Glykogen) aufgebaut und nach Bedarf wieder an das Blut abgegeben wird. Ebenso werden dort die Aminosäuren weiterverarbeitet, indem sie entweder zu einer für den Körper verwendbaren Form von Eiweiß aufgebaut oder in Harnstoff, Kohlendioxid und Wasser verwandelt wer­ den. Das Fett hat einen anderen Resorptionsweg: Fettsäu­ ren und Glyzerin treten in die Lymphgefäße des Darms (-» Lymphgefäßsystem) ein und werden nach dem Durch­ tritt durch die Schleimhaut sofort wieder zu Fett vereinigt. Diese fettreiche Lymphe sammelt sich im Brustlymphgang, der in das Blutgefäßsystem mündet. Dort gelangt das resorbierte Fett mit dem venösen Blutstrom zum rech­ ten Herz und über die Lungen in das linke Herz und den großen Körperkreislauf. Es wird in den Fettdepots abge­ lagert oder im Körperhaushalt als Energiequelle verwen­ det und zu Kohlendioxid und Wasser abgebaut.

Vere Der dünnflüssige Darminhalt, der dem Dickdarm zu­ fließt, enthält noch Nahrungsreste, die bes. dem Kohlen­ hydratabbau entstammen; sie bestehen überwiegend aus Nahrungsteilen, die von Zellulose umschlossen und daher den Darmsäften schwer zugänglich sind. Den Nahrungs­ abbau im Dickdarm bewirkt die -» Darmflora. Kohlenhy­ drate werden durch Gärung bakteriell abgebaut. Auch ge­ ringe Eiweißreste aus der Nahrung und dem Darmsaft ge­ langen stets in den Dickdarm. Das Eiweiß wird durch Fäulnis bakteriell abgebaut. Vollwertige und gut funktio­ nierende Darmbakterien sind für die Gesundheit höchst wichtig. Eine künstl. Zuführung von Bakterien, wie sie immer wieder versucht wurde, ist nach Meinung der Schulmedizin unwirksam, da die Bakterien mit Aus­ nahme verschiedener Krankheitserreger im Magen zer­ stört werden. Das Gedeihen der normalen Bakterienflora ist abhängig von einer richtig zusammengesetzten Nah­ rung. Vorgänge der Gärung und Fäulnis halten sich im ge­ sunden Darm die Waage. Bei zu starker Eiweißaufnahme kommt es zu einem Überwiegen der Fäulnisvorgänge. Man erkennt verstärkte Darmfäulnis häufig an einem bes. unangenehmen Stuhlgeruch. Im Dickdarm wird der Darminhalt durch Rücksaugung von Wasser stark eingedickt und bekommt hierdurch die Beschaffenheit des normalen Stuhls. Seine Entleerung wird durch Dehnung der Wand des Mastdarms ausgelöst, die als Stuhldrang bewußt wird. Der Ringmuskel um den After erschlafft unter gleichzeitiger Betätigung der Bauchpresse. Nervale Steuerung. Anfang (Schlucken) und Ende (Stuhlentleerung) der V. sind dem Willen unterworfen, da willkürl. Muskeln dabei beteiligt sind. Alle anderen Vor­ gänge werden durch das vegetative Nervensystem (Sym­ pathikus und Parasympathikus) gesteuert, deren Wir­ kungen nicht durch den Willen beeinflußbar sind. Maßge­ bend für den glatten Ablauf der V. ist der ausreichende Fluß von V.-Säften (Magensaft, Darmsaft) und die harmon. Durchmischung und Vorwärtsbewegung des Spei­ sebreis. Aus den Untersuchungen von I. P. Pawlow ist bekannt, daß alle durch das vegetative Nervensystem ge­ steuerten Vorgänge im Magen-Darm-Kanal seelisch be­ einflußt werden. Der Anblick einer schön gedeckten Ta­ fel, einer appetitlich hergerichteten Speise, ihr anregender Geruch lassen die V.-Säfte lebhafter fließen, was zu Appe­ tit und besserer Ausnutzung der Nahrung führt; dies ist für den Genesenden von besonderer Bedeutung. Es gibt Stoffe, die die Absonderung der V.-Säfte anregen. Zu ih­ nen gehören die Extraktivstoffe des Fleischs (als Fleisch­ brühe). Ärger und Aufregung wirken ungünstig. Sie hem­ men den Fluß der V.-Säfte und führen zu unkoordinierten Bewegungen im Magen-Darm-Kanal. Bei ausgesproche­ nem Ekelgefühl kann sich diese Störung der Magenbewe­ gung bis zum Erbrechen steigern. Seel. Einflüsse wirken auch auf den Endteil des V.-Kanals ein. Bekannt ist die Wirkung der Angst und Aufregung, die die Darmperistal­ tik fördern und Stuhlgang herbeiführen. Für den geregelten Ablauf der V. ist es wichtig, daß ein Teil der Nahrung als Naturkost (Obst oder Rohkost) ge­ nossen wird, welche genügend natürl. Vitamine, Eigen­ enzyme und Aromastoffe enthält. Allgemeine Gesundheitsregeln. 1) Nur dann essen, wenn man Appetit hat, und auf­ hören, wenn man satt ist. Nicht sich selbst und andere (z. B. Kinder) zum Essen zwingen. Essen, das im Körper günstig verarbeitet werden soll, muß gern verzehrt werden. 2) Zum Essen sollte man sich Zeit nehmen, hastiges Hinunterschlingen ist zu vermeiden. Sorgfältiges Kauen ist für die V. wichtig; bei nicht ausreichender Kaufläche muß die Nahrung vorher zerkleinert werden. 3) Die Nahrung sollte dem jahreszeitl. Angebot ent­ sprechen. Frisches Obst und Gemüse sind Konserven vor­ zuziehen. 4) Die Hauptbestandteile der Nahrung sollten Voll­ kornbrot, Milch und Milcherzeugnisse (Butter, Käse), Gemüse, Kartoffeln (Pellkartoffeln), Obst und Salat sein. Dazu kommen als Eiweißträger Fleisch, Fisch, Eier, Milch und Quark. 5) Auf das — Körpergewicht ist zu achten; es sollte das Sollgewicht nicht überschreiten.

Verdauungsleukozytose, Vermehrung der weißen

Blutkörperchen (Leukozyten) im strömenden Blut, die hauptsächlich nach eiweißreichen Mahlzeiten (Fleisch, Fisch, Käse, Ei) auftritt und der Beseitigung der Eiweiß­ abbauprodukte dient. Eine V. ist nicht als krankhafte Er­ scheinung anzusehen. Sie gehört zu den zahllosen normal­ regulativen Einrichtungen des Organismus. Verdissage [vcrdis'a:ja, frz.], die Erhaltung des na­ türl. grünen Farbtons bei konserviertem Gemüse durch Zusatz von Kupfer; in der Bundesrep. Dtl. verboten. Verdrängung, in der Theorie der Psychoanalyse einer der Hauptabwehrmechanismen: Angsterzeugende Vorstellungen (Triebwünsche, Entscheidungen) werden unterdrückt, Antriebe ins Unbewußte abgeschoben, wo sie gegen den hemmenden Widerstand von Ich und Über­ leit wieder ins Bewußtsein zu gelangen suchen. Anzeichen hierfür sind neurot. Symptome, Fehlleistungen, Träume. Wird mit Hilfe von Hypnose oder Psychoanalyse ein sol­ cher verdrängter Komplex bewußt gemacht und damit die V. aufgehoben, so verschwinden auch die Symptome. Die Kenntnis des Vorgangs der V. wurde für die Behandlung der Neurosen entscheidend. Vereisung, die Kälteanästhesie (-»Anästhesie). Vererbung, die Eigenschaft oder Fähigkeit aller Lebewesen, die besonderen Merkmale ihrer Art, ihren -►Typus, an die Nachkommen weiterzugeben. Der Erforschung der sich bei diesem Geschehen abspielenden Vorgänge und der ihnen zugrunde liegenden Bedingungen dient die Vererbungslehre (Genetik). Sie sucht das allgemein-biolog. Problem der Erblichkeit (Heredität) zu er­ gründen und bedient sich dabei verschiedener Verfahren: der Variationsanalyse oder Variationsstatistik, der Kreuzungs- und der Erbanalyse. ul

/**)

Hönde(jU] /1U/

■ (männlich) •(weiblich) - Personen, die mit der Krankheit behaftet sind

Füße

Vererbung: dominanter Erbgang von Spalthand und Spaltfuß (Zeichnungen der Hände und Füße nach dem Röntgenbild). Eine Trägerin der Mißbildung vererbt diese Anlage auf die meisten ihrer Kinder aus drei verschiedenen Ehen

Aufgabe der Variationsanalyse ist es, die durch Umwelt oder entwicklungsphysiolog. Einflüsse bedingten leich­ ten, nichterbl. Abänderungen der Lebewesen, die Modifi­ kationen, festzustellen. Mit Hilfe Statist. Methoden wird der Grad der Veränderlichkeit oder Variabilität (die Va­ riationsbreite) für die verschiedenen Merkmalsausprä­ gungen ermittelt. Den nicht erbl. Modifikationen stehen die -► Erbänderungen gegenüber. Die Kreuzungsanalyse sucht aus der Verbindung artoder rasseversch iedener Lebe wesen, also aus einer Bastar­ dierung, Schlüsse auf das Erbgeschehen zu ziehen. Die Kreuzung von diesen Arten führt gewöhnlich nicht weit, da solche Bastarde oder Hybriden (Artbastarde) im allge­ meinen unfruchtbar (steril) sind oder ihre Fortpflan­ zungsfunktion gestört ist. Meist zeigen diese Bastarde eine zwischen den beiden Stammeltern vermittelnde Erschei­ nung, und zwar gleichen sich die Erzeugnisse der wechsel779

Vere gesur d

Eltern

Keim-

TrB£8C]

aA

Kinder

erbkrank

a

< o

Ao

A

a

aA

aa

0



>>>

Aa Q

♦ ♦ ♦ nicht betroffen Träger

Träger er bkrank

| = gesund, männlich

Q = gesund, weiblich

| = Merkmalsträger, männlich (erbkrank) • = Merkmalsträger, weiblich (erbkrank)

■ = Träger, männlich

Q = Träger, weiblich

040 = männlich oder weiblich Vererbung: links Schema der autosomal-dominanten Vererbung; ein Eltern­ teil ist Träger des dominanten krankhaften Gens (A) und damit Merkmalsträger. Jedes Kind hat die Wahrscheinlichkeit von jeweils */2 von ihm das krankhafte Gen (A) oder das >gesunde< Gen (a) zu erhalten. Die Wahrscheinlichkeit, gesund oder krank zu sein, beträgt für jedes Kind 1:1. Bei häufigen Merkmalen muß auch der seltene, hier nicht dargestellte Fall berücksichtigt werden, daß ein Kranker das Gen (A) in doppelter (homozygo­ ter) Dosis (AA) trägt, rechts Schema der autosomal-rezessiven Vererbung; beide Eltern sind Träger des Gens (a) in einfacher Dosis. Die Kinder haben die Wahrscheinlichkeit von je '/4, nur das normale Gen (A) oder das krankhafte Gen (a) in doppelter Dosis zu erhalten. '/2 ist die Wahrscheinlichkeit für jedes Kind, erscheinungsbildlich gesunder Träger zu sein, wie die Eltern

seifigen Kreuzung oft sehr (>Uniformität der reziproken BastardeLeben< nicht zuzuerken­ nen. Doch ist dies eine Frage der Definition. Bedeutung. Man kennt heute über 100 verschiedene V.-Arten, die für die Epidemiologie und Klinik der Infek­ tionskrankheiten des Menschen wichtig sind. Zu den be­ kannten V.-Krankheiten des Menschen gehören: Dengue­ fieber, Gelbfieber, Grippe (-»Influenza-Viren), Kinder­ lähmung, Masern, Ornithose, Pocken, Tollwut, Tra­ chom und Windpocken. Alle V.-Arten sind menschen-, tier-, pflanzen- oder bakterienpathogen (-»Pathoge­ nese). Saprophytäre nicht krankmachende V.-Arten sind bisher noch nicht nachgewiesen. Inzwischen hat man auch V. gefunden, die Wirtszcllen nicht zerstören, sondern zur Wucherung anreizen. Über besondere V.-Formen -►Slow-virus-lnfektion. 787

Vinylchloridkrankheil

Rudolf Virchow

Viru Virus|hepatitis, -»Hepatitis. Virus|pneumonie, -»Lungenentzündung. Vision, Trugbild, rein subjektive, als Wirklichkeit

empfundene anschaul. Gesichtswahrnehmung, der je­ doch kein empirisch faßbarer Gegenstand entspricht; häufiges Ereignis bei visuell erregbaren Menschen. 1) In der Theologie werden V. mit religiösen Inhalten (Mutter Gottes, Engel) darauf geprüft, ob sie göttl. Offenbarun­ gen enthalten. 2) In der -»Parapsychologie werden V. durch Teleki­ nese erklärt. Als Auslöser dienen oft Kristalle u. a. glän­ zende Flächen, deren Betrachtung magische Praktiken (-►Magie) wie Wahrsagen begünstigen soll. 3) In Psychologie und Medizin gelten V. bei Gesun­ den als Ausdruck herabgesetzten Bewußtseins, z. B. im Schlaf, Halbschlaf oder in -► Hypnose. V. kann aber auch Symptom einer Krankheit sein. (-»Halluzination) Visite [frz. >kurzer BesuchLebenskraft< (vis vitalis) zurückzuführen sucht. Vitalität, Lebenstüchtigkeit; Energiepotential eines Organismus, wie es sich in den körperl. und seel. Spann­ kräften sowie in den Reserven darstellt; unter psycholog. Aspekt die körperlich-seel. Spannkraft einer Persönlich­ keit (>Vitalperson/2o 1 betragen, wie der Untersuchte in cm über 1 m mißt. Ein Mann mit einer Körpergröße von 1,70 m hätte dem­ zufolge eine Normal-V. von 3,5 1, ein anderer von 1,80 m eine solche von 4 1. Trainierte Sportler haben eine V. von 5—61; bei Frauen dagegen liegt die V. bis zu 10°7o unter der männl. Norm. Die V. ist herabgesetzt bei allen Zuständen, die die Atemtätigkeit der Lunge beeinträchtigen (Lungen­ stauung, Lungenblähung, Staubinhalationskrankheiten, Lungenentzündung u. a.) und bei Erkrankungen, die die Atembewegungen unergiebig machen (Wirbelsäulenver­ krümmung, Brustfellschwarten, Zwerchfellhochstand). Vitalstoffe, Bezeichnung für Wirkstoffe, die für das Gelingen biolog. Reaktionen im Organismus als Biokata­ lysatoren unabdingbar notwendig sind, sowie solcher, die zum Aufbau der lebensnotwendigen Zellsysteme ge­ braucht werden. Hierzu rechnen z. B. die im Organismus nicht erzeugbaren (essentiellen) Aminosäuren und unge­ sättigten Fettsäuren, ferner Vitamine und Spurenele­ mente sowie Enzyme und Hormone. Träger der V. sind 788

Nahrung und Mikroben. Den höchsten Gehalt an V. weist die frische naturbelassene Nahrung auf. Ein Mangel an V. kann Krankheiten verursachen, harmon. V.-Versorgung dagegen manche Krankheiten (-»Mangelkrankheiten) verhindern. Vitamine, lebensnotwendige organ. Substanzen, die vom menschl. und tier. Organismus nicht oder nicht in hinreichendem Maß selbst gebildet werden können; sie müssen daher mit der Nahrung aufgenommen werden. Ihre biochem. Bedeutung besteht darin, daß sie als Coen­ zyme (-* Enzyme) für den Ablauf des Stoffwechselgesche­ hens unentbehrlich sind. Der Tagesbedarf für den Men­ schen ist, mit Ausnahme des V. C, sehr gering, meist unter 10 mg. Die V. werden in höheren Pflanzen, in einigen Fäl­ len auch durch Bakterien, z. B. denen des Darms, gebil­ det. Eine Störung der Darm flora, z. B. durch hohe Gaben bestimmter Antibiotika, kann also einen Mangel an den von Darmbakterien erzeugten V. hervorrufen. Bei Mangel von V. in der Nahrung treten Erkrankungen (Vitaminmangelkrankheiten) auf, bei völligem Fehlen als Avitaminosen bezeichnet, bei unzureichender V.-Zufuhr als Hypovitaminosen. Letztere haben ihre Ursache in ei­ ner einseitigen oder zu weitgehend aufbereiteten Nahrung (z. B. Fehlen von Roh- und Frischkost). Neben den klass. Mangelkrankheiten wie -»Beriberi, -»Skorbut, -»Pel­ lagra, -► Rachitis und ->■ Xerosis der Bindehaut des Auges handelt es sich dabei um Krankheiten des Bluts (perniziöse Anämie), der Haut und verschiedener Organe. Trotz aller Fortschritte der V.-Forschung in den letzten Jahrzehnten kann noch nicht erklärt werden, warum sich ein V.-Mangel als spezif. Erkrankung, nicht als Allgemeinschädi­ gung, auswirkt. So ist es auffällig, daßz. B. die Haut bes. empfindlich auf das Fehlen verschiedener V. reagiert. Krankheiten infolge Überdosierung von V. sind die selte­ nen -» Hypervitaminosen. V. und ihre Vorstufen sind reichlich in Samen von Pflanzen (Getreide, Körner, Nüsse), in Knollen, grünen Blättern und verschiedenen Früchten enthalten. Sie wer­ den von Tieren und Menschen mit der Nahrung aufge­ nommen und in bestimmten Organen (v. a. Leber) ange­ reichert. Am vitaminärmsten ist eine reine Kohlenhydrat­ nahrung (Zucker, Stärke); auch reine tier. Fette (außer Butter) enthalten wenig V., während der Gehalt in pflanzl. Samenölen (z. B. Weizenkeimöl) sehr hoch sein kann. Man unterscheidet fettlösliche V. (A-Gruppe, D, E, K) und wasserlösliche V. (B-Gruppe, C, H). Die Besonderheit der fettlösl. V. liegt darin, daß sie nur in Fett gelöst aus dem Darm resorbiert werden können. Wenn also bei einem Kranken eine Resorptionsstörung für Fette vorliegt, kann es trotz ausreichender Versorgung mit V. durch die Nahrung zu Mangelerscheinungen kommen. Fettlosliche Vitamine Vitamin A (Axerophthol, antixerophthalm. V., Reti­ nol, Epithelschutz-V.) und seine Vorstufen (bestimmte

-» Karotine als Provitamine A). Es werden 2 verwandte V. A, und A2 unterschieden. Vorkommen: Provitamine A in allen grünen Pflanzen, Gemüse, Karotten, Spinat, Grünkohl, Salat, Früchten, Palmkernöl, Leber, Butter; V. A in Fischlebertran, Säu­ getierleber, Milch, Butter und Eigelb. Funktion: V. A ist an der Bildung des Sehpurpurs (Rhodopsin) des Auges beteiligt; weiter ist es wichtig für die Haut und die Schleimhäute, die es gegen Verhornung und Infektion schützt. Mangelerscheinungen: Lichtscheu und Nachtblind­ heit, Trübung der Hornhaut des Auges, Verhornung der Haut und Schleimhäute. Der V.-A-Mangel äußert sich im Tierexperiment zunächst als Wachstumsstillstand. V. A galt deshalb früher als Wachstums-V. Tagesbedarf: 1,5—2 mg. Vitamin-D-Gruppe (antirachit. V.). Es werden die che­ misch nahe verwandten V. D2 (Ergocalciferol) und D3 (Cholecalciferol) unterschieden. Die zu den Sterinen ge­ hörenden, fettlösl. V. der D-Gruppe entstehen aus den Provitaminen, ihren Vorstufen, z. B. aus dem Ergosterin, durch Einwirkung von ultraviolettem Licht (Sonnen­ strahlen) auf die Haut und werden heute als Hormone klassifiziert (V.-D-Hormon).

Vita Vorkommen: Hefe, Lebertran, grüne Gemüse. Funktion: V. D ist für die Aufnahme von Kalzium aus dem Darm sowie den Einbau desselben als Kalzium­ phosphat und Kalziumkarbonat in den Knochen not­ wendig. Mangelerscheinungen: Störungen des Kalzium- und Phosphatstoffwechsels, Aufweichung und Deformation der langen Röhrenknochen (Rachitis). Tagesbedarf: 0,02 mg. Vitamin E (a-Tocopherol, Antisterilitäts-V.). Als V. E wird eine Gruppe bezeichnet, die außer dem a-Tocopherol noch 6 andere Tocopherole umfaßt. Vorkommen: weit verbreitet in Pflanzen und Tieren, bes. in Getreidesamen (Mais, Weizen), Ölen der Ölsaaten, Blattgemüse. V. E wurde aus Weizenkeimöl isoliert. Funktion: Oxidationsschutz für Hormone, V., En­ zyme. Schutz vor zu reichl. Zufuhr ungesättigter Fettsäu­ ren; möglicherweise als Wasserstoffüberträger an der Atmungskette beteiligt. Mangelerscheinungen: im Versuch bei der Ratte Sterili­ tätserscheinungen nach Entzug des V. E. Unentbehrlich ist V. E für die Keimdrüsenfunktion, auch für den norma­ len Schwangerschaftsverlauf. Möglicherweise ist auch bei Muskelschwunderscheinungen V.-E-Mangel mitverant­ wortlich. Tagesbedarf: 15—20 mg. Vitamin K (Koagulations- und antihämorrhag. V.).

Man unterscheidet V. K,, K2 und K3. Vorkommen: grüne Gemüse, Kartoffeln, Pflanzen, Öle, Früchte; Bildung durch Darmbakterien. Funktion: V. K scheint als Redoxkatalysator in die At­ mungskette eingebaut zu sein. Es ist nötig beim Aufbau des Prothrombins, der ständig im Blut vorhandenen Vor­ stufe des Gerinnungsfaktors Thrombin. Mangelerscheinungen: Blutungen und Blutgerinnungs­ störungen. Sie sind beim Menschen selten, da meist genü­ gend V. K durch die Darmbakterien erzeugt wird. Tagesbedarf: etwa 1 mg. Wasserlösliche Vitamine Vitamin B, (Thiamin, Aneurin, Anti-Beriberi-V.), ei­

nes der am längsten bekannten V. Vorkommen: in den Keimen von Getreide (Hafer, Reis, Weizen), in Leber und Niere der Schlachttiere, in der Milch. Funktion: V. B, ist Baustein eines Coenzyms, das die im Kohlenhydratstoffwechsel in Schlüsselstellung befindl. Brenztraubensäure zusammen mit weiteren V. (u. a. Liponsäure, Thioctsäure)umformt. Eine Anhäufung von Brenztraubensäure im Organismus hat schwere Störun­ gen des Zentralnervensystems und der Herzfunktion zur Folge. Mangelerscheinungen: Währen die Beriberi als B,Avitaminose in Europa selten ist, treten B.-Hypovitaminosen infolge unzureichender Versorgung mit V. B, öfter auf. Ihre Ursachen sind in zu weitgehender Aufbereitung von Nahrungsmitteln begründet, z. B. in der Entfernung der das V. B, enthaltenden Anteile des Getreides. Auch übermäßige Zufuhr von Kohlenhydraten kann einen V,B,-Mangel hervorrufen. In den Industrieländern tritt Thiaminmangel manchmal bei chron. Alkoholikern auf. Tagesbedarf: 1,7—2,5 mg. Vitamin-B2-Komplex. Die Mangelerscheinungen (beim Menschen vorwiegend Schleimhautläsionen), die zu­ nächst auf das Fehlen eines V. B2 zurückgeführt wurden, erwiesen sich später als komplex; sie können durch das Fehlen verschiedener Stoffe bedingt sein. Man spricht deshalb vom V.-B2-Komplex. Die einzelnen Vertreter sind Riboflavin, Laktoflavin, Nikotinsäureamid, Folsäure und Pantothensäure. a) Riboflavin, Laktoflavin.

Vorkommen: u. a. Milch, Hefe, Pflanzenkeime, grüne Pflanzen, Leber, Niere, Hühnerei. Funktion: Riboflavin ist in der Netzhaut des Auges an­ gereichert; es ist am Sehvorgang und an Oxidationsvor­ gängen als Bestandteil des Flavin-adenin-dinucleotids in allen Geweben beteiligt. Mangelerscheinungen: bei dem großen Angebot an Ri­ boflavin in der Nahrung beim Menschen sehr selten; sie

sind fast nur im Tierexperiment beobachtet worden. Die Schädigung der Gewebsatmung infolge V.-B2-Mangels äußert sich hierbei in Wachstumsstillstand. Beim Men­ schen kommt es zu Veränderungen an der Haut mit Ent­ zündungserscheinungen, auch an den Lippen und an der Zunge. Tagesbedarf: 1—2 mg. b) Nikotinsäureamid (Niacinamid, PP-Faktor, Pella­ gra-Schutzfaktor).

