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German Pages 298 Year 2017
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1360
Der Gesetzgebungsvertrag als Rechtsproblem Möglichkeiten und Grenzen legistischer Verhaltenszusagen der Bundesregierung gegenüber Privatrechtssubjekten durch Vertrag
Von
Daniel Hahn
Duncker & Humblot · Berlin
DANIEL HAHN
Der Gesetzgebungsvertrag als Rechtsproblem
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1360
Der Gesetzgebungsvertrag als Rechtsproblem Möglichkeiten und Grenzen legistischer Verhaltenszusagen der Bundesregierung gegenüber Privatrechtssubjekten durch Vertrag
Von
Daniel Hahn
Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn hat diese Arbeit im Jahr 2016 als Dissertation angenommen.
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Meinen Eltern
Vorwort Diese Arbeit wurde im Sommersemester 2016 von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung wurden bis Ende 2015 berücksichtigt. Zunächst darf ich meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Klaus Ferdinand Gärditz, meinen ehrlichen Dank für die angenehme Betreuung und die wertvollen Anregungen während der Anfertigung dieser Arbeit aussprechen. Er ließ mir bei der Bearbeitung des Themas große Freiheit und hatte für meine Ideen stets ein offenes Ohr. Bei Herrn Professor Dr. Dr. Wolfgang Durner LL.M. bedanke ich mich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Herzlich danken möchte ich zudem meiner lieben Freundin Tatjana Windgassen, die wertvolle Korrekturarbeiten an der Arbeit geleistet hat und deren kritischer Blick der Qualität der Arbeit stets dienlich war. Meine Eltern, Thomas und Waltraud Hahn, meine Geschwister Oliver, Verena und Florian sowie meine Großeltern, Gertrud und Wilhelm Müller, haben mich auf meinem langen Bildungsweg liebevoll unterstützt. Hierfür möchte ich mich aufrichtig bedanken. Ich widme die Arbeit meinen Eltern. Sie haben mir in jeder Lebenslage stets das nötige Vertrauen geschenkt und durch ihren bedingungslosen Rückhalt einen großen Teil zu der Anfertigung dieser Arbeit beigetragen. Bonn, September 2017
Daniel Hahn
Inhaltsverzeichnis A. Einführung und Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 I. Einleitung und Gegenstand der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 II. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 1. Erscheinungsformen des echten Gesetzgebungsvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . 18 2. Erscheinungsformen des unechten Gesetzgebungsvertrags . . . . . . . . . . . . . . 18 III. Problemaufriss anhand praktischer Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 1. Der Atomkonsens von 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2. Der Förderfondsvertrag als atypischer Gesetzgebungsvertrag . . . . . . . . . . . . 21 3. Das Kernbrennstoffsteuergesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 4. Das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 5. Der Solidarbeitrag der forschenden Arzneimittelhersteller (VfA) . . . . . . . . . 26 IV. Abgrenzung und Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1. Abgrenzung zur administrativen Rechtsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 2. Abgrenzung zum legislativen Outsourcing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 3. Abgrenzung zu kooperativen Instrumenten des Umweltrechts . . . . . . . . . . . 36 4. Abgrenzung zu Verträgen zwischen Staatsorganen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 a) Vertragsschlussfähigkeit von Verfassungsorganen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 b) Vertragliche Erscheinungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 c) Exkurs: Verträge im föderativen Verhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 B. Rechtserzeugung und konsensuale Verständigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 I. Die zentrale Rolle des Parlaments im demokratischen Gefüge . . . . . . . . . . . . . . 45 1. Das Parlament als Legitimationsorgan (Kreationsfunktion) . . . . . . . . . . . . . 45 2. Das Parlament als Entscheidungsinstanz (Rechtsetzungsfunktion) . . . . . . . . 46 3. Das Parlament als Kontrollinstanz (Kontrollfunktion) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 4. Legistische Transparenz als Rechtsetzungserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 a) Begriff und Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 b) Normative Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 II. Bedürfnis nach konsensualer Normgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 1. Das Anliegen von Konsensvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 2. Nutzen kooperativer Handlungsformen im Bereich der Normsetzung . . . . . 62
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Inhaltsverzeichnis a) Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 b) Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 3. Risiken kooperativer Handlungsformen im Bereich der Normsetzung . . . . . 65 a) Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 b) Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 III. Konsensfindung im Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 1. Der Konsens als Grundlage judikativer Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . 68 a) Der Vergleich im Verfassungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 aa) Das LER-Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht . . . . . . . . . 68 bb) Der Prozessvergleich nach dem BVerfGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 b) Der „Deal“ im Strafprozess nach § 257c StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 bb) Teleologischer Hintergrund der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 cc) Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 2. Verfassungsrecht als Grundlage eines Gesetzgebungsvertrags . . . . . . . . . . . 79 a) Konsensuale Strukturen im gesetzgebungsbezogenen Geschäftsordnungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 aa) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 b) Verfassungsrechtlich vorgezeichneter Prozess der Gesetzesproduktion . 83 aa) Relevanter Regelungsrahmen für die Untersuchung . . . . . . . . . . . . . 84 bb) Vorab: Verfassungsrechtliche Direktiven im Gesetzgebungsverfahren 85 cc) Die Eignung prozessualer Kontrollnormen als Handlungsnormen für den Gesetzgeber im inneren Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . . . 86 (1) Exkurs: Keine allgemeine Pflicht zum optimalen Gesetzge bungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 (2) Handlungsanweisungen für das innere Gesetzgebungsverfahren 88 dd) Materielles Gebot zum Abschluss eines Gesetzgebungsvertrags auf Grundlage des Verhältnismäßigkeitsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 ee) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 c) Sonstiges Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 d) Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 e) Verfassungsrechtlich vorgegebener Beschleunigungseffekt? . . . . . . . . . . 95 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
Inhaltsverzeichnis
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C. Gesetzgebungsverträge der Bundesregierung als Rechtsproblem . . . . . . . . . . . . 100 I. Legislative Gestaltungsfunktion der Bundesregierung im Bereich bundesstaatlicher Normsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 1. Ministerielle Präparationsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 2. Rückbindung der Abgeordneten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 II. Geltungsgrund des Gesetzgebungsvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 1. Vorab: Unterscheidung zwischen Staatsaufgabe und Kompetenz . . . . . . . . . 104 2. Notwendigkeit einer besonderen Vertragsschlusskompetenz . . . . . . . . . . . . 106 3. Verfassungsrechtliche Ermächtigung zum Vertragsabschluss . . . . . . . . . . . . 109 a) Kompetenzbegründung über Art. 76 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 b) Kompetenzbegründung über Art. 59 Abs. 2 GG analog . . . . . . . . . . . . . 111 c) Kompetenzbegründung über § 15 Abs. 1 GOBReg . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 d) Geschäftsordnungsautonomie der Bundesregierung (Art. 65 S. 4 GG) . . 112 e) Pacta sunt servanda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 f) Stillschweigende verfassungsrechtliche Ermächtigung zum Vertragsschluss 114 g) Vertragsschluss der Bundesregierung als Teil der Regierungsfunktion . . 115 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 III. Rechtliche Grenzen eines Gesetzgebungsvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 1. Europarechtliche Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 a) Die vertikale Kompetenzverteilung innerhalb der Europäischen Union (Verbandskompetenz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 b) Europäisches Sekundärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 c) Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 2. National verfassungsrechtliche Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 a) Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 bb) Gesetzgebungsverträge im Spannungsfeld demokratischer Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 (1) Notwendigkeit einer Legitimationsvermittlung . . . . . . . . . . . . . 128 (2) Die klassischen Formen demokratischer Legitimationsvermittlung 129 (3) Alternative Ansätze demokratischer Legitimationsvermittlung . 131 (4) Einzelne Formen des Gesetzgebungsvertrags . . . . . . . . . . . . . . 134 (a) Echter Gesetzgebungsvertrag (Beschluss) und unechter Gesetzgebungsvertrag (Nichtbeschluss) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 (b) Echter Gesetzgebungsvertrag (Einbringung) und unechter Gesetzgebungsvertrag (Nichteinbringung und Rücknahme) 134 (c) Gesetzgebungsvertrag mit Anreizfunktion . . . . . . . . . . . . . 139 b) Gesetzgebungskompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 aa) Grenzen der (Organ-)Kompetenzbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139
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Inhaltsverzeichnis (1) Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 (2) Echter Gesetzgebungsvertrag (Beschluss) und unechter Gesetz gebungsvertrag (Nichtbeschluss) als Verstoß gegen Art. 77 Abs. 1 GG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 (3) Echter Gesetzgebungsvertrag (Einbringung) und unechter Gesetzgebungsvertrag (Nichteinbringung) als Verstoß gegen Art. 76 Abs. 1 GG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 (4) Unechter Gesetzgebungsvertrag (Rücknahme) als Verstoß gegen Art. 76 Abs. 1 GG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 bb) Grenzen der (Verbands-)Kompetenzbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 (1) Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 (2) Vereinbarungen betreffend den Verwaltungsvollzug durch die Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 (3) Auswirkungen unechter Gesetzgebungsverträge der Bundesre gierung im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung auf die Regelungsbefugnis der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 c) Gesetzgebungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 d) Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 aa) Unechter Gesetzgebungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 (1) Pflicht des Hoheitsträgers: Nichterlass/Nichteinbringung eines Gesetz(-entwurfs) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 (2) Pflicht des Privatrechtssubjekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 (a) Grundrechtsbeeinträchtigung Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 (b) Grundrechtsbeeinträchtigung des beteiligten Privaten . . . . 163 (aa) Exkurs: Rechtsmittelverzicht des beteiligten Privaten 166 bb) Echter Gesetzgebungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 (1) Pflicht des Hoheitsträgers: Erlass/Einbringung eines Gesetz (-entwurfs) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 (2) Pflicht des Privatrechtssubjekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 e) Freies Mandat und Wahlrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 aa) Echter Gesetzgebungsvertrag (Beschluss) und unechter Gesetzgebungsvertrag (Nichtbeschluss) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 bb) Echter Gesetzgebungsvertrag (Einbringung), unechter Gesetzgebungsvertrag (Nichteinbringung und Rücknahme) und Vertrag mit Anreizfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 f) Grundsatz der Gewaltenteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 g) Prinzip der Verfassungsorgantreue: Kompensation faktischer Einflussnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 IV. Der Gesetzgebungsvertrag als wirksames Rechtsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . 176 1. Die Bindung des Gesetzesbeschlussrechts aus Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG . . . . 178 a) Möglichkeiten der verfassungsrechtlichen Legalisierung? . . . . . . . . . . . . 178
Inhaltsverzeichnis
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aa) § 82 Abs. 2 GO BT analog als Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 bb) Gremienentscheid als Mittel zur Wirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 cc) „Unwesentlichkeitstheorie“ und „Notstandsgesetzgebung“ . . . . . . . 183 dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 b) Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes . . . . . . . . . . . 184 aa) Ausgangslage und Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 bb) Konkrete Anforderungen und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 2. Die Bindung des Gesetzesinitiativrechts aus Art. 76 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . 185 a) Ausgangslage und Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 b) Anforderungen an echte und unechte Gesetzgebungsverträge (sog. „Regierungskooperationsrecht“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 aa) Bekannte Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 bb) Konkretisierung der vorbenannten Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 (1) Umfangreichere Unterrichtungspflicht der Bundesregierung analog Art. 23 Abs. 2 S. 2 GG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 (2) Folgen einer Verletzung der Transparenz- und Publizitätspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 (3) Zeitliche Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 D. Rechtsfolgen auf Primär- und Sekundärebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 I. Echter Gesetzgebungsvertrag (Beschluss) und unechter Gesetzgebungsvertrag (Nichtbeschluss) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 1. Primärebene: Erfüllungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 2. Sekundärebene: Schadensersatzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 a) Schadensersatz statt der Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 b) Die Haftung nach dem Vertrauensschutzgedanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 aa) Die Vorgaben des Grundsatzes des Vertrauensschutzes . . . . . . . . . . 201 (1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 (2) Rechtsgrundlage und Voraussetzungen des Vertrauensschutzes 202 (3) Vorab: der Grundsatz des Vertrauensschutzes als subjektiviertes Institut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 (4) Der Gesetzgebungsvertrag als Anknüpfungspunkt des Vertrauens schutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 (a) Die Vertrauensgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 (b) Vertrauen und Vertrauensbetätigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 (c) Schutzwürdigkeit des Vertrauens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 (aa) Der Grad der Vertrauensdichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213
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Inhaltsverzeichnis (bb) Die konkrete Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 (α) Besonderheiten im Rahmen eines Gesetzgebungsvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 (d) Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 (e) Exkurs: Verstoß gegen die Grundsätze der unechten Rückwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 (aa) Der Betroffene braucht mit einer Gesetzesänderung nicht zu rechnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 (bb) Das Vertrauen des Betroffenen ist schutzwürdiger als das mit dem Gesetz verfolgte Anliegen . . . . . . . . . . . . 221 bb) Die konkrete Haftung des Hoheitsträgers aus culpa in contrahendo (c. i. c.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 (1) Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 (a) Anerkennung einer öffentlich-rechtlichen c. i. c. (insbesondere im Verfassungsrecht) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 (b) Kein Ausschluss der Anwendbarkeit aufgrund der verfassungsrechtlichen Kompetenzvorschriften . . . . . . . . . . . . . . 223 (c) Kein Ausschluss der Anwendbarkeit wegen der lediglich faktischen Wirkungsweise des Gesetzgebungsvertrags . . . . 224 (d) Kein Ausschluss der Anwendbarkeit wegen der Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 (2) Schuldverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 (3) Die haftungsbegründende Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . 227 (a) Begriff und Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 (b) Grundloser Abbruch der Vertragsverhandlungen als relevante Pflichtverletzung der Bundesregierung . . . . . . . . . . . 228 (c) Verletzung von Informations-, Aufklärungs- und Sorgfaltspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 (aa) Begriff und Inhalt der Aufklärungspflicht . . . . . . . . . . 230 (bb) Das Grundproblem der Risikoverteilung . . . . . . . . . . . 232 (cc) Risikoverteilung bei normativen Informationen, die den Vertragszweck gefährden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 (dd) Einschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 (α) Kein Aufklärungsanspruch bei bewusstem Risikogeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 (β) Kein Aufklärungsanspruch bei eigener Erkenntnismöglichkeit des Aufklärungsbedürftigen . . . . . . . 238 (γ) „Faktischer Druck“ als einschränkendes Kriterium? 238 (4) Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 (5) Rechtsfolgen und Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 (a) Positives und/oder negatives Interesse des Geschädigten ersatzfähig? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240
Inhaltsverzeichnis
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(6) Beweislast und Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 (7) Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 (8) Rechtsweg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 c) Amtshaftungsanspruch aus Art. 34 GG i. V. m. § 839 Abs. 1 S. 1 BGB . . 245 aa) Jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes . . 246 bb) Amtspflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 (1) Amtspflicht zur Einhaltung von Zusagen . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 (2) Amtspflicht zur Erteilung richtiger Auskünfte, Belehrungen, Hinweise und Warnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 (3) Amtspflicht zu konsequentem Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 cc) Drittgerichtetheit der Amtspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 dd) Verschulden, Kausalität, Anspruchskürzung und Verjährung . . . . . . 251 d) Öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 bb) Anspruchsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 cc) Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 e) Enteignungsgleicher bzw. enteignender Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 f) Öffentlich-rechtlicher Folgenbeseitigungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 g) Die Haftung der Bundesregierung wegen vertraglicher Risikoübernahme 263 II. Echter Gesetzgebungsvertrag (Einbringung), unechter Gesetzgebungsvertrag (Nichteinbringung und Rücknahme) und Gesetzgebungsvertrag mit Anreizfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 1. Primärebene: Erfüllungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 2. Sekundärebene: Schadensersatzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 a) Schadensersatz statt der Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 b) Amtshaftungsanspruch aus Art. 34 GG i. V. m. § 839 Abs. 1 S. 1 BGB . . 267 c) Enteignungsgleicher Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 E. Ergebnisse und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295
A. Einführung und Einordnung I. Einleitung und Gegenstand der Arbeit In Zeiten zunehmender legistischer Steuerung erfreut sich die Einflussnahme des Regelungsadressats auf den gesetzgeberischen Gestaltungsprozess wachsender Beliebtheit. Die Causa für ein solches Verhalten liegt dabei zuvorderst in dem Verlangen nach Dispositionssicherheit sowie dem Streben nach Vorteilsverschaffung und Vorteilssicherung. Daneben kann – aus Sicht des Hoheitsträgers – im Einzelfall aber auch ein praktisches Bedürfnis für ein Kontaktverhältnis zwischen einem am förmlichen Gesetzgebungsverfahren partizipierenden Hoheitsträger und einem Privatrechtssubjekt bestehen, welches letztliche sogar in eine konsensuale Rechtsgestaltung erwachsen kann. Die partikulare Interesseneinbringung in den parlamentarischen Raum bzw. die Interessenverwirklichung steht dabei im Spannungsverhältnis zum abstrakt-generellen Charakter eines Gesetzes, der Funktion des Bundestages als „Wächter der Allgemeininteressen“1 und der verfassungsrechtlichen Grundentscheidung zur repräsentativen Demokratie (Art. 20 Abs. 2 GG). Als Beispiel für vorbenanntes Problemfeld sei die Vereinbarung der Bundesregierung mit dem Verband forschender Arzneimittelhersteller (VfA) aus dem Jahr 20012 genannt: Der VfA zahlte für die Zusage der Bundesregierung, auf gesetzliche Preisregulierungen für verschreibungspflichtige und nicht festbetragsgeregelte Arzneimittel zu verzichten, 400 Mio. DM in die gesetzliche Krankenkasse ein.3 Ein weiteres Beispiel ist der Atomkonsens aus dem Jahr 20104: Am 5. September 2010 hat sich die Bundesregierung mit den vier großen Energieversorgungsunternehmen (EVU) E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall auf eine Laufzeitverlängerung zugunsten deutscher Kernkraftwerke bis 2040 geeinigt. Als Gegenleistung verpflichteten sich die EVU zur Entrichtung einer Kernbrennstoffsteuer. Nach der Atomkatastrophe in Fukushima Daiichi (Fukushima I) im März 2011 verabschiedete die Bundesregierung jedoch eine Änderung des Atomgesetzes5,
1
Morlok VVDStRL 62 (2003), S. 37 ff., 61. Zum Sachverhalt ausführlich Widmann-Mauz, Plenarprotokoll des Bundestages 14/205, S. 20332 ff. Weitere Beispiele bei Kleine, Gesetzgebung ohne Parlament?, 2004, S. 14. 3 Glaser, Nachhaltige Entwicklung und Demokratie, 2006, S. 300. 4 Die Vereinbarung ist abrufbar unter: http://de.scribd.com/doc/37160969/Vertrag-zwischenBundesregierung-und-EVUs-vom-06-09-2010. 5 13. Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes v. 31.7.2011, BGBl. I S. 1704 (in Kraft getreten am 6.8.2011); vgl. die Entwurfsfassung BR-Drs. 340/11. 2
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A. Einführung und Einordnung
welche die Vereinbarung vom 5. September 2010 sowie die seinerzeit daran anknüpfenden Legislativakte aufhob und einen vorzeitigen Atomausstieg bis 2022 beinhaltete. Mit dieser Änderung trat am 1. Januar 2011 das Kernbrennstoffsteuer gesetz6 (KernbrStG) in Kraft, welches die Erhebung einer Kernbrennstoffsteuer (auch Brennelementesteuer) zu Lasten der EVU beinhaltet. Die aufgezeigten Beispiele verdeutlichen – nicht abschließend – gleich mehrere Problempunkte: Die inhaltliche Einflussnahme auf ein Gesetzgebungsvorhaben qua Inaussichtstellung einer (vertraglich versprochenen) Gegenleistung, das praktische Bedürfnis an hinreichender legistischer Flexibilität sowie spiegelbildlich das Interesse des Privatrechtssubjekts an Bestands- und Dispositionsschutz. Abstrakt lässt sich darüber hinaus ein staatstheoretisches Grundproblem skizzieren: Außerparlamentarische Einigungen mit gesellschaftlichen Gruppierungen führen zu einer Bevorzugung Weniger bei gleichzeitiger Belastung der Souveränität Aller. Eine wesentliche Streitfrage hinsichtlich der vorbeschriebenen Einflussnahme ergibt sich darüber hinaus aus deren Informalität. Die Einflussnahme des Privatrechtssubjekts – sei es in Form eines gegenseitigen Vertrags als Ausfluss einer multipolaren Interessenverwirklichung – ist – für andere Hoheitsträger – und das Staatsvolk nur bedingt nachvollziehbar. Die nachfolgenden Ausführungen befassen sich daher mit Praxis, Zulässigkeit, Grenzen und Rechtsfolgen wirksamer und unwirksamer gesetzgebungsvertraglicher Rechtserzeugung und versuchen, das Spannungsverhältnis zwischen dem rechtsstaatlichen Transparenzerfordernis und dem Flexibilitätsinteresse der Vertragsparteien sachgerecht aufzulösen.
II. Begriff Der Gesetzgebungsvertrag ist ein autonomes Rechtsverhältnis. Er kennzeichnet sich bei formaler Betrachtung dadurch, dass zumindest eine Partei ein am bundesstaatlichen Gesetzgebungsverfahren beteiligtes Verfassungsorgan ist. In der Regel wird es sich dabei um ein in Art. 76 Abs. 1 GG benanntes Rechtssubjekt, in concreto den Bundestag, die Bundesregierung oder den Bundesrat handeln.7 Vertragspartner ist zumeist ein Privatrechtssubjekt, wobei auch Gesetzgebungsverträge zwischen Hoheitsträgern untereinander möglich sind.8 Gegenstand der Vereinbarung ist ein bestimmtes Gesetzesvorhaben. Der Erlass oder Nichterlass eines bestimmten (Änderungs-)Gesetzes bzw. die inhaltliche Einflussnahme oder Nichteinflussnahme sind entweder unmittelbar Gegenstand einer vertraglich übernom 6
Kernbrennstoffsteuergesetz v. 8.12.2010, BGBl. I S. 1804. Denkbar – aber praktisch wenig sinnvoll – erscheint es, dass auch die „Mitte des Bundestages“, d. h. 5 % der Mitglieder des Bundestages (vgl. § 76 Abs. 1 GO BT), als Teil eines Verfassungsorgans Partei eines Gesetzgebungsvertrags sein kann. 8 Vgl. hierzu unter A. IV. 4. 7
II. Begriff
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menen Verpflichtung oder ausdrückliche (suspensive oder resolutive) Wirksamkeitsbedingung des Vertragsverhältnisses. In letzterer Gestaltung kommt dem Gesetzgebungsvertrag in Bezug auf das anschließende Gesetzgebungsverfahren eine Anreizfunktion zu.9 Inhaltlich und funktional intendiert der Gesetzgebungsvertrag die Einflussnahme auf das bundesstaatliche Gesetzgebungsverfahren (Art. 76 ff. GG). Der Gesetzgebungsvertrag muss dabei nicht zwingend die (Um-)Gestaltung des Gesetzesbeschlussrechts (Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG) betreffen. Vielmehr kann Gegenstand der Vereinbarung bereits die dem Verfassungsorgan zugeschriebene Initiativbefugnis aus Art. 76 Abs. 1 GG sein. Dem Gesetzgebungsvertrag wohnt darüber hinaus potentiell in zweierlei Richtung eine Gestaltungsfunktion inne. Diese Gestaltungsfunktion hängt im Wesentlichen von dem Stadium des Gesetzesvorhabens sowie der Rolle des am Gesetzgebungsvertrag beteiligten Verfassungsorgans im Gesetzgebungsverfahren ab. So kann die Vereinbarung sowohl eine Gesetzesinitiative als auch ein bereits eingebrachtes Gesetz betreffen. Die in der verwaltungsrechtlichen Literatur vorhandene Terminologie rund um sog. „Normsetzungsverträge“ kann dabei auch für den Gesetzgebungsvertrag fruchtbar gemacht werden, wobei der Gesetzgebungsvertrag niemals selbst eine abstrakt-generelle Norm setzt, sondern lediglich dazu verpflichtet. Dementsprechend lässt sich der Gesetzgebungsvertrag zunächst in zwei Alternativen einteilen: echte und unechte Gesetzgebungsverträge.10 Im Rahmen echter Gesetzgebungsverträge verpflichtet sich ein „staatlicher Akteur zu einer bestimmten Handlung mit Blick auf Erlass oder Änderung eines parlamentarischen Gesetzes“.11 Demgegenüber intendieren unechte Gesetzgebungsverträge den Nichterlass eines Parlamentsgesetzes, wobei hierunter nicht diejenigen Fälle zu subsumieren sind, in denen der Hoheitsträger den Erlass einer Regelung durch den Erlass einer abweichenden Regelung verhindert. In Fällen, in denen das staatlicherseits beteiligte Rechtssubjekt irgendwie rechtsetzend tätig wird, liegt stets ein echter Gesetzgebungsvertrag vor. Lediglich der durch eine Vereinbarung paktierte Nichterlass, d. h. die Reduktion des Initiativrechts und/oder des Gesetzesbeschlussrechts auf Null sowie die Rücknahme einer Gesetzesinitiative, stellt einen Fall des unechten Gesetzgebungsvertrags dar.
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So etwa beim Förderfondsvertrag, siehe hierzu sogleich unter A. III. 2. So auch Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 253. 11 So Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 253, der jedoch auch das „Unterlassen“ eines parlamentarischen Gesetzes als vom echten Gesetzgebungsvertrag gedeckt ansieht. Sinnvoller erscheint es, den Fall des Unterlassens unter die Alternative des „unechten Gesetzgebungsvertrags“ zu subsumieren, vgl. ebenso Friauf AöR 88 (1963), S. 257 ff., 305, 309 f. 10
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A. Einführung und Einordnung
Untersuchungsgegenstand im Folgenden sind lediglich Gesetzgebungsverträge zwischen der Bundesregierung und einem Privatrechtssubjekt. 1. Erscheinungsformen des echten Gesetzgebungsvertrags Der echte Gesetzgebungsvertrag ist als normvorbereitende, normverändernde oder normergänzende Vereinbarung denkbar, wobei die Grenzen in der praktischen Anwendung fließend sein können. So kann ein normvorbereitender Gesetz gebungsvertrag einen Legislativakt betreffen, der eine bestehende Altregelung ablöst und durch eine vereinbarte Neuregelung ersetzt oder ergänzt. Funktional unterscheiden sich die drei Varianten untereinander hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf einen Regelungsgegenstand. So ist eine Vereinbarung normvorbereitend, soweit durch den späteren Legislativakt ein Lebenssachverhalt erstmalig normativ geregelt wird.12 Normverändernde Vereinbarungen bezwecken die vollumfängliche Neuregelung eines bereits geregelten Lebenssachverhalts.13 Von einer normergänzenden Vereinbarung ist auszugehen, wenn Art und/oder Umfang einer Regelung für einen bestimmten Regelungsgegenstand qualitativ oder quantitativ erweitert werden sollen. 2. Erscheinungsformen des unechten Gesetzgebungsvertrags Der unechte Gesetzgebungsvertrag ist als normvermeidende und normabwendende Vereinbarung möglich.14 Normvermeidende und normabwendende Verträge bezwecken den Nichterlass einer normativen Regelung und knüpfen unmittelbar an das Gesetzgebungsverfahren an. Der wesentliche Unterschied zwischen beiden Gestaltungsformen lässt sich anhand des Fortschritts des bundesstaatlichen Gesetzgebungsverfahrens ermitteln. Normvermeidende Verträge sind zeitlich vor dem Verfahrensschritt der Gesetzesinitiative anzusiedeln, wohingegen normabwendende Verträge die Rücknahme eines bereits eingebrachten Gesetzes bezwecken, d. h. zeitlich dem normvermeidenden Gesetzgebungsvertrag nachgeschaltet sind.
12 Im Verwaltungsrecht bestehen diesbezüglich die Möglichkeiten des Vorbescheids (etwa § 71 BauO NRW), der Zusicherung (§ 38 VwVfG) und des öffentlich-rechtlichen Vertrags (§§ 54 ff. VwVfG). 13 Vgl. ähnlich für das Verwaltungsrecht Knebel, Selbstverpflichtungen und normsetzende Umweltverträge als Instrument des Umweltschutzes, 1999; Scherer DÖV 1991, S. 1 ff. 14 Verwaltungsrechtlich weiterführend Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001; Oebbecke DVBl. 1986, S. 793 ff.
III. Problemaufriss anhand praktischer Beispiele
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III. Problemaufriss anhand praktischer Beispiele Zur Einleitung in die Problematik des Gesetzgebungsvertrags werden zunächst einige praktische Beispiele aufgezeigt, in denen die Bundesregierung als am Gesetzgebungsverfahren beteiligter staatlicher Akteur einem oder mehreren Privatrechtssubjekten eine bestimmte Ausübung ihres Gesetzesinitiativrechts (Art. 76 Abs. 1 GG) bzw. den Ausgang eines Gesetzgebungsverfahrens in seiner Gesamtheit (d. h. konkret das Gesetzesbeschlussrecht des Bundestages aus Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG) vertraglich versprochen hat. 1. Der Atomkonsens von 2000 Mit Abschluss des Koalitionsvertrags vom 20. Oktober 199815 einigten sich die Parteien SPD und Bündnis 90/DIE GRÜNEN darauf, die friedliche Nutzung der Kernenergie innerhalb der kommenden Legislaturperiode unumkehrbar zu beenden. Politisch wie rechtlich wurde diese Bestrebung mit den nicht dauerhaft auszuschließenden Sicherheitsrisiken der Atomkraft gerechtfertigt. Zur Forcierung der hiermit verbundenen „Novellierung der Energiepolitik“ sollten noch im Wahljahr 1998 „Energiekonsensgespräche“16 mit Akteuren der Atomenergiewirtschaft stattfinden.17 Diesbezüglich sah der Koalitionsvertrag vor, dass die „neue Bundesregierung die EVU zu Gesprächen einladen [sollte], um eine neue Energiepolitik, Schritte zur Beendigung der Atomenergie und Entsorgungsfragen möglichst im Konsens zu vereinbaren“. Am 14. Juni 2000 haben sich das Bundeskanzleramt, das Bundesumwelt- sowie das Bundeswirtschaftsministerium als Vertreter der Bundesregierung und die Vor 15 „Aufbruch und Erneuerung – Deutschlands Weg ins 21. Jahrhundert“, Koalitionsvereinbarung zwischen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) und Bündnis 90/DIE GRÜNEN v. 20. Oktober 1998, S. 15. Online abrufbar unter www.bundesregierung.de. 16 Bereits unter der Regierung Helmuth Kohl (CDU) fanden in den 1990er Jahren umfangreiche Energiekonsensgespräche zwischen Vertretern der Bundes- und Landesregierungen sowie Vertretern der Atomenergiewirtschaft statt, vgl. BT-Drs. 17/1382 und 17/1533 (Antwort der Bundesregierung). 17 Konkret sah der Koalitionsvertrag ein „Drei-Stufen-Konzept“ vor: Zunächst sollte das Atomgesetz in der Fassung vom 6.4.1998 (BGBl. I S. 694) dahingehend geändert werden, dass die in § 1 AtG normierte Förderung der Erforschung und Entwicklung der friedlichen Kernenergienutzung aufgehoben wird. An diese Stelle sollte die Einführung einer Verpflichtung zur Sicherheitsüberprüfung, die Klarstellung der Beweislastregelung bei begründetem Gefahrenverdacht, die Beschränkung der Entsorgung auf die direkte Entlagerung und die Erhöhung der von den Kernkraftwerksbetreibern zu leistenden Deckungsvorsorge treten. Sodann sollten innerhalb eines Jahres nach Amtsantritt der neuen Bundesregierung Energiekonsensgespräche mit den Energieversorgungsunternehmen (EVU) geführt werden, um im Einvernehmen mit diesen eine neue Energiepolitik unter Beendigung der Atomenergie festzulegen. Letztlich verpflichteten sich die Koalitionsparteien dazu, ein Gesetz betreffend den Ausstieg aus der Kernenergie ohne Entschädigung für die Kernkraftwerksbetreiber in den Bundestag einzubringen.
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A. Einführung und Einordnung
stände vier großer EVU18 geeinigt, die kommerzielle Nutzung der Kernenergie in Deutschland zu beenden.19 In diesem sog. Atomkonsens20 verpflichtete sich RWE dazu, den Genehmigungsantrag für das KKW Mülheim-Kärlich sowie seine Klage auf Schadensersatz gegen das Land Rheinland-Pfalz zurückzuziehen (Ziff. II. (5)). Im Gegenzug wurden für die 19 bestehenden deutschen Kernkraftwerke individuelle Reststrommengen festgelegt (Ziff. II.). Die Berechtigung zum Betrieb eines Atomkraftwerkes sollte mit dem Erreichen der jeweiligen Reststrommenge enden. Darüber hinaus verpflichtete sich die Bundesregierung, während der verbleibenden Laufzeit „keine Initiative [zu] ergreifen, mit der die Nutzung der Kernenergie durch einseitige Maßnahmen diskriminiert“ werde. Dies galt explizit „auch für das Steuerrecht“ (Ziff. III. (2)). Zudem billigte die Bundesregierung in der Vereinbarung die Möglichkeit, die Haftungsvorsorge in Höhe von 2,5 Mrd. EUR (damals 5 Mrd. DM) lediglich für einen Reaktor zahlen zu müssen (Ziff. III. (2)).21 Daneben wurde den EVU zugesagt, dass „die Bundesregierung […] keine Initiative ergreifen [werde], um diesen Sicherheitsstandard […] zu ändern“ (Ziff. III. (1)). Die in der Vereinbarung festgehaltenen Leistungen sollten eine legistische Verbindlichkeit erfahren. Demgemäß verpflichtete sich die Bundesregierung in Ziff. V zu einer entsprechenden Novellierung des Atomgesetzes.22 Im Rahmen der offiziellen Unterzeichnung der Vereinbarung am 11. Juni 2001 im Bundeskanzleramt wurde deutlich, dass die Vereinbarung einen abschließenden Charakter haben und einer parlamentarischen Änderung nicht mehr zugänglich sein sollte. So formulierte der Jurist und Bundeskanzler Gerhard Schröder in seiner Ansprache eingangs: „[…] mit den soeben geleisteten Unterschriften haben wir uns abschließend darauf verständigt, die Nutzung der Kernenergie geordnet zu beenden.“23 Mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neufassung des Atomgesetzes sei die vorausgegangene Vereinbarung „rechtlich umgesetzt“ und der Prozess „erfolgreich abgeschlossen“ worden. Die verabschiedete Gesetzesnovelle24 machte 18 Unterzeichnet wurde die Vereinbarung von Vertretern der VEBA AG, der VIAG AG, der RWE AG sowie der EnBW AG. 19 Zum politischen Hintergrund vgl. Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 232; ausf. Schuppert, Governance und Rechtsetzung, 2011, S. 62. 20 Online abrufbar unter http://www.bundesregierung.de. 21 In dem Atomkonsens hatten sich die AKW-Betreiber verpflichtet, die Deckungsvorsorge für den Fall eines Störfalls von 500 Mio. DM auf 5 Mrd. DM aufzustocken. Anstatt eine dementsprechende Haftungsvorsorge für jeden Reaktor zu treffen, schlossen die EVU untereinander einen Solidarpakt, wonach im Störfall gemeinschaftlich mit dem Vermögen bis zur verlangten Summe von 5 Mrd. DM gehaftet werden sollte. Der Konsens hatte ihnen diese Möglichkeit zugestanden. Demnach konnte die Risikovorsorge statt durch eine Versicherung auch durch eine „gleichwertige Regelung“ nachgewiesen werden. 22 Vgl. zum Sachverhalt Schorkopf NVwZ 2000, S. 1111 ff.; Huber DVBl. 2001, S. 241 ff.; Wieland, Rechtliche Rahmenbedingungen für die Erhebung einer Kernbrennstoffsteuer, 2002, S. 3 ff.; Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 230 ff. 23 Die Rede ist abrufbar unter www.bundesregierung.de. 24 Gesetz zur geordneten Beendigung der Kernenergienutzung zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität v. 22.04.2002, BGBl. I S. 1351 ff.
III. Problemaufriss anhand praktischer Beispiele
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letztlich deutlich, dass sich der Entwurf der Bundesregierung im Parlament vollständig behaupten konnte.25 Das am 22. April 2002 verkündete Gesetz26 übernahm nahezu alle Inhalte der zwischen Regierung und EVU ausgehandelten Vereinbarung.27 2. Der Förderfondsvertrag als atypischer Gesetzgebungsvertrag Mit dem elften Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes28 beschloss der Bundestag die Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke in Deutschland.29 Im Zusammenhang mit dieser Novellierung stand u. a. der sog. „Förderfondsvertrag“. Der Förderfondsvertrag wurde am 10. Januar 2011 auf Bestreben der Bundesregierung30 zwischen der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium der Finanzen, und den vier Energieversorgungsunternehmen E.ON, EnBW, RWE, Vattenfall Europe sowie neun weiteren von den EVU gehaltenen KKW-Betreibergesellschaften geschlossen.31 Er sah eine Änderung des Atomgesetzes vor, wonach den jeweiligen Kernkraftwerken zusätzliche Elektrizitätsmengen (sog. Reststrommengen) zugewiesen werden sollten. Die den Kernkraftwerksbetreibern und EVU aus dieser Laufzeitverlängerung entstehenden Zusatzgewinne beabsichtigte die Bundesregierung im Rahmen einer Vorteilsausgleichung abzuschöpfen,32 um die Energiewende finanzierbar zu gestalten. Konkret verpflichteten sich die KKW-Betreibergesellschaften als Gegenleistung zur Gewährung zusätzlicher Elektrizitätsmengen einzelschuldnerisch zur Zahlung eines „Förderbeitrags“ (§ 1 Förderfondsvertrag) in Höhe von 9 EUR/Megawattstunde in einen von der Bundesregierung als Sondervermögen des Bundes errichteten Fonds, den sog. „Energie- und Klimafonds“. Darüber hinaus sah § 2 Förderfondsvertrag vor, dass die KKW-Betreibergesellschaften in den Jahren 2011 und 2012 einen Beitrag i.H.v. 300 Mio. EUR p. a. und in den Jahren 2013 bis 2016 einen Beitrag i. H. v. 200 Mio. EUR als nicht rückzahlbare Vorausleistung auf die ab 2017 geschuldeten Förderbeiträge in den Fonds einzahlen müssen. Die Wirksamkeit des Vertrags stand nach § 6 Förderfondsvertrag ausdrücklich unter der Bedingung, „dass die Bestimmungen zu zusätzlichen Elektrizitätsmen 25 So Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 244; ebenso Anderl, Gesetzgebung und kooperatives Regierungshandeln, 2007, S. 54. 26 BGBl. 2002 I, S. 1351 ff. 27 Vgl. hierzu auch die einleitende Problembeschreibung in BT-Drs. 14/6890, S. 1, 13, wonach die „wesentlichen Inhalte der Vereinbarung“ zwischen Bundesregierung und Energieversorgungsunternehmen vom 14. Juni 2000 mit diesem Gesetzentwurf „umgesetzt“ werden sollen. 28 11. Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes v. 8.12.2010, BGBl. I S. 1814. 29 Die Pressemitteilung sowie die relevanten Drucksachen sind abrufbar unter http://www. bundestag.de/dokumente/textarchiv/2010/32009392_kw43_de_atompolitik/203098. 30 Vgl. BT-Drs. 17/4832, S. 3; zudem Förderfondsvertrag S. 4. 31 Nach § 6 Förderfondsvertrag sollte der Anwendungszeitraum des Vertrags – unabhängig vom Zeitpunkt der Wirksamkeit – am 1. Januar 2011 beginnen. 32 Vgl. BT-Drs. 17/3051, S. 6 sowie BT-Drs. 17/4832, S. 3 Frage 4.
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A. Einführung und Einordnung
gen und zur Übertragbarkeit von Elektrizitätsmengen in der in Anlage C vorgesehenen Fassung sowie gesetzliche Regelungen zum Abschluss dieses Vertrags in der in Anlage D vorgesehenen Fassung […] in Kraft getreten sind“. Die Anlagen C und D beinhalteten jeweils ausformulierte Gesetzesvorschläge.33 Die in Anlage D geplante gesetzliche Regelung zum Abschluss eines Vertrags wurde mit § 4 Abs. 3 des Gesetzes zur Errichtung eines Sondervermögens „Energie- und Klimafonds“ (EKFG) nahezu wortlautidentisch umgesetzt.34 Entsprechendes gilt für die in Anlage C vorgesehene Änderung von § 7 AtG.35 Nach dem Beschluss der Bundesregierung zum beschleunigten Ausstieg aus der Kernenergie aufgrund der Nuklearkatastrophe in Fukushima im März 2011, wurden die Zahlungen in den Fonds eingestellt. Die KKW-Betreibergesellschaften sowie die EVU sahen in der Änderung der Atompolitik der Bundesregierung eine wesentliche Änderung der Vertragsgrundlage und kündigten den Förderfondsvertrag.36 Weitere Zahlungen aufgrund des Förderfondsvertrags in den Energie- und Klimafonds wurden weder geleistet noch von der Bundesregierung erwartet.37 Die anlässlich des Förderfondsvertrags geschaffenen bzw. geänderten Regelungen des § 4 Abs. 3 EKFG bzw. § 7 Abs. 1a S. 1 und 2, Abs. 1b S. 1, Abs. 1c S. 1 AtG wurden daraufhin vom Gesetzgeber aufgehoben.38 Bei dem Förderfondsvertrag handelt es sich um einen atypischen Gesetzgebungsvertrag, auf den nach § 4 Abs. 3 S. 2 EKFG die §§ 54 ff. VwVfG entsprechend Anwendung finden sollten. Im Unterschied zum echten Gesetzgebungsvertrag enthält der Förderfondsvertrag keine ausdrückliche Verpflichtung des Gesetzgebers zum Erlass eines bestimmten Gesetzes. Stattdessen knüpfen die Vertragsparteien die Wirksamkeit der Vereinbarung – d. h. auch der Zahlungsverpflichtungen der Atomwirtschaft – an den künftigen Erlass der in Anlage C und D vorformulierten Gesetze. Die finanziellen Vorteile stehen dem Gesetzesbeschluss nicht unmittelbar formal als Gegenleistung gegenüber. Sie bilden vielmehr einen Anreiz zum Erlass eines bestimmten Gesetzes.39 33
§ 5 Förderfondsvertrag sah daneben die entsprechende Anwendung des § 60 Abs. 1 S. 1 VwVfG vor, soweit sich Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, seit Abschluss des Vertrags so wesentliche geändert haben, dass einer Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist. 34 BT-Drs. 17/3053, S. 3; Gesetz zur Errichtung eines Sondervermögens „Energie- und Klimafonds“ v. 8.12.2010, BGBl. I S. 1807. Kloepfer/Bruch JZ 2011, S. 377, 383, bezeichnen diese Vertragsermächtigung als „Reparaturversuch“, welcher „aber die parlamentsgesetzliche Regelung nicht [ersetzt]“. 35 BT-Drs. 17/3051, S. 4; 11. Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes v. 8.12.2010, BGBl. I S. 1814. 36 Vgl. BT-Drs. 17, 5421 Frage 75; Plenarprotokoll 17/104 (104. Sitzung), S. 11884. 37 BT-Drs. 17/6075, S. 4. 38 Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung eines Sondervermögens „Energie- und Klimafonds“ v. 29.7.2011, BGBl. I S. 1702 sowie 13. Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes v. 31.7.2011, BGBl. I S. 1704. 39 Vgl. hierzu auch Kloepfer/Bruch JZ 2011, S. 377, 383.
III. Problemaufriss anhand praktischer Beispiele
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3. Das Kernbrennstoffsteuergesetz Das am 1. Januar 2011 in Kraft getretene Kernbrennstoffsteuergesetz (KernbrStG)40 sieht die Erhebung einer Kernbrennstoffsteuer (auch Brennelementesteuer) zu Lasten der EVU vor. Gegenstand der Besteuerung ist nach § 1 Abs. 1 KernbrStG „Kernbrennstoff, der zur gewerblichen Erzeugung von elektrischem Strom verwendet wird.“ Die Steuer entsteht nach § 5 Abs. 1 S. 1 KernbrStG „dadurch, dass ein Brennelement oder einzelne Brennstäbe in einen Kernreaktor erstmals eingesetzt werden und eine sich selbsttragende Kettenreaktion ausgelöst wird“. In Bezug auf das KernbrStG könnte in zweierlei Hinsicht das Vorliegen eines Gesetzgebungsvertrags angenommen werden, wobei erneut der Förderfondsvertrag sowie der Atomkonsens von 2000 mit zu berücksichtigen sind. Nach dem Förderfondsvertrag verpflichteten sich die KKW-Betreibergesellschaften als Gegenleistung zur Gewährung zusätzlicher Elektrizitätsmengen zur Zahlung eines „Förderbeitrags“. Mit dem Atomausstieg 2011 und der damit verbundenen Laufzeitverkürzung stellten die betroffenen Betreibergesellschaften die Zahlung des Förderbeitrags ein. Die Belastung durch die Kernbrennstoffsteuer blieb demgegenüber bestehen. Fraglich ist, ob die Erhebung einer Kernbrennstoffsteuer im Förderfondsvertrag (wie der Förderbeitrag) vertraglich an die Laufzeitverlängerung geknüpft wurde, mithin u. a. der Abschöpfung von aus der Laufzeitverlängerung resultierenden Zusatzgewinnen dienen sollte.41 Die Präambel des Förderfondsvertrags formulierte zunächst den Grundsatz, dass die KKW-Betreibergesellschaften sich verpflichten, „aus den Erträgen, die sie durch die Laufzeitverlängerung erzielen, nach Maßgabe dieses Vertrags einen Förderbeitrag [zu] leisten“. In diesem Zusammenhang wird auch die geplante „Erhebung einer Kernbrennstoffsteuer“ erwähnt, welche allerdings ausdrücklich „unabhängig von diesem Vertrag“ eingeführt werden sollte. Auf den ersten Blick dient die Kernbrennstoffsteuer somit nicht der Abschöpfung der aus der Laufzeitverlängerung resultierenden Zusatzgewinne. Dafür, dass die Kernbrennstoffsteuer vertraglich (nicht normativ) mit der Laufzeitverlängerung verknüpft wurde,42 spricht allerdings die Regelung des § 4 Förderfondsvertrag. Danach mindert sich der zu entrichtende Förderbeitrag, „wenn eine Kernbrennstoffsteuer […] mit einem höheren Steuersatz als EUR 145/g Plutonium 239/241, Uran 233/235 erhoben wird“. Eine entsprechende Minderung ergibt sich zudem hinsichtlich der von den KKW-Betreibergesellschaften zu leistenden Vorausleistungen, wenn „die Erhebung einer Kernbrennstoffsteuer […] 40
BGBl. I S. 1804. Eine legistische Verknüpfung wurde weder durch das KernbrStG noch durch das AtG vorgenommen, vgl. Gärditz, in: Löwer (Hrsg.), Veranlassung und Verantwortung bei der Energiewende, 2013, S. 73, 75. 42 Dafür Gärditz, in: Löwer (Hrsg.), Veranlassung und Verantwortung bei der Energiewende, 2013, S. 73, 75 f. 41
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A. Einführung und Einordnung
den Jahresbeitrag von 2,3 Mrd. EUR übersteigt“ (§ 2 KernbrStG). Dass die Erhebung der Kernbrennstoffsteuer eine ökonomische Kompensation für den Sondervorteil der staatlich gewährten Laufzeitverlängerung ist, ergibt sich mithin daraus, dass die Einzahlungen der Betroffenen in das Sondervermögen bei Überschreiten einer bestimmten Steuerbelastung zu mindern ist. Die Kernbrennstoffsteuer ist somit qua Vertrag geeignet, die Höhe des Förderbeitrags unmittelbar zu beeinflussen. Für diese Einschätzung streitet zudem die Auffassung der Bundesregierung, „dass die Laufzeitverlängerung keine nachteiligen Folgen auf den Wettbewerb im Energiesektor zur Folge haben wird, zumal die neue Kernbrennstoffsteuer und weitere Zahlungen der Kernkraftwerksbetreiber den überwiegenden Teil der Zusatzgewinne abschöpfen“.43 Demnach stellt der Atomkonsens vom 14. Juni 2000 einen unechten Gesetzgebungsvertrag dar, welcher die Einführung einer Kernbrennstoffsteuer untersagt. Die Bundesregierung hatte sich dazu verpflichtet, die Kernenergie nicht mit einseitigen Maßnahmen zu diskriminieren, was explizit auch für das Steuerrecht gelten sollte. Gegen diese Unterlassungsverpflichtung ist mit der Initiative zum Erlass des Kernbrennstoffsteuergesetzes verstoßen worden. Hiergegen spricht zunächst eine Auslegung des Förderfondsvertrags. Dieser hat die Vereinbarung vom 14. Juni 2000 hinsichtlich der steuerlichen Belastung mit einer Kernbrennstoffsteuer abgelöst. In seiner Präambel formuliert der Förderfondsvertrag, dass die „Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Energieversorgungsunternehmen vom 14.6.2000/11.6.2001 […] unberührt [bleibt], soweit der vorliegende Vertrag keine inhaltlich abweichenden Regelungen trifft“. Zwar ist die Erhebung einer Kernbrennstoffsteuer „unabhängig von diesem Vertrag […] geplant“. Dennoch ergibt sich mit der soeben aufgezeigte Argumentation, dass die Parteien des Förderfondsvertrags sich mit der Einführung der Kernbrennstoffsteuer einverstanden erklärten. Die Höhe des Steuersatzes (§ 3 KernbrStG) wurde sogar explizit mit der Bundesregierung ausgehandelt.44
43 Energiekonzept der Bundesregierung vom 28. September 2010, S. 16. Online abrufbar unter http://www.bundesregierung.de/ContentArchiv/DE/Archiv17/_Anlagen/2012/02/ energiekonzept-final.html;jsessionid=289A9C8A4A0BB0D751FA6F004A7E9DFA.s4t2?nn= 437032. Vgl. zudem BT-Drs. 17/4832, S. 3, wonach im BMF verschiedene Gespräche mit den Betreibern über die Ausgestaltung einer vertraglichen Vereinbarung über einen Vorteilsausgleich aus der Verlängerung der Laufzeiten für Kernkraftwerke stattfanden, die letztlich in den Förderfondsvertrag mündeten und in denen u. a. die Einführung der Kernbrennstoffsteuer zu berücksichtigen war. 44 Das BMF hatte zunächst einen Steuersatz von 220,00 EUR/Gramm Kernbrennstoff vorgesehen, vgl. BT-Drs. 17/4832, S. 1. Im Zuge der Verhandlungen zum Förderfondsvertrag zwischen Bundesregierung und EVU einigten diese sich sodann auf einen Steuersatz i. H. v. 145,00 EUR/ Gramm Kernbrennstoff (§ 4 Förderfondsvertrag). Dieser Steuersatz schlug sich letztlich auch im Kernbrennstoffsteuergesetz nieder (§ 3).
III. Problemaufriss anhand praktischer Beispiele
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4. Das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz Ähnlich gestaltete sich der Entstehungsprozess betreffend das Kraft-WärmeKopplungsgesetz (KWKG)45 vom 19. März 2002.46 47 Dem Gesetz war die „Vereinbarung zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der deutschen Wirtschaft zur Minderung der CO2-Emissionen und der Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung in Ergänzung zur Klimavereinbarung vom 9. November 2000“48, paraphiert am 25. Juni 2001, vorausgegangen. Hintergrund des Gesetzes war zum einen der mit der Liberalisierung des Strommarktes durch das Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsgesetzes vom 24. April 1998 verbundene Anstieg der Strompreise. Hierdurch veränderten sich die Rahmenbedingungen für den wirtschaftlichen Betrieb von KWK-Anlagen.49 Zum anderen ist in der KraftWärme-Kopplung ein wichtiger Faktor zur Verwirklichung einer effizienten nichtatomaren Klimaschutzpolitik hin zu einer Senkung des CO2-Ausstoßes gesehen worden.50 Die an dieser Vereinbarung beteiligten Privatrechtssubjekte51 verpflichteten sich gegenüber der Bundesregierung, vertreten durch den Bundeskanzler, den Bundeswirtschaftsminister und den Bundesumweltminister zur Förderung der von der Bundesregierung verfolgten klimapolitischen Ziele, d. h. insbesondere zur Minderung des CO2-Ausstoßes auf 45 Mio. t. CO2 pro Jahr bis zum Jahr 2010. Die Bundesregierung verpflichtete sich in der Vereinbarung dazu, unter Beachtung der marktwirtschaftlichen Grundsätze zeitnah einen Entwurf zur Novelle des
45 Die Kraft-Wärme-Kopplung ist eine ressourcenschonende, umwelt- und klimafreundliche Form der Energieerzeugung. Kraft-Wärme-Kopplung ermöglicht aufgrund der gleichzeitigen Erzeugung von Strom und Nutzwärme einen höheren Primärenergienutzungsgrad als die getrennte Erzeugung in Kondensationskraftwerken und Heizkesseln. 46 Gesetz für die Erhaltung, die Modernisierung und den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung vom 19.3.2002, BGBl. I 1092. Ausführlich hierzu Salje, Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz, Einl. Rn 2 ff., 104 ff.; umfassend und mit staatsorganisationsrechtlichen Bedenken, welche jedoch im Ergebnis mangels legislativen Charakters der Vereinbarung (s. u.) nicht bestehen können Schneider, Paktierte Gesetzgebung als aktuelle Erscheinungsform kooperativer Umweltpolitik, in: Hansjürgens/Köck/Kneer (Hrsg.), Kooperative Umweltpolitik, 2003 S. 4 ff. Ebenso Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 245 ff. 47 Umfangreich zur Entstehung des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes auch Anderl, Gesetzgebung und kooperatives Regierungshandeln, 2007, S. 55 ff.; ebenso Schuppert, Governance und Rechtsetzung, 2013, S. 64. 48 Die Vereinbarung ist online abrufbar unter http://www.vik-online.de/infocenter/default. htm. Vgl. hierzu auch Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001, S. 208 ff. sowie Faber, Gesellschaftliche Selbstregulierungssysteme im Umweltrecht, 2001, S. 203 ff. 49 So die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BT-Drs. 14/7024, S. 9. 50 Schneider, in: Hansjürgens/Köck/Kneer (Hrsg.), Kooperative Umweltpolitik, 2003, S. 43 f, 45. 51 Konkret beteiligt waren der Bundesverband der deutschen Industrie e. V. (BDI), der Verband der Elektrizitätswirtschaft e. V. (VDEW), der Verband der deutschen Verbundwirtschaft (VdV), der Verband Kommunaler Unternehmen e. V. (VKU), der Bundesverband der Deutschen Gas- und Wasserwirtschaft e. V. (BGW) sowie der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwerkswirtschaft e. V. (VIK).