Vorkommen: Hefe, Getreidekörner, Früchte, Ge­ müse, Leber, Niere, Muskelfleisch, Milch. Nikotinsäure­ amid kann vom menschl. und tier. Organismus auch aus der Aminosäure Tryptophan aufgebaut werden; die Bio­ synthese im menschl. Organismus ist allerdings nicht sehr wirksam. Es werden 60 mg Tryptophan benötigt, um 1 mg Niacinamid zu ersetzen. Funktion: Bestandteil zweier Coenzyme, die am oxi­ dativen Abbau der Zucker (Gärung und Glykolyse) betei­ ligt sind. Mangelerscheinungen: Pellagra. Tagesbedarf: 12—16 mg. c) Folsäure (Pteroylglutaminsäure). Vorkommen: Leber und Niere des Rindes, Milch, Käse, dunkles Blattgemüse, Hülsenfrüchte, Spinat. Zahlreiche Mikroorganismen bilden Folsäure. Funktion: Wuchsstopp für Mikroorganismen; Co­ enzym des Stoffwechsels (für die Biosynthese des Purinrings erforderlich). Mangelerscheinungen: Störungen bei der Blutbildung (megaloblast. Anämie). Auch die trop. Sprue beruht zu­ mindest z. T. auf Folsäuremangel und kann durch Folsäu­ regaben entscheidend verbessert werden. Tagesbedarf: 1—2 mg. d) Pantothensäure. Vorkommen: Hefe, Körnerfrüchte, Leber, Eigelb, Milch, in geringer Menge in jeder lebenden Zelle. Funktion: dient im Organismus dem Aufbau des für den Stoffwechsel wichtigen Coenzyms A. Mangelerscheinungen: Störungen des Nervensystems. Das Burning-feet-Syndrom (anfallsweise auftretendes schmerzhaftes Brennen der Füße) soll u. a. durch Panto­ thensäuremangel zustande kommen. Tagesbedarf: 10mg. Vitamin B(, (Pyridoxin, Adermin, AntidermatitisFaktor).

Vorkommen: in den gleichen Nahrungsmitteln wie Nikotinsäureamid. Funktion: Baustein von Coenzymen, bes. des Amino­ säurestoffwechsels. Mangelerscheinungen: Hautveränderungen (Sebor­ rhö, Nervenentzündungen). Tagesbedarf: 1—2 mg. Vitamin Bl2 (Cobalamin, Cyanocobalamin, Antiperniciosa-Faktor).

Vorkommen: Leber, Niere und Fleisch von Rind und Schwein, Seefische, Eidotter. Funktion: wichtig für die Bildung der roten Blutkörper­ chen; Coenzym. Mangelerscheinungen: Folsäure und das durch seinen Kobaltgehalt wichtige V. B12 spielen eine besondere Rolle bei den verschiedenen Arten der Blutarmut. Die -*• perni­ ziöse Anämie kann durch regelmäßige Injektion gering­ ster Mengen V. B,2 geheilt werden. Tagesbedarf: 0,005 mg. Vitamin C (Askorbinsäure, Antiskorbut-V.).

Vorkommen: Früchte (Zitrusfrüchte, Hagebutte), Ge­ müse (Paprika, Kartoffel), Leber der Schlachttiere. Funktion: V. C wirkt offenbar nur als Askorbinsäure, es ist nicht Bestandteil von Coenzymen. Mit seiner oxi­ dierten Form bildet es ein Redox-System (-»RedoxPotentiale). Beteiligung am Tyrosin- und Folsäurestoff­ wechsel. Mangelerscheinungen: bei völligem Fehlen (heute sel­ ten) Skorbut (Zahnfleischentzündung und Lockerung der Zähne), Kapillarschädigung und Blutungen. Tagesbedarf: Der Bedarf des Menschen an Askorbin­ säure ist mit 50—100 mg pro Tag um 1—2 Größenordnun­ gen höher als an den anderen V. Der Grund dafür ist unbe­ kannt. Askorbinsäuremangel ist heute selten. Viele Erfri789

Vita schungsgetränke enthalten synthetische Askorbinsäure. Überschüssige Askorbinsäure wird mit dem Harn ausge­ schieden. Vitamin H (Biotin, Bios II, Hautfaktor, antisebor­ rhoisches V.).

Vorkommen: Hefe, Eigelb, Reiskleie, Leber und Niere von Schwein und Rind, Milch, Gemüse. Funktion: v. a. als Coenzym von kohlendioxidübertragenden Enzymen im intermediären Stoffwechsel. Biotin wurde als Wuchsstoff für die Hefe entdeckt. Mangelerscheinungen: Im Tierexperiment konnte man Dermatitis und Haarausfall hervorrufen, und zwar durch Avidingaben. Avidin ist ein aus Eiklar isoliertes Glykoprotein, das mit Biotin eine feste Bindung eingeht und es dadurch biologisch unwirksam macht. Beim Menschen kommt es zu schuppigen Hauterkrankungen an Händen, Armen und Beinen infolge Versiegens der Hauttalgpro­ duktion. Tagesbedarf: 0,1—0,3 mg. Als Arzneimittel gebraucht, gehören V. zu den rela­ tiv unschädlichen Stoffen; nur in übergroßer Dosierung können sie unerwünschte Nebenwirkungen haben. Sie sollten lediglich zum Ausgleich eines nachgewiesenen oder zu erwartenden Mangelzustands benutzt werden. Überempfindlichkeiten gegen V. sind selten und unvor­ hersehbar. Vitaminierung, der Zusatz natürl. oder synthet. Vit­ amine zu Lebensmitteln. Durch die Änderung der Ernäh­ rungsgewohnheiten innerhalb des letzten Jh. ist gelegent­ lich die Gefahr einer Unterversorung mit manchen Vit­ aminen gegeben. Bei der industriellen Verarbeitung von Lebensmitteln kann deren natürl. Vitamingehalt verlo­ rengehen, z. B. wenn bei verschiedenen Getreidearten die vitaminreichen H üllen der Körner verworfen werden oder wenn die vitaminreiche Butter durch Margarine ersetzt wird. Die V. soll einem derartigen Vitaminmangel abhel­ fen. Um etwaige Überdosierungen (bes. von Vitamin A und D) sicher zu vermeiden, wird die V. in der Bundesrep. Dtl. durch die Verordnung über vitaminisierte Lebens­ mittel v. 1.9. 1942 i. d. F. v. 22. 12. 1981 geregelt. Vitami­ nisierte Lebensmittel dürfen nur mit einem aufgedruckten und leicht lesbaren Hinweis auf ihren Vitamingehalt und nur in Fertigpackungen gewerbsmäßig abgegeben wer­ den. V. ist nur ein Notbehelf; anzustreben ist, die Lebens­ mittel so zu behandeln, daß die Vitamine erhalten bleiben. Vitaminmangelkrankheiten, -»Vitamine. Vitaminpräparate, Präparate zur Behandlung und Vorbeugung von Vitaminmangelerscheinungen. Diese können bei zu geringer Zufuhr oder schlechter wie auch fehlender Aufnahme (Resorption) der Vitamine aus dem Darm entstehen. Die medikamentöse Anwendung von Vitaminen kann auch zu Zeiten erhöhten Vitaminbedarfs des Körpers sinnvoll sein, z. B. im Wachstumsalter, wäh­ rend Schwangerschaft und Stillperiode, im hohen Le­ bensalter, bei großen körperl. Anstrengungen, während Infektionskrankheiten, Fieberzuständen u. ä. Bei ver­ schiedenen Vitaminen wird eine Schutzfunktion ange­ nommen (z. B. Vitamin C bei Erkältungskrankheiten), so Vollgctreide daß V. auch zur Vorbeugung eingenommen werden könLöngsschnitt durch ein Weizenkorn

Getreidekeim

äußere Fruchfhaut

Nährgewebe des Keimlings (fett und eiweißreich)

innere Fruchthaut

Wurzelanlage des Keimlings Blattansätze des Keimlings

Schutzhülle des Keimlings

Eiweiß- und Öls (Aleuronschichf)

Schildchen: Saugschicht zwischen Keim und Innenkörper des Samens

Fruchtschale

Innenkörper des Samens

reich an Eiweiß, Fett, Mineralstoffen, Vitaminen (B-Vitamine)und Ballast­ stoffen (Rohfaser)

innere Fruchthaut äußere Fruchthaut

Samenschale

(Mehlkörper)

Eiweißbestandteile (Kleber) zwischen den Stärkekörnern (Prolamin und Glutenin) davon 36,5% bzw. 24% Glutaminsäure

Oberhaut

Bärtchen

reich an Eiweiß, Fett, Mineral­ stoffen, Vitaminen (B-Vitamine) und Ballaststoffen (Rohfaser)

790

Samenhaut eigentliche Samenschale

Stärkekörner (Kohlenhydrate)

Zellentrennwände aus Zellulose (ballaststoffreich) Eiweiß- und Ölschichl (Aleuronschichf) äußere Schicht des Innenkörpers

nen. V. werden als Einzel- oder Kombinationspräparate zum Einnehmen oder zur Injektion angeboten. Vitiligo [lat. >FlechteClearance), gering und wird heute nicht mehr angewendet; wegen der dazu notwendigen er­ hebl. Flüssigkeitszufuhr kann sie sogar gefährlich sein. Vollblütigkeit, volkstümlich für -» Polyzythämie. Vollgetreide, Sammelbezeichnung für die Körner­ früchte der kultivierten Gräserarten (Getreide), soweit ih­ nen weder Teile entzogen noch zugesetzt worden sind und die Keimfähigkeit des Korns, als Maß höchster biolog. Qualität, nicht durch Bearbeitung (z. B. Entspelzen, Schälen) gemindert ist. Die Keimfähigkeit kann über 95% betragen und sinkt ab, wenn der Keim oder das Innere des Korns verletzt werden. Man unterscheidet Nacktgetreide (Weizen, Roggen, Nackthafer, Nacktgerste), bei denen sich die Körner aus den Spelzen nach der Reifung von selbst herauslösen, und Spelzgetreide (Hafer, Gerste, Hirse, Reis, Dinkel), bei denen die ungenießbaren Spelzen mit der Frucht- und Samenschale fest verwachsen sind und durch stufenweisen Schälprozeß von den Kernen ab­ getrennt werden müssen. Für Erzeugnisse aus V. oder entspelztem V., welche die gesamten Bestandteile der gereinigten Körner einschließ­ lich des Keims enthalten, wird die Bezeichnung Vollkorn verwendet (-»Brot). Die Körner können jedoch vor der Verarbeitung zu -► Vollkornbrot von der äußeren Frucht­ schale befreit werden (Steinmetzverfahren). Um aus Getreide verschiedene verzehrfertige Speisen herzustellen, ist meist zuerst eine Zerkleinerung des har­ ten Getreidekorns erforderlich, wobei in erster Linie fei­ nere Mehle und gröbere Schrote erzielt werden. Dies ge­ schieht seit der Industrialisierung meist in zentralen Groß­ mühlenbetrieben. Beidermechan. Zerkleinerung wird die >natürl. Konserve GetreidekornEicheltripper< be­ zeichnet. Die Behandlung der V. besteht zunächst in lokaler Anwendung desinfizierender Spülungen. Nach Abklin­ gen der akuten Entzündung ist die Beschneidung der Vor­ haut zu empfehlen. Sauberhalten der Eichel durch tägl. Waschung beugt einer V. vor. Vorhautverengung, Phimose, angeborene oder durch chronische Entzündung (Vorhautentzündung, Ge­ schlechtskrankheiten, Zuckerkrankheit, Krebs, Bestrah­ lungsfolge) entstandene Verengung der Vorhaut des Pe­ nis, bei der das Zurückstreifen der Vorhaut über die Eichel nicht mehr oder nur schmerzhaft möglich ist; oft einher­ gehend mit Verklebung des inneren Vorhautblatts mit der Eichel. Die V. kann zu Harnentleerungs- und Ejakula­ tionsstörungen führen. Bei Knaben besteht im 1. Lebens­ jahr eine physiolog. Verklebung der Vorhaut mit der Ei­ chel, die durch das Peniswachstum meist ausgeglichen wird. Nach dem 3. Lebensjahr ist die Lösung durch den Arzt zu empfehlen. Wird die zu enge Vorhaut hinter die Eichel zurückgezo­ gen, kann es zu Schwellung der eingeklemmten Eichel kommen (Paraphimose, spanischer Kragen). Die Vor­ haut kann in fast allen Fällen mit der Hand zurückgescho­ ben werden, die baldige Beschneidung ist aber angezeigt. Behandlung: Bei Säuglingen genügt es meist, die Verklebung der beiden Vorhautblätter mit einer Sonde stumpf zu lösen. Beim Erwachsenen können nach erfolg­ loser Behandlung einer ausgelösten Entzündung opera­ tive Maßnahmen notwendig werden. Vorhersage, die -► Prognose. Vorhof, Anatomie: 1) Atrium, -»Herz. 2) Teil des knöchernen Labyrinths im -»Ohr. Vorkrebskrankheiten, Präkanzerösen, Gewebs­ veränderungen oder Krankheiten, bei denen sich mit einer bestimmten, von Fall zu Fall verschieden großen Wahr791

Vorl scheinlichkeit innerhalb von 1—5 oder auch mehr Jahren ein Krebs entwickeln kann. Sie treten gelegentlich unter dem Erscheinungsbild eines -► paraneoplastischen Syn­ droms auf. V. i. e. S. sind Dysplasie und Carcinoma in situ; bei letzterem handelt es sich um eine örtlich begrenzte Neubildung von Epithelzellen, die in Aufbau und Struk­ tur Krebszellen entsprechen, die sich jedoch durch Fehlen eines zerstörenden Wachstums von einem Karzinom un­ terscheiden (-» Krebsgeschwülste). Sie bilden sich am häu­ figsten am Gebärmutterhals, in der Mundhöhle (-»Leu­ koplakie), im Kehlkopf, in den Bronchien, in der Alters­ haut (Hauthorn, Alterswarzen, -»Hautkrebs), in der Harnblase, in der Prostata als latentes Karzinom und in den Läppchen (Lobuli) der Brustdrüse. Diagnostiziert werden sie mit zytolog. (-»Zytodiagnostik) und, nach -►Probeexzision, mit histolog. Methoden. V. i. w. S. sind z. B. Polypen des Magens oder Darms von mehr als 2 cm Durchmesser, ausgedehnte Polyposis (mehrfach auftretende Polypen), der operierte Magen (Magenstumpf) und die geschwürige Dickdarmentzün­ dung, bei der sich Karzinome 10—30mal häufiger bilden als in gesunder Schleimhaut. Vorliegen der Nachgeburt, Placenta praevia,

-»Mutterkuchen. Vormilch, das -► Kolostrum. Vormundschaft, Kuratel, Tutela, diegesetzl. Für­ sorge für eine Person (Mündel), der die volle Geschäftsfä­ higkeit fehlt. Die V. unterscheidet sich von der -»Pfleg­ schaft durch den Umfang der Schutzbedürftigkeit, die bei der V. alle Lebensbereiche umfaßt (§§ 1773—1908 BGB). Ein Minderjähriger erhält einen Vormund, wenn er nicht unter elterl. Sorge steht, d. h. wenn er keine Eltern mehr hat, wenn sein Familienstand nicht zu ermitteln ist (Findelkind) oder wenn es ein nichtehel. Kind ist, dessen Mutter minderjährig ist (§§ 1773, 1791 c BGB). Der voll­ jährigen Mutter steht dagegen die volle elterl. Sorge zu. Die V. wird ferner angeordnet, wenn die Eltern nicht zur Vertretung berechtigt sind. Ein Volljähriger erhält einen Vormund im Falle seiner -»Entmündigung; die Vor­ schriften über die V. über Minderjährige finden mit eini­ gen Abweichungen Anwendung (§§ 1896ff. BGB). Die V. wird von Amts wegen durch das Vormund­ schaftsgericht angeordnet. Ein Recht auf Bestellung zum Vormund hat, wer von den Eltern des Mündels als Vor­ mund durch letztwillige Verfügung benannt worden ist. Im übrigen obliegt die Auswahl dem V.-Gericht; Ver­ wandte und Verschwägerte des Mündels sind zunächst zu berücksichtigen. Zum Vormund können auch rechtsfä­ hige Vereine (Vereins-V.) sowie das Jugendamt (die V. heißt dann Amts-V.) bestellt werden. Die Übernahme der V. ist eine öffentlich-rechtl. Pflicht, die unter besonderen Voraussetzungen abgelehnt werden kann. Ist mit der V. eine erhebl. Vermögensverwaltung verbunden, so soll ein Gegen vormund bestellt werden. Der Vormund hat für die Person und das Vermögen des Mündels zu sorgen; v. a. übt er die Vertretung aus. Er hat über das Mündelgut dem Gericht ein Verzeichnis einzurei­ chen. Die gesamte Aufsicht obliegt dem V.-Gericht; auf Verlangen ist ihm Auskunft zu erteilen und — i. d. R. ein­ mal jährlich — Rechnung zu legen. Die V. endet außer durch den Tod des Mündels mit dem Wegfall der Voraussetzungen ihrer Anordnung, v. a. also mit Erreichen der Volljährigkeit. In der Dt. Dem. Rep. wird für Minderjährige, für die niemand das elterl. Erziehungsrecht hat, sowie für Voll­ jährige, die entmündigt sind, ein Vormund bestellt. Ein­ zelheiten regeln die §§88-103 Familiengesetzbuch. — In Österreich ist die V. durch §§ 187—284 ABGB geregelt. Der Vormund sorgt für Pflege und Erziehung des Minder­ jährigen, wenn der natürl. Schutz der Eltern fehlt. Im all­ gemeinen besteht Einzel-V., ausnahmsweise Amts-V. (§§16, 17 Jugendwohlfahrtsgesetz). — Das schweizer. Recht behandelt die V. in Art. 360—456 ZGB und unter­ scheidet zwischen Vormund, Beistand und Beirat. Vorsorge|untersuchungen, ärztl. u. a. medizin. Untersuchungen, durch welche die Krankheitsfrüherken­ nung erreicht und damit eine frühzeitige Therapie ermög­ 792

licht werden soll. Gesetzl. und private Krankenversiche­ rungen übernehmen die Kosten von V. a) für Erkrankungen bei Frauen und Männern nach den Richtlinien der -► Krebsvorsorge; b) bei Neugeborenen und Kleinkindern bis zum 6. Le­ bensjahr zur Feststellung angeborener Leiden und von Entwicklungsstörungen, c) bei Schwangeren und Wöchnerinnen. In der gesetzl. Krankenversicherung erfolgen V. auf Vorsorgeschein. Für die Eintragung der Mutterschafts­ untersuchungen wird ein Mutterpaß (-»Apgar-Index), für die V. bei Neugeborenen und Kleinkindern ein Kin­ derscheckheft ausgestellt, in welche die Ärzte Unter­ suchungsbefunde u. ä. eintragen. Auch nach dem Jugend­ arbeitsschutzgesetz sind V. vorgesehen. Neben diesen gezielten V. wurden früher teilweise auch V. empfohlen, bei denen der Patient mit allen üblichen Methoden der Diagnostik auf mögliche Erkrankungen hin untersucht wird; epidemiologisch gesehen stehen hier­ bei jedoch die Kosten in einem sehr ungünstigen Verhält­ nis zum Nutzen. Vorsteherdrüse, Prostata, Teil der männl. Ge­ schlechtsorgane, ein muskulös-drüsiges Organ von Größe und Gestalt einer Kastanie. Sie liegt unterhalb der Harn­ blase und umfaßt ringförmig den Anfangsteil der Harn­ röhre. Von hinten liegt ihr der Mastdarm an; oberhalb lie­ gen die Blase und zwischen Blase und Mastdarm die Sa­ menblasen und die Samenleiter. Die Samenleiter und die Samenblase jeder Seite münden in den prostat. Teil der Harnröhre auf einer Erhebung, dem Samenhügel, mit ih­ ren Ausspritzungsgängen (Bild Geschlechtsorgane). Mikroskopisch besteht die V. aus einer äußeren Kapsel von glatten Muskelzellen und einer Vielzahl von Drüsen, die das Prostatasekret bereiten. Die Sekretion der Prosta­ tadrüsen steht unter dem Einfluß der männl. Hodenhor­ mone und ist bei geschlechtl. Erregung gesteigert. Beim Samenerguß (-»Ejakulation) werden die Samen­ zellen durch das alkal. Milieu des Prostatasekrets akti­ viert. Dieses neutralisiert außerdem die saure Reaktion der weibl. Scheide und schützt somit die Samenzellen. Eine Vergrößerung der V. (Prostatahypertrophie) tritt bei 50% aller Männer auf, meistens nach dem 60. Lebens­ jahr; bei 15—20% ist hierdurch der Harnfluß gestört. Die Wucherung kann die ganze V. oder auch nur einzelne Lap­ pen befallen (Prostata|adenom); eine bösartige Ge­ schwulst ist das Prostatakarzinom (-► Vorsteherdrüsen­ krebs). Durch Kompression der Harnröhre entleert sich bei einer Wucherung die Blase nur unvollständig, so daß -► Restharn zurückbleibt, der leicht zur Harnwegsinfek­ tion beiträgt. Anfängl. Beschwerden sind vermehrter Harndrang, bes. nachts, sowie erschwerte Harnentlee­ rung; es kann zur -► Harnsperre kommen. Bei der Über­ laufblase, bedingt durch das Prostataadenom, tröpfelt bei voller Blase ständig Urin, da die elast. Kapazität der Blase erschöpft ist. Die Gefahren sind: Blutungen aus überdehnten Blasengefäßen, Harnverhaltung mit Harn­ vergiftung, Infektion des Restharns mit aufsteigender Entzündung der Blase und der Nieren. Behandlung: im Stadium der Harnverhaltung Harn­ entleerung durch Harnröhrenkatheter oder durch HautBlasen-Fistel (Punktion durch die Bauchdecke). Recht­ zeitige Elektroresektion der V. durch die Harnröhre ist an­ geraten, bei großen Prostataadenomen auch offene Schnittoperation. In vielen Fällen ist eine vorausgehende medikamentöse Therapie angezeigt, doch sollte der Zeit­ punkt eines gefahrlosen Operationstermins nicht über­ schritten werden. Die Operation hat nur geringe Risiken; die oft befürchtete Potenzstörung ist relativ selten. Vorsteherdrüsen |entzündung,

Prostatitis,

fortgeleitete Entzündung aus der Harnröhre bei -»Trip­ per oder anderen Harnröhrenentzündungen, auch bei Mastdarm- und Infektionskrankheiten; in 30% der Fälle neurovegetativ-psych. Begleitumstände (Streß, Sexual­ neurose). Die Behandlung richtet sich nach der Entstehungs­ ursache. Bettruhe, heiße Sitzbäder, Kurzwellenbehand­ lung, Massage, schmerzlindernde Darmzäpfchen sind zusätzl. Maßnahmen; wichtig ist die Feststellung der Erreger

Wach aus dem Prostatasekret, zu denen neben Bakterien und Viren auch Pilze und Mykoplasmen gehören können. Vorsteherdrüsenkrebs, Prostatakrebs, Prostatakarzinom, Geschwulst der Vorsteherdrüse

(-►Krebsgeschwülste), die im Ggs. zu der Vergrößerung der Vorsteherdrüse (Prostatahypertrophie) durch ein Adenom bösartig ist (Beschwerden -»Vorsteherdrüse). Durch Vorsorgeuntersuchung, Abtastung der Vorsteher­ drüse durch den Enddarm, kann der V. im Frühstadium erkannt werden; Diagnosesicherung durch schmerzlose Entnahme einer Gewebsprobe mittels einer Nadel (Fein­ biopsie). Männl. Geschlechtshormone führen zu schnel­ lerem Tumorwachstum, deswegen wird beim bösartigen V. die gegengeschlechtl. Behandlung mit weiblichen Hor­ monen eingeleitet oder die Entfernung von Hodengewebe durchgeführt, welches das Hormon bildet. Behandlung: abhängig vom Bösartigkeitsgrad der Geschwulst im Frühstadium radikale Operation, Bestrah­ lung, weibl. Hormontherapie als Einzelmaßnahme oder jeweils kombiniert. Der Tumor selbst wächst langsam und kann durch die Therapie zwar nicht immer geheilt, aber doch zurückgedrängt werden. Vorzugsmilch, -»Milch.

Voussure [vus'y:r, frz.], der -»Herzbuckel.