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A. Einführung und Einordnung
KWKG52 zur finanziellen Förderung53 ökologisch effizienter KWK in den Bundestag einzubringen. Mit der Vereinbarung war zudem die Zusage der Bundesregierung verbunden, im sachlichen und zeitlichen Anwendungsbereich der Vereinbarung keine die Energiewirtschaft belastenden Initiativen zur eigenmächtigen Durchsetzung der klimapolitischen Ziele zu ergreifen. Hierdurch sollte den Unternehmen ein hinreichender wirtschaftlicher Spielraum gewährleistet werden, um im Rahmen von Eigeninitiativen die zugesagten CO2-Untergrenzen zu erreichen.54 Trotz der ausführlichen Vorabsprachen formulierte sowohl der Bundesrat55 als auch ein Teil der Regierungsfraktion in der Sache umfangreiche Änderungsvorschläge56, welche das fristgerechte Inkrafttreten des Gesetzes zum 1. Januar 2002 verhinderten57 und sich materiell auf das Regelwerk auswirkten, sodass es der Bundesregierung letztlich nicht gelang, die sie tragende Mehrheitsfraktion zur unveränderten parlamentarischen Umsetzung des „paktierten Gesetzesinhalts“ zu bewegen.58 5. Der Solidarbeitrag der forschenden Arzneimittelhersteller (VfA) Im Sozialversicherungsrecht ergeben sich Inhalt und Umfang des konkreten Leistungsanspruchs des Versicherten im Krankheitsfall weitgehend aus exeku tiven Normen, die von den Krankenkassen zusammen mit den Leistungserbringern erlassen werden. Zwar gründet der Leistungsanspruch des Versicherten weiterhin in einem Parlamentsgesetz. Die §§ 2, 11 ff. SGB V umschreiben Inhalt und Umfang des Leistungsanspruchs aber nur sehr abstrakt. Als konkretes Steuerungselement fungieren vielmehr untergestzliche Regelwerke, welche die von Arzt bzw. Krankenhaus zu erbringenden Leistungen im Einzelnen festsetzen.59 Gegenstand derartiger exekutiver Normsetzung sind zunächst Rechtsverordnungen, Satzungen und Verwaltungsvorschriften. Darüber hinaus existieren aber auch gesetzliche Ermächtigungen zugunsten gesetzlicher Krankversicherungen und sozialer Pflege 52
Gesetz zum Schutz der Stromerzeugung aus Kraft-Wärme-Kopplung vom 12.05.2000, BGBl. I S. 703. 53 Konkret ging es um eine Bonuszahlung für KWK-Strom, welche von den Verbrauchern über die Netzentgelte aufgebracht werden sollte. Siehe hierzu Schneider, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, 2011, § 21 Rn 159. 54 Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 247, der daneben auf die flankierende Zusage der Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, dass den an der Vereinbarung beteiligten Wirtschaftszweigen im internationalen Vergleich keine wettbewerbsbedingten Nachteile entstehen, verweist. 55 Siehe die Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 14/7024, S. 16 ff. Dazu auch die Gegenäußerung der Bundesregierung BT-Drs. 14/7086. 56 Vgl. BT-Drs. 14/8059. 57 Das Gesetz wurde etwas später, am 25. Januar 2002, vom Bundestag beschlossen. 58 Selbst die Rücktrittsandrohung des damaligen Bundeswirtschaftsministers gegenüber den Koalitionsabgeordneten änderte nichts an deren Änderungsverlangen, vgl. den Bericht von Schneider, in: Hansjürgen/Köck/Kneer (Hrsg.), Kooperative Umweltpolitik, 2003, S. 43 ff, 47. 59 Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, 2000, S. 2.
III. Problemaufriss anhand praktischer Beispiele
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versicherungen zum Abschluss sog. „Normenverträge“.60 Dabei handelt es sich um eine Rechtsetzungsform „sui generis“.61 Normsetzungsverträge stellen abstrakt-generelle Regelungen mit unmittelbarer und personell unbeschränkter Wirkung dar.62 Sie verkörpern eine Form der Rechtsetzung durch vertragliche Vereinbarung. Der Vertrag stellt unmittelbar geltendes Recht für die am Vertragsschluss nicht beteiligten Adressaten der getroffenen Regelung dar,63 wobei die Verbindlichkeit auf der „gesetzlichen Anordnung einer generellen Breitenwirkung“ beruht.64 Diese Wirkungsweise unterscheidet Normenverträge von den vorliegend relevanten Gesetzgebungsverträgen. Jedoch hat auch das Sozialversicherungsrecht einen Fall „gesetzesbezogener Vereinbarungen“65 hervorgebracht, der kategorisch den Gesetzgebungsverträgen und nicht den klassischen Fällen exekutiver Normsetzung im Sozialversicherungsrecht zuzuordnen ist.66 Der Gesetzentwurf für das „Gesetz zur Begrenzung der Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetz – AABG)“67 vom 16. Oktober 2001, eingereicht von den Fraktionen SPD und Bündnis 90/DIE GRÜNEN, stellte fest, dass die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) im ersten Halbjahr 2001 mit einem besorgniserregend starken Zuwachs bei den Arzneimittelausgaben pro Mitglied belastet wurden.68 Angesichts dieser finanziellen Belastung sah Art. 2 des Gesetzentwurfs eine Preisabsenkung dahingehend vor, dass die Herstellerpreisabgaben von verschreibungspflichtigen Fertigarzneimitteln in den Jahren 2002 und 2003 maximal 96 % der am 1. Juli 2001 geltenden Preise betragen durften.69 Art. 2 Abs. 2 AABG-E verpflichtete die pharmazeutischen Hersteller dazu, die Preise zu senken und dies rechtzeitig bekannt zu geben. Aufgrund dieses beabsichtigten „aufgedrängten Beitrags zur Stabilisierung der Arzneimittelkosten der GKV“ trat der betroffene Verband forschender Arzneimittelhersteller e. V. (VfA) während des 60
Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, 2000, S. 60 m. w. N. Zimmermann, Der Gemeinsame Bundesausschuss, 2011, S. 92. 62 Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, 2000, S. 60 f.; Zimmermann, Der Gemeinsame Bundesausschuss, 2011, S. 92; Seeringer, Der Gemeinsame Bundesausschuss nach dem SGB V, 2006, S. 122. 63 Fahlbusch, Das gesetzgeberische Phänomen der Normsetzung durch oder mit Vertrag, S. 177. 64 Zimmermann, Der Gemeinsame Bundesausschuss, 2011, S. 93. 65 Begriff bei Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 248. 66 Umfassend Rybak, Rechtsstaat am Verhandlungstisch, 2007, S. 32 ff. 67 BT-Drs. 14/7144. 68 BT-Drs. 14/7144, S. 1; vgl. zum Sachverhalt das Urteil des FG Schleswig-Holstein, abgedruckt in EFG 2013, S. 405 ff., sowie Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 248 ff. 69 Konkret sollte eine angemessene Anhebung des Apothekenrabatts, eine Absenkung der Preise verschreibungspflichtiger, nicht festbetragsgeregelter Arzneimittel sowie die Ausweitung der sog. „aut-idem“-Regelung erfolgen, Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 249. 61
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A. Einführung und Einordnung
Gesetzgebungsverfahrens in Verhandlungen mit der Bundesregierung. In dessen Rahmen trafen am 8. November 2001 u. a. der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder, die damalige Bundesministerin für Gesundheit Ulla Schmidt sowie Vertreter des VfA im Bundeskanzleramt zusammen. Die Vertreter des VfA erklärten in diesem Zusammenhang, dass die forschenden Arzneimittelhersteller den GKV einen Betrag i. H. v. 400 Mio. DM zur Konsolidierung der Finanzlage zur Verfügung stellen werden. Die ansonsten zur Sanierung der GKV notwendige Gesetzesänderung sollte hierdurch überflüssig und folglich zurückgenommen werden.70 Eine schriftliche Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und dem VfA hat es jedoch nicht gegeben. Es blieb bei mündlichen Gesprächen.71 In der Folge trat das AABG, nachdem der Bundesrat keine Änderungen äußerte, ohne die ursprünglich vorgesehenen preisreglementierenden Instrumente am 23. Februar 2002 in Kraft.72 Da sich die finanzielle Situation bei den GKV in der Folge nicht stabilisierte, wurde im Rahmen des Beitragssatzsicherungsgesetzes (BSSichG)73 der § 130a in das SGB V eingefügt. Dieser sah – entgegen der 2001 zwischen der Pharmaindustrie und der Bundesregierung getroffenen mündlichen Vereinbarung – vor, die Pharmaindustrie ab 2003 zum Zwecke der Stabilisierung der GKV zu Solidarbeiträgen in Form von Preisabschlägen zu verpflichten. Das BBSichG trat am 1. Januar 2003 in Kraft und verpflichtete – in Gestalt des § 130a SGB V – pharmazeutische Unternehmen einen Abschlag i. H. v. 6 % auf solche Arzneimittel zu gewähren, die zu Lasten der GKV abgegeben wurden. Der VfA warf der Bundesregierung zwar „Wortbruch“ vor.74 Rechtsmittel wurden aber nicht eingelegt. Das Bundesverfassungsgericht lehnte den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen das Inkrafttreten des BSSichG ab.75 Auch ein von der Landesregierung Baden-Württemberg angestrengtes Normenkontrollverfahren gegen das BSSichG wurde als unbegründet abgewiesen,76 wobei das Bundesverfassungsgericht nicht konkret auf die Problematik der Solidarvereinbarung einging. Mit Wirkung zum 1. August 201077 wurde der Herstellerabschlag befristet bis zum 31. Dezember 2013 von 6 % auf 16 % erhöht. Vom 1. Januar 2014 bis zum 31. März 2014 betrug der Abschlag wieder nur 6 v. H. Mit dem 14. SGB V-Änderungsgesetz vom 27. März 201478 wurde der Herstellerabschlag unbefristet auf 7 % 70 Vgl. BT-Drs. 14/8685, S. 3. Hierzu auch Herdegen VVDStRL 62 (2003), S. 7 ff, 16 (Fn. 27 m. w. N.). 71 Vgl. hierzu die Antwort der Bundesregierung vom 20. März 2002 auf die Frage der Abgeordneten Anette Widmann-Mauz, Dr. Wolf Bauer, Aribert Wolf und weiterer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU zur Umsetzung des AABG in BT-Drs. 14/8685. 72 BGBl. I 2002, S. 684. 73 Gesetz v. 23.12.2002, BGBl. I 2002, S. 4637. 74 So der damalige Vorstandsvorsitzende des VfA Prof. Dr. Bernhard Scheuble, vgl. Pressemitteilung des VfA 29/2002 v. 2. November 2002. 75 BVerfGE 106, 351; 106, 359; 106, 369. 76 BVerfGE 114, 196. 77 BGBl. 2010, I S. 983 78 BGBl. 2014, I S. 261.
IV. Abgrenzung und Qualifikation
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erhöht. Hatte sich der VFA anfangs noch eine Klage vorbehalten, äußerte der Vorstandsvorsitzende des VFA Dr. Hagen Pfunder später, dass man sich entschlossen habe, „nicht zu klagen“.79
IV. Abgrenzung und Qualifikation Normbezogene Kooperationen müssen nicht zwingend durch den Abschluss eines Vertrags zustandekommen. Es existieren verschiedenste Kooperationsformen. Diese gilt es von Verträgen im Allgemeinen und Gesetzgebungsverträgen im Besonderen abzugrenzen. Die Notwendigkeit der Abgrenzung, respektive der Qualifikation der Kooperationsform ergibt sich dabei daraus, dass von dieser Einordnung weitere Rechtsfragen, beispielsweise betreffend den Rechtsweg, der Bindung an verfassungsrechtliche Grundsätze wie den Vorbehalt des Gesetzes und sekundärrechtliche Ersatzansprüche abhängen. Eine Abgrenzung des Gesetzgebungsvertrags erfordert eine zweistufige Prüfung: Zunächst muss der Gesetzgebungsvertrag kategorisiert werden, d. h. es ist zu ermitteln, ob es sich um ein privatrechtliches oder ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis handelt. Nach dieser Einordnung hat sodann eine konkrete Abgrenzung hinsichtlich der spezifischen normbezogenen Kooperationsformen des betreffenden Rechtsgebiets zu erfolgen. Für die Zuordnung eines Gesetzgebungsvertrags zum öffentlichen Recht oder zum Privatrecht kommt es nicht entscheidend auf die Bezeichnung des Vertragsverhältnisses durch die Vertragsparteien und auch nicht auf den Parteiwillen an. Die Qualifikation eines Rechtsverhältnisses steht nicht zur Disposition der Parteien. Maßgeblich ist vielmehr eine objektive Betrachtung des Vertragsinhalts bzw. des Vertragsgegenstands. Diesbezüglich kann für die Einordnung auf die verschiedenen Ansichten zurückgegriffen werden, die im Rahmen des § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO zur Abgrenzung von öffentlich-rechtlichen und zivilrechtlichen Normen vertreten werden. Nach der Interessentheorie muss darauf abgestellt werden, ob der Vertragsinhalt dem Allgemeininteresse oder Privatinteressen dient. Im erstgenannten Fall sei der Vertragsgegenstand als öffentlich-rechtlich, im zweiten als zivilrechtlich einzustufen. Die Subordinationstheorie rekurriert demgegenüber darauf, ob zwischen den Beteiligten ein Über- und Unterordnungsverhältnis besteht.80 Beide Theorien liefern in Bezug auf den Gesetzgebungsvertrag keine hinreichende Grundlage für eine gefestigte Abgrenzungsentscheidung. So dient ein Gesetzgebungsvertrag als gegenseitiges Rechtsverhältnis zumeist gleichermaßen den Interessen beider Parteien und somit dem Allgemeininteresse wie auch dem Privatinteresse. Einzig in 79 Vgl. Ärzte Zeitung Online v. 18. Oktober 2012, online abrufbar unter www.aerztezeitung.de („Wir haben uns entschlossen, nicht zu klagen“). 80 Haack, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO, 2013, § 40 Rn 36 m. w. N.
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A. Einführung und Einordnung
denjenigen Fällen, in denen an einem Gesetzgebungsvertrag ausschließlich Hoheitsträger partizipieren, lässt die Interessentheorie eine verlässliche Entscheidung zu, da der Vertragsinhalt zwingend dem Allgemeininteresse dient. Wegen der Rechtsnatur eines Vertrags liefert auch die Anwendung der Subordinationstheorie kein verlässliches Ergebnis. Denn die Vertragsparteien bewegen sich regelmäßig auf der Ebene der Gleichordnung. Ein Stufenverhältnis ist dem gegenseitigen Vertrag fremd. Die „juristische Ebenbürtigkeit“81 gilt dabei gleichermaßen für Gesetzgebungsverträge zwischen Hoheitsträgern und Privatrechtssubjekten sowie für Gesetzgebungsverträge zwischen Hoheitsträgern untereinander. Die modifizierte Subjektstheorie stellt darauf ab, ob zumindest ein Hoheitsträger als solcher durch den Vertragsinhalt betroffen ist, indem er durch ihn berechtigt oder verpflichtet wird.82 In diesen Fällen liegt ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis vor. In einem Gesetzgebungsvertrag verpflichtet sich der Hoheitsträger als solcher zur (Nicht-)Vornahme einer Handlung, die Ausdruck einer verfassungsrechtlich zugewiesenen Kompetenz im bundesstaatlichen Gesetzgebungsverfahren ist. Der Gesetzgebungsvertrag betrifft somit die inhaltliche Ausgestaltung verfassungsrechtlich zugewiesener Kompetenzen eines Bundesorgans. In der Regel disponiert der Hoheitsträger dabei über das Gesetzesinitiativrecht aus Art. 76 Abs. 1 GG (zumindest teilweise) oder das Gesetzesbeschlussrecht Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG. Die diesbezüglich übernommene Leistungspflicht ist essentieller Vertragsgegenstand (sog. Gegenstandstheorie83). Ohne sie würde das Rechtsverhältnis nicht bestehen. Übernimmt beispielsweise die Bundesregierung die Leistungspflicht, ein bestimmtes Gesetz in den Bundestag einzubringen, so betrifft die Pflicht aus dem Vertrag den öffentlichrechtlichen Pflichtenkreis des Hoheitsträgers, konkret denjenigen aus Art. 76 Abs. 1 GG. Die Übernahme einer derartigen Leistungspflicht qua konsensualer Vereinbarung begründet letztlich mehr als bloß einen öffentlich-rechtlichen Sachzusammenhang. Sie betrifft unmittelbar öffentliches Recht. Nach der modifizierten Subjektstheorie sind Gesetzgebungsverträge mithin dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Selbst wenn der Gesetzgebungsvertrag wegen der Beteiligung eines Privatrechtssubjekts und der damit verbundenen (nicht öffentlich-rechtlichen) Leistungspflicht als ein gemischt öffentlichrechtlicher-privatrechtlicher Vertrag eingeordnet würde, so wäre auch dieser dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Denn bei gemischten Verträgen ist der Vertrag bereits dann als insgesamt öffentlich-rechtlich zu beurteilen, wenn er auch nur eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung enthält und diese nicht gänzlich unwesentlich ist.84 Dem Gesetzgebungsvertrag ist die legistische Pflicht des Hoheitsträgers immanent. Sie ist stetiger Bestandteil 81
Haack, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO, 2013, § 40 Rn 34 m. w. N. Unruh, in: Fehling/Kastner/Störmer (Hrsg.), VwGO, 2012, § 40 Rn 102; Haack, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO, 2013, § 40 Rn 37; Kopp/Schenke, VwGO, 2015, § 40 Rn 11. 83 Hierzu Haack, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO, 2013, § 40 Rn 86. 84 Brüning/Bosesky, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz (Hrsg.), VwVfG, 2014, § 54 Rn 67; Schliesky, in: Knack/Henneke (Hrsg.), VwVfG, 2014, § 54 Rn 63; Decker, in: Wolff/Decker (Hrsg.), Studienkommentar VwGO/VwVfG, 2012, Vor § 54 VwVfG Rn 15 f. 82
IV. Abgrenzung und Qualifikation
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des Vertrags und führt somit auch dann, wenn ein gemischter Vertrag angenommen würde, zur Einordnung des Gesetzgebungsvertrags als öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis. Insbesondere ist in den Fällen gemischter Verträge nicht auf den Schwerpunkt des Vertrags abzustellen. Zunächst ist die Bestimmung des Schwerpunktes des Vertrags mit erheblicher Rechtsunsicherheit verbunden. Darüber hinaus ist die Annahme eines öffentlich-rechtlichen Vertragsverhältnisses gegenüber der Qualifikation als privatrechtlichem Vertrag unter Rechtsschutzgesichtspunkten für den privaten Vertragspartner günstiger.85 Im Ergebnis ist der Gesetzgebungsvertrag, sei es zwischen einem Hoheitsträger und einem Privatrechtssubjekt oder zwischen zwei Hoheitsträgern untereinander, dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Unter dieser Prämisse erfolgt nachfolgend eine konkrete Abgrenzung des Gesetzgebungsvertrags hinsichtlich spezifischer normbezogener Kooperationsformen des öffentlichen Rechts. Voraussetzung einer Abgrenzungsentscheidung bzw. Unterscheidung der verschiedenen normbezogenen Kooperationsformen ist aber zunächst die Ermittlung abgrenzender Kriterien. Ausgangspunkt ist dabei eine formelle und eine materielle Betrachtung der Rechtsverhältnisse. Formell betrachtet setzt ein (bundesstaatlicher) Gesetzgebungsvertrag zwingend die Beteiligung eines am bundesstaatlichen Gesetzgebungsverfahren partizipierenden Verfassungsorgans voraus, also eines nach Art. 76 Abs. 1 GG zur Gesetzesinitiative Berechtigten. Partei eines Gesetzgebungsvertrags muss mithin der Bundestag, die Bundesregierung oder der Bundesrat sein. Vertragspartner ist in der Regel ein Privatrechtssubjekt. Angesichts der Tatsache, dass auch Gesetzgebungsverträge zwischen Hoheitsträgern untereinander denkbar sind, ist ein dem Privatrecht entstammender Vertragspartner jedoch kein konstitutives Erfordernis für einen Gesetzgebungsvertrag. In materieller Hinsicht ist der Vertragsgegenstand des Rechtsverhältnisses maßgeblich. Gesetzgebungsverträge verpflichten die Parteien zu bestimmten Leistung im bundesstaatlichen Gesetzgebungsverfahren in Bezug auf ein formelles Gesetz („einfaches Recht“). Zwar sind gegenständlich auch Rechtsverordnungen („Verordnungsvertrag“) und Satzungen („Satzungsvertrag“) denkbar. Wegen der fehlenden praktischen Relevanz dieser vertraglichen Gestaltungen beziehen sich die nachfolgenden Abgrenzungsentscheidungen allerdings ausschließlich auf formelle Gesetze. In seiner materiellen Wirkungsweise ist der Gesetzgebungsvertrag darüber hinaus ein „konkret-individuelles“ Instrument. Insoweit ist der Gesetzgebungsvertrag streng von dem Rechtsakt zu unterscheiden, der letztlich zur 85 Vgl. Schliesky, in: Knack/Henneke (Hrsg.), VwVfG, 2009, § 54 Rn 63; Decker, in: Wolff/ Decker (Hrsg.), Studienkommentar VwGO/VwVfG, 2012, Vor § 54 VwVfG Rn 16; wegen des Grundsatzes der einheitlichen Rechtsnatur ist auch eine Aufteilung des Gesetzgebungsvertrags in öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Bestandteile ausgeschlossen. Denn die vertraglichen Leistungspflichten unterliegen einer synallagmatischen Verknüpfung, vgl. Brüning/ Bosesky, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz (Hrsg.), VwVfG, 2014, § 54 Rn 67 m. w. N.
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A. Einführung und Einordnung
Erfüllung der hoheitlicherseits übernommenen Leistungspflicht erlassen bzw. beschlossen wird. Dieser Rechtsakt, d. h. das Gesetz (oder die Verordnung bzw. die Satzung) wirkt abstrakt-generell. Der Gesetzgebungsvertrag jedoch regelt individuelle (Leistungs-)Pflichten der Parteien. Nur die Vertragsparteien sind Adressaten der übernommenen Verpflichtungen. Darüber hinaus beziehen sich die übernommenen Individualpflichten auf einen konkreten, dem Vertragsschluss zugrunde liegenden Lebenssachverhalt. 1. Abgrenzung zur administrativen Rechtsetzung Unter administrativer Rechtsetzung wird im Folgenden die gesamte exekutive Rechtsetzung, von der auch die gubernative Rechtsetzung erfasst wird, verstanden. Einer Abgrenzung bedarf es insbesondere wegen der unterschiedlichen Rechtmäßgkeitsanforderungen.86 Nach § 54 Abs. 1 VwVfG kann eine juristische Person des öffentlichen Rechts mit einem Privatrechtssubjekt ein Rechtsverhältnis „auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts“ durch Vertrag begründen.87 Administrative Rechtsetzung kann auf zweierlei Weisen auf einem Verwaltungsvertrag basieren. Zum einen kann der Verwaltungsvertrag das konkrete Instrument (Verordnung oder Satzung) exekutiver Tätigkeit ersetzen. Dann ist der Verwaltungsvertrag die administrative Handlungsform. Der Verwaltungsvertrag kann aber auch – gleich einem Gesetzgebungsvertrag – Grundlage einer administrativen Handlungsform sein. Dieser zweite Fall weist vielerlei Parallelen zu einem Gesetzgebungsvertrag auf. Die §§ 54 ff. VwVfG gelten nach h. M. zumindest entsprechend für öffentlich-rechtliche Verträge, die auf den Erlass oder Nichterlass von administrativen Rechtsnormen gerichtet sind.88 Solche normsetzenden Vereinbarungen sind der Verwaltung gestattet, soweit ihr als Satzungs- bzw. Verordnungsgeber beim Normerlass Ermessen hinsichtlich des „Ob“ und des „Wie“ der Regelungen zugestanden wird.89 Davon abhängig können Verwaltungsträger und Privatrechtssubjekt entweder im Ganzen oder bloß inhaltlich über die Normsetzung vertraglich verfügen.90 86
Zu den Anforderungen eines Gesetzgebungsvertrags siehe unter C. Zu den möglichen Vertragspartner Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, 2014, § 54 Rn 56. 88 Fehling, in: Fehling/Kastner/Störmer (Hrsg.), VwVfG, 2012, § 54 Rn 22; Krebs VerwArch 72 (1981), S. 49 ff., 54 (direkte Anwendbarkeit); Scherer DÖV 1991, S. 1 ff., 4; dagegen Nirk NJW 1977, S. 1797 ff., 1798. 89 Ein Verbot administrativer Normsetzung durch öffentlich-rechtlichen Vertrag findet sich etwa in § 1 Abs. 3 S. 2, 2 HS BauGB. Solange ein derartiges Verbot nicht existiert, hängt die Zulässigkeit einer normsetzenden Vereinbarung von der Auslegung der konkreten Verordnungsermächtigung ab, vgl. Fehling, in: Fehling/Kastner/Störmer (Hrsg.), VwVfG, 2012, § 54 Rn 51. 90 Der vertragliche Verzicht auf den Erlass einer Rechtsverordnung führt nicht zu einem Verlust exekutiver Hoheitsgewalt, da der Behörde nach § 60 VwVfG ein Anpassungs- und Kündigungsrecht zusteht. Hierdurch kann Sie ihre Initiativbefugnis wiedererlangen. 87
IV. Abgrenzung und Qualifikation
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Derartige administrative Rechtsetzungsverträge („Verordnungsvertrag“ oder „Satzungsvertrag“) haben zunächst mit Gesetzgebungsverträgen gemein, dass auch sie – wiederum in Abgrenzung zum später erlassenen, auf dem Rechtsetzungsvertrag basierenden Rechtsakt – konkret-individuell wirken. Diese Wirkungsweise ergibt sich bereits aus der inter partes Wirkung vertraglicher Rechtsverhältnisse. Der Gesetzgebungsvertrag unterscheidet sich von administrativen Rechtsetzungsverträgen formell nicht dadurch, dass kein Verfassungsorgan Vertragspartei ist. Denn Partei eines „Verordnungsvertrags“, der Grundlage einer nach Art. 80 Abs. 1 S. 1 GG zu erlassenden Verordnung sein soll, kann ausweislich des ausdrücklichen Wortlauts der Vorschrift auch die Bundesregierung sein. Sie kann mithin sowohl Partei eines Gesetzgebungsvertrags, als auch Partei eines „Verordnungsvertrags“ sein. Materiell unterliegt der administrative Rechtsetzungsvertrag engeren Grenzen als ein Gesetzgebungsvertrag. Dies liegt vornehmlich daran, dass eine Verordnungsermächtigung auf einem ermächtigenden Gesetz beruht, die Ausübung des Rechts zum Erlass einer Verordnung mithin bereits im Vorfeld legistischer Steuerung unterliegt. So formuliert bspw. Art. 80 Abs. 1 S. 2, für die in Art. 80 Abs. 1 S. 1 GG geregelte gesetzliche Ermächtigung der Bundesregierung, eines Bundesministers oder einer Landesregierung zum Erlass einer Rechtsverordnung, dass „Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden“. Dass bedeutet, „dass das die Exekutive zum Verordnungserlass ermächtigende Gesetz angeben muss, welche Sachfragen (Inhalt) in welchem Umfang (Ausmaß) und mit welcher Zielrichtung (Zweck) von der Exekutive durch Verordnung geregelt werden können oder müssen“.91 Der Vertragsgegenstand wird mithin von vornherein eingegrenzt. 2. Abgrenzung zum legislativen Outsourcing Eine weitere Form normbezogener Kooperation stellt das sog. Outsourcing legislativer Entscheidungen bzw. entscheidungserheblicher Prozesse dar.92 Hierunter versteht man ganz allgemein die Auslagerung gesetzgeberischer Aktivitäten auf bestimmte gesellschaftliche Gruppen93, welche über ein erhöhtes Maß an Sachver 91
Remmert, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 2015, Art. 80 Rn 63 m. w. N. Aus der Fülle der Literatur beispielhaft Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 479 ff., 537 ff., der sich auch mit der Verweisung staatlich gesetzten Rechts auf privat hergebrachte Vorschriften und Normen befasst, d. h. dem Zusammenspiel von Rechtsetzung und Rechtunterwerfung; Herdegen VVDStRL 62 (2003), S. 9 ff., 22; Kloepfer, Gesetzgebungsoutsourcing – Gesetzgebung durch Rechtsanwälte?, 2011; Kloepfer NJW 2011, S. 131 ff.; Krüper JZ 2010, S. 655 ff.; Battis ZRP 2009, S. 201 ff.; Hilber ZUM 2009, S. 730 ff.; Fischer/Günther NVwZ 2005, S. 1116 ff.; Klingebiel DStR 2005, S. 981 ff.; Büllesbach NVwZ 1995, S. 444 ff. 93 Wobei es sich in der Praxis hier zumeist um Rechtsanwälte handelt, vgl. Kloepfer NJW 2011, S. 131 ff. 92
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A. Einführung und Einordnung
stand verfügen. Der Gesetzgeber bedient sich hinsichtlich der Erstellung von Gesetzentwürfen privatem Know-how. Er entäußert sich (zumindest partiell und im Vorfeld) seines (materiellen) Rechtsetzungsmonopols durch Verlagerung der gesetzesvorlageorientierten Erstellungsaktivität, was letztlich zu einer „Privatisierung der Normsetzung“ führt. Solche Verhaltensweisen gewinnen – insbesondere aufgrund der stetig steigenden Komplexität und Dynamik regelungsbedürftiger Lebenssachverhalte – zunehmend an Attraktivität, müssen sich jedoch immer zugleich dem Einwand der Bevorzugung von „Teilwohlinteressen“94 gegenüber dem Allgemeininteresse aussetzen lassen. Gesellschaftliche Mitwirkung an der Ausarbeitung von Gesetzentwürfen tritt in vielfacher Art und Weise zu Tage. So werden Gesetzentwürfe etwa von Verbänden95, privatrechtlich organisierten Dienstleistern, ökologischen Instituten oder auch der Rechtswissenschaft96 erarbeitet. Eine solche, vornehmlich als Diskussionsgrundlage dienende Erstellung ist von der das laufende Gesetzgebungsverfahren prägenden sog. „kommentierenden Beratung“ zu unterscheiden.97 Als jüngste Beispiele seien zum einen der Auftrag des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) an die Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer zur Erarbeitung des Entwurfs für ein Finanzmarktstabilisierungsgesetz (FMStG)98, zum anderen der Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) rund um den damaligen Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg an die Kanzlei Linklaters zur Erstellung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Kreditwesengesetzes (FMStErgG)99 angeführt.100 Dieser Gesetzentwurf beinhaltete nicht 94
Kloepfer NJW 2011, S. 131. Vgl. Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 525 ff. mit einer rechtlichen Würdigung speziell der Verrechtlichung von Verbändevereinbarungen am Beispiel der Energiewirtschaft. 96 Beispielhaft sei verwiesen auf den Entwurf eines Einkommenssteuergesetzes (EstG-E) von Paul Kirchhof aus dem Jahr 2005, auf den Entwurf eines Archivgestzes (vgl. Friedrich Schoch/ Michael Kloepfer/Hansjürgen Garstka, Archivgesetz (ArchG-ProfE). Entwurf eines Archivgesetzes des Bundes, Berlin 2007) sowie auf den Entwurf eines Umweltgesetzbuchs (UGB-ProfE, vgl. Kloepfer/Rehbinder/Schmidt-Aßmann/Kunig, Umweltgesetzbuch – Allgemeiner Teil, Bericht des Umweltbundesamtes 7/90, 1990 sowie Kloepfer/Jarass/Kunig/Papier/Schmidt-Aßmann/Rehbinder/Salzwedel/Schmidt-Aßmann, Umweltgesetzbuch – Besonderer Teil, Berichte des Umweltbundesamtes 4/94, 1994). 97 Kloepfer NJW 2011, S. 131 f., der beispielhaft auf § 15 BImSchG verweist. Ähnlich gestaltet sich im Energiewirtschaftsrecht die Erstellung des Bundesbedarfsplangesetzes. Dieser basiert auf einem von den Energieversorgungsunternehmen erstellten und der Bundesnetzagentur genehmigten Szenariorahmen, der sodann durch den – ebenfalls von den Energieversorgungsunternehmen erstellten und der Bundesnetzagentur genehmigten – Netzentwicklungsplan an Detailschärfe gewinnt (§§ 12a ff. EnWG). Das Zustandekommen des Bundesbedarfsplangesetzes ist materiell nahezu ausschließlich in die Hände der (privaten) Energieversorgungsunternehmen gelegt, wobei der Bundesnetzagentur als zuständige Behörde eine „überwachende“ und dem Bundesgesetzgeber eine „verrechtlichende“ Funktion zukommt. 98 Gesetz v. 17.10.2008, BGBl. I, S. 1982. 99 Gesetz v. 7.4.2009, BGBl. I, S. 725. 100 Ausführlich zum Sachverhalt Kloepfer NJW 2011, S. 131. 95
IV. Abgrenzung und Qualifikation
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nur eine Arbeitsunterlage, sondern den fertigen Gesetzentwurf, welcher (formell und materiell) unverändert innerparlamentarisch weitergeleitet wurde.101 Solchermaßen kooperatives Verhalten wäre als Gesetzgebungsvertrag zu qualifizieren, wenn ein am Gesetzgebungsprozess beteiligtes Organ die „hoheitliche Umsetzung“ der privaten Normgestaltung zusagt und dies auch im primären Interesse des originären Erstellers steht. Von einem Gesetzgebungsvertrag unterscheiden sich derartige legistische Vorbereitungs- bzw. Auslagerungsprozesse materiell hinsichtlich des Vertragsgegenstandes, konkret betreffend die Ausgestaltung der einzelnen Leistungspflichten sowie der parteilichen Interessenlage. Eine vertragliche Einigung erfolgt nicht mit Blick auf die Ausgestaltung des bundestaatlichen Gesetzgebungsprozesses, sondern nur hinsichtlich der Ausgestaltung des (dem bundesstaatlichen Gesetzgebungsprozess vorgelagerten) Auftragsverhältnisses, welches den vertraglichen Rahmen für die Gesetzesformulierung bildet. Der Gesetzgebungsvertrag unterscheidet sich also vom Gesetzesauftrag dadurch, dass das Privatrechtssubjekt lediglich Dienstleister und nicht primär „Legislativgläubiger“ ist. Für die Gesetzgebung als solche hat das Auftragsverhältnis darüber hinaus keine bindungserhebliche Relevanz. Der Hoheitsträger sagt keinerlei Einflussnahme (entsprechend einer verfassungsrechtlichen Gesetzgebungskompetenz) auf das spätere Gesetzgebungsverfahren zu, sondern bedient sich ausschließlich privatem Sachverstand. Den Beteiligten ist hinreichend bewusst, dass der Gesetzentwurf als solcher möglicherweise überhaupt nicht eingebracht wird oder gegebenenfalls erheblichen Änderungen unterliegen kann. Etwas anderes wird nicht erwartet. Auch bei umfangreichen Entwürfen handelt es sich nur um die bloße Einholung von Rat bzw. Sachverstand, nicht um die einverständliche Gewährung legislativer Einflussnahme. Hierfür spricht nicht zuletzt das Interesse des Erstellers: Dieser verfolgt im Wesentlichen nur die sich synallagmatisch aus dem Auftragsverhältnis ergebende finanzielle Gegenleistung. Ein (wenn überhaupt bestehendes) Interesse an Inhalt und Umsetzung des Gesetzentwurfs ist erheblich untergeordnet und nicht Gegenstand einer Vereinbarung. Hierin liegt der wesentliche Unterschied zu einem Gesetzgebungsvertrag.
101 Bericht der Süddeutschen Zeitung vom 9. August 2009, online abrufbar unter www.sueddeutsche.de/wirtschaft/neues-gesetz-guttenbergs-grosskanzlei-1.153712, zuletzt abgerufen am 19. Dezember 2014. Diese spricht von der „Großkanzlei als Gesetzgeber“.
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A. Einführung und Einordnung
3. Abgrenzung zu kooperativen Instrumenten des Umweltrechts Aufgrund der ähnlichen Zielsetzung ist eine Abgrenzung zum umweltrechtlichen Kooperationsprinzip102 erforderlich. Das Kooperationsprinzip dient der „Vollzugserleichterung“103 sowie dem Interesse des Staates, sich den „Sachverstand der Gesellschaft nutzbar zu machen“.104 Es erschöpft sich abstrakt in dem Aufruf an Staat und Privatwirtschaft, zum Schutze der Umwelt zusammenzuarbeiten.105 Aufgrund dieser Konturlosigkeit des Kooperationsprinzips106 fallen eine Vielzahl von Lebenssachverhalten in dessen Anwendungsbereich. Das Kooperationsprinzip steht nicht in einem Alternativverhältnis zum Gesetzgebungsvertrag. Dieser kann vielmehr in den Anwendungsbereich des Kooperationsprinzips fallen. So wird in der Literatur107 richtigerweise der Atomkonsensvertrag108 als „ein gelungenes Anwendungsbeispiel des Kooperationsprinzips“ identifiziert. Das Kooperationsprinzip ist als Rechtsprinzip109 mithin „ideologischer Träger“ des Gesetzgebungsvertrags. Insoweit ist der Gesetzgebungsvertrag mit umweltrechtlichem Einschlag als Konkretisierung des Kooperationsprin 102 Seinen Ursprung hat das umweltrechtliche Kooperationsprinzip im Umweltbericht der Bundesregierung von 1976, vgl. BT-Drs. 7/5684, Tz. 8 sowie BT-Drs. 7/2710, S. 7 ff. Unter das Kooperationsprinzip fallen neben verschiedenste Formen des informalen Handelns auch die Anhörung beteiligter Kreise nach §§ 7, 48, 51 BImSchG, der Einsatz von Umweltschutzbeauftragten zur innerbetrieblichen Eigenüberwachung (§ 53 BImSchG, § 21a ff. WHG) sowie die Öffentlichkeitsbeteiligung in Planungs- und Genehmigungsverfahren. Weiterführend zu den verschiedenen einfachrechtlichen Ausprägungen des Prinzips Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, 5. Aufl., 2003, § 2 Rn 50. 103 Kloepfer, Umweltrecht, 2. Aufl., 1998, S. 186. Skeptisch in Bezug auf diesen Vorteil Lübbe-Wolff NuR 1989, S. 295 ff., 302, die auf den u. U. gesteigerten Aufwand für kooperative Vollzugsformen hinweist. 104 Klöck NuR 2001, S. 1 ff., 4. 105 Vgl. Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, 5. Aufl., 2003, § 2 Rn 54. Grüter, Umweltrecht und Kooperationsprinzip in der Bundesrepublik Deutschland, 1990, S. 20, 37 ff.; Trute, in: Hendler/Marburger/Reinhardt (Hrsg.), Rückzug des Ordnungsrechts, 1999, S. 33 ff.; Zur politik- und verwaltungswissenschaftlichen und ökonomischen Kooperationsdiskussion Scharpf PVS 1998, Sonderheft 19, S. 61 ff.; Benz, Kooperative Verwaltung, 1994; Schneider VerwArch 1996, S. 38; Hansjürgens, in: Zimmermann/Hansjürgens (Hrsg.), Prinzipien der Umweltpolitik in ökonomischer Sicht, 1994, S. 68; Hansjürgens/Köck/Kneer, Kooperative Umweltpolitik, 2003. 106 So formuliert etwa Rehbinder, in: Hansmann/Sellner (Hrsg.), Grundzüge des Umweltrechts, 2012, dass das Kooperationsprinzip als verfahrens- und aufgabenbezogenes Prinzip bislang noch „keine klaren Konturen gewinnen konnte“ und „dessen rechtliche Durchdringung bisher eher gering war“, Kap. 3, Rn 173 m. w. N. Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, 5. Aufl., 2003, kategorisieren demgegenüber einen deskriptiven Kooperationsbegriff (§ 2 Rn 49), einen idealtypischen Kooperationsbegriff (§ 2 Rn 52) und einen normativen Kooperationsbegriff (§ 2 Rn 53). 107 Klöck NuR 2001, S. 1 ff, 8. 108 Hierzu bereits unter A. III. 1. 109 Das Bundesverfassungsgericht hat das Kooperationsprinzip zum Rechtsprinzip erhoben, BVerfGE 98, 106,130 f. Es ist zudem Ausprägung des Art. 20a GG.
IV. Abgrenzung und Qualifikation
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zips zu sehen. Ermangelt es an einem inhaltlichen Bezug, so können beide Institute unabhängig voneinander und nebeneinander bestehen. Das Umweltrecht kennt eine Vielzahl von Handlungsinstrumenten, die allesamt den konsensualen Umweltschutz bezwecken. Diese, vornehmlich auf dem Kooperationsprinzip basierenden Verhaltensweisen, werden unter dem Begriff der Umweltabsprachen zusammengefasst.110 Umweltabsprachen sind gesetzlich nicht normiert. Ein entsprechender Vorschlag der Sachverständigenkommission zum Umweltgesetzbuch wurde vom Gesetzgeber nicht übernommen.111 Abhängig von Gegenstand, Beteiligten und Rechtswirkungen können Umweltabsprachen als öffentlich-rechtlicher Vertrag (§§ 54 ff. VwVfG), privatrechtlicher Vertrag oder sonstige Absprache qualifiziert werden.112 Während sich der öffentlich-rechtliche Vertrag i. S. d. §§ 54 ff. VwVfG und der privatrechtliche Vertrag von dem Gesetzgebungsvertrag bereits formal anhand der Parteien (Verfassungsorgan/Verwaltungsorgan/Privatrechtssubjekt), materiell anhand der staatlicherseits übernommenen Leistungspflicht (legislative Rechtsetzung/administrative Rechtsetzung) abgrenzen lassen, sind vorliegend vor allem die informalen Umweltabsprachen zu untersuchen, wobei in Abgrenzung zum Gesetzgebungsvertrag vornehmlich diejenigen vertikalen informalen Umweltabsprachen von Bedeutung sind, in welchen der Hoheitsträger ein legistisches Unter lassen verspricht. Solche informalen Umweltabsprachen werden zumeist in Form von Selbstverpflichtungen umgesetzt.113 Sie unterliegen weder rechtlichen Voraussetzungen noch entfalten sie unmittelbare Rechtswirkungen (und diese werden von den Parteien auch nicht intendiert).114 Die Verhaltenszusagen der Parteien sind rechtlich unverbindlich. Informale Umweltabsprachen basieren regelmäßig auf einer staatlichen Initiative, weshalb auch von „hoheitlich inspirierten Absprachen“ gesprochen wird.115 Der Hoheitsträger tritt mit den Betroffenen über Umweltschutzziele und die geeignete Wahl der Instrumente in Verhandlung und nutzt dabei die Ankündigung, im Falle eines Dissenses ordnungsrechtliche Maßnahmen zu erlassen. Immanent ist der Selbstverpflichtung, dass der Hoheitsträger zumeist keine vertraglichen oder hoheitlichen Möglichkeiten hat, ihre Erfüllung zu erzwingen.
110
Vgl. Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl., 2004, § 5 Rn 480 m. w. N. §§ 34 ff. UGB-KomE. 112 Hierzu umfassend Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl., 2004, § 5 Rn 484 ff., 495 ff. 113 Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl., 2004, § 5 Rn 513. 114 Fluck/Schmitt VerwArch 89 (1998), S. 220 ff., 226; Grewlich DÖV 1998, S. 54 ff. 115 So ist erfolgte etwa auf europäischer Ebene die Selbstverpflichtung der Verpackungsindustrie zur Verwendung abbaubarer Kunststoffe „freiwillig“ und „auf Anregung der Kommission“. Auf diesem Gebiet waren laut Kommission „keine legislativen Initiativen“ in Planung, vgl. European Commission – IP/05/170 vom 14.2.2005. Oebbecke spricht daneben von „hoheitlich inspirierten Verhaltensabreden“, DVBl. 1986, S. 793. 111
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Auch solche staatlich veranlassten Selbstverpflichtungen zwischen einem Hoheitsträger und einem Privatrechtssubjekt können auf einem Kompromiss beruhen.116 Beide Parteien versprechen eine Leistung bzw. Gegenleistung. Innerhalb des Verhandlungsprozesses kann der Hoheitsträger Zusatzleistungen wie finanzielle Förderung oder andere Vergünstigungen versprechen. Ein Zweckzusammenhang, wie er etwa in § 35 Abs. 3 VwVfG vorgeschrieben ist, ist dabei nicht erforderlich. In aller Häufigkeit sagt der Hoheitsträger zu, dass er eine einseitige Anordnung oder Normierung nicht vornehmen wird („administratives Unterlassend“ oder „legistisches Unterlassen“). Es handelt sich bei Umweltabsprachen mithin um Abkommen mit Privatrechtssubjekten, welche sich ihrerseits zu einer Selbstregulierung verpflichten und dafür damit entlohnt werden, dass administrative oder legislative Instrumente ausbleiben. Hierdurch kann das betroffene Privatrechtssubjekt die geeigneten und damit kostengünstigsten Maßnahmen, mit der das vereinbarte Umweltschutzziel erreicht werden soll, frei und selbst wählen. Informale Umweltabsprachen sind sowohl im administrativen wie auch im legislativen Bereich denkbar. Gegenständlich unterscheiden sie sich danach, ob ein Hoheitsträger den Erlass oder Nichterlass administrativer oder parlamentarischer Normsetzung zusagt. Informale (Umwelt-)Absprachen und Selbstverpflichtungen aller Art mit legistischer Verhaltenszusage stellen dabei regelmäßig zugleich einen Gesetzgebungsvertrag dar.117 Hier ist eine sinnvolle Grenzziehung weder möglich noch erforderlich. Dies gilt etwa für den vertraglich vereinbarten Verzicht auf Fernsehwerbung für Zigaretten durch die inländischen Zigarettenhersteller vom 23. Juni 1971. Hierbei handelte sich um eine Selbstverpflichtung mehrerer Privatrechtssubjekte. Die Vereinbarung entstand als Reaktion auf die Aussage des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit, andernfalls ein gesetzliches Verbot im Rahmen der Neuordnung des Lebensmittelrechts einzuführen.118 Unter Berufung auf die Selbstbeschränkung widersprach die Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren der Forderung des Bundesrates, ein solches Verbot aufzunehmen.119 Das Verbot wurde zwar letztlich dennoch in § 22 Abs. 1 LMBG eingeführt. Die Vereinbarung beinhaltete aber ein legistisches Leistungsversprechen der Bundesregierung in ihrer Funktion als Hoheitsträger, sodass sich die Selbstverpflichtung als ein Fall des (unechten) Gesetzgebungsvertrags darstellt.
116
Fluck/Theuer, in: Fluck, Informationsfreiheitsrecht mit Umweltinformations- und Verbraucherinformationsrecht, 29. EGl., 2012, § 2 UIG Rn 371; ausführlich und zu den Vor- bzw. Nachteilen Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, 5. Aufl. 2003, § 2 Rdnr. 196 ff. m. w. N. 117 Wie bereits erwähnt, können auch administrative Rechtsakte Gegenstand einer vertraglichen Zusage sein („Verordnungsvertrag“ bzw. „Satzungsvertrag“). Diese stellen dann aber keinen Gesetzgebungsvertrag im hier relevanten Sinne dar. 118 Vgl. die Verfügung des Bundesministers für Wirtschaft und Finanzen vom 14.3.1972 – W/I B 5 – 811307, WuW/E BWM S. 143 f. Hierzu Oebbecke DVBl. 1986, S. 792 ff. 119 Vgl. BT- Drs. 7/255, S. 10 f. und S. 47 Nr. 14
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4. Abgrenzung zu Verträgen zwischen Staatsorganen Normbezogene Kooperation kann sich auch zwischen zwei oder mehreren Hoheitsträgern untereinander ereignen. So etwa, wenn die Länder im föderativen Gefüge ein Beteiligungsdefizit im bundestaatlichen Gesetzgebungsverfahren befürchten oder einzelne Bundesorgane im Vorfeld eines Gesetzgebungsverfahrens untereinander um eine Durchsetzung ihres Gesetzentwurfs „ringen“.120 Ersteres gründet sich vor allem auf die veränderte Kompetenzverteilung nach der Föderalismusreform, welche die Kompetenzen der Länder zugunsten bundesstaatlicher Gesetzgebungszuständigkeiten umverteilte. Hinzu tritt die Fülle an europäischen Sekundärrechtsakten, auf welche die Länder mangels direkter Vertretung innerhalb europäischer Rechtsetzungsprozesse nur sehr begrenzt über den Bundesrat Einfluss nehmen können. a) Vertragsschlussfähigkeit von Verfassungsorganen Die Möglichkeit, Rechtsbeziehungen zueinander mittels einer vertraglichen Vereinbarung zu regeln, setzt die Fähigkeit zum Vertragsschluss voraus. Vertragsschlussfähigkeit wiederum setzt Rechtsfähigkeit voraus,121 denn nur wer die Fähigkeit besitzt, Träger von Rechten und Pflichten zu sein, kann über selbige verfügen. Das Zivilrecht schreibt in § 1 BGB (ausnahmslos) jedem Menschen die Rechtsfähigkeit zu. Fraglich ist, in welchem Umfang Verfassungsorgane rechtsfähig und mithin vertragsschlussfähig sind. Grundsätzlich ist die Vollrechtsfähigkeit von Verfassungsorganen anzuzweifeln. Verfassungsorgane sind zwar Träger verfassungsrechtlich zugewiesener Kompetenzen. Hieraus folgt aber nicht bereits Rechtsfähigkeit dem Grunde nach. Denn diese bedarf der Verleihung eines „Gesamtkomplexes von Rechten und Pflichten“.122 Neben der Vollrechtsfähigkeit kann ein Rechtssubjekt aber auch Teilrechtsfähigkeit besitzen. Es existiert weder ein verfassungsrechtlicher noch ein einfachgesetzlicher Rechtssatz, wonach ausschließlich vollrechtsfähige Subjekte Verträge schließen dürften.123 Von Teilrechtsfähigkeit wird gesprochen, wenn ein Rechts 120 Hierbei wird es sich zumeist um politische Divergenzen handeln, an deren Ausräumung die den Konsens suchende Partei interessiert ist. 121 Die Notwendigkeit der Rechtsfähigkeit als Voraussetzung für die Vertragsschlussfähigkeit erkennen Klenke, Stärkung der Informationsrechte des Landesparlaments in Bezug auf beabsichtigtes Regierungshandeln, 2009, S. 130 ff.; Friauf AöR 83 (1958), S. 208 ff., 259 ff.; Grawert, Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern in der Bundesrepublik Deutschland, 1967, § 3. 122 Klenke, Stärkung der Informationsrechte des Landesparlaments in Bezug auf beabsichtigtes Regierungshandeln, 2009, S. 130; Bachof AöR 83 (1958), S. 208 ff., 163 f. 123 Klenke, Stärkung der Informationsrechte des Landesparlaments in Bezug auf beabsichtigtes Regierungshandeln, 2009, S. 132.
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A. Einführung und Einordnung
subjekt keine eigene Rechtspersönlichkeit hat, ihm aber auf Teilgebieten eine Rechtsfähigkeit eingeräumt wird. Gleich dem Zivilrecht,124 wurde auch im öffentlichen Recht nachgewiesen, dass verschiedene Stufen der Rechtsfähigkeit existieren.125 Diese reichen von der Teilrechtsfähigkeit, welche aus der Trägerschaft der Rechte und Pflichten aus einzelnen Rechtssätzen oder auch nur einem einzigen Rechtssatz resultiert, bis hin zur Vollrechtsfähigkeit. In Bezug auf die oben aufgeworfene Frage gilt mithin, dass die Rechtsfähigkeit nicht Voraussetzungen für die Übertragung bestimmter Rechten und Pflichten ist, sondern vielmehr umgekehrt „aus der Übertragung von Rechten und Pflichten auf die Rechtssubjektivität geschlossen wird“.126 Der Umfang der Rechtsfähigkeit ist somit anhand des Umfangs des durch Rechtssatz zugewiesenen Funktionskreises, d. h. des Kompetenzkatalogs und der sonstigen Zuständigkeiten, zu bestimmen.127 Hiervon hängt sodann die Vertragsschlussfähigkeit ab. Für diese genügt es, dass die Parteien Zuordnungssubjekte der gegenständlichen Rechtssätze sein können. Die Teilrechtsfähigkeit (und gleichermaßen die Vertragsschlussfähigkeit) der Bundesregierung ergibt sich somit beispielhaft aus und (spiegelbildlich) bezüglich der Zuweisung bestimmter Gesetzesinitiativrechte (Art. 76 Abs. 1, 3 GG, Art. 110 Abs. 3 GG und Art. 115d Abs. 2 GG). Eine hiervon zu unterscheidende Frage ist jedoch diejenige, ob für ein bestimmtes Handeln eine Vertragsermächtigung (ein „Freigabeakt“) besteht.128 Denn der Fähigkeit, innerhalb eines verfassungsrechtlich zugewiesenen Funktionskreises Verträge abschließen zu können, kann nicht die Befugnis gleichgesetzt werden, über zugewiesene Rechte zu verfügen. Anders formuliert: „Der Schluss von der bloßen Vertragsfähigkeit der Verfassungsorgane auf die Zulässigkeit konkreter Vertragsinhalte scheitert.“129 Diese speziellere Frage stellt sich abhängig davon, in welchem Umfang der Rechtssatz dem betreffenden Organ Dispositionsmöglichkeiten gewährt.130
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Vgl. etwa die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) nach §§ 705 ff. BGB oder Vorgesellschaften. 125 Wolff, Organschaft und Juristische Person, Bd. I, 1933, S. 88–230; Bachof AöR 83 (1958), S. 208 ff., 259 ff.; Friauf AöR 88 (1963), S. 257 ff., 297 f. 126 Friauf AöR 88 (1963), S. 257 ff., 298 m. w. N. 127 Dies wird auch von der Vorschrift des Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG bestärkt, der die Parteifähigkeit im Organstreitverfahren regelt. Die dort kodifizierte Möglichkeit der selbständigen Wahrnehmung eigener Rechte und Pflichten, d. h. bestehender Kompetenzen, ist nur sinnvoll, soweit ihr eine entsprechende materielle Berechtigung gegenüberstehen kann, „wenn also die Partei Subjekt der von ihr prozessual geltend gemachten Rechte sein kann“, vgl. BVerfGE 2, 143, 156. Zudem ist in der Anerkennung eines Organstreitverfahrens die Verbindung von Staatsorganen durch verfassungsrechtliche Rechtsverhältnisse untereinander bestätigt. 128 Hierzu konkret unter C. II. 3. 129 Klenke, Stärkung der Informationsrechte des Landesparlaments in Bezug auf beabsichtigtes Regierungshandeln, 2009, S. 133. 130 Ausführlich und für bestimmte Einzelfälle Friauf AöR 88 (1963), S. 257 ff., 300 ff.
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b) Vertragliche Erscheinungsformen Inter-Organbeziehungen auf Bundesebene sind aufgrund der Vielzahl formaler Beteiligungsvarianten131 und materieller Vereinbarungsgegenstände132 in großer Fülle denkbar. Das Schrifttum bezeichnet derartige konsensuale Vereinbarungen, in denen zwei verfassungsrechtlich geschaffene oberste Staatsorgane partizipieren, als sog. „verfassungsrechtliche Verträge“.133 Partizipant eines verfassungsrechtlichen Vertrags können alle obersten Bundesorgane sein, d. h. jene die „von der Verfassung in Existenz, Status und wesentlichen Kompetenzen konstituiert werden, indem sie dem Staat durch Existenz und Funktion seine spezifische Gestalt verleihen und durch ihre Tätigkeit an der obersten Staatsleitung Anteil haben“.134 Voraussetzung für den Vertragsschluss ist jedoch, dass die Verfassung ihnen „Rechte und Pflichten“ (d. h. Kompetenzen) zuordnet, d. h. die soeben bezeichnete Vertragsschlussfähigkeit.135 131 Als potentiell geeignet gestalten sich sämtliche obersten Bundesorgane, deren prozessuale Beteiligten- und Prozessfähigkeit im Verfassungsstreit außer Diskussion stehen, d. h. der Bundespräsident, der Bundestag, der Bundesrat, die Bundesregierung in Gestalt des Bundeskanzlers und der einzelnen Minister, Fraktionen, der gemeinsame Ausschuss (Art. 53a GG) und wohl auch die Bundesversammlung. Insoweit entfaltet § 63 BVerfGG indizielle Wirkung. Hinsichtlich des Bundesrechnungshofs wird mit Blick auf Art. 114 Abs. 2 GG als Kompetenzzuweisungsnorm wohl eine Partizipation an Gesetzgebungsverträgen nicht auszuschließen sein. Der Bundesbank (Art. 88 GG) ist ein solcher Status hingegen zu versagen, da es ihr an einer verfassungsrechtlichen Absicherung ihrer Kompetenzen mangelt, vgl. Löwer, Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band 3, 2005, § 70 Rn 18. Dies gilt wohl vor allem auf Grund des zunehmenden Bedeutungsverlustes im Rahmen der europäischen Währungsunion; zur fehlenden Verfassungsorganeigenschaft auch Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl., 2014, Art. 93 Rn 7. 132 Diese sind essentiell mit den den Betroffenen zustehenden Rechten verknüpft. So sind dies für Fraktionen die Rechte aus §§ 25 f., 35, 78 ff. GOBT, für den Bundeskanzler als Teil der Bundesregierung die Rechte aus Art. 65 GG. Die Bundesminister verfügen über Rechte aus Art. 65 Abs. 2 GG und der Bundestagspräsident über die in Art. 40 Abs. 2 GG genannten. Auch der einzelne Bundestagsabgeordnete verfügt über Rechte aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG. Das Bundesverfassungsgericht spricht ihm aufgrund dessen die Parteifähigkeit i. S. v. § 63 BVerfGG zu, vgl. BVerfG NVwZ 2007, 918. Ob hieraus auch die Möglichkeit zur Verfügung dieser Rechte folgt, ist mit Hinweis auf den klaren Wortlaut („an Aufträge und Weisungen nicht gebunden“) zu vereinen. Das einzelne Mandat ist keiner vertraglichen Verfügung zugänglich. 133 Bezeichnet werden mit dem Begriff des „Verfassungsorgans“ übereinstimmend die vom Grundgesetz selbst benannten obersten Staatsorgane, die „eigenständig Inhaber eines nicht unwesentlichen Ausschnitts aus der verfassungsrechtlich konstituierten Staatsgewalt“ sind, vgl. Stern, Staatsrecht II (1980), S. 42. Kritisch Knies, in: FS für Stern (1997), S. 1155, 1166, Fn 49. 134 Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge (Hrsg.), BVerfGG, 44. Aufl., 2014, § 1 Rn 17, § 63 Rn 14 ff., 23; zudem BVerfGE 8, 104, 114 f. 135 Schon 1953 formulierte das BVerfG: „Wo immer eine Verfassung Staatsorganen die Möglichkeit eröffnet, ihren verfassungsmäßigen Anteil an der Staatswillensbildung im Prozesswege vor einem Verfassungsgericht zu verfolgen – Organstreitverfahren –, tritt notwendig eine gewisse Subjektivierung der verfassungsrechtlichen Beziehungen ein, die es rechtfertigt, mit dem Grundgesetz von „Rechten“ der Staatsorgane zu sprechen, die verletzt und darum verteidigt werden können.“, s. BVerfGE 2, 143, 152. Dort wo Recht bestehen, muss (abstrakt) dann auch eine Verfügung – stets unter Wahrung der konkret durch die Verfassung aufgegebenen Schranken – möglich sein.
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Als verfassungsrechtliche Vertragsverhältnisse gelten beispielsweise Abmachungen zwischen dem Bundespräsidenten und dem von ihm vorzuschlagenden Kanzlerkandidaten (Art. 63 Abs. 1 GG) über die Aufstellung der Ministerliste,136 Verträge zwischen dem Bundeskanzler und dem Bundestag über die Verpflichtung des Bundeskanzlers, von seiner Richtlinienkompetenz (Art. 65 S.1 GG) in einer bestimmten Art und Weise Gebrauch zu machen,137 Vereinbarungen über die Stimmabgabe im Bundesrat, Absprachen über die Zusammenarbeit der Gruppen im parlamentarischen Raum, d. h. Fraktionszusammenschlüsse, Gruppenbildung und Abstimmungsvereinbarungen in der Frage der parlamentarischen Prozedur,138 Abmachungen zwischen dem Bundeskanzler und dem Bundestag bzw. einzelnen Bundestagsfraktionen139 sowie Abmachungen zwischen dem Bundestag und der Bundesregierung.140 Die Rechtmäßigkeit verfassungsrechtlicher Verträge erfordert neben der Vertragsschlussfähigkeit der betreffenden Organe auch die „Vertragszulässigkeit“ oder „Vertragsermächtigung“. Denn andernfalls würden verfassungsrechtlich determinierte Kompetenzbereiche, die nur unter den Voraussetzungen des Art. 79 GG verändert werden können, unzulässig verschoben. Ein solcher „Freigabeakt“141 kann durch jede Verfassungsbestimmung erfolgen, die es dem Verfassungsorgan belässt, die Ausübung seiner Kompetenzen vertraglich zu regeln. Ob ein „Freigabeakt“ vorliegt, ist durch Auslegung der gegenständlich relevanten Verfassungsnormen stets für jeden Einzelfall zu ermitteln.142 Die Abgrenzung zwischen einem verfassungsrechtlichen Vertrag und einem Gesetzgebungsvertrag erfolgt in formeller Hinsicht anhand der Qualifikation der Ver 136
Laforet, Die Scheidung der Gewalten nach dem Bonner Grundgesetz, 1950, S. 3 f. Hierzu Friauf, in: Schwinge (Hrsg.), Festgabe für Heinrich Herrfahrdt zum 70. Geburtstag, 1961, S. 45 ff., 57 f. 138 Diese werden allesamt von Sasse JZ 1961, S. 719 ff. erläutert. 139 Hierzu Friauf AöR 88 (1963), S. 257 ff., 300 f. Ebenso Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 324 zur Selbstbindung von Abgeordneten. 140 Hierzu Friauf AöR 88 (1963), S. 257 ff., 302 f. 141 Grundlegend Stern VerwArch 49 (1958), S. 106 ff., 136; Friauf AöR 88 (1963), S. 257 ff., 276. 142 Unbestritten zulässig ist ein verfassungsrechtlicher Vertrag, soweit ausdrücklich eine Vertragsermächtigung vorliegt, wie dies bspw. in einzelnen Landesverfassungen geregelt ist (vgl. etwa Art. 76a Abs. 3 LVerf Saarland, wonach Einzelheiten der Unterrichtung und Beteiligung des Landtages in Angelegenheiten der Europäischen Union einer Vereinbarung zwischen Landesregierung und Landtag vorbehalten bleiben). Existiert keine ausdrückliche Ermächtigung zum Vertragsschluss, so ist Voraussetzung für einen verfassungsrechtlichen Vertrag zunächst, dass die gegenständliche Verfassungsbestimmung dispositiv ist, d. h. dem Zuordnungssubjekt die Wahl zwischen mehreren Gestaltungsmöglichkeiten belässt. Steht dem Organ bei der Ausübung seiner Kompetenzen solchermaßen eine Wahlfreiheit zu, so kann hieraus noch nicht auf die Vertragszulässigkeit geschlossen werden. Denn der eingeräumte Gestaltungsspielraum betrifft nur den Inhalt der Maßnahme. Zu suchen ist nach einer Bestimmung, die die vertragliche Festlegung über die Ausübung einer Kompetenz zulässt. Siehe bezüglich des Abschlusses sog. „Parlamentsinformationsverträge“ auf Landesebene Klenke, Stärkung der Informationsrechte des Landesparlaments in Bezug auf beabsichtigtes Regierungshandeln, 2009, S. 133 ff. 137
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tragsparteien. Während an einem verfassungsrechtlichen Vertrag in der Regel zwei am Verfassungsleben beteiligte Organe partizipieren, kontrahieren bei einem Gesetzgebungsvertrag ein Hoheitsträger und ein Privatrechtssubjekt. Materiell erfolgt die Unterscheidung anhand des Vertragsgegenstands. So betrifft der verfassungsrechtliche Vertrag ex termini Verfassungsrecht, wohingegen der Gesetzgebungsvertrag einfaches Recht betrifft, konkret einen Legislativakt. c) Exkurs: Verträge im föderativen Verhältnis Im deutschen Verfassungsrecht ist die Zulässigkeit von Verträgen zwischen dem Bundesstaat und den Ländern allgemein anerkannt.143 So formulierte die Rechtswissenschaft bereits früh, dass Verträge zwischen allen oder einzelnen Ländern mit der Bundesrepublik als „verfassungsrechtlich erlaubt“ und „im Grundgesetz verwurzelt“ gelten.144 Durch die Mitwirkung der Länder am bundesstaatlichen Gesetzgebungsverfahren haben diese vornehmlich die Möglichkeit, eigene Interessen in den gesetzgeberischen Entscheidungsprozess einzubringen. Daneben fungieren sie als Kontrollinstanz zur Überwachung der Politik der Bundesregierung und des Bundestags.145 Den Ländern stehen im Rahmen des bundesstaatlichen Gesetzgebungsverfahrens nach dem Grundgesetz verschiedene Möglichkeiten der Einflussnahme zu. Maßgebliche Beteiligung kommt den Ländern dabei über den Bundesrat zu146, wobei sich dieses Beteiligungsrecht als wesentliche Ausprägung des in Art. 20 GG verankerten Bundesstaatsprinzips erweist.147 In summa verbürgt das Grundgesetz zugunsten der Länder zuvorderst ein Gesetzesinitiativrecht (Art. 76 Abs. 1, 3 GG). Daneben hat der Bundestagspräsident gem. Art. 77Abs. 1 S. 2 GG i. V. m. § 122 GO-BT die vom Bundestag beschlossenen Gesetze unverzüglich148 dem Bundesrat zu übersenden. Hieran knüpft sich – je nachdem ob es sich um ein zustimmungsbedürftiges oder ein Einspruchsgesetz handelt – im Rahmen des Art. 77 Abs. 2, 2a und 3 GG die Interventionsmöglichkeit durch Einberufung des Vermittlungs ausschusses bzw. das durch Art. 77 Abs. 4 GG näher ausgestaltete Recht zum Einspruch. Zuletzt sieht Art. 79 Abs. 2 GG ein notwendiges Beteiligungsrecht des 143
Friauf AöR 88 (1963), S. 257 ff., 291. Kölble, Gemeinschaftsaufgaben zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, S. 17 ff., 31 ff., 55, 60; ders. DÖV 1960, S. 650 ff; Maunz NJW 1962, S. 1641 unter Bezugnahme auf Schneider VVDStRL 19 (1961), S. 1, 4, 13; Schaumann VVDStRL 19 (1961), S. 86 ff; Pfeiffer NJW 1962, S. 565 ff. sowie Schneider DÖV 1957, S. 644 ff. und Friauf AöR 88 (1963), S. 257 ff., 291 m. w. N. 145 Huster/Rux, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), GG, 2. Aufl., 2013, Art. 20 Rn 22. 146 Vor allem durch die Föderalismusreform ist der Einfluss des Bundesrats jedoch zurückgedrängt worden. Die Eindämmung zustimmungspflichtiger Gesetze war ein wesentliches Ziel dieser Reformbestrebungen. 147 Huster/Rux, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), GG, 2. Aufl., 2013, Art. 20 Rn 20. 148 D. h. ohne schuldhaftes Zögern im Sinne von § 121 Abs. 1 BGB. 144
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Bundesrats im Falle eine Änderung des Grundgesetzes. Verträge zwischen Bund und Ländern in Bezug auf das „Ob“ und das „Wie“ des Gesetzgebungsverfahrens sind aufgrund der Vielzahl von geregelten Partizipationsmöglichkeiten mithin weitgehend unnötig, da Gesetzesinhalte (wesentlich) über das Initiativrecht und (beschränkt) über den Vermittlungsausschuss149 gestaltet oder umgestaltet werden können. Sofern einzelne Institutionen der Länder, etwa die Landesregierung als Kabinett, der Regierungschef oder einzelne Minister legislative Absprachen mit etwaig am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Bundesorganen treffen oder intendieren, ermangelt es ihnen evident in formeller und materieller Hinsicht an einer privatrechtlichen Komponente.150 Eine weitere Form föderaler Verträge stellen sog. Eingliederungsverträge dar.151 Hierdurch werden bzw. wurden bislang eigenständige Einzelstaaten im Bundesstaat in einem anderen eingegliedert.152 Eingliederungsverträge enthalten regelmäßig eine Verpflichtung des Gesetzgebers zur Rechtsetzung, welche der Notwendigkeit entspricht, für das eingegliederte Land bestimmte Sicherungen durch Gesetz zu schaffen.153 Das Bundesverfassungsgericht hat diese Bindungswirkung mehrfach bestätigt.154 Zum einen treffen derartige Rechtsetzungsverpflichtungen aber nicht den Bundesgesetzgeber. Zum anderen sind auch hier ausschließlich Hoheitsträger befasst (formelle Abgrenzung).
149 Zum Umfang der Gestaltungsmöglichkeiten des Vermittlungsausschuss im Gesetzge bungsverfahren vgl. BVerfGE 120, 56. 150 Bezüglich der Frage, ob ein solches Recht überhaupt bestehen kann, ist festzuhalten, dass eine solche Vorgehensweise wohl mangels entsprechender Kompetenzzuweisung im Grundgesetz nicht möglich ist. 151 Begrifflich bezeichnet der „Eingliederungsvertrag“ ausschließlich das Verhältnis der Länder untereinander. Ein Eingliederungsvertrag ist aber auch im Verhältnis zweier Gemeinden zueinander möglich, wird dann aber als sog. „Eingemeindungsvertrag“ bezeichnet. 152 Dazu Frowein ZaöRV 30 (1970), S. 1 ff. 153 Frowein, Die Bindung des Gesetzgebers an Verträge, in: Jakobs u. a. (Hrsg.), FS Flume, 1978, S. 301, 313; Vgl. hierzu auch BVerfGE 34, 216, 219. 154 So für den Anschluss des Freistaates Coburg an Bayern im Jahr 1920, BVerfGE 22, 221; 34, 216; 38, 231. In der Folge bestätigen BVerfGE 42, 345.
B. Rechtserzeugung und konsensuale Verständigung I. Die zentrale Rolle des Parlaments im demokratischen Gefüge In Art. 20 Abs. 1 und 2, 28 Abs. 1 S. 1 GG hat das Grundgesetz die Entscheidung für den demokratischen Staat getroffen. Das Volk ist originärer Souverän. Von ihm geht alle Staatsgewalt aus, Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG. Unmittelbar übt es diese Staatsgewalt in periodisch stattfindenden Wahlen aus (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG). Auf Bundesebene werden dementsprechend Abgeordnete als Volksvertreter gem. Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG in „freien Wahlen“ gewählt. Durch diesen Wahlakt entsteht demokratische Legitimation,1 welche die Mandatsträger zur Ausübung von Staatsgewalt berechtigt. Dabei ist der Bundestag das einzig unmittelbar gewählte Verfassungsorgan.2 Diese überragende Stellung im demokratischen Bundesstaat drückt sich verfassungsrechtlich in der Zuweisung von Kreations-, Rechtsetzungs- und Kontrollfunktionen aus.3 1. Das Parlament als Legitimationsorgan (Kreationsfunktion) Der Bundestag stellt als Inhaber eines unmittelbaren demokratischen Mandats das „zentrale Legitimationsorgan“4 dar. Aufgrund dessen gewährt ihm das Verfassungsrecht eine personelle Gestaltungsmacht (sog. Kreationsfunktion), wobei die 1 Vgl. BVerfGE 44, 125, 139. Zur Verbindung von parlamentarischen Regierungssystem und Demokratie vgl. Oppermann VVDStRL 33 (1975), S. 7, 18 f. Ausführlich auch Schmidt-Preuß, Gestaltungskräfte im parlamentarischen Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland, in: Isensee/Lecheler (Hrsg.), Freiheit und Eigentum, Festschrift für Leisner, 1999, S. 467. 2 Daneben besteht die „gleichwertige“ mittelbare Legitimation, so Schmidt-Preuß, Gestaltungskräfte im parlamentarischen Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland, in: Isensee/Lecheler (Hrsg.), Freiheit und Eigentum, Festschrift für Leisner, 1999, S. 467. Als Beispiel sei hier auf den Bundesrat verwiesen, dessen Mitglieder nicht direkt vom Volk gewählt werden (Art. 51 GG). 3 Vgl. ausführlich Achterberg, Parlamentsrecht, 1984, § 19. Neben der nun folgenden Dreiteilung der Parlamentsfunktionen wird auch eine Zweiteilung (Gesetzgebung und Kontrolle von Regierung/Verwaltung), Vierteilung (Gesetzgebung, Kontrolle, Kreations- und Repräsentationsfunktion) oder gar Fünfteilung (Gesetzgebung, Kreations-, Willensbildung-, Öffentlichkeits- und Kontrollfunktion) vertreten, vgl. ausführlich bei Schulze-Fielitz, Theorie und Praxis parlamentarischer Gesetzgebung, 1988, S. 292. 4 Schmidt-Preuß, Gestaltungskräfte im parlamentarischen Regierungssystem der Bundes republik Deutschland, in: Isensee/Lecheler (Hrsg.), Freiheit und Eigentum, Festschrift für Leisner, 1999, S. 467 f.
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B. Rechtserzeugung und konsensuale Verständigung
demokratische Legitimation kraft Wahlakt fortwirkt (sog. mittelbare demokratische Legitimation). Die wesentliche Kreationsbefugnis ist in den Art. 63 ff. GG geregelt. Nach Art. 63 Abs. 1 GG kommt dem Bundestag die Aufgabe zu, den Bundeskanzler, d. h. den Regierungschef, zu wählen.5 Auch wenn Art. 64 Abs. 1 GG den Parlamentariern kein Mitspracherecht bezüglich der Auswahl der einzelnen Bundesminister einräumt,6 so besteht eine hinreichende Einflussnahmemöglichkeit jedoch durch das parlamentarische Entscheidungsrecht in Bezug auf die Person des Bundeskanzlers.7 Neben den Befugnissen aus Art. 40 Abs. 1 GG genießt der Bundestag eine Kreationskompetenz zudem gem. Art. 54 GG (Beteiligung an der Wahl des Bundespräsidenten), Art. 94 Abs. 1 S. 1 GG (Wahl der Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts), Art. 95 Abs. 2 GG (Wahl der Bundesrichter) sowie bezüglich der Wahl der Mitglieder der Bundestagsbank, des Vermittlungsausschusses und des Bundestagspräsidenten. 2. Das Parlament als Entscheidungsinstanz (Rechtsetzungsfunktion) Neben dieser Kreationsfunktion kommt dem Bundestag darüber hinaus auch eine Entscheidungsfunktion zu. Art. 20 Abs. 3 GG konstatiert die Gesetzgebung als eine der drei Staatsgewalten. Legislativakte sind Grundlage und Maßstab, Ermächtigung und Begrenzung rechtsstaatlichen Handelns.8 Die Gesetzgebung ist in erster Linie die Aufgabe des Parlaments. Dem entspricht Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG, wonach Bundesgesetze vom Bundestag beschlossen werden. Soweit dem Bundestag ein entsprechender Kompetenztitel zusteht, wird er mithin als primäre staatliche Gestaltungs- und Entscheidungsinstanz tätig.
5 Sofern der Bundeskanzler die Mehrheit der Stimmen der Mitglieder des Bundestages erhält, ist er durch den Bundespräsidenten nach Art. 63 Abs. 2 i. V. m. Art. 121 GG zu ernennen. Der Bundestag wird dabei durch das dem Bundespräsidenten zugestandene Vorschlagsrecht in seinem Wahlrecht nicht beschnitten, insbesondere deswegen, weil der Bundestag über die Macht verfügt, mit seiner Mehrheit einen eigenen Kandidaten zu wählen (Art. 63 Abs. 3 GG). 6 Diese werden auf Vorschlag des Bundeskanzlers vom Bundespräsidenten ernannt und entlassen. 7 Die Einflussnahmemöglichkeit des Parlaments ist daneben nicht auf den Wahlakt begrenzt. Denn der Bundeskanzler benötigt für seine Amtsführung die Mehrheit (und das Vertrauen) des Bundestages. Es besteht die Möglichkeit des Art. 67 GG, wobei sich das konstruktive Misstrauensvotum als „ultima ratio parlamentarischer Kontrolle“ versteht, vgl. Stern, Staatsrecht, Band 1, 2. Aufl. 1984, § 22 III 3. Daneben bestehen mit der Missbilligung, des Tadels und der Aufforderung an den Bundeskanzler, die Vertrauensfrage nach Art. 68 GG zu stellen, politische Instrumente der fortwährenden Einflussnahme/Kontrolle. Ihnen kommt jedoch keine rechtliche Bindungswirkung zu. 8 Schmidt-Preuß, Gestaltungskräfte im parlamentarischen Regierungssystem der Bundes republik Deutschland, in: Isensee/Lecheler (Hrsg.), Freiheit und Eigentum, Festschrift für Leisner, 1999, S. 467 f.
I. Die zentrale Rolle des Parlaments im demokratischen Gefüge
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3. Das Parlament als Kontrollinstanz (Kontrollfunktion)9 Das Grundgesetz führt die Kontrollfunktion des Parlaments nur relativ unscheinbar in Art. 45b GG an. Dort heißt es, dass der Wehrbeauftragte als „Hilfsorgan des Bundestages bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle“ auftritt. Dem Parlament ist die Kontrolle der Regierung als eigene Aufgabe übertragen.10 Die politische Praxis führt jedoch regelmäßig zu einer faktischen Verschiebung des Kontrollmechanismus hin zur parlamentarischen Opposition, d. h. zu denjenigen Abgeordneten bzw. Fraktionen des Bundestages, welche als parlamentarische Minderheit die von der Mehrheit getragene Regierung nicht stützen.11 Unter dem Gesichtspunkt der Kontrolle stehen sich daher in der Praxis nicht das Parlament in seiner Gesamtheit und die Regierung gegenüber, sondern die Regierungsmehrheit und die von ihr getragene Regierung auf der einen, und die Opposition auf der anderen Seite.12 Hierin ist eine potentielle Gefährdung der im Grundgesetz angelegten Kontrollmechanismen zu sehen.13
9 Ein Überblick zu den Kontrollbefugnissen des Parlaments findet sich bei Stern, Staatsrecht, Band 2, 1980, § 26, S. 51 ff. Vereinzelt wird die parlamentarische Kontrolle nicht als eigenständige Parlamentsfunktion verstanden. Parlamentarische Kontrolle sei vielmehr den anderen Parlamentsfunktionen immanent. So formuliert etwa Krebs, dass die „Parlamentarische Kontrolle damit den parlamentarischen Entscheidungsprozess kontinuierlich [begleitet] und in jedem parlamentarischen Entscheidungsprozess statt[findet]“, vgl. in, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen: ein Beitrag zur rechtlichen Analyse von gerichtlichen, parlamentarischen und Rechnungshof-Kontrollen, 1984, S. 128. Sinngemäß ebenso Thaysen, Parlamentarisches Regierungssystem in der Bundesrepublik Deutschland, 1976, S. 97; Steffani, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, 1989, § 49. 10 Achterberg/Schulte, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Band 2, 6. Aufl., 2010, § 38 Rn 47. Differenzierend zwischen den Kontrollkompetenzen der Parlamentsmehrheit und der Parlamentsminderheit, mit Blick auf politische Folgen (wie etwa die öffentliche Darstellung der Bundesregierung im Falle übermäßiger öffentlich sichtbarer Kontrollen) Anderl, Gesetzgebung und kooperatives Regierungshandeln, 2006, S. 196. 11 So auch Brenner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band 3, 2007, § 44 Rn 36, der davon spricht, dass die Kontrollfunktion des Parlaments nicht mehr von dem Gesamtorgan, sondern lediglich von der parlamentarischen Opposition wahrgenommen wird. 12 Denn die Parlamentsmehrheit ist insoweit von der Regierung abhängig, als sie diese unterstützt, sofern sie bei der nächsten Wahl erneut ins Parlament einziehen will. Sie ist mithin darauf angewiesen „ihrer“ Regierung zum Erfolg zu verhelfen, vgl. Morlok VVDStRL 62 (2003), S. 37 ff., 66, der hierin ein „Erpressungspotential“ zugunsten der Regierung sieht. 13 Brenner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band 3, 2007, § 44 Rn 36 spricht zu weitgehend davon, dass „die Kontrollaufgabe des Parlaments vielfach leerläuft“. Effiziente parlamentarische Kontrolle hängt jedoch von den jeweiligen Kräfteverhältnis im Parlament im Einzelfall sowie der konkreten politischen Situation, d. h. der Unterstützung der jeweiligen Regierung durch die „eigenen Reihen“ ab; a. A. Anderl, Gesetzgebung und Kooperatives Regierungshandeln, 2006, S. 196, der davon ausgeht das es verfehlt sei hieraus den Schluss zu ziehen, Regierungskontrolle bleibe allein parlamentarischer Opposition überlassen. Denn Parlamentarische Kontrolle finde vielmehr durch Parlamentsmehrheit- und -minderheit statt, jedoch auf unterschiedliche Art und Weise. Hierfür spricht zwar, dass Kontrollmöglichkeiten
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Das Grundgesetz postuliert eine Vielzahl von Mechanismen zur effizienten Kontrolle der Regierungstätigkeit.14 Hierbei handelt es sich aber nicht ausschließlich um nachträgliche Beaufsichtigung der Erledigung von Aufgaben, wie der Begriff der Kontrolle herkömmlich verstanden wird. Parlamentarische Kontrolle ist neben dieser reaktiven auch auf eine steuernde Weise möglich. Hiernach soll b ereits im Vorfeld durch parlamentarische Willensäußerung eine Entscheidung beeinflusst werden.15 Dies manifestiert sich konkret in der vom Parlament wahrzunehmende Gesetzgebung, die aufgrund ihrer Bindungswirkung für die vollziehende und judizierende Gewalt eine solche vorauswirkende Kontrolle der Regierung zur Folge hat.16 Zudem wird diesbezüglich eine wesentliche Kontrollfunktion durch die Ausschüsse wahrgenommen.17 Die mit den Gesetzesvorlagen befassten Fachausschüsse wirken an der Gesetzesvorbereitung mit. Sofern es sich um Regierungsvorlagen handelt, liegt eine frühzeitige und effektive Kontrolle der Exekutive vor.18 Den Bereich der kontrollierten Rechtsetzung betreffen auch parlamentarische Zustimmungsvorbehalte zu Hoheitsakten der Exekutive, wie etwa Zustimmungsvorbehalte beim Erlass von Rechtsverordnungen.19 Ebenso ist für die Übertragung potentiell gewahrt bleiben, praktisch aber wohl hinter dem Interesse des einzelnen Abgeordneten an dem „ob“ seines parlamentarischen Mandats zurücktreten. Zumindest aber ist die Kontrollfunktion bei der Opposition stärker ausgeprägt. Schneider vertritt darüber hinaus sogar die These, dass „das gesamte Parlamentsrecht einzig und allein dazu dient, die Minderheit vor der Willkür einer parlamentarischen Mehrheit zu bewahren“, vgl. ders., in: Badura/Dreier (Hrsg.), 50 Jahre BVerfG, Band 2, 2001, S. 627. 14 Vereinzelt wird moniert, es handele sich bei der parlamentarischen Kontrolle nicht um eine eigenständige Parlamentsfunktion. Parlamentarische Kontrolle begleite den parlamentarischen Entscheidungsprozess vielmehr kontinuierlich und finde in jedem parlamentarischen Entscheidungsprozess statt, vgl. Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, 1984, S. 128; ebenso Thaysen, Parlamentarisches Regierungssystem in der Bundesrepublik Deutschland, 1976, S. 97. Es erscheint im Ergebnis richtig, die parlamentarischen Kontrollmechanismen in eine im Vorfeld stattfindende dirigierende, eine nachträgliche reaktive und eine kontinuierliche, die Willensbildung beeinflussende Komponente aufzutrennen. Denn vielfach erfolgt politische Willensbildung über einen längeren Zeitraum, welcher eine Kategorisierung in „Anfang“, „Mitte“ und „Ende“ nicht zugänglich ist. 15 Klein, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band 3, 2007, § 50 Rn 33 spricht mit Verweis auf Eichenberger SJZ 1965, S. 270 von einer sog. „dirigierenden Kontrolle“. 16 Hierzu auch Achterberg, Parlamentsrecht, 1984, S. 408 ff. 17 BVerfGE 80, 188, 222. 18 Deutlich hervor tritt die Kontrollfunktion bei den an der Ressortverteilung der Exekutive ausgerichteten Ausschüssen, vgl. Zeh, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band 3, 2007, § 52 Rn 41 ff. Ergänzt wird sie durch das in § 62 Abs. 1 S. 3 GO BT geregelte Selbstbefassungsrecht. Hiernach können sich die Ausschüsse auch ohne überwiesene Vorlage mit allen Fragen betreffend ihren Geschäftsbereich befassen. Nach h. M. sind sie hierbei aber auf „Meinungsbildung und Information“ beschränkt und können einen Sachbeschluss (z. B. gegenüber der Bundesregierung) nicht treffen, vgl. Roll, Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, 2001, § 64 Rn 4. 19 Diese Möglichkeit ergibt sich aus einem argumentum a maiore ad minus aus Art. 80 I GG: kann das Parlament hiernach die Rechtsetzung überhaupt auf die Exekutive übertragen, so muss es erst recht möglich sein, sie nur unter Zustimmungsvorbehalt zu delegieren,
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von Hoheitsrechten auf die Europäische Union nach Art. 24 Abs. 1 GG ein förmliches, vom Bundestag zu beschließendes Gesetz notwendig. Ausgeschlossen werden damit eigenständige Übertragungsakte der Exekutive (im Rahmen von Art. 59 Abs. 2 GG).20 Das wohl wichtigste Kontrollinstrument ist jedoch das Budgetrecht.21 Die Budgethoheit, d. h. das Recht zur Festlegung der Staatsausgaben und Staatseinnahmen, mithin das Recht zur Entscheidung darüber, welche Belastungen dem Bürger staatlicherseits auferlegt werden und wie mit den so eingenommenen Mitteln umgegangen wird, ist ein „unverzichtbarer Bestandteil“22 der Kompetenzen des Parlaments. Dies folgt vor allem daraus, dass das Parlament mithilfe der Budgethoheit dazu in der Lage ist, sämtliches „finanziell zu Buche schlagendes staatliche Handeln zu steuern“.23 Dies gilt über den im Vorfeld festgelegten Haushalt (Haushaltsgestaltung) auch für den Haushaltsvollzug. So kann sich der Bundestag mittels sog. „Sperrvermerke“ und „Zustimmungsvorbehalte“24 in den Vollzug des Haushaltsplans einschalten (vgl. §§ 22 S. 3, 36 BHO).25 Daneben besteht eine Reihe von weiteren Kontrollmöglichkeiten des Bundestags.26 Zunächst sei hier auf das parlamentarische Enquete-Recht (Art. 44 GG
vgl. BVerfGE 8, 321, 322 f. Das BVerfG macht aber diesbezüglich auch Einschränkungen: ein Zustimmungsvorbehalt ist bei solchen Sachbereichen verfassungsgemäß, „für die ein legitimes Interesse der Legislative anerkannt werden muss, zwar einerseits die Rechtsetzung auf die Exekutive zu delegieren, sich aber andererseits – wegen der Bedeutung der zu treffenden Regelung – entscheidenden Einfluss auf Erlass und Inhalt der Verordnung vorzubehalten“, vgl. BVerfGE 8, 321 f. Ablehnend Grupp DVBl. 74, S. 180; Zustimmungsvorbehalte finden sich ferner in Art. 80a Abs. 1 S. 1 und 115a Abs. 5 GG. 20 Vgl. Classen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Band 2, 6. Aufl., 2010, § 24 Rn 23. 21 Als „eines der wesentlichen Instrumente der parlamentarischen Regierungskontrolle“ qualifizierte es auch das Bundesverfassungsgericht in BVerfGE 70, 324, 356 unter Bezugnahme auf BVerfGE 49, 89, 125. Ähnlich auch Klein, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band 3, 2007, § 50 Rn 40 der von einem „besonderen“ parlamentarischen Kontrollinstrument spricht. 22 Isensee DVBl. 2001, S. 1161 ff., 1163. 23 Brenner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band 3, 2007, § 44 Rn 33. 24 Sofern einzelne Ausgabenpositionen mit einem Sperrvermerkt versehen werden, dürfen diese Geldmittel erst nach Aufhebung des Sperrvermerks ausgegeben werden. 25 Gegen diese Praxis werden vereinzelt verfassungsrechtliche Bedenken vorgebracht, so etwa Maunz, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 2014, Art. 110 Rn 68 ff.; kritisch Hillgruber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Band 3, 6. Aufl., 2010, Art. 110 Rn 96 ff. 26 Auch Art. 45d GG bezweckt die Kontrolle der Bundesregierung. Diese beschränkt sich jedoch auf die „Kontrolle der nachrichtendienstlichen Tätigkeit des Bundes“ (Abs. 1). Für die Bundesregierung folgt hieraus eine Informationspflicht gegenüber dem parlamentarischen Kontrollgremium, über Tätigkeiten der Nachrichtendienste BfV (Bundesamt für Verfassungsschutz), BND (Bundesnachrichtendienst) und MAD (Militärischer Abschirmdienst) sowie über Vorgänge von besonderer Bedeutung zu unterrichten (§ 4 Abs. 1 PKGrG). Eine unmittelbare Kontrolle der Amtsführung der Bundesregierung ergibt sich hieraus jedoch nicht. Siehe hierzu Zeh, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band 3, 2007, § 53 Rn 74 sowie Geis, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band 3, 2007, § 54 Rn 22.
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sowie § 56 GO BT, verbunden mit dem Anhörungsrecht der Ausschüsse aus § 70 GO BT) sowie das Interpellations- bzw. Fragerecht27 verwiesen (vgl. Art. 43 GG sowie §§ 100–105 GO BT und die Richtlinien für die Fragestunde, Anlage 4 zur GO BT).28 Daneben sieht die GO BT die „aktuelle Stunde“ (§ 106 sowie Anlage 5 GO BT) vor. Hierbei handelt es sich um eine „Aussprache über ein bestimmt bezeichnetes Thema von allgemeinem aktuellen Interesse in Kurzbeiträgen von fünf Minuten“. Auch das Misstrauensvotum (Art. 67, 69 Abs. 2 GG, § 97 GO BT) ist Ausdruck parlamentarischer Kontrollbefugnisse. Entsprechendes gilt für die Bundespräsidentenklage (Art. 61 GG). Letztlich sei auch auf Art. 17 GG hingewiesen, da das Petitionsrecht aus Sicht des Parlaments dessen Kontrolle gegenüber der Regierung verstärkt und flankiert.29 4. Legistische Transparenz als Rechtsetzungserfordernis Transparenz im Gesetzgebungsprozess ist auf drei Ebenen denkbar. Zu unterscheiden sind die Ergebnistransparenz, die Verfahrenstransparenz und die inhaltliche Transparenz.30 Gegenstand der Ergebnistransparenz ist nur das „Resultat eines Entscheidungsprozesses“. Der vorgelagerte Prozess der Entscheidungsfindung selbst, d. h. die Gründe und Argumente sind für Dritte nicht erkennbar.31 Die Verfahrenstransparenz hingegen bezieht sich nicht nur auf das Ergebnis eines Entscheidungsprozesses, sondern darüber hinaus auch auf die „Art und Weise des Zustandekommens der Entscheidung“.32 Die inhaltliche Transparenz erstreckt sich 27 Umfassend Zeh, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band 3, 2007, § 53 Rn 49 ff. Mit diesen Kontrollinstrumenten korrespondiert eine Verpflichtung der Bundesregierung zur Antwort, vgl. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band 2, 1980, § 26 II 3b; Brocker, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK-GG, 2015, Art. 43 Rn 9; Kirchner ZParl 43 (2012), S. 362 f.; a. A. Achterberg, Parlamentsrecht, 1984, S. 462 f. sowie Klein, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band 3, 2007, § 51 Rn 33. 28 Das Interpellations- bzw. Fragerecht lässt sich in drei Kategorien einteilen: 1. Auskunftsrechte ( § 1, § 2 PetAG, §§ 17 ff. PUAG, § 2a PKGrG, § 15 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 G10, § 3 Nr. 1 WBeauftrG, § 24 Abs. 4 Nr. 1 BDSG, § 12 Abs. 3 IFG i. V. m. § 24 Abs. 4 Nr. 1 BDSG, § 95 Abs. 2 BHO, ggf. i. V. m. § 111 BHO), 2. Akten- und Dateneinsichtsrechte (§ 1, § 2 PetAG, §§ 17 ff. PUAG, § 2a PKGrG, § 15 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 G 10, § 3 Nr. 1 WBeauftrG, § 24 Abs. 4 Nr. 1 BDSG, § 12 Abs. 3 IFG i. V. m. § 24 Abs. 4 Nr. 1 BDSG, § 95 Abs. 1 BHO, ggf. i. V. m. § 111 BHO) 3. Zutrittsrechte zu Diensträumen (§ 1, § 2 PetAG, §§ 17 ff. PUAG, § 2a PKGrG, § 15 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 G 10, § 3 Nr. 1 WBeauftrG, § 24 Abs. 4 Nr. 1 BDSG, § 12 Abs. 3 IFG i. V. m. § 24 Abs. 4 Nr. 1 BDSG). 29 Dies geschieht insbesondere auf die Weise, dass das Parlament durch die Petition Kenntnis über Fehlentscheidungen der Regierung erlangen kann. 30 Nach Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip: Grundgesetz und Europäische Union, 2004, S. 19 ff. 31 Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip: Grundgesetz und Europäische Union, 2004, S. 19 f. 32 Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip: Grundgesetz und Europäische Union, 2004, S. 20.
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darüber hinaus auch auf den Prozess der Entscheidungsfindung. Für den Dritten soll die Entscheidung inhaltlich nachvollziehbar sein.33 Das Grundgesetz sieht in Bezug auf das Gesetzgebungsverfahren nach Art. 76 ff. GG ausdrücklich lediglich die Entscheidungs- und Verfahrenstransparenz, konkret ausgestaltet durch Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG (Ausfertigung und Verkündung) und Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG34, vor. Transparenz postuliert das Grundgesetz somit zunächst nur in Bezug auf das sog. „äußere Gesetzgebungsverfahren“, d. h. die parlamentarische Verhandlung von der Einbringung der Gesetzesinitiative (Art. 76 GG) bis hin zum Gesetzesbeschluss (Art. 77 GG). Der Gesetzgebungsvertrag als Untersuchungsgegenstand wirkt sich jedoch im Wesentlichen auf den Prozess der Entscheidungsfindung, d. h. das innere Gesetzgebungsverfahren aus. Fraglich ist daher, inwieweit diese Form der Entscheidungspräparation einem Transparenzerfordernis unterliegt, mithin eine inhaltliche Transparenz verfassungsrechtlich verankert ist.35 Dabei geht es im Grundsatz um die Frage, in welchem Umfang ein Informationsfluss zwischen den am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Verfassungsorganen anzuerkennen ist. a) Begriff und Abgrenzung Der Begriff der Transparenz wird im nationalen Recht nicht definiert. Seinem etymologischen Ursprung nach beschreibt das Wort die „Durchsichtigkeit“ eines Entscheidungsvorgangs. Hieran anlehnend hat sich auch in der juristischen Literatur eine Definition herausgebildet. Transparenz im juristischen Sinne wird demnach verstanden als eine unbestimmte Menge an rechtlich relevanten Informationen aller Art, die den beteiligten Rechtssubjekten zugänglich und die für einen bestimmten Vorgang rechtlich relevant sind oder sein können.36 Transparenz bezweckt dabei stets den Ausgleich eines Informationsvorsprungs. Im Verfassungsrecht ist dieser Ausgleich in zwei Richtungen denkbar: Zum einen zwischen Bürger und staatlicher Institution, zum anderen zwischen staatlichen Institutionen untereinander. Die inhaltliche Transparenz bezieht sich dabei lediglich auf das letztgenannte Verhältnis. Der Begriff beschreibt die Offenlegung von Informationen, die bei einem am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organ einseitig verfügbar und für das bundesstaatliche Gesetzgebungsverfahren, konkret die Diskussion und Entscheidungsfindung im Plenum, erheblich sind. Hierbei handelt es sich 33 Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip: Grundgesetz und Europäische Union, 2004, S. 21. 34 Verankert ist der Grundsatz daneben im Demokratieprinzip, so BVerfGE 70, 324, 355; 84, 304, 329; 120, 104, 123 f. 35 Nach Höfler NZBau 2010, S. 73 muss die Herleitung und Begründung eines verfassungsrechtlichen Tranzparenzgebots aus einzelnen Bestimmungen des Grundgesetzes erfolgen. 36 So die maßgebliche Definition durch Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip: Grundgesetz und Europäische Union, 2004. S. 18.
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etwa um Informationen, auf deren Grundlage ein Initiativorgan eine Gesetzesvorlage gebildet und an den Bundestag herangetragen hat. Der Begriff der inhaltlichen Transparenz erfasst diese Informationen und bezweckt den Ausgleich eines möglichen Informationsdefizits bei denjenigen Organen, die im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens mit dieser Gesetzesvorlage befasst sind. Hiervon zu unterscheiden ist begrifflich die Informationsübermittlung durch Publizität. Publizität zielt auf einen unbestimmten, offenen Adressatenkreis ab. Zwar können sich Transparenz und Publizität inhaltlich überschneiden, da Publizität stets die Steigerung oder Herstellung von Transparenz intendiert. Allerdings ist Transparenz auch im reinen Innenverhältnis („Selbstinformation“) denkbar, wohingegen Publizität stets an einen unbestimmten Kreis von Außenstehenden gerichtet ist. In Anlehnung an obige Unterscheidung, bezieht sich Publizität mithin einzig auf das Verhältnis zwischen Bürger und staatlicher Institution („Fremdinformation“). Publizität manifestiert sich in diesem Fall in Gestalt der Veröffentlichung bzw. Öffentlichkeit parlamentarischer und exekutiver Verfahren und Verfahrensergebnisse (Gesetze, Verordnungen) und ist somit deckungsgleich mit der bereits erwähnten Entscheidungstransparenz. b) Normative Grundlage Anknüpfungspunkt zur Ableitung einer inhaltlichen Transparenz könnte zunächst der Grundsatz der Öffentlichkeit aus Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG sein.37 Insoweit ist ein Blick auf die Gesetzespräparation durch die Ausschüsse zu werfen. Im gesetzgeberischen Herstellungsprozess werden die wesentlichen Teile der Arbeit innerhalb der Ausschüsse vorgenommen.38 Dessen Arbeit ist ebenfalls Teil des inneren Gesetzgebungsverfahrens. Das Öffentlichkeitspostulat aus Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG gilt nach herrschender Meinung jedoch nicht für die Arbeit der Ausschüsse.39 Denn einfachrechtlich hat sich der Bundestag im Rahmen der Ausübung seiner Geschäftsordnungsautonomie (Art. 40 Abs. 1 S. 2 GG) mit § 69 Abs. 1 S. 1 GO BT grundsätzlich40 gegen die öffentliche Beratung in Ausschüssen entschieden.41 Hiermit sollte dem Interesse der vertraulichen Konsens 37 Bryde JZ 1998, S. 115 ff., 118 f. spricht allgemein von der Transparenz des parlamentarischen „Gesetzgebungsverfahrens“; dem folgend Vogel, in: FS Roxin, 2001, S. 105 ff., 116. 38 BVerfGE 80, 188, 221 f.; Schultze-Fielitz, Theorie und Praxis parlamentarischer Gesetzgebung, 1988, S. 304 ff.; Linck DÖV 1973, S. 513, 517. 39 So BVerfGE 1, 144, 152; Magiera, in: Sachs (Hrsg.), GG, 7. Aufl., 2014, Art. 42 Rn 2; Steiger, Organisatorische Grundlagen des parlamentarischen Regierungssystems, 1973, S. 141; Achterberg/Schulte, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Band 2, 6. Aufl., 2010, § 42 Rn 10; Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl., 2014 Art. 42 Rn 1; umfassend zum Streitstand Klein, in: Maunz/ Dürig (Hrsg.), GG, 2014, Art. 42 Rn 38 ff. 40 Zu Ausnahmen vgl. §§ 69 Abs. 1 S. 2, 69a, 70 GO BT. 41 Begründend wird vorgetragen, nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit könne der Ausschuss sachgerecht tätig werden, weil eine unbefangene, freimütige und vertrauensvolle Dis-
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findung ausreichend Rechnung getragen werden, wobei als praktischer Anwendungsbereich insbesondere vertrauliche Expertendiskussionen angeführt werden.42 Ein Teil der verfassungsrechtlichen Literatur geht demgegenüber von der Verfassungswidrigkeit des § 69 Abs. 1 GO BT aus.43 Das Öffentlichkeitsgebot aus Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG sei grundsätzlich auf die Arbeit der Ausschüsse zu erstrecken, da Ausschüsse für den parlamentarischen Rechtserzeugungsprozess eine immer größer werdende Rolle erlangen würden. Durch Verlagerung der Gesetzesproduktion in die Ausschüsse entziehe sich das Parlament den verfassungsrechtlichen Anforderungen an seine Arbeitsweise. Sofern wesentliche parlamentarische Arbeit getätigt werde, müsse diese mit verfassungsrechtlichen Postulaten übereinstimmen. Vor diesem Hintergrund sei das in Art. 69 Abs. 1 S. 1 GO BT verankerte Regel-Ausnahme-Verhältnis umzukehren. Praktische Beeinträchtigungen wären in diesem Fall nicht zu erwarten. Hierfür spricht, dass bereits seit längerem die Parlamente von Berlin und Bayern den Grundsatz der Öffentlichkeit der Ausschussarbeit kennen, ohne dass Beeinträchtigungen der Arbeit bekannt sind.44 Ob und in welchem Umfang Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG auf die Arbeit der Ausschüsse bzw. das innere Gesetzgebungsverfahren Anwendung finden muss, ist vorliegend nicht zu entscheiden. Eine „öffentliche“ Verhandlung i. S. d. Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG ist nicht gleichbedeutend mit inhaltlicher Transparenz. Sie ist vielmehr eine Form von Publizität. Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG umfasst die Möglichkeit freien Zutritts, mit anderen Worten die „Sitzungsöffentlichkeit des Plenums“.45 Transparenz hingegen erfasst nicht zwingend den freien Zugang, sondern fordert begrifflich lediglich kussion zwischen und innerhalb der Fraktionen ohne Störung durch die Tagesaktualität und damit die Fähigkeit zum Kompromiss nur möglich sei, wenn die Ausschussmitglieder nicht im Blickfeld der Öffentlichkeit stünden, s. Achterberg/Schulte, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Band 2, 6. Aufl., 2010, § 42 Rn 10. 42 Für die Notwendigkeit des Ausschlusses von der Öffentlichkeit im Falle solcher Diskussionen Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, 1969, S. 69. 43 Meyer, VVDStRL 33 (1975), S. 69 ff., 117; Carstens ZParl 1975, S. 93 ff., 109; Oberreuter ZParl. (1975), S. 77 ff., 90 ff.; Linck DÖV 1973, S. 513 ff., 517; ders. ZParl. 1992, S. 673 ff., 698 f.; Mattern, Grundlinien des Parlaments, 1969, S. 64, 83; Kurschildgen, Die demokratisch verfasste Öffentlichkeit, 1998, S. 236 ff.; in diese Richtung Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip: Grundgesetz und Europäische Union, 2004, S. 104 ff.; Morlok, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl., 2006, Art. 42 Rn 24; unter Verweis auf einen Akzeptanzgewinn auch Marschall ZParl 1996, 365, 372 f.; dafür, dass der aus Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG abgeleitete Öffentlichkeitsgrundsatz auch auf die Ausschussarbeit ausgeweitet werden muss, die Transparenz mithin der Effizienz überwiege Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip: Grundgesetz und Europäische Union, 2004, S. 106 ff. 44 Morlok, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl., 2006, Art. 42 Rn 24, der diesem Argument richtigerweise nur begrenzte Tragweite zukommen lässt. Denn der Grad an Aufmerksamkeit wird im Bundestag regelmäßig wesentlicher höher sein als im Landtag. S. hierzu auch Hett, Die Öffentlichkeit der Parlamentsverhandlungen, das Grundrecht der Informationsfreiheit und Informationspflichten der Exekutive, 1987, S. 198 f. m. w. N., der einen „Mittelweg zwischen der Öffentlichkeit der Ausschusssitzungen und der Öffentlichkeitsarbeit in der jetzigen Form“ befürwortet. 45 Klein, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 2014, Art. 42 Rn 32 f.
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die Durchsichtigkeit, Verständlichkeit oder Nachvollziehbarkeit eines Ergebnisses, Verfahrens oder Entscheidungsinhalts.46 Einer solchen Nachvollziehbarkeit kann bereits genüge getan sein, wenn der Entstehungsprozess hinreichend dokumentiert ist und im Anschluss an den „vertraulichen Konsens“ zugänglich gemacht wird.47 Denn Gegenstand der Transparenz ist die Information. Ein daran orientiertes, nachfolgendes Publikationsgebot stört die zeitlich vorgelagerte und inhaltlich abgeschlossene Arbeit der Ausschüsse nicht. Dementsprechend wird auch von denjenigen Stimmen, die eine Anwendung des Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG auf die Arbeit der Ausschüsse ablehnen, anerkannt, dass der Ausschuss zur Offenlegung der relevanten Informationen verpflichtet ist.48 Dagegen lässt sich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Öffentlichkeit der Wahl, in welcher das Gericht die Transparenz, öffentliche Nachvollziehbarkeit und allgemein die Kontrollierbarkeit als wesentliche Aspekte demokratischer Legitimation bestimmt hat, für die Forderung nach Transparenz des inneren Gesetzgebungsverfahrens fruchtbar machen. Die Richter stellten heraus, dass die Beachtung der Wahlgrundsätze (Art. 38 GG) und das „Vertrauen in ihre Beachtung“ Voraussetzungen einer funktionsfähigen Demokratie seien. Begründend verwiesen sie darauf, dass die Wahl einer Volksvertretung in der repräsentativen Demokratie der grundlegendste Legitimationsakt sei.49 Insbesondere verlange die demokratische Legitimität der Wahl nach Kontrollierbarkeit des Wahlvorganges, damit Manipulationen ausgeschlossen würden. Das für die Demokratie und die demokratische Legitimität staatlicher Entscheidungen notwendige Vertrauen der Wähler in die Besetzung des Parlaments sei nur gewährleistet, wenn sich das Wahlvolk zuverlässig selbst von der Rechtmäßigkeit des Übertragungsaktes überzeugen könne.50 Denn „nur dies ermöglicht begründetes Vertrauen des Souveräns in die Ordnungsmäßigkeit der Bildung des Repräsentationsorgans“51. Für den Prozess der Rechtserzeugung52 lässt sich daraus folgendes ableiten: Wenn bereits der (vorgelagerte) Prozess der Wahl, verstanden als „Einsetzung zur parlamentarischen Rechtsetzung“, einer hinreichenden Transparenz und Nachvollziehbarkeit
46 Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip: Grundgesetz und Europäische Union, 2004, S. 18. 47 Dass hiermit ein größeres Maß an Transparenz verbunden ist, erkennt auch Smeddinck, Integrierte Gesetzesproduktion, 2006, S. 366. 48 Klein, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 2014, Art. 42 Rn 38 („Erklärungs- und Berichtsöffentlichkeit“). 49 BVerfGE 123, 39, 68. 50 BVerfGE 123, 39, 69. 51 BVerfGE 123, 39, 69; vgl. auch die Darstellung in Bezug auf Ethikräte bei Vöneky, Recht, Moral und Ethik, 2010, S. 218. 52 Morlok bezeichnet das durch Wahlrechtsgrundsätze und Parlamentsschutznormen geprägte Gesetzgebungsverfahren als „Gemeinwohlverfahren“, vgl. in VVDStRL 62 (2003), S. 37 ff., 61. Zur Kennzeichnung des Gesetzgebungsverfahrens als „Gemeinwohlverfahren“ siehe Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, 1970, S. 251 sowie Schultze- Fielitz, Theorie und Praxis parlamentarischer Gesetzgebung, 1988, S. 179 f.