Vulva, Pudendum femininum, die äußeren Ge­ schlechtsorgane der Frau. Vulvitis, die mit Rötung,

Schwellung, Jucken, Brennen und Ausfluß einherge­ hende Entzündung der V. Sie kann Folge mangelnder Reinlichkeit oder äußerer Reizung sein (harte Menstrua­ tionsbinde, aus dem After stammende Madenwürmer, Benetzung durch zuckerhaltigen Urin bei Zuckerkrank­ heit). Häufig handelt es sich auch um ein Übergreifen einer -► Scheidenentzündung auf die V., bes. bei einer Pilzinfektion. Die Behandlung besteht im Beseitigen der auslösen­ den Schädlichkeit. Von der Anwendung von Sitzbädern mit Kaliumpermanganat, Kamille o. ä., wie bisher üblich, wird neuerdings abgeraten. Vulvovaginitis infantum, die bei noch nicht ge­ schlechtsreifen Mädchen auftretende, mit Juckreiz und Ausfluß wechselnder Stärke einhergehende Entzündung der äußeren Geschlechtsteile und der Scheide, die meist durch Darmparasiten, aber auch durch Allgemeinerkran­ kungen, Fremdkörper, durch Pilze und Trichomonaden oder den Erreger des Trippers hervorgerufen werden. Die gonorrhoische Infektion der Kinder erfolgt fast immer durch mangelnde Hygiene erkrankter Angehöriger, Schlafen im gleichen Bett, Benutzung desselben Wasch­ lappens u. ä. Eine Übertragung auf die Augen (-»Augen­ tripper) ist äußerst gefährlich.

w Wabenlunge, -» Lungenzysten.

Wacholder, Machandel, Juniperus communis,

zu den Zypressengewächsen (Cupressaceae) gehörender, immergrüner Strauch oder bis 12 m hoher Baum in warm­ gemäßigten Klimazonen. Die im 2. Jahr reif gewordenen, getrockneten dunklen Scheinfrüchte (Wacholderbeeren, beliebtes Küchengewürz) enthalten bis zu 2°/o äther. Öl. Auch die W.-Sprossen werden verwendet. Anwendung: Heilpflanzen, Übersicht. Wachs, Cera, früher ausschließlich Bezeichnung für das von den Bienen hergestellte Bienen-W., später auch für andere, dem Bienen-W. ähnliche Erzeugnisse aus dem Tier- und Pflanzenreich. (-»Salbe) Wachstum, Größenzunahme eines Organismus oder seiner Teile. Das W. ist eine Grundeigenschaft lebender Substanz; es beruht auf der Fähigkeit, körperfremde Stoffe aufzunehmen und in körpereigene zu verwandeln (Assimilation). Fettansatz oder Speichervorgänge rech­ net man nicht zum W. Das W. wird von den Zellkernen (biochemisch) gesteuert, hängt in erster Linie von ererb­ ten Anlagen ab, unterliegt aber teilweise auch Umweltein­ flüssen (Ernährung, Klima, körperl. Betätigung). Zelltei­ lung und -Vermehrung sind die Grundvorgänge des W. Wuchsstoffe (Vitamine, Hormone, lebenswichtige Ami­ nosäuren) beeinflussen Ausmaß und zeitl. Ablauf. Das Körper-W. geht zunächst sehr schnell vor sich, ver­ langsamt sich allmählich und klingt mit Erreichen einer vornehmlich erbbedingten, artspezif. >Endgröße< aus. Das befruchtete Ei des Menschen (0,005 mg) entwickelt sich in 9 Wochen zu einem Keim vom rd.25OOOOfachen (1,24 g) des Eigewichts; der Keim erreicht bei der Geburt etwa das 2700fache (3000-3 500 g) dieses Gewichts und

bei Abschluß des W. etwa das 20fache des Geburtsge­ wichts. Bes. langsames und lang andauerndes W. sind für den Menschen typisch. Die damit verbundene Verlänge­ rung der Jugend- und Lernphase dient der Ansammlung von Erfahrungen und Wissen als Voraussetzungen für sein Menschsein, wie es sich in Kultur, Zivilisation, sozia­ lem Zusammenleben u. a. für ihn kennzeichnenden Le­ benserscheinungen äußert. Mit dem W. des Menschen sind deutl. Proportions­ änderungen des Körpers verbunden: Relativer Größen­ anteil und Gewicht des Kopfes nehmen ab, der Rumpf und die Gliedmaßen (bes. die Beine) werden relativ (im Ver­ gleich zur gesamten Körpergröße) länger. Darüber hinaus wechseln Phasen verstärkten Längen-W. (Streckphasen) mit solchen eines überwiegenden Breiten-W., der Ge­ wichtszunahme und zunehmender Körperfülle ab. Auch Geschlechtsunterschiede bestehen im W.-Verlauf: Mäd­ chen wachsen zunächst schneller und stärker, werden spä­ ter aber von den Knaben eingeholt und überholt. Erwach­ sene Männer sind im Schnitt 10—12 cm größer als erwach­ sene Frauen. Mit dem W. gekoppelte Reifungsvorgänge (Geschlechtsreife) zeigen neben Geschlechtsunterschie­ den auch solche nach Rasse, Klima und Kultur. Die end­ gültige Körpergröße ist in hohem Maß von Erbfaktoren abhängig. Dies gilt sowohl für die individuellen Varianten (größere Eltern haben i. d. R. auch größere Kinder) als auch für gruppenmäßige (rass.) Varianten, die von Klein­ oder sogar Zwergwüchsigen (Pygmäen, Negritos) bis zu ausgesprochen großwüchsigen Rassen (Nordeuropäer, nilot. Negride) reichen. Die seit einigen Generationen zu beobachtende Grö­ ßenzunahme in vielen Populationen (Kinder überflügeln ihre Eltern) dürfte neben zunehmender Vermischung (He793

Wach terosis) bes. Verbesserungen der Umweltbedingungen (Ernährung, Sport) und damit besserer Verwirklichung der ererbten Anlagen zuzuschreiben sein. Vom normal verlaufenden W. gibt es Abweichungen (meist patholo­ gisch als Zwergwuchs oder Riesenwuchs).

Wachstum: Proportionsänderungen in der Entwicklung des Menschen, ausgedrückt in Kopfhöhen (nach G. H. Stratz)

Julius Wagner von Jauregg

Wachstums|schmerzen, im Kindesalter nach An­ strengungen meist abends auftretende, ziehende, krampf­ artige Beschwerden, v. a. in den Beinen an den langen Röhrenknochen. Sie beruhen wahrscheinlich auf Deh­ nung der Knochenhaut über dem wachsenden Knochen. Auch an den Knochenenden können während der Ver­ knöcherung Schmerzen vorkommen. Behandlung: körperl. Bewegung, bes. Schwimmen. Aufklärung, daß es sich nicht um krankhafte Vorgänge handelt. Wachtraum, Tagtraum, ungesteuerte Phantasien, die meist Wünsche zum Ausdruck bringen, die nicht durch Aktivität befriedigt werden können. Der Wach­ träumer sieht sich als Held im Mittelpunkt des Gesche­ hens; der Wunsch nach Selbstbehauptung und Macht so­ wie erot. Bedürfnisse stehen im Vordergrund. Bei Kin­ dern und bes. in der Pubertät kann der W. zu einem Vor­ entwurf der Lebensaufgaben werden und ist dann als posi­ tiver Faktor der Entwicklung zu bewerten. Bei Erwachse­ nen ist übermäßiges Wachträumen ein Ausdruck der Flucht vor der Wirklichkeit. In krankhaften Fällen kann die Welt des W. die Beziehung des Menschen zur Wirklich­ keit völlig verdrängen. Wade, die durch den 3köpfigen Wadenmuskel gebil­ dete, bauchig gewölbte Hinterfläche des Unterschenkels. Wadenbein, Fibula, -»Bein. Wadenkrampf, schmerzhafte Zusammenziehung der Wadenmuskeln, die meist nach Überanstrengung, als Folge gestörter Statik, bei Kälte und erhöhtem Harnsäu­ respiegel im Serum auftritt. W. werden v. a. durch man­ gelhafte Versorgung des Muskels mit Sauerstoff und Überladung mit Kohlendioxid ausgelöst. Bes. Fuß und Unterschenkel sind dieser Schädigung ausgesetzt; auch bei stärkerer Belastung des Kreislaufs, z. B. bei längerem Schwimmen in kaltem Wasser, kann es zu W. kommen. Erweiterungen der Blutadern am Unterschenkel (Krampf­ adern) wirken begünstigend, da auch sie den Umlauf des Bluts im Unterschenkel erschweren. Starke Wasserverar­ mung des Körpers, z. B. nach heftigen wäßrigen Durch­ fällen, schafft ebenfalls eine Bereitschaft zu W. Oft ist eine Ansammlung saurer Stoffwechselprodukte oder eine Er­ niedrigung der Kalium-Kalzium-Blutwerte die Ursache. Behandlung: Bei Auftreten von W., bei dem der Fuß stark fußsohlenwärts gebeugt wird, soll man dieser Bewe­ gung nach Möglichkeit sofort entgegenarbeiten und ver­ suchen, den Fuß fußrückenwärts zu strecken und auch un­ ter Zuhilfenahme der Hände die an sich schwächere Strcckmuskulatur des Fußes unterstützen. Der W. löst sich dann i. d. R. rasch. Sollte er länger anhalten, so sind Umschläge mit feuchten heißen Tüchern anzuwenden. Vorbeugung durch gefäßerweiternde und spasmenlö­ sende Mittel. 794

Wadenwickel, Umschlag mit lauwarmem Wasser (-► Packung), als mildes fiebersenkendes Mittel und Beru­ higungsmittel bei leichten Einschlafstörungen, bes. bei Kindern. Waerland, Are, schwed. Ernährungsforscher, * Ekenäs (Finnland) 1876, t Alassio (Italien) 1955; empfahl laktovegetabile Kost auf der Basis frisch geschroteten Getrei­ des in Breiform (-» Kruska) und Gemüserohkost, Pellkar­ toffeln, Vollkornbrot mit Butter und Käse oder Quark; daneben reichlich Flüssigkeit zwischen den Mahlzeiten (Kräutertees). Wagner von Jauregg, Julius, Psychiater, * Wels (Österreich) 1857, tWien 1940, war Prof, in Graz und Wien; fand das erste wirksame Heilmittel gegen die Syphi­ lis des Nervensystems, bes. gegen die Paralyse (Impfmala­ ria, ->■ Heilfieber); erhielt 1927 den Nobelpreis für Physio­ logie und Medizin.

Wahn, krankhafte Veränderung des Realitätsbewußt­ seins mit unkorrigierbarer Fehlbeurteilung der Wirklich­ keit. Man unterscheidet: 1) echte Wahnideen, d. h. irrige und oft unsinnige, absurde Überzeugungen, an denen die Kranken trotz aller logischen Einwände und bes. auch ohne Anlaß und Begründung unerschütterlich festhalten. Es ist z. B. einem Kranken >plötzlich klar< oder >es fällt ihm aufwenn ich so verfolgt werde, muß ich doch eine wichtige Persönlich­ keit seine 3) Das Wahnsystem schließlich stellt mehr oder weniger log. Zusammenhänge zwischen den einzelnen W.-Ideen her, so daß es zu ganzen W.-Gebäuden kommt. Der W. ist von großer prakt. Bedeutung, da er zu ge­ meinschaftsgefährdenden Handlungen führen kann. 4) Wahnideen im Kollektiv sind oft schwer vom -»Aber­ glauben abzugrenzen, da auch einfache, gesunde Men­ schen und unkrit. Urteilslose z. B. an unbewiesene Fern­ wirkungen und parapsychologisch ungesicherte Behaup­ tungen glauben. Oft sind diese Vorstellungen tief in der Geschichte bis zur Gegenwart verwurzelt, wie etwa der Teufels-W. (-» Exorzismus). Wahrnehmung, psychophys. Prozeß, in dessen Verlauf ein Organismus auf Grund von physikal. und ehern. Reizen, vermittelt durch seine -»Sinne und auf­ bereitet nach spezif. Gesetzmäßigkeiten, eine anschaul. Repräsentation der Umwelt und des eigenen Körpers herstellt. Die Wahrnehmungspsychologie untersucht die Bezie­ hungen zwischen den objektiven Merkmalen des Wahrge­ nommenen sowie zwischen den zugrunde liegenden physiolog. Prozessen und den W.-Erlebnissen. Sie erforscht die Strukturen der W.-Welt und den Einfluß der W. auf das Verhalten sowie die Beziehungen zu anderen psych. Prozessen, zu Lernen, Denken, Motivation und zu per­ soni. und sozialen Bedingungen. Die Einteilung der W.-Bereiche entspricht derjenigen der -»Empfindungen. Mit der Entwicklung der physiolog. und psycholog. Erforschung wurde die Unterschei­ dung von 5 Sinnen in der klass. Theorie der W. wesentlich differenziert. Zu den reinen Sinnesdaten treten in der W. weitere Einflüsse, die das Zustandekommen und die Art des W.-Erlebnisses bestimmen: Einstellungen, Stimmun­ gen, Interessen, persönl. Motive, Erwartungen, Erfah­ rungen, Gedächtnisinhalte und Lernprozesse; die Gliede­ rung der Eindrücke unterliegt gewissen Gesetzmäßig­ keiten (z. B. gestalthafter Art); die W. ist in die übrigen Er­ kenntnisprozesse eingebettet. In die neuere Forschung fanden v. a. informationstheoret. und kybernet. Betrachtungsmodelle Eingang, welche die Sinne als informationsverarbeitende Systeme mit spe-

Warm zif. Gesetzmäßigkeiten und internen Regelprozessen auf­ fassen. Wahrsagen, Weissagen, Divination, dieangebl. Aufdeckung verborgener, gegenwärtiger oder zukünfti­ ger Zusammenhänge oder Ereignisse mittels hellseheri­ scher oder magischer Praktiken. Das Voraussagen zu­ künftiger Ereignisse wurde schon im Altertum von Prie­ stern und Laien praktiziert (-»Prophetie). Damals wie heute wurde die Aussage meistens aus der Betrachtung be­ sonderer Strukturen entwickelt: in den antiken Orakeln aus dem Vogelflug oder den Eingeweiden eines Tiers, fer­ ner aus den Sternen (-► Astrologie, -» Horoskop), aus Kri­ stallen (-»Vision), durch Pendeln (-»Pendel), aus Spiel­ karten, Handlinien (Chiromantie, -» Chirologie), Kaffee­ satz u. a. (-»Magie) Waksman [w'eeksman], Selman Abraham, amerikan. Mikrobiologe russ. Herkunft, *Priluka (bei Kiew) 1888, f Hyannis (Massachusetts) 1973, war Prof, in New Brunswick (New Jersey); entdeckte die Antibiotika Streptomycin und Neomycin; erhielt 1952 den Nobelpreis für Medizin und Physiologie. Wald. Die hohe bioklimat. Bedeutung des W. für die Gesundheit und die Lebensqualität des Menschen beruht weitgehend auf seinen in vieler Hinsicht ausgleichenden Wirkungen. Im W. besteht auch an heißen Sommertagen eine ausgeglichene Temperatur, die als gesundheitl. Schonfaktor wirkt; die Sonnenstrahlen werden durch die Baumkronen in ihrer Kraft abgemildert, die Luft ist z. T. noch verhältnismäßig unbelastet von Schadstoffen und mit aromat. Duftstoffen der Vegetation angereichert. Im Winter kehrt sich die ausgleichende Wirkung um: Die kal­ ten Winde werden abgeschwächt und abgefangen, die Luft bleibt dadurch wärmer und wird auch durch die Ver­ minderung der Kältestrahlung weniger abgekühlt. Das in den letzten Jahren regional beobachtete Waldsterben durch Umweltschadstoffe, wohl bes. Schwefeldioxid (SOj), ist aus bioklimatischer Sicht von großer Bedeutung und bedarf dringender Gegenmaßnahmen. Waldmeister, Echter W., Galium odoratum, zu den Rötegewächsen (Rubiaceae) gehörende, bis 30 cm hohe, krautige Pflanze in gemäßigten Klimazonen, bes. in schattigen Wäldern. Das um die Blütezeit gesammelte Kraut enthält an Glykoside gebundenes Cumarin. Belieb­ tes Gewürz für Bowlen. Anwendung: Heilpflanzen, Übersicht. Wallungen, die —■ fliegende Hitze. Walnuß, Walnußbaum, Nußbaum, Juglans, zu den Walnußgewächsen (Juglandaceae, darunter die Art EdelnuQ oder Welsche Nuß, Juglans regia) gehörender, bis 25 m hoher Baum. Die 2- oder 4fächerige Scheinfrucht birgt einen 2- bis 41appigen schmackhaften Samen mit großen, dickfleischigen, gefalteten, ölreichen (60%, v. a. essentielle Fettsäuren) Keimblättern (Bild Obst). Ver­ wendung als Nahrungs- und Genußmittel, besonders in der Süßwarenindustrie (Pralinenbestandteil, Mandeler­ satz u. a.). Walrat der, Cetace|um, Sperma Ceti, gereinigtes Wachsgemisch aus den Schädelhöhlen verschiedener Fi­ sche der Gattung Physeter, bes. vom Pottwal (Physeter macrocephalus). W. besteht in der Hauptsache aus Palmitinsäure-Cetylester und ist ein Bestandteil des offizinellen Unguentum leniens (Coldcream). -»Salbe. Wanderherz, Cor mobile, Kardioptose, abnorm bewegl. Herz, überwiegend bei Zwerchfelltiefstand und Eingeweidesenkung; tritt meist bei überschlanken Men­ schen und nach starker Abmagerung auf. Beim aufrech­ ten Stehen und in Seitenlage können Beklemmungs­ erscheinungen und Atemnot auftreten. Die Beschwerden sind funktioneller Art und verschwinden in Rückenlage. Wanderhoden, Pendelhoden, Vortäuschung ei­ nes -► Leistenhodens durch das Wandern des Hodens in die L.eistengegend; fließender Übergang zum physiolog. Hodenhochstand, auch bei verzögertem -» Descensus. Wandermilz, das Tiefertreten der Milz durch Er­ schlaffen der Bänder und Gewebe, mit denen sie im Bauchraum befestigt ist. W. ist ein Zeichen allgemeiner

Eingeweidesenkung oder (seltener) einer Milzvergröße­ rung (Splenomegalie). Wandern, vielfältige Form der Körperbewegung, trägt zur Erhaltung und Stärkung der Gesundheit des Menschen wesentlich bei, da es die körperl. und geistige Aktivität fördert. Das gilt in erster Linie für das W. zu Fuß in jeder Jahreszeit; aber auch das Rad-W. und das W. zu Pferd verbinden in ähnl. Weise das innere Erleben der Umwelt mit der körperl. Leistung. Dem Ski-W. (Winter­ kuren, Langlauf), das wie der Skisport überhaupt erhöhte körperl. Anforderungen an den Wandernden stellt, sollte je nach Belastbarkeit (Alter, Kreislauf) eine ärztl. Bera­ tung vorangehen. Wanderniere, ungenaue Bezeichnung für Nieren­ senkung, Nephroptose, Senkung der Niere bis ins kleine Becken, oft Teil einer -» Eingeweidesenkung, meist nur rechtsseitig und bei jungen Frauen. Beschwerden tre­ ten erst dann auf, wenn durch Abknickung der Harnleiter eine Abflußbehinderung des Harns entsteht. Meist ist eine W. ein harmloser Zustand, der zu keiner Besorgnis Veran­ lassung gibt. Eine Operationsindikation ist nur mit großer Zurückhaltung anzunehmen. Wandertrieb, -»Poriomanie. Wange, die -» Backe. Wangenbrand, Noma, seltene Infektion der Wange, die von der Mundschleimhaut ausgeht und zu brandigem, in der Fläche und in die Tiefe fortschreiten­ dem Zerfall auch tieferer Gewebsschichten der Wange führt (früher >Hospitalbrandatmosphär. lmpulsstrahlung< eine erhebl. 803

Whir biotrope Bedeutung zugemessen, da sie als langwellige elektromagnet. Strahlung normale Gebäudewände weit­ gehend durchdringt. Whirlpool |-pu:l], ein i. d. R. für 4-6 Personen be­ stimmtes Badebecken, in dem vorgeheiztes Wasser (40 °C) bodennah angesaugt und unter hohem Druck mit Luftzu­ satz als Sprudelwasser etwa 30 cm unterhalb der Wasser­ oberfläche mit Massageeffekt zurückgepumpt wird. Die Benutzung durch mehrere Personen erfordert eine sorg­ fältige Wasserpflege (je nach Benutzungshäufigkeit wö­ chentliche Wassererneuerung, Gehalt an freiem Chlor 1—1,5 mg/1, pH-Wert 7,2—7,8), um Haut- und Urogeni­ talinfektionen (durch Bakterien, Pilze), bes. aber die durch Wasserdampf vermehrt übertragbare Infektion (Gefahr der Lungenentzündung) mit dem Pseudomonasaeruginosa-Bakterium (-»Pseudomonas) zu vermeiden. WHO, Abk. für World Health Organisation, -»Welt­ gesundheitsorganisation . Wickel, die-»Packung. Wiederbelebungsversuche, die Verfahren der künstl. Beatmung und der -»Herzmassage. (-► Defibrillieren, -»Reanimation) Wiederherstellungs chirurgie, operative Maß­ nahmen zur Wiederherstellung von Funktionsverlusten oder zur Verbesserung von Körperdefekten .Meist sind es Verletzungsfolgen, seltener angeborene Mißbildungen oder Defekte nach ausgedehnten Resektionen, die einen wiederherstellenden Eingriff erforderlich machen. Die W. hatte ursprünglich ihre Grundlage in dem Bestreben, zahlreichen Schwerkriegsverletzten zu helfen, und ent­ wickelte sich erst später zu einem fachübergreifenden Spe­ zialgebiet, auf dem sich schließlich die Erkenntnisse und Operationsmethoden der Unfallheilkunde, der plast. Chirurgie und der Orthopädie gegenseitig ergänzten. Auch durch die Weiterentwicklung der -»Transplanta­ tion wurde die W. wesentlich gefördert. In neuerer Zeit ha­ ben Fortschritte auf dem Gebiet der -»Mikrochirurgie neue Operationsmöglichkeiten geschaffen. So können heute -»abgetrennte Gliedmaßen durch Naht der feinen Nerven und Blutgefäße wieder funktionstüchtig anheilen. wildes Fleisch, umgangssprachl. Bezeichnung für -»Granulationen. Wille, Fähigkeit, sich bewußt und auf Grund von Mo­ tiven für ein bestimmtes Ziel oder eine bestimmte Hand­ lung zu entscheiden. Der W. wird in der traditionellen Psy­ chologie nach dem Philosophen und Psychologen J. N. Tetens(* 1736,1 1807)entweder neben dem Denken und Fühlen als 3. seel. Grundvermögen angesehen oder als durch andere psych. (Vorstellung, Denken, elementare Gefühle) oder physiolog. (z. B. Organempfindungen) Vorgänge bedingt aufgefaßt. Eine Willenshandlung ist das Gegenteil von einer Impulshandlung. Dabei wird vor­ ausgesetzt, daß der normale Mensch über eine gewisse Willensfreiheit verfügt. Der W. ragt in alle seel. Bezirke und ist mit ihnen verknüpft. In die bewußten Motive kön­ nen auch unbewußte Strebungen, Drangzustände und Ge­ fühle einfließen; diese sind dem W. nur in geringem Maß zugänglich. Jedoch schließt der W. prinzipiell die Fähig­ keit ein, bewußten Triebzuständen die Umsetzung in Handlungen zu versagen. Die Ausprägung der Willens­ kraft ist individuell verschieden; sie hängt neben der kon­ stitutionellen Gesamtanlage auch vom Allgemeinbefin­ den der Persönlichkeit ab. Wichtig ist dabei die Ent­ schlußfähigkeit. Sie kann durch Vielseitigkeit der Bega­ bungen gehemmt sein, aus der eine Zersplitterung folgen kann, durch Verantwortungs- und Risikoscheu oder durch depressive Stimmungen. Zum W. gehört, daß er Ziele verfolgt, die er selbst anstrebt oder die andere setzen. Die Zielverfolgung kann durch zu geringe Antriebsstärke gestört sein, durch Mangel an Selbstvertrauen und Ent­ schlußfähigkeit sowie durch >Sinnleere< des Lebens, das keine Ziele mehr kennt. Zur W.-Kraft gehören Ausdauer, angemessenes Durchsetzungsvermögen, Widerstands­ kraft und Anstrengungsbereitschaft. Wichtig ist, daß der Mensch fähig ist, Ziele gegen innere Widerstände, z. B. Bequemlichkeit, Genußsucht, Sofortbefriedigung, in

804

Selbstbeherrschung und Überwindung festzuhalten, daß er aber auch äußere Schwierigkeiten zielstrebig angeht. Mangelnder W. (W. -Schwäche) ist immer eine Behinde­ rung auf dem Lebensweg eines Menschen, so bei -»seeli­ schen Krankheiten, aber auch bei Verhaltensstörungen, entweder als Passivität, Sichgehenlassen auf Grund von Erziehungsfehlern (-»Erziehung), wobei dann oft in die -► Sucht ausgewichen wird, oder in Form von ungehemm­ ten Handlungen bei -»Verwahrlosung und Kriminalität aus verschiedenen Ursachen. Wilms-Tumor [n. dem Chirurgen M. Wilms, * 1867, 11918], seltene, rasch wachsende, bösartige Geschwulst der Niere im Kleinkindalter; in der Bundesrep. Dtl. kommt es zu etwa 100 Neuerkrankungen pro Jahr. Anzei­ chen ist ein tastbarer Tumor im Oberbauch. Wegen früh­ zeitiger Metastasierungsgefahr sollte das Kind rasch einer kinderurolog. Abteilung zugeführt werden. Behandlung: Eine kombinierte chirurgisch-medika­ mentöse und auch eine Strahlentherapie hat die Heilungs­ rate auf über 80% verbessert. Wilson-Krankheit [wilsn-J, -»Speicherkrankheiten. Wimpern, Haare am Lidrand des Auges (Hilfs­ organe). — Pflege. Gelegentliches Bürsten mit einer kleinen Wimpernbürste und etwas Rizinusöl oder einem entsprechenden Kosmetikum fördert Wachstum und Geschmeidigkeit der W. Die Lidränder können mit Bor­ wasser gereinigt werden, um Schmutzteilchen (Staub u. a.) zu entfernen und Entzündungen zu verhindern. Chronische Entzündungen (-» Liderkrankungen) müssen wegen der Gefahr einer nicht zu behebenden Schädigung des W.-Bodens ärztlich behandelt werden. Wind|dorn, Spina ventosa, relativ gutartige Form der kindl. Knochentuberkulose mit spindeiiger Auftrei­ bung der Knochen an einem oder mehreren Fingern und Zehen. (Bild Tuberkulose) Windpocken, Schafblattern, Schafpocken, Spitzpocken, Wasserpocken, Varizellen, sehr an­

steckende, aber i. d. R. harmlose Infektionskrankheit des Kindesalters, die ausschließlich von Erkrankten auf dafür empfängl. gesunde Menschen übertragen wird (Bild In­ fektionskrankheit). Die Übertragbarkeit beginnt 1—2 Tage vor Auftreten des Ausschlags und endet mit dem Eintrocknen der Bläschen. Der Erreger der W. ist ein Her­ pes-Virus, das auch ohne Berührung des Kranken durch die Luft übertragen werden kann. Das Überstehen von W. hinterläßt lebenslängl. Immunität. Das Virus neigt zum Verbleiben im Körper und kann noch nach Jahrzehnten aktiviert werden und zur Gürtelrose führen. Der Ausschlag zeigt sich in der Form von kleinen, roten, voneinander getrennten Flecken, auf denen sich nach eini­ gen Stunden linsen- bis erbsengroße, wasserhelle, später trüb werdende Bläschen bilden, die selten stärker ver­ eitern. Die Bläschen entstehen in Schüben und sind un­ regelmäßig über den Körper verteilt. Sie sind in 6-12 Stunden vollständig entwickelt und trocknen am 4. Tag unter Borkenbildung ein. Zwischen W. und echten -» Pokken besteht keine Beziehung. Behandlung: Bettruhe, leichte Kost. Windsurfing [-sa:fnj, engl.J, aus Wellenreiten und Segeln kombinierter Wassersport, der stehend auf einem Brett mit bewegl. Segel ausgeübt wird. Erhebl. Anforde­ rungen werden v. a. bei starkem Wind an die Muskulatur und an das Herz-Kreislauf-System gestellt; die anhaltende stat. Muskelkontraktion hat eine Erhöhung des Blut­ drucks zur Folge. Außerdem ist der Sportler auch bei Tra­ gen des vorgeschriebenen Surfanzugs aus Neopren der Gefahr der Unterkühlung ausgesetzt. Die Auswirkungen auf die Körpertemperatur können durch -»Thermogra­ phie sichtbar gemacht werden. An heißen Tagen können im Neoprenanzug dagegen eine Überhitzung und Elektro­ lytverluste durch starkes Schwitzen auftreten. Winiwarter-Buergersche Krankheit [-b'a:ga-],

die -» Buergersche Krankheit. Wintergrün, Gaultheria procumbens, zu den Heidekrautgewächsen (Ericaceae) gehörender niedriger Strauch, heimisch in Nordamerika. Die getrockneten Blätter enthalten u. a. ein äther. Öl, das Wintergrünöl (Oleum Gaultheriae; Hauptbestandteil Methylsalizyl­

Wirb säure). Sie werden auch als Genußmittel (chines. Tee) ver­ wendet. Anwendung: Heilpflanzen Übersicht. Winterkuren, heilklimat. Kuren in der kalten Jahres­ zeit, die in der Klimatherapie bestimmter Erkrankungen, aber auch als Vorbeugungs- und Abhärtungskuren ver­ ordnet werden. Hierzu gehören in winterl. Landschaft durchgeführte Freiluftexpositionen, als Liegekuren mit Umhüllung in Decken oder als aktive Bewegungstherapie in Form von Spaziergängen, Wanderungen und Winter­ sport, der dem Kräftezustand des Patienten angepaßt sein soll (-► Terrainkur). Beiden W. hat sich in den letzten Jah­ ren der individuell dosierte Skilanglauf unter ärztl. Kon­ trolle sehr bewährt. Winterschlaf, künstlicher W., -»Hypothermie.

Wirbelsäule: A Vorder-, B Seiten- und C Rückansicht

Sammelbezeichnung für Brüche eines oder mehrerer Wirbelkörper, Wirbelbögen oder Wirbel­ fortsätze. Als schlimmste Form droht bei W. durch Quet­ schung des Rückenmarks eine -»Querschnittslähmung. Ein W. kann bei Gewalteinwirkung (Sturz, Prellung) durch Überstreckung, Überbeugung, Drehung oder Stau­ chung entstehen, selten durch direkte Verletzung von au­ ßen (z. B. Schuß). Häufig sind Deckplatteneinbrüche der Wirbelkörper, Kompressionsbrüche, Abrißbrüche der Fortsätze oder Kantenabbrüche. Der W. ist dann meist so stabil, daß der Patient sich relativ schnell wieder bewegen kann. Bestehen jedoch Trümmerbrüche oder ist die Wir­ belsäule verrenkt mit Verletzung der Wirbelsäulenge­ lenke und -bänder, liegen oft instabile Verhältnisse vor. Ein solcher W. muß durch wochenlange, sorgfältige Lage­ rung (u. U. im Drehbett) behandelt werden, um eine Schä­ digung des Rückenmarks zu verhindern. Oft ist nach W. eine operative Stabilisierung erforderlich, bes. dann, wenn sich zunehmende Nervenstörungen an Armen, Bei­ nen oder Bauchorganen (Mastdarm, Blase) einstellen. Gelegentlich tritt nur ein geringer Verlust des Hautgefühls oder eine leichte Kraftminderung als Ausdruck und Warnzeichen einer Schädigung des Rückenmarks auf. Am häufigsten (50%) sind W. im Bereich der unteren Brustwirbelsäule und der Lendenwirbelsäule. Schon bei Verdacht muß bereits am Unfallort eine bes. sorgfältige Bergung und Lagerung des Verletzten erfolgen. Vor Maß­ nahmen der Ersten Hilfe ist immer zu fragen, ob Arme Wirbelbruch,

und Beine normal bewegt werden können; auf Empfin­ dungsstörungen (Sensibilität) sowie Mastdarm- und Bla­ senstörungen ist zu achten. Bei Bewußtlosen ist die Lage­ rung kritisch zu überprüfen und die Wirbelsäule abzuta­ sten; Transport auf -► Vakuummatratze, Schaufeltrage und mit Halskrawatte, am schonendsten, bes. bei weitem Anfahrweg zur Klinik, mit dem Rettungshubschrauber. Weitere Behandlung: Gips- oder Stützkorsett; durch Ope­ ration Aufrichtung, Fixierung und Verblockung der Wirbel. Wirbelsäule, Rückgrat, die feste und doch bieg­ same Mittelachse des Körpers, gegliedert in 24 Wirbel: 5 Lenden-, 12 Brust-und 7 Halswirbel. Jeder Wirbel (Ver­ tebra) besteht aus dem vorn gelegenen Wirbelkörper, von dem 2 Wirbelbögen ausgehen. Diese bilden, sich hinten vereinigend, den Dornfortsatz und umschließen das Wir­ belloch. Alle Wirbellöcher bilden zusammen den Wirbel­ kanal, der das Rückenmark enthält. Seitlich an den Wir­ belbögen sitzen die Querfortsätze. Außerdem gehören zu jedem Wirbel 2 obere und 2 untere Gelenkfortsätze. Alle Wirbelkörper zusammen bilden die Wirbelkörperreihe, alle kleinen Gelenke die weiter hinten gelegene Gelenk­ reihe. Die Dornfortsätze zeigen verschiedene Form: Sie sind, ebenso wie die Wirbelkörper, im Lendenbereich massiger und stehen gerade nach hinten; im Bereich der Brust-W. zeigen sie schräg nach abwärts; sie liegen dach­ ziegelförmig übereinander und verhindern mechanisch eine Überstreckung der W.; im Bereich der Hals-W. sind sie viel kleiner und am Ende schwalbenschwanzförmig gegabelt. Die Basis der W. ist das fest in den Beckenring einge­ fügte Kreuzbein, das durch die feste, knöcherne Verwach­ sung mehrerer Wirbel entstanden ist und an das sich das C Steißbein anschließt. Zusammengehalten werden die Wirbel zunächst durch die Zwischenwirbeischeiben (Bandscheiben). Diese bestehen aus einem äußeren, festen Faserring und einem weichen Zentrum (Gallertkern oder Nucleus pulposus), das sich bei Biegung der W. nach dei entgegengesetzten Seite verschiebt. Die Zwischenwirbel scheibe wird hierdurch keilförmig deformiert und eine Form veränderung der W. dadurch überhaupt erst ermög­ licht. Ein Riß des Faserrings führt zu Vorwölbung oder Austritt des Gallertkerns. Der dadurch hervorgerufene Druck auf die aus dem Rückenmark austretenden Ner­ venwurzeln kann hochgradige Schmerzen verursachen, so daß operatives Entfernen erforderlich werden kann (-» Bandscheibenvorfall). Weiteren Zusammenhalt schaffen die großen und klei­ nen Bänder der W. Große, lange Bänder sind das Längsband, das alle Wirbelkörper vorn (auf der Bauchseite) überzieht, und das hintere Längsband, das an der hinteren (Rücken-)Seite der Wirbelkörper verläuft. Ein weiteres Längsband überspannt als Dornspitzenband sämtl. Dornfortsätze. Die kleinen Bänder verbinden die Quer­ fortsätze, Wirbelbögen und Dornfortsätze untereinan­ der. Zu ihnen sind auch die Gelenkkapseln zu rechnen. Die natürl. Krümmungen der W. bestehen in einer Wöl­ bung nach vorn im Lendenteil, äußerlich sichtbar durch eine Einsattelung des Rückens (Lordose) an dieser Stelle, einer Wölbung nach hinten (Kyphose) im Brustteil und wiederum einer leichten Wölbung nach vorn im Halsteil. Diese Krümmungen bewirken zusammen mit den Zwi­ schenwirbelscheiben ein Abfedern aller Stöße, die meist von unten, von den Beinen her, auf den Rumpf einwirken. (-* Haltung) Erkrankungen. Sie können infolge eines HaltungsWirbelsäule: A-D Ansichten auf den 6. Brustwirbel: A Seiten­ ansicht von links, B Ansicht von oben; C Ansicht von vorn; D An­ sicht von hinten. / Wirbelkörper, la obere Gelenkfläche für das Rippenköpfchen, 1b untere Gelenkfläche für das Rippenköpf­ chen. 2 Wirbelbogen, 3 Dornfortsatz, 4 Querfortsatz, 4a Gelenk­ fläche für Verbindung mit dem Rippenhöcker, 5 oberer Gelenk­ fortsatz mit Gelenkfläche, 6 unterer Gelenkfortsatz, 7Wirbelloch. E Brustwirbel 11 und 12 (medianer Längsschnitt) mit Lendenwir­ bel I; a Wirbelkörper, b Zwischenwirbelscheibe (Bandscheibe), c Zwischenwirbelloch, d Dornfortsatz. F Die beiden oberen Hals­ wirbel (Atlas heller getönt als Axis): e Wirbelbogen, f Querfort­ satz, g Gclenkflächen des Atlas für das Hinterhauptsbein, h Zahn des Axis (um den sich der Atlas dreht), i Halteband des Atlas für den Zahn des Axis

805

^3

Wirbelsäule

Wirb fehlers allein als Funktionsstörung, also ausgleichbar, auftreten oder aber Folge organ. Veränderungen sein, wobei dann immer, entsprechend der Funktion der W. als Stützorgan des Gesamtkörpers, funktionelle Störungen einzubeziehen sind. Es gibt nur wenige Menschen, die eine gesunde W. im idealen Sinn haben; bes. in zivilisierten Ländern ist eine schon in der Jugend zu beobachtende Haltungsschwäche die Regel. Zu den funktionellen Abweichungen der Wir­ belsäulenhaltung vom Normalen führen in jedem Lebens­ alter Gefügestörungen infolge kleiner Verrenkungen (Subluxationen) der Zwischenwirbelgelenke; die dadurch bedingten Beschwerden sind bisweilen erheblich und wer­ den oft mit Bandscheibenschäden verwechselt. Relativ selten liegen Unfallursachen vor, man findet die Gefüge­ störungen eher bei ständiger Fehlhaltung in sitzender Tä­ tigkeit und als Folge mangelhafter allgemeiner Körperbe­ wegung. Im Bereich der unteren W. führen sie zu -» Kreuz­ schmerzen. Bes. die unteren Abschnitte der W., die das Gesamtge­ wicht des Oberkörpers zu tragen haben, sind von Natur aus verstärkter Abnutzung ausgesetzt, wobei organ. Ver­ änderungen an den Wirbelkörpern (-»Osteochondrose) und an den kleinen Zwischenwirbelgelenken (Arthrosis deformans) eine wesentl. Rolle im Hinblick auf die man­ nigfaltigen Beschwerden spielen. Wirbelsäule:

Erkrankungen der W.; 1 Scheuermannsche Krankheit, 2 Fischwirbelform nach Entkalkung, 3 degenerative Knorpelverkalkung (Osteochondrose), 4 knöcherne Spangenbildung (Spondylose), 5 verknöchertes kleines Wirbelgelenk, 6 Spaltbildung im Wirbelbogen (Spondy­ lolyse), 7 Wirbelgleiten (Spondylolisthesis)

Im Lauf der Alterungsvorgänge können durch die nor­ malen Kalksalzverluste und durch krankhafte Steigerung des Knochenabbaus auch wesentl. Verformungen der Wirbelkörper (Keilwirbel und Fischwirbel) mit entspre­ chender Einbeziehung der Zwischenwirbelscheiben ein­ treten . Dadurch kommt es, daß manche Menschen im Al­ ter an Körpergröße verlieren (bis zu 10 cm). Eine beson­ dere Rolle spielen Veränderungen der W. in der Zeit des Knochenwachstums bei Jugendlichen (-»Scheuermann­ sche Krankheit). Sehr häufig sind Erkrankungen der Hals-W. (-► Hals­ wirbelsyndrom). Die relativ häufigen Knochenmißbildungen, bes. der unteren W., -► Spondylolisthesis, Spina bifida (-* Wirbel­ spalte), verursachen häufig erst im Alter, möglicherweise als Belastungsfolge, Beschwerden. Eine seltene, mit Ab­ flachung eines Wirbelkörpers (asept. Nekrose) einherge­ hende Erkrankung ist das Calve-Syndrom; meist kommt es hierbei zur Ausbildung einer Kyphose. Eine Verwechs­ lung mit Tuberkulose ist möglich. Der Befall der W. mit gutartigen oder bösartigen, pri­ mären Tumoren ist selten, häufiger finden sich jedoch Tochtergeschwülste (Metastasen) in der Massenknochen­ substanz der Wirbelkörper, z. B. bei Brustkrebs, Prosta­ takrebs und Hypernephrom. Die zahlreiche und verschiedenartige Gelenke enthal­ tende W. ist, wie alle Gelenke des Körpers, auch in die entzündl. Erkrankungen einbezogen. Zu den Wirbelsäulen­ entzündungen gehört neben den -» Kollagenosen und den Erkrankungen des rheumat. Formenkreises (-»Bechte­ rewsche Krankheit, -»Reitersche Erkrankung) bes. die Wirbelsäulentuberkulose (Spondylitis tuberculosa), bei der es auch zu -*• Senkungsabszessen kommen kann. Nach Anwendung der Tuberkulostatika ist diese Form der -►Knochentuberkulose selten geworden. Die Behandlung richtet sich nach Sitz und Ursache der Erkrankungen. Immer sollte eine Überprüfung der möglichen organischen Veränderungen (Röntgenunter­ suchung) und der funktionellen Störungen vorangehen. Wirbelsäulenverkrümmung, die -»Rückgratver­ krümmung. Wirbelspalte, Rückgratspalte, Rachis|chisis, Spina bifida, angeborene Spaltbildung der Wirbelsäule

(fehlender Schluß der Wirbelbögen um den Spinalkanal), verbunden mit Fehlbildungen des Rückenmarks oder sei­ 806

ner Häute. Man unterscheidet die entwickelte, zystische W. und die unentwickelte, verborgene W. 1) Bei der zystischen W. hat keine Vereinigung der Wir­ belbögen im Längsfortsatz stattgefunden; sie klaffen weit auseinander, der Inhalt des Wirbelkanals tritt in Gestalt einer Zyste hervor. Ausnahmsweise kann die Spaltbil­ dung die Wirbelkörper betreffen, die Zyste entwickelt sich dann nach vorn. Inhalt dieser Zysten sind teils die harte Rückenmarkhaut, teils Nervenfasern und das Rükkenmark selbst. Es handelt sich hierbei um eine Hem­ mungsmißbildung, die häufig mit solchen anderer Kör­ perteile, v. a. der Gliedmaßen, verbunden ist. W. sitzen meist in der Kreuzbeingegend, kommen aber auch am Übergang der Hals- zur Brustwirbelsäule vor. Die Folgen derzystischen W. sind vielfältig und bedürfen der Behand­ lung im Krankenhaus, am besten in einer neurochirurg. Abteilung. 2) Auch bei verborgener W. ist die Vereinigung der Wir­ belbögen ausgeblieben, es kam jedoch nicht zur Zysten­ bildung. Das Kreuzbein und die untere Lendenwirbel­ säule sind bevorzugt. Diese Form der W. ist manchmal ge­ kennzeichnet durch eine abnorme Behaarung in der Kreuzbeingegend oder auch eine abnorme Anordnung der feinen Haut-Blutgefäße (Kapillaren), die zu zarter Fleckenbildung führt. Sie ist harmloser und bedarf zu­ nächst keiner Behandlung. In seltenen Fällen sind auch bei der verborgenen W. Lähmungen oder Kontrakturen der unteren Gliedmaßen vorhanden. In diesen Fällen ist der Rat eines Neurochirurgen und/oder Orthopäden ein­ zuholen. (-► Alpha-Fetoprotein) Wirklichkeit, i. w. S. die Gesamtheit der Vorstellungs-, Denk-, Gefühls- und Wahrnehmungsinhalte, die das Erleben und Verhalten des Menschen bestimmen; in erster Linie die konkreten dinglichen oder belebten Gege­ benheiten, die als Ausgangspunkte und Empfänger von Wirkungen auch durch andere Personen anerkannt wer­ den, jedoch auch abstrakte Inhalte (z. B. soziale Nor­ men), sofern sie das Verhalten beeinflussen. Einschrän­ kungen, Verfremdungen oder Verfälschungen des W.-Erlebens können durch Sinnestäuschungen, z. B. nach Dro­ geneinwirkung, auch durch neurot. oder psychot. Beein­ trächtigung der Persönlichkeit bei Realitätsleugnung, Realitätsverlust oder Wahnerlebnissen entstehen. Aus psychosomat. Sicht umfaßt die individuelle W. des Menschen die Gesamtheit der innerseel. Abläufe auf be­ wußtem, vorbewußtem und unbewußtem Niveau. Zu die­ ser innerseel. W. rechnen die Triebbedürfnisse, die Gewis­ sensinstanz des >Über-Ich< sowie die zentralregulierende Persönlichkeitsinstanz des >IchRadfahrenfeuchten KammerScharlatan< oder »Kurpfuschen verwendet, der aus Gewinnsucht ohne Sachkenntnis und mit unzweckmäßigen Mitteln Kranke behandelt. Vorbild und Vorläufer ist der legendäre Doktor Eisenbarth (* 1663,1 1727), der als erfolgreichster >Heilkünstler< sei­ ner Zeit galt, durch sein marktschreierisches Auftreten aber zum Typus des Quacksalbers wurde. Wundergeschwulst, volkstüml. Bezeichnung für das -»Teratom. 809

Wund Wunderheilung, überraschende Besserung eines Leidens nach besonderen Maßnahmen, im profanen Be­ reich z. B. Handauflegen und Tragen von Amuletten, im religiösen Umfeld Gebete, Anrufung von Heiligen, Be­ sprengen mit Weihwasser oder Baden in >heiligen Quel­ lern. Die Zahl der religiös motivierten, z. T. (wie in Lour­ des) offiziell von kirchl. Einrichtungen geprüften W. nimmt offenbar mit dem Rückgang der Religiosität ab, während -► Aberglaube und -*■ Magie eher zunehmen. W. sind größtenteils durch natürl. Vorgänge erklärbar und waren immer umstritten. Wundklammern, elast., die Wundränder vereini­ gende Klammern verschiedener Konstruktion aus nicht­ rostendem Metall.