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bedarf, so muss dies erst recht für den (nachgelagerten) Prozess der Rechtsetzung, d. h. sowohl das innere als auch das äußere Gesetzgebungsverfahren, gelten. Denn dieser Prozess ist als Entscheidungsobjekt ebenso von der demokratischen Legitimation des Wahlaktes erfasst, wie das eingesetzte Organ. Der Inhalt parlamentarischer Entscheidungsprozesse ist für den Wähler darüber hinaus oftmals wichtiger, als die Person des Organwalters (zumindest auf Bundesebene). Dies gilt umso mehr in Zeiten „programmatischer Parlamentsabstimmungen“, d. h. solchen Entscheidungen, die weniger von der Überzeugung des einzelnen Abgeordneten herrühren und somit umso mehr ein Produkt vorgefertigter Parteiprogramme sind. Letztlich ergibt sich – in Übereinstimmung mit dem gerade Gesagten – die normative Maßgabe legistischer Transparenz, hier konkret in Form der inhaltlichen Transparenz, aus dem Demokratieprinzip.53 Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG erfordert die Rückführbarkeit allen staatlichen Handelns auf das Volk.54 In der repräsentativen Demokratie übt das Legitimationssubjekt die Staatsgewalt mittelbar „durch besondere Organe“ aus, wobei zwischen Staatsvolk und Staatsgewalt stets ein hinreichendes demokratisches Legitimationsverhältnis bestehen muss („ununterbrochene Legitimationskette“).55 Zwischen dem die Staatsgewalt innehabenden Volk und der Ausübung der Staatsgewalt besteht lediglich eine indirekte Verbindung. Die demokratische Legitimation wird mithin über „Stufen“ vermittelt. An deren Anfang steht die Wahl des Bundestages (sog. „parlamentsunmittelbare Legitimation“, Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG). Alle weiteren Staatsorgane sind unmittelbar lediglich durch den Bundestag als „Vertreter des ganzen Volkes“ (Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG) eingesetzt. Hierdurch entsteht eine mittelbare demokratische Legitimation. Je mehr vermittelnde Instanzen nun zwischen dem vermittelnden Legitimationssubjekt und dem zu legitimierenden Sachverhalt bzw. dem zu legitimierenden Hoheitsträger liegen, je indirekter also die Vermittlung demokratischer Legitimation, desto schwächer wird die legitimierende Wirkung. In Bezug auf das Transparenzgebot gilt demnach: Je indirekter die demokratische Legitimation, desto intransparenter wird dieses Legitimationsgeflecht und desto abstrakter und weniger nachvollziehbar wird die Ausübung der Kontrollfunktion durch das Volk.56 Das Transparenzgebot gilt grundsätzlich für das gesamte gesetzgeberische Verfahren.57 Die Bundesregierung als zur Gesetzesinitiative (Art. 76 Abs. 1 GG) 53 Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip: Grundgesetz und Europäische Union, 2004, S. 41 ff.; Smith, Konfliktlösung im demokratischen Bundesstaat, 2011, S. 351; Häberle ZfP 1969, S. 273 ff.; Hill Jura 1986, S. 286 ff., 291; Mehde AöR 127 (2002), S. 655 ff., 671 f.; Mengel, Gesetzgebung und Verfahren, S. 276 ff.; ders., ZRP 1984, S. 153 ff., 156; ders., Regeln guter Gesetzgebung, S. 115 ff., 124; Schwerdtfeger, FS Ipsen, 1977 S. 172 ff., 185; Cremer, Anwendungsorientierte Verfassungsauslegung, 2000, S. 183. 54 Vgl. BVerfGE 83, 60,71 f.; 93, 37, 66. 55 BVerfGE 47, 253, 275. 56 Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip: Grundgesetz und Europäische Union, 2004, S. 42; Smith, Konfliktlösung im demokratischen Bundesstaat, 2011, S. 351. 57 Smith, Konfliktlösung im demokratischen Bundesstaat, 2011, S. 351 f. m. w. N.
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b erechtigtes Organ ist nur mittelbar legitimiert.58 Entsprechendes gilt für konkrete Gesetzesinitiativen der Bundesregierung. Unmittelbar demokratisch legitimiert ist erst der spätere Gesetzesbeschluss, welcher nach Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG vom Bundestag gefasst wird. Damit der Bundestag einer Gesetzesinitiative eine hinreichende Legitimation vermitteln kann – somit auch seiner Kontrollfunktion nachkommen kann –, bedarf jede Beschlussfassung einer hinreichenden informatorischen Entscheidungsgrundlage. Das Vorliegen von Informationsdefiziten schließt die Kontrollfunktion des Bundestags und somit die Vermittlung eines ausreichenden demokratischen Legitimationsniveaus aus. Um das Informationsdefizit des Bundestags größtmöglich zu minimieren, bedarf es einer transparenten Gesetzesinitiative. Diese Transparenz wird nur erreicht, soweit die Tatsachen, die Grundlage der Initiativentscheidung sind, zugänglich gemacht werden. Zu diesen Tatsachen gehören auch Gesetzgebungsverträge. Nur in Kenntnis der vertraglichen Vereinbarung ist eine umfassende legistische Würdigung möglich. Das Demokratieprinzip verpflichtet das Initiativorgan somit, dem Bundestag die der Gesetzesinitiative zugrundeliegenden Informationen zugänglich zu machen. c) Ergebnis Aus seiner Stellung im verfassungsrechtlichen Gefüge erwachsen dem Bundestag eine Vielzahl von Aufgaben. Die Zahl der Aufgaben resultiert dabei letztlich aus der unmittelbaren Legitimation: Er ist direkt vom Volk eingesetzt. Damit er seine Aufgaben in Bezug auf das Gesetzgebungsverfahren sinnvoll wahrnehmen kann, statuiert das Demokratieprinzip umfangreiche legistische Transparenzerfordernisse. Diese sind unter anderem an das innere Gesetzgebungsverfahren adressiert („inhaltliche Transparenz). Sie erfassen demgemäß auch Gesetzgebungsverträge. Ist ein Gesetzgebungsvertrag Grundlage einer Gesetzesinitiative, so ist dem Bundestag die vertragliche Vereinbarung zugänglich zu machen. Andernfalls kann das Organ seiner Entscheidungs- und Kontrollfunktion, mithin seinem verfassungsrechtlichen Auftrag nicht gerecht werden.
II. Bedürfnis nach konsensualer Normgestaltung Kooperative Vorgänge erfreuen sich vor allem im Verwaltungsrecht vermehrter Beliebtheit.59 Untersuchungsgegenstand ist vorliegend aber nicht die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Private, sondern die (Mit-)Erfüllung von Aufgaben des Gesetzgebers durch Private, d. h. die (normvorbereitende) „gesetz 58
So wird der Bundeskanzler vom Bundestag gewählt (Art. 63 Abs. 1 GG) und die Bundesminister vom Bundeskanzler ernannt (Art. 64 Abs. 1 GG). 59 Überblick bei Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 45 ff. Zu den Gründen Ossenbühl DVBl. 1994, S. 962 ff.
II. Bedürfnis nach konsensualer Normgestaltung
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geberische Kooperation“. Entscheidend für die Frage, ob ein Bedürfnis für eine konsensuale Normgestaltung besteht, ist zunächst, ob es sich bei der Gesetzgebung um eine Staatsaufgabe handelt, die nach der geltenden Verfassungsordnung einer konsensualen Gestaltung überhaupt zugänglich ist. Kooperationsmöglichkeiten des Staates ergeben sich regelmäßig dann, wenn die Kooperationsform ausdrücklich als Handlungsinstrument vorgesehen ist.60 Aber auch wenn für einen Sachbereich eine ausdrückliche Kooperationsmöglichkeit nicht vorgesehen ist, kann dem Staat der gestalterische Freiraum zustehen, eine Aufgabe kooperativ wahrzunehmen.61 Dies ergibt sich aus dem (notwendig) offenen Aufgabenreich des Staates, welcher in der Staatstheorie allgemein anerkannt ist.62 Da dem Staat nicht mittels detaillierter Festsetzungen (etwa per Aufgabenkatalog) ein wahrzunehmender Aufgabenbestand zugewiesen wird, ist grds. von einer Allzuständigkeit auszugehen.63 Der Staat kann sich zum Träger einer Aufgabe erklären.64 Kann der Staat weitgehend (innerhalb der Grenzen der Verfassung) frei über seinen Aufgabenbestand disponieren, so „muss er auch hinsichtlich konkreter Wahrnehmungsmodalitäten Gestaltungsfreiräume haben“.65 Ihm obliegt die Entscheidung hinsichtlich des „Ob“ und des „Wie“ der Aufgabenerfüllung. Staatsaufgaben sind zunächst alle „zielgerichteten Handlungsanweisungen an staatliche Stellen“.66 Diese können auf einfachgesetzlicher oder verfassungsrechtlicher Ebene festgelegt sein. Die Determinierungskraft der Verfassung für den Staatsaufgabenbestand ist dabei gering, da sie als „Rahmenordnung“ keine detaillierten Festsetzungen trifft.67 Die hier in Rede stehende bundesstaatliche Gesetzgebung wird gem. Art. 70 ff. GG zur Staatsaufgabe. Hinsichtlich der verfassungs 60 So sieht beispielsweise § 146 Abs. 3 BauGB eine Übertragung der gem. § 136 Abs. 1 BauGB den Gemeinden im öffentlichen Interesse zugewiesenen Sanierungsmaßnahmen auf die privaten Eigentümer explizit vor. 61 Jarass Cohen, Vergaberecht und städtebauliche Kooperation, 2013, S. 45 m. w. N. 62 Vgl. Ossenbühl VVDStRL 29 (1971), S. 137 ff., 153 f.; Schoch DVBl. 1994, S. 962 f.; Ludwig, Privatisierung staatlicher Aufgaben im Umweltschutz, 1998, S. 43; Heintzen VVDStRL 62 (2003), S. 220 ff., 224 f.; Voßkuhle, in: Schuppert (Hrsg.), Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, 1999, S. 47 ff., 57 f.; Beckmann, Der Wandel staatlicher Aufgabenwahrnehmung und seine rechtliche Bewältigung am Beispiel der vorhabenbezogenen Bebauungs planung, 2005, S. 43; Osterloh VVDStRL 54 (1995), S. 204 ff., 207. 63 Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band 3, 2007, § 57 Rn 156; Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, 1999, S. 61; Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, 2001, S. 47. 64 Beckmann, Der Wandel staatlicher Aufgabenwahrnehmung und seine rechtliche Bewältigung am Beispiel der vorhabenbezogenen Bebauungsplanung, 2005, S. 43 wonach dies (dogmatisch) mittels einer Kompetenz-Kompetenz erfolgen soll (m. w. N.). 65 Beckmann, Der Wandel staatlicher Aufgabenwahrnehmung und seine rechtliche Bewältigung am Beispiel der vorhabenbezogenen Bebauungsplanung, 2005, S. 43 m. w. N. 66 Ludwig, Privatisierung staatlicher Aufgaben im Umweltschutz, 1998, S. 43. Allgemein Ossenbühl VVDStRL 29 (1971), S. 137 ff., 153. 67 Beckmann, Der Wandel staatlicher Aufgabenwahrnehmung und seine rechtliche Bewältigung am Beispiel der vorhabenbezogenen Bebauungsplanung, 2005, S. 42 f.
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rechtlichen Vorgaben für die Wahrnehmung dieser Aufgabe ist zu differenzieren: Ausweislich der Regelungen in Art. 76–79, 80a, 81 und 82 GG existieren lediglich für das sog. äußere Gesetzgebungsverfahren Anforderungen an die Aufgabenwahrnehmung nach Art. 70 ff. GG. Der Prozess der Entscheidungsfindung, d. h. das innere Gesetzgebungsverfahren, ist verfassungsrechtlich nicht determiniert.68 Die im Vorfeld der Gesetzesinitiative (Art. 76 Abs. 1 GG) stattfindende Willensbildung unterliegt keinen verfassungsrechtlichen Anforderungen. Eine konsensuale Wahrnehmung des inneren Gesetzgebungsverfahrens ist somit (innerhalb der Grenzen der Verfassung) nicht ausgeschlossen und unterliegt dem Gestaltungsfreiraum des Gesetzgebers,69 sodass das innere Gesetzgebungsverfahren einer Kooperation zugänglich ist. Staatliche Stellen sehen sich zunehmend der Bewertung immer komplexer werdender Lebenssachverhalte ausgesetzt. Verantwortlich hierfür sind im Wesentlichen Faktoren wie Globalisierung, Europäisierung und finanzielle Krisensituationen. Der Schwierigkeitsgrad für die Ausübung von Staatsgewalt steigt daneben aufgrund des zunehmenden Anspruchs der Öffentlichkeit auf die Richtigkeit staatlicher Entscheidungen. Zukünftig werden diese Faktoren nicht abklingen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass bewertungserhebliche Lebenssachverhalte an Komplexität gewinnen und staatliche Entscheidungen vermehrt einer (öffentlichen, gerichtlichen und politischen) Würdigung unterzogen werden. Dieser Entwicklung könnte im Gesetzgebungsverfahren mittels einer Ausdehnung bzw. Öffnung des Prozesses der Entscheidungsfindung (sog. inneres Gesetzgebungsverfahren), hin zur konsensualen Normgestaltung, Rechnung getragen werden.70 Anders formuliert: Wächst der Regelungsgegenstand, sollte auch der die Regelung treffende Apparat wachsen („Verantwortungsgesellschaft“). Dieses Vorgehen erscheint darüber hinaus kostenreduzierend71, bedarfsgerecht und unter Effizienzgesichtspunkten förderlich.
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Risse, in: Kloepfer (Hrsg.), Gesetzgebungsoutsourcing, 2011, S. 109 ff., 113. Hiergegen spricht nicht die (teilweise) Regelung des inneren Gesetzgebungsverfahrens in §§ 40 ff. der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesminister (GGO). Zunächst kommt diesen Vorschriften keine Außenwirkung zu. Ein Verstoß bliebe unbeachtlich. Die Bestimmungen verbieten zudem die Hinzuziehung privaten Sachverstands nicht. Stattdessen erlauben die Vorschriften sogar das Outsourcing eines kompletten Gesetzentwurfs, vgl. Risse, in: Kloepfer (Hrsg.), Gesetzgebungsoutsourcing, 2011, S. 109 ff., 113. Dann muss aber erst Recht eine Kooperation möglich sein. Für die Zulässigkeit Kooperativer Erstellung eines Gesetzentwurfs Leven, Gesetzgebungsoutsourcing, 2013, S. 194. 70 In Bezug auf die Hinzuziehung privaten Sachverstands in das innere Gesetzgebungsverfahren formuliert Battis, dass dieser Vorgang „als Ausdruck partizipativer Demokratie und rechtsstaatlicher Rationalität zu begrüßen“ sei, so in: Kloepfer (Hrsg.), Gesetzgebungsoutsourcing, 2011, S. 123 ff., 127. 71 Bund und Länder sind an die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (Art. 114 Abs. 2 S. 1 GG, § 6 HGrG, § 7 BHO) gebunden. Die punktuelle Kooperation unter Hinzuziehung privaten Sachverstands ist gegenüber der dauerhaften personellen Aufstockung der Ministerien wohl die günstigere Alternative. 69
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Die Notwendigkeit konsensualer Normgestaltung ergibt sich zusammenfassend aus der fehlenden verfassungsrechtlichen Ausgestaltung trotz hinreichender praktischer Notwendigkeit. Dies hat in jüngerer Zeit der sog. Atomkonsens72 gezeigt. Hier hing die Realisierbarkeit eines Gesetzgebungsvorhabens zwingend von der einvernehmlichen, d. h. konsensualen Normgestaltung zwischen Staat und betroffenen EVU ab. Die Erforderlichkeit dieses Vorgehens basierte in diesem Fall auf den rechtlichen Unsicherheiten, welche mit dem Atomausstieg verbunden waren. Weil bei einer ausschließlich gesetzlichen Regelung Entschädigungsforderungen der Kernkraftwerksbetreiber in Milliardenhöhe drohten73, wurde eine Restlaufzeit der Kernkraftwerke, verbunden mit dem Ausschluss staatlicher Entschädigungspflichten ausgehandelt. Aus staatlicher Sicht war vor dem Hintergrund ausufernder Geldentschädigungen eine solche Vereinbarung notwendig, um das Ziel des Atomausstiegs zeitnah umsetzen bzw. normativ fixieren zu können. 1. Das Anliegen von Konsensvereinbarungen Parlamentarische Gestaltungsaufgaben im legislativen Bereich erfahren zunehmend Konkurrenz durch Mitbestimmungsansprüche der Öffentlichkeit. Diese müssen nicht zwingend als Indikator „parlamentarischer Entmachtung“ verstanden werden. Vielmehr kann ein solcher Anspruch der Öffentlichkeit geradezu verfassungspolitisch das Ideal der Demokratie kennzeichnen.74 So führte der Präsident des Deutschen Bundestags, Prof. Dr. Norbert Lammert, in der ersten Sitzung des Deutschen Bundestages am 27. Oktober 2009 (17. Wahlperiode) aus, dass „die Beteiligung von Sachverstand aus Wirtschaft und Gesellschaft zur Vorbereitung staatlicher Entscheidungen in der Exekutive wie der Legislative […] eine Errungenschaft postfeudaler Zeiten und ganz sicher kein Skandal“ sei.75 Als einer der Ersten sprach sich 1964 Krüger für die Notwendigkeit einer „auf lange Sicht angelegten Zusammenarbeit zwischen Staat und Wirtschaft“ aus. Der moderne, die Wirtschaft lenkende Staat bedürfe demnach notwendig „der Heranziehung und Verwertung des Wissens, des Sachverstands, der Erfahrung und der 72 Vgl. hierzu die Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Energieversorgungsunternehmen v. 14. Juni 2000. Ausführlich bereits unter A. III. 1. 73 Pasemann/Baufeld ZRP 2002, 119 ff., 120. Zum Streit bezüglich der Entschädigungsforderungen Roßnagel/Roller, Die Beendigung der Kernenergienutzung durch Gesetz, 1998, S. 79 ff., 122, sowie Schmidt-Preuß, Rechtsfragen des Ausstiegs aus der Kernenergie, 2000, S. 76 ff. 74 Oberreuter, in: Hill (Hrsg.), Zustand und Perspektiven der Gesetzgebung, 1989, S. 121 f. 75 Die Rede ist online abrufbar unter www.bundestag.de/bundestag/praesidium/reden/2009/009. html, zuletzt abgerufen am 25. April 2014. Ähnlich Voß, Symbolische Gesetzgebung, S. 216: „Die Qualität des Diskurses zu verbessern, läuft (…) auf eine Beteiligung der Wissenschaft hinaus, die den Politikern als Sachwalter des öffentlichen Interesses ratend beiseite steht, indem sie nicht nur zur Informationsverbesserung (…) beiträgt, sondern darüber hinaus auch das Gesetzgebungsverfahren für einen moralisch-praktischen Diskus mehr zu öffnen versucht.“
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Instinkte der unmittelbar Beteiligten selbst“.76 Dem folgend ging auch Schlarmann davon aus, dass die Zusammenarbeit als „höchste Form einer gewaltlosen Wirtschaftspolitik“ erforderlich ist.77 Ausdrücklich war es wohl zuletzt Ritter, der den „planenden Staat“ in die Pflicht nahm, „ein sensibles, differenziertes, anpassungsfähiges und für Konsensbildungsprozesse offenes Instrumentarium wirtschaftspolitischer Steuerung zu entwickeln“. Begründend führt er an, dass „die Entscheidungsfindung zur Lösung gemeinsamer Probleme“ nicht mehr „durch einseitiges Vorgehen und durch den Einsatz hoheitlicher Machtmittel“ bewältigt werden könne.78 Diese vorherrschende Auffassung wurde nur vereinzelt abgelehnt.79 Die Wirkung des Konsens kann zunächst über den Problemhorizont hinausgehen.80 Die Motivation des Privatrechtssubjekts liegt oftmals in der Verhinderung beschränkender Rechtsetzungsakte und dem damit verbundenen Gewinn bzw. Erhalt eigener Handlungs- und Umsetzungsspielräume.81 Dies führt nicht zuletzt zu einem erhöhten Bewusstsein für eigenverantwortliches Handeln. Eine Beteiligung bereits im politischen Vorfeld der Rechtsetzung erhebt das private Rechtssubjekt „vom Überwachten zum Bewacher“. Die Auferlegung von Verantwortung könnte so auf lange Sicht in der Verminderung hoheitlicher Aufsicht, d. h. de facto einer Ressourcenschonung münden. Staat und Privatwirtschaft sehen sich klassisch einem Über-/Unterordnungsverhältnis ausgesetzt. In diesem Verhältnis dienen staatliche Entscheidungen als Instrument öffentlich-rechtlicher Einflussnahme, wobei insbesondere die Einflussnahme qua Legislativakt dauerhafte (Lenkungs-)Wirkung entfaltet. Diese Struktur wird zunehmend durch einen immer breiter gefächerten Interessenpluralismus in Frage gestellt. Denn die Komplexität gesellschaftlicher und staatlicher Interessen bzw. Bedürfnisse lässt sich im Einzelfall nicht vollumfänglich einseitig hoheitlich bewältigen.82 Der staatliche Bewältigungsversuch würde im Falle unzureichender Sachverhaltswürdigung immer die Gefahr des Fehlverhaltens in sich tragen. Insoweit kann es aus staatlicher Sicht im Einzelfall vorteilhaft sein, das Risiko der Komplexitäts- und Folgenverkennung durch kooperatives Verhalten mit den betroffenen Wirtschaftssubjekten aufzuteilen („einvernehmliche Konfliktbewälti 76
Krüger, Allgemeine Staatslehre, 1964, S. 612 ff. Schlarmann, Die Wirtschaft als Partner des Staates, 1972, S. 160. 78 Ritter AöR 104 (1979), S. 389 ff., 391, wo insbesondere vom sog „Prinzip der Zweiseitigkeit oder Zusammenarbeit“ gesprochen wird, welches auf S. 393 ff. eine nähere Beleuchtung erfährt. 79 von Zezschwitz JA 1978, S. 497 („Händlermentalität tritt an die Stelle staatlichen Ordnungswillens“). 80 Vgl. auch Wolf, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, Band 2, 1990, S. 129 ff., 144. 81 In Bezug auf Selbstverpflichtungen im Umweltrecht ebenso Fluck/Schmitt VerwArch 89 (1998), S. 220 ff., 227 unter Verweis auf Kloepfer/Elsner DVBl. 1996, S. 69 ff., 89 ff. 82 Nach Filges, in: Kloepfer (Hrsg.), Gesetzgebungsoutsourcing, 2011, S.95 ff., 98, sind die Fachministerien aufgrund der Komplexität der Regelungsmaterie oft nicht mehr in der Lage, mit ihren eigenen personellen Ressourcen in angemessener Zeit auf neue Probleme zu reagieren. 77
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gung“).83 Das Bundesverfassungsgericht hat diesbezüglich bereits im Mitbestimmungsurteil dargelegt, dass die freiheitssichernden Grundrechte eine Ordnung nicht ausschließen, welche auf dem Gedanken des Zusammenwirkens basiert.84 Kooperatives Zusammenwirken im Vorfeld eines formellen Gesetzgebungsverfahrens erscheint für Rechtssubjekte der Privatwirtschaft als „geringeres Übel“.85 Einzige Alternative zu derartig „mehrseitigen Lösungen“ ist die einseitig hoheitliche Entscheidungsfindung („hoheitliche Regulierung“). Da legislative Auswirkungen oftmals nicht vollumfänglich abschätzbar sind, (marktabhängig) eine Neuordnung wirtschaftlicher Rangverhältnisse zur Folge haben können und die Möglichkeit der Mitgestaltung an hoheitlichen Entscheidungen immer den Reiz der Gefahrenminimierung und Interessenmaximierung (zumindest potentiell) in sich trägt, erlangen Möglichkeiten zur legislativen Mitgestaltung zunehmend an Attraktivität. Inwieweit konsensuale Entscheidungsfindung zwischen dem Staat und einem Rechtssubjekt der Privatwirtschaft für Letztere eine vollumfänglichere Durchsetzung ihrer Interessen zur Folge hat, lässt sich nur schwer ermitteln. Multipolare Entscheidungsvorgänge unterliegen einer inhaltlichen Gestaltungsfreiheit. Die Parteien der Vereinbarung legen übereinstimmend den Inhalt der Vereinbarung fest. Durch dieses – für die Wirksamkeit der Vereinbarung essentielle – Erfordernis einer Willensübereinkunft ist es den Parteien möglich, ihren Interessen Geltung zu verschaffen. Entscheidend für den Grad der Interessendurchsetzung sind letztlich Verhandlungsgeschick und Verhandlungsgegenstand. Wird hierüber antagonistisch verhandelt, ist das Maß der durchgesetzten Interessen im Ergebnis häufig geringer, als wenn die Parteien an einer produktiven, für beide gewinnbringenden Lösung interessiert sind.86 Zudem wird die Durchsetzung eigener Interessen umso weniger gelingen, je mehr Parteien (mit unterschiedlichen Interessen) an der Vereinbarung partizipieren. Es lässt sich also einzig für den bipolaren Konsens festhalten, dass eine solche Vereinbarung hinreichend Gewähr für die größtmögliche Interessenwahrung der Parteien bietet.87
83 So auch Korte/Fröhlich, Politik und Regieren in Deutschland, 2006, S. 132 am Beispiel „Bündnis für Arbeit“ (S. 124 ff.). 84 BVerfGE 50, 290, 372. 85 Der sog. „Zugang zum Machthaber“ wirkt sich aus gesellschaftlicher Perspektive immer als Vorteil aus, vgl. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band 2, 1980, § 37 III 3 (S. 616). Ausführlich zu dieser Begrifflichkeit Schmitt, Der Zugang zum Machthaber, ein zentrales verfassungsrechtliches Problem, 1947, in: ders. (Hrsg.), Verfassungsrechtliche Aufsätze aus den Jahren 1924–1954, 1958, S. 430 ff. 86 Zur Unterscheidung Hager, Konflikt und Konsens, 2001, S. 68 ff. 87 So in Bezug auf die Nichtbeteiligung eines bestimmten Ressorts bei Vereinbarungen im Zwei-Personen-Verhältnis Bohne, in: Gessner/Winter (Hrsg.), Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie, Band 8, 1982, S. 267 ff., 281; ebenso Oebbecke DVBl. 1986, S. 793 ff., 794 m. w. N.
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2. Nutzen kooperativer Handlungsformen im Bereich der Normsetzung Vorteile für die am Konsens beteiligten Parteien können auf zweierlei Ebenen entstehen. So sind in Bezug auf legislative Entscheidungen stets die schöpferische Entstehungsphase und die zeitlich nachgelagerte Wirkung ab Verkündung zu unterscheiden. a) Entstehung Prägend für den legislativen Entstehungsprozess ist die hierarchische Lösung. Die stetig wachsende Komplexität regelungsbedürftiger Lebenssachverhalte jedoch kann den Staat an die Grenzen seiner Bewältigungsfähigkeit treiben kann. Durch kooperative Vorgänge kann dieser Komplexität entgegengetreten werden. Der Staat bedient sich der intrinsischen Produktivität des Dialogs. Treten dem Verfahren der Entscheidungsfindung weitere Rechtssubjekte bei, so können diese zusätzliches (Fakten- oder Experten-)Wissen für die Lösungsgewinnung fruchtbar machen.88 Zwar stehen vor allem der Bundesregierung Fachministerien zur Verfügung, welche regelmäßig mit der Ausfertigung von Gesetzentwürfen und der damit verbundenen Bewältigung von Lebenssachverhalten betraut sind. Die Fachministerien können aber naturgemäß nicht auf allen Sachgebieten hervorragende Expertise verzeichnen.89 Hieraus folgt, dass umfangreiche Fachkenntnis niemals schrankenlos vorhanden ist. Zudem besteht die große Wahrscheinlichkeit, dass der „praxisgeborene Sachverstand“ stets den ministeriellen verdrängt. Fachministerien sind mit praktischen Vorgängen der freien Wirtschaft nicht in dem gleichen Maße befasst, wie die betroffenen Privatrechtssubjekte. Dem würde auch eine personelle Kapazitätserweiterung keine Abhilfe schaffen: Zum einen sind mit Personaleinstellungen zusätzliche Kosten verbunden. Für den Konsens spricht also auch (zumindest potentiell) die Verringerung fixer Kosten im Bürokratieapparat. Zum anderen wird hierdurch die Problematik der informationellen Zugänglichkeit nicht beseitigt. Insoweit ist der Gesetzgeber stets auf den Sachverstand, Informationsstand und Kenntnisstand („Knowhow“) der unmittelbar Betroffenen angewiesen.90 Hiermit verbunden ist der Vorzug, bekannte
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Hager, Konflikt und Konsens, 2001, S. 41. Zudem umfasst ein Referat in den Ministerien oft nicht mehr als zwei Stellen, SchulzeFielitz JZ 2004, S. 862 ff., 864. Vgl. hierzu auch die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage betreffend die Zahl der Beamten im BMWi, die fachlich geeignet sind, einen Gesetzentwurf zu formulieren, BT-Drs. 16/14022, S. 2 (Antwort 3). 90 Hierzu, teils in Bezug auf den Verwaltungsapparat, auch Eberle Die Verwaltung 1984, S. 439 ff., 441 f.; Brohm DÖV 1992, S. 1025 ff., 1026; hiervon zu trennen ist dagegen die Frage, ob und inwieweit private Wirtschaftssubjekte auch die Bereitschaft zur Offenlegung ihres Knowhows haben. Denn oftmals handelt es sich hierbei um Informationen bzw. Techniken mit 89
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Kapazitätsprobleme zu beseitigen.91 Gesetze müssen im Einzelfall praktisch „über das Wochenende“ erarbeitet werden.92 Ein hinreichendes Beispiel für diese Praxis bietet das Finanzmarktstabilisierungsgesetz.93 Möchte der Gesetzgeber ausschließen, dass die Qualität gesetzgeberischer Entscheidungen zeitlicher Not zum Opfer fällt, sollte er sich externen Sachverstands bedienen. Dies führt zu einer geringeren Fehleranfälligkeit und somit zu einer erhöhten Beständigkeit der Entscheidung.94 Zudem ist der Einfluss privater Beteiligung durch den Staat beherrschbar. Darüber hinaus stehen Vorteile in Bezug auf die Interessenermittlung und Interessenverwertung im Vordergrund. Im Rahmen kooperativer Handlungsformen erlangt der Staat nicht nur fachliche Erkenntnisse, sondern kann zudem Einblick in die Motivations- und Interessenlage des betroffenen Privatrechtssubjekts nehmen. Dies gewährleistet eine bessere Erfassung der tangierten Belange, unterstützt einen angemessenen Ausgleich selbiger und kommt letztlich vor allem Minderheiten zugute. Die konsensuale Entscheidungsfindung führt insgesamt zu einer effizienteren Ressourcennutzung. Daneben dient sie der nachhaltigen Problembewältigung. Die Entscheidung, welche letztlich Ausfluss einer kooperativen Verständigung ist, ermöglicht eine entschleunigte Auseinandersetzung mit einem regelungsbedürftigen Lebenssachverhalt. b) Wirkung Als allgemeinverbindlicher, gegenüber jedermann geltender Rechtsakt erfasst der Anwendungsbereich eines Gesetzes einen unbestimmten Personenkreis. Bei der Bewertung der Vorteile konsensualer Strukturen innerhalb von Normsetzungsprozessen ist dieser Ebene deshalb ein größeres Gewicht beizumessen. Hier zeichnen sich zwei wesentliche Argumentationsstränge ab: Akzeptanz und Flexibilität. Dem Konsens wohnt die Möglichkeit zur Interessenwahrung inne – zugegeben nicht vollumfänglich, dennoch gewiss partiell und somit in einem über die Nichtberücksichtigung hinausgehendem Maße. Vereinzelt wird aus dieser Miterheblichem Marktwert, die strenger Geheimhaltung unterliegen. Insofern ist fraglich, ob der Staat dieses „Abkaufen“ muss. Hiervon ist jedoch Abstand zu nehmen. Die private Mitwirkung erbringt das Knowhow als Gegenleistung für die Einflussnahme im Rahmen des Normsetzungsverfahrens. Andernfalls könnte der Staat die Rolle der privaten Wirtschaft auch auf eine bloße Anhörung ohne gewichtige Mitsprache beschränken. 91 Vgl. dazu Endler, in: Kloepfer (Hrsg.), Gesetzgebungsoutsourcing, 2011, S. 143 ff., 151 mit konkreten Wirtschaftlichkeits- und Effizienzerwägungen in Bezug auf das Gesetzgebungsoutsourcing, welche auch im vorliegenden Fall Geltung beanspruchen. 92 Kloepfer NJW 2011, S. 133 ff.; ebenso von Lewinski, in: Kloepfer (Hrsg.), Gesetzgebungs outsourcing, 2011, S. 79 in Bezug auf das Gesetzgebungsoutsourcing. 93 Hierzu umfassend Wolfers, in: Kloepfer (Hrsg.), Gesetzgebungsoutsourcing, 20111, S. 161 ff. 94 Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 38 f.
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wirkung spiegelbildlich auf Akzeptanz geschlossen.95 Konsenslösungen münden aber nicht selten im Kompromiss.96 Der Kompromiss ist potentiell der Akzeptanz genauso zugänglich wie der Ablehnung. Denn die Beteiligten können diesen in dem Bewusstsein eingegangen sein, ihn später einer gerichtlichen Klärung zuzuführen. Gerade die gerichtliche Kontrollmöglichkeit, etwa im Wege der Verfassungsbeschwerde oder abstrakten Normenkontrolle, gewährt den Parteien eine dem Konsens nachgelagerte und den Kompromiss überlagernde Möglichkeit zur Einflussnahme. Die gerichtliche Kontrolle ist zwar beschränkt auf die Verwerfung oder Bestätigung der Vereinbarung; sie gewährt keine inhaltliche Modifikation. Ihr wohnt aber die Gefahr inne, dass einzelne Normen, welche positiv-rechtlicher Ausdruck einer konsensualen Vereinbarung sind, richterlich verworfen werden. Freilich kann eine solche Gefahr nicht pauschal zur Verringerung der Akzeptanz als solcher führen. Die Gefahr dysfunktionaler Störungen ist jeder Verhandlungslösung immanent.97 Akzeptanz, verstanden als die Billigung einer Sach- und Rechtslage, wächst mit der Vorteilhaftigkeit der Sach- und Rechtslage für das Akzeptanzsubjekt. Der Betroffene erfährt im Rahmen konsensualer Normsetzungsprozesse frühzeitig Dispositionssicherheit.98 Es besteht für ihn die reale Möglichkeit, Rechtsgütern ausreichend zur Geltung und Berücksichtigung zu verhelfen. So werden künftige Prozesse kalkulierbar und entsprechend der Postulate Wirtschaftlichkeit und Effizienz ausgerichtet. Insoweit ist Akzeptanz auch das Produkt frühzeitiger Erkennbarkeit. Hieraus folgt, dass sich der Beteiligte vor „unliebsamen Überraschungen“ schützen kann, sodass von der Verringerung nachteiliger Rechtsstreitigkeiten durch kooperative Handlungsformen auszugehen ist.99 Die Vereinbarung stellt eine individuelle und sachangemessene Lösung dar. Belastungen auf Wirkungsebene entstehen zudem häufig durch unbestimmte Rechtsbegriffe und Generalklauseln, die in ihrem behördlichen Wirkbereich nahezu grenzenlos erscheinen.100 Unstrittig sind diese zur Wahrung eines flexiblen Exekutivapparats notwendig, oftmals sind sie aber auch Ausdruck fehlender Sachkenntnis auf Ebene der Legislative. Denn diese können bekanntermaßen nicht alle einschlägigen Konstellationen durch ein Gesetz erfassen und regeln (und wollen 95
Allgemein Brohm DÖV 1992, S. 1025 f. m. w. N.; Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 38 f. 96 Hager, Konflikt und Konsens, 2001, S. 44, 68. 97 Hager, Konflikt und Konsens, 2001, S. 44. 98 Hoffmann-Riem VVDStRL 40 (1982), S. 203. 99 So in Bezug auf Selbstverpflichtungen im Umweltrecht auch Fluck/Schmitt VerwArch 89 (1998), S. 220 ff., 228, die von der „Vermeidung von Reibungsverlust“ durch frühzeitige Information und Abstimmung sprechen. Hierdurch sollten langwierige Gerichtsverfahren vermieden werden. Bestätigend Hoffmann-Riem VVDStRL 40 (1982), S. 204; ders. AöR 115 (1990), S. 400 ff., 425; Eberle DV 17 (1984), S. 440; Bauer VerwArch 78 (1987), S. 214 ff., 252; Murswiek JZ 1988, S. 985 ff., 988; Müggenborg NVwZ 1990, S. 915; Kloepfer/Elnser DVBl. 1996, S. 965; Rengeling, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, 1988, S. 71; Schräder DÖV 1990, S. 326 ff., 328; Ryback, Rechtsstaat am Verhandlungstisch, 2007, S. 119. 100 Vgl. hierzu ausführlich Bauer VerwArch 78 (1987), S. 214 ff., 250 f.
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dies auch gar nicht). Die frühzeitige Begrenzung solcher Instrumente durch Ausweisungen innerhalb der Gesetzesbegründung oder in Verwaltungsvorschriften fördert unter dem Blickwinkel der Dispositions- und Rechtssicherheit die Akzeptanz derartiger normativer Befehle. Der Adressat des Verwaltungsentscheids erhält so einen vorgelagerten Einblick in die Entscheidungsgrundlage der Behörde, wodurch selbige „berechenbarer und nachvollziehbarer“ wird.101 Attraktivität gewinnt konsensuale Normsetzung aber vor allem im Hinblick auf dessen Flexibilität.102 Zunächst erlaubt die Flexibilität eine Ausrichtung am jeweiligen Konflikttyp. Lebenssachverhalte können sodann eine – rechtliche oder tatsächliche – Dynamik aufweisen, welche einen raschen Anpassungsbedarf erfordert. Die mehrseitige Betrachtung änderungserheblicher Lebenssachverhalte erleichtert die Rechtsanpassung, da dem Staat der Aufwand einseitiger Problemermittlung und Problemlösung (teilweise) abgenommen wird („Früherkennung“). Die am Konsens Beteiligten ziehen „am selben Strang“. Letztlich kann staatliche Rücksichtnahme bei legislativen Entscheidungen auch als ein Indikator für politisches Bewusstsein im Staatsvolk fungieren. 3. Risiken kooperativer Handlungsformen im Bereich der Normsetzung Auch hinsichtlich der Nachteile ist zwischen den Ebenen der Gesetzesentstehung und des nachgelagerten Anwendungsbereichs zu unterscheiden, wobei an dieser Stelle rechtliche Einwände außer Betracht bleiben.103 a) Entstehung Konsensuale Vereinbarungen kennzeichnen sich grds. durch ein gegenseitiges Nachgeben der Parteien aus. Die Beteiligten erklären sich zu einem Zugeständnis bereit, weil der oder die Anderen ebenfalls Zugeständnisse macht/machen („do ut des“).104 Bei gleichgerichteten Interessenkreisen besteht eine Ausnahme. Die Parteien verfolgen dasselbe Ziel, sodass es zu keiner Einbuße kommen sollte. Wesentlicher Nachteil einer Verhandlungslösung ist die ungleiche Verhandlungsmacht. Verhandlungsmacht hängt von unterschiedlichsten Bedingungen ab. Vorliegend kommen insbesondere ökonomische Ressourcen und Knowhow auf
101
Rybak, Rechtsstaat am Verhandlungstisch, 2007, S. 120. Zu den Vorzügen der Flexibilität im Rahmen informalen Verwaltungshandelns Bauer VerwArch 78 (1987), S. 214 ff., 253. 103 Zu den rechtlichen Bedenken vgl. unter C. III. 104 Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 43. 102
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der einen, sowie die Teilhabe an staatlicher Entscheidungsfindung („mittelbare Normgestaltung“) auf der anderen Seite in Betracht. Eine gemeinverträgliche Lösung bedarf stets gleicher Verhandlungsmacht. Andernfalls wird der Kooperationsvorgang zum Diktat. Legistische Rechtsgestaltung ist abstrakt-generell. Insoweit könnte die Neutralität des Gesetzgebers gefährdet sein, der Einzel- bzw. Partikularinteressen gegenübersteht. Zu berücksichtigen ist aber, dass das von Weber geprägte Beamtenbild, welches Beamte zum „menschlich unbeteiligten, daher streng sachlichen Fachmann“105 erklärt, wohl überholt ist. Ministerien sehen sich in der heutigen Zeit vielfältigen Einflüssen ausgesetzt.106 Die unterschiedlichen Interessen der Beteiligten führen zumeist zu einem gegenseitigen Verzichtsmoment während der Verhandlungen. Antagonistisches Verhalten bietet dem privatrechtlich Beteiligten die Möglichkeit, den Konsens zu „blockieren“ und somit den Gesetzgeber zu lähmen. Derartige „Verschleppungsstrategien“ sind nicht auszuschließen.107 Das erstrebte Beschleunigungselement des Konsens kann so in sein Gegenteil verkehrt werden. Daneben sind auch Fälle einer unbewussten Blockierung denkbar („Pattsituation“). Dies ergibt sich bereits aus dem Wesen des Konsens als Resultat eines Diskussionsprozesses. Je erheblicher die Divergenz zwischen den Beteiligten, desto enormer ist zudem der Zeitaufwand zur ergebnisorientierten Konfliktbewältigung. Nicht zu unterschätzen ist die Gefahr, dass das den staatlichen Prozess der Entscheidungsfindung unterstützende Subjekt Informationen zurückhält oder nur denjenigen Sachverstand preisgibt, der zur Wahrung seiner Individualinteressen führt. Denn als Adressat einer obrigkeitlichen Entscheidung ist es daran interessiert, die sie betreffende Entscheidung möglichst optimal zu generieren, mithin die zugewachsene Autonomie bestmöglich zu nutzen. Letztlich können auch Defizite hinsichtlich der Wahrung von Drittinteressen entstehen.108 Als Folge der Verantwortungsteilung besteht daneben die Gefahr der Transparenzeinbuße.
105 Weber, Grundriss der Sozialökonomie III, 3. Aufl., S. 662. Zur Kritik Endler, Europäische Zentralbank, S. 231 ff. m. w. N. 106 Endler, in: Kloepfer (Hrsg.), Gesetzgebungsoutsourcing, 2011, S. 143 ff., 147. 107 Ähnlich Bauer VerwArch 78 (1987), S. 241 ff., 256. 108 Vgl. auch Bauer VerwArch 78 (1987), S. 241 ff., 254 mit Verweis auf Hucke/Ullmann, in: Mayntz (Hrsg.), Implementation politischer Programme, 1980, S. 105 ff., 120 und Hoffmann-Riem VVDStRL 40 (1982), S. 187 ff., 212, der von dem „Problem der bipolaren Ausrichtung“ spricht. Die Gefahr der Vernachlässigung von Drittinteressen sehen in Bezug auf Selbstverpflichtungen im Umweltrecht auch Fluck/Schmitt VerwArch 89 (1998), S. 220 ff., 229 und Hoffmann-Riem, Verhandlungslösungen und Mittlereinsatz im Bereich der Verwaltung: eine vergleichende Einführung, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, Bd. I, 1990, S. 24 ff.
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b) Wirkung Spiegelbildlich zu den individuellen Vorteilen können sich kollektive Nachteile ergeben. Zunächst werden Drittpositionen dergestalt gefährdet, dass Absprachen lediglich mit denjenigen Rechtssubjekten getroffen werden, die über das größte Tauschpotential verfügen. Im Rahmen konsensualer Normgestaltung werden darüber hinaus Partikularinteressen bevorzugt berücksichtigt. Nicht jeder Lebenssachverhalt ist aber einem Konsens zugänglich.109 Die Nichtberücksichtigung führt u. U. also zu einem Bewusstsein der Benachteiligung, überspitzt formuliert zu einem „Zwei-KlassenEmpfinden“. Insoweit besteht neben der Gefahr des Vertrauensverlustes in die Staatsleitung die Gefahr der Ablehnung staatlicher Autorität. Der Staat wendet sich dem „Makel der Kapitulation des Gesetzgebers“ zu.110 Daneben besteht auf der Wirkungsebene die Gefahr, dass der Staat das „Schwert“ der einseitigen Normsetzung aufgibt. Denn kooperativen Verständigungen wohnt die Gefahr inne, dass Rechtsnormen durch „Abmilderung der Regelungsschärfe“ und „Senkung des Regelungsniveaus“ ihre Durchsetzungskraft verlieren.111 Abstrakt-generelle Staatsleitung bedarf aber immer eines Instruments zur autoritären Durchsetzung des Rechts.112 Erschwerend kommt hinzu, dass Absprachen schnell zu einer bipolaren Tauschbeziehung verkommen können.
III. Konsensfindung im Recht Im Zusammenhang mit regierender Tätigkeit erweist sich der Begriff des Konsens als vielschichtig.113 Gegenstand der folgenden Betrachtung ist einzig der (Gesetzgebungs-) Konsens zwischen einem Hoheitsträger und einem privaten Rechtssubjekt, das nicht unmittelbar zur Ausübung von Staatsgewalt eingesetzt ist, mithin als Grundrechtsträger außerhalb des repräsentativ-demokratisch ausgestalteten Machtapparats steht. In Abgrenzung zum „gesellschaftlichen Konsens“, welcher ganz allgemein die Zustimmung der Bevölkerung zur politischen Programmatik betrifft,114 ist Gegenstand der hier behandelten Form des Konsens eine 109 Dies folgt bereits daraus, dass die Zahl der potentiell Betroffenen und somit auch zu beteiligenden Personen in vielen Lebensbereichen unüberschaubar ist. Das Streben nach einem Konsens wäre ineffizient. 110 Rybak, Rechtsstaat am Verhandlungstisch, 2007, S. 124. 111 Bauer VerwArch 78 (1987), S. 241 ff., 254; Hoffmann-Riem VVDStRL 40 (1982), S. 187 ff., 204 f. 112 Bauer VerwArch 78 (1987), S. 241 ff. unter Bezug auf Winter, Das Vollzugsdefizit im Wasserrecht, 1975, S. 31 ff. 113 Zu den verschiedenen (politikwissenschaftlichen) Dimensionen vgl. Schneider, Modernes Regieren und Konsens, 2009, S. 64 ff. 114 vgl. Schneider, Modernes Regieren und Konsens, 2009, S. 67.
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B. Rechtserzeugung und konsensuale Verständigung
bestimmte staatliche Entscheidung, konkret eine Verhaltensweise im bundesstaatlichen Gesetzgebungsprozess. In der Folge wird zunächst untersucht, ob und in welchem Umfang kooperative Instrumente bereits Grundlage für die Ausübung von Staatsgewalt sind. Hierbei werden schwerpunktmäßig hoheitliche Entscheidungen betrachtet, die ihrem staatstheoretischen Gewicht nach der Gesetzesproduktion vergleichbar sind. Sodann wird untersucht, ob Vorschriften existieren, die einen Konsens im Bereich der Gesetzesproduktion kanalisieren. 1. Der Konsens als Grundlage judikativer Entscheidungen a) Der Vergleich im Verfassungsprozess aa) Das LER-Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht Unter dem Stichwort „LER-Verfahren“ wird in der rechtswissenschaftlichen Literatur115 ein vor dem Bundesverfassungsgericht abgeschlossener Vergleich betreffend den Streit über das Unterrichtsfach „Lebensgestaltung, Ethik, Religionskunde“116 und dessen Verhältnis zu dem nach Art. 7 Abs. 3 S. 1 GG als ordentliches Lehrfach garantierten Religionsunterricht diskutiert.117 Staatliche Schulen in der DDR unterrichteten keinen Religionsunterricht. Religionsunterricht wurde erst nach der deutschen Wiedervereinigung im Jahr 1990 als ordentliches Lehrfach entsprechend Art. 7 Abs. 3 S. 1 GG in den meisten neuen Bundesländern eingeführt. Daneben ist ein Ethik-Unterricht, der weltanschaulich neutral ist, dessen Gegenstand aber auch Religionskunde sein kann, zulässig. Anders gestaltete sich der Sachverhalt in Brandenburg. Das Schulgesetz des Landes Brandenburg118 (SchulG Bbg.) regelte (und regelt noch) in § 11 Abs. 2–4 den wesentlichen Inhalt sowie die Art der Unterrichtung des Unterrichtsfachs „LER“. Demnach soll das Fach Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde Schülerinnen und Schüler in besonderem Maße darin unterstützen, ihr Leben selbstbestimmt und verantwortlich zu gestalten, und ihnen helfen, sich in einer demokratischen und pluralistischen Gesellschaft mit ihren vielfältigen Wertvorstellungen 115 Besprechung bei Menzel/Müller-Terpitz (Hrsg.), Verfassungsrechtsprechung, 2011, S. 688 f.; weiterführend Hanßen LKV 2003, 153 ff. (aus Sicht des Landes Brandenburg) sowie Janz LKV 2003, 172 ff. (aus Sicht der Beschwerdeführer); ausführlich Oermann/Zachhuber, Einigkeit und Recht und Werte – Der Verfassungsstreit um das Schulfach LER in der öffentlichen und wissenschaftlichen Diskussion, 2001 sowie Eckhardt, Die Zulässigkeit des Prozessvergleichs im Verfassungsprozess, 2010, S. 11 ff. 116 Im Folgenden als „LER“ bezeichnet. 117 Vgl. die Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts Nr. 62/2001. 118 Gesetz über die Schulen im Land Brandenburg v. 12.4.1996, GVBl. I 102, i. d. F. der Neubekanntmachung v. 2.8.2002, GVBl. I S. 78, zul. geänd. am 14.3.2014, GVBl. I Nr. 14.
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und Sinnangeboten zunehmend eigenständig und urteilsfähig zu orientieren, § 11 Abs. 2 S. 1 SchulG Bbg. Nach Satz 2 dient das Fach der Vermittlung von Grundlagen für eine wertorientierte Lebensgestaltung von Wissen über Traditionen philosophischer Ethik und Grundsätzen ethischer Urteilsbildung sowie über Religionen und Weltanschauungen. § 11 Abs. 3 S. 1 SchulG Bbg. formuliert ergänzend, dass das Fach bekenntnisfrei, religiös und weltanschaulich neutral unterrichtet wird. Daneben räumt § 9 Abs. 2 S. 1 SchulG Bbg. Kirchen und Religionsgemeinschaften das Recht ein, Schülerinnen und Schüler in allen Schulformen und Schulstufen in den Räumen der Schule in Übereinstimmung mit ihren Grundsätzen zu unterrichten (Religionsunterricht). Satz 2 überträgt diesen sodann die Pflicht, dafür Sorge zu tragen, dass der Religionsunterricht entsprechend den für den Schulunterricht geltenden Bestimmungen durchgeführt wird. Entsprechend dieser normativen Ausgangslage ist Religionsunterricht an Schulen in Brandenburg zwar möglich, aber kein ordentliches Lehrfach im Sinne des Art. 7 Abs. 3 S. 1 GG. Vor diesem Hintergrund erhoben die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, zahlreiche christliche Eltern und Schüler sowie die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg Verfassungsbeschwerde gegen die ab dem Schuljahr 1996/1997 (§ 141 Abs. 1 SchulG Bbg.) eingeführte Unterrichtung von LER. Das Land Brandenburg hingegen bestritt die Pflicht zur Einführung des Religionsunterrichts als ordentliches Lehrfach im Sinne des Art. 7 Abs. 3 S. 1 GG. Diese Auffassung schlussfolgerte es aus Art. 141 GG, wonach Art. 7 Abs. 3 S. 1 GG keine Anwendung in Ländern findet, in denen am 1. Januar 1949 eine andere landesrechtliche Regelung bestanden hat.119 Mit Beschluss vom 11. Dezember 2001 legte das Bundesverfassungsgericht den Beteiligten einen Vergleichsvorschlag für die anhängigen Verfahren vor.120 Hiermit beabsichtigte das Gericht die Schaffung einer verbindlichen Vereinbarung zwischen den Beschwerdeführern und der Landesregierung von Brandenburg betreffend die Änderung des Schulgesetzes Brandenburg, verbunden mit einer Erklärung der Antragssteller, die zur Beendigung des Verfahrens führen würde. Konkret legte das Bundesverfassungsgericht den Beteiligten u. a. einen aus sechs Absätzen bestehenden, ausformulierten normativen Änderungsvorschlag vor, welcher neben der Beibehaltung der Regelungen in § 11 Abs. 2–4 SchulG Bbg. und § 9 Abs. 2 SchluG BbG die faktische Gleichstellung des Fachs „Religionsunterricht“ mit dem von Art. 7 Abs. 3 S. 1 GG vermittelten Gehalt vorsah.121 Dieser 119
Zum Sachverhalt BVerfGE 104, 305; Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 186 ff. 120 BVerfGE 106, 210; vgl. zudem die Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts Nr. 114/2001. Umfassend BVerfGE 104, 305. 121 Die sechs Punkte lauteten: (1) Der Religionsunterricht wird in der Regel in Lerngruppen mit einer Teilnehmerzahl von mindestens 12 Schülerinnen und Schülern durchgeführt. (2) Der Religionsunterricht soll in die regelmäßige Unterrichtszeit integriert werden. Durch die zeitliche Gestaltung soll nicht ausgeschlossen werden, dass Schülerinnen und Schüler, die den Unterricht in dem Fach LER besuchen, zusätzlich am Religionsunterricht teilnehmen können.