-»Dekubitus. Wundrose, Erysipel, durch Streptokokken hervor­ gerufene Entzündung in den Lymphspalten der Haut (Bild Infektionskrankheiten). Die Erreger dringen von frischen oder älteren Hautverletzungen manchmal ge­ ringfügiger Art (frische Wunden, feine Einrisse, Schrun­ den, Ekzem, Unterschenkelgeschwür u. ä.) in die Lymph­ spalten ein; seltener entwickelt sich die W. von einem tiefer gelegenen Entzündungsherd her (Furunkel, Abszeß, Knochen- oder Gelenkentzündung). Die Inkubationszeit beträgt 1—8 Tage. Unter Schüttelfrost und hohem Fieber bilden sich schmerzhafte, scharf begrenzte, geschwol­ lene, lackartig glänzende, intensive Hautrötungen. Die Herde zeigen bogenförmige oder flammenartig gezackte Ausläufer, die sich in unregelmäßigen Schüben weiter ausdehen. Bevorzugt befallen werden das Gesicht (Ge­ sichtsrose) und die behaarte Kopfhaut (Kopfrose), ferner die Gliedmaßen. An der behaarten Kopfhaut und an Schleimhäuten ist die W. oft nur schwer zu erkennen. An den erkrankten Hautstellen können sich die entzündl. Er­ scheinungen zu blasigen Formen (Blasenrose) oder zu brandig zerfallenen Formen (gangränöses Erysipel) wei­ terentwickeln. Die W. dauert meist 6—10 Tage; als Wan­ derrose kann sie mehrere Wochen dauern. Die W. ist be­ schränkt ansteckend, eine bestimmte individuelle Emp­ fänglichkeit scheint zu bestehen. — Zur Vorbeugung ist die sachgemäße Versorgung auch kleinster Hautwunden dringend anzuraten. Von der W. ist abzugrenzen der vom Tier (bes. Schwein) übertragbare -»Rotlauf. Die ärztl. Behandlung sollte sofort und intensiv ein­ setzen, damit keine chronisch-rezidivierende W., d. h. im­ mer wiederkehrende Rückfälle, auftreten. Bewährt ha­ ben sich hier die Penicilline oder andere Antibiotika. Die örtl. Behandlung mit desinfizierenden Pinselungen oder Antibiotika kann unterstützend wirken. Besonderes Au­ genmerk ist auf die Beseitigung von Eintrittspforten (kleine Schrunden, Hautpilzerkrankungen u. ä.) zu legen. Ggf. ist unter Berücksichtigung des oft lange andauern­ den hohen Fiebers für rechtzeitige Stützung von Herz und Kreislauf zu sorgen. Wundscharlach, Form des Scharlachs, dessen Ein­ gangspforte eine Wunde ist, von der sich die durch hämolysierende Streptokokken ausgelöste Infektion ausbrei­ tet. Ein solcher sekundärer >Wundausschlagversteckte< Fette. Man unterscheidet schnittfeste und streichfähige Roh-W. Es gibt u. a. Zervelat-, Plock-W., Salami, Schlack-, Schinken-, Mett-W. und Landjäger. Brüh-W. sind durch Brühen, Backen u. a. hitzebehan­ delte W.-Waren, bei denen zerkleinertes rohes Fleisch mit Kochsalz oder Nitritpökelsalz und Kuttersalzen unter Zu­ satz von Trinkwasser oder Eis aufgeschlossen wird. Durch Hitzebehandlung koaguliert das Muskeleiweiß zu­ sammenhängend, wodurch die Brüh-W. auch bei erneuter Erwärmung schnittfest bleiben. Brüh-W. wird aus fri­ schem Rind-, Kalb- oder Schweinefleisch hergestellt. Hierzu gehören die Brühwürstchen (Wiener, Frankfur­ ter, Halberstädter u. a.), die Regensburger und Lyoner W., die Mortadella sowie die Münchner Weiß-W. 811

Wurs Koch-W. sind hitzebehandelte W.-Waren, die überwie­ gend aus gekochtem Ausgangsmaterial hergestellt wer­ den; dazu gehören Leber-W., die bei Vorzugssorten Leber vom Schwein oder Rind sowie Kalb- und/oder Schweine­ fleisch, bei einfachen auch Innereien enthält, und Blut-W. (Rot-W.) aus Schweinefleisch und Speck, die Zungen-W. (mit Zungenstücken) und die Fleischrot-W. (mit Fleisch­ stücken). Grütz-W. enthält zusätzl. Gersten-oder Hafer­ grütze. Sülz-W. besteht aus Schweinefleisch und Speck mit gelierender Abkochung von Schwarten, Schweineund Kalbsköpfen und -füßen. Weitere Arten: Schwarten­ magen, Preßkopf u. ä. Brat-W. besteh» aus Schweinefleisch, auch mit Kalb­ fleischanteilen. Brat-W. können - je nach Herstellung — Roh-W., Brüh-W., Koch-W. oder Erzeugnisse nach der Hackfleischverordnung darstellen. Der Zusatz von Konservierungsmitteln und Farbstof­ fen ist verboten (Ausnahme bei der süddt. Gelb-W. in ge­ färbten Hüllen). Wurstvergiftung, der -»Botulismus. (-»Fleischver­ giftung) Wurzelbehandlung, die-» Zahnwurzelbehandlung. Wurzelhaut, Periodontium, gefäß- und faserrei­ ches Bindegewebe zwischen Zahnwurzel- und AlveolarKnochen. (-»Zahn)

Wurzelhautentzündung,

die -»Zahnwurzelhaut­

entzündung. Würzkräuter,

die-»Gewürze.

mit Krämpfen ver­ bundene, abnorme Affektsteigerung. W. kommen v. a. bei seelisch unausgeglichenen Kindern meist im Vorschul­ alter, gehäuft in der Trotzphase (3—5 Jahre) vor. Sie ent­ stehen u. a. durch Erziehungsfehler bei zuviel Versagun­ gen oder auch bei zuwenig Gewöhnung an altersgemäße Anstrengung. Das Kind schreit und strampelt; es kann ein Stimmritzenkrampf ausgelöst werden, durch den es zu bläulichem Aussehen kommt, das Kind fällt um und wird u. U. bewußtlos (-»Wegbleiben der Kinder). Die Behandlung ist ein Teil erzieher. Maßnahmen. Das Kind soll einerseits kindgemäß Uraktivitäten wie Bewe­ gung, Lärm, Schmutz, Streit ungestört ausleben können, andererseits ist es langsam an altersgemäße Abhärtung zu gewöhnen. Die Anfälle selbst sollen möglichst >übersehen< werden, wenn feststeht, daß keine Krankheit oder sonstige Gefährdung vorliegt. Es wäre falsch, das Kind heftig zu bedauern oder zu pflegen, weil so die W. erst recht verstärkt werden. Das Aufsuchen eines Kinder­ arztes oder einer Erziehungsberatungsstelle bei Wieder­ holungsfällen ist anzuraten. Wutkrämpfe, Affektkrämpfe,

X

Xanthelasma

Xanthelasma das, flächenhafte, oft beidseitig auftre­ tende, gelbl. Einlagerung in die Lidhaut meist älterer Menschen; häufig äußeres Zeichen einer Fettstoffwech­ selstörung, das sich auch bei der Zuckerkrankheit findet. Die operative Entfernung ist unkompliziert, jedoch kommt es häufig zu Rückfällen. Das X. ist keine Gewebs­ neubildung. Xanthom das, gutartige Neubildung der Haut von gelbl. Farbe, deren Wachstum oft über die Hautebene hinaus gerichtet ist. Am Gesicht, bes. an den Augenlidern, sind die Geschwülste meist beetartig langgestreckt, prall, elastisch, mit der Haut verschiebbar. Halbkugelig hervor­ ragende X. von Hirsekorn- bis Pflaumengröße können in jedem Lebensalter vorkommen und treten auch am gan­ zen Körper verstreut auf. Die Ursache ist eine Lipoidspei­ cherkrankheit; in den X.-Knoten werden Lipoide wie Schlacken im Gewebe abgelagert. Behandlung: fettarme Ernährung. Einzelne große X. können chirurgisch entfernt werden. Xantodontie, Gelbbraunfärbung der Zähne durch äußere Einflüsse, Stoffwechsel- oder Mineralisationsstö­ rungen. X-Beine, Verbiegung der Beine im Sinn einer X-Stellung. Ein Winkel bis 7° ist physiologisch. Im Kindesalter können stärkere X-B. vorliegen, die sich meist durch Gymnastik oder Anlegen von Nachtschienen zurückbil­ den lassen. Nur selten müssen die Wachstumsfugen ein­ seitig operativ geklammert werden. X-B. im Erwachsenenalter führen allmählich zur Arthrosis deformans der Kniegelenke. Bei starken Be­ schwerden und zunehmender Gehbehinderung ist eine knöcherne Umstellungsoperation erforderlich. Im hohen

812

Alter kann allmähl. Zunahme der X-Bein-Fehlstellung er­ folgen, die sehr schmerzhaft sein kann. Dann ist das Ein­ setzen eines künstl. Kniegelenks zu erwägen. X-Chromosom, Geschlechtschromosom (-»Chro­ mosomen), das im weibl. Geschlecht zweimal, im männl, einmal vorliegt; hierbei fehlt entweder das Partnerchro­ mosom, oder es ist anders gestaltet und wird -»Y-Chro­ mosom genannt. Bei Organismen mit haplogenotyp. Ge­ schlechtsbestimmung ist das X-C. das Geschlechtschro­ mosom des weibl. Geschlechts.

Xeroderma pigmentosum, Lichtschrumpf­ haut, selten vorkommende, schwere, erbl. Hautkrank­

heit, die schon in früher Kindheit mit starker Hautrötung an unbedeckten Körperstellen, bes. im Gesicht, nach Son­ nenbestrahlung beginnt. Innerhalb dieser Rötung finden X-Beine: links vor der Operation, rechts nach der Operation

Ysop sich sommersprossenähnl. braune Flecken, danach flekkenförmige Narben mit Gefäßerweiterungen, Haut­ schrumpfungen, Verstümmelungen an Mund, Nase und Augenlidern. Es entwickeln sich, z. T. schon im jugendi. Alter, warzige Herde und bösartige Geschwülste wie Sta­ chelzellkrebse und Melanome. Beim X. p. ist die Beseitigung von durch Ul­ traviolettstrahlung bedingten Schäden gestört. Die Zel­ len sterben ab, und durch das ultraviolette Licht kommt es zu Mutationen, die wiederum die Zeichen der vor­ zeitigen Hautalterung und der Tumorbildung hervor­ rufen. Behandlung: Vermeidung jeder Belichtung, sorg­ samste Anwendung von Lichtschutzmitteln; sofortige ärztl. Behandlung entstandener Hautgeschwülste. Fri­ sche Blasen werden abgetragen, der Blasengrund wird mit

antiseptischen und antibiotischen Lösungen und Cremes behandelt. Xerophthalmie, Trockenheit des äußeren Auges. (-» Sjögren-Syndrom) Xerosis der Bindehaut, Austrocknung der Binde­ haut, u. a. als Folge von Vitamin-A-Mangel. Sie kann bei Kindern und Säuglingen nach Darmerkrankungen, bei Erwachsenen epidemisch in Gefangenenlagern und bei starken Aushungerungserscheinungen auftreten. Ihre schwerste Form besteht in einer Erweichung der Horn­ haut (Keratomalazie), oft mit eitriger Einschmelzung und Verlust des Sehvermögens. — Bei rascher Einleitung der erforderl. Behandlung kann sich der Gesamtzustand schnell bessern. Xerostomie, die -► Mundtrockenheit.

Y Ya-Ya, aus Asien stammendes, naturheilkundl. Ver­ fahren, bei dem durch Klammern (Quetscheffekt) genau definierter Hautpartien versucht wird, auf die Organe, den Kreislauf und die Psyche einzuwirken. Das Verfahren wird empfohlen zur Bekämpfung von Schmerzzustän­ den, zur Aktivierung körperl. und funktioneller Gegen­ reaktionen bei bestimmten Erkrankungen. Wirkung wohl wie bei der unspezif. Reizkörpertherapie. Y-Chromosom, Partnerchromosom des -»X-Chro­ mosoms im männl. Geschlecht. Abweichend vom X-Chromosom ist das Y-C. bei vielen Lebewesen (ein­ schließlich Mensch) weitgehend frei von lebensnotwendi­ gen Genen. Beim Säuger sorgt es für die Einleitung der Differenzierung des männl. Geschlechts. Wenn es fehlt, entsteht ein weibl. Phänotyp.

Yersinia-Arthritis, nach einer Infektion mit Yersinia-Bakterien (-»Yersiniosen) auftretende Arthritis. Die Erkrankung kann die vorhergehende Darminfektion um Monate überdauern und ist z. T. schwer von der chron. Polyarthritis zu unterscheiden; die -»Rheumafaktoren sind jedoch immer negativ. Behandlung der Grundkrankheit mit Antibiotika, der Gelenkerscheinungen wie bei der chron. Polyarthritis.

Yersiniosen, frühere Bezeichnung Pasteurellosen [-toe:r-], Erkrankungen durch Bakterien der Gattung

Yersinia mit den 3 medizinisch wichtigen Arten Yersinia pestis, Yersinia pseudotuberculosis und Yersinia entero­ colitica. I. e. S. werden unter dem Begriff Y. heute die bei­ den letztgenannten Erreger wegen ihrer klin. und epidemiolog. Gemeinsamheiten zusammengefaßt, während man die erstgenannte Art, den Erreger der -»Pest, aus­ klammert. Yersinia pseudotuberculosis und Yersinia enterocoli­ tica sind im Tierreich weltweit verbreitet. Mit den Aus­ scheidungen der Tiere, die selbst nicht krank sein müssen, können die Keime in Nahrungsmittel gelangen und auf diesem Weg den Menschen infizieren. Im Vordergrund

des Krankheitsbilds stehen Durchfälle mit entzündl. Darmveränderungen. Eine Beteiligung der Lymphknoten im Gekröse führt oft zu umschriebenen Leibschmerzen wie bei einer Blinddarmentzündung (daher Pseudoappen­ dizitis). Gelenkbeschwerden und Hauterscheinungen sind häufige Begleitsymptome. Seltener kommt es zu typhusähnl. Bildern. I. d. R. verlaufen die Y. gutartig. Die Diagnose wird durch den Nachweis der Erreger oder der Antikörper gesichert. Zur Behandlung werden Antibio­ tika eingesetzt. Yoga, ind. Erlösungslehre, die durch geistige und kör­ perl. Methoden der Konzentration höhere Bewußtseins­ zustände zu vermitteln sucht. In der klass. Ausformung werden verschiedene Ele­ mente gelehrt: Erwerb bestimmter eth. Grundhaltungen (Yama) und Disziplinen (Niyama) wie Reinlichkeit, As­ kese, Gottesverehrung, Einnehmen bestimmter Körper­ haltungen, Regelung des Atmens, Konzentration, Medi­ tation, Versenkung. Der spätere Hatha-Y. will hingegen durch gewaltsame Anstrengungen< Wunderkräfte wie Unempfindlichkeit und hypnot. Gaben erreichen. In Europa werden fast ausschließlich die Übungen des Hatha-Y. und der Meditation praktiziert. Parallelen zum -►autogenen Training sind gegeben. Yohimbe|rinde, die getrocknete Stammrinde von Pausinystalia yohimba, einem zu den Rötegewächsen (Rubiaceae) gehörenden, bis 20 m hohen Baum, heimisch in Westafrika; sie enthält bis zu 5,9% verschiedene Alka­ loide, hauptsächlich Yohimbin, mit gefäßerweiternder, blutdrucksenkender und angeblich aphrodisierender Aphrodisiaka) Wirkung. Anwendung: Heilpflanzen, BERSICHT. Ysop, Hyssopus officinalis,

zu den Lippenblütern (Labiatae) gehörender Halbstrauch in warmen Klima­ zonen. Die zur Blütezeit gesammelten, würzig-kampfer­ artig riechenden, getrockneten oberird. Teile (Gewürz­ kraut) enthalten bis zu 1% äther. Öl. Anwendung: Heil­ pflanzen, ÜBERSICHT. 813

Ysop

z Zagari-Krankheit,

extreme Form der -»Mundtrok-

kenheit. Zahn, Knochengebilde in der Mundhöhle des Men­ schen und der Wirbeltiere, das zum Festhalten und Zer­ kleinern der Nahrung dient; die Z. bilden als funktionelle Einheit das-»Gebiß. Der menschl. Z. ist aus 3 verschiede­ nen Hartgeweben gebildet: A

B 3. Monat

Zahnglocke

8. Woche Zahnknospe _ Ektoderm der Mundhöhle

■ Mesoderm

e des Ersatzzahnes Zahnglocke

äußeres lSchmelzepithel inneres J

Schmelzbildner

C 6.-8. Monat

Ausbildung der Hartsubstonzen Schmelz

(Dentin) Odontoblasten

D Ausschnitt aus C

Zahn: A, B, C und D Zahnentwicklung (schematisch) von der 8. Embryonal-Wochc bis zur Ausbildung der Hartsubstanzen (Schmelz braun; Dentin rotviolett). D stark ver­ größerter Ausschnitt aus C

814

Der Zahnschmelz (Enamelum), die härteste Substanz des menschl. Organismus, bedeckt die in die Mundhöhle ragende Z.-Krone in verschieden starker Schicht; er be­ steht aus einzelnen Schmelzprismen (etwa 4 pm dick), die vom Z.-Bein in gewundener Form zur Oberfläche ziehen und durch eine ebenfalls mineralisierte interprismat. Sub­ stanz miteinander verbunden sind. Die Schmelzoberflä­ che ist von dem Schmelzoberhäutchen (Cuticula dentis), einem dünnen Eiweißniederschlag aus dem Speichel, überzogen. — Der Schmelz besteht aus festen anorgan. Salzen und hat in ausgereiftem Zustand keinen echten Stoffwechsel, da Gefäße und Nerven fehlen. Trotz des dichten Gefüges können von außen her Stoffe in den Schmelz in beschränktem Umfang eindringen. Der Schmelz enthält nur 2—4% lebende Substanz. Das Zahnbein (Dentin) macht die Hauptmasse des Z. aus und stellt den eigtl. Kern dar, der den Hohlraum, in dem das Z.-Mark (Pulpa) liegt, umschließt. Seine Härte ist nicht so groß wie die des Schmelzes. Es enthält etwa 28% lebende Substanz. Das Dentin ist von einem parallel zur Oberfläche und radiär verlaufenden Fibrillennetz durchzogen und gewinnt dadurch Ähnlichkeit mit dem Knochen. Dentinkanälchen ziehen von der Pulpa her mit zahlreichen Verästelungen bis zur Zahnbein-Schmelz­ grenze; sie enthalten die Fortsätze der Zahnbeinbildner (Odontoblasten) und einzelne Nervenfasern. Dadurch wird es erklärlich, daß das Dentin bei lebendem Z.-Mark auf Berührung, Wärme- und chemische Reize reagiert und empfindlich ist. Wenn Dentin freiliegt, z. B. am Z.Hals, sind also Schmerzempfindungen möglich. Der Durchmesser der Dentinkanälchen beträgt 2—4 pm; auf einen Quadratmillimeter Dentin kommen 20000—60000 Dentinkanälchen. Während die Schmelzentwicklung nach dem Durch­ bruch des Z. in der Hauptsache abgeschlossen ist, geht die Dentinbildung, wenn auch stark vermindert, weiter. Der Aufbau dieses sekundären Dentins ist viel unregelmäßiger als der des primären Dentins; es wird deswegen auch irre­ guläres Dentin genannt. Das Zahnzement ist am einzelnen Z. von allen 3 Hart­ substanzen mengenmäßig am schwächsten vertreten und hat die größte Ähnlichkeit mit dem Knochen. Es überzieht zunächst in dünner Schicht den ganzen Dentinkern der Wurzel. Von diesem Wurzelzement gehen die wichtigen Wurzelhautfasern aus, die die entscheidende, gelenkähnl. Verbindung des Z. mit dem Knochen darstellen. I. d. R. wird während des Gebrauchs das Z.-Zement neu gebildet und schichtweise auf dem Wurzelzement angelagert. Die Wurzelhaut (Periodontium, Desmodont) ist die Verbindung des Z. mit dem umgebenden Knochen und stellt den eigtl. Z.-Halteapparat dar. Zwischen den einzel­ nen kräftigen Faserbündeln, die als elast. Kissen bei den mechan. Beanspruchungen des Z. wirken und so schädi­ gende und schmerzhafte Druckwirkungen verhindern können, verlaufen zahlreiche Blut- und Lymphgefäße so­ wie feine Nerven. Innerhalb der Wurzelhaut, in der Nähe des Zements, finden sich oft Ansammlungen von Epithel­ zellen, Überreste aus der Zeit der Z.-Entwicklung, die sich bei chron. Wurzelhautentzündungen vermehren und bei der E.rtwicklung von Wurzelzysten eine Rolle spielen.

Zahn

Dentinkanälchen Zahnpulpa äußeres Saum­ Zahnbein (Denti Odontoblasten Zahnfleischtasche

(Gingiva)

Zahnhalte­ apparat (Parodontium) kollagene Faserrf

Zement

Zahn (schematisch): Der sonst nur im Schliff darstellbare Schmelz (braun) besitzt eine dem Verlauf der Schmelzprismen entspre­ chende Streifung. Dentin: blauviolett weniger verkalkt (Praedentin), rot stärker verkalkt. Die Dentinkanälchen enthalten Fortsätze der Hartsubstanzen der in der Zahnpulpa liegenden Odontobla­ sten (Zahnbeinbildner). Die Zahnpulpa enthält außerdem Binde­ gewebe und die an der Wurzelspitze eintretenden Blutgefäße (rot) und Nerven (gelb). Die Zahnwurzel wird außen von dem knochenähnl. Zement bedeckt. Der Zahn ist durch den aus verschiedenen Elementen bestehenden Zahnhalteapparat (Parodontium) mittels kollagener Sehnenfasern in der Alveole federnd aufgehängt

Durch die gut durchblutete und mit Nerven versorgte Wurzelhaut wird das Wurzelzement ernährt. Das Zahnmark (Zahnpulpa), fälschlich auch als Zahn­ nerv bezeichnet, liegt im Innern des Dentinkerns. Dieses gallertartige, kleine Organ ist stark mit Gefäßen und Ner­ ven versorgt, die durch kleine Öffnungen an der Wurzel­ spitze eintreten. Am Rand der Pulpa, nahe am Dentin, lie­ gen in dichter Schicht walzen- oder birnenförmige Zellen, die Zahnbeinbildner (Odontoblasten), von denen lange Zellfortsätze (Tomessche Fasern) in die Dentinkanälchen eintreten, oft begleitet von Nervenfasern. Hauptsächlich diesen Odontoblasten ist es zuzuschreiben, daß auch wäh­ rend der Gebrauchsperiode des Z. noch Dentin gebildet wird. Diese sekundäre Dentinbildung kann solche Aus­ maße annehmen, etwa bei stark abgekauten Zähnen, daß fast der ganze Pulparaum mit unregelmäßig gebautem Dentin ausgefüllt ist und die Pulpa auf einen haardünnen Strang zusammengedrängt wird. Auch bei Z.-Karies wird von der noch leistungsfähigen Pulpa an den dem kariösen Prozeß gegenüberliegenden Stellen sekundäres Dentin ge­ bildet, das man als Schutzwall gegen die vordrängende Karies auffaßt; eine vollwertige Barriere gegen die kariöse Zerstörung stellt dieses >Ersatz- oder Schutzdentin< je­ doch nicht dar. — Die Pulpa ist ein außerordentlich emp­ findliches Organ und reagiert schnell und ausgedehnt auf Schädigungen, z. B. bei Karies oder Einflüssen durch äu­ ßere Gewalt. Eskommt frühzeitig zu Veränderungen oder Entzündungen, bei letzteren treten starke Schmerzen auf; die Pulpa kann dann meist nicht mehr erhalten werden. Zahn|anomalien, Abweichungen der Form, Stel­ lung und Zahl der Zähne vom Normalgebiß. Betreffend der Zahl gibt es als erbl. Fehlanlage eine Überzahl und eine Unterzahl. Bei der Unterzahl fehlt meist der fünfte Backenzahn oder der obere seitl. Schneidezahn. Speziell

das Fehlen dieser Zähne wird als Zeichen der Rückbildung des menschl. Gebisses gegenüber dem Tiergebiß gedeutet. In extremen Fällen kann eine angeborene Zahnlosigkeit (Anodontie) oder eine angeborene Fehlentwicklung des Zahnschmelzes (Amelogenesis imperfecta) vorliegen. Eine Unterzahl kann auch durch (unsichtbare) Verlage­ rung von Zähnen vorgetäuscht sein. Eine Überzahl von Zähnen entsteht oft durch Zwil­ lingsbildung des oberen seitl. Schneidezahns, auch durch einen vierten Molaren oder einen kleinen Zahn (meist ver­ lagert) zwischen den beiden oberen mittleren Schneide­ zähnen (Mesiodens). Sie kann durch das Verbleiben von Milchzähnen vorgetäuscht werden. Die auffallendsten Anomalien der Zahnform sind Zwillingsbildungen, Verwachsungen, Verschmelzungen und >Zapfenzähnedens in denteZahnbrecherLe Chirurgien dentiste< (2 Bde., 1728; dt. 1733). Zahn|Implantation, Verfahren zur Wiederherstel­ lung der Kaufunktion durch Einpflanzung von nadelför­ migen, zahnwurzelähnl., schrauben- oder blattförmigen Fremdkörpern aus keram. Masse (z. B. Aluminiumoxid­ keramik), Metallen (Titan, Tantal) oder Kombinationen aus beiden in den Kieferknochen oder Einfügung eines Edelstahlgerüsts zwischen Kieferknochen und Knochen­ haut. Dabei durchbricht ein meist pfostenähnl. Element, das nach der Einheilungsphase als Pfeiler für eine prothet. Versorgung dient, die Mundschleimhaut. Implantate sind stets Fremdkörper, bei denen eine Anlagerung des Zahn­ fleisches wie an den natürl. Zahn trotz großer werkstoffkundl. Fortschritte (keine Abstoßungsreaktion gegen­ über dem Fremdkörper) noch nicht gewährleistet ist. Da­ her sind einwandfreie Zahn- und Mundpflege sowie ein guter Allgemeinzustand des Patienten Voraussetzung für Z. Bei schlechter Mundhygiene gehen Zahnimplantate schnell verloren. Z. haben ihre Indikation v. a. bei Einzelzahnverlust in einer sonst geschlossenen Zahnreihe, bei einseitig ver­ kürzter Zahnreihe, bes. im Unterkiefer, sowie als Ver­ ankerungshilfe bei totalem Zahnersatz. Zahnkari|es, Zahnfäule, bei etwa 95—98% aller Menschen in den zivilisierten Ländern vorkommende Zerstörung der Zahnhartgewebe (Schmelz und Dentin, -► Zahn) unter Mitwirkung von Bakterien und sauren Gä­ rungsprodukten. Z. führt verhältnismäßig rasch zu einer Entzündung und Vernichtung des Zahnmarks und kann schließlich Infektionen der knöchernen Zahnumgebung (Bild Zahnerkrankungen) und Infektionsausbreitung im ganzen Organismus verursachen. Die Z. beginnt in Grübchen und Falten des Zahn­ schmelzes, v. a. auf den Kauflächen, ferner an den seitl. Berührungsflächen der Zähne und am Zahnfleischrand. Bei nicht ordnungsgemäßer Zahnpflege kommt es an die­ sen Stellen bes. rasch zur Bildung von -» Zahnbelägen. Die Entstehung der Z. ist ein äußerst komplexes Ge­ schehen. Fest steht, daß die Z. nur in Anwesenheit von Bakterien und Kohlenhydraten (Zucker, Stärke), z. B. als Berufskrankheit bei Bäckern (Bäckerkaries), entstehen kann; ein sauberer Zahn wird nicht krank. Nach der heute vorherrschenden Meinung bilden be­ stimmte Bakterien (v. a. Streptokokkenarten) aus den im Zahnbelag befindl. Zuckern Milchsäure u. a. saure Stoff­ wechselprodukte, welche die Zahnhartsubstanz zunächst entkalken. Die organ. Bestandteile des Zahns werden schließlich von anderen Bakterien enzymatisch zerstört. Einfluß auf die Entstehung der Z. hat auch der Spei­ chel. Ihm kommt eine wichtige Spülfunktion zu; weiter hemmt er durch bestimmte ehern. Verbindungen das Bak­ terienwachstum, und schließlich enthält er gelöste Kalk­ salze, welche die Remineralisierung des Zahnschmelzes besorgen. Führt also eine Säurewirkung zu einer momen­ tanen Entkalkung, so lagern sich danach wieder MineralZahnimplantation: Der Wurzel nachgeformte Zahn­ implantate aus Aluminiumoxidkeramik. Der Stiftauf­ bau wird nach Einheilung des Implantats in dieses ein­ gebracht und dient dem anzufertigenden festsitzenden Zahnersatz als Pfeiler 819