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B. Rechtserzeugung und konsensuale Verständigung
Gesetzentwurf sollte nach Abstimmung innerhalb der Parteien von der Landesregierung in den Landtag Brandenburg eingebracht werden. Der Gesetzentwurf des Bundesverfassungsgerichts wurde nach diversen politischen Diskussionen im Juli 2002 verabschiedet und konnte zu Beginn des Schuljahrs 2002/2003 in Kraft treten.122 bb) Der Prozessvergleich nach dem BVerfGG Das Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) enthält keine Regelung über einen Prozessvergleich.123 Der Normbestand weist weder eine ausdrückliche Grundlage für ein solches Rechtsinstitut, wie etwa die Regelung in § 106 VwGO für Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, auf, noch wird auf zivil- oder verwaltungsprozessuale Vergleichsvorschriften verwiesen.124 Die grundsätzliche Zulässigkeit eines Prozessvergleichs könnte sich aus der Eigenart des Verfassungsprozessrechts als „unvollständige Verfahrensordnung“ ergeben.125 Bereits 1952 hat das Bundesverfassungsgericht zur Begründung der Armenrechtsbewilligung entschieden, dass aus dem Schweigen des BVerfGG nicht der Ausschluss jeder Armenrechtsbewilligung gefolgert werden könne. So formulierte es, dass das BVerfGG keine erschöpfenden Verfahrensregeln enthalte, sich vielmehr auf wenige, unbedingt erforderliche, den Besonderheiten des verfassungsgerichtlichen Verfahrens angepasste Bestimmungen beschränke. Im Übrigen (3) Anrechnung der Unterrichtserteilung in dem Fach Religion auf die Pflichtstundenzahl der unterrichtenden Lehrer und Möglichkeit zur Teilnahme an religionspädagogischen Fort- und Weiterbildungen unter den üblichen Bedingungen. (4) Einzelheiten über die Erteilung von Bewertungen für das Fach Religion nach den Vorgaben der verantwortlichen Religionsgemeinschaft; Relevanz der Note für das Zeugnis. (5) Den Kirchen und Religionsgemeinschaften, deren Beauftragte Religionsunterricht erteilen, werden zu den dadurch entstehenden Kosten nach Maßgabe des Haushalts Zuschüsse gewährt. (6) Schülerinnen und Schüler, deren Eltern gegenüber der Schule erklären, dass ihr Kind werteorientierten Unterricht zu den Gegenstandsbereichen des Fachs LER allein in Form des Religionsunterrichts erhalten soll, und den Besuch eines solchen Unterrichts nachweisen, sind von der Verpflichtung zur Teilnahme am Unterricht in dem Fach LER befreit. Bei Schülerinnen und Schülern, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, tritt die eigene Erklärung an die Stelle der Erklärung der Eltern. 122 Drittes Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Schulgesetzes vom 10.7.2002, GVBl. I 55. Ergänzend ist die Verordnung über den Religionsunterricht an Schulen vom 1.8.2002, GVBl. II 481, erlassen worden. 123 Umfassend zur Zulässigkeit eines Prozessvergleichs im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht s. Eckhardt, Die Zulässigkeit des Prozessvergleichs im Verfassungsprozess, 2010, S. 91 ff., 151 ff., 195 ff. 124 Ebenso Schmidt NVwZ 2002, S. 925 ff. 125 Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge (Hrsg.), BVerfGG, 42. Ergänzungslieferung 2013, Vorb. vor. § 17 Rn 1; BVerfGE 50, 381, 384; Morgenthalter, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), GG, 2009, Art. 93 Rn 14; Kotzur JZ 2003, S. 73 ff.; Sachs, Verfassungsprozessrecht, 3. Aufl., 2010, Rn 55; Voßkuhle, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG Band 3, 6. Aufl., 2010, Art. 94 Abs. 2 Rn 25; Kloepfer, Verfassungsprozessrecht I, 2011, § 19 Rn 80.
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sei es dem Gericht überlassen, die Rechtsgrundlagen für eine zweckentsprechende Gestaltung seines Verfahrens im Wege der Analogie zu sonstigem deutschen Verfahrensrecht zu finden.126 Dieser Grundsatz gelte freilich nicht ausnahmslos. Insbesondere sei ein „Rückgriff auf einzelne Grundsätze des Verwaltungsprozessrechts oder letztlich der ZPO“ nicht in „schematischer“ Weise zulässig, sondern stets durch die Besonderheiten des verfassungsgerichtlichen Verfahrens begrenzt.127 Es wäre verfehlt, dem Bundesverfassungsgericht als Instanz letztverbindlicher Interpretation der Verfassung eine allumfängliche Verfahrensautonomie zuzuschreiben. Hierfür streitet zunächst die Regelung des Art. 94 Abs. 2 S. 1 GG, wonach ein Bundesgesetz – konkret das BVerfGG128 – die Verfassung des Bundesverfassungsgerichts und seine Verfahren regelt. Das BVerfGG zieht den Modalitäten für das Zustandekommen einer Entscheidung eine Grenze.129 Darüber hinaus ist materielles Verfassungsrecht grundsätzlich zwingendes Recht. Das Bundesverfassungsgericht kann sich bereits wegen Art. 1 Abs. 3 GG und Art. 20 Abs. 3 GG nicht darüber hinwegsetzen.130 Andernfalls würde die Verfassung ihres Schutzniveaus entkleidet.131 Die Zulässigkeit eines verfassungsgerichtlichen Prozessvergleichs als Instrument der Verfahrensbeendigung hängt maßgeblich von der Verfahrensart, respektive der Geltung der Dispositionsmaxime für die einzelnen Verfahrensarten ab. Maßgeblich ist, ob und in welchem Umfang die Beteiligten über den Verfahrensgegenstand materiellrechtlich verfügen können.132 126 BVerfGE 1, 109, 110 f. An diesem Ansatz hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Judikatur festgehalten, vgl. etwa BVerfGE 2, 79, 84; 33, 199, 204; 33, 247, 261; 51, 405, 407; 84, 6, 8; 99, 338, 340; 89, 327, 328; 99, 46, 48; 107, 339, 357 f, 363 ff. 127 Vgl. BVerfGE 46, 321, 323; 98, 163, 167. Umfassend Kunze, in: Umbach/Clemens/ Dollinger (Hrsg.), Kommentar zum Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 2005, Vor §§ 17 ff. Rn 7 m. w. N. 128 Gesetz über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) v. 11.8.1993, BGBl. I S. 1473, i.d.F.v. 29.8.2013, BGBl. I S. 3463. 129 Vgl. Kunze, in: Umbach/Clemens/Dollinger, Mitarbeiterkommentar zum BVerfGG, 2005, Vor §§ 17 ff. Rn 2; Hillgruber/Goos, Verfassungsprozessrecht, 2011, § 1 Rn 21. Der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion des 1. Deutschen Bundestages (BT-Drs. I/326) formulierte in § 14 Abs. 1, dass „das Bundesverfassungsgericht […] sich im Rahmen des Grundgesetzes und dieses Gesetzes selbst eine Verfahrensordnung geben“ kann. Absatz 2 postulierte darüber hinaus, dass „die für die Verfassung der ordentlichen Gerichte und für das Strafverfahren geltenden Vorschriften […] für das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht hilfsweise anzuwenden“ seien. Dieser Gesetzentwurf wurde jedoch verworfen. Der Gesetzgeber schloss sich wenig später dem heute geltenden Modell des Regierungsentwurfs (BRat-Drs. 125/50 = BTDrs. I/788) an. 130 Ebenso Hillgruber/Goos, Verfassungsprozessrecht, 2011, § 1 Rn 6, wonach sich die Verfassung nicht für einen „Deal“ eigne. 131 Hillgruber/Goos, Verfassungsprozessrecht, 2011, § 1 Rn 6. 132 Zur Geltung der Dispositionsmaxime im Verfassungsprozess Kotzur JZ 2003, S. 73 ff.; Renck ZRP 2002, S. 316 ff.; Kunze, in: Umbach/Clemens/Dollinger, Mitarbeiterkommentar zum BVerfGG, 2005, Vor §§ 17 ff. Rn 12 ff.
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B. Rechtserzeugung und konsensuale Verständigung
Eine derartige Verfügungsbefugnis der Beteiligten fehlt bei der abstrakten (Art. 93 Abs. 1 Nr. 2, 2a GG i. V. m. § 13 Nr. 6 BVerfGG) und konkreten Normenkontrolle (Art. 100 Abs. 2 S. 2 GG i. V. m. § 13 Nr. 11 BVerfGG). Über den Bestand der Norm selbst können die Beteiligten nicht verfügen, da die Verfügungsgewalt bei den zuständigen Legislativorganen liegt. Ein Prozessvergleich ist somit grds. unzulässig.133 Auch die kontradiktorisch ausgestalteten Verfahren des Organ- (Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG i. V. m. § 13 Nr. 6 BVerfGG sowie Art. 99 GG i. V. m. § 13 Nr. 10 BVerfGG) bzw. Bund-Länder- und Länder-Länder-Streits (Art. 93 Abs. 1 Nr. 3, 4 GG i. V. m. § 13 Nr. 7, 8 BVerfGG) sind einem Vergleich nur in geringem Umfang zugänglich. Denn für im Verfassungsprozess wehrfähige Kompetenzen von Hoheitsträgern gilt im Grundsatz, dass diese aufgrund ihres zwingenden Charakters indisponibel sind. Einzig hinsichtlich der Art und Weise der Kompetenzausübung kann – stets unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Vorgaben – ein Prozessvergleich erfolgen.134 Die Dispositionsmaxime gilt in verfassungsgerichtlichen Verfahren, in denen ein Rechtsträger subjektive Verfassungspositionen geltend macht.135 Hierbei handelt es sich konkret um die Individualverfassungsbeschwerde (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG i. V. m. § 13 Nr. 8a BVerfGG) und die Verfassungsbeschwerde von Gemeinden sowie Gemeindeverbänden wegen Verletzung ihres Rechts auf Selbstverwaltung aus Art. 28 GG (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG i. V. m. § 13 Abs. 1 Nr. 8a BVerfGG). Die Unzulässigkeit eines gerichtlichen Vergleichs ergibt sich diesbezüglich allerdings aus der Eigenart der „Grundrechtsklage“136, welche keinen Verfahrensgegner kennt.137 Regt das Gericht die (zulässige) Rücknahme der Verfassungsbeschwerde an, so ist hierin kein verfahrensbeendender Prozessvergleich zu sehen. Eine erneute Verfassungsbeschwerde ist nicht ausgeschlossen.138 133 Jarass/Pieroth, GG, 11. Aufl., 2011, Art. 93 Rn 26; ebenso und mit Verweis auf das fehlende kontradiktorische Element im Normenkontrollverfahren Graßhof, in: Umbach/Clemens/ Dollinger (Hrsg.), Mitarbeiterkommentar zum BVerfGG, 2005, § 78 Rn 6 sowie Schlaich/ Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 2012, Rn 67. Ausnahmsweise kann im Verfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG aber eine „Rücknahme des Normenkontrollantrags als Ergebnis eines ‚Vergleichsvorschlags‘ des Gerichts“ in Betracht kommen, vgl. Bethge, in: Maunz/SchmidtBleibtreu/Klein/Bethge (Hrsg.), BVerfGG, 42. Ergänzungslieferung 2013, Vor. §§ 17 ff. Rn 49. So geschehen in BVerfGE 106, 210, 213. 134 Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge (Hrsg.), BVerfGG, 42. Ergänzungslieferung 2013, Vor. §§ 17 ff. Rn 49; ausführlich Kunze, in: Umbach/Clemens/Dollinger (Hrsg.), Mitarbeiterkommentar zum BVerfGG, 2005, Vor §§ 17 ff. Rn 16. 135 Kunze, in: Umbach/Clemens/Dollinger (Hrsg.), Mitarbeiterkommentar zum BVerfGG, 2005, Vor §§ 17 ff. Rn 15. Um einen allgemeinen Grundsatz des Prozessrechts handelt es sich hierbei allerdings nicht. So ermächtigt bspw. § 64 BNatSchG auch einen Sachwalter zur Disposition. 136 Görisch/Hartmann NVwZ 2007, S. 1007 ff., 1011. 137 Lechner/Zuck, BVerfGG, 6. Aufl., 2011, Vor § 17 Rn 19. 138 Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge (Hrsg.), BVerfGG, 42. Ergänzungslieferung 2013, Vor. §§ 17 ff. Rn 49.
III. Konsensfindung im Recht
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In Bezug auf das eingangs erörterte LER-Verfahren lässt sich diesbezüglich feststellen, dass es sich hierbei wohl weniger um einen klassischen „Prozessvergleich“ im Sinne des verwaltungs- oder zivilprozessualen Rechts handelte.139 Eine Beendigung der Verfahren erfolgte nicht qua Vereinbarung, sondern durch die zu einem späteren Zeitpunkt erfolgten Rücknahmeerklärungen.140 Der bloße Vorschlag des Bundesverfassungsgerichts zur Einigung erscheint vor diesem Hintergrund zulässig, da sich das Gericht einer Entscheidung nicht entzieht, insoweit also auch nicht der verfassungsrechtlichen Bindung entgegenwirkt.141 Verfassungsrechtlich problematisch erscheint es allerdings, dass die Beschwerdeführer, welche nicht am Vergleich partizipierten, in ihrem Begehren auf Rechtsschutz mit einer Entscheidung nach § 24 BVerfGG abgewiesen wurden.142 Insoweit tangiert der „Vergleich“ über die prinzipielle inter partes Wirkung hinaus auch Rechtspositionen Dritter. Hierin ist ein Verstoß gegen oben benannte Grundsätze zu sehen. Eine vom Bundesverfassungsgericht vorgeschlagene „einverständliche Beendigung“ ist mithin nur möglich, sofern alle Parteien hieran partizipieren. b) Der „Deal“ im Strafprozess nach § 257c StPO Verfahrensfortgang und Ausgang des Strafverfahrens werden nicht selten durch einvernehmliche Verständigungen zwischen dem Gericht und den Verfahrensbeteiligten (vornehmlich Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Angeklagter) vorbereitet.143 Bei diesem „Deal“ nach § 257c StPO handelt es sich im Grunde um ein konkret-individuelles Rechtsverhältnis (erste Stufe). Dasselbe gilt in Bezug auf die gerichtliche Entscheidung (zweite Stufe), die im Anschluss an die Verständigung ergeht. Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zu Gesetzgebungsverträgen. 139
Der zivilprozessuale Vergleich ist in § 794 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 278 ZPO normiert; die VwGO sieht in § 106 ausdrücklich die Möglichkeit eines prozessualen Vergleichs vor. 140 Nach der Gesetzesänderung nahmen die meisten Beschwerdeführer ihre Anträge zurück. Dies wirkte sich auch mittelbar auf die weiteren Verfahren aus, deren Beschwerdeführer nicht am „Vergleich“ partizipierten: denn diese wurden sodann von dem zuständigen Senat mit einer Entscheidung nach § 24 BVerfGG als offensichtlich unzulässig wegen Erledigung verworfen. 141 A. A. Hillgruber/Goos, Verfassungsprozessrecht, 2011, § 1 Rn 6, die davon ausgehen, dass das Bundesverfassungsgericht seine Kontrollbefugnis als „Hüter der Verfassung“ (BVerfGE 1, 184, 195, 197; 6, 300, 304; 40, 88, 93) stets wahrnehmen muss, sobald es in zulässiger Weise angerufen wird. 142 BVerfGE 106, 210. 143 BT-Drs. 16/11736, S. 1. Bis zur Einführung des § 257c StPO im Jahre 2009 war eine derartiger „konsensualer“ Abschluss des Strafverfahrens nicht in der StPO geregelt. Der Bundesgerichtshof erteilte solchen Verständigungen dem Grunde nach keine Absage, wies jedoch aufgrund der möglichen Verstöße derartiger Verhaltensweisen gegen strafprozessuale und verfassungsrechtliche Grundsätze in seiner Entscheidung vom 3. März 2005 darauf hin, dass eine gesetzliche Regelung dringend notwendig sei, BGHSt 50, 40. Zur konsensualen Gestaltung der Wahrheitsfindung Theile NStZ 2012, S. 666 ff. Grundlegend Weßlau, Das Konsensprinzip im Strafverfahren, 2002. Zur praktischen Relevanz des Konsens im Strafverfahren Fischer ZRP 2010, S. 249 ff.
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B. Rechtserzeugung und konsensuale Verständigung
Zwar ist auch der Gesetzgebungsvertrag ein konkret-individuelles Rechtsverhältnis (erste Stufe); allerdings wirkt das hieran anknüpfende Gesetz abstrakt-generell (zweite Stufe). Aufgrund der übereinstimmenden Wirkungen auf der ersten Stufe, wird im Folgenden kurz die Vorschrift des § 257c StPO dargestellt. aa) Allgemeines § 257c Abs. 1 S. 1 StPO eröffnet dem Gericht die Möglichkeit, sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der Absätze 2–5 über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens zu verständigen.144 Der Begriff der „Verständigung“ wurde vom Gesetzgeber nicht näher bestimmt. Die h. M. versteht hierunter „zumindest einseitig bindende Absprachen zwischen dem Gericht, der Staatsanwaltschaft und dem Angeklagten über mit dem Urteil zu verhängende Rechtsfolgen […], die unter Beachtung der hierfür vorgesehenen gesetzlichen Maßgaben erfolgen“.145 Den zulässigen Gegenstand einer Verständigung umreißt § 257c Abs. 2 StPO. Demnach darf nur über die Rechtsfolgen, Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten disponiert werden (S. 1). Satz 3 bekräftigt, dass der Schuldspruch nicht Gegenstand der Verständigung sein darf. Bestandteil jeder Verständigung soll darüber hinaus ein Geständnis sein (S. 2). Unzulässig ist die Vereinbarung einer bestimmten Strafe.146 Nach § 257c Abs. 3 S. 2 StPO kann das Gericht einzig eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Inwieweit faktisch durch Vereinbarung einer Strafuntergrenze dennoch eine bestimmte Strafe vereinbart werden kann, bleibt abzuwarten.147 Neben den Rechtsfolgen können auch sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren Gegenstand der Verständigung sein. Ausweislich der Gesetzesbegründung sind hierunter „Einstellungsentscheidungen und Beweiserhebungen“ zu verstehen.148 Gemeint ist etwa ein Absehen von der Strafverfolgung nach § 154 Abs. 2 StPO oder einer weiteren Beweiserhebung durch das
144 Die Vorschrift wird vielfach als mit der Aufklärungspflicht, welche das Gericht zur Erforschung der Wahrheit verpflichtet, nicht vereinbar angesehen. Zwar erklärt § 257c Abs. 1 S. 2 StPO, dass § 244 Abs. 2 StPO unberührt bleibt. Dies erscheint nach Meyer-Goßner/Schmitt, Kommentar StPO, 58. Aufl., 2015, § 257c Rn 3 aber als „wenig mehr als ein Lippenbekenntnis“. Dem folgend Altenhain/Haimerl JZ 2010, S. 329 (Fn 31); Trüg StV 2010, S. 533 ff.; a. A. Kröpil JR 2010, S. 99 ff. 145 Moldenhauer/Wenske, in: Hannich u. a. (Hrsg.), Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl. 2013, § 257c Rn 8 m. w. N. 146 BVerfGE 133, 168, 227. 147 Dafür Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl. 2015, § 257c Rn 21. Dem Gesetzgeber obliegt diesbezüglich eine Überwachungs- und ggf. Korrekturpflicht, BVerfGE 133, 168, 236. 148 BT-Drs. 16/11736, S. 11.
III. Konsensfindung im Recht
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Gericht.149 An dieser Stelle entsteht ein Spannungsverhältnis zu § 244 Abs. 2 StPO, wonach das Gericht zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken hat, die für die Entscheidung von Bedeutung sind. § 257c Abs. 1 S. 2 StPO versucht dieses Spannungsverhältnis hingehend aufzulösen, in dem er die Pflicht des Gerichts nach § 244 Abs. 2 StPO als von der Verständigung unberührt erachtet. Entsprechendes formulierte bereits die Gesetzesbegründung, wonach „der Verzicht auf (weitere) Beweisanträge und Beweiserhebungen sich nicht außerhalb dessen bewegen [kann], was durch die unverändert geltende Sachaufklärungspflicht des Gerichts bestimmt ist“.150 Das BVerfG hat hierzu ausgeführt, dass § 257c Abs. 1 S. 2 StPO „jede Disposition über Gegenstand und Umfang der dem Gericht von Amts wegen obliegenden Pflicht zur Aufklärung des mit der Anklage vorgeworfenen Geschehens [ausschließt]“.151 Nach § 257c Abs. 4 S. 1 StPO entfällt die Bindung des Gerichts an eine Verständigung schließlich, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen der Überzeugung ist, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Für den Angeklagten besteht durch eine Verständigung im Strafverfahren nach § 257c StPO die Möglichkeit, auf hoheitliche Befugnisse einzuwirken. Der Gesetzgeber wollte mit § 257c StPO jedoch „kein neues ‚konsensuales‘ Verfahrensmodell“ einführen.152 Vielmehr bedurfte es seines Erachtens einer derartigen Regelung, weil „das in der Praxis entstandene und dort bedeutsame, aber stets umstritten gebliebene Institut der Verständigung zur Herstellung von Rechtssicherheit und der Gewährleistung einer gleichmäßigen Rechtsanwendung dringend klarer gesetzlicher Vorgaben bedurfte“.153 bb) Teleologischer Hintergrund der Vorschrift Ein wesentlicher Grund für die Erforderlichkeit von Absprachen im Strafprozess ist die hohe Arbeitsbelastung der Strafjustiz, welche an die „Grenze der Arbeitsbelastung“ geht.154 Ursache hierfür ist neben zunehmend komplexeren Fallgestaltungen infolge wirtschaftlicher und technischer Neuerungen auch die Globalisierung, welche zu neuen Formen grenzüberschreitender Kriminalität führt.155 Hier 149
Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl. 2015, § 257c Rn 13. BT-Drs. 16/11736, S. 11. 151 BVerfGE 133, 168, 207 f. 152 BVerfGE 133, 168, 204, 207. 153 BVerfGE 133, 168, 206. 154 Krey/Windgätter, FS Achenbach, 2011, S. 233 ff. 155 BVerfGE 133, 168, 234 weist auch auf die zunehmende Regelungsdichte der letzten Jahre als Faktor hin, der einer Bewältigung bedarf. In Bezug auf das Wirtschaftsstrafrecht bestätigend Braun AnwBl 2000, S. 222 ff., 225. 150
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B. Rechtserzeugung und konsensuale Verständigung
entsteht ein Spannungsverhältnis zu dem bestehenden, verfassungsrechtlich verankerten Gebot der Beschleunigung (bspw. in Haftsachen). Hinzu kommt, dass auch das Prozessrecht an Umfang gewinnt, was sich an der kaum überschaubaren Rechtsprechung zu den Beweisverwertungsverboten erkennen lässt. Eine Reduktion justiziellen Aufwandes ist somit verfassungsrechtlich und praktisch intendiert. Daneben entspricht die Verringerung prozessualer Begebenheiten den personellen Engpässen, von welchen die Justiz aufgrund anhaltender Sparmaßnahmen betroffen ist.156 cc) Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs Im Jahr 1987 beschäftigte sich das Bundesverfassungsgericht erstmals mit der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Verständigungen im Strafprozess außerhalb der Hauptverhandlung.157 Prüfungsmaßstab waren die rechtsstaatlichen Anforderungen an ein faires Verfahren sowie die Wahrung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege und des Schuldprinzips. Diesbezüglich stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass diese Grundsätze einer Verständigung außerhalb der Hauptverhandlung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten über Stand und Aussichten der Verhandlung grundsätzlich nicht entgegenstünden.158 Diese Grundsätze würden es Gericht und Staatsanwaltschaft jedoch verbieten, sich auf einen „Vergleich“ im Gewande des Urteils bzw. auf einen „Handel mit der Gerechtigkeit“ einzulassen.159 Denn benannte Grundsätze schließen es aus, dass die Handhabung richterlicher Aufklärungspflichten, die rechtlich Subsumtion und die Grundsätze der Strafzumessung, die letztlich mit einem Urteil zur Schuldfrage abschließen, in die freie Disposition der Verfahrensbeteiligten und des Gerichts zu stellen.160 Der Bundesgerichtshof vertrat außerhalb der Hauptverhandlung stattfindenden Verständigungen161 gegenüber anfänglich eine ablehnende Haltung.162 Mit seiner
156
BVerfGE 133, 168, 234. BVerfG NJW 1987, 2662 ff. 158 Neben der notwendigen Wahrung dieser Grundsätze erklärte das Bundesverfassungsgericht zudem die Beachtung der Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung des Angeklagten als Ausdruck des § 136a StPO zur Voraussetzung für eine solche Verständigung. Zudem dürfe der Angeklagte nicht durch ein gesetzlich nicht vorgesehenes Vorteilsversprechen oder durch Täuschung zu einem Geständnis gedrängt werden. 159 Bestätigend auch BVerfGE 133, 168, 227. 160 Beispielhaft führt das Bundesverfassungsgericht hierzu aus, das Gericht dürfe sich nicht mit dem Geständnis des Angeklagten begnügen, das dieser gegen die Zusage oder das In-Aussicht-Stellen einer Strafmilderung abgelegt habe, obwohl es sich beim gegebenen Verfahrensstand mit Blick auf das Ziel der Wahrheitserforschung und der schuldangemessenen, gerechten Ahndung der Tat zu weiterer Beweiserhebung hätte gedrängt sehen müssen. 161 In der früheren Terminologie wird von „Absprachen“ gesprochen. 162 BGHSt 37, 298, 304 f.; BGH NJW 1994, S. 1293 ff.; BGHSt 42, 46, 48. 157
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Entscheidung vom 28. August 1997 sprach er sich sodann – unter bestimmten, für das Gericht verbindlichen Voraussetzungen163 und unter ausdrücklicher Bestätigung der Vergleichsfeindlichkeit des Strafverfahrens und des Verbots einer Disposition über den staatlichen Strafanspruch – für die grundsätzliche Zulässigkeit von in der Hauptverhandlung getroffenen Verständigungen aus.164 Mit Beschluss vom 3. März 2005165 bestätigte der Große Senat für Strafsachen diese Entscheidung unter Präzisierung der aufgestellten Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Verständigungen. Demgemäß dürfe die Differenz zwischen verständigungsgemäßer und der bei einem „streitigen Verfahren“ zu erwartenden Sanktion nicht unangemessen groß sein (sog. „Sanktionsschere“). Darüber hinaus müsse eine hinreichende rechtsstaatliche Flexibilität verbleiben. Das Gericht dürfe demgemäß von seiner Zusage rechtmäßig Abstand nehmen, soweit neue Erkenntnisse vorliegen oder schon bei der Verständigung vorhandene relevante tatsächliche oder rechtliche Aspekte übersehen worden seien. Die ausnahmslose Unzulässigkeit eines Rechtsmittelverzichts relativierte das Gericht dahingehend, dass der nach einer Verständigung erklärte Rechtsmittelverzicht des Angeklagten zwar grundsätzlich weiterhin unzulässig, eine abweichende Bewertung jedoch dann geboten sei, wenn der Rechtsmittelberechtigte darüber belehrt worden sei, dass er ungeachtet der Verständigung in seiner Entscheidung frei sei, Rechtsmittel einzulegen. Der Senat monierte in seiner Entscheidung jedoch, dass die Strafprozessordnung in ihrer geltenden Fassung solchen Verständigungen ablehnend gegenüber stehe. Denn die Ermittlung der „materiellen Wahrheit“ sei in die Hände des Gerichts gelegt, prinzipiell von Amts wegen zu ermitteln und mithin der Disponibilität der Verfahrensbeteiligten größtenteils entzogen. Aufgrund der formellen defizitären Situation und der materiellen Notwendigkeit166 sowie der verfassungsrechtlichen Billigung ersuchte der Senat den Gesetzgeber, die Zulässigkeit und, bejahendenfalls, die maßgeblichen rechtlichen Voraussetzungen und Begrenzungen von Verständigungen im Strafprozess gesetzlich zu regeln. In der Folge wurde das Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren (Verständigungs-
163 Hierzu führte der 4. Strafsenat aus, dass (1) der Schuldspruch nicht Gegenstand der Verständigung sein dürfe, (2) ein auf einer Verständigung basierendes Geständnis auf seine Glaubhaftigkeit überprüft werden müsse, (3) eine sich diesbezüglich aufdrängende Beweiserhebung nicht unterbleiben dürfe, (4) die freie Willensentschließung des Angeklagten gewahrt bleibe, d. h. insbesondere das Geständnis Willensbetätigung unter Ausschluss von Drohung mit einer höheren Strafe oder durch Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils zustande komme und (5) die Verständigung in der öffentlichen Hauptverhandlung unter Einführung in das Protokoll und nicht in außerhalb stattfinden Vorgesprächen erfolgt. Für unzulässig erklärte der Senat Teile der Vereinbarung, welche einen Rechtsmittelverzicht des Angeklagten beinhalteten. 164 BGHSt 43, 195 ff. 165 BGHSt 50, 40 ff. 166 Auch der BGH bekräftige die Notwendigkeit der Verständigung zur Wahrung der Funktionstüchtigkeit der Strafjustiz trotz knapper Ressourcen. Zudem wies er auf den Beschleunigungsgrundsatz, Prozessökonomie und Zeugen- sowie Opferschutz hin.
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B. Rechtserzeugung und konsensuale Verständigung
gesetz)167 erlassen, auf dessen Grundlage u. a. die Regelung des § 257c StPO in die Strafprozessordnung eingefügt wurde. Mit Urteil vom 19. März 2013168 wies das Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde gegen die Vorschrift des § 257c StPO als unbegründet zurück und billigte so die Ausgestaltung des Gesetzgebers. Das Normgefüge des Verständigungsgesetzes gestatte „keine Verfahrensweise im Strafprozess, die den verfassungsrechtliche Vorgaben widerspräche“.169 c) Ergebnis Auf den ersten Blick scheint vor allem der strafprozessuale „Deal“ nach § 257c StPO seiner Zweckrichtung nach dem gesetzgebungsvertraglichen Anliegen sehr ähnlich zu sein. Einer Vergleichbarkeit der beiden Fallgestaltungen steht jedoch zunächst entgegen, dass der strafprozessuale Vergleich mit der materiellen Wahrheit ein epistemisches Ziel außerhalb des Rechts verfolgt. Darüber hinaus bestehen in Bezug auf den Umfang der jeweiligen Rechtswirkungen erhebliche Unterschiede. Zwar wirken sowohl die strafprozessuale Verständigung als auch der Gesetzgebungsvertrag als solcher lediglich konkret-individuell. Im Unterschied zum – ebenfalls konkret-individuell wirkenden – Urteil, wirkt jedoch die auf dem Gesetzgebungsvertrag basierende legistische Entscheidung abstrakt-generell. Eine entsprechende Diskrepanz besteht zwischen dem Gesetzgebungsvertrag und dem darauf basierenden Gesetz im Verhältnis zu einem verfassungsprozessualen Vergleich – soweit er denn anzuerkennen ist. Allgemeine Wertentscheidungen lassen sich aus den erläuterten prozessualen Kooperationen für die vorliegende Untersuchung grds. nicht fruchtbar machen. Einzig die Ausführungen zum verfassungsprozessualen Vergleich zeigen, dass das konsensuale Rechtsverhältnis stets in Abhängigkeit zur Disposition des betreffenden Verfassungsrechtssatzes steht. Maßgeblich für die verfassungsrechtliche Bewertung der Zulässigkeit eines Gesetzgebungsvertrags könnte somit ebenfalls die Disponibilität der betreffenden Bestimmung, d. h. konkret der Art. 76 f. GG sein. § 257c StPO drückt darüber hinaus einzig den allgemeinen Rechtsgedanken aus, dass der Staat wesentliche hoheitliche Letztentscheidungskompetenzen nicht durch konsensuale Verständigungen entäußern darf; aufgrund der unterschiedlichen Zweckrichtungen kommt diesem Befund aber allenfalls indizielle Wirkung zu. Vielmehr folgt aus der Wesensverschiedenheit der Negativbefund, dass die Regelungen der §§ 257c ff. StPO nicht auch für den Abschluss eines Gesetzgebungsvertrags herangezogen werden müssen.
167 Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren v. 29.7.2009, BGBl. I S. 2353. Hierzu ausführlich Heller, Das Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren – no big Deal?, 2012. 168 BVerfGE 133, 168. 169 BVerfGE 133, 168, 236.
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2. Verfassungsrecht als Grundlage eines Gesetzgebungsvertrags Das Grundgesetz enthält im Unterschied zur Weimarer Reichsverfassung keinen Abschnitt zur Regelung des Wirtschaftslebens.170 Bereits 1954 hob das Bundesverfassungsgericht die „wirtschaftspolitische Neutralität“ des Grundgesetzes hervor.171 In gewissen verfassungsrechtlichen Grenzen solle die wirtschaftspolitische Gestaltung der Bundesrepublik der Bundesregierung überlassen werden. Daran anknüpfend wird im Folgenden untersucht, ob – und falls ja, in welchem Umfang – der Verfassungstext der Bundesregierung das Instrument des „Gesetzgebungskonsens“ als wesentliches Element eines Gesetzgebungsvertrags an die Hand gibt. Hierbei ist zwischen allgemeinen und speziellen, sich auf den Prozess der Gesetzgebung beziehenden konsensualen Vorgaben zu unterscheiden. Gegenstand der folgenden Ausführungen ist darüber hinaus nur das Verhältnis Bürger – Staat.172 Insbesondere geht es hier ausschließlich um Möglichkeiten unmittelbarer Einflussnahme, nicht bloß mittelbar-repräsentativer. a) Konsensuale Strukturen im gesetzgebungsbezogenen Geschäftsordnungsrecht Die parlamentarischen Geschäftsordnungen stehen im Rang unterhalb des Verfassungsrechts. Dennoch konkretisieren und ergänzen sie die Verfassung, weshalb sie auch als „Verfassungsrecht im materiellen Sinne“ bezeichnet werden.173 Als gesetzgebungsbezogenes Innenrecht sind somit auch die Geschäftsordnungen nach logistischen Beteiligungsinstrumenten bzw. konsensualen Strukturen zu durchsuchen. Die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesminister (GGO)174 befasst sich im 6. Kapitel mit der „Rechtsetzung“ durch die Bundesminister. § 47 GGO sieht in Absatz 1 vor, dass der Entwurf einer Gesetzesvorlage Ländern, kommunalen Spitzenverbänden und den Vertretungen der Länder beim Bund möglichst frühzeitig „zuzuleiten“ ist, wenn deren „Belange berührt“ sind. Diese Möglichkeit besteht in Verbindung mit Abs. 3 auch zugunsten von Zentral- und Gesamtverbänden sowie für Fachkreise, die auf Bundesebene bestehen, wobei Zeitpunkt, Umfang und Auswahl der Beteiligung in diesem Fall ausdrücklich im Ermessen des federführenden Bundesministeriums stehen. Die Möglichkeit des formellen Kontakts zwischen Ministerien und Verbänden wurde in den letzten Jahren ausgedehnt. Hatte 170
Vgl. Art. 151–166 WRV. BVerfGE 4, 7. 172 Zur Notwendigkeit konsensualer Bestrebungen im Bundestag in Bezug auf die Besetzung des Vermittlungsausschusses vgl. BVerfGE 112, 118. 173 Von Münch/Mager (Hrsg.), Staatsrecht I, 7. Aufl., 2009, Rn 170 m. w. N. 174 Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesminister (GGO) v. 26.07.2000 (GMBl. S. 526), zul. geändert durch Beschl. v. 17.8.2011 (GMBl. S. 576). 171
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B. Rechtserzeugung und konsensuale Verständigung
§ 23 Abs. 2 GGO II 1960175 lediglich vorgesehen, dass Vertretungen beteiligter Fachkreise oder Verbände um „Beschaffung von Unterlagen“ gebeten werden dürfen, erweiterte die nachfolgende Vorschrift des § 24 GGO II 1976176 das Kontaktverhältnis um die Möglichkeit zur förmlichen Anhörung, indem eine „Gelegenheit zur Stellungnahme“ vorgesehen war.177 Mit der Novellierung vom 26. Juni 2000 wurden diese Formulierungen zwar gestrichen. Aus § 51 Abs. 4 GGO folgt aber, dass mit der Zuleitung nach § 47 Abs. 3, 1 GGO weiterhin die Möglichkeit der Stellungnahme und der Anhörung verbunden ist. Eine „abweichende Meinung“ könnte andernfalls nicht vorgebracht werden. Gegenstand der Zuleitung bzw. Anhörung ist gem. § 47 Abs. 1 GGO eine „Gesetzesvorlage“. Da diese (formell und vor allem) materiell regelmäßig weitaus weniger fortgeschritten ist als der spätere Gesetzentwurf, dient § 47 GGO dem Bundesorgan vornehmlich zur Informationsgewinnung.178 Die Vorschrift impliziert daneben ein umfangreiches Kontaktverhältnis zwischen den benannten Rechtssubjekten. Dies auch deshalb, weil der Beteiligungsform durch die Geschäftsordnung keinerlei Grenzen gezogen werden. Art und Weise der Beteiligung (und vor allem der Berücksichtigung eingebrachter „abweichender Meinungen“) stehen vollumfänglich im Ermessen des federführenden Bundesministeriums. Dementsprechend können Verbände und Sachverständige bzw. Interessenvertreter179 bereits im Vorfeld der konkreten Gesetzesformulierung normativ relevanten Einfluss auf den ministeriellen Gestaltungsspielraum im Rahmen der Gesetzesvorbereitung nehmen.180 Eine ähnliche Vorschrift findet sich in der aufgrund von Art. 40 Abs. 1 S. 2 GG erlassenen Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags (GO BT), welche im Unterschied zur GGO die Verfahren und Organstrukturen sowie die damit verbunden Rechte und Pflichten der Mitglieder und Organe des Bundestags normiert. Nach § 70 Abs. 1 GO BT kann zur Information über einen Gegenstand der Ausschussberatung eine öffentliche Anhörung von Sachverständigen, Interessenvertretern und anderen Auskunftspersonen vorgenommen werden. Was Gegenstand der Ausschussberatung ist, lässt sich § 75 GO BT entnehmen. Nach § 75 Abs. 1 lit. a) GO BT gehören hierzu auch Gesetzentwürfe. Eine Anhörung 175
Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien, Besonderer Teil (GGO II) v. 10.03.1960; abgedruckt bei Lechner/Hülshoff, Parlament und Regierung, 1971, S. 427. Dazu Steinberg ZRP 1972, S. 207 f. 176 Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien, Besonderer Teil (GGO II) v. 15.10.1976 (GMBl. S. 550). 177 Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, 2007, S. 234. 178 Becker, Kooperative und konsensuale Gestaltungen in der Normsetzung, 2005, S. 113. 179 Auch auf diese ist die Norm des § 47 GGO anwendbar, vgl. Becker, Kooperative und konsensuale Gestaltungen in der Normsetzung, 2005, S. 123. 180 Die Einflussnahme wäre zu einem späteren Zeitpunkt, zu welchem bereits ein erster Entwurf vorliegt, wesentlich schwieriger. Denn ist ein Gesetzentwurf einmal formuliert, so bestehen „gewisse Beharrungskräfte“, die es durch den Interessenvertreter zu überwinden gilt, vgl. Becker, Kooperative und konsensuale Gestaltungen in der Normsetzung, 2005, S. 113.
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muss zudem nach Abs. 2 durchgeführt werden, wenn die Durchführung einer Anhörung von einer Minderheit der Mitglieder des Ausschusses verlangt wird. Über die bloße Anhörung hinaus ist daneben in Abs. 4 die Möglichkeit eröffnet, mit der Auskunftsperson in eine „allgemeine Aussprache“ einzutreten, soweit dies zur Klärung eines relevanten Sachverhalts erforderlich ist. § 70 GO BT gewährt außerhalb des parlamentarischen Rechtsetzungsverfahrens stehenden Rechtssubjekten somit ebenfalls die Möglichkeit, Interessen in den parlamentarischen Raum der Gesetzespräparation einzubringen. Sinn und Zweck der Norm ist aber auch hier vor allem die Wissens- und Informationsgewinnung der Ministerialverwaltung für die Gesetzesformulierung. Die Einflussnahmemöglichkeit Dritter wird darüber hinaus durch die bestehenden Kontrollmöglichkeiten relativiert: Die Ausschusssitzung, in der die Anhörung stattfindet, ist gem. § 70 Abs. 1 S. 1 GO BT in Abweichung zu § 69 GO BT und in Anlehnung an Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG öffentlich durchzuführen. Zweck der Vorschriften ist also in erster Linie die Gewinnung von Sachverstand und Informationen. Lediglich sekundär soll eine frühzeitige Konfliktdiagnose und -bewältigung mit den Beteiligten erfolgen.181 Die multilaterale Konfliktbewältigung ist nicht normativ intendiert, sondern vielmehr bloßer Rechtsreflex.182 Dass die einseitige Informationsgewinnung weder konsensuale Elemente enthält, noch ein institutionalisiertes legistisches Beteiligungsrecht umfasst, ist dabei evident. Darüber hinaus steht die Beteiligung der betroffenen Verbände und Fachkreise in hoheitlichem Ermessen. Sowohl § 47 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1, 2 GGO („Ermessen“) als auch § 70 Abs. 1, 4 GO BT („kann“) sehen eine Beteiligung als bloße Möglichkeit und nicht als verpflichtendes oder gebotenes Element im Rahmen des Gesetzgebungs(vorbereitungs)verfahrens vor. Zwar „ist“ nach § 47 Abs. 1, 3 GGO ein Gesetzentwurf zuzuleiten. Die für den Konsens zwischen staatlichem Rechtsetzungsorgan und privatrechtlichem Rechtssubjekt einschlägige Vorschrift des § 47 Abs. 3 GGO („Verbänden“ und „Fachkreisen“) sieht für die Ausgestaltung der Zuleitung einer Gesetzesvorlage hinsichtlich „Zeitpunkt, Umfang und Auswahl“ aber ausdrücklich „Ermessen“ vor. Nachrangig folgt aus der Norm für ein Privatrechtssubjekt somit zwar eine interessenbezogene Mitteilungsmöglichkeit. Funktionaler Telos der Regelungen ist aber die vollständige Ermittlung von sachverhaltsrelevantem Fachwissen auf Seiten eines staatlichen Rechtsetzungsorgans, welches zur Wahrung des gesamtstaatlichen Interesses erhoben wird und zugunsten des Beibringenden allenfalls in seiner Ausprägung als abstrakt-generelle Konfliktbewältigung (in Form eines Gesetzes) zum Ausdruck kommt. Ein normbezogenes Beteiligungsinstrument, welches die Berücksichtigung von Interessen eines abgrenzbaren, bestimmbaren Personenkreises im Rahmen eines 181
Vgl. Hennis, in: Steinberg (Hrsg.), Staat und Verbände, 1985, S. 77 ff., 87. Dies folgt vornehmlich daraus, dass sowohl die GO BT als auch die GGO keinerlei Vorschriften beherbergen, welche eine rechtsverbindliche Berücksichtigung der vorgetragenen Interessen vorschreibt. 182
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B. Rechtserzeugung und konsensuale Verständigung
gesetzesbezogenen Beteiligungsanspruchs regelt und darüber hinaus nicht bloßes Innenrecht, sondern ein förmliches Bundesgesetz ist, beinhaltet vergleichshalber § 118 BBG. Demnach sind Spitzenorganisationen der zuständigen Gewerkschaften bei der Vorbereitung allgemeiner Regelungen der beamtenrechtlichen Verhältnisse zu beteiligen. Die Norm trägt den Besonderheiten des Beamtenrechts Rechnung. Denn das beamtenrechtliche Arbeitsverhältnis ist, im Gegensatz zu rein privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen, einer Tarifverhandlung nicht zugänglich. Die Arbeitsverhältnisse werden nicht unter (mittelbarer) Mitsprache der Beamten ausgehandelt, sondern vielmehr „einseitig-hoheitlich durch den Gesetzgeber vorgegeben“.183 § 118 BBG soll vor diesem Hintergrund einen „Ausgleich in Form der staatlichen Konsultationspflicht bei der ansonsten einseitigen Regelung“ der beamtenspezifischen Angelegenheiten darstellen.184 Der Begriff der „Regelung“ in § 118 BBG bezieht sich auf den Erlass von Rechtsverordnungen, Verwaltungsvorschriften und auch formellen Gesetzen.185 Auch dieses konsensuale Instrument erfasst nach h. M. aber bloß die Vorbereitung allgemeiner Regelungen, nicht auch den Erlass, d. h. das förmliche Gesetzgebungsverfahren im Bundestag.186 Entsprechendes gilt zur Wahrung der Verantwortung der Gesetzgebungsorgane des Landes für den insoweit gleichlautenden § 53 S. 1 BeamtStG.187 Art und Umfang des Beteiligungsanspruchs differieren nicht. § 53 S. 2 BeamtStG sieht lediglich ergänzend die Möglichkeit vor, das Beteiligungsverfahren durch eine „Vereinbarung“ auszugestalten. Die Norm erfasst ausweislich des eindeutigen Wortlauts aber nicht den Fall, dass eine Vereinbarung über den Inhalt einer Gesetzesvorlage getroffen wird. Erfasst werden lediglich Vereinbarungen bezüglich des Zeitpunkts der Beteiligung oder des Zeitrahmens für einschlägige Stellungnahmen („Beteiligungsverfahren“).188 Diese Ausführungen zu § 118 BBG bzw. § 53 BeamtStG zeigen, dass (ausdrücklich) selbst besonders schutzwürdigen Regelungssubjekten keine – über die dargestellten Regelungen der GO BT bzw. GGO hinausgehende – Möglichkeit zur 183
Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 118. Es ist Beamten nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sogar ausdrücklich verweht, Arbeitsbedingungen durch Tarifverträge oder unter der Zuhilfenahme eines Streiks zu ordnen, vgl. BVerfGE 8, 1, 17; 19, 303, 322; 44, 249; 264; ebenso BVerwGE 63, 158, 161; 63, 239, 301; 73, 97, 102. Vgl. auch Battis, Kommentar zum BBG, 4. Aufl., 2009, § 91 Rn 2 und § 94 Rn 2. Zwar ergibt sich aus den Vorschriften der § 57 BBRG, § 91 BBG, dass das Grundrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG auch für Beamte/Beamtenkoalitionen gilt. Eine Tarifautonomie ist ihnen dennoch nach allg. Ansicht nicht zuzusprechen. Insoweit stellt Art. 33 Abs. 5 GG eine Beschränkung der beamtenrechtlichen Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG dar. 184 Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 118 mit Verweis auf OVG Münster NJW 1994, S. 1673 f. sowie Battis, Kommentar zum BBG, 2009, § 94 Rn 2 und Fürst ZBR 1989, S. 257 ff., 264. 185 Jachmann ZBR 1994, S. 165. 186 Battis, Kommentar zum BBG, 2009, § 118 Rn 6. A. A. Wilhelm ZBR 1968, S. 61 ff. 187 Reich, BeamtStG, 2012, § 53 Rn 4. 188 Metzler-Müller/Rieger/Seeck/Zentgraf, BeamtStG, 2010, S. 441.
III. Konsensfindung im Recht
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Gestaltung des Inhalts eines Gesetzentwurfs zugestanden wird. Vielmehr überwiegt die Unabhängigkeit parlamentarischer Gestaltungskompetenz. aa) Zwischenergebnis Das Geschäftsordnungsrecht gewährt Privatrechtssubjekten vereinzelt die Möglichkeit, im Vorfeld eines Gesetzgebungsverfahrens Interessen in den legistischen Gestaltungsprozess einzubringen. Zweck dieser Normen ist die vollständige Ermittlung des relevanten Sachverhalts sowie die Ermittlung des für die Schaffung einer abstrakt-generellen Regelung notwendigen Sachverstands. Oberste Maxime ist dabei die Informationsgewinnung. Die mit der Informationsgewinnung verbundene Möglichkeit der einvernehmlichen Konfliktbewältigung ist bloßer Reflex der Regelungen und nicht Ausdruck einer normativen Intention. Den vorerwähnten Regelungen ist dementsprechend kein normatives Beteiligungsinstrument zu entnehmen. Vielmehr zeigt ein Vergleich zu § 118 BBG bzw. § 53 BeamtStG, dass konsensuale Instrumente im Bereich der Gesetzgebung nur sehr restriktiv anzunehmen sind bzw. in der Regel sogar hinter der abstrakt-generellen Regelungskompetenz des Gesetzgebers zurücktreten müssen. Dies gilt im Falle der § 118 BBG und § 53 BeamtStG selbst dann, wenn das Regelungssubjekt des abstrakt-generellen Gesetzes hinreichend individualisierbar ist. b) Verfassungsrechtlich vorgezeichneter Prozess der Gesetzesproduktion Die Verfassung formuliert in Bezug auf das Gesetzgebungsverfahren lediglich interorganschaftliche Rechte. Bürgern, Sachverständigen oder bestimmten Interessengruppen wird in Bezug auf das parlamentarische Rechtsetzungsverfahren unmittelbar kein Recht zur formellen oder materiellen Gestaltung zugeschrieben. Demgemäß steht ein ausdrücklich normiertes, normbezogenes Beteiligungsinstrument in Bezug auf abstrakt-generelle Rechtssätze nicht zur Verfügung. Bei einem Gesetzgebungsvertrag handelt es sich jedoch um ein vertragliches, mithin ein konkret-individuelles Instrument. Dieser Vertrag ist sodann Grundlage des abstraktgenerellen Rechtssatzes.189 Fraglich ist, ob sich dem Grundgesetz die Aussage entnehmen lässt, dass eine solche Konstellation – konkret der Abschluss eines Gesetzgebungsvertrags – im Einzelfall erforderlich ist.
189 Diese Zweistufigkeit unterscheidet den Gesetzgebungsvertrag gerade von den klassischen plebiszitären Formen oder der „Volksgesetzgebung“.
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B. Rechtserzeugung und konsensuale Verständigung
aa) Relevanter Regelungsrahmen für die Untersuchung Das Verfassungsrecht sieht in den Art. 76–79, 80a, 81 und 82 GG Regelungen für das sog. äußere Gesetzgebungsverfahren vor, indem Kompetenzen auf- bzw. zugeteilt, Initiativ- und Antragsrechte normiert werden und der verfahrensmäßige Ablauf geordnet wird. Hiervon zu unterscheiden ist das innere Gesetzgebungsverfahren,190 welches verfassungsrechtlich ungeregelt ist, vereinzelt aber normative Vorgaben in den Geschäftsordnungen einzelner Bundesorgane erfährt.191 Das äußere Gesetzgebungsverfahren regelt den zeitlichen und organisatorischen, mithin den förmlichen Ablauf des Verfahrens. Von diesen verfahrensrechtlich zwingenden Anforderungen an ein Parlamentsgesetz ist die tatsächliche Willensbildung der beteiligten Verfassungsorgane sowie die daran anschließende materielle Entscheidungsfindung im Vorfeld des förmlichen Gesetzgebungsverfahrens zu trennen (sog. inneres Gesetzgebungsverfahren).192 Das äußere Gesetzgebungsverfahren in Gestalt der Art. 76 ff. GG zielt auf eine „antizipierte Konfliktvermeidung“ im Rahmen des Normsetzungsverfahrens ab.193 Gewährleistet wird dies durch die verfassungsrechtlich vorgesehene Förderung von Konsens und Kompromiss zwischen den verfahrensrechtlich am parlamentarischen Gesetzgebungsprozess beteiligten Organen.194 Untersuchungsgegenstand 190
Zur Terminologie vgl. Hill, Einführung in die Gesetzgebungslehre, 1982, S. 62. Weiterführend Rubel, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Mitarbeiterkommentar zum GG, 2002, Vor Art. 76 ff., Rn 1–9. Zur Unterscheidung von Verfahrensordnung und Entscheidungsprozess s. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 1969, S. 174 f., 205 f. Ansätze einer Unterscheidung finden sich in der Rechtsprechung in der „Gelsenkirchener Floatglas-Entscheidung“, BVerwGE 45, 309; zudem in der Rechtsprechung des VerfGH NRW zur kommunalen Neugliederung, DVBl. 1976, S. 391. Ebenso Hugger, Gesetze – Ihre Vorbereitung, Abfassung und Prüfung, 1983, S. 52. 191 Daneben bestehen auch noch allgemeine Verfahrensprinzipien, welche teilweise verfassungsrechtlich normiert sind. Diese Grundsätze für eine parlamentarische Verhandlung lauten Öffentlichkeit, Unmittelbarkeit, Mündlichkeit, Mehrheitsprinzip, Minderheitenschutz, Informationsgewinnung, Verfahrensoffenheit, Diskussionen und Beratungen, vgl. hierzu SchulzeFielitz NVwZ 1983, S. 709 ff., 711. Siehe auch die Übersicht bei Achterberg, Parlamentsrecht, 1984, S. 560 ff. 192 Auffallend ist, dass das verfassungsrechtlich angeordnete (äußere) Gesetzgebungsverfahren erst zu einem Zeitpunkt beginnt, zu welchem wesentliche Phasen betreffend den konkreten Inhalt des Gesetzes bereits durchlaufen wurden. Das Grundgesetz postuliert hierdurch, dass demokratische Gesetze nicht im Parlament gemacht werden, sondern dort lediglich verbindlich gemacht werden, vgl. Gusy ZRP 1985, S. 291 ff., 292. Siehe auch Kloepfer ZG 1988, S. 289 f. der moniert, dass die politische Entscheidungsfindung dann in der Regel zu spät kommt, da die wichtigen Entscheidungen bereits gefällt sind. Zum Inhalt des „inneren Gesetzgebungsverfahrens“ Hill, Einführung in die Gesetzgebungslehre, 1982, S. 62 f. 193 Rubel, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Mitarbeiterkommentar zum GG, 2002, Vor Art. 76 ff., Rn 3; Bryde, in: Schneider/Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, 1989, § 30 Rn 11. 194 Etwa durch Stellungnahmeverfahren bei Gesetzesinitiativen, Art. 76 Abs. 2, 3 GG oder An rufung des Vermittlungsausschusses, Art. 77 Abs. 2, 3 GG. Nach Bryde, in: Schneider/Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, 1989, § 30 Rn 5
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ist im vorliegenden Fall aber nicht der legislative Konsens zwischen Hoheitsträgern untereinander, wie ihn der Verfassungstext ausdrücklich vorsieht, sondern der Konsens zwischen Hoheitsträger und betroffenem Privatrechtssubjekt. Die Art. 76 ff. GG sehen eine solche Möglichkeit im Rahmen des äußeren Gesetzgebungsverfahrens nicht vor, sind mithin für die Ausgangsfrage unergiebig. Konsensual-legistische Handlungsanweisungen könnten jedoch auf der vorgelagerten Ebene der Willensbildung (inneres Gesetzgebungsverfahren) angelegt sein. Ohnehin erscheint es aus der Perspektive des Privatrechtssubjekt bzw. abstrakt aus Sicht des verfassungsrechtlich am parlamentarischen (äußeren) Gesetzgebungsverfahren Unbeteiligten effizienter, Einfluss auf den Prozess der Willensbildung und Entscheidungsfindung zu nehmen, als bloß Inhaber eines formellen Beteiligungsrechts zu sein, welches zwar eine Teilnahme am organisatorischen Ablauf gewährt, die materielle Entscheidungsfindung aber möglicherweise vorenthält. Fraglich ist demgemäß, ob und in welchem Umfang das innere Gesetzgebungsverfahren bestimmten verfassungsrechtlichen Direktiven unterliegt. Für die vorliegend relevante Frage kommt es dabei nicht auf die Bewertung der grundsätzlichen Geltung etwaiger Rationalitätsanforderungen an. Vielmehr ist schwerpunktmäßig der Blick auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip und auch die Grundrechte zu lenken. In einem ersten Schritt ist nachfolgend zu klären, ob das Verhältnismäßigkeitsprinzip im Einzelfall überhaupt als Handlungsanweisung für das innere Gesetzgebungsverfahren in Betracht kommt, mithin geeignet ist, eine legistische Direktive bzw. eine Rationalitätsanforderung an den Gesetzgeber zu richten. Denn prinzipiell handelt es sich hierbei um einen prozessualen Kontrollmaßstab. Abstrakt formuliert lautet die Frage also, wie materielle Verfassungsnormen statt als Kontrollnormen als Handlungsnormen („Verfahrensnormen“) für die legistische Gestaltung fruchtbar werden können. In einem zweiten Schritt ist sodann zu ermitteln, ob und in welchem Umfang aus den vorbenannten Rechtssätzen im inneren Gesetzgebungsverfahren ein Gebot zum Abschluss eines Gesetzgebungsvertrags resultiert. bb) Vorab: Verfassungsrechtliche Direktiven im Gesetzgebungsverfahren Das Grundgesetz bindet den Gesetzgeber ausdrücklich „an die verfassungsmäßige Ordnung“ (Art. 20 Abs. 3 GG) und die „Grundrechte“ (Art. 1 Abs. 3 GG). Der Begriff der „verfassungsmäßigen Ordnung“ meint hierbei195 die Verfassung wird die starke Konsensorientierung zudem dadurch unterstrichen, dass die Vorschriften der Art. 76 ff. GG seit 1949 häufig geändert worden sind. Diese Änderungen betrafen häufig auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruhende Verfahrensanpassungen, wie vor allem das Stellungnahmeverfahren nach Art. 76 Abs. 2, 3 GG. 195 Der Begriff der verfassungsmäßigen Ordnung wird daneben – mit unterschiedlichem Bedeutungsgehalt – in Art. 2 Abs., 1 sowie Art. 9 Abs. 2 GG verwendet.
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im formellen Sinne und bezweckt mithin die Bindung des Gesetzgebers an alle im Grundgesetz enthaltenen Bestimmungen.196 Dem Gesetzgeber erwachsen aus dieser Bindung an die Verfassung verschiedenste Pflichten. Zu unterscheiden sind spezielle Einzelpflichten und allgemeine Grundpflichten. Einzelpflichten, in Form von Handlungs- oder Unterlassungspflichten, können dem Gesetzgeber beispielsweise aus den einzelnen Grundrechten erwachsen. Grundpflichten – auch prozedurale Pflichten genannt – hingegen betreffen „generelle und elementare Pflichten“ des Gesetzgebers.197 Hierzu gehören etwa die grundgesetzlichen Bestimmungen zum Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens (Art. 76–82 GG; sog. äußeres Gesetzgebungsverfahren). Daneben kann der Gesetzgeber auch der Bindung an nicht explizit in der Verfassung geregelte, ihr immanente Grundpflichten unterliegen. Diese beziehen sich auf das innere Gesetzgebungsverfahren, d. h. den Prozess der Entscheidungsfindung. Sie können als materielle Grundpflicht198 den Inhalt eines Gesetzes oder als formelle Grundpflicht das „Verfahren der Gesetzesfindung und die Art der Gesetzespräsentation“ (mit-) bestimmen.199 Inwieweit der Gesetzgeber verfassungsrechtlich einer Verfahrensbindung auf dem Weg zur Entscheidungsfindung verpflichtet ist, wird in der Rechtswissenschaft kontrovers diskutiert – wobei sich diesbezügliche Entscheidungen in der Rechtsprechung nicht finden.200 cc) Die Eignung prozessualer Kontrollnormen als Handlungsnormen für den Gesetzgeber im inneren Gesetzgebungsverfahren (1) Exkurs: Keine allgemeine Pflicht zum optimalen Gesetzgebungsverfahren Die Forderung, den gesetzgeberischen Prozess der Willensbildung allgemeinen, verfassungsrechtlich vorgezeichneten Rationalitätsanforderungen zu unterwerfen, wurde bereits in den 1970er Jahren geäußert.201 Konkrete Überlegungen zu einer 196
Herzog/Grzeszick, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 2014, Art. 20 Abs. 3 Rn 30 m. w. N. Lücke ZG 2001, S. 1 ff., 3. 198 Beispielhaft sei an dieser Stelle auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes verwiesen. 199 Lücke ZG 2001, S. 1 ff., 3. Als prozedurale Pflicht diskutiert werden die Pflicht zur Tatsachenfeststellung, Tatsachenberücksichtigung, Prognosepflicht, Abwägungspflicht, Beobachtungspflicht und die Nachbesserungspflicht; vgl. hierzu den Überblick und weitere Nachweise bei Köck VerwArch 2002, S. 1 ff., 14. 200 Hinweis bei Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, 2000, S. 820; ebenso Windoffer, Verfahren der Folgenabschätzung als Instrument zur rechtlichen Sicherung von Nachhaltigkeit, 2011, S. 172. Auf die wenigen Beispiele („Koordinaten“) verweist Schwerdtfeger, FS Ipsen, 1978, S. 172 ff., 174 ff. 201 Schneider, in: FS Gebhardt Müller, 1970, S. 421 ff., 433, wonach es Ausdruck einer staatspolitischen juristischen Notwendigkeit sei, „bei den gesetzgebenden Körperschaften mit den Mindestanforderungen an die Willensbildung Ernst zu machen. Konrad DÖV 1971, S. 80 ff., 85 forderte den Gesetzgeber auf, „verfassungsrechtlich abgesicherte Willensbildungsprinzipien“ zu beachten. 197
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„optimalen Methodik der Gesetzgebung als Verfassungspflicht“ stellte erstmals Schwerdtfeger202 an. Seines Erachtens unterliege der Gesetzgeber auf dem Weg zum Gesetzesbeschluss einer „Methodik der Entscheidungsfindung“, welche sich in konkreten verfassungsrechtlichen Rationalitätsvorgaben manifestiere.203 Grundlagen dieser Rationalitätsvorgaben seien das Rechtsstaatsprinzip, die Grundrechte und das Demokratieprinzip.204. Diese Anerkennung einer „normativen Gesetzgebungslehre“205 bzw. die „opti male Methodik der Gesetzgebung als Verfassungspflicht“ wird teilweise absolut bzw. relativ abgelehnt. Die am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten seien „durch keine Norm außer dem moralischen Gewicht ihres Auftrages dazu verpflichtet“, ihre Entscheidungen rational in einer der Aufgabe angemessenen Methodik zu treffen.206 Der Gesetzgeber schulde gar nichts anderes als das Gesetz.207 Er sei verfassungsrechtlich lediglich an die Kompetenz- und Verfahrensordnung („äußeres Gesetzgebungsverfahren“) gebunden. Der parlamentarische Prozess der Entscheidungsfindung könne „sein, wie er will“.208 In der Literatur ist jedoch ein Trend zur Relativierung dieser absoluten Ablehnung zu erkennen.209 So sei „eine behutsam zu umreißende Pflicht zu einer von we 202 „Der Gesetzgeber hat die einschlägigen Fakten, Interessen, Gesichtspunkte, also die Daten möglichst vollständig und mit richtigem Inhalt heranzuziehen. Er hat sie aufzubereiten, indem er den bisherigen Zustand analysiert, denkbare Ziele entwirft, wie der status quo verändert werden könnte, die Instrumente ermittelt, über welche die verschiedenen Ziele erreicht werden könnten, schließlich die jeweiligen Folgewirkungen abtastet. Die sich so ergebenden Lösungsalternativen (Beibehaltung oder Veränderung des status quo, eventuell verschiedene Veränderungsmöglichkeiten, verschiedenen Mittel) muss der Gesetzgeber in ihrem Für und Wider politisch-wertend gegeneinander abwägen“, Schwerdtfeger, FS Ipsen, 1977 S. 172 ff., 173. Dessen Auffassung fand in der Folge rege Unterstützung, etwa Kloepfer DVBl. 1995, S. 441 ff., 443 ff. sowie Lücke ZG 2001, S. 1 ff., 25 ff., 37 ff. 203 Schwerdtfeger, in: FS Ipsen, S. 173 ff. 204 Schwerdtfeger, in: FS Ipsen, S. 173 ff., 177; in Weiterentwicklung dieses Gedankens spricht sich Karpen für eine „Gesetzgebungsprozessordnung“ aus, vgl. ders., Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und Rechtsprechungslehre, 1989, S. 36. 205 Gusy ZRP 1985, S. 291 ff.; Steinberg Der Staat 26 (1987), S. 161 ff., 175 f. spricht von der Sorge um eine „Verrechtlichung auf Kosten der politisch-parlamentarischen Gestaltungsfreiheit“. 206 Noll, Gesetzgebungslehre, 1973, S. 58 ff. 207 Schlaich VVDStRL 39 (1981), S. 96 ff., 109. Der Auffassung von Schwerdtfeger entgegnet er konkret, dass Gesetzgebung eben nicht gleich Verwaltung sei. Es dürfe kein „Gesetzgebungsverwaltungsverfahrensgesetz“ geben. Die Notwendigkeit einer Gesetzgebungslehre wird aber auch von Schlaich nicht in Frage gestellt – er bezweifelt nur die Ableitung aus der Verfassung (Fn 26); ders. JuS 1982, S. 597 ff., 602; Ennuschat DVBl. 2004, S. 986 ff., 994; Schuppert ZG 2003, S. 1 ff., 5 ff., der gleichwohl im Einzelfall aufgrund zurückgenommener verfassungsgerichtlicher Kontrolldichte prozedurale Pflichten des Gesetzgebers anerkennt (S. 19 ff.); ebenfalls ablehnend Eichenberger VVDStRL 40 (1982), S. 7 ff., 35 sowie Merten, in: Hill (Hrsg.), Zustand und Perspektiven der Gesetzgebung, 1989, S. 81 ff. und Gusy ZRP 1985, S. 291 ff., 298. 208 Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, 2000, S. 844. 209 „Aber geht das nicht doch vielleicht ein wenig zu weit. […] Ich meine, es ist berechtigt, in jenen Fällen, wo beträchtliche Gestaltungsspielräume auszufüllen sind, darauf zu beste-
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sentlichen Fehlern freien Gesetzgebungsmethodik“ anzuerkennen.210 Demnach sei der Gesetzgeber nicht zu einem optimalen Gesetzgebungsverfahren verpflichtet. Er sei jedoch „verpflichtet, gewisse Mindestanforderungen an das gesetzgeberische Procedere […] einzuhalten“.211 In der jüngeren Literatur wird diese Auffassung vornehmlich dahingehend konkretisiert, dass der Gesetzgeber zwar keiner allgemeinen verfassungsrechtlichen Methodenoptimierungspflicht unterworfen ist, wohl aber ein methodisches Minimum schuldet.212 Der Verfassungstext verbürge im Einzelfall durchaus einzelne Rationalitätsanforderungen bzw. „Methodenoptimierungsgedanke[n]“213 oder „Obliegenheit[en] des Gesetzgebers“214. Einer allgemeinen verfassungsrechtlichen Pflicht des Gesetzgebers zum – wie es Schwerdtfeger formuliert hat – „optimalen Gesetzgebungsverfahren“ ist eine Absage zu erteilen.215 Unabhängig von der (personell und institutionell) begrenzten Leistungsfähigkeit des Gesetzgebers, ist das Gesetzgebungsverfahren grds. ein Entscheidungsverfahren und kein der Optimierung fähiges Erkenntnisverfahren. Darüber hinaus steht einer solchen Methodenpflicht der abstrakt-generelle Charakter von Gesetzen entgegen, weil dem Gesetzgeber eine abschließende Aussage über Anwendungsbereich und Wirkung des konkreten Gesetzes nicht möglich ist. (2) Handlungsanweisungen für das innere Gesetzgebungsverfahren Eine Bindung des Gesetzgebers im inneren Gesetzgebungsverfahren an im Einzelfall bestehende Rationalitätsanforderungen ist – wegen der vorerwähnten Einwände, die für die grundsätzliche Ablehnung einer Pflicht zum optimalen Gesetz streiten – nur dann anzunehmen, wenn normativ eine Handlungsanweisung an den Gesetzgeber gerichtet ist, er mithin zur Rationalität verfassungsrechtlich verpflichtet wird. Dies wird teilweise bereits dem Grunde nach abgelehnt. Sowohl die hen, dass die Diskussion im Vorfeld der Gesetzgebung und im Gesetzgebungsverfahren möglichst umfassend geführt wird, dass alle Möglichkeiten rationaler Entscheidungsfindung ausgeschöpft werden.“, Kloepfer VVDStRL 39 (1981), S. 172. 210 Kloepfer VVDStRL 40 (1982), S. 63 ff., 89. 211 Mengel, Gesetzgebung und Verfahren, 1997, S. 326 ff., 335; ders. ZRP 1984, S. 153 ff.; ders. ZG 1990, S. 193 ff. 212 Merten, in: v. Maydell (Hrsg.), Probleme sozialpolitischer Gesetzgebung, 1991, S. 51 ff., 62. 213 Vgl. Reyes y Ráfales Der Staat 52 (2013), S. 598 ff., 606. 214 Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 140; ebenso Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, 2000, S. 936 f., 875. Weitergehend Windoffer, Verfahren der Folgenabschätzung als Instrument zur rechtlichen Sicherung von Nachhaltigkeit, 2011, S. 172 ff., der die „gute Gesetzgebung“, d. h. vollumfängliche prozedurale Pflichten des Gesetzgebers in den Rang eines Verfassungsgebotes hebt. Ablehnend demgegenüber Dammann, Materielles Recht und Beweisrecht im System der Grundfreiheiten, S. 436 f. 215 Der Anerkennung von „Rationalitätsmaximierungsgeboten“ für den gesetzgeberischen Prozess der Entscheidungsfindung hin zu einer „Gesetzgebungsprozessordnung“ haftet aufgrund der gremialen Entscheidungsverlagerung der Makel der Entdemokratisierung und Entparlamentarisierung an, vgl. Reyes y Ráfales Der Staat 52 (2013), S. 598 ff., 606 m. w. N.
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Grundrechte als auch Art. 20 Abs. 3 GG seien Normen zur Kontrolle eines (normativen) Entscheidungsergebnisses. Eine Vorwirkung, hin zu einer Handlungsanweisung, könne ihnen nicht beigemessen werden.216 Begründend wird angeführt, dass die Verfassung mit Art. 93 Abs. 1 Nr. 2, 4a, Art. 10 GG durchaus Normen betreffend der Überprüfung der inhaltlichen Kongruenz einer Regelung mit verfassungsrechtlichen Vorgaben (wie den Grundrechten oder dem Rechtsstaatsprinzip) kennt, Adressat einer Handlungspflicht aber nicht der Gesetzgeber sondern die Rechtsprechung, konkret das Bundesverfassungsgericht, ist.217 Dieser Auffassung ist dahingehend zuzustimmen, dass gegenüber Versuchen, Regeln für ein optimales Gesetzgebungsverfahren unmittelbar aus der Verfassung herzuleiten, Zurückhaltung geboten ist. Inhaltskontrolle eines Gesetzes am Maßstab der Verfassung ist grds. Ergebniskontrolle, nicht Verfahrenskontrolle.218 Die Verfahrenskontrolle tritt aber dann in den Vordergrund, wenn die gesetzgeberische Maßnahme Grundrechtsrelevanz aufweist. Insoweit verlangt das mit Verfassungsrang ausgestattete Prinzip der Verhältnismäßigkeit von dem Gesetzgeber Überlegungen zur Zweck-Mittel-Relation. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Gesetzgeber materiell wie eine Verwaltungsbehörde tätig wird, d. h. Maßnahmen mit konkret-individuellem Charakter erlässt.219 Wird der Gesetzgeber wie eine Verwaltungsbehörde tätig, muss er sein Handeln an den für die Verwaltung geltenden rechtsstaatlichen Maßstäben messen lassen. Hierzu gehört gleichsam das Prinzip der Verhältnismäßigkeit.220 Darüber hinaus greift in diesen Fällen der Einwand des abstrakt-generellen Charakters von Gesetzen gegen die Anerkennung inhaltlicher Anforderungen an das Normsetzungsverfahren nicht ein.221 Im Rahmen eines Einzelfallgesetzes ist der Regelungsgegenstand konkret umrissen. Letztlich macht das Grundgesetz mit Art. 1 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 3 die „Grundrechte“ und die „verfassungsmäßige Ordnung“ prinzipiell zum gemeinsamen Verantwortungsgegenstand von Legislative und Judikative. Ein in qualitativer Hinsicht divergierendes Verantwortungsniveau ist der Verfassung nicht zu entnehmen. Demgemäß ist mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts davon auszugehen, dass der 216
Gusy ZRP 1985, S. 291 ff., 295; Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 135, 141. 217 Würde man in denjenigen Fällen, in denen ein Legislativakt in ein Grundrecht eingreift, die Verfassungsbindung (Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG) auf die Kontrollkompetenz des Bundesverfassungsgerichts begrenzen so läge darin eine erhebliche Einschränkung des Wirkungsgehaltes der Verfassung, vgl. Führ, Rationale Gesetzgebung, 1998, S. 18. 218 Rubel, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Mitarbeiterkommentar zum GG, Bd. 3, 2002, Vor Art.76 ff. Rn 9. 219 Rubel, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Mitarbeiterkommentar zum GG, Bd. 3, 2002, Vor Art.76 ff. Rn 9. 220 Diesen Ausnahmefall erkennt auch das Bundesverfassungsgericht an, vgl. BVerfGE 95, 1, 15 ff.; 86, 90, 111 f.; 94, 115, 141 ff. Für die Geltung des Verhältnismäßigkeitsprinzip im inneren Gesetzgebungsverfahren auch Lücke ZG 2001, S. 1 ff., 27; Hoffmann ZG 1990, S. 97 ff., 109 f.; Schneider, in: FS Gebhardt Müller, S. 321 ff., 432; Schwerdtfeger, FS Ipsen, S. 173 ff. 221 Rubel, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Mitarbeiterkommentar zum GG, Bd. 3, 2002, Vor Art.76 ff. Rn 12.
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Gesetzgeber bereits im Rahmen des inneren Gesetzgebungsverfahrens an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebunden ist, sofern das betreffende Gesetz einen konkret-individuellen Charakter hat. Maßgeblich für die Geltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ist letztlich also, ob ein formelles Gesetz, welches auf Grundlage eines Gesetzgebungsvertrags ergeht, einen hinreichenden individuell-konkreten Charakter hat. Dem Grunde nach kann diese Frage nicht beantwortet werden. Maßgeblich ist vielmehr der jeweilige Einzelfall. So wurde beispielsweise im Rahmen des Atomausstiegs 2002222 diskutiert, ob ein Gesetz, dass jedem Kernkraftwerk individuelle Reststrommengen zuweist, ein Einzelfallgesetz darstelle.223 Auch in Bezug auf die 13. Novelle des Atomgesetzes wird vertreten, dass die „gesetzliche Festlegung bestimmter Abschalttermine für jedes einzelne Kernkraftwerk nah an einem Einzelfallgesetz“ sei.224 Zulässige Einzelfallgesetze225 regeln einen konkreten Fall oder eine Gruppe konkreter Fälle und sind an einen bestimmten Adressaten oder eine bestimme Gruppe von Adressaten gerichtet.226 Sie weisen einen individuell-konkreten Charakter auf, sodass das Verhältnismäßigkeitsprinzip bereits im inneren Gesetzgebungsverfahren Anwendung beansprucht. dd) Materielles Gebot zum Abschluss eines Gesetzgebungsvertrags auf Grundlage des Verhältnismäßigkeitsprinzips Das Verhältnismäßigkeitsprinzip stellt in bestimmten Konstellationen materielle Anforderungen an den Inhalt eines Gesetzes. Es findet seine Grundlage im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG). Als Rechtssatz mit Verfassungsrang gilt es für jedes hoheitliches Handeln. Es besagt, dass der Staat unter mehreren möglichen Maßnahmen diejenige zu wählen hat, die geeignet ist, das angestrebte Ziel zu erreichen (Geeignetheit), den Einzelnen möglichst gering belastet (Erforderlichkeit) und bei der die Vorteile insgesamt die Nachteile überwiegen (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne).227 Ein materielles Gebot zum Abschluss eines Gesetzgebungsvertrags könnte sich dabei unter Erforderlichkeitsgesichtspunkten ergeben. Dann muss es sich bei einem Gesetzgebungsvertrag um das mildeste Mittel handeln, das geeignet ist den Regelungszweck zu erreichen. Mithin darf es keine Regelungsalternative geben, die den Regelungszweck in gleicher Weise wie ein Gesetzgebungsvertrag erfüllt, die grundrechtlich geschützte Freiheit aber weniger stark 222
Hierzu oben unter A. III. 1. Huber DVBl. 2003, S. 157 ff., 163 f.; Roßnagel, Zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit eines Gesetzes zur Beendigung der Kernenergienutzung, in: Roßnagel/Roller, Die Beendigung der Kernenergienutzung durch Gesetz, 1998, S. 9 ff., 68. 224 Wallrabenstein HFR 2011, S. 109 ff., 119. 225 Zu beachten sind stets die Grenzen des Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG. Darüber hinaus ist ein Einzelfallgesetz von einem Maßnahmegesetz zu unterscheiden. 226 BVerfGE 10, 234; 25, 371. 227 Vgl. Grzeszick, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 2014, Art. 20 Rn 107 ff. m. w. N. 223
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beschränkt. Bei dieser Bewertung stehen sich Gesetz und Gesetzgebungsvertrag nicht in einem Alternativverhältnis gegenüber. Vielmehr steht auf der einen Seite ein Gesetz, welches auf einem Gesetzgebungsvertrag basiert, wohingegen auf der anderen Seite ein Gesetz steht, welches nicht auf einem Gesetzgebungsvertrag basiert. Ferner kann als bewertungserheblicher Belang nicht auf mittelbar relevante oder rechtsuniversale Faktoren abgestellt werden. Hierzu gehören etwa die Kosten eines möglichen Rechtsschutzverfahrens, sofern sich das Regelungssubjekt gegen die Verfassungsmäßigkeit der Norm wendet oder rechtspolitische Erwägungen, wie die Akzeptanz durch die betroffenen Rechtssubjekte. Für die Erforderlichkeit eines Gesetzgebungsvertrags spricht folgende Erwägung: Das Gesetz, welches auf einem Gesetzgebungsvertrag basiert, ist Ausfluss eines mehrseitigen Pflichtenverhältnisses. Der Gesetzgebungsvertrag begründet spiegelbildlich auch Rechte für die am Vertragsschluss beteiligten Parteien. Freiheitsrechtlich ausgedrückt ist mit einem Gesetzgebungsvertrag also in der Regel eine Erweiterung der Rechtsposition verbunden, welche maßgeblich aus der privatautonomen Gestaltungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) folgt. Diese Erweiterung einer Rechtsposition streitet für die Erforderlichkeit eines Gesetzgebungsvertrags. ee) Zwischenergebnis Die Problemlösung durch den Gesetzgeber hat sich gewissen unverzichtbaren, dem Grundgesetz zu entnehmenden Anforderungen zu unterwerfen. Um vor allem materielle Anforderungen nicht ins Leere laufen zu lassen, müssen sie sich im Einzelfall auf das Verfahren auswirken. Dementsprechend bestehen prozedurale (Grund-)Pflichten, denen das Zustandekommen einer gesetzlichen Regelung genügen muss.228 Das Verhältnismäßigkeitsprinzip statuiert eine solche prozedurale Grundpflicht, wenn der Regelungsgegenstand hinreichend konkret-individuell ist. Dies ist regelmäßig bei Einzelfallgesetzen gegeben. Insoweit wird der Gesetzgeber verpflichtet, bereits im inneren Gesetzgebungsverfahren das mildeste Mittel zu wählen, um den Regelungszweck zu erreichen. Der Gesetzgebungsvertrag kann ein solches Mittel darstellen. Hierin ist keine Einschränkung, sondern vielmehr eine Erweiterung gesetzgeberischer Handlungsspielräume zu sehen. Im Ergebnis entspricht dies der vordringenden Einschätzung, wonach Demokratie in gewissen Grenzen nicht nur das richtige Ergebnis, sondern auch das richtige Verfahren erfordert.229
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In diese Richtung Führ, Rationale Gesetzgebung, 1998, S. 11. Windoffer, Verfahren der Folgenabschätzung als Instrument zur rechtlichen Sicherung von Nachhaltigkeit, 2011, S. 174. 229
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c) Sonstiges Verfassungsrecht Ein verfassungsrechtliches Gebot zur konsensualen Interessenverwirklichung folgt nicht aus plebiszitären Gestaltungsformen des Verfassungsrechts, namentlich Volksbegehren230, Volksentscheid und Volksbefragung. Das Volksbegehren ist prinzipiell in zweierlei Formen möglich. Als Erscheinungsform direkter Demokratie ermöglicht es dem Bürger zunächst die Einbringung eines Gesetzentwurfs in ein Bundes- oder Landesparlament. Sodann besteht die Möglichkeit des sog. fakultativen Referendums. Dieses „Korrekturbegehren“ richtet sich gegen einen bereits erfolgten Beschluss des Parlaments mit der Intention der Aufhebung oder Abänderung des Hoheitsakts. Die Rahmenbedingungen für Volksbegehren finden ihre normative Grundlage – abhängig von der betroffenen Gebietskörperschaft – in den Verfassungen der Länder231 sowie auf Bundesebene in Art. 29 Abs. 6 GG, ergänzt und ausgestaltet durch die §§ 14, 24, 26 und 36 des Gesetzes über das Verfahren bei Volksentscheid, Volksbegehren und 230
Auf kommunaler Ebene als „Bürgerbegehren“ zu bezeichnen. Art. 59 und 60 der Landesverfassung Baden-Württemberg, ausgestaltet durch §§ 25–39 des Volksabstimmungsgesetzes i. d. F. vom 27.2.1984 (GVBl. S. 177); Art. 71, 72 und 74 der Landesverfassung Bayern, ausgestaltet durch Art. 63–74 des Landeswahlgesetzes i. d. F. vom 26.7.2006 (GVBl. S. 367); Art. 59, 62, 63 der Landesverfassung Berlin, ausgestaltet durch §§ 10–28 des Abstimmungsgesetzes i.d.F vom 8.7.2010 (GVBl. S. 359); Art. 22 der Landesverfassung Brandenburg, ausgestaltet durch §§ 13–25, 56 und 60 des Volksabstimmungsgesetzes i.d.F vom 11.2.2012 (GVBl. Nr. 9); Art. 50 der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg, ausgestaltet durch §§ 6–17 des Volksabstimmungsgesetzes i. d. F. vom 9.10.2012 (GVBl. S. 440); Art. 124 der Landesverfassung Hessen, ausgestaltet durch §§ 1–15 des Volksbegehrensgesetzes i. d. F. vom 13.12.2012 (GVBl. S. 622); Art. 60 der Landesverfassung Mecklenburg-Vorpommern, ausgestaltet durch §§ 11–17 des Volksabstimmungsgesetzes i. d. F. vom 14.6.2006 (GVBl. S. 572), sowie §§ 1–8 der Durchführungsverordnung i. d. F. vom 1.2.1994 (GVOBl. S. 168); Art. 48 der Landesverfassung von Niedersachsen, ausgestaltet durch §§ 12–23 des Volksabstimmungsgesetzes i.d.F vom 30.6.2011 (GVBl. S. 208), und § 62d der Geschäftsordnung des Landtages; Art. 2, 68 und 69 der Landesverfassung Nordrhein-Westfalen, ausgestaltet durch das Gesetz zur Erleichterung von Volksbegehren i. d. F. vom 22.12.2011 (GVBl. S. 725) und §§ 6–21 der Durchführungsverordnung i. d. F. vom 21.9.2012 (GVBl. S. 398); Art. 107–109 der Landesverfassung Rheinland-Pfalz, ausgestaltet durch §§ 61–76 des Landeswahlgesetzes i. d. F. vom 24.11.2004 (GVBl. S. 520) sowie §§ 75–83 der Landeswahlordnung i. d. F. vom 18.12.2009 (GVBl. S. 4); Art. 61, 99 und 100 der Landesverfassung Saarland, ausgestaltet durch §§ 2–13 des Volksabstimmungsgesetzes i. d. F. vom 21.11.2007 (GVBl. S. 2393) und §§ 2–5 der Volksabstimmungsordnung i. d. F. vom 26.2.2014 (GVBl. S. 109); Art. 70, 72–74 der Landesverfassung Sachsen, ausgestaltet durch §§ 16–25 des Gesetzes über Volksantrag, Volksbegehren und Volksentscheid i. d. F. vom 2.7.2003 (GVBl. S. 199); Art. 81 des Landesverfassung Sachsen-Anhalt, ausgestaltet durch §§ 10–19 des Volksabstimmungsgesetzes i. d. F. vom 26.10.2005 (GVBl. S. 657); Art. 42 der Landesverfassung Schleswig-Holstein, ausgestaltet durch §§ 11–19 des Volksabstimmungsgesetzes i. d. F. vom 5.4.2005 (GVBl. S. 108) und §§ 6–11 der Durchführungsverordnung zum Volksabstimmungsgesetz i. d. F. vom 14.5.2008 (GVBl. S. 236); Art. 81 und 82 der Landesverfassung Thüringen, ausgestaltet durch §§ 9–18 des Gesetzes über Verfahren beim Bürgerantrag, Volksbegehren und Volksentscheid i. d. F. vom 23.2.2004 (GVBl. S. 237) und die Verordnung zum Verfahren bei Bürgerantrag und Volksbegehren i. d. F. vom 29.6.2006 (GVBl. S. 361). 231
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Volksbefragung232, sowie §§ 1–45 und 93 der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes nach Art. 29 Abs. 6 GG.233 Volksbegehren auf Bundesebene sind durch Art. 29 Abs. 4–6 GG in ihrem sachlichen Anwendungsbereich ausdrücklich auf den speziellen Fall der Gebietsneugliederung beschränkt. Ein darüber hinausgehendes Volksbegehren betreffend die Einbringung von Gesetzesvorschlägen ist von Art. 76 Abs. 1 GG ausgeschlossen.234 Zudem ist das Volksbegehren weniger Produkt eines interessenorientierten Konsens, d. h. Ausdruck eines Prozesses des gegenseitigen Nachgebens im Staat-Bürger-Verhältnis. Es handelt sich vielmehr um ein Instrument, dessen integraler Bestandteil der bürgerliche Wille ist. Staatliche Partizipation erfolgt lediglich formal auf der Vollzugsebene – nicht materiell auf der Gestaltungsebene. Diesem Einwand sieht sich ebenso der Volksentscheid ausgesetzt, welcher auf Bundesebene allenfalls in den Fällen der Art. 29, 146 GG möglich ist und kein initiierendes Element („initiierender Volksentscheid“) besitzt.235 Die Volksbefragung hingegen ist allein auf die Ermittlung des Willens der Bevölkerung bei einer nach Art. 29 Abs. 4–6 GG durchgeführten Neugliederung des Bundesgebietes gerichtet. Zwar begibt sich in diesen Fällen der Gesetzgeber in einen „Dialog“, welcher im Grunde als Element des Konsens angesehen werden kann. Dennoch ist auch hier der sachliche Anwendungsbereich auf den Wortlaut 232
Gesetz v. 30.7.1979 (BGBl. I S, 1317). Gesetz v. 12.11.1984 (BGBl. I S. 1342). 234 Die Aufzählung der dort aufgeführten Organe mit Gesetzesinitiativbefugnis ist abschließend. Der Parlamentarische Rat hat sich mit Art. 76 GG gegen die Mitwirkung des Volkes an der Gesetzgebung entscheiden. Anders als die Weimarer Reichsverfassung (Art. 73 Abs. 3 GG) und mehrere Landesverfassungen (Art. 59 f. BWVerf.; Art. 71 BayVerf; Art. 69 ff. BrVerf.; Art. 116 ff. HeVErf.; Art. 68 NrwVerf.; Art. 108 f. RhPfVerf.), eröffnet das GG, vom Sonderfall des Art. 29 GG abgesehen, keine Möglichkeiten zu einer Gesetzgebung durch das Volk bzw. durch Volksbegehren. Kritik hieran übte Bryde, in: von Münch, GG, 2. Aufl., 1983, Art. 76 Rn 25. Seines Erachtens sei der Verzicht des GG auf direkt-demokratische Elemente im Rahmen bundesstaatlicher Rechtsetzung zwar angesichts der historischen Erfahrungen demagogischen Missbrauchs erklärlich. Es sei jedoch zweifelhaft, ob diese vergangenheitsorientierte Heran gehensweise sinnvoll ist. Zudem sei es aufgrund des in der Bundesrepublik bestehenden Repräsentationsdefizits ratsam, direkt-demokratische Elemente in das GG einzubauen. In diese Richtung auch Oppermann VVDStRL 33 (1975), S. 26 f, 43 ff. 235 Hierfür gibt es jedoch von Zeit zu Zeit Bestrebungen, vgl. den Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und Bündnis 90/DIE GRÜNEN u. a., Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid in das Grundgesetz v. 13.3.2002, BT-Drs. 14/8503; Gesetzentwurf der Fraktionen FDP u. a., Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid in das Grundgesetz v. 25.1.2006, BT-Drs. 16/474; Gesetzentwurf der Fraktionen Bündnis 90/DIE GRÜNEN u. a., Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Einführung von Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid) vom 15.2.2006, BT-Drs. 16/680; Gesetzentwurf der Fraktionen Die Linke u. a., Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der dreistufigen Volksgesetzgebung in das Grundgesetz v. 9.5.2006, BT-Drs. 15/1411 und Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Einführung der dreistufigen Volksgesetzgebung in das Grundgesetz) v. 24.3.2010, BT-Drs. 17/1199; Gesetzentwurf der Fraktion SPD, Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes um Volksinitiative, Volksbegehren, Volksentscheid und Referendum v. 11.6.2013, BT-Drs. 17/13873. 233
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B. Rechtserzeugung und konsensuale Verständigung
begrenzt.236 Ein darüber hinausgehendes „Gebot zum Konsens“ in Angelegenheiten der Gesetzgebung ist der Vorschrift nicht zu entnehmen. Letztlich ist Ziel eines Volksbegehrens auch ein Gesetz, nicht ein Vertrag. d) Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Das Bundesverfassungsgericht hat zu der Beteiligung Privater im Rahmen des bundesstaatlichen Gesetzgebungsverfahrens bislang – soweit ersichtlich – nur in äußerst geringem Umfang Stellung bezogen.237 Deutlich äußerte es diesbezüglich nur, dass eine solche Beteiligung nicht aus Art. 103 Abs. 1 GG folgen könne. In dem Verfahren wendeten sich die Hersteller von Schallplatten (zusammengefasst unter dem „Bundesverband der phonographischen Wirtschaft“) u. a. gegen das Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes.238 Begründend führten sie aus, ihnen sei im Anhörungsverfahren vor dem Finanzausschuss des Deutschen Bundestags keinerlei rechtliches Gehör gewährt worden. Der Finanzausschuss hatte 92 andere Wirtschafts- und Berufsverbände angehört und der Bitte der Beschwerdeführerin erwidert, dass es nicht möglich sei, alle interessierten Verbände anzuhören. Nach Ansicht der Bundesregierung verletzte die unterbliebene Anhörung der Beschwerdeführerin während der Gesetzesberatung selbige weder in ihren Grundrechten noch in Art. 103 GG. Zudem folge aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) keine Anhörungspflicht. Dem ist das Bundesverfassungsgericht gefolgt. Insbesondere scheide eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG aus, „da diese Verfassungsbestimmung nach ihrem eindeutigen Wortlaut einen Anspruch auf rechtliches Gehör nur ‚vor Gericht‘ gewährt“. Es sei „Sache der gesetzgebenden Organe […], welche Verbände und Sachverstände bei einem nicht in der Verfassung vorgeschriebenen Anhörungsverfahren zu Wort kommen sollen“.239 Betrifft diese Konstellation noch den Prozess der Entscheidungsfindung (sog. inneres Gesetzgebungsverfahren), lässt sich eine ähnlich restriktive Auffassung des Bundesverfassungsgerichts in Bezug auf das äußere Gesetzgebungsverfahren entnehmen. Die Entscheidung bezieht sich auf die Grenzen der Befugnisse des Vermittlungsausschusses. Demnach ist der Vermittlungsausschuss gem. Art. 77 Abs. 1, 2 GG in seiner Vermittlerrolle durch den Gesetzesbeschluss des Bundestags und das konkrete Anrufungsbegehren beschränkt. „Seine jeder Vermittlungstätigkeit innewohnende faktische Gestaltungsmacht wird durch die ver 236
Dass sich hieran nichts ändern wird zeigt das Urteil des BVerfG aus dem Jahr 1958 zur beabsichtigten Volksbefragung zur Atombewaffnung der Bundeswehr, vgl. BVerfGE 8, 104. 237 In Bezug auf die Exekutivgewalt formuliert es, dass „die Notwendigkeit des Gesprächs zwischen Verwaltung und Bürger […] dem grundgesetzlichen Verständnis der Stellung der Bürger im Staat [entspricht]“, BVerfGE 45, 297, 335. 238 BGBl. I S. 991 v. 18. Oktober 1967. Nach dem Gesetz unterlag der Schallplattenumsatz der Besteuerung mit einem Steuersatz i.H.v. 11 % (§ 12 Abs. 1). Für den Schallplattenumsatz wurde weder eine Steuerermäßigung (§ 12 Abs. 2 a. F.), noch eine Steuerbefreiung (§ 4 a. F.) vorgesehen. 239 BVerfG NJW 1974, 689; ebenso in BVerfGK 4, 17.
III. Konsensfindung im Recht
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fassungsrechtliche Ausgestaltung des Gesetzgebungsverfahrens beschränkt. Dem Vermittlungsausschuss kommt lediglich die Aufgabe zu, auf der Grundlage des Gesetzesbeschlusses und des vorherigen Gesetzgebungsverfahrens Änderungsvorschläge zu erarbeiten, die sich ausgehend vom Anrufungsbegehren im Rahmen der parlamentarischen Zielsetzung des Gesetzgebungsvorhabens bewegen und die jedenfalls im Ansatz sichtbar gewordenen politischen Meinungsverschiedenheiten zwischen Deutschem Bundestag und Bundesrat ausgleichen“. Der Vermittlungsvorschlag müsse der parlamentarischen Debatte „zurechenbar“ sein. Wäre der Vermittlungsausschuss – inhaltlich wie formal – nicht an den durch den Bundestag vorgegebenen Rahmen gebunden, so würde eine „Verlagerung des Zentrums der politischen Entscheidung“ und damit verbunden eine „Entparlamentarisierung der Gesetzgebung“ die Folge sein.240 Hiermit deutet das Gericht an, dass eine multilaterale Gestaltung bzw. Beeinflussung des äußeren Gesetzgebungsprozesses, welche dem Bundestag seine in extenso bestehende Entscheidungskompetenz derart nimmt, dass ihm ein Legislativakt materiell nicht mehr „zurechenbar“ ist, grds. als contra constitutionem anzusehen ist. Denn wenn es bereits dem Vermittlungsausschuss als durch Verfassungsrecht am Gesetzgebungsprozess mitwirkendem Organ verwehrt ist, abändernd auf den Inhalt eines Gesetzesvorhabens einzuwirken, so könnte dies erst Recht für diejenigen Rechtssubjekte gelten, welche in den Art. 76–82 und 113 GG keinerlei Berücksichtigung erfahren. e) Verfassungsrechtlich vorgegebener Beschleunigungseffekt? Es ist nicht auszuschließen, dass in der Mehrzahl der Fälle ein Gesetzgebungsvertrag, verstanden als das Produkt verkürzter Entscheidungsfindung, einen beschleunigenden Effekt für das Gesetzgebungsverfahren mit sich bringt. Dieser kann bereits aus dem Zuwachs an Ressourcen und Kapazitäten folgen.241 Zudem kann eine gegenseitige Rücksichtnahme künftigen (Rechts-) Streitigkeiten präventiv vorbeugen und führt (zumindest in der Theorie) aufgrund gesteigerter Akzeptanz zu geringerer sanktionswürdiger Relevanz. Inwieweit eine multilaterale Interessenverwirklichung tatsächlich zu einer Verkürzung des Prozesses der gesetzgeberischen Entscheidungsfindung führt, ist angesichts des individuellen Strebens nach größtmöglicher Interessenverwirklichung zwar zweifelhaft.242 Aufgrund 240 BVerfGE 125, 104, 122. Daneben weist das Gericht auf die Rechte der Abgeordneten (Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG) sowie den Grundsatz der Öffentlichkeit (Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG) und die damit verbundene demokratische Kontrollmöglichkeit hin. 241 Zu den Vorteilen konsensualer Absprachen für den gesetzgeberischen Prozess der Entscheidungsfindung vgl. bereits unter B. II. 2. 242 Mit Zweifeln in Bezug auf das Verwaltungsverfahren Kunig/Rublak JURA 1990, S. 1 ff., 10 f. Diese gehen davon aus, dass für das kooperative Verwaltungsrecht, d. h. das konsensuale Vorgehen behördlicher Entscheidungsträger ein verfassungsrechtliches Gebot zur Konsenssuche aus dem Postulat der Verwaltungseffizienz, welches selbst Ausfluss der Grundrechte und dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) ist, abgeleitet werden kann.
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B. Rechtserzeugung und konsensuale Verständigung
der potentiellen Beschleunigungswirkung sei dennoch kurz auf die Frage eingegangen, inwieweit das Grundgesetz ein derartiges Beschleunigungsgebot an den Gesetzgeber adressiert. Dass die Verfassung prinzipiell Beschleunigungsgebote an einzelne Hoheitsträger adressiert, ist weitgehend unstrittig. So ist für das Strafverfahrensrecht im Allgemeinen und gerichtliche Entscheidungsprozesse im Besonderen anerkannt, dass die zuständigen hoheitlichen Entscheidungsträger einem verfassungsrechtlich verankerten Beschleunigungsgebot unterliegen. Im Strafverfahrensrecht folgt aus dem Rechtsstaatsprinzip i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG, dass das Strafverfahren innerhalb angemessener Zeit durchgeführt werden muss.243 Eine überlange Verfahrensdauer stellt eine Grundrechtsverletzung dar.244 Daneben gebietet Art. 6 Abs. 1 EMRK eine angemessene Beschleunigung des Strafverfahrens.245 Für gerichtliche Entscheidungsprozesse ergibt sich das Beschleunigungsgebot, neben der ausdrücklichen Vorgaben in Art. 19 Abs. 4 GG, aus dem Recht auf effektiven Rechtsschutz in Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG. Hiernach sind alle Fachgerichte verpflichtet, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zu einem Abschluss zu bringen. Das Bundesverfassungsgericht stellte diesbezüglich fest, dass eine überlange Verfahrensdauer eine „nicht mehr vertretbare Vorenthaltung von Rechtsschutz“ und damit „eine Grundrechtsverletzung“ darstellt.246 Ein an den Gesetzgeber gerichtetes Beschleunigungsgebot könnte zunächst aus Art. 76 Abs. 2 und 3 GG folgen. Dieser formuliert in Abs. 3 S. 6, dass der Bundestag über Gesetzesvorlagen „in angemessener Frist“ zu beraten und Beschluss zu fassen hat. Darüber hinaus finden sich für die Arbeitsweise der am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten konkrete zeitliche Vorgaben für einzelne Verfahrensschritte in Form von Fristen (siehe Art. 76 Abs. 2 S. 2 bis 5, Abs. 3 S. 1, 3 bis 6 GG). In Parallele zu Art. 6 Abs. 1 EMRK, der eine Verhandlung ebenfalls „in angemessener Frist“ fordert und mit dieser Formulierung unstreitig ein Beschleunigungsgebot formuliert,247 könnte eine ähnliche Interpretation auch für Art. 76 Abs. 3 S. 6 GG angenommen werden. Hierfür spricht zunächst der Zweck der Vorschrift. Die
243
So BVerfG NJW 1984, 967, welches sich zudem mit den Konsequenzen einer Verletzung des Beschleunigungsgebotes im Strafverfahren auseinandersetzt; ergänzend hierzu Roxin, Die Rechtsfolgen schwerwiegender Rechtsverstöße in der Strafrechtspflege, 1988, S. 157 ff. In Bezug auf das Zwischenverfahren nach §§ 199 ff. StPO und die damit verbundene Dauer der Untersuchungshaft hat das Bundesverfassungsgericht darüber hinaus eine Verletzung des Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip angenommen, wenn eine Sache entscheidungsreif war, die Strafkammer die Eröffnung des Hauptverfahrens aber ohne Grund hinauszögert, vgl. BVerfG BeckRS 2011, 50361; ebenso BVerfGE 14, 157 m. w. N. 244 Schroth NJW 1990, S. 29 ff. 245 Meyer, in: Karpenstein/Meyer (Hrsg.), EMRK, 2012, Art. 6 Rn 72. 246 BVerfG DVBl. 2009, S. 1323 ff. 247 So Meyer in: Karpenstein/Meyer (Hrsg.), EMRK, 2012, Art. 6 Rn 72; Grabenwarter/ Pabel, in: Dörr/Grote/Marauhn (Hrsg.), EMRK/GG Konkordanzkommentar, Band 1, 2013, Kap. 14 Rn 117.
III. Konsensfindung im Recht
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Norm soll einer „Verschleppung des Gesetzgebungsverfahrens“248 entgegenwirken und dient der „Vermeidung einer Verzögerung des Gesetzgebungsverfahrens“.249 Die Vorgabe einer Frist dient zwar unstreitig der Beschleunigung. Unabhängig davon, dass die Vorschrift sich lediglich auf das äußere Gesetzgebungsverfahren bezieht, ist ihr im vorliegenden Fall dennoch kein positiver Rechtssatz in Form eines Beschleunigungsgebots zu entnehmen. Dies lässt sich für Art. 76 Abs. 3 S. 6 GG damit begründen, dass während des Gesetzgebungsverfahrens keine Beeinträchtigung grundrechtlich verbürgter Schutzgehalte stattfindet. Eine derartige temporäre Beeinträchtigung liegt demgegenüber beispielsweise während der Untersuchungsbzw. Abschiebungshaft250 (Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG), der Entscheidung über Prozesskostenhilfe251 (Art. 19 Abs. 4 GG) und in baurechtlichen Enteignungsverfahren252 (Art. 14 GG) vor. In diesen Fällen unterliegt der Hoheitsträger einem Beschleunigungsgebot, um die Beeinträchtigung grundrechtlicher Schutzgüter möglichst gering zu halten. Eine vergleichbare grundrechtliche Belastungswirkung kommt dem Gesetzgebungsverfahren an sich – weder dem inneren, noch dem äußeren – nicht zu.253 Ein an die legislative gerichteter Beschleunigungsgrundsatz könnte sich aber aus Art. 20 Abs. 3 (Rechtsstaatsprinzip) i. V. m. den Abwehr- bzw. Freiheitsgrundrechten ergeben. Abwehrgrundrechte zielen zwar primär auf ein Unterlassen des Staates, d. h. auf die Abwehr staatlicher Eingriffe.254 Sekundär beinhalten Abwehrrechte aber auch positive Handlungspflichten. Diese Leistungsfunktion führt zu einer Verpflichtung des Grundrechtsverpflichteten derart, dass das grundrechtlich verbürgte Schutzgut vor Verletzungen und Gefährdungen zu bewahren ist, und zwar unabhängig davon, ob die Gefährdung staatlicherseits oder durch private Dritte erfolgt.255 Diesem verfassungsrechtlich angeordneten Schutzauftrag 248
Mann, in: Sachs (Hrsg.), GG, 7. Aufl. 2014, Art. 76 Rn 34. Dietlein, in: Epping/Hillgruber(Hrsg.), BeckOK-GG, 2015, Art. 76 Rn 42. 250 Vgl. OLG München FGPrax 2005, S. 276 ff. sowie LG Frankfurt BeckRS 2012, 04869 zum Beschleunigungsgebot im Abschiebungshaftverfahren. 251 Vgl. VGH Mannheim NVwZ-RR 2005, 438 zur Beschleunigung von Prozesskostenhilfeverfahren. 252 Geregelt in §§ 104–122 BauGB. Der in § 107 Abs. 1 S. 1 BauGB verankerte Beschleunigungsgrundsatz bezieht sich auf das gesamte Enteignungsverfahren, vgl. Dösing, in: Spannowsky/Uechtritz (Hrsg.), BeckOK-BauGB, 2015, § 107 Rn 2. 253 Aus diesem Grund ist auch der Geschäftsordnung des Bundestags, konkret den §§ 80 Abs. 2, 81 Abs. 2 S. 2, 84b und § 86 S. 2 (Vorschriften zur Verfahrensbeschleunigung), kein Beschleunigungsgebot zu entnehmen. Die Vorschriften sind nicht Ausdruck einer verfassungsrechtlichen Wertentscheidung. Ein solches Beschleunigungsgebot könnte lediglich im Einzelfall mithilfe der alles überlagernden Abweichungsermächtigungsermächtigung des § 126 GOBT begründet werden. 254 Jarass spricht gar von einer „negativen Verpflichtung des Grundrechtsverpflichteten“, vgl. ders., in Jarass/Pieroth, GG, 11. Aufl., 2011, Vorb. Art. 1 Rn 5. Das Bundesverfassungsgericht formuliert, Abwehrrechte dienen dazu, „die Freiheitssphäre des Einzelnen vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt zu sichern“, vgl. BVerfGE 7, 198, 204; 50, 290, 337; 68, 193, 205. 255 BVerfGE 125, 39, 78; ebenso Jarass, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), GG, 11. Aufl. 2011, Vorb. vor Art. 1 Rn 7. 249
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B. Rechtserzeugung und konsensuale Verständigung
wird der Staat in Form von Legislativakten gerecht. Sofern ein Abwehr- bzw. Freiheitsgrundrecht also einer hinreichend konkreten Gefährdungslage unterliegt, gebietet das Wesen des Grundrechts ein legislatives Tätigwerden des Gesetzgebers. Diesbezüglich ist in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip durchaus ein (recht allgemeines) verfassungsrechtlich verankertes Beschleunigungsgebot für gesetzgeberische Prozesse anzuerkennen.256 Droht hinreichend konkret eine Rechtsverletzung, ist der Staat qua Legislativakt zur Tätigkeit verpflichtet („Verschleppungsverbot“), bevor es zu einer faktisch-tatsächlichen Überholung gekommen ist. Allerdings geht diese Pflicht nicht über das Erfordernis hinaus, einen normwidrigen Zustand abzustellen. Selbst im Falle einer Schutzpflichtverletzung gesteht das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber eine Übergangsfrist zu.257 Der Abschluss eines Gesetzgebungsvertrags als Ausfluss des legistischen Beschleunigungsgrundsatzes kommt mithin nicht in Betracht. 3. Ergebnis Von einer konsensualen Rechtserzeugung lässt sich nur dann sprechen, wenn die von dem Privatrechtssubjekt vorgebrachten Interessen berücksichtigt werden. Die bloße Möglichkeit zur Einbringung genügt dem Konsens nicht. Die GO BT sowie die GGO enthalten keinerlei Regelungen, ob und in welchem Umfang („wie“) die vorgebrachten Interessen im (inneren) Gesetzgebungsverfahren zu berücksichtigen sind. Demgegenüber statuiert das Verhältnismäßigkeitsprinzip jedoch eine prozedurale Grundpflicht, wenn ein Gesetz in Grundrechte eingreift oder quasi wie eine Verwaltungsentscheidung wirkt, d. h. Regelungsgegenstand und Regelungssubjekt im Zeitpunkt des Normerlasses bereits hinreichend konkret bestimmt oder bestimmbar sind. Dies ist bei Einzelfallgesetzen gegeben. Insoweit wird der Gesetzgeber verpflichtet, bereits im inneren Gesetzgebungsverfahren das mildeste Mittel zu wählen, um den Regelungszweck zu erreichen. Ein solches Mittel ist der Gesetzgebungsvertrag. Er ist eine mögliche Form konsensualer Rechtserzeugung.
256 Die Schutzfunktion steht insbesondere bei Art. 6 Abs. 4, Art. 7 Abs. 3, Art. 16a, Art. 17, Art. 19 Abs. 4, Art. 101 und Art. 103 Abs. 1 im Vordergrund. Wesentlich für den vorliegenden Fall des Konsens sind jedoch vor allem die Rechte aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 S. 1, Art. 2 Abs. 2 S. 2, Art. 4, Art. 5 Abs. 1, Art. 5 Abs. 3, Art. 6, Art. 7, Art. 8 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1, Art. 9 Abs. 3, Art. 10, Art. 11, Art. 12, Art. 13, Art. 14 und Art. 16 GG. 257 Umfassend dazu Choi, Die Pflicht des Gesetzgebers zur Beseitigung von Gesetzesmängeln, 2002, S. 162 ff.