Zahnimplantation: verschiedene Formen von Blattimplantaten (gestrichelte Linie = Schleimhautniveau; oberhalb der Linie = Brückenpfeiler, unterhalb der Linie = der im Kieferknochen liegende Teil des Implantates)

Zahnimplantation

Zahn salze aus dem Speichel an, allerdings unter Verlust der ehemaligen Schmelzstruktur. Die Vorbeugung gegen Z. beginnt schon pränatal mit einer ausgeglichenen Ernährung der Mutter. Zähne und Milchzähne (-»Zahnentwicklung) müssen einer sorgfältigen — Zahnpflege unterzogen werden .Wei­ terhin ist eine natürl. Ernährung mit viel Rohkost und we­ nig aufbereiteten Kohlenhydraten (Vollkornbrot) hilf­ reich. Diese Maßnahmen können unterstützt werden durch Anwendung fluoridhaltiger Zahnpasten und durch regelmäßige Einnahme von Kalziumfluorid-Tabletten nach ärztl. Verordnung. Sehr wichtig ist die halbjährl. Untersuchung beim Zahnarzt, der bereits kleinste kariöse Defekte durch geeignete -»Zahnfüllungen versorgt. Da­ bei wird das erkrankte Hartgewebe durch rotierende, schleifende (Steine, diamantierte Schleifkörper) und schneidende Instrumente restlos entfernt. Der entstan­ dene Hohlraum wird anschließend so gestaltet, daß ein mechan. Halt der Füllung gesichert ist. Ist ein Zahn durch eine Füllung nicht mehr wiederher­ zusteilen, so kann ein — Zahnkronenersatz angefertigt werden. Zahnkrone, derjenige Teil des Zahnes, der vom Zahnschmelz umgeben ist (natürliche Z.). I. d. R. ist die Grenze der natürlichen Z. der Zahnfleischrand. Bei Zahn­ fleischschwund spricht man von der klinisch verlängerten Z., da hier ein Teil der Zahnwurzel zu sehen ist. Die künst­ liche Z. ersetzt die natürliche Z. durch körperfremdes Ma­ terial (-»Zahnkronenersatz). Zahnkronen |ersatz, der Zahnkrone nachgeformter Ersatzaus Metall, Kunststoff oder Porzellan. Ist ein Zahn durch -»Zahnfüllungen ästhetisch oder funktionell nicht mehr ausreichend wiederherzustellen, kann ein Z. ange­ zeigt sein. Voraussetzung hierfür ist ein einwandfreier Zu­ stand der Zahnwurzel(n) oder, falls das Zahnmark durch eine — Zahnwurzelbehandlung ent fernt wurde, eine Wur­ zelfüllung. Als Materialien kommen in Betracht: Edelmetallegie­ rungen, neuerdings auch >Sparlegierungen< mit reduzier­ tem Gold-Platin-Anteil, rostfreie Stähle, keram. Massen und Kunststoffe. Aus Gründen der Ästhetik können diese Werkstoffe im sichtbaren Frontzahnbereich miteinander kombiniert werden, z. B. Edelmetall — Kunststoff oder Edelmetall — keram. Masse (Verblendkrone). Besteht der Z. ausschließlich aus keram. Masse, spricht man von einer Jacketkrone [dj'sekit-, engl.j, wird nur Kunststoff ver­ wendet, von einer Mantelkrone. Erfordert der Z. eine Verankerung in der Zahnwurzel, wird eine Stiftkrone her­ gestellt. Z. wird stets individuell angefertigt und ist des­ halb kostenintensiv. Eine Ausnahme bilden die vorgefer­ tigten Stahlkronen für zerstörte Milchbackenzähne. Zur Anfertigung des Z. ist das Reduzieren (Beschleifen) der Zahnsubstanz notwendig. Der Z. soll später möglichst genau die reduzierte Zahnmasse ersetzen. Zahnmark, Pulpa, -»Zahn. Zahnmark|entzündung, Pulpitis, entzündliche, meist infektiöse Erkrankung des Zahnmarks. Z. entsteht v. a. durch -»Zahnkaries, die in die Tiefe des Zahnbeins vorgedrungen ist. Die verschieden gearteten Entzündun­ gen verursachen meist erhebl. Schmerzen (Bild Zahn­ erkrankungen). Oft kann bei diesen Zuständen das Zahnmark nicht er­ halten werden; eine sehr komplizierte und nicht immer er­ folgreiche — Zahnwurzelbehandlung ist dann nötig. Bei oberflächl. Entzündungen und Verletzungen kann eine Entfernung der erkrankten Kronenpulpa (Vitalamputa­ tion) mit dem Bohrer erfolgreich sein. Dabei werden nur kleine Teile des Zahnmarks abgetragen; der restl. Teil der Pulpa wird abgedeckt.

Zahnmedizinische Fachhelferin,

Abk.

ZMF,

weitergebildete -»Zahnarzthelferin, die nach einer Fach­ prüfung und einer zusätzl. Ausbildung unter Aufsicht des ausgebreitete Karies im Kronenzahnbein eines Milch­ molaren; der Zahnschmelz fehlt infolge der für die Prä­ paration nötigen Entkalkung. Das Zahnmark (Pulpa) ist stark entzündet; Abszeß in der Pulpa, a Karies, b Pulpa, c Abszeß

820

Zahnarztes zahnärztl. Maßnahmen auf dem Gebiet der Vorbeugung durchführen darf. Zahn|nerv, fälschl. Bezeichnung für das Zahnmark (-»Zahn). Zahnpasta, Zahncreme, durch Zugabe (v. a. Pfef­ ferminzöle) aromatisierte und durch Zusatz von Süßstof­ fen (z. B. Saccharin) geschmackverbesserte, oft leicht ein­ gefärbte und konservierte creme- bis pastenförmige Sus­ pension eines oder mehrerer Putzkörper (z. B. Kalzium­ oder Magnesiumkarbonat, Di- oder Trikalziumphos­ phat, Kieselsäure, Silikagel), die während des Zähneput­ zens den Zahnschmelz reinigen, aber nicht schädigen dür­ fen. Die reinigende Wirkung wird erhöht durch netzende (Tenside), schleimhautverträgl. Stoffe. Konsistenz und Haltbarkeit der Suspensionen werden durch Zugabe von Hydrokolloiden und Feuchthaltemitteln (z. B. Glyzerin oder Sorbit) verbessert. Die meisten Z. enthalten Wirk­ stoffe, z. B. kariesprophylaktisch wirkende Fluoride, ad­ stringierend wirkende Stoffe (z. B. Aluminiumlaktat, pflanzl. Auszüge), und Stoffe, die Zahnbeläge lösen (z. B. Chlorhexidin). Zahnpflege, Mundpflege, mechanische Reinigung der Zähne und der Mundhöhle. Die regelmäßige und gründliche Z. erhält die Zähne und das Zahnfleisch ge­ sund. Sie soll mindestens zweimal täglich, morgens und abends, besser noch nach jeder Mahlzeit durchgeführt werden. Dabei sollen die Zähne und der Zahnfleischrand mit der Zahnbürste von -»Zahnbelägen befreit werden. Die Zahnbürste ist mit kreisenden oder vertikal gerichte­ ten Bewegungen zu führen (elektrisch betriebene Zahn­ bürsten ahmen diese Bewegung nach), eine Zahnpasta un­ terstützt durch ihre Inhaltsstoffe die Reinigungswirkung und kann der -»Zahnkaries vorbeugen. Anschließend wird der Mund mit Wasser ausgespült. Es ist darauf zu achten, daß alle Zahnflächen gereinigt werden. Bei engstehenden Zähnen können ergänzend Zahnseide oder Zahnstocher verwendet werden. Die Schulzahnpflege dient der frühzeitigen Entdekkung und Erfassung von Gebißschäden bei Kindern vom 1. Schuljahr an. Sie wird meist durch hauptamtl. Schul­ zahnärzte oder Schulzahnkliniken durchgeführt, von den Gesundheitsämtern überwacht und von den Schulauf­ sichtsbehörden unterstützt. Zahnprothese,

herausnehmbarer -»Zahnersatz.

Zahnregulierung, Gebißregulierung,

—Kiefer­

anomalien. Zahnreplantation, die Wiedereinpflanzung eines Zahns (—Zahnwurzelbehandlung). Zahnschäden, Schädigung des Zahns durch me­ chan. oder ehern. Einwirkungen. Durch Stoß oder Schlag können einzelne Teile der Zahnkrone beschädigt oder die ganze Krone abgeschlagen werden. In einzelnen Fällen kann der Schaden durch geeignete Zahnfüllungen oder ei­ nen Zahnkronenersatz ausgeglichen werden. Liegt das Zahnmark frei, so isti. d. R. eine Zahnwurzelbehandlung nötig. — In manchen Fällen wird durch die Gewalteinwir­ kung die harte Substanz nicht geschädigt, aber das Zahn­ mark geht allmählich und oft zunächst schmerzlos zu­ grunde. In der Folge können krankhafte Veränderungen (chron. Entzündungen) in der Zahnumgebung auftreten. Z. durch Säuren mit Entkalkung des Schmelzes und Keilformbildung (offener Biß) können Berufskrank­ heiten sein. Gefahrenquellen sind längerer Umgang mit anorgan. Säuren wie Salz-, Schwefel-, Salpeter- und Ha­ logenwasserstoffsäure oder mit Organ. Säuren wie Essig-, Ameisen-, Oxal-, Wein- und Zitronensäure. Organ. Säu­ ren können auch in der Mundhöhle durch Gärungspro­ zesse entstehen, z. B. können Mehl, Zucker und Hefe diese fördern (Bäckerkaries). Zahnschmelz, — Zahn. Zahnschmerz, hauptsächlich infolge Zahnkaries auftretender, oft sehr starker Schmerz, der folgende Ur­ sachen haben kann: a) freiliegendes Zahnbein (Schmerz bei Berührung oder Temperatureinflüssen); b) Entzündungen des Zahnmarks;

Zapf c) Entzündungen in der Umgebung des Zahnes, also der Wurzelhaut und des Knochens. Behandlung: ordnungsgemäßes Ausbohren einer Zahnkaries, Zahnfüllung, -* Zahnwurzelbehandlung oder -► Zahnextraktion. Bei extremen Schmerzzuständen kann eine Trigemi­ nusneuralgie (-»Trigeminus) vorliegen. Zahnseide, Fäden aus Seide oder Zwirn (gewachst oder ungewachst), die der Reinigung der Zahnzwischen­ räume dienen. Ein etwa 40 cm langes Stück Z. wird zwi­ schen beiden Zeigefingern gespannt und vorsichtig in den Zahnzwischenraum eingeführt. Die Z. wird gespannt an beiden begrenzenden Zähnen behutsam auf und ab ge­ führt. Dabei darf die Interdentalpapille nicht verletzt werden. Zahnstein, Ablagerung von Kalksalzen und organ. Stoffen aus dem Speichel, bes. an den Innenseiten der un­ teren Schneidezähne und den Außenseiten der oberen Mahlzähne, also gegenüber den Ausführungsgängen der Hauptspeicheldrüsen. Z. soll regelmäßig durch den Zahnarzt entfernt werden, da er Parodontose (-► Zahn­ bettschwund) begünstigt. Zahntechniker, vollhandwerklicher Lehrberuf mit 3'/2jähriger Ausbildungszeit; Aufgabengebiet: Herstel­ lung von Kronen, Zahn- und Kieferersatz nach Abdrükken, Wachsmodellen und Anweisungen des Zahnarztes. Die Materialien sind sehr vielseitig: Kunststoffe, Edel­ metallegierungen, rostfreie Stähle, keram. Massen u. a. Dementsprechend vielseitig sind die techn. Herstellungs­ verfahren, die größte Präzision verlangen. Zahnwechsel, der Ersatz der Milchzähne durch die bleibenden Zähne, der i. d. R. im 6. Lebensjahr beginnt. Bereits früher werden die Wurzeln der Milchzähne lang­ sam aufgelöst; sie lockern sich und können kurz vor Durchbruch des darunterliegenden, bleibenden Zahnes leicht entfernt werden, wenn sie nicht von selbst heraus­ fallen. Im 6. Lebensjahr bricht zunächst der erste blei­ bende Backenzahn (6-Jahr-Molar) durch, kurz darauf er­ folgt der Durchbruch der mittleren, anschließend der seitl. Schneidezähne. Die Milchbackenzähne werden zwi­ schen dem 9. und 14. Lebensjahr durch die Prämolaren er­ setzt. Der bleibende Eckzahn erscheint etwa im gleichen Zeitraum (Bild Gebiß). Die Zähne des Unterkiefers bre­ chen i. d. R. kurz vor denen des Oberkiefers durch. DerZ. ist damit abgeschlossen. Wenn im 14. Lebensjahr noch der zweite Backenzahn durchbricht, ist das jugendi, blei­ bende Gebiß vollständig. Der Z. kann gestört werden durch frühzeitigen Verlust der Milchzähne (hierbei kommt es zu Platzmangel für die bleibenden Zähne) oder durch Milchzahnkaries (Milch­ zahnwurzeln werden nicht normal aufgelöst). Hier kann die Extraktion eines Milchzahnes ratsam sein.

abgetragen und auch das krankhaft veränderte Gewebe in der Umgebung der Wurzelspitze entfernt wird. V. a. bei den bleibenden Backzähnen kommt manch­ mal die Replantation des Zahnes in Betracht. Dabei wird der Zahn sorgfältig entfernt, außerhalb des Mundes die Wurzelbehandlung durchgeführt und der Zahn wieder in sein Zahnfach eingesetzt. Zahnwurzelhaut |entzündung,

Wurzelhaut­

entzündung, Periodontitis, Entzündung des Weich­ gewebes im Zahnwurzelbereich. Ursachen sind eine Ent­ zündung des Zahnfleischrandes, die im Zahn entlang in die Tiefe bis zur Zahnwurzelspitze (apikal) wandern kann, oder, wesentlich häufiger, eine -»Zahnmarkent­ zündung. (Bild Zahnerkrankungen) Symptome der akuten Z. sind ein starker Aufbißschmerz bis zur Berührungsempfindlichkeit und das Ge­ fühl des verlängerten ZahnesZahnnerv< bezeich­ erkrankungen). Sie können von der Größe einer kleinen net) infolge fortgeschrittener Karies, Infektion und Ent­ Kirsche bis (extrem) zu der eines Apfels sein. Vom infizier­ zündung nicht mehr erhaltungsfähig oder schon jauchig ten Zahn aus kann es zur Vereiterung der Zyste kommen. Behandlung: Ziehen des Zahns oder Zahnwurzelre­ zerfallen (Gangrän) ist. Bei Infektion und ausgedehnter Entzündung, die meist mit starken Schmerzen verbunden sektion und gleichzeitiges Entfernen des Zystenbalges. ist, kann man das Zahnmark nicht mehr erhalten. Um es Bei bes. großen Z. oder bei bestimmten anatom. Gegeben­ schmerzfrei zu entfernen und ein Übergreifen der Infek­ heiten kann es ratsam sein, die Z. nur zu eröffnen und un­ tion auf die Umgebung zu verhindern, muß entweder eine ter Offenhalten der Wunde die langsame Knochenregene­ Injektionsanästhesie durchgeführt oder eine abtötende ration abzuwarten. Zangengeburt, Entbindung mit Hilfe der -»Ge­ (nekrotisierende) Einlage (bestimmte Arsen- oder Formalinpräparate) für 1-8 Tage eingefügt werden. Danach burtszange. wird das Zahnmark mit feinen gezähnten Nadeln, Wur­ Zäpfchen, 1) Uvula, Teil des weichen -»Gaumens. zelkanalfeilen und -raspeln entfernt, die oft engen, ge­ 2) Suppositorium, walzen-, kegel-, ei- oder kugelför­ krümmten Wurzelkanäle werden gereinigt, erweitert und mige Zubereitung aus einer bei Körpertemperatur schmel­ desinfiziert; anschließend werden sie mit besonderen, er­ zenden Masse (z. B. Kakaobutter) und Arzneimitteln. Z. härtenden Stoffen (Kunststoffe, Zemente) möglichst werden in den After (Rektal-Z.) oder in die Scheide (Vagi­ vollständig ausgefüllt. nakugeln, z. B. zur Empfängnisverhütung oder Heilung Wenn die Wurzelkanäle nicht völlig zugänglich sind von Entzündungen) eingeführt. Bei der Anwendung von oder die krankhaften Veränderungen in der Umgebung Rektal-Z. wird durch die Umgehung des Magen-Darmder Wurzelspitze besonderer Art sind (z. B. Zysten), so Kanals der Magen geschont, und die Arzneimittel gelan­ kann der Zahn durch eine Zahnwurzelspitzenresektion er­ gen nach Aufsaugen durch die Darmschleimhaut unmit­ halten werden. Dieser die Z. ergänzende, Chirurg. Eingriff telbar durch die Blutbahn zum Zielorgan. (erstmals 1896 durchgeführt) besteht darin, daß nach Zapfen, die der Licht- und Färb Wahrnehmung dienenAufklappen der Schleimhaut die Wurzelspitze freigelegt,

821

Zart

Zecken: blutsaugende Zecke

den Sinneszellen der Netzhaut (-»Auge, -»Farbensinn, -»Sehen). Zärtlichkeit, Teil liebevollen Verhaltens; Ausdruck emotionaler Wärme durch Worte, Blick- oder Körper­ kontakt (Streicheln); ein wichtiger Bestandteil zwischenmenschl. Beziehungen, im partnerschaftlich-erot. Ver­ hältnis wie in der Eltern-Kind-Beziehung. (-»Streichel­ einheiten) Zecken, mit den Milben zu der Unterklasse Acarina gehörende, bis zu 2 cm große, blutsaugende Spinnentiere, deren Körper durch Verschmelzung ungegliedert er­ scheint. Lediglich die bes. bei den Schild-Z. (-* Holzbock) deutlich am Körper abgesetzten, stechend-saugenden Mundwerkzeuge erwecken den Eindruck des Kopfes. Die Z. graben mit ihrem durch Häkchen bewehrten Teil der Mundwerkzeuge eine Hautgrube, die mehrfach mit Blut volläuft, das ausgesogen wird. Die Verankerung in der Haut ist äußerst fest. Aus den Eiern der Z. schlüpfen sechsbeinige Larven; die anderen, auf die Häutung fol­ genden Stadien (Nymphen, Geschlechtstiere) sind acht­ beinig. — Die Schild-Z. besitzen auf einem Teil oder dem gesamten Rücken ein starres Hautschildchen, das den Leder-Z., deren Haut lederartig-elastisch ist, fehlt. Die Z.-Stiche rufen Hautjucken, -rötung und -Schwel­ lung hervor. Bei starkem Befall oder ungünstiger Lage der Stichstelle können bedrohl. Allgemeinerscheinungen auf­ treten. Z. haben eine große Bedeutung als Überträger ei­ ner Reihe von Krankheitserregern auf den Menschen, auf Säugetiere und Vögel, z. B. die der Zeckenenzephalitis. Zecken |enzephalitis, Frühjahr-Sommer-Enzephalitis, durch Zeckenbiß übertragene Viruserkran-

Zecken: Lederzecke, Oberseite; Mitte Lederzecke, Unterseite; unten Schildzecke oben

kung des zentralen Nervensystems, bei der bes. die graue Gehirnsubstanz einem Entzündungsprozeß unterliegt. (-» Gehirnentzündung) Zehe, die Endglieder des -»Fußes. Zeit, physikal. Basiseinheit. Im menschl. Bewußtsein wird Z. als Vorgang des >Vergehens< von Gegenwart zur Vergangenheit und des >Fortschreitens< von Gegenwart zu (erwarteter) Zukunft wahrgenommen. Aus Sicht der Psychologie unterscheidet man Zeiterleben (Wahrneh­ mung objektiver Z.-Strecken oder Z.-Folgen) vom Zeit­ bewußtsein (Orientierung innerhalb eines Z.-Raums, Ein­ schätzung vergangener Erlebnisse). Verglichen mit dem objektiven Z.-Ablauf schwankt die Geschwindigkeit des erlebten Z.-Ablaufs erheblich; sie ist von Struktur und Qualität des Reizes so wie von sensor. und persönlichkeits­ bezogenen (v. a. emotionellen, motivationellen) Momen­ ten der Reizverarbeitung abhängig. Erfüllte Z.-Strecken erscheinen kürzer als >leere< Z.-Strecken (Dehnung des Z.Erlebens bei Langeweile), in der Erinnerung kehrt sich das Verhältnis um. Mit zunehmendem Alter verkürzt sich die Zelle (schematische Darstellung) Vakuole

primäres Lysosom

Ribosomen endoplasmatisches Retikulum (granuläre Form)

Plasmalemma

Golgi-Apparat

Diplosom

Nukleulus (Kernkörperchen)

Mitochondrium

Kernhülle Zellkern (Nukleus)

822

subjektive Erlebnis-Z. Als Zeitschwelle wird diejenige Z.Menge bezeichnet, die eine Erfassung kleinster Zeiträume oder die Unterscheidung von Z.-Strecken erlaubt; die ab­ solute Zeitschwelle ist 1) die Z.-Menge, die zwischen 2 Er­ eignissen verstreichen muß, damit sie getrennt erfaßbar sind, 2) die Z., die ein Ereignis dauern muß, damit der Ein­ druck zeitl. Ausdehnung entsteht. Ihre Länge ist je nach Sinnesgebiet unterschiedlich (Gehör: 0,002 s; opt. und Tastwahrnehmung: 0,01—0,005 s; für ausgefüllte Z.Strecken mehr). Die relative Zeitschwelle ist die Z.Menge, um die sich 2 objektive Z.-Strecken unterscheiden müssen, damit sie als unterschiedlich wahrgenommen werden können (bei kleinen Z. -Strecken, z. B. 1 s, rd. 5 %, bei größeren ein Vielfaches). Die Orientierung in der Z. vollzieht sich nach dem Schema von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, wobei die als Gegenwart empfundene Präsenz-Z. 2—12 s beträgt, sowie durch die Einordnung von Einzelerlebnis­ sen in den Ablauf des Gesamtgeschehens und Abstim­ mung auf äußere (Tag-und-Nacht-Wechsel) und innere Periodizitäten (Biorhythmen); letztere sind auch Grund­ lage des Zeitsinns (innere Uhr). Tiere (auch solche mit Ge­ dächtnis) leben vermutlich ohne Z.-Bewußtsein, obwohl sie fähig sind, verschiedene Z.-Strecken zu unterscheiden. Die Z.-Dimension wird in der menschl. Entwicklung ab dem 3. Lebensjahr verfügbar, ab dem 7.-8. Lebensjahr die Fähigkeit der vergleichenden Zuordnung und Erfas­ sung von Z.-Folgen sowie die Vorstellung einer abstrak­ ten Z.-Einheit. Als Zeitperspektive wird die Spannweite des zeitl. Erlebens bezeichnet, die in unterschied!. Um­ fang Vergangenes und Zukünftiges einbezieht (bei Kin­ dern relativ eng; weitet sich mit der Entwicklung). Starke Veränderungen des Z.-Erlebens (Überschät­ zung, Verengung der Z.-Perspektive, Unterschätzung) treten bei Ausnahmezuständen auf (starke Affekte, Über­ müdung, Streß, Wirkung von Rauschmitteln), schwere Störungen (Verlust der Kontinuität im Z.-Bewußtsein, Verzerrung der Proportionen zwischen Vergangenem, Gegenwärtigem und Zukünftigem) bei seel. Erkran­ kungen. Zell|atmung, die Gewebsatmung (-»Gaswechsel). Zelle [von lat. cella >KammerSteppdecke< entsteht. Es kann versucht werden, mit enzymhaltigen Salben eine Besserung zu erreichen; der Erfolg ist jedoch zweifelhaft. Zellulose, Cellulose [zu lat. cellula >kleine ZelleschmutziggelbJähzornGürtel/3 im Haushalt verwendet wird. Alle isolierten Z.-Arten sind reine Kalorienträger und somit für die menschl. Ernährung entbehrlich; das gilt auch für die braunen Z. Der Z.-Verzehr in der genannten Höhe ist deshalb, nicht nur von den zu erwartenden Zahn­ schäden her, gesundheitlich bedenklich (Gefahr überkalor. Ernährung). Von hohem Verzehr von Süßigkeiten und gezuckerten Erfrischungsgetränken (mit rd. 10% Z.) ist bes. bzi Kindern abzuraten.