IV. Zusammenfassung
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IV. Zusammenfassung Das Verhältnismäßigkeitsprinzip kann in den vorbezeichneten Einzelfällen den Gesetzgeber dazu verpflichten, einen Gesetzgebungsvertrag mit dem betroffenen Rechtssubjekt abzuschließen. Im Bereich der Gesetzesproduktion existieren darüber hinaus aber weder ausdrücklich noch stillschweigend weitere Instrumente, die eine kooperative Rechtserzeugung intendieren oder kanalisieren. Dies gilt insbesondere für die vorbenannten Vorschriften der GO BT bzw. GGO. Die dort vorgesehene Möglichkeit zur Interesseneinbringung ist nicht gleichzusetzen mit einer konsensualen Interessenverwirklichung. Dementsprechend bezwecken die Vorschriften nicht die einvernehmliche Konfliktbewältigung als Produkt multipolarer Interessenbekundung. Intendiert ist vielmehr die einseitig-hoheitliche Informationsgewinnung. Die Entscheidung über den Umgang mit den gewonnenen Informationen ist allein dem Hoheitsträger an die Hand gegeben. Aus diesem Befund ist aber keine verfassungsrechtliche oder einfachgesetzliche Sperrwirkung in Bezug auf einen Gesetzgebungsvertrag zu schlussfolgern. Hierfür spricht bereits, dass keine Verbotsnorm existiert. Allerdings zeigen vorhandene kooperative Modelle, dass die Ausgestaltung bzw. Rechtswirksamkeit eines konsensualen Rechtsverhältnisses stets in Abhängigkeit zur Disponibilität des betreffenden Verfassungsrechtssatzes steht, wobei sich der Hoheitsträger einer Letztentscheidung grundsätzlich nicht entäußern darf.258
258
Hierzu konkret unter C. III. 2.
C. Gesetzgebungsverträge der Bundesregierung als Rechtsproblem I. Legislative Gestaltungsfunktion der Bundesregierung im Bereich bundesstaatlicher Normsetzung Um die rechtlichen und faktischen Grenzen gubernativer Rechtsetzungsakte zu bestimmen, sind zunächst die rechtlichen und faktischen Möglichkeiten zur Rechtsetzung der Bundesregierung zu bestimmen.1 Das Gesetzgebungsverfahren des Bundes ist in den Art. 76–79, 81–82 GG geregelt, wobei für Haushaltsgesetze zusätzliche Bestimmungen in Art. 110 Abs. 3 und Art. 113 GG normiert sind. Die Regelungen beschränken sich im Wesentlichen auf die Normierung des äußeren Ablaufs der bundesstaatlichen Gesetzgebung, d. h. von der Gesetzesvorlage (Art. 76 GG) bis zur Verkündung (Art. 82 GG).2 Ausdrücklich weist das Grundgesetz der Bundesregierung im bundesstaatlichen Gesetzgebungsprozess nur Mitwirkungsrechte, keine abschließenden Entscheidungsrechte, zu. Die entsprechenden Gesetzesinitiativrechte ergeben sich – abhängig von der jeweiligen Sachmaterie – aus Art. 76 Abs. 1, 3 GG, Art. 110 Abs. 3 GG und Art. 115d Abs. 2 GG. Darüber hinaus gewährt Art. 77 Abs. 2 S. 4 GG das Recht zur Anrufung des Vermittlungsausschusses. Für finanzwirksame Gesetze formuliert Art. 113 Abs. 1 S. 1 GG ein Zustimmungserfordernis der Bundesregierung.3 Insbesondere das Recht zur Gesetzesinitiative aus Art. 76 Abs. 1 GG erlangt in der parlamentarischen Praxis aber zunehmend den Status eines faktischen Ent 1
Hierzu auch von Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, 2000, S. 136 ff. Hiervon ist die Willensbildung der beteiligten Organe als inneres Gesetzgebungsverfahren zu unterscheiden, s.a. Bryde, in: Schneider/Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, 1989, § 30 Rn 1. 3 Der Vollständigkeit halber sei zudem auf die weiteren, grundgesetzlich vorgegebenen Aufgaben und Befugnisse der Bundesregierung hingewiesen: der Erlass von Rechtsverordnungen (Art. 80 GG, 119 GG, 129 Abs. 1 S. 2 GG), der Erlass der Geschäftsordnung (Art. 65 S. 4 GG), Zuständigkeiten im Bereich auswärtiger Gewalt (Art. 59 Abs. 2 GG, Art. 80 Abs. 3 GG) Zuständigkeiten im Verwaltungsbereich (Art. 84 Abs. 2 GG, Art. 85 Abs. 2 S. 1 GG, Art. 84 Abs. 3–5 GG, Art. 85 Abs. 2–4 GG, Art. 87b Abs. 2 GG), die Organisationsgewalt im Bereich bundeseigener (Finanz-) Verwaltung (Art. 86 GG, Art. 108 Abs. 2 S. 3, Abs. 7 GG), die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts (Art. 93 Abs. 1 Nr. 1, 2, 3 u. 4 GG), die Anwendung von Bundeszwang (Art. 37 GG), die Genehmigung der Herstellung, Beförderung und Inverkehrbringung von Kriegswaffen (Art. 26 Abs. 2 GG), die Genehmigung von Verträgen der Länder mit ausländischen Staaten (Art. 32 Abs. 3 GG), Befugnisse im Not-, Spannungs-, Notstands- oder Verteidigungsfall (Art. 35 Abs. 3 GG, Art. 53a Abs. 2 GG, Art. 80a Abs. 3 GG, Art. 81 GG, Art. 87a Abs. 4 GG, Art. 91 Abs. 2 GG, Art. 115a Abs. 1 GG, Art. 115 f GG, Art. 115i Abs. 2 GG. 2
I. Legislative Gestaltungsfunktion der Bundesregierung
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scheidungsrechts. Dieser Zustand ist einerseits mit dem ministeriellen Entstehungsprozess, andererseits mit der Rückbindung der Abgeordneten im parlamentarischen Entscheidungsprozess verbunden. 1. Ministerielle Präparationsphase Art. 76 Abs. 1 GG bindet das Gesetzesinitiativrecht u. a. an das Organ „Bundesregierung“. Eine Gesetzesvorlage kann demnach nur von dem aus Bundeskanzler und Bundesministern bestehenden Kollegium (Art. 62 Abs. 1 GG) in den Bundestag zur Entscheidung eingebracht werden.4 So bestimmt auch § 15 Abs. 1 lit. a GO BReg, dass alle Gesetzentwürfe der Bundesregierung als Gremium vorzulegen sind. Die Bundesregierung kann sodann mit Stimmmehrheit beschließen, ob der Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht werden soll (§ 24 Abs. 2 GO BReg). Das Gesetzesinitiativrecht ist somit nicht dem einzelnen Kabinettsmitglied oder einem Bundesminister zugänglich. Dieser finalen Einbringung geht die Erarbeitung des Gesetzentwurfs voraus, sog. „Präparationsphase“.5 Eine Normierung hat die ministerielle Präparationsphase in §§ 40 ff. GGO erfahren. Das einzelne Ministerium erstellt den Gesetzentwurf als Referentenentwurf. Sodann sind das Bundeskanzleramt (§ 40 GGO), andere betroffene Ressorts (§ 45 GGO) sowie Interessenverbände (§ 47 Abs. 3 GGO) und Bundesländer (§ 47 Abs. 1 GGO) zu beteiligten. Alle Entwürfe sind zudem zur Rechtsprüfung dem Justizministerium (§ 46 GGO) zu übersenden.6 Das Verfassungsrecht ordnet diese Präparationsphase nicht als Teil des förmlichen Gesetzgebungsverfahrens an. Für den weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens kommt der Phase von der „substantiellen Impulsgebung bis zur förmlichen Einbringung einer Vorlage in das Parlament“ aber eine entscheidende Bedeutung zu.7
4 Vgl. BVerfGE 91, 148; Lücke, in: Sachs (Hrsg.), GG, 7. Aufl. 2014, Art. 67 Rn 8; Jarass/ Pieroth, GG, 11. Aufl., 2011, Art. 76 Rn 2. 5 Allgemein wird hier auch von „präter- bzw. prägouvernementalen und -parlamentarischen Einflussnahmen“ gesprochen, vgl. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band 2, 1980, § 37 III 3. Seiner Ansicht nach wirken in diesem Vorraum der konstituierten Gesetzesinitiative (als die „entscheidende Nahtstelle zwischen freier Willensbildung aus dem gesellschaftlichen Bereich und institutionalisierter Willensbildung des Staates“) als Impulsgeber und Kritiker vor allem die politischen Parteien, Verbände, Interessenten und Medien der öffentlichen Meinung. 6 Zu den Gründen für die in Deutschland vorherrschende Ministerialbürokratie vgl. Bryde, in: Schneider/Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, 1989, § 30 Rn 9; Ellwein/Hesse, Das Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland, 10. Aufl., 2012, S. 410, wonach „die Bürokratie der eigentliche Gesetzgeber“ ist. Begründet wird dies hauptsächlich mit dem Wissensvorsprung, denn nur wer Entscheidungsmöglichkeiten und Beweggründe kennt, dem ist eine Auswahlentscheidung möglich. 7 Siehe hierzu Eichenberger VVDStRL 40 (1982), S. 7 ff., 28 ff. der diesen Prozess als die „materiell tragende Phase der Gesetzgebung“ bezeichnet, S. 29.
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C. Gesetzgebungsverträge der Bundesregierung als Rechtsproblem
Die ministerielle Präparationsphase eröffnet der Regierung materiell ein Schwergewicht in Bezug auf die Abfassung eines Gesetzes. Denn ein Gesetzentwurf ist im Regelfall nicht bloß Skizze, abstraktes Konzept oder grundlegender Rahmen eines fortlaufenden legislativen Kreationsaktes. Es handelt sich hierbei vielmehr um ein zumeist abgeschlossenes Werk, das „mit dem stillen oder lauten Anspruch auftritt, als gut befunden und angenommen zu werden“.8 Das Parlament ist insoweit nicht Inhaltsgeber eines formellen Gesetzes, sondern erfüllt lediglich eine (praktisch geringfügige) Ergänzungsfunktion. Der Gesetzentwurf wird, etwa durch landesrechtlich auftretendes Konsensbedürfnis im Rahmen der Beteiligung des Bundesrats, häufig nur geringfügig modifiziert werden. Der Regierung steht hierdurch eine „unschätzbare Ressource“9 für den Prozess der Gesetzgebung zu, welche ihr insoweit einen fachlichen Vorsprung liefert, als dass weder der wissenschaftliche Dienst des Bundestags, der dem einzelnen Abgeordneten zur Verfügung steht, noch die wissenschaftlichen Dienste der Fraktionen eine vergleichbare Expertise darstellen.10 Die eigentliche Produktion eines formellen Gesetzes entstammt mithin zumeist der Hand der Bundesregierung. Nicht auszuschließen ist darüber hinaus, dass die Bundesregierung auch bei Initiativen aus „der Mitte des Bundestages“ (Art. 76 Abs. 1 GG) zumindest Mit-Urheber ist. 2. Rückbindung der Abgeordneten Wie bereits dargestellt tritt in der politisch-parlamentarischen Praxis zunehmend das Bild zu Tage, dass allein die Opposition die Kontrolle der Regierung wahrnimmt, die Koalitionsfraktionen daneben vielmehr ein parlamentarisches Mandat der Regierung darstellen. Das Parlament stellt insoweit keine Einheit dar, sondern entspricht vielmehr einem Dualismus zwischen regierender Mehrheit und Opposition. Aufgrund dessen ist regelmäßig davon auszugehen, dass Gesetzes initiativen der Bundesregierung Zustimmung im Bundestag erfahren, mithin im Falle eines Einspruchsgesetzes ohne Änderungen, im Falle eines Zustimmungsgesetzes mit möglichen, kleineren Änderungen ratifiziert werden. Die faktische Rückbindung des einzelnen Mandats und damit die Vorwegnahme parlamentarischer Diskurse11 steht im Spannungsverhältnis zu Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG, d. h. der Freiheit des Abgeordneten. Die eingangs dargestellte, verfassungsrechtlich 8 Eichenberger VVDStRL 40 (1981), S. 7 ff., 29. Ebenso Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band 2, 1980, 1 § 37 III 4: „[Die Bundesregierung] verfügt über den Apparat, der die Erarbeitung von Entwürfen und die Beachtung komplexer rechtlicher und tatsächlicher Zusammenhänge am besten bewältigen kann. Der Erfolgsquotient ihrer Vorlagen liegt dementsprechend bei weitem höher als derjenige der anderen Initiatoren“. 9 Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 259. 10 So auch Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 259. 11 Hierzu auch Bryde, in: Schneider/Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, 1989, § 30 Rn 9.
II. Geltungsgrund des Gesetzgebungsvertrags
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(formal) vorgesehene legislative Begleitfunktion der Bundesregierung, welche beschränkt auf Informations-, Einwendungs- und Initiativbefugnisse den Gesetzgebungsprozess mitgestaltet, stellt sich somit in der Regel als ein faktisches Gestaltungs- und Entscheidungsrecht dar. Der Bundesregierung obliegt so die Führung des Gesetzgebungsprozesses.
II. Geltungsgrund des Gesetzgebungsvertrags Nach h. M. existiert mit den §§ 54 ff. VwVfG (analog) im Verwaltungsrecht eine Rechtsgrundlage für sog. normsetzende Verträge, d. h. Verträge zwischen der Verwaltung und einem Privatrechtssubjekt, die den Erlass von Rechtsverordnungen und Satzungen („administrative Rechtsetzung“) betreffen.12 Dabei kommt der vertraglichen Regelung unmittelbar normative Wirkung zu. Sie bindet nicht nur allein die jeweiligen Vertragspartner, sondern darüber hinaus auch (abstrakt-generell) Dritte.13 Um nicht den Vorbehalt des Gesetzes zu verletzen, bedürfen derartige Verträge einer gesetzlichen Grundlage.14 Entsprechend der verwaltungsrechtlichen Diskussion, in welchem Maß der Vorbehalt des Gesetzes für den Abschluss normsetzender Verträge gilt, ist in Bezug auf das Verfassungsrecht zu untersuchen, ob für den Abschluss eines Gesetzgebungsvertrags ein „Vorbehalt der Verfassung“ gilt. In diesem Fall wäre zum Vertragsschluss – ähnlich wie beim Abschluss von Verträgen, die die administrative Rechtsetzung betreffen – eine Berechtigung aus der Verfassung erforderlich.15
12 Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl., 2014, § 54 Rn 9; Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, 2000, S. 262; Krebs VerwArch 1981, 54; Brüning/Bosesky, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz (Hrsg.), VwVfG, 1. Aufl., 2014, § 54 Rn 84; a. A. Tiedermann, in: Obermayer (Hrsg.), VwVfG, 3. Aufl., 1999, § 54 Rn 62. Als Exekutivorgan kann die Bundesregierung als oberstes Bundesorgan auch als Verwaltungsorgan auftreten. § 54 VwVfG kann für die Beantwortung der hier relevanten Frage aber nicht herangezogen werden. Denn im Rahmen des Abschlusses eines Gesetzgebungsvertrags wird die Bundesregierung als Verfassungs-, nicht als Verwaltungsorgan tätig. 13 BSGE 70, 240, 244. 14 Brüning/Bosesky, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz (Hrsg.), VwVfG, 1. Aufl., 2014, § 54 Rn 19; im Verwaltungsrecht wurde die Frage, ob und wenn ja in welcher Form der Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags einer entsprechenden Ermächtigungsgrundlage bedarf, intensiv diskutiert, vgl. die Zusammenfassung bei Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, 2000, S. 293 ff. Letztlich hat sich die Diskussion mit der Schaffung der §§ 54 ff. VwVfG erledigt. Die heutzutage anzutreffende Kritik gegen das Institut richtet sich nicht gegen den Verwaltungsvertrag als solchen, sondern die gesetzliche Ausgestaltung, hierzu Bauer, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts – Informationsordnung, Verwaltungsverfahren, Handlungsformen, Band 2, 2. Aufl., 2012, § 36 Rn 8 ff. 15 Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 267 f.
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C. Gesetzgebungsverträge der Bundesregierung als Rechtsproblem
1. Vorab: Unterscheidung zwischen Staatsaufgabe und Kompetenz Der Vorbehalt der Verfassung beansprucht in unterschiedlichem Umfang Geltung, stets abhängig davon, ob die in Streit stehende staatliche Verhaltensweise der Kategorie der „Staatsaufgaben“ oder der „Kompetenzen“ zuzuordnen ist.16 Nach vorherrschender Auffassung darf der Staat nicht nur solche Aufgaben wahrnehmen, die eine Erwähnung im Grundgesetz gefunden haben. Vielmehr kommt ihm eine „Allzuständigkeit“ zu, aufgrund derer er seinen Aufgabenkreis frei definieren kann.17 Die Schaffung neuer Staatsaufgaben bedarf demnach keiner ausdrücklichen Ermächtigung durch die Verfassung. Ein Vorbehalt der Verfassung gilt nicht. Hierin unterscheidet sich der moderne Staat gerade von früheren Rechtsordnungen, die „nur vorgegebene, gegenständlich begrenzte, nicht einseitig erweiterungsfähige Zuständigkeiten und Regalien kannte[n]“.18 Diese Auffassung wird teilweise unter Hinweis darauf bestritten, dass die Verfassung auch heute noch ein „vollständiges Rahmenprogramm“ beinhalte. Jedes staatliche Handeln müsse auf die Verfassung rückführbar sein.19 Nur so bleibe die Staatstätigkeit sichtbar gebunden und könne legitimatorisch nachvollzogen werden.20 Allerdings sei es ausreichend, dass sich eine Staatsaufgabe „auf letzte Grundaussagen in der Verfassung“ zurückführen lasse.21 Denn staatliches Handeln sei mehr als bloßer Verfassungsvollzug. Insoweit wird durchaus die Konkretisierungsbedürftigkeit des verfassungsrechtlich vorgezeichneten Handlungsrahmens anerkannt.
16 Zur Abgrenzung des Begriffs der Staatsaufgabe von ähnlichen Begriffen wie Staatsfunktion, Staatszweck und Staatsziel vgl. Wahl, in: Ellwein/Hesse (Hrsg.), Staatswissenschaften – vergessene Disziplin oder neue Herausforderung?, 1990, S. 29 ff., 30 f. 17 Isensee, in: Isensee/Kirchhoff (Hrsg.), HStR, Band 4, 2006, § 73 Rn 55; Wahl, in: Ellwein/ Hesse (Hrsg.), Staatswissenschaften: Vergessene Disziplin oder neue Herausforderung?, 1990, S. 29 ff., 35 f.; Ress VVDStRL 49 (1990), S. 56 ff., 72; Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 2013, Art. 30 Rn 9; Kirmer, Der Begriff der öffentlichen Aufgabe in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 1995, S. 74; Wolff, Ungeschriebenes Verfassungsrecht unter dem Grundgesetz, 2000, S. 328; Pitzen, der Vorbehalt der Verfassung, 2013, S. 105 ff.; BVerfGE 98, 218, 246: „Dem Grundgesetz liegt nicht die Vorstellung zugrunde, dass sich jede vom Staat ergriffene Maßnahme auf eine verfassungsrechtliche Ermächtigung zurückführen lassen müsse. Es geht vielmehr von der generellen Befugnis des Staates zum Handeln im Gemeinwohlinteresse aus, erlegt ihm dabei aber sowohl formell als auch materiell bestimmte Beschränkungen auf“. 18 Isensee, in: Isensee/Kirchhoff (Hrsg.), HStR, Band 4, 2006, § 73 Rn 55; Korioth, in: Maunz/Dürig, GG, 2013, Art. 30 Rn 9. 19 Schulze-Fielitz, in: Grimm (Hrsg.), Wachsende Staatsaufgaben – sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, 1990, S. 11 ff., 15. 20 Schulze-Fielitz, in: Grimm (Hrsg.), Wachsende Staatsaufgaben – sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, 1990, S. 11 ff., 16. 21 Schulze-Fielitz, in: Grimm (Hrsg.), Wachsende Staatsaufgaben – sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, 1990, S. 11 ff., 15. Seines Erachtens ist eine vollständige Einzelnormierung der Staatsaufgaben aufgrund der Dauerhaftigkeit und Entwicklungsoffenheit der Verfassung nicht möglich. Die Rückführbarkeit auf eine „letzte Grundaussage“ trage der abstrakten Normierung in der Verfassung Rechnung.
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Demgegenüber sind – nach allgemeiner Auffassung – Kompetenzen der obersten Bundesorgane abschließend im Grundgesetz geregelt. Sie unterliegen dem Vorbehalt der Verfassung. Dies wird vornehmlich mit der Funktion der Verfassung als Instrument zur kontrollierten, begrenzten und ausbalancierten Machtausübung begründet. Die Verfassung könne dieser Funktion nur gerecht werden, wenn sie den Bereich der Staatsgewalt mit ihrem Regelungswillen vollumfänglich erfasse und unter den geschaffenen Staatsorganen verteile.22 Würde der Abschluss eines Gesetzgebungsvertrags durch ein oberstes Bundesorgan eine Staatsaufgabe darstellen, wäre dies nach h. M. von der Allzuständigkeit des Staates umfasst. Ein Vorbehalt der Verfassung gilt nicht. Nach der die Allzuständigkeit ablehnenden Auffassung bedarf der Vertragsschluss hingegen eines Anknüpfungspunkts innerhalb der Verfassung. Ordnet man den Vertragsschluss demgegenüber der Kategorie der Kompetenzen zu, so ist eine verfassungsrechtlich determinierte Befugnis erforderlich. Aufgrund dieser Unterschiede ist zu ermitteln, ob der Abschluss eines Gesetzgebungsvertrags durch ein oberstes Bundesorgan – konkret durch die Bundesregierung – in die Kategorie der Staatsaufgaben oder der Kompetenzen einzuordnen ist. Staatsaufgaben beziehen sich auf den Umfang der Staatsgewalt insgesamt, d. h. das Verhältnis von staatlichem und nichtstaatlichem Bereich. Es geht maßgeblich um die Frage, ob dem Staat eine Aufgabe übertragen wurde oder die Materie aus dem staatlichen Bereich herausfällt, mithin nicht Gegenstand einer staatlichen Verhaltensweise sein kann.23 Kompetenzen sind einzelne Ausprägungen der Staatsgewalt und regeln demgegenüber die Zuständigkeitsverteilung der Organe untereinander. Sie setzen voraus, dass eine Aufgabe begründet und zugeordnet ist.24 Vor dem Hintergrund dieser Abgrenzung ist der Abschluss eines Gesetzgebungsvertrags nicht dem Bereich der Staatsaufgaben zuzuordnen, sondern dem der Kompetenzen. Staatsaufgaben beziehen sich auf das Außenverhältnis des Staates zur Gesellschaft.25 Diejenigen Aufgaben, die der Staat nicht für sich beansprucht bzw. beanspruchen kann, obliegen dem Einzelnen oder gesellschaftlichen Gruppierungen. Sie verbleiben in „privater Zuständigkeit“. Der Abschluss eines Gesetzgebungsvertrags kann einzig und allein vom Staat vorgenommen werden – was ein Blick auf Art. 59 Abs. 1 GG unterstützt. Es geht letztlich darum, ob ein oberstes Bundesorgan im Verhältnis zu anderen Bundesorganen zum Abschluss eines 22 Isensee, in: Isensee/Kirchhoff (Hrsg.), HStR, Band 7, 2009, § 162 Rn 49; Würtenberger, in: Dolzer/Waldhoff/Graßhoff (Hrsg.), Bonner Kommentar zum GG, 2001, Art. 45c Rn 70; Kratzmann, Die Verfassungsänderung, 1970, S. 79 f.; Pitzen, Der Vorbehalt der Verfassung, 2013, S. 107 ff.; Wolff, Ungeschriebenes Verfassungsrecht unter dem Grundgesetz, 2000, S. 78 f.; Unruh, Der Verfassungsbegriff des Grundgesetzes, 2002, S. 399, 409; Stern, Staatsrecht, Band 1, 1984, S. 83 f. 23 Vgl. hierzu die Darstellungen von Roth in Bezug auf die Reform der deutschen Rechtschrei bung in BayVBl. 1999, S. 257 ff. 24 Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 2013, Art. 30 Rn 17. 25 Isensee, in: Isensee/Kirchhoff (Hrsg.), HStR, Band 6, 2008, § 133 Rn 38.
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Gesetzgebungsvertrags befähigt ist und – falls ja – in welchem Umfang es seinen verfassungsrechtlich vorgezeichneten Handlungsspielraum beschränken oder erweitern kann; nicht darum, ob eine Aufgabe dem Staat übertragen wurde oder Einzelnen bzw. gesellschaftlichen Institutionen verbleibt. 2. Notwendigkeit einer besonderen Vertragsschlusskompetenz Staatsgewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG, verstanden als „jedenfalls alles amtliches Handeln mit Entscheidungscharakter“26 lässt sich im repräsentativ-demokratischen System in zwei Ebenen unterteilen. Staatsgewalt entsteht zunächst regelmäßig beim Staatsvolk, welches originärer Träger bzw. Inhaber ist. Von der Inhaberschaft ist die Ausübung zu trennen, welche aufgrund vielschichtiger Sachverhalte wirtschaftlicher, sozialer, kultureller und politischer Art ganz oder teilweise von besonderen Organen ausgeübt wird. Insoweit lässt sich auch von der Ausübung „geliehener Staatsgewalt“ sprechen. Als Bindeglied zwischen Inhaberschaft und Ausübung versteht sich die „demokratische Legitimation“, welche in der Regel durch Bekundungen in Wahlen (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG), durch Gesetz sowie durch Weisungen und Ernennungen vermittelt wird. Die demokratische Legitimation stellt den erforderlichen „Zurechnungszusammenhang zwischen Volk und staatlicher Herrschaft“27 her. Abhängig von dem Grad der Legitimationswirkung lassen sich die unmittelbare und mittelbare Delegation von Staatsgewalt unterscheiden. Einziges direkt und unmittelbar legitimiertes Staatsorgan in der Bundesrepublik Deutschland ist das Parlament. Inhaberschaft und Ausübung müssen stets miteinander verbunden sein.28 Damit das Staatsvolk als Inhaber der Staatsgewalt die Art und Weise der Ausübung verliehener Staatsgewalt nachprüfen kann, bedarf es einer klaren Zuordnung, welches Organ auf eine bestimmte Art und Weise Staatsgewalt ausübt, mithin „verantwortlich“ ist. Die Nachvollziehbarkeit, Bestätigung und Sanktionierung – kurz: Die Rückbindung – staatlichen Handelns wird durch die verfassungsrechtlich festgesetzte Kompetenzordnung ermöglicht. Sie gewährleistet die eindeutige Zuordnung staatlicher Handlungen zu einem entsprechenden Organ, d. h. eine Identifikation des konkret verantwortlichen Hoheitsträgers.29 Dieser Verantwortungszusammenhang bildet das notwendige Zwischenglied, wenn es um den Zusammenhang von Kompetenz und (rechtlicher sowie rechtspolitischer) Haftung
26
BVerfGE 83, 60, 73; 93, 37, 68. BVerfGE 83, 60, 72. 28 Zur Sicherung und Aktualisierung dieser Verbindung sieht das Grundgesetz vor, dass die Ausübung von Staatsmacht im rechtsstaatlich-demokratisch verfassten Staat sachlich-inhaltlichen, zeitlichen und personellen Begrenzungen unterliegt. 29 „Die Regelungen über das Gesetzgebungsverfahren zielen darauf ab, die demokratische Legitimation der zu treffenden Regelungen sicherzustellen“, so BVerfGE 120, 56, 78. 27
II. Geltungsgrund des Gesetzgebungsvertrags
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geht.30 Die Übertragung von Staatsgewalt ist also immer auch die Übertragung von Verantwortung. Das Grundgesetz verwendet den Begriff der „Verantwortung“ bzw. „Verantwortlichkeit“ zwar in Art. 28 Abs. 2, Art. 34, und Art. 46 GG. Gerade dort, wo politische Verantwortung der Sache nach angesprochen wird, taucht dieses Institut aber – mit Ausnahme des Art. 65 GG31 – nicht auf (Art. 38, Art. 58 und Art. 68 GG).32 Verantwortlichkeit als Einstandspflicht33 ist grundsätzlich in zwei Richtungen möglich. So lassen sich die politische und die rechtliche Verantwortlichkeit unterscheiden.34 Die politische Verantwortlichkeit eines Staatsorgans ist tatsächlicher Ausdruck der Betrauung mit einem Amt. Verantwortung ist in diesem Fall die Kehrseite von politischem Vertrauen. Es meint eine tatsächliche Rechenschaftspflicht, welche mit der Übertragung von verfassungsmäßigen Kompetenzen entsteht, deren Bezugspunkt aber kein gesetzlich vorgegebener Rechtssatz ist, sondern einzig die Pflicht, „im Sinne des Ganzen gut und richtig zu handeln.“ Was letztlich „richtig“ und „gut“, ist bestimmt der reflektierte Rückverweis im Sinne eines Kommunikationsprozesses mit der Öffentlichkeit – kein objektivierbarer, normativer Wert.35 Die hier relevante, davon streng zu trennende, rechtliche Verantwortlichkeit ist dagegen gesetzlich umrissen. Sie entspringt Zuständigkeiten und setzt sich fort in Bestimmtheitsgeboten, Formalität und Begrenztheit bis hin zur Rechtsschutzgarantie.36 Die rechtliche Verantwortlichkeit gewährleistet in Verbindung mit der politischen Verantwortlichkeit die hinreichende Rückführbarkeit der konkret ausgeübten Staatsgewalt. Im Rahmen des Rechtsetzungsprozesses wird die Rückführbarkeit – und dadurch die Schaffung eines nachvollziehbaren Verantwortungszusammenhangs – durch die verfassungsrechtliche Zuweisung von Rechtsetzungskompetenzen gewährleistet. Rechtsetzung als Ausprägung übertragener Verantwortung findet ihren zurechenbaren Anknüpfungspunkt somit in einer Kompetenz. Für die konkrete Bestimmung, wer nun für eine aus einem Verhandlungsprozess erwachsende Ent 30 Vgl. hierzu auch Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 255 f. mit Verweis auf Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, 1993, S. 46 und Dreier, in: Dreier/Hofmann (Hrsg.), Parlamentarische Souveränität und technische Entwicklung, 1986, S. 11 ff., 41. 31 Hier tritt insbesondere die Frage auf, wem gegenüber die Bundesminister verantwortlich sind. Art. 56 S. 2 WRV enthielt als Vorgängerregelung zu Art. 65 S. 2 GG noch die Formulierung „Verantwortung gegenüber dem Reichs- bzw. Bundestag“. Demgemäß könnte man entsprechend dem Wortlaut der Norm vertreten, dass der Bundesminister nur gegenüber dem Bundeskanzler, der ihn ausgesucht hat, verantwortlich ist. Denn das Parlament hat keinerlei Einfluss (etwa durch Wahlen) auf die Bundesminister. Dennoch wird wohl ausnahmslos die Verantwortlichkeit der Bundesminister auch gegenüber dem Parlament angenommen, vgl. Stern, Staatsrecht, Band 2, 1980, § 31 IV 4 c). 32 So auch Stern, Staatsrecht, Band 1, 2004, § 22 III 3. 33 Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 256. 34 Weitere Verantwortungsbegriffe bei Röhl Die Verwaltung, Beiheft 2, 1999, S. 33 ff, 35 ff. 35 In diese Richtung Masing ZRP 2001, S. 36 ff., 37. 36 Masing ZRP 2001, S. 36.
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scheidung die Verantwortung trägt, wird zwischen der formellen und der materiellen Verantwortung differenziert.37 Die formelle Verantwortlichkeit knüpft daran an, welches „Rechtssubjekt für den Erlass eines Rechtsakts in dem Sinne zuständig ist, dass ohne seine entscheidende Mitwirkung ein Rechtsakt nicht zur Entstehung gelangen kann“.38 Verantwortlich ist danach dasjenige Rechtssubjekt des öffentlichen Rechts, welches die Rechtsnorm erlassen hat. Die materielle Verantwortung hingegen ist dann zu bejahen, wenn und soweit eine verbindliche Einflussnahme auf den Inhalt des Normsetzungsprozesses stattgefunden hat.39 Formelle und materielle Verantwortung können durchaus individuell nebeneinander stehen. So kann sich der Staat beispielsweise eines privaten Verhandlungsergebnisses bei der Schaffung einer Rechtsnorm bedienen. Zeitlich gesehen liegt die Entstehung materieller Verantwortung wohl zumeist vor der Begründung formeller Verantwortung, welche erst mit dem tatsächlichen Erlass und nicht bereits mit der Entscheidungsfindung eintritt. Die Beantwortung der Frage nach der Notwendigkeit einer besonderen Vertragsschlusskompetenz eines Bundesorgans in Bezug auf einen Gesetzgebungsvertrag ist eng mit der Tatsache verbunden, dass jede Ausübung von Staatsgewalt einer demokratischen Legitimation bedarf, d. h. eines Verantwortungszusammenhangs.40 Hinsichtlich des Abschlusses eines Gesetzgebungsvertrags ist demnach zu differenzieren: Der echte bzw. unechte Gesetzgebungsvertrag, der den Erlass bzw. Nichterlass eines bestimmten Gesetzes zusagt, bedarf einer ausdrücklichen Vertragsschlusskompetenz, da die bestimmte Ausübung von Staatsgewalt, d. h. der Gesetzesbeschluss nach Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG, letztverbindlich zugesagt wird. Der echte bzw. unechte Gesetzgebungsvertrag, der ein bestimmtes Tun oder Unterlassen lediglich in Bezug auf die Gesetzesinitiative (Art. 76 Abs. 1 GG) zum Gegenstand hat, steht demgegenüber zwar in einem inhaltlichen sowie funktionalen Zusammenhang zum späteren Gesetzesbeschluss nach Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG. Entsprechendes gilt für den Gesetzgebungsvertrag mit Anreizfunktion. Auch diese bedürfen deshalb grundsätzlich einer besonderen Vertragsschlusskompetenz. Allerdings müssen die Besonderheiten des Gesetzesinitiativrechts, insbesondere im Verhältnis zum Gesetzesbeschlussrecht, berücksichtigt werden (Anstoßfunktion 37 Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 257 f. Eine ähnliche Differenzierung traf zuvor bereits Röhl, Die Verwaltung, Beiheft 2 (1999), S. 33 ff., 36 f., 44, der jedoch die „materielle“ als „faktische“ Verantwortung bezeichnete. 38 Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 257. 39 Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 257. Problematisch ist hier jedoch, welches Maß an Einflussnahme, d. h. Verantwortung im materiellen Sinne der staatlicher Normsetzer übernehmen muss. Entscheidend ist stets, dass der Rechtsakt Ausdruck der Ausübung von Staatsmacht ist. Verfassungsrechtlich vorgesehene Machtverteilung darf nicht Umgangen werden, da andernfalls verfassungsrechtliche Bindungen obsolet würden. 40 Dies gilt unbestritten beispielsweise für den Erlass förmlicher Gesetz, welche als allgemeinverbindliche Rechtssätze und einseitige hoheitliche Anordnung im Über-/Unterordnungs verhältnis die rechtliche und tatsächliche Entfaltung des Staatsvolks zum Gegenstand haben.
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der Gesetzesinitiative).41 Die letztverbindliche Entscheidungsgewalt in Gestalt des Gesetzesbeschlussrechts verbleibt in diesen Fällen dem Parlament als unmittelbar demokratisch legitimiertem Organ.42 Für den echten bzw. unechten Gesetzgebungsvertrag, der sich schlicht auf das Gesetzesinitiativrecht aus Art. 76 Abs. 1 GG bezieht, ist deshalb zwar eine verfassungsrechtliche Ermächtigung zu fordern. Da das Gesetzesinitiativrecht in qualitativer (und somit demokratisch-legitimatorischer) Hinsicht dem Gesetzesbeschlussrecht nicht gleichgeordnet, vielmehr sogar untergeordnet ist, sind an die verfassungsrechtliche Ermächtigung zur vertraglichen Bindung des Gesetzesinitiativrechts aber geringere Anforderungen zu stellen, als an einen verfassungsrechtlichen Freigabeakt zur vertraglichen Bindung des Gesetzesbeschlussrechts nach Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG. Es gilt ein abgeschwächter Vorbehalt der Verfassung. 3. Verfassungsrechtliche Ermächtigung zum Vertragsabschluss Bei der Suche nach einer Befugnisnorm bzw. allgemein einem verfassungsrechtlichen Freigabeakt für ein oberstes Bundesorgan, einen Gesetzgebungsvertrag abzuschließen, ist zwischen den einzelnen Varianten eines Gesetzgebungsvertrags zu unterscheiden. Für Gesetzgebungsinhalte ist ein Vorbehalt der Verfassung abzulehnen.43 Die Vertragsschlusskompetenz betrifft aber nicht die materielle, sondern die formelle Zulässigkeit des Vertragsschlusses. Die Verfassung statuiert sehr konkret formelle Anforderungen an das Gesetzgebungsverfahren. Hierdurch werden allerdings Kompetenzfelder, die nicht Ausdruck in einer Verfassungsnorm gefunden haben, nicht ausgeschlossen. Dies zeigt die Existenz stillschweigender (impliziter) Kompetenzen des Bundes44 auf der einen sowie die Notwendigkeit einer dynamischen Weiterentwicklung der Verfassung bis zur Grenze der Verfassungsdurchbrechung auf der anderen Seite. Aufgrund der Abwesenheit ausdrücklicher (verfassungsrechtlicher) Normierungen ist im Einzelfall nach (vorzugsweise verfassungsrechtlichen) Anhaltspunkten zu suchen, aus denen die Zulässigkeit einer Vertragsschlusskompetenz folgt.45 Notwendig für die verfassungsspezifische Zulässigkeit 41
Hierzu umfassend unter C. III. 2. b) aa) (3). In diese Richtung Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 268, der davon ausgeht, dass der Gesetzgebungsvertrag innerhalb der Rechtsordnung Geltung beansprucht und deswegen einer Ableitung aus der Verfassung bedarf, weil die Verfassung als Geltungsgrund allen staatlichen Rechts einen „geschlossenen Delegationszusammenhang“ begründe. Er differenziert allerdings an dieser Stelle nicht zwischen den verschiedenen Formen des Gesetzgebungsvertrags. 43 Sachs, in: ders. (Hrsg.), GG, 7. Aufl., 2014, Art. 20 Rn 99; ebenso Isensee, in: FS Leisner, 1999, S. 359 ff. 44 Zu nennen seien Kompetenzen kraft Sachzusammenhang, kraft Annex sowie kraft Natur der Sache. Hierzu Uhle, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 2013, Art. 70 Rn 67 ff. 45 Uhle, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 2013, Art. 70 Rn 68. 42
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ist ein verbindlicher „Freigabeakt“ der Rechtsordnung. Maßgebliche Fragestellung ist also hinsichtlich aller Erscheinungsformen des Gesetzgebungsvertrags, unter welchen Voraussetzungen die Verfassung einem obersten Bundesorgan – hier der Bundesregierung – die Erzeugung verfassungsrechtlicher Rechtsfolgen in Bezug auf den Gesetzgebungsprozess im Wege vertraglicher Vereinbarungen freigibt.46 a) Kompetenzbegründung über Art. 76 Abs. 1 GG Nach Art. 76 Abs. 1 GG ist die Bundesregierung berechtigt, eine Gesetzesvorlage in den Bundestag einzubringen. Aufgrund des funktionalen und inhaltlichen Zusammenhangs zwischen dem Gesetzgebungsvertrag und der Initiativbefugnis könnte angedacht werden, die Vertragsschlusskompetenz für echte und unechte Gesetzgebungsverträge, die gegenständlich ein Verhalten betreffend die Ein- oder Nichteinbringung eines bestimmten Gesetzes in den Bundestag regeln, als von der Initiativbefugnis (mit-) umfasst anzusehen. Das Gesetzgebungsverfahren umfasst – wie bereits erläutert – einen inneren und einen äußeren Aspekt. Das innere Gesetzgebungsverfahren betrifft die Willensbildung, wohingegen unter den Begriff des äußeren Gesetzgebungsverfahrens die grundgesetzlichen Bestimmungen zum Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens (Art. 76–82 GG) subsumiert werden.47 Würde der Abschluss eines Gesetzgebungsvertrags dem Bereich der Willensbildung zugeordnet werden, so könnte der Anwendungsbereich des Art. 76 Abs. 1 GG zugunsten einer Vertragsschlusskompetenz des Initianten erweitert werden. Dies ließe sich vornehmlich mit dem funktionalen Zusammenhang zwischen innerem und äußerem Gesetzgebungsverfahren begründen. Inneres und äußeres Gesetzgebungsverfahren sind zwar jeder für sich eigenständiger Teil des Gesetzgebungsverfahrens. Das eine würde allerdings nicht ohne das andere bestehen. Wer zur Einbringung eines Gesetzes in den Bundestag ermächtigt ist, sollte zugleich zu vorbereitenden, in unmittelbarem Zusammenhang mit der Einbringung stehenden Verhaltensweisen befugt sein, welche auf Ebene der Willensbildung erforderlich sind. Hiergegen lassen sich allerdings gewichtige Argumente anführen. Zunächst ist den am Abschluss eines Gesetzgebungsvertrags Beteiligten an einer verbindlichen Vereinbarung dergestalt gelegen, dass eine Gesetzesinitiative eingebracht, nicht eingebracht oder zurückgenommen wird. Diese Wirkungsweise betrifft schon gar nicht das innere, sondern schwerpunktmäßig das äußere Gesetzgebungsverfahren, d. h. den formellen Teil des Gesetzesinitiativrechts. Gegen die Ausdehnung des Anwendungsbereichs von Art. 76 Abs. 1 GG spricht sodann, dass die Kompetenzregel zwar intrapersonale Rechtsbeziehungen regelt, hierbei aber auf interorgan 46
Friauf AöR 88 (1963), S. 257 ff., 280. Hierzu Rubel, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Mitarbeiterkommentar zum GG, 2002, Vor. Art. 76 ff. Rn 1–9. 47
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schaftliche Rechtsbeziehungen begrenzt ist. Das (Außen-) Verhältnis zu nicht am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Bundesorganen nach den Art. 76 ff. GG hat die Norm nicht im Blick. Auch gegenständlich ist die Norm ihrem Wortlaut nach eindeutig auf „Gesetzesvorlagen“ beschränkt. Letztlich spricht gegen die Ausdehnung des Anwendungsbereichs, dass ungeschriebenen Kompetenzerweiterungen stets die Gefahr der Beeinträchtigung des rechtsstaatlichen Machtgefüges inne wohnt. Art. 76 Abs. 1 GG darf nicht zu einer Generalklausel in Bezug auf legistische Verhaltensweisen umfunktioniert werden. b) Kompetenzbegründung über Art. 59 Abs. 2 GG analog Im Rahmen des Abschlusses völkerrechtlicher Verträge findet die politische Auseinandersetzung und Konsensfindung außerhalb des Parlaments statt. Die Gesetzgebungsorgane stimmen lediglich gem. Art. 59 Abs. 2 GG dem Vertragswerk im Ganzen zu. Parlamentarische Änderungsmöglichkeiten bestehen nicht. Diese Konstellation gleicht der Situation beim Abschluss eines echten bzw. unechten Gesetzgebungsvertrags, der den Erlass bzw. Nichterlass eines Gesetzes zum Gegenstand hat. Das Parlament sieht sich einer Vorabverständigung ausgesetzt, welche die parlamentarische Gestaltungsmacht im Rahmen des formalen Gesetzgebungsprozesses ausschließt. Eine Analogie zur besagten Vorschrift scheidet jedoch aus mehreren Gründen aus. Denn die Vorschrift des Art. 59 Abs. 2 GG bedarf selbst einer verfassungsrechtlich determinierten Völkervertragsschlusskompetenz der Bundesregierung. Die „Kooperationskompetenz“ der Bundesregierung ergibt sich im völkerrechtlichen Bereich aus der „originären Gestaltungsbefugnis“ der Bundesregierung im Rahmen auswärtiger Beziehung, vgl. Art. 32 Abs. 3 GG.48 Diese kann aufgrund ihrer Spezialität nicht auf den Gesetzgebungsvertrag übertragen werden. c) Kompetenzbegründung über § 15 Abs. 1 GOBReg Die „Generalklausel“49 des § 15 Abs. 1 GOBReg bestimmt, dass die Bundesregierung zur Beratung und Beschlussfassung in „allen Angelegenheiten von allgemeiner innen- oder außenpolitischer, wirtschaftlicher, sozialer, finanzieller oder kultureller Bedeutung“ berechtigt ist. Zu diesen Angelegenheiten gehören insbesondere auch alle Gesetz- (§ 15 Abs. 1 lit. a GOBReg) und Verordnungsentwürfe (§ 15 Abs. 1 lit. b, c GOBReg).50 Diese Formulierung einer „politischen All 48
Vgl. Waldhoff/v. Aswege, Kernenergie als „goldene Brücke“?, 2010, S. 70. Lechner/Hülshoff, Parlament und Regierung, 1971, § 15 GOBReg Anm. 4. 50 In der Vergangenheit ist vereinzelt die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift in Zweifel gezogen worden. Die Bedenken wurden vornehmlich unter Hinweis darauf ausgedrückt, dass die Bundesregierung als Kollegium nicht Kompetenzen einzelner Bundesminister oder des Bundeskanzlers beschneiden würde. Nicht von der Hand zu weisen sei eine Verfassungswidrigkeit 49
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C. Gesetzgebungsverträge der Bundesregierung als Rechtsproblem
zuständigkeit der Bundesregierung“51 könnte als Berechtigung zum Abschluss eines Gesetzgebungsvertrags herangezogen werden. Dies ist durch Auslegung der Vorschrift zu ermitteln. Systematisch betrifft die Vorschrift ein Verhalten, das (zeitlich wie sachlich) im Vorfeld verfassungsrechtlicher Kompetenzverhältnisse anzusiedeln ist. Auch der Gesetzgebungsvertrag ist als gesetzesvorbereitender Konsens im Vorfeld eines verfassungsrechtlich vorgezeichneten Kompetenzgefüges (konkret: Gesetzgebungsverfahren) anzusiedeln. Eine über die ausdrücklich in der Verfassung vorgeschriebenen Kabinettszuständigkeiten52 hinausgehende kompetenzbegründende Wirkung kann der Norm jedoch nicht entnommen werden. Die GOBReg bezweckt grundsätzliche die nähere Ausgestaltung der in der Verfassung nur rudimentär vorgezeichneten Bestimmungen für den Bundeskanzler, die Bundesminister und die Bundesregierung, und deren Zusammenarbeit. Als Ausprägung des Kollegialprinzips intendiert die Vorschrift vorrangig die Wahrung der Handlungs- und Funktionsfähigkeit der Regierung. Denn die „Autorität“ und Effizienz der Bundesregierung bzw. ihrer Arbeitsweise hängt wesentlich davon ab, dass sie „zu einheitlichem, abgestimmtem Verhalten in der Lage ist“.53 Die Vorschrift stellt lediglich parlamentarisches Innenrecht dar und dient einzig der innerkollegialen Abstimmung zum Zwecke der einheitlichen Außendarstellung. Eine darüber hinausgehende (Außen-) Wirkung betreffend die Abstimmung mit Dritten ist ihr nicht zuzusprechen. d) Geschäftsordnungsautonomie der Bundesregierung (Art. 65 S. 4 GG) Die Bundesregierung kann im Rahmen der durch Art. 65 S. 4 GG zugeschriebenen Geschäftsordnungsautonomie eine Geschäftsordnung ausarbeiten und zur Grundlage ihrer Tätigkeit machen. Insoweit könnte angedacht werden, Art. 65 S. 4 GG als verfassungsrechtliche Grundlage für eine Vertragsschlusskompetenz der Bundesregierung anzuerkennen, soweit die Bundesregierung den Vertragsschluss in der Geschäftsordnung ausgestalten könnte. Die Ausgestaltung eines solchen Verfahrens in der Geschäftsordnung ist jedoch unter zweierlei Gesichtspunkten abzulehnen: Zum einen stellt Geschäftsordnungsrecht reines Regierungsder Vorschrift aber vor allem dann, „wenn sich das Kabinett im Konfliktfall gegen die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers und die Ressortkompetenz durchsetzen könne“. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass sich die Mitglieder der Bundesregierung autonom im Wege der Selbstbindung durch § 15 GOBReg zusammengeschlossen haben und sich demgemäß verpflichten, sich an den Organisationsprinzipien der Bundesregierung zugunsten der Kabinettsdisziplin zu orientieren, vgl. hierzu Busse, GOBReg, 2013, § 15 Rn 5 f.; Schenke Jura 1982, 337, 348. 51 So Schröder, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band 3, 1988, § 64 Rn 25. 52 Eine ausführliche Darstellung dieser Zuständigkeiten findet sich bei Schröder, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band 3, 1988, § 64 Rn 24. 53 Busse, GOBReg, 2013, § 15 Rn 4.
II. Geltungsgrund des Gesetzgebungsvertrags
113
innenrecht dar. Zwar handelt es sich bei den Regelungen der Geschäftsordnungen größtenteils um Verfahrensrecht. Die Normierungen betreffen aber ausschließlich das Rechtsverhältnis der Mitglieder der Bundesregierung untereinander, sind mithin intra- und nicht interorganschaftlicher Natur. Außenstehende Rechtssubjekte sind hiervon nicht betroffen. Zum anderen können Regelungen hinsichtlich des bundesstaatlichen Gesetzgebungsverfahrens nicht verbindlich in der Geschäftsordnung eines Verfassungsorgans festgeschrieben werden. Denn gerade die formellen Vorgaben in Bezug auf den Rechtsetzungsprozess sind in den Art. 76 ff. GG dezidiert normiert. Organe, deren Beteiligung verfassungsrechtlich fest vorgegeben ist, würden unberücksichtigt bleiben. Eine Verfügung über die verfassungsrechtlichen Normierungen betreffend das Gesetzgebungsverfahren würde voraussetzen, dass die Normen einer Disposition zugänglich wären. Verfassungsrechtlich zugewiesene Kompetenzen unterliegen einer solchen hingegen grds. nicht. Eine Änderung des Verfassungsrechts durch Geschäftsordnungsrecht wäre die Folge, was bereits aus normhierarchischem Blickwinkel undenkbar ist. Art. 65 S. 4 GG ist somit nicht fähig, ein solches Instrument dogmatisch zu begründen. e) Pacta sunt servanda Für den verwaltungsrechtlichen Vertrag ist der Grundsatz „pacta sunt servanda“ als ausreichender Geltungsgrund anerkannt worden.54 Ob dies auch für den Gesetzgebungsvertag gilt, ist zu bezweifeln. Der Grundsatz beschreibt im Wesentlichen, dass sich Vertragsparteien nicht durch einseitige Erklärungen von der Bindung an einen abgeschlossenen Vertrag lösen können.55 Der Geltungsgrund des Gesetzgebungsvertrags kann aber nicht seine Existenz selbst, d. h. sein Bestand sein. Der Existenz muss vielmehr eine Existenzberechtigung, also ein Freigabeakt bzw. ein „Verbindlichkeitsbefehl“56 rechtlich vorgelagert sein. Dem entspricht es, dass der Grundsatz nicht erst der Verfassung oder irgendeiner Rechtsordnung im Sinne eines kodifizierten Rechtssatzes entspringt, sondern vielmehr erst aus der
54
Apelt, Der verwaltungsrechtliche Vertrag, 1964, S. 49 ff. So Ellenberger, in: Palandt (Hrsg.), BGB, 2015, Einf. v. § 145 Rn 4a. Im öffentlichen Recht beansprucht der Grundsatz insbesondere in Bezug auf Art. 59 GG Geltung, vgl. Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG, 2013, Art. 59 Rn 173. Demnach ist der Staat verpflichtet, „unterzeichnete […] Verträge einzuhalten“. Der Grundsatz beansprucht nicht nur in Bezug auf Art. 59 GG Geltung, sondern für sämtliche Verträge des öffentlichen Rechts, vgl. BVerwGE 143, 335, 353 f. Begründend ist auf den Zweck des Grundsatzes, die Schaffung von Rechtssicherheit und somit letztlich auf das Rechtsstaatsprinzip (vgl. zul. BVerfGE 133, 143) aus Art. 20 Abs. 3 GG zu verweisen. Der Grundsatz ist darüber hinaus auch in der Rechtsprechung des EuGH für völkerrechtliche Verträge ausdrücklich anerkannt, vgl. EuGHE 1998, I-3655, Rn 41 ff., 46. 56 So die Formulierung von Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 195. 55
114
C. Gesetzgebungsverträge der Bundesregierung als Rechtsproblem
„bindenden Kraft des Versprechens als ein moralischer Akt“ erwächst.57 Letztlich würde man einem Zirkelschluss unterliegen, sofern ohne vorherige Feststellung des die Einhaltung anordnenden und garantierenden Normbefehls auf den Grundsatz pacta sunt servanda rekurriert wird.58 f) Stillschweigende verfassungsrechtliche Ermächtigung zum Vertragsschluss Vereinzelt wird vertreten, das Grundgesetz erfasse nicht vollumfänglich das deutsche Verfassungsrecht. Vielmehr seien die „unvollständigen Normen der Verfassung von einem Kranze von Regeln des Herkommens, von Konventionen des politischen Verhaltens und Verfahrens umgeben, die im Laufe der Zeit zu verbindlichem Recht erstarken können“.59 Daran anknüpfend verbürge das Verfassungsrecht auch eine stillschweigende Ermächtigung zum Abschluss eines Gesetzgebungsvertrags. Hinsichtlich der Zulässigkeit von Verträgen betreffend das Verfassungsrecht liege eine echte Gesetzeslücke vor.60 Dies gelte sowohl positiv als auch negativ, denn der Verfassungstext lasse kein (ausdrücklich oder stillschweigend geregeltes) generell bestehendes Verbot einer vertraglichen Regelung im verfassungsrechtlichen Bereich erkennen.61 Der Vertrag sei „das Werk der Zusammenarbeit par excellence“.62 Art. 59 Abs. 2 GG stelle insoweit eine atypische Einzelfallregelung dar. Dem ist nicht zu folgen. Zunächst bezieht sich die vorbenannte Auffassung ausdrücklich auf Gesetzgebungsverträge zwischen Hoheitsträgern untereinander. Gegenständlich werden mithin Kompetenzen verschoben. Der Argumentation steht demgemäß bereits der Einwand entgegen, dass die Verfassung nach Art. 79 Abs. 1 S. 1 GG nur durch ein Gesetz geändert werden kann, das den Wortlaut der Verfassung ausdrücklich ändert oder ergänzt. Eine davon losgelöste Gewaltenverschiebung ist unzulässig.63
57
Wolf/Neuner (Hrsg.), Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 10. Aufl., 2012, § 10 Rn 23 m. w. N. 58 So zunächst für das Staatskirchenrecht auch Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 196. Später bezeichnet ders. dies als „bloße petitio principii“, S. 268. 59 Scheuner VVDStRL 10 (1951), S. 46. 60 Friauf AöR 88 (1963), S. 257 ff., 286. 61 Hierfür spricht auch, dass sich der Verfassungsgeber mit der Frage der Vertragsschließungsbefugnis nicht befasst hat, so Friauf AöR 88 (1963), S. 257 ff., 286. 62 Friauf AöR 88 (1963), S. 257 ff., 288. 63 So auch Klenke, Stärkung der Informationsrechte des Landesparlaments in Bezug auf beabsichtigtes Regierungshandeln, 2009, S. 136 f.