Zuck Zuckerkoma, Coma diabeticum, ein durch Insu­ linmangel bei der Zuckerkrankheit hervorgerufener Stoffwechselzusammenbruch, der mit Bewußtseinstrü­ bung einhergeht und unbehandelt im -»Koma zum Tod führt. Bei mehr als 20% der Patienten ist das Z. Ausdruck der Erstmanifestation einer unerkannten Zuckerkrank­ heit. Auslösend sind Infektionen, Streß, Operationen und Unfälle, bes. aber Diätfehler und unzureichende Insulin­ zufuhr. Durch den absoluten und relativen Mangel an In­ sulin und das Überwiegen von Gegenregulationshormo­ nen mit steigendem Blutzucker gehen über die Niere zu­ gleich mit dem Zucker große Mengen an Körperflüssig­ keit und Elektrolyten durch -► Harnflut verloren; es kommt zur Gewebsaustrocknung. Daneben fallen bei In­ sulinmangel über den gesteigerten Fettabbau vermehrt saure Fettabbauprodukte, die Ketonkörper (Beta-Hy­ droxybuttersäure, Azetessigsäure, Azeton), an; sie füh­ ren zur Gewebsübersäuerung (-»Azidose). Der Kranke versucht, durch verstärkte tiefe Abatmung von Kohlen­ säure (-► Kussmaulsche Atmung) einen Ausgleich zu schaffen. Klinisch kann sich die schwere Stoffwechselentgleisung neben der Harnflut durch Durst, Appetitlosigkeit, Erbre­ chen, Schwäche und unbestimmte Oberbauchbeschwer­ den (Pseudoperitonitis diabetica) ankündigen. Der Pa­ tient trocknet stark aus (trockene Schleimhäute, niedriger Hautturgor). Der Blutdruck sinkt stark ab, und die Herz­ frequenz ist deutlich erhöht (Tachykardie als Kompensa­ tionsversuch). Schwäche, Apathie und Schläfrigkeit lei­ ten zum Koma über. Obwohl das Bewußtsein oft erhalten ist, besteht Lebensgefahr. Kann der Patient aus Schwäche nichts mehr trinken, kommt es zum Kreislaufzusammen­ bruch durch Volumenmangel mit Nierenversagen bei fehlender Urinproduktion. Rapides Ansteigen des Blut­ zuckers bis auf über 1000 mg%. Es gibt Sonderformen des Z., bei denen die Azidose fehlt (hyperosmolares Koma) und nicht die Ketonkörper, sondern die Milchsäure die Übersäuerung (Laktatazidose) verursacht. Bei allen For­ men der Übersäuerung droht Herz-Kreislauf-Versagen durch den starken Flüssigkeitsverlust. Um diesen auszu­ gleichen, ist baldmögliche Krankenhauseinweisung zur Durchführung notwendiger Infusionen erforderlich. Durch Maßnahmen der Intensivmedizin konnte die hohe Mortalität des Z. auf unter 10% gesenkt werden.

Zuckerkrankheit, Zuckerharnruhr, Diabetes mellitus, auf erbl. Grundlage beruhende oder erwor­

bene Stoffwechselerkrankung, bei der es unter absolutem oder relativem Mangel (Hypoinsulinismus) des in der Bauchspeicheldrüse gebildeten und direkt an das Blut ab­ gegebenen Hormons Insulin zu einer chron. Zucker- und Fettstoffwechselstörung kommt. Im mitteleurop. Raum sind etwa 2—4% der Bevölke­ rung zuckerkrank. Ein besonderes Phänomen ist die Zu­ nahme der Z. bei Wohlstand der Bevölkerung; überge­ wichtige Menschen sind eindeutig bevorzugt. Im Alter (Altersdiabetes) nimmt die Häufigkeit der Erkrankung ebenfalls zu. Die jugendi. Z. zeigt keine Geschlechts­ bevorzugung, nach dem 40. Lebensjahr überwiegt das wcibl. Geschlecht. Formen, Entstehung. Die Weltgesundheitsorgani ­ sation unterscheidet 2 Typen: Typ 1, die insulinbedürftige Z., und Typ II, die nicht insulinbedürftige Z. (Typ IIa ohne Fettsucht, Typ 11b mit Fettsucht). Der Entstehung von Typl kann eine erbl. Veranlagung mit Schädigung der insulinproduzierenden Beta-Zellen in der Bauchspeicheldrüse zugrunde liegen. Auch eine Virusinfektion kann zur Beta-Zellschädigung führen, wobei Antikörper als Abwehrstoffe gegen die Beta-Zellen gebildet werden, da diese als körperfremd angesehen wer­ den (Autoaggression). Diese Beta-Zellschädigung hat In­ sulinmangel zur Folge. Beim Typ II kommt es bei Überernährung zu Blutzukkererhöhungen (Hyperglykämien) und zunächst hohem Insulinspiegel (Hyperinsulinämie) durch eine gesteigerte Sekretion des Hormons. Bei überschießender Insulinab­ sonderung nehmen die Insulinansatzpunkte an der Zell­ oberfläche (Insulinrezeptoren) ab. Dies führt ebenso wie die durch die Überernährung veranlaßte Fettsucht zu ei­ ner mangelnden Insulinwirkung auf den Blutzucker (In­

sulinresistenz), die Blutzuckererhöhung wird weiter ver­ stärkt; Folge ist eine erneute Forderung an die Insulinab­ sonderung. Bei erbl. Veranlagung kommt es zu einer Überforderung der Beta-Zellen und bei einem absoluten oder relativen Insulinmangel dann schließlich zur Z. Ein einfacher Erbgang läßt sich bei der Z. bisher nicht nachweisen. Innerhalb einer Familie besteht die Tendenz zum Wiederauftreten der gleichen Form der Z. Generell scheint hierbei das Risiko beim Typ II höher zu sein als beim Typ I: Das Erkrankungsrisiko für Kinder von Zukkerkranken, die eine insulinabhängige Z. (Typ I) haben, scheint nur in der Höhe von 1—2% zu liegen. Auslösend für die Z. können sein: Infektionen, Streßsi­ tuationen, Operationen, Unfälle und Schwangerschaft, v. a. aber Bewegungsarmut und Übergewicht. Seltene Formen der Z. kommen durch Verletzung oder Zerstö­ rung der Bauchspeicheldrüse wie auch durch deren Ent­ zündung oder durch Hämochromatose zustande. Auch Primärerkrankungen mit verstärkter Produktion von ge­ gen den Insulineffekt gerichteten Hormonen, z. B. bei Akromegalie, Cushingscher Krankheit, Überfunktion der Schilddrüse, Phäochromozytom, oder bestimmte Medikamente können Z. auslösen. Nur durch den Einfluß des Hormons Insulin kann Traubenzucker (Glucose) in die meisten Zellen des Kör­ pers eindringen, um dort zur Energiegewinnung als De­ potstoff oder Baustein verbraucht zu werden. Im absolu­ ten oder relativen Insulinmangel ist der Glucosetransport in die Gewebe gestört, es kommt zu einem Blutzuckeran­ stieg (Hyperglykämie). Übersteigt die Blutzuckererhö­ hung einen Schwellenwert, so erscheint Traubenzucker im Urin (Glykosurie; Überschreitung der Nierenschwelle bei etwa 180 mg%). Da Zucker nur im gelösten Zustand ausgeschieden werden kann, gehen mit dem Zucker große Mengen Flüssigkeit und Mineralien verloren. Im Extrem­ fall kann der Körper austrocknen (Exsikkose). Blut­ zuckererhöhung und vermehrte Flüssigkeitsausschei­ dung führen zu verstärktem Durst. Die Verluste an Flüs­ sigkeit, Salzen und Zucker verursachen auch Kreislauf­ und Muskelschwäche, Gewichtsverlust und führen zu all­ gemeinem Leistungsabfall. Obwohl viel Zucker im Blut kreist, kann durch Insulinmangel kein Zucker mehr in die Zellen eintreten. Der Insulinmangel führt auch zu einem gesteigerten Abbau von Fettdepots; hier ist ebenso der Fettstoffwechsel gestört; es kommt durch mangelhaften Abbau der langkettigen Fettsäuren zu hohem Anfall von sauren Fettabbauprodukten, den Ketonkörpern. Mit die­ sen wird der Körper überschwemmt; sie werden in den Harn ausgeschieden (Azetonurie). Bei extremer Stoff­ wechselentgleisung kommt es zum -► Zuckerkoma. Das Vorstadium der Z. zeichnet sich durch die ge­ störte Glucosetoleranz aus, einer Phase mit Störung des Zuckerabbaus. Das beim nüchternen Kranken entnom­ mene Blut zeigt normale Blutzuckerwerte (100 mg%), nach Trinken einer Traubenzuckerlösung erhöht sich je­ doch der Blutzuckerspiegel; nach einer Gabe von 100 g oral findet sich ein 2-Stunden-Wert von über 140 mg (also unter 200 mg%). Verlauf. Die Erstbefunde beim Auftreten der Erkran­ kung (Frühsyndrome) sind durch Schnelligkeit und Aus­ maß des auftretenden absoluten oder relativen Insulin­ mangels bestimmt. Dies ist entsprechend der verschieden­ artigen Krankheitsentstehung beim Typ 1 und Typ II un­ terschiedlich und bedarf auch unterschiedl. Behandlung. So tritt der insulinabhängige Typ I meist plötzlich vor dem 30. Lebensjahr auf, die Patienten sind mager, der Zucker­ stoffwechsel ist labil, es besteht eine ausgesprochene Nei­ gung zur Ketonkörperbildung, das Ansprechen auf Insu­ lin ist gut. Der Typ II tritt meist erst nach dem 30. Lebens­ jahr in verzögertem Verlauf auf; der Stoffwechsel ist sta­ bil mit geringer Neigung zur Ketose. Diese Form spricht schlecht auf eine Insulinbehandlung an. Bei beiden For­ men der Z., hier in der Reihenfolge der Häufigkeit, finden sich Durst, häufiges Wasserlassen (Polyurie), Leistungs­ minderung bis zum >Leistungsknickdiabetische FußUnterzuckerungsschock< sollte abgebaut werden, denn Hy­ poglykämien leichteren Grades sind auch bei einer guten Stoffwechseleinstellung nicht immer zu vermeiden. Freunde und Lehrer sollten über die Erkrankung infor­ miert sein, um ggf. auch Erstmaßnahmen beim Auftreten von Unterzuckerungszuständen einleiten zu können. Die Z. und Schwangerschaft können sich gegenseitig negativ beeinflussen. So kann eine Schwangerschaft so­ gar eine Z. auslösen (Schwangerschaftsdiabetes). Bei be­ stehender Z. kommt es meist ab der 24. Schwanger­ schaftswoche verstärkt zu einer Verschlechterung der Stoffwechsellage der Mutter durch Plazentahormone, welche die Insulinwirkung abschwächen; dann wird be­ deutend mehr Fremdinsulin benötigt, da die Gefahr einer Ketonämie mit Schädigung des Embryos besteht. Wäh­ rend eine diabet. Netzhauterkrankung sich während der Schwangerschaft selten verschlechtert, ist die diabet. Nephropathie ein Grund zur Schwangerschaftsunterbre­ chung. Immerhin ist es heute möglich, die früher bes. ge­ fürchteten Komplikationen bei einer zuckerkranken Schwangeren mit erhöhter Mortalität und Morbidität des Kindes, das 2—3mal höhere Auftreten von Mißbildungen, die Lungenreifungsstörung und die Unterzuckerung des Kindes nach der Geburt durch sorgfältigste Zuckerein­ stellung vor und während der Schwangerschaft weitge­ hend zu verhindern. Bei schlechter Einstellung führt ho­ her Blutzuckerspiegel durch den Blutzuckerübertritt über die Plazenta in den Embryo zur Hypoglykämie und zur Erhöhung der körpereigenen Insulinproduktion beim Neugeborenen. Es kommt zur Insulinfettmast mit ver­

Zuck mehrtem Aufbau von Stärkereserven, Depotfett und Ei­ weißstrukturen und zur Geburt eines >Riesenbabys< mit meist weit mehr als 4000 g Geburtsgewicht. Da nach der Geburt der hohe Blutzuckergehalt, der bis dahin dem kindl. Organismus über die Plazenta angebo­ ten wurde, entfällt, ist bei Fortbestehen des hohen kindl. Insulinspiegels eine gefährl. Unterzuckerungsneigung in der Neugeborenenperiode möglich. Aus all diesen Grün­ den ist weitgehende Normalisierung des Blutzuckers der Mutter während und idealerweise auch möglichst schon vor der Empfängnis (>geplante Schwangerschaftgroßzügig< gestellt werden. Das Neu­ geborene muß in jedem Fall sofort kinderärztlich bezüg­ lich seiner Lungenfunktion (Blutgasanalyse) und des Blutzuckerspiegels kontrolliert werden. Gegen das Stillen des Kindes bestehen keine Einwände. Die Behandlung der Z. hat das Ziel, durch richtige Einstellung der Stoffwechsellage (Diabeteseinstellung) zu verhindern, daß sich die Z. verschlimmert. Es muß sicher­ gestellt werden, daß die akuten Komplikationen, z. B. der Unterzuckerungsschock oder das Zuckerkoma, vermie­ den und Spätkomplikationen ausgeschaltet oder wenig­ stens verzögert werden. Bei idealer Einstellung liegt der Nüchternblutzucker unter 130 mg%, nach den Mahlzei­ ten und im Tagesverlauf soll er nie mehr als 180 mg% be­ tragen; damit besteht zugleich Harnzuckerfreiheit. Die Diät wird vom Arzt nach einem Diätplan unter Be­ rücksichtigung des Körpergewichts in Anpassung an die körperl. Tätigkeit (je nach Beruf) verordnet. Die Kalorien-(Joule-)Zahl wird auf 24 Stunden berechnet, und der Kohlenhydratanteil wird individuell, dem spezif. Wir­ kungsprofil des Insulins oder anderer blutzuckersenken­ der Präparate entsprechend, auf die einzelnen Mahlzeiten verteilt. Die Kost soll fettarm, eiweißreich und kohlen­ hydratbegrenzt sein. Der Zuckerkranke muß lernen, die Nahrungsmittelzusammcnsetzung selbst auszuwählen und zu berechnen. Die Kohlenhydrate werden in der Bundesrep. Dtl. als Broteinheiten (Abk. BE) berechnet. Einer BE entspre­ chen 12 g Kohlenhydrate, eine BE entspricht demgemäß der Kohlenhydratmenge, der 12 g Glucose kalorisch äqui­ valent sind; diese Menge wiederum entspricht ungefähr ei­ ner dünnen Scheibe Schwarzbrot von 25 g oder einem hal­ ben Brötchen, einer eigroßen Kartoffel oder z. B. 15 g Reis, 20 g Haferflocken oder einem kleinen Apfel von etwa 100 g. Dies bedeutet, daß einer BE unterschiedl. Mengen verschiedener kohlenhydrathaltiger Nahrungs­ mittel gleichzusetzen sind. Somit können diese Nahrungs­ mittel gegeneinander, wenn auch nicht beliebig, ausge­ tauscht werden. Dazu braucht der Zuckerkranke eine Austauschtabelle aus der er ersehen kann, wieviel g eines Nahrungsmittels einer BE entsprechen. Von den verord­ neten BE solle1 /3 als Obst und Gemüse eingenommen wer­ den. Manche Gemüse, z. B. Spargel, sind anrechnungs­ frei. Nicht erlaubt sind: Kochzucker, Malz und Trauben­ zucker; letzterer ist jedoch im Notfall des Unterzucke­

rungsschocks wichtig, da er im Verdauungstrakt sofort aufgenommen wird und geradezu ins Blut >einschießtverstecktDiabetikerwein< deklariert), klarer Schnaps und Diabetikerbier sind nach Absprache mit dem Arzt in Ma­ ßen erlaubt. Zum Süßen können Zuckeraustauschstoffe (z. B. Fruchtzucker, Sorbit) verwendet werden. Saccharin oder Zyklamat sind Süßstoffe ohne Energiegehalt und nicht anrechnungsfähig. Insulinbehandlung. Die Behandlung mit dem von den amerikan. Ärzten F. G. Banting (* 1891,t 1941) und C. H. Best (* 1899,11929) erstmals 1921 aus den Bauchspei­ cheldrüsen von Hunden isolierte -»Insulin (die Langerhansschen Inseln der Bauchspeicheldrüse sind namenge­ bend) ist bes. beim Typ I des Zuckerkranken erforderlich. Es gab zunächst Tierinsuline, die aus Bauchspeicheldrü­ sen von Schlachttieren (Rind, Schwein) gewonnen wur­ den und nicht die gleiche ehern. Struktur wie das menschl. Insulin hatten. Erst seit 1982 verfügt man über die Mög­ lichkeit, mit menschl. Insulin, dem Humaninsulin, zu be­ handeln . Das Insulin wird zur Erreichung eines bestmög­ lichen biolog. Effekts im Tierversuch nach pharmakolog. Einheiten dosiert. Eine Einheit (Abk. E) Insulin ist die Menge, die im Tierversuch bei einem nüchternen Kanin­ chen den Blutzuckerspiegel innerhalb von 1-2 Stunden von 100 mg% auf 45 mg% senkt. Die gebräuchlichen In­ 829

Zuck sulinpräparate enthalten 40 E/ml, also 4 E in 0,1 ml. Im allgemeinen liegt der Bedarf bei totalem Insulinmangel des Zuckerkranken bei 30—40 E täglich. Das Insulin muß, da es sich um ein im Magen-Darm-Kanal zerstörbares Ei­ weißhormon handelt, durch Injektion zugeführt werden. Die Aufsaugung (Resorption) des Insulins aus dem Kör­ pergewebe ist nicht nur von der Körpertemperatur, der Bewegung und Durchblutung abhängig, sondern auch vom Ort der Injektion; aus den Bauchdecken erfolgt die Resorption rascher als aus der Unterhaut des Oberschen­ kels. Meist werden hochgereinigte, d. h. von Begleitpro­ teinen freie >Monospezies-Insuline< allein vom Rind oder allein vom Schwein eingesetzt, wenn nicht Humaninsulinen der Vorzug gegeben wird. Die >alte< erste Form der Insulinpräparate, die Altinsuline, auch als Regulärinsuline bezeichnet, zeigt einen schnellen Wirkungseintritt mit jedoch nur kurzer Wir­ kungsdauer. Hingegen weisen Intermediär-, Verzögerungs- oder auch Depotinsuline durch unterschied!. Kri­ stallisationsverfahren und Kopplung an Verzögerungs­ substanzen (z. B. an Zink oder Protamin) einen langsame­ ren Wirkungseintritt auf. Das Wirkungsmaximum liegt zwischen der 2. und 7. Stunde nach der Injektion bei einer Gesamtwirkungsdauer von bis zu 18 Stunden. Kombinationsinsuline sind Mischungen aus Alt- und Intermediärinsulinen; sie haben einen schnelleren Wirkungseintritt mit mittellanger Wirkdauer. Die Langzeitinsuline kom­ men nur selten zur Basistherapie, zu welcher zusätzlich Altinsulindosen gespritzt werden müssen, in Frage. Die Behandlung mit Altinsulin ist absolut notwendig beim Koma oder seinen Vorstadien, ferner bei vollkom­ menem Insulinmangel, z. B. nach Pankreasverlust durch Unfall oder Operation, bei schwangeren Diabetikerinnen mit erfolgloser Diättherapie sowie beim Zuckerkranken des Typs II, wenn dieser plötzlich nicht mehr auf orale An­ tidiabetika (Tablettenbehandlung) anspricht. Bei jeder Form der Insulintherapie besteht die Gefahr eines zu star­ ken Blutzuckerabfalls mit Erscheinungen der -»Zucker­ mangelkrankheit bis zum Unterzuckerungsschock. Un­ terzuckerungen (Hypoglykämien) leichteren Grades sind auch bei guter Einstellung nicht immer zu vermeiden. Das gespritzte >Insulinprofil< wirkt nicht wie beim Gesunden bedarfsgerecht, sondern unterschiedlich, d. h. unange­ paßt gleichmäßig auch dann, wenn keine Nahrung zuge­ führt wird. Aus diesem Grund soll durch viele kleine Mahlzeiten der Unterzuckerung vorgebeugt werden. In seltenen Fällen kann es sofort nach der Insulininjektion (auch innerhalb von 18—24 Stunden) zu Hauterscheinun­ gen bis zur großen allergischen Sofortreaktion kommen. Häufiger sind später auftretende Hauterscheinungen (Spätreaktionen); Ursache können sein: Lösungsmittel, Begleitproteine (heute sehr unwahrscheinlich), Verzöge­ rungssubstanzen wie Zink und Protamin oder das Insulin selbst. Dann muß der Insulintyp, die >SpeziesTagesprofilbiomolekulare Wirkfaktoren< aus den Zellen fetaler oder juveniler Tiere (Pferd, Rind, Schaf) durch Einwirken von Säure­ dampf im Vakuum bei tiefer Temperatur freigesetzt wer­ den. Die Wirkfaktoren sind Gemische aus nativen (natür­ lich gebliebenen) Makromolekülen und deren Unterein­ heiten. Das Herstellungsverfahren vermindert die Artspe­ zifität (Haptenisierung) und verbessert dadurch die Ver­ träglichkeit. Es steigert die Wasserlöslichkeit sowie die biolog. Verfügbarkeit und führt zu einem von virulenten Mikroorganismen freien Präparat. Anwendung innerhalb der Erfahrungsheilkunde bei degenerativen, entzündl. und allerg. Erkrankungen sowie Autosensibilisierungskrankheiten, bes. des rheumat. Formenkreises, Entwicklungsstörungen, Stoffwechsel­ erkrankungen, endokrinen und vegetativen Krankhei­ ten, Altersleiden. zytoplasmatische Therapie,

Zytostatika, Cytostatica, zytostatische Mittel,

Substanzen, die das Wachstum bösartiger Geschwülste (-»Krebsgeschwülste) hemmen. Zu den Z. gehören: alky­ lierend wirkende Substanzen wie Stickstofflost-Abkömmlinge, Äthylenimine, Alkylsulfonate und Nitroso­ harnstoff-Abkömmlinge, ferner Mithramycin und Anthracykline, die auf die Funktion der -» Desoxyribonu­ kleinsäure im Zellkern einwirken. Die Purin-, Pyrimidinund Folsäure-Antimetabolite (Mercaptopurin, Azathio­ prin, Fluorouracil, Cytarabin, Methotrexat) blockieren die für die Nucleotid- und Eiweißsynthese wichtigen Stoffwechselvorgänge. Die Vincaalkaloide (Vinblastin und Vincristin) und Colchicin stören die Ausbildung des Spindelapparats bei der Zellteilung. Daneben werden Fer­ mente (Asparaginase), Hormone (Östrogene und Andro­ gene) sowie radioaktive Isotope als Z. eingesetzt. Alle bis jetzt bekannten Z. wirken auf normale Zellen im gleichen Sinn wie auf Zellen bösartiger Geschwülste ein. Sie schädigen dadurch Gewebe mit einer hohen Zell­ teilungsfrequenz wie Knochenmark (blutbildendes Or­ gan), Darmwandepithel, männl. Keimdrüsen, embryona­ les und fetales Gewebe u. a. und haben daher ein hohes Ne­ benwirkungsrisiko, weshalb eine strenge Indikationsstel­ lung notwendig ist. Trotzdem haben Z. neben operativer Entfernung und Bestrahlung einen gesicherten Platz in der Behandlung von bösartigen Geschwülsten und bes. der Leukämie. Einige nebenwirkungsärmere Z. werden auch als -► Immunsuppressiva zur Behandlung von im­ munologisch bedingten Erkrankungen und zur Verhinde­ rung von Transplantatabstoßungen eingesetzt. Zytotechniker, speziell geschulte Helferinnen und Helfer zur Unterstützung des Arztes bei der -» Zytodia­ gnostik.

837

ERSTE HILFE

Unter Erster Hilfe (E. H.) versteht man sofortiges Hel­ fen von jedermann angesichts offenbarer Gefahr für Ge­ sundheit oder Leben eines anderen Menschen oder Maß­ nahmen zur Verhütung von Schaden, Abwehr von Zu­ satzgefahren, Notruf bei offensichtl. Lebensgefahr und (seel.) Betreuung des Betroffenen bis zum Eingreifen or­ ganisierter Hilfe. Nach §330c StGB wird derjenige mit Strafe bedroht, der seine Hilfe versagt, obwohl er den Umständen entsprechend hätte Hilfe leisten können. So wird von jedem Staatsbürger unter besonderer Berück­ sichtigung der Häufigkeit von Verkehrsunfällen erwartet, daß er die grundlegenden Maßnahmen zur Erhaltung le­ benswichtiger Funktionen rechtzeitig erlernt und mög­ lichst auf dem neuesten Stand hält. Erleichtert wird diese Forderung durch die Tatsache, daß in der Bundesrep. Dtl. der Erwerb des Führerscheins mit dem gleichzeitigen Er­ lernen der nötigsten Kenntnisse und Fertigkeiten der -* Reanimation verknüpft ist. Das Leisten von E. H. setzt die Sachkenntnis voraus, die richtigen Maßnahmen zum richtigen Zeitpunkt durch­ zuführen. Die Grundkenntnisse kann man in einem Lehr­ gang von 8 Doppelstunden erwerben, man beherrscht sie aber nur, wenn sie ständig wieder geübt werden. Nicht nur Erwachsene sollten sie erlernen, schon ein Kind kann durch Mund-zu-Mund-Beatmung das Leben eines ande­ ren Menschen erhalten. Die organisierte Form der E. H. hat inzwischen durch das Notarztsystem eine weitgehende Perfektion erreicht, nicht zuletzt durch den geplanten Einsatz von Notarztwagen und Hubschrauber zusammen mit modernsten techn. Hilfsmitteln. Trotzdem können E.-H.-Maßnahmen vom Laien am Unfallort von ent­

scheidender Bedeutung sein. Während früher der Grund­ satz galt, daß der Ersthelfer immer nur die E. H. leiste, aber nie selbst behandle, ist heute in der Entwicklung des Rettungssanitäterwesens die Tendenz festzustellen, daß in äußersten Notfällen (z. B. bei in Kürze zu erwartendem Tod des Unfallverletzten) auch das Rettungspersonal die sonst nur Ärzten vorbehaltenen notwendigen Maßnah­ men nach entsprechender Schulung vornehmen kann, z. B. -»Intubation und -► Defibrillieren. Sinn und Ziel der E. H. ist es, augenblickliche und dro­ hende Zusatzgefahren abzuwenden, Schmerzen zu lin­ dern, den verletzten, erkrankten oder vergifteten Men­ schen zu betreuen und ihm auch seelisch zur Seite zu ste­ hen, bis die herbeigerufene organisierte Hilfe die weitere Sorge und den Transport des Betroffenen übernimmt. Man spricht heute von einer 5gliedrigen Rettungskette, an deren Anfang der Augenzeuge des Unglücksgesche­ hens steht: 1) Sofortmaßnahmen, wie den Verunglückten aus dem Gefahrenbereich holen; 2) Benachrichtigung des Rettungsdienstes über den telephon. Notruf (in der Bundesrep. Dtl. HO) oder auf Autobahnen über die nächste Notrufsäule. Über die hier­ bei notwendigen Angaben vgl. Notmaßnahmen, Ab­ schnitt Notruf; 3) Versorgung des Verunglückten durch Maßnahmen derE. H.; 4) Eintreffen des Rettungsdienstes. Der Verunglückte wird transportfähig gemacht und mit dem Rettungsfahr­ zeug in ein Krankenhaus gebracht; 5) ärztl. Versorgung und Behandlung im Krankenhaus.

NOTMASSNAHMEN Abbinden:

vgl. Abschnitt Blutstillung durch Ab­

binden. Abdrücken: vgl. Abschnitt Blutstillung durch Abdrükken und Druck verband. abgetrennte Gliedmaßen: am Unfallort sofort in trokkenen keimfreien Verbandmull einwickeln und dann in ei­ nen wasserdichten Beutel legen. Dieser wird, dicht ver­ schlossen, in einen zweiten, mit Eis und Wasser gefüllten Beutel gelegt. Die Wunde des Verunglückten mit Druck­ verband versorgen. Transport in eine Spezialklinik. (Bild abgetrennte Gliedmaßen, S. 7) Armbruch: vgl. Abschnitt Knochenbrüche. Atemspende: seitlich am Kopf des Liegenden hinknien, mit beiden Händen (an Stirnhaargrenze und Kinn) den Kopf extrem nach rückwärts beugen, diese Lage nach Möglichkeit durch das Unterschieben einer Rolle (geroll­ tes Kleidungsstück) zwischen die Schulterblätter stabili­ sieren . Den Daumen der Hand am Kinn quer unter die Un­ terlippe legen, diese nach oben schieben und so den Mund des Verunglückten verschließen. Den eigenen weit geöff­ neten Mund auf das Gesicht (um die Nase herum!) oder, unter Verschließen der Nase, den eigenen Mund auf den Mund des Verunglückten (Bild bei Abschnitt Herzstill­ stand) fest aufsetzen, Luft einblasen; den Mund abheben, ohne Kopflage zu verändern, die Luft aus der Lunge ent­ weichen lassen, erneutes Aufpressen des Mundes und Einblasen, etwa 16mal in der Minute, bei Kindern und Säuglingen etwa 25—40 Atemstöße pro Minute. (Weite­ res Bild S. 839)

Atemstillstand: Wenn bei Prüfung durch Handaufle­ gen auf die Magengrube und untersten Rippenrand keine Atembewegungen zu spüren sind, künstl. Beatmung durch Atemspende. Atmet der Verunglückte wieder, ist er aber noch bewußtlos, in Seitenlage drehen! Augenverätzung: vgl. Abschnitt Verätzung. Augenverletzung: das verletzte Auge behutsam keim­ frei bedecken, beide Augen mit Dreiecktuchkrawatte zu­ binden, ohne Druck auf die Augäpfel auszuüben! Sofort Augenarzt aufsuchen. Bade- und Bootsunfall: 1) Wasser in Ohren und Stirn­ höhle kann durch Schütteln des Kopfes entfernt werden. Dabei Hüpfen auf einem Bein. Ohren mit einer Hand­ tuchecke auswischen. 2) Krämpfe (Bein, Finger): kräftige Gegenbewegung. Bei Wadenkrampf Hochreißen der Fußspitzen, bei Fin­ gerkrampf Beugen und kraftvolles Strecken der Finger, bei Oberschenkelkrampf in Rückenlage kräftiges Bein­ strecken bei aufwärts gestreckten Fußspitzen. Krämpfe entstehen durch Überanstrengung oder zu starke Abküh­ lung, deshalb in jedem Fall sofort aus dem Wasser! 3) Verletzungen durch Ausgleiten oder Aufschlagen so­ wie Aufspringen auf einen im Wasser befindl. Schwim­ mer: Zuerst aus dem Wasser, dann E. H. Ebenso bei Be­ wußtlosigkeit im Wasser durch Magenüberfüllung oder aus anderen Gründen zuerst retten, dann, nach Entfer­ nungallerbeengenden Kleidungsstücke, Wiederbelebung (vgl. Abschnitt Atemspende). 4) Ist Rettungsring vorhanden, mit dem Ring an den

Erste Hilfe: Atemspende durch Mund-zu-Nase-Beatmung

838

Erste Hilfe: Verhalten bei Bade- und Bootsunfällen; Rettung bei Bootsunfäl­ len. Retten vom leichten Boot aus. oben falsch, unten richtig

Hilfsbedürftigen heranschwimmen und ihn ins Schlepp nehmen. Richtiges Zuwerfen gelingt selten. 5) Bei Massenunfällen (Fährunglück, Brückeneinsturz, Schiffkentern) von außen her beginnen, die Verunglück­ ten einzeln zu retten, nachdem alles Schwimmbare ins Wasser geworfen wurde. Bei Verklammerung den Zwei­ ten energisch mit den Füßen abtreten! Bei ungelöster Um­ klammerung muß Bewußtlosigkeit abgewartet werden, wenn nicht auch der Helfer Opfer werden will. Im Som­ mer behindernde Kleidung und Schuhe abstreifen, im Winter nur Schuhe und Mantel! 6) Bei Bootsunfällen: Bei Kentern am Boot bleiben! Bei gekenterten Segelbooten gegen den Wind (über Luvdoll­ bord) ins Wasser klettern und festhalten! Niemals das Boot verlassen! Bei kieloben gekenterten Booten auf den Kiel klettern! Rettungsgerät benutzen! Sportboote, z. B. Gigvierer, können voll Wasser schlagen, ohne unterzuge­ hen. Bleibt die Mannschaft bei ausgelegten Riemen ruhig im Boot sitzen, besteht selten Ertrinkungsgefahr. Will man mit leichten Booten retten, stets mit dem Heck an den Ertrinkenden heranrudern! Bei größeren Booten den Verunglückten seitlich einholen. Windrichtung und -stärke berücksichtigen. So heranrudern, daß der Wind das Boot nicht abtreibt. Geht >Mann über Bordeingeschlafen< oder nicht zu fühlen sind. Keine Veränderung der Lage! Notruf, Va­ kuummatratze anfordern! Kolik: Kennzeichen sind heftige Schmerzen im Leib, die sich krampf- und wehenartig steigern, wieder nachlas­ sen und erneut mit zunehmender Heftigkeit einsetzen. Bettruhe, Arzt rufen, keine Medikamente verabreichen, um das Krankheitsbild nicht zu verschleiern. Schüssel für Erbrechen bereitstellen. Nasenbluten: vornübergebeugt hinsetzen, Kopf in die Hände stützen oder blutendes Nasenloch zudrücken. Kalte Umschläge in den Nacken, oft erneuern; nicht schneuzen. Auf normales ruhiges Atmen achten, um Überventilation zu vermeiden. Bei Unbeeinflußbarkeit Arzt rufen! Notruf: in der Bundesrep. Dtl. unterTelephonnummer 110; immer folgende Angaben machen (5 >WFinger in den HalsVolksmitteln< oder Medikamenten! Der Arzt muß die Wunde sehen, wie sie durch das Unglück hervorgerufen wurde! Daher mit Ver­ bandpäckchen trocken-keimfrei verbinden. Fremdkör­ per, die in der Wunde stecken, nicht entfernen, in Ver­ band einbeziehen! Arztbehandlung wegen Wundstarr­ krampfgefahr!

845

HINWEISE FÜR DEN BENUTZER

Der Gesundheits-Brockhaus soll als laienverständ­ liches Gesundheitsbuch beraten und informieren. Mit seinen Auskünften über Verhaltensmaßnahmen und Be­ handlungsmöglichkeiten will er der Erhaltung oder Wie­ derherstellung der Gesundheit dienen. Solche Hinweise sind als unverbindliche Richtlinien anzusehen; sie haben keinen Anspruch auf Vollkommenheit und können die Beratung durch den behandelnden Arzt nicht ersetzen. Zugleich bietet das Werk durch die lexikalische Aufbe­

reitung des Stoffs einen schnellen Überblick über die Er­ kenntnisse der Medizin und ihrer Grenzgebiete. Auf die Nennung von Spezialpräparaten mit ihrer Handelsbe­ zeichnung mußte aus rechtlichen Gründen verzichtet werden. Fragen und Anregungen der Leser werden ohne besondere Formalitäten und kostenlos von der Lexikonredaktion in Verbindung mit ihrem großen Mitarbeiter­ kreis beantwortet. Diagnosen und medizinische sowie rechtliche Beratung sind davon ausgeschlossen.

Reihenfolge und Schreibung der Stichwörter

Die Stichwörter folgen einander nach dem Abc. Für das Einordnen gelten alle in fetter Schrift gedruckten Buchstaben, auch wenn das Stichwort aus mehreren Wörtern besteht. Unterstichwörter sind in halbfetter Schrift gesetzt. Die Umlaute ä, ö, ü werden wie die einfachen Buch­ staben a, o, u behandelt, also folgen z. B. aufeinander:

Badekur, Bäderkunde, Bahre, Bähung. Ae, oe, ue werden wie getrennte Buchstaben behandelt, auch wenn sie wie ä, ö, ü oder sonst abweichend vom Schriftbild ge­ sprochen werden; z. B. folgen aufeinander: Cadmium­ erkrankungen,

Caecum,

Caissonkrankheit.

Auch die Doppellaute ai, au, äu, ei, eu sowie sch, st, sp usw. werden getrennt alphabetisiert.

Betonung und Aussprache

Wo beim Stichwort Zweifel über die Betonung auftre­ ten können, ist diese durch einen Punkt unter dem beton­ ten Laut angegeben, z. B. Ikterus, Kausalgie. Getrennte Aussprache zusammenstehender Buchsta­ ben wird in Zweifelsfällen durch einen senkrechten Strich angezeigt, z. B. Ilejus, Kodejin.

a= helles a, dt. Blatt a= dunkles a, dt. war, engl. Bath ä= nasales a, frz. Cancan a= dumpfes a, engl. Butler ß = halboffener Reibelaut b, span. Haöanera 9= deutscher Ic/i-Laut ö = stimmhaftes engl. th, engl. t/ie ae = breites ä, engl. Bond, Jazz e= offenes e, dt. fett, frz. Ariette e = geschlossenes e, dt. Beet frz. coul^

a = dumpfes e, dt. alle 6= nasales e, frz. fin y= geriebenes g, span. Tarragona i = geschlossenes i, dt. Wiese 1 = offenes i, dt. bin, engl. Music 1= nasales i, portugies. /nfante t= dunkles 1, poln. Lutosfawski X = lj, ital. Imbrog/io rj = deutscher ng-Laut, dt. lange, engl. Song ji= nj-Laut, ital. Bologna 9= offenes o, dt. Kopf o = geschlossenes o, dt. Tor

Die Aussprache (mit Betonung) von fremdsprach­ lichen oder schwierigen Wörtern und Namen steht in eckiger Klammerhinter demStichwort.z. B. Gelee roy­ ale bal' e rwaj' al]. Sie wird nach dem Internationalen Lautschriftsystem der Association Phonetique Interna­ tionale bezeichnet. Die verwendeten Zeichen bedeuten:

5 = nasales o, frz. Chanson 0 = geschlossenes ö, dt. Höhle oe = offenes ö, dt. Hölle öe = nasales ö, frz. un s = stimmloses s, dt. was z = stimmhaftes s, dt. singen J = stimmloses sch, dt. Sc/iuh 3= stimmhaftes sch, frz. Jour 0= stimmloses th, engl. f/ieatre u = geschlossenes u, dt. Kuh u = offenes u, dt. bunt

ü = nasales u, portugies. Funchal v = deutsches stimm­ haftes w, dt. IFald w = halbvokalisches w, engl. well x = deutscher Ach-Laut, dt. DacÄ y = deutsches ü q= konsonantisches y, frz. Suite : bezeichnet Länge des vorhergehenden Vokals, z. B. blu:z = Blues ' bezeichnet Betonung und steht vor dem Vokal der betonten Silbe, z. B. alm'äd = Allemande

bdfghjklmnprt geben in den meisten Sprachen etwa den Lautwert wieder, den sie im Deutschen haben. Im Engli­ schen wird >r< weder wie ein deutsches Zäpfchen-r noch wie ein gerolltes Zungenspitzen-r gesprochen, sondern mit der Zungenspitze an den oberen Vorderzähnen oder am Gaumen gebildet. Sprachliche Herkunft der Wörter

Kurze Herkunftsangaben stehen, wo sie wichtig und aufschlußreich sind, in eckiger Klammer hinter dem Stichwort. Es werden teils Herkunftssprache und wört­ liche deutsche Entsprechung angegeben, z. B. Autoklav [grch.-lat. >SelbstschließerStockStabBrotPilze und Wildfrüchte< Nr. 25/1983 ■ Akademisches Krankenhaus, Kon­ stanz • E. Alt, München • P.-H. Althoff, Frankfurt am Main • Arbeitsgemeinschaft Rhein-Wasserwerke e. V., Düsseldorf • Archiv für Kunst und Geschichte, Berlin ■ G. Baltzer, Mar­ burg • E. Bauer, Neureut-Heide • Bavaria-Verlag, Bildagentur, Gauting ■ K. Beck, Wiesbaden • Behringwerke AG, Frankfurt am Main • Beiersdorf AG, Hamburg • Bericht der Bundesre­ gierung über den Stand der Unfallverhütung und das Unfallge­ schehen in der Bundesrep. Dtl., >ArbeitersicherheitBT-Drucksache< 9/43 v. 16. 12. 1980 ■ Bernhard-Nocht-Institut für Schiffs- und Tropenkrankheiten, Hamburg ■ Beuth Ver­ lag GmbH, Berlin • Bildarchiv der Österreichischen National­ bibliothek, Wien • Bildarchiv für Medizin München GmbH, München • Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin • Blanc GmbH & Co., Oberderdingen • Otto Bock Orthopädische In­ dustrie KG, Duderstadt • J. Ch. Bode, Stuttgart ■ R. M. Bohnstedt, Gießen ■ D. Bokelmann, Essen • H.-G. Borowski, Mar­ burg ■ G. Braun (vorm. G. Braunsche Hofbuchdruckerei und Verlag) GmbH, Karlsruhe ■ B. Braun Melsungen AG, Melsun­ gen • G. Brehm, Ludwigshafen • U. H. Breker, Köln ■ W. Brendel, München • Brönner Verlag, Breidenstein GmbH, Frankfurt am Main, >Die Umschau«, 20/82 ■ H. u. R. Bukor, Eltville am Rhein • Bundesforschungsanstalt für Ernährung, Institut für Hauswirtschaft, Stuttgart • Bundesinstitut für Be­ völkerungsforschung, Wiesbaden ■ H. Bünte, Münster • W. Büttner, Münster ■ Camera Press Ltd., London • Ciba-Geigy AG, Basel, nach >Ciba Farbatlanten der MedizinDeutsches Ärzteblatt« 5/76; 44/79; 1/80 • Deutsches Röntgen-Museum, Remscheid • Deutsche Verlags-Anstalt GmbH, Stuttgart »bild der wissenschaftKurzes Lehrbuch der Zoologien 4. Aufl., 1981 ■ H. Fleischhacker, Frankfurt am Main ■ Friedrichsfeld GmbH, Mannheim • W. Fuhrmann, Gießen • U. Gebhardt-Seehausen, Aachen ■ E. Geyer, Marburg • Glob-AdVision AG, Thun/Schweiz • Globus-Kartendienst GmbH, Hamburg ■ W. Göbel, Spielberg • Grosse Verlag GmbH, Ber­ lin, A. F. Holstein/E. C. Roosen-Runge >Atlas of Human Spermatogencsis«, S. 199, 1981; P. Pfannenstiel >Therapie von Schilddrüsenerkrankungen«, 1979 • H. Gundlach, Heidenheim • F. Haag, Eschborn • P. R. Hanke, Wiesbaden • Hauptverband der Gewerblichen Berufsgenossenschaften e. V., Bonn • L. Hausdorff, Wiesbaden • Hautklinik Ludwigshafen • Henning Berlin GmbH, Berlin • F. Heß, Marburg ■ HewlettPackard GmbH, Böblingen • G. Hildebrand, Schlüchtern • B. Hilka, Hannover • E. Hilka, Wiesbaden • Hoechst Aktienge­ sellschaft, Frankfurt am Main • F. Hoff, Frankfurt am Main ■ W. Hollmann, Köln ■ A. F. Holstein, Hamburg • F. O. Hö­ ring, Berlin • Hans Huber AG Buchhandlung Verlag, Bern, O. Bücher >Cytologie, Histologie und mikroskopische Anatomie des Menschen«, 9. Aufl., 1977 • B. Hübner, Wiesbaden • IAWR, Amsterdam ■ I.M.P. Verlags GmbH, Neu-Isenburg,

848

>Der informierte Arzt« 4/81 • Institut für Maschinenelemente B und Getriebetechnik, Universität Hannover • Israel Health­ care, Israel Export Institute Center, Tel Aviv • JAMA, Jour­ nal of the American Medical Association«, 1. August 1980 • Jo­ hannes Gutenberg-Universität, Urolog. Klinik, Mainz • Kern & Birner, Frankfurt am Main, Der Kassenarzt, Mitteilungsblatt des Deutschen Kassenarztverbandes, Lünen, >Der Kassenarzt« 13/78 • J. Klahn, Freiburg ■ Dr. Paul Koch KG, Neuffen ■ H. Kramer, Heidelberg ■ J. Krämer, Bochum • MACLET Medizi­ nalbedarf GmbH, Düsseldorf • Robert Mathys Co., Bettlach/ Schweiz • MEDÄP, Medizinische Apparate, Bad Homburg v. d. H. • Medical Tribune GmbH, Wiesbaden ■ MEDIMEX, Hamburg ■ medizin heute, Köln • Medizinische Einrichtungen der RWTH Aachen ■ Messerschmitt-Bölkow-Blohm GmbH, München ■ Meyra-Krankenfahrzeugfabrik Wilhelm Meyer, Vlotho • S. Mies, Hannover • Milupa AG, Friedrichsdorf/ Taunus • J. D. Möller Optische Werke GmbH, Wedel • C. H. F. Müller, Unternehmensbereich der Philips GmbH, Hamburg • F. Ad. Müller Söhne, Wiesbaden ■ K.-M. Müller, Münster ■ OCULUS Optikgeräte GmbH, Dutenhofen ■ OLYMPUS Win­ ter & Ibe GmbH, Hamburg • H. Orbach, Neuss • perimed Ver­ lag Dr. med. D. Straube, Erlangen, »Notfallmedizin« 6/80 • D. J. Peterson, Loma Linda, Calif./USA • G. Petry, Marburg • M. Petry, Wiesbaden ■ H. Petzoldt, Wiesbaden ■ W. Peuser, Merenberg • P. Popper Ltd., Loncion • Pressebildarchiv H. Finke, Konstanz ■ Protek AG, Bern • H. Raettig, Berlin • Rheinisches Landesmuseum Bonn ■ H. Rieth, Hamburg • W. Rotter, Frankfurt am Main ■ R & P Werbeagentur Eva Maria Reuter, Lohmar • Hugo Sachs Elektronik, March-Hugstetten • W. Sadina, Celle-Garsgen • H. Schadewaldt, Düsseldorf ■ F. K. Schattauer Verlag, Stuttgart, Koller/Duckert >Thrombose und Embolie«, 1983 • A. Schede, Sanderbusch (Oldbg.) • Schil­ derfabrik Hänseroth oHG, Traisa/Darmstadt • Erich Schmidt Verlag GmbH, Berlin (Zahlenbild 603135) • K. Schmidt, Hei­ delberg ■ W. Schmidt-Lorenz, Karlsruhe • H. R. Schoen, Frankfurt am Main ■ C. Schönle, Kiel • Schütt + Grundei GmbH, Lübeck • Selecta Verlag Dr. Ildar Idris, Planegg vor München, >selecta< 8/79; 40/80; 52/80; 4/81; 5/81; 6/81; 8/81; >Praxis Kurier« 44/80 ■ Siemens AG, Erlangen • E. Sippach, Wiesbaden • W. Spielmann, Frankfurt am Main • SpringerVerlag GmbH, Berlin, nach H. G. Borst >Allgemeine und spe­ zielle (chirurgische) Operationslehre«, Bd. 6/2 (Herz und herz­ nahe Gefäße), 1978 • Städt. Krankenhaus, Konstanz • Städt. Kurdirektion, Bad Wörishofen ■ Standard Elektrik Lorenz AG, Stuttgart • Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland, Genf • Statistisches Bundesamt Wiesbaden ■ Stif­ tung Volkswagenwerk, Hannover ■ Strahlenklinik und -Polikli­ nik der Universität Marburg an der Lahn • H.-L. Thiel, Lud­ wigshafen • Georg Thieme Verlag, Stuttgart, nach Alexander/ Raettig »Infektionskrankheiten«, 2. Aufl., 1981; nach F. HaidFischer/H. Haid »Venenerkrankungen«, 1973; nach Kahle/ Leonhard/Platzer »Taschenatlas der Anatomie«, 3. Aufl., 1979; nach J. Krämer »Bandscheibenbedingte Erkrankungen«, 1978; nach Martius »Lehrbuch der Geburtshilfe«, 1971; nach E. Most/N. Kaiser »Verbandlehre«, 2. Aufl., 1978; nach Töndury »Angewandte und topographische Anatomie«, 5. überarbeitete und erweiterte Auflage, 1981 • Tierbilder OKAP1A KG, Frank­ furt am Main ■ Wilhelm Uebe Thermometer GmbH, WertheimReicholzheim • Verlag Urban & Schwarzenberg, München, P. Pitzen/H. Rössler »Kurzgefaßtes Lehrbuch der Orthopädie«, 1976; G. Thiele »Handlexikon der Medizin« • V-Dia-Verlag GmbH, Heidelberg ■ VEB Georg Thieme Verlag, Leipzig, H. Pätzold »Propädeutik der Inneren Medizin«, 1965 • G. Veltman, Bonn ■ Verein »Rationelle Arztpraxis e.V.«, Stuttgart, »Arzt und Wirtschaft«, 6/81 • K.-J. Volkmer, Hamburg ■ Volkswagenwerk AG, Wolfsburg • R. Wagner, Bonn • K.-W. Wedel, Rodenkirchen • H.-D. Wolff, Trier ■ ZEFA, Düssel­ dorf ■ Carl Zeiss, Oberkochen • E. Zeitler, Nürnberg • M. Ziegler, Heidelberg • M. Zierski, Gießen

®sllr ■,Äiw

»H« ,‘hb »Ä»b»•

•S55gg5g»S2» »WSj

sfrKwX& zu

?>:;:’:;:.s

nHi

?owi ?b 'IW'bh’.’.'X'

w> '®ww!w W