II. Geltungsgrund des Gesetzgebungsvertrags
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g) Vertragsschluss der Bundesregierung als Teil der Regierungsfunktion Jede staatliche Gemeinschaft bedarf „einer einheits- und konsensstiftenden Führung und Leitung, die Ziele und Aufgaben der Gemeinschaft definiert und in die Realität umsetzt, die vorausschaut und plant, in der Gesellschaft auftauchende Bedürfnisse und Ideen koordiniert und zu verwirklichungsfähigen Initiativen verarbeitet“.64 Für die Bundesrepublik Deutschland finden sich diesbezüglich verfassungsrechtliche Vorgaben im 6. Abschnitt des Grundgesetzes. Die Vorschriften regeln in Art. 62 GG formell, dass die Bundesregierung Ausdruck der Gesamtheit von Bundeskanzler und Bundesministern ist. Ein materieller Begriff der Bundesregierung, der sich mit den der Bundesregierung nach dem Grundgesetz zustehenden Befugnissen und Aufgaben befasst, findet sich dagegen im Grundgesetz nicht.65 Die Verfassung schweigt – mit Ausnahme des Art. 65 GG – in Bezug auf die Art und Weise des Regierens. Im hergebrachten, staatsformbestimmenden demokratischen Dreiklang „Legislative, Exekutive und Judikative“ hat die Regierungsfunktion als Ausdruck materieller Befugnisse keine ausdrückliche Berücksichtigung erfahren.66 Angesichts der Gefahr, dass das verfassungsrechtlich etablierte Gewaltenteilungssystem seine Durchsetzbarkeit verliert, sofern die Gesamtheit der Staatsgewalt in Form von Aufgaben und Zuständigkeit nicht den betreffenden Staatsorganen ausdrücklich zugewiesen wird, ist ein materielles Verständnis aber notwendig. In Bezug auf die Konturierung des materiellen Regierungsbegriffs ist anerkannt, dass die Regierungsfunktion eng mit der politischen Staatsführung67 verbunden ist, als solche einen umfassenden Handlungsauftrag beinhaltet und sich nicht mit dem formellen und materiellen Rahmen der Gesetzgebung in Bezug auf Form, Technik und Inhalt bestimmen bzw. ausfüllen lässt.68 Aber auch der Begriff der „politischen Staatsführung“ ist, ähnlich wie die von Art. 65 GG verwendete Formulierungen „Politik“ bzw. „Richtlinien der Politik“ gänzlich ungeeignet, eine Zuständigkeitsbeschreibung der Bundesregierung herzuleiten.69 Ausdruck von Konkretisierungsbemühungen ist daneben der Versuch, den Bereich des funktionalen Regierungshandelns mit Hilfe des Werkzeugs des „Regierungsakts“ einzugrenzen. Dabei wird ein Regierungsakt von zwei Grundelementen geprägt: Konstitutiv ist die Beteiligung des verfassungsmäßig berufenen Staatsoberhaupts, welches 64
Schröder, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band 3, 1988, § 67 Rn 1. Vgl. Herzog, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 2013, Art. 62 Rn 51. 66 Schröder, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band 3, 1988, § 67 Rn 1. 67 Dies zeigt sich darin, dass Art. 65 GG den Begriff der Regierung im materiellen Sinne durch den Begriff der „Politik“ bzw. „Richtlinien der Politik“ ersetzt, vgl. Herzog, in: Maunz/ Dürig (Hrsg.), GG, 2013, Art. 62 Rn 52. 68 Siehe Knöpfle DVBl. 1965, S. 857 ff., 861; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band 2, 1980, § 39 I 2 b) m. w. N. sowie Schröder, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band 3, 1988, § 67 Rn 3 m. w. N. 69 Herzog, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 2013, Art. 62 Rn 52. 65
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C. Gesetzgebungsverträge der Bundesregierung als Rechtsproblem
„in der Regel nur lockere rechtliche Bindungen“70 eingeht. Daneben besteht eine weitgehende, politisch geprägte Gestaltungsfreiheit als Kehrseite der geringen rechtlichen Bindungswirkung.71 Freilich ist hiermit keine Aussage über den Inhalt des „staatsleitenden Akts“ getroffen. Einzig die „politische Relevanz für das Gemeinwohl“ lässt sich herausdestillieren. Aus dem negativen Ergebnis kann jedoch geschlossen werden, dass die Staatsleitung im materiellen Regierungsbereich, die ausschließlich der Regierung im formellen Sinne zugeordnet ist, schlichtweg nicht normativ verankert ist. Die Regierungsfunktion als materieller Teil des Regierungsbegriffs muss im vorliegenden Fall nicht in Gänze beleuchtet werden. Fraglich ist einzig, ob sie hinreichende Grundlage zum Abschluss eines Gesetzgebungsvertrags ist, wobei zwischen den unterschiedlichen Varianten eines Gesetzgebungsvertrags zu differenzieren ist. Konkret kommt dabei eine Heranziehung von Art. 65 S. 2 GG als verfassungsrechtliche Ermächtigung zum Vertragsschluss in Betracht. Der sich aus der Staatsleitung ergebende Aufgabenkreis, „bei [dem] es um die politische Führung, die verantwortliche Leitung des Ganzen der inneren und äußeren Politik geht und den sich die Bundesregierung mit den anderen dazu berufenen Verfassungsorganen teilt, wird nicht allein mit den Mitteln der Gesetzgebung und der richtungweisenden Einwirkung auf den Gesetzesvollzug wahrgenommen“.72 Vielmehr sind auch andere Instrumente – freilich in gewissen Grenzen – möglich. In Bezug auf staatliche Informationstätigkeit geht das Bun desverfassungsgericht etwa davon aus, dass eine hinreichende Kompetenz zugunsten der Bundesregierung in Art. 65 S. 2 GG niedergelegt ist.73 Die auf dieser Vorschrift basierende Informationstätigkeit, welche Aufgabe und Ausformung der Staatsleitung ist, erfordert bis zur Grenze des Grundrechtseingriffs keiner besonderen Ermächtigung in der Verfassung. Die Ermächtigung ergibt sich vielmehr aus dem der Bundesregierung zugewiesenen Aufgabenkreis der Staatsleitung.74 Erst in denjenigen Fällen, in denen sich „die staatliche Informationstätigkeit […] als funktionales Äquivalent eines Eingriffs [darstellt], ist […] eine besondere gesetzliche Ermächtigung erforderlich“.75 Der Abschluss eines Gesetzgebungsvertrags ist als Aspekt staatsleitender Regierungstätigkeit von Art. 65 S. 2 GG umfasst, soweit das Vertragsverhältnis lediglich das Initiativrecht der Bundesregierung aus Art. 76 Abs. 1 GG betrifft. Wird über das Gesetzesbeschlussrecht des Bundestags aus Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG verfügt, so wird der Anwendungsbereich des Art. 65 S. 2 GG überschritten. Denn auch bei der
70
Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band 2, 1980, § 39 II 2. Schröder, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band 3, 1988, § 67 Rn 7. 72 BVerfGE 105, 279, 301. 73 BVerfGE 105, 252, 270. 74 BVerfGE 105, 279, 301. 75 BVerwG NVwZ-RR 2015, 425; BVerfGE 105, 279, 303. 71
III. Rechtliche Grenzen eines Gesetzgebungsvertrags
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Bestimmung der Regierungsfunktion „ist die Kompetenzordnung zu beachten“.76 Während das Gesetzesinitiativrecht dabei der Bundesregierung zusteht, werden Bundesgesetze vom Bundestag beschlossen. Dass der Abschluss eines gesetzesinitiativbezogenen Gesetzgebungsvertrags von der Regierungstätigkeit gedeckt ist, ergibt sich dabei aus der Notwendigkeit konsensualer Verständigungen im prälegistischen Bereich – nicht bloß zur Problemidentifikation, sondern vielmehr zur Problemlösung.77 Die vertragliche Verständigung ist geeignet, eine verlässliche Grundlage für die parlamentarische Auseinandersetzung zu liefern. Der Gestaltungsspielraum des parlamentarischen Gesetzgebers wird dadurch in rechtlicher Weise nicht verkürzt.78 Zudem überschreitet ein solchermaßen geschlossener Gesetzgebungsvertrag weder die grundrechtlich relevante Eingriffsschwelle, noch stellt er ein funktionales Äquivalent hierzu dar.79 Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für eine eingriffsrechtliche Bewertung kann erst das (spätere) Gesetz im formellen Sinne sein. Die fehlende Eingriffswirkung rechtfertigt eine Lockerung des Vorbehalts des Gesetzes dahingehend, dass bereits die allgemeine Grundlage regierungsfunktionaler Tätigkeit – konkret Art. 65 S. 2 GG – für den Abschluss eines Gesetzgebungsvertrags ausreichend ist, der sich bloß auf die Gesetzesinitiative bezieht. Hingegen fehlt es für Gesetzgebungsverträge, die das Gesetzesbeschlussrecht betreffen, an einer ausreichenden Vertragsschlusskompetenz. 4. Ergebnis Die Regierungsfunktion aus Art. 65 S. 2 GG beinhaltete einen an die Bundesregierung gerichteten Freigabeakt zum Abschluss eines Gesetzgebungsvertrags mit einem Privatrechtssubjekt, welcher gegenständlich auf das Gesetzesinitiativrecht der Bundesregierung aus Art. 76 Abs. 1 GG bezogen ist. Ein darüber hi nausgehender gesetzgebungsvertraglicher Freigabeakt ist der Verfassung nicht zu entnehmen.
III. Rechtliche Grenzen eines Gesetzgebungsvertrags Im Folgenden werden die rechtlichen Grenzen der verschiedenen Formen eines Gesetzgebungsvertrags aufgezeigt. Ergeben sich hinsichtlich einer vertraglichen Konstellation keine rechtlichen Grenzen, so wird die Konstellation nicht aufgeführt.
76
BVerfGE 105, 252, 270. Siehe unter B. II. 78 Hierzu sogleich unter C. III. 2. b). 79 Hierzu umfassend unter C. III. 2. d). 77
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C. Gesetzgebungsverträge der Bundesregierung als Rechtsproblem
1. Europarechtliche Grenzen Die bundesstaatliche Gesetzeslandschaft ist in Zeiten fortschreitender Europäisierung wesentlich geprägt von unionalen Primär-, vor allem aber Sekundärrechtsakten. Insoweit unterliegt der Gesetzgeber Einschränkungen, die letztlich Ausfluss der Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union sind.80 Diese Grenzen ergeben sich vorrangig unter kompetenziellen Gesichtspunkten. Daneben bedarf es stets der Beachtung materieller Prinzipien wie bspw. des Diskriminierungsverbots. Verallgemeinerungsfähig ist in diesem Zusammenhang die Aussage, dass nationale Gesetzgebungsorgane europäisches Recht als Prüfungsmaßstab heranziehen müssen, wenn eine Grundregel des Unionsrechts einerseits dem Bürger subjektive Rechte zuspricht und andererseits den Mitgliedstaaten die Einschränkung dieser Rechte gewährt. Darüber hinaus muss der nationale Gesetzgeber einen unionsrechtlich zugestandenen Spielraum nutzen und darf nicht außerhalb des Unionsrechts liegende Fragen regeln.81 a) Die vertikale Kompetenzverteilung innerhalb der Europäischen Union (Verbandskompetenz) Das Europäische Primärrecht weist der Europäischen Union als supranationaler Organisation positive Kompetenzen zu, soweit diese von den Mitgliedstaaten übertragen wurden. Es besteht keine grundsätzliche Allzuständigkeit der Europäischen Union oder gar eine Kompetenz-Kompetenz.82 Die Grundregel bildet dabei das in Art. 5 Abs. 2 EUV verbürgte Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung.83 Hiernach kann die Europäische Union nur auf Grund einer ausdrücklichen Kompetenzzuweisung durch den EU-Vertrag tätig werden. Die (rechtsetzenden) Befugnisse der Union werden auf die in den Verträgen festgelegten Zuständigkeiten begrenzt. Eine Materie, die nicht übertragen wurde, kann unional nicht geregelt werden.84 In diesen Fällen verbleibt die Zuständigkeit bei den Mitgliedstaaten, Art. 5 Abs. 2 EUV. Unterstrichen wird diese Zuständigkeitsbegrenzung
80
Vgl. Art. 23 Abs. 1 GG („Hoheitsrechte übertragen“). Jarass, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 2013, Art. 51 Rn 19; Laden burger, in: Tettinger/Stern (Hrsg.), Kölner-GK GRC, 2006, Art. 51 Rn 27. 82 Dies ergibt sich daraus, dass die Union kein souveräner Staat mit originärer Rechtsetzungsgewalt ist. Demgegenüber sind die jeweiligen Mitgliedstaaten als „Herren der Verträge“ Inhaber einer Kompetenz-Kompetenz. Sie entscheiden, ob und in welchem Umfang sie der Union Kompetenzen übertragen bzw. wegnehmen. 83 Vor der Normierung durch den Vertrag von Maastricht wurde dieses Prinzip aus Art. 3, 7 Abs. 1, Art. 202, 211 und Art. 249 Abs. 1 EGV abgeleitet. Hiernach durften Parlament, Rat und Kommission nur „nach Maßgabe dieses Vertrages“ Recht setzen. 84 Hobe, Europarecht, 2014, § 7 Rn 79; Beyer Der Staat, 1996, S. 189 ff., Götz, in: Götz/ Martinez (Hrsg.), Kompetenzverteilung zwischen der Europäischen Union und den Mitglieds staaten, 2002, S. 83, 86. 81
III. Rechtliche Grenzen eines Gesetzgebungsvertrags
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von der ausdrücklichen Vermutung für die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten in Art. 5 Abs. 2 S. 2 EUV.85 Die der europäischen Union übertragenen Kompetenzen finden sich überwiegend in den enumerativen Kompetenzkatalogen der Art. 3–6 AEUV wieder. Daneben sind Kompetenzen der Union teilweise in den Rechtsgrundlagen über zu regelnde Sachbereiche (z. B. Art. 48 AEUV) und über zu erreichende Ziele (z. B. Art. 114, 115, 352 AEUV) definiert. Letztlich kennt das Europarecht sog. „implizite Kompetenzzuweisungen“ („implied powers“).86 Hiernach kann die Europäische Union auch in solchen Bereichen Kompetenzen in Anspruch nehmen, in denen keine ausdrückliche Kompetenzzuweisung existiert, deren europarechtliche Regelung jedoch Voraussetzung für eine sinnvolle Regelung anderer, ausdrücklich zugewiesener Bereiche ist.87 Hinsichtlich der vertikalen Kompetenzverteilung ist entscheidend, ob die Union über eine ausschließliche, geteilte oder ergänzende Rechtsetzungsbefugnis verfügt. Nach Art. 2 Abs. 1 AEUV verfügt die Union über eine ausschließliche Zuständigkeit, wenn „nur die Union gesetzgeberisch tätig werden und verbindliche Rechtsakte erlassen“ darf. Mitgliedstaaten dürfen in diesen Fällen nicht gesetzgeberisch tätig werden, es sei denn, es besteht eine unionale Ermächtigung hierzu, oder das Tätigwerden ist zur Durchführung des Rechtsakts der Union notwendig, Art. 2 Abs. 1, Hs. 2 AEUV. Ausschließliche Kompetenzen der Union bestehen hinsichtlich der Zollunion (Art. 3 Abs. 1 lit. a und Art. 31 AEUV), der Festlegung der für die Funktionsfähigkeit des Binnenmarkts erforderlichen Wettbewerbsregeln (Art. 3 Abs. 1 lit. b, Art. 101–110 AEUV), der Währungspolitik für die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist (Art. 3 Abs. 1 lit. c, Art. 127 ff. AEUV), der Erhaltung der biologischen Meeresschätze im Rahmen der gemeinsamen Fischereipolitik (Art. 3 Abs. 1 lit. d und Art. 38 ff. AEUV), der gemeinsamen Handelspolitik (Art. 3 Abs. 1 lit. e und Art. 207 AEUV) sowie entsprechend der alternativen Voraussetzungen in Art. 3 Abs. 2 AEUV bezüglich der Abschlüsse von internationalen Übereinkünften. 85 Im Zweifelsfall besteht eine Kompetenz also zu Gunsten eines Mitgliedsstaats, Hobe, Europarecht, 2014, § 7 Rn 79. 86 S. hierzu Nicolaysen EuR 1966, S. 169 und Hobe, Europarecht, 2014, § 7 Rn 103 ff.; der EuGH hat diese stillschweigenden Zuständigkeiten erstmalig in einer Entscheidung zum EGKSV (EuGH Slg. 1955, 291) entwickelt, dabei aber auch für die EWG angenommen und „hält, ohne sich dabei an eine extensive Auslegung zu begeben, die Anwendung einer sowohl im Völkerrecht als auch im innerstaatlichen Recht allg. anerkannten Auslegungsregel für zulässig, wonach die Vorschriften eines völkerrechtlichen Vertrags oder eines Gesetzes zugleich diejenigen Vorschriften beinhalten, bei deren Fehlen sie sinnlos wären oder nicht in vernünftiger Weise zur Anwendung gelangen können.“ Diese Rechtsprechung zu stillschweigenden Zuständigkeiten hat der EuGH in weiteren Urteilen bestätigt (EuGH Slg. 1960, 681, 708; EuGH Slg. 1960, 743, 788). 87 In diesen Fällen liegt keine Erweiterung der Verbandskompetenz der Union in neue Sachbereiche vor, sondern lediglich eine Erweiterung des Instrumentariums der Union in diejenigen Bereiche, in denen sie zum Erlass einschlägiger Maßnahmen ohnehin zuständig ist.
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C. Gesetzgebungsverträge der Bundesregierung als Rechtsproblem
Die Zuweisung einer ausschließlichen (Verbands-)Kompetenz an die Europäische Union stellt eine echte rechtliche Grenze für einen Gesetzgebungsvertrag dar. Die rechtliche Zulässigkeit echter Gesetzgebungsverträge wird von der ausschließlichen Zuständigkeit der Europäischen Union gesperrt, soweit der Inhalt des einzubringenden und/oder zu beschließenden Gesetzentwurfs in den ausschließlichen Zuständigkeitsbereich der EU fällt. Etwas anderes gilt nur dann, wenn ein Mitgliedstaat ausnahmsweise gesetzgeberisch tätig werden darf, weil eine Regelung geboten ist und die Europäische Union nicht rechtzeitig rechtsetzend tätig geworden ist. In diesen Fällen ist eine mitgliedstaatliche Maßnahme – d. h. auch ein damit im Zusammenhang stehender Gesetzgebungsvertrag – solange und soweit zulässig, bis eine gemeinschaftsrechtliche Regelung getroffen ist.88 Die ausschließliche Zuständigkeit der Europäischen Union steht in diesen Fällen dem Abschluss eines echten Gesetzgebungsvertrags nicht entgegen. Entsprechendes gilt für den Abschluss unechter Gesetzgebungsverträge. Die ausschließliche Zuständigkeit der Europäischen Union in Bezug auf eine bestimmte Materie hindert den Mietgliedstaat nicht in rechtlich relevanter Weise daran, gegenüber und im Einvernehmen mit einem privaten Rechtssubjekt zuzusagen, dass ein bestimmter Gesetzentwurf nicht eingebracht, nicht beschlossen oder zurückgenommen werden soll. Denn dem Mitgliedstaat kann weder die Zusage verwehrt sein, sich kompetenzkonform zu verhalten, noch die Zusage, auf ein ausnahmsweise bestehendes autonomes Initiativrecht – konkret die gesetzgeberische Tätigkeit – zu verzichten. Letztlich entfaltet die ausschließliche Kompetenz der Europäischen Union auch keinerlei Sperrwirkung in Bezug auf diejenigen Gesetzgebungsverträge mit Anreizfunktion. Im Rahmen der geteilten Zuständigkeit (Art. 4 Abs. 1 AEUV) können die Mitgliedstaaten gesetzgeberisch tätig werden, soweit und solange die Union nicht entsprechend ihrer vertraglichen Befugnis rechtsnormsetzend tätig geworden ist. Sobald und soweit die Union dagegen gesetzgeberisch in Erscheinung getreten ist, dürfen die Mitgliedstaaten auf dem betreffenden Gebiet nur noch insoweit handeln, als dies durch den jeweiligen Rechtsakt erlaubt ist bzw. seiner Umsetzung dient. Unter die geteilte Zuständigkeit in diesem Sinne fallen der Binnenmarkt (Art. 4 Abs. 2 lit. a AEUV), die Landwirtschaft (Art. 4 Abs. 2 lit. d AEUV), der Umwelt- und Verbraucherschutz (Art. 4 Abs. 2 lit. e und f AEUV) sowie der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (Art. 4 Abs. 2 lit. j AEUV). Hieraus ergibt sich für den echten Gesetzgebungsvertrag, dass die Vorschriften über die geteilte Zuständigkeit dem Abschluss entgegenstehen, soweit die Europäische Union abschließend tätig geworden ist. Die Zusage, ein bestimmtes abweichendes Gesetz einzubringen und/oder zu beschließen wird gesperrt. Einzig soweit die Europäische Union nicht abschließend rechtsetzend tätig geworden ist, kann mitglied 88
In diesen Fällen treten die Mitgliedstaaten als „Sachwalter des gemeinsamen Interesses“ auf, vgl. EuGH Slg. 1981, 1045, 1075 f.; EuGH Slg. 1981, 1447, 1459; zudem Pechtstein, Sachwalter des gemeinsamen Interesses – Gesetzgebungsnotstand im Gemeinschaftsrecht, 1987, S. 75 ff.
III. Rechtliche Grenzen eines Gesetzgebungsvertrags
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staatlicherseits gegenüber einem Privatrechtssubjekt – ohne dass ein Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1 AEUV anzunehmen ist – zugesagt werden, dass ein ergänzender Gesetzentwurf eingebracht bzw. beschlossen wird. Die Vorschriften über die geteilte Zuständigkeit sperren demgegenüber nicht den Abschluss unechter Gesetzgebungsverträge. Ist die Europäische Union in diesen Fällen abschließend tätig geworden, kann der Mitgliedstaat zusagen, keine abweichenden Gesetzentwürfe einzubringen, zu beschließen oder abweichende ergänzende Gesetzentwürfe zurückzunehmen. Entsprechendes gilt für die Zusage, abweichende Gesetzentwürfe nicht einzubringen, nicht zu beschließen oder zurückzunehmen. In beiden Fällen sagt der Mitgliedstaat zu, sich kompetenzkonform zu verhalten. Aus kompetenzrechtlicher Sicht unproblematisch sind die Fälle der ergänzenden Zuständigkeit. In diesen Fällen tritt die Zuständigkeit der Union nicht anstelle der mitgliedstaatlichen Zuständigkeit (Art. 2 Abs. 5 UAbs. 1 AEUV). Dem Tätigwerden der Union geht im Einzelfall ein Tätigwerden des nationalen Gesetzgebers voraus. Diese Maßnahmen eines Mitgliedstaats werden durch unionsrechtliche Rechtsakte flankiert. Ihr rechtlicher Bestand bleibt unberührt. In diese Kategorie fallen nach Art. 6 AEUV die Bereiche Gesundheit, Industrie, Kultur, Tourismus, allgemeine und berufliche Bildung sowie Jugend, Sport, Katastrophenschutz und Verwaltungszusammenarbeit. Entsprechendes gilt wohl auch für die Zuständigkeit nach Art. 2 Abs. 3 und Art. 5 AEUV. Diese Kompetenzvorschriften sperren den Abschluss eines Gesetzgebungsvertrags nicht. Hiervon ist auch dann auszu gehen, wenn sog. parallele Kompetenzen bestehen, in denen Union und Mitgliedstaaten nicht „konkurrierend“, sondern vielmehr nebeneinander legistisch oder administrativ tätig werden können, wie es Art. 4 Abs. 3 AEUV für die Forschung und Raumfahrt, Art. 4 Abs. 4 AEUV für die Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe und Art. 2 Abs. 4 AEUV für die Außen- und Verteidigungspolitik89 festlegen. In diesen Fällen bleibt die nationale Rechtsetzungskompetenz vollumfänglich erhalten. b) Europäisches Sekundärrecht Von den Organen der EU erlassenes Sekundärrecht (Art. 288–299 AEUV) umfasst Verordnungen, Richtlinien, Beschlüsse, Empfehlungen und Stellungnahmen. Aufgrund der erhöhten Relevanz wird vorliegend nur auf Richtlinien90 eingegangen. Bereits aus praktischen Gründen wird ein Gesetzgebungsvertrag als Umsetzungsmittel nur dann in Betracht kommen, wenn dem nationalen Gesetzgeber sekundärrechtlich ein Umsetzungsspielraum zugestanden wird. Wird ein solcher Umsetzungsspielraum nicht gewährt, so ist die Verhandlungsposition des nationalen 89
Vgl. hierzu aber auch die ausschließliche Kompetenz nach Art. 3 Abs. 2 AEUV. Hierzu auch Schneider, Gesetzgebung, 2002, § 5 Rn 94 und Oebbecke DVBl. 1986, S. 793 ff., 797. 90
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C. Gesetzgebungsverträge der Bundesregierung als Rechtsproblem
Gesetzgebers auf Null reduziert.91 Möchte er sich nicht wegen eines etwaigen Umsetzungsdefizits ersatzpflichtig machen, so ist er an die Vorgaben der Richtlinie gebunden. Das Privatrechtssubjekt ist der Richtlinie bzw. dem Umsetzungsakt in jedem Fall ausgesetzt. Darüber hinaus sind nur diejenigen Gesetzgebungsverträge an Art. 288 AEUV zu messen, die funktional das konkrete Umsetzungsmittel darstellen. In diesen Fällen stellt sich die Rechtsfrage, ob der Gesetzgebungsvertrag als verbindliche oder unverbindliche Vereinbarung tauglicher Umsetzungsakt sein kann. Ist der Gesetzgebungsvertrag – wie es in der Regel bei echten Gesetzgebungsverträgen der Fall ist – hingegen Vorläufer eines Legislativaktes, so ist im Hinblick auf die Anforderungen an die Umsetzung europäischen Sekundärrechts der Legislativakt die bewertungserhebliche Rechts- bzw. Umsetzungstechnik – nicht der Gesetzgebungsvertrag. Gewährt eine Richtlinie dem Mitgliedstaat beispielsweise derartig Umsetzungsspielraum, dass zwischen mehreren Varianten entschieden werden kann, so könnte ein echter Gesetzgebungsvertrag mit dem Inhalt Zustandekommen, dass ein Hoheitsträger die Einbringung oder den Erlass der für das Privatrechtssubjekt günstigsten Variante qua Gesetzesinitiative oder Gesetz zusagt, wobei auf der Seite des Privatrechtssubjekts hierfür eine – nicht von der Richtlinie im Rahmen des Umsetzungsbefehls angewiesene – Leistung versprochen wird. In diesen Fällen wäre einzig der legislative Umsetzungsakt an Art. 288 AEUV zu messen. Auf der anderen Seite kann ein (unechter) Gesetzgebungsvertrag auch mit dem Inhalt geschlossen werden, dass eine von mehreren Maßnahmen, welche die Richtlinie (hinsichtlich der Umsetzung) zur Wahl des Mitgliedstaats stellt, von einem Privatrechtssubjekt vertraglich versprochen wird. Der Hoheitsträger verspricht demgegenüber, dass ein Legislativakt mit einem entsprechenden Normbefehl nicht ergehen wird. Diese Variante hat den Vorteil, dass sich das Privatrechtssubjekt nicht dem „scharfen Schwert des Gesetzes“ ausgesetzt sieht, sondern hinsichtlich Art, Mittel und Umfang der Verpflichtung weitestgehend frei ist. Nur diese letzte Form des unechten Gesetzgebungsvertrags ist geeignet, mit Art. 288 AEUV – konkret den Anforderungen an die Umsetzung von Richtlinien – zu kollidieren. Fraglich ist mithin, ob rechtlich wirksame bzw. rechtlich unwirksame unechte Gesetzgebungsverträge ein taugliches Umsetzungsmittel darstellen können oder vielmehr wegen Verstoßes gegen Art. 288 AEUV ein Umsetzungsdefizit verkörpern. 91 Demgegenüber kommen Umweltvereinbarungen auch dann in Betracht, wenn kein Umsetzungsspielraum vorliegt. Bei Umweltvereinbarungen handelt es sich um einseitige Verpflichtungen (sog. Selbstverpflichtungen) der Privatwirtschaft. Hier findet regelmäßig keine Verhandlung statt. Vielmehr empfindet das Privatrechtssubjekt die Selbstverpflichtung als „milderes Mittel“ beispielsweise im Verhältnis zu einem Legislativakt. Der Gesetzgebungsvertrag basiert demgegenüber auf dem Grundprinzip der Verhandlung. Er enthält mehrseitige Verpflichtungen, denen zumeist ein gegenseitiges Nachgeben vorangegangen ist. Gegenseitiges Nachgeben ist aber aus staatlicher Sicht nur dann denkbar, wenn ein Umsetzungsspielraum vorliegt. Da Umweltvereinbarungen nicht von einem gegenseitigen Nachgeben geprägt sind, mithin nicht auf dem Verhandlungsprinzip basieren, kommen sie auch dann in Betracht, wenn kein Umsetzungsspielraum gewährt wird.
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Soweit eine Richtlinie selbst zu ihrer Umsetzung vertragliche Vereinbarungen oder rechtlich unverbindliche Maßnahmen vorsieht, ist eine Absprache in Form eines Gesetzgebungsvertrags zulässig.92 Sieht die Richtlinie ein derartig konkretes Umsetzungsmittel demgegenüber nicht vor, ist fraglich, inwieweit ein unechter Gesetzgebungsvertrag als Umsetzungsmittel in Betracht kommt, soweit der Sekundärrechtsakt dem Gesetzgeber abstrakt einen Umsetzungsspielraum zugesteht. Der Problemkern liegt dabei darin, dass Richtlinien grundsätzlich „in zwingendes und verbindliches staatliches Recht“ umgesetzt werden müssen.93 Ausgangspunkt einer Bewertung müssen zunächst die materiellen und formellen Grenzen der Umsetzung des europäischen Sekundärrechts durch die Mitgliedstaaten sein. Materiell ergibt sich aus dem Wortlaut des Art. 288 AEUV, dass Richtlinien hinsichtlich des „zu erreichenden Ziels verbindlich“ sind. Die Richtlinie gibt den Rechtszustand vor, der von den Mitgliedstaaten herzustellen und beizubehalten ist. Diejenigen Rechtswirkungen, die sich aus dem Inhalt der Richtlinie ableiten lassen, müssen von dem Mitgliedstaat garantiert sein und schränken so die Wahl des Umsetzungsmittels ein.94 In formeller Hinsicht gewährt Art. 288 AEUV den staatlichen (Gesetzgebungs-) Stellen hinsichtlich der Umsetzung einer Richtlinie „die Wahl und Form der Mittel“. Die zur Umsetzung und Ausführung berufenen Organe sind lediglich an das Richtlinienziel gebunden, in der „Rechtstechnik“ sowie der „wirtschafts- und sozialpolitischen Methode“ hingegen frei.95 Grenzen erfährt die postulierte Wahlfreiheit aber dahingehend, dass Form und Mittel geeignet sein müssen, das von der Richtlinie vorgegebene verbindliche Ziel erreichen zu können. Insoweit besteht eine Wechselbeziehung zur materiellen Grenze. Zudem muss die Art der Umsetzung eindeutig und hinreichend bestimmt sein. Denn nur so kann der Einzelne von den ihm durch die Richtlinie zugesprochenen Rechten Kenntnis erlangen und eine entsprechende gerichtliche Durchsetzung anstreben.96
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Für Umweltvereinbarungen bestimmen beispielsweise Art. 3 und 4 der Richtlinie 85/339/ EWG über Verpackungen für flüssige Lebensmittel v. 27. Juni 1985 (ABl. EG Nr. L 176, S. 18), dass die Mitgliedstaaten Zielvorgaben (Programme) schaffen, die nicht nur durch Rechts- und Verwaltungsvorschriften, sondern auch im Wege freiwilliger Vereinbarungen umgesetzt werden können. Zudem wird im Abkommen über Sozialpolitik (ABl. Nr. C. 224 v. 31.8.1992, S. 127, Art. 2) ausdrücklich auf Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern als Mittel zur Durchführung von Richtlinien auf diesem Gebiet hingewiesen. 93 Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, 2015, Art. 288 Rn 121. 94 Der Begriff des „Ziels“ ist dementsprechend ungenau. In anderen Mitgliedstaaten spricht die Fassung hier etwa von „résultat“, „result“, „risultato“ oder „resultaat“. In der Literatur wird vereinzelt gefordert, anstelle des „Ziels“ von „Ergebnis“ zu sprechen, vgl. Ruffert, in: Calliess/ Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 2011, Art. 288 Rn 23. 95 Biervert, in: Schwarze (Hrsg.), EUV/AEUV, 2012, Art. 288 Rn 28. 96 So der EuGH Slg. 1985, 1661 Rn 23; Slg. 1991, I-4269 Rn 18 f.; gl. hierzu auch Biervert, in: Schwarze (Hrsg.), EUV/AEUV, 2012, Art. 288 Rn 26.
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Vor diesem Ausgangsbefund könnte vertreten werden, dass Gesetzgebungsverträgen der Makel der Allgemeinunverbindlichkeit inne wohnt. Der Vertrag wirkt lediglich inter partes. Darüber hinaus ist das Vertragswerk beliebig Änderungen zugänglich.97 Demgegenüber ist es Teil der mitgliedstaatlichen Autonomie, über die Art und Weise (d. h. das „wie“) der Umsetzung von Richtlinien zu entscheiden.98 Entsprechend müssen rechtswirksame Vereinbarungen zwischen Hoheitsträger und Privatrechtssubjekt ein ordnungsgemäßes Umsetzungsmittel darstellen können, „wenn sie hinreichend verbindlich sind und die ggf. vorhandenen subjektiven Rechte im innerstaatlichen Bereich sicher gewährleisten“.99 Das Argument, dass auch vertraglichen Vereinbarungen dem Verbindlichkeitsanspruch des Art. 288 AEUV genügen, greift demgegenüber nicht bei rechtlich unwirksamen, lediglich faktisch wirksamen unechten Gesetzgebungsverträgen. Diesbezüglich lässt sich zwar anführen, dass für eine den Anforderungen des Art. 288 AEUV entsprechende Umsetzung eines Sekundärrechtsaktes nicht allein dessen Verbindlichkeitsgrad entscheidend ist, sondern vorrangig dessen praktische Wirksamkeit (effet utile). Denn zuvorderst müssen die mit der Richtlinie verfolgten Ziele erreicht werden. So hat der EuGH bereits früh hinsichtlich der Anforderungen an die Richtlinienumsetzung formuliert, „daß die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, innerhalb der ihnen nach Art. 189 EWGV belassenen Entscheidungsfreiheit die Formen und Mittel zu wählen, die sich zur Gewährleistung der praktischen Wirksamkeit (effet utile) der Richtlinien unter Berücksichtigung des mit ihnen verfolgten Zwecks am besten eignen“.100 Der Verbindlichkeitsgrad des Umsetzungsmittels ist nach dieser Formulierung nicht absoluter Rechtmäßigkeitsmaßstab, sondern bloßer Rechtmäßigkeitsfaktor. Der Mitgliedstaat könnte sich demnach bewusst für einen geringen Verbindlichkeitsgrad entscheiden, solange die Wirksamkeit der Richtlinie gewährleistet ist. Freilich setzt sich der Mitgliedstaat dem Risiko des Umsetzungsdefizits aus. Dies allein kann aber nicht die Unzulässigkeit eines Umsetzungsmittels rechtfertigen.101 Vielmehr könnte von der Zulässigkeit derartiger unverbindlicher Maßnahmen auszugehen sein, solange und soweit die Mitgliedstaaten tatsächlich sicherstellen, dass die Vereinbarung eingehalten wird, damit die Zielvorgaben der Richtlinie erreicht werden. Hiergegen spricht allerdings, dass eine derartige (Rechts-)Aufsicht praktisch wohl nur schwer 97 In Bezug auf Umweltvereinbarungen: Weber UPR 1992, S. 5; Bohne VerwArch 75 (1984), S. 343 ff., 362 f., welcher sich für ein Abspracheverbot analog § 54 S. 1 VwVfG mit der Begründung ausspricht, dass Vereinbarungen nationales Recht nicht gestalten, sondern lediglich eine tatsächliche Praxis begründen. 98 In Bezug auf Umweltvereinbarungen Becker DÖV 1985, S. 1006 f. und Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 134 ff. 99 Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 2011, Art. 288 AEUV Rn 34; Fluck/ Schmitt VerwArch 88 (1998), S. 220 ff., 247 ff.; A. A. Bohne VerwArch 75 (1984), S. 343 ff, 362 f. 100 Grundlegend EuGH, Slg. 1976, 497. 101 A. A. in Bezug auf Umweltvereinbarungen Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 136, wonach Selbstverpflichtungen dem Erfordernis der Verbindlichkeit einer nationalen Regelung nicht gerecht werden. Erforderlich sei ein verbindlicher normativer Umsetzungsakt.
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durchführbar ist. Zudem lässt die Kommission im Bereich der vergleichbar gela gerten Umsetzung durch Umweltvereinbarungen selbst verbindliche Vereinbarungen nur sehr restriktiv als Umsetzungsmittel zu.102 Aus dem Erfordernis der Rechtssicherheit folgt letztlich, dass die Notwendigkeit eines einheitlichen Schutzniveaus im Binnenraum den Mitgliedstaat verpflichtet, ein Umsetzungsmittel mit hinreichendem Verbindlichkeitsniveau zu wählen. Festzuhalten ist im Ergebnis, dass Gesetzgebungsverträge als Umsetzungsmittel prinzipiell nur dann in Betracht kommen, wenn die Richtlinie dem Mitgliedstaat einen Umsetzungsspielraum einräumt. Selbst dann kommt Art. 288 AEUV aber lediglich bei unechten Gesetzgebungsverträgen als Prüfungsmaßstab in Betracht, wobei nur diejenigen vertraglichen Gestaltungen nicht gegen Art. 288 AEUV verstoßen, die rechtsverbindlich, d. h. nicht aus anderen (etwa national verfassungsrechtlichen) Gründen rechtsunwirksam sind. c) Grundfreiheiten Der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) enthält sechs Grundfreiheiten. Hierbei handelt es sich um die fünf klassischen Grundfreiheiten des europäischen Binnenmarktes, d. h. den freien Verkehr von Waren (Warenverkehrsfreiheit, Art. 28–37 AEUV), die Freizügigkeit von Arbeitnehmern (Arbeitnehmerfreizügigkeit, Art. 45–55 AEUV), die Niederlassungsfreiheit (Art. 49–55 AEUV), den freien Dienstleistungsverkehr (Dienstleistungsfreiheit, Art. 56–62 AEUV) sowie den freien Kapital- und Zahlungsverkehr (Art. 63–66 AEUV). Daneben besteht – außerhalb des Binnenmarktes und damit „abgekoppelt“ von einer wirtschaftlichen Betätigung – mit Art. 21 Abs. 1 AEUV das Freizügigkeitsrecht der Unionsbürger als weitere Grundfreiheit. Die Marktfreiheiten dienen der „optimalen Allokation“ wirtschaftlicher Ressourcen.103 Produkte, die in einem Mitgliedstaat verkehrsfähig sind, sollen auch in einem anderen Mitgliedstaat vermarktet werden können. Entsprechendes gilt für die Ausübung wirtschaftlich relevanter Tätigkeiten. Es soll stets die Berechtigung bestehen, eine wirtschaftliche, d. h. eine für den Binnenmarkt relevante Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat auszuüben. Als „transnationale Integrationsnormen“ adressieren die Grundfreiheiten vor allem die Mitgliedstaaten, wobei der Begriff des „Mitgliedstaats“ funktional und damit verhaltensbezogen zu verstehen ist. 102
Nach der Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über Umweltvereinbarungen (KOM(96) 562 endg. v. 27.11.1996) folgt aus dem verbindlichen Charakter von Richtlinien, dass „die innerstaatlichen Rechtsvorschriften unbedingt einen klaren rechtlichen Rahmen bilden und dadurch Rechtssicherheit bieten“ müssen, (S. 19). Hierfür sei es aber nicht immer erforderlich, dass „unbedingt gesetzliche Umsetzmaßnahmen getroffen werden“. Es genüge in bestimmten Fällen, wenn die Mitgliedstaaten „verbindliche Maßnahmen ergreifen“. „Verbindliche Vereinbarungen“ könnten demgemäß ein ausreichendes Mittel zur Durchführung sein (S. 18). 103 Vgl. Herdegen, Europarecht, 2015, § 14 Rn 2.
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Fraglich ist, ob ein Gesetzgebungsvertrag den Grundfreiheiten zu unterwerfen ist. Dies hängt maßgeblich davon ab, an welche staatlichen Verhaltensweisen die Grundfreiheiten adressiert sind. Dieser Kreis ist grundsätzlich weit zu ziehen. Erfasst werden nicht nur Maßnahmen von Hoheitsträgern im formellen Sinne, sondern alle Verhaltensweisen, die den Mitgliedstaaten funktional zugerechnet werden können.104 Seit der Rechtssache „Buy Irish“ ist darüber hinaus höchstrichterlich geklärt, dass dem Begriff der „hoheitlichen Maßnahme“ nicht nur rechtsverbindliche Akte wie Gesetze, Rechtsverordnungen und Satzungen unterfallen. Erfasst werden auch unverbindliche Verhaltensweisen, sofern sie dem Staat zurechenbar sind.105 Unabhängig von der Bindungswirkung und der Erfüllung der versprochenen Pflichten in einem Gesetzgebungsvertrag stellt somit bereits der Abschluss eines Gesetzgebungsvertrags eine Maßnahme dar, welche an den Grundfreiheiten bzw. bereits erlassenen Harmonisierungsmaßnahmen zu messen ist. Denn die von dem Privatrechtssubjekt übernommene Verpflichtung ist staatlicherseits zumindest mitveranlasst. Sie ist nicht mehr originärer Ausfluss der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit. Das Privatrechtssubjekt würde sich nicht in der zugesagten Weise verhalten, wenn und soweit dieser Verhaltensweise nicht eine bestimmte staatliche Verhaltensweise im förmlichen Gesetzgebungsverfahren synallagmatisch in Aussicht gestellt würde. Als Kontrollüberlegung erscheint es geeignet, danach zu fragen, ob die von dem Privatrechtssubjekt versprochene Verpflichtung gegen die Grundfreiheiten verstoßen würde, soweit sie als Gesetz, Rechtsverordnung oder Satzung ergangen wäre. Vorbehaltlich einer Rechtfertigung sind demnach Gesetzgebungsverträge verboten, die geeignet sind, die Inanspruchnahme der entsprechenden Grundfreiheit sowie die Ausübung der darin verbürgten Tätigkeit durch die Unionsbürger zu verbieten, zu behindern oder sie weniger attraktiv zu machen.106 Dies gilt auch für unterschiedslos geltende, d. h. In- und Ausländer bzw. inländische und grenzüberschreitende Sachverhalte gleichermaßen betreffende Maßnahmen eines Mitgliedstaates. Der Abschluss eines Gesetzgebungsvertrags stellt aber dann keine Beschränkung dar, wenn seine Auswirkungen als zu ungewiss und zu mittelbar anzusehen sind, als dass der freie Personen- oder Produktverkehr beeinträchtigt werden könnte.107 Für den Bereich des freien Warenverkehrs gilt daneben, dass vertriebsbezogene Beschränkungen, welche unterschiedslos gelten und den Marktzugang unberührt lassen, keine Maßnahme gleicher Wirkung wie eine Ein 104
Kingreen, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 2011, Art. 36 Rn 104 f. m. w. N. EuGH Slg. 1982, 4005. In dem Verfahren hatte die irische Regierung vorgetragen, der Begriff der „Maßnahmen“ nur die von einer Behörde erlassene, zwingende Rechtsakte erfasse. Das Gericht stellte diesbezüglich fest, dass auch unverbindliche Verhaltensweisen eine Maßnahme darstellen können. Auch in anderen Entscheidungen geht der EuGH von einem derartigen Verständnis des Maßnahmebegriffs aus, vgl. in Bezug auf Verwaltungsvorschriften oder eine Verwaltungspraxis (EuGH Slg. 2002, I-9977) sowie Ausschreibungen (EuGH Slg. 1988, 4929 sowie Slg. 2001, I-9507). Hierzu auch Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, 2014, Rn 861. 106 EuGH Slg. 2009, I-3491 Rn 62; EuGH Slg. 2008, I-1683 Rn 45. 107 EuGH Slg. 1993, I-5009 Rn 12. 105
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fuhrbeschränkung darstellen.108 Im Bereich der Freizügigkeitsrechte sind letztlich nach der Rechtsprechung des EuGH Berufsausübungsregeln zulässig, die ohne Auswirkungen auf den Marktzugang sind.109 Zwar soll das Unionsrecht grundsätzlich auch Beschränkungen der Unionsgrundrechte von geringfügiger Tragweite verbieten.110 Da andernfalls der Anwendungsbereich der Grundfreiheiten wohl ausufern würde, sind benannte Maßnahmen ohne spürbare Auswirkungen auf die jeweiligen Grundfreiheiten von einer beschränkenden Wirkung auszunehmen. 2. National verfassungsrechtliche Grenzen a) Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 2) Kooperative Rechtsetzung bzw. Rechterzeugung erscheint vor allem in Bezug auf das Erfordernis der demokratischen Legitimation staatlicher Verhaltensweisen problematisch. aa) Allgemeines Das in Art. 20 Abs. 1 GG grundsätzlich festgelegte Demokratieprinzip wird in Art. 20 Abs. 2 GG konkretisiert. S. 1 GG legt den Grundsatz der Volkssouveränität fest, welcher in S. 2 näher ausgestaltet wird.111 Nach Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG geht alle Staatsgewalt vom Volke aus. Der Grundsatz der Volkssouveränität räumt dem Staatsvolk das Recht ein, über eigene Angelegenheiten selbst zu bestimmen.112 Das Staatsvolk ist als Souverän Träger der Staatsgewalt. Trägerschaft bzw. Innehabung und Ausübung der Staatsgewalt fallen indes in der Bundesrepublik Deutschland grds. auseinander. Zwar wird nach Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG Staatsgewalt „vom Volke“ ausgeübt. Die Aufspaltung folgt allerdings daraus, dass das Staatsvolk bei der Ausübung auf „Wahlen und Abstimmungen“ beschränkt ist, die daraufhin legitimierten „besonderen Organe“ hingegen keiner Beschränkung bei der Ausübung der Staatsgewalt unterliegen (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG). Der Grundsatz der Volkssouveränität ist demgemäß „keine Zuständigkeitsregelung, sondern ein Legitimations- und Verantwortungsprinzip“.113 Inhalt und Anforderung der Volkssouveränität ist vorrangig, dass sämtliche (von „besonderen Organen“ ausgeübte) Staatsgewalt auf den Willen des Staatsvolks
108
EuGH Slg. 1993, I-6097. EuGH Slg. 2009, I-3491 Rn 63 f. 110 EuGH Slg. 2010, I-6645. 111 BVerfGE 83, 60, 71. 112 Demokratie als „Idee der freien Selbstbestimmung aller Bürger“, BVerfGE 44, 125, 142. 113 Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Band 2, 2. Aufl., 2006, Art. 20 Rn 87. 109
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rückführbar ist.114 Das Staatsvolk ist Legitimationsquelle. Eine nicht auf das Volk rückführbare und von ihm nicht (zumindest mittelbar) legitimierte staatliche Verhaltensweise verstößt gegen das Demokratieprinzip.115 Freilich erfordert der Grundsatz der Volkssouveränität nicht, dass jederzeit und im Einzelfall eine Sachentscheidungsbefugnis erteilt wird. Eine Autorisierung der besonderen Organe erfolgt vielmehr nach den Grundsätzen des Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG. Dieser führt das Legitimations- bzw. Verantwortungsprinzip näher aus, indem er festlegt, dass die Staatsgewalt „vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt“ wird. Ausgehend von diesen Rahmenbedingungen stellt sich die Frage, welchen normativen Anforderungen der Verantwortungs- und Legitimationszusammenhang zwischen Volk und Staatsorgan, d. h. zwischen Innehabung und Ausübung genügen muss. Letztlich geht es hierbei darum, eine legitimatorische Brücke zu bauen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erfordert die verfassungsrechtlich notwendige demokratische Legitimation „eine ununterbrochene Legitimationskette vom Volk zu den mit staatlichen Aufgaben betrauten Organen und Amtswaltern“.116 Ob ein hinreichendes Niveau an demokratischer Legitimation erreicht ist, hängt nach h. M. davon ab, ob die zu unterscheidenden Formen der institutionellen, funktionellen, sachlich-inhaltlichen und personellen Legitimation „nicht je für sich […], sondern […] in ihrem Zusammenwirken“ ein ausreichendes (Gesamt-)Legitimationsniveau vermitteln.117 Anhand dieses Ausgangsbefunds ist in der Folge zu ermitteln, ob die verschiedenen Formen des Gesetzgebungsvertrags gegen den Grundsatz der Volkssouveränität verstoßen. bb) Gesetzgebungsverträge im Spannungsfeld demokratischer Legitimation (1) Notwendigkeit einer Legitimationsvermittlung Die Notwendigkeit einer hinreichenden Legitimationsvermittlung ist Konse quenz der Aufspaltung staatlicher Gewalt in Innehabung und Ausübung. Da sämtliche Staatsgewalt vom Staatsvolk ausgehen muss, bedarf die Ausübung durch besondere Staatsorgane der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung eines demokratischen Legitimationszusammenhangs. Nur so kann gesichert werden, dass Verhaltensweisen eines Staatsorgans Ausdruck des Volkswil 114
BVerfGE 47, 253, 257; 83, 60, 71 f.; 107, 59, 87. Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Band 2, 2. Aufl., 2006, Art. 20 Rn 87. 116 BVerfGE 107, 59, 87 m. w. N. 117 BVerfGE 107, 59, 87 m. w. N. 115
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lens sind. Das Erfordernis der demokratischen Legitimation ist letztlich Ausdruck der Notwendigkeit, dass sich das Organ gegenüber dem Staatsvolk verantworten muss und das Staatsvolk effektiv Einfluss auf die Ausübung der Staatsgewalt nehmen kann. Anhand dieser Grundstruktur hat die Rechtsprechung eine feingliedrige Dogmatik demokratischer Legitimationsvermittlung entwickelt. Auszugehen ist von einem formellen und einem materiellen Aspekt. Der formelle Aspekt umfasst die unterschiedlichen Formen der Legitimationsvermittlung vom Volk zu der konkret ausgeübten Staatsgewalt und andersherum. Unterschieden werden hier nach h. M. die personell-organisatorische, die sachlich-inhaltliche und die institutionellfunktionelle Vermittlung demokratischer Legitimation. Mithilfe des materiellen Aspekts wird sodann ermittelt, ob diese verschiedenen Formen demokratischer Vermittlung „im Ergebnis einen hinreichenden Einfluss des Volks auf das staatliche Verhalten ermöglichen“.118 Anhand dieser Effizienzanalyse bestimmt sich das (Gesamt-)Legitimationsniveau. Letztlich entscheidend ist nicht die Form der Legitimationsvermittlung, sondern die Effektivität der demokratischen Legitimationsvermittlung, d. h. das wechselseitig bestimmbare Gesamtniveau, wobei sich die Legitimationsbedürftigkeit stets nach dem Entscheidungsgehalt des amtlichen Handelns richtet.119 (2) Die klassischen Formen demokratischer Legitimationsvermittlung Demokratische Legitimation gewährleistet die effektive Einflussnahme des Volks auf die Ausübung staatlicher Herrschaftsgewalt.120 Nach der vom Bundesverfassungsgericht121 vertretenen Dogmatik (formeller) demokratischer Legitimationsvermittlung werden drei Komponenten unterschieden: Die personell-organisatorische, die sachlich-inhaltliche und die institutionell-funktionelle. Diese einzelnen Komponenten müssen nicht gleichwertig nebeneinander vorliegen, damit ein hinreichendes Legitimationsniveau gewährleistet ist. Sie können sich vielmehr wechselseitig kompensieren, in „seltenen Ausnahmefällen bis hin zur Totalsubstitution“.122
118
Grzeszick, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 2014, Art. 20 Rn 117 ff. BVerfGE 83, 60, 72; 93, 37, 67. Treffend formuliert im Ergebnis Anderl, dass eine „Legitimationsausdünnung hinsichtlich der einen oder anderen Komponente so lange unschädlich“ sei, d. h. die „Staatsgewalt […] dem Volkswillen zurechenbar“ bleibt, „wie das erforderliche Legitimationsniveau insgesamt erreicht“ werde, vgl. ders., Gesetzgebung und kooperatives Regierungshandeln, 2006, S. 233 120 Anderl, Gesetzgebung und kooperatives Regierungshandeln, 2006, S. 228. 121 BVerfGE 83, 37 ff.; 83, 60 ff.; 93, 37. 122 Kahl AöR 130 (2005), S. 225 ff., 237. So wird beispielsweise im Rahmen der Beleihung das erforderliche Legitimationsniveau ausschließliche über die sachlich-inhaltliche Komponente erreicht. 119
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Die funktionell-institutionelle Legitimation bezieht sich auf die verfassungsrechtlich installierten und demokratisch autorisierten Gewalten. Konkret handelt es sich hierbei um die von der Verfassung selbst in Art. 20 Abs. 2 GG in grundsätzlicher Weise festgeschriebenen Organe der gesetzgebenden, vollziehenden und rechtsprechenden Gewalt. Diese drei Gewalten werden „als je eigene Funktionen und Organe konstituiert“, durch welche das Volk die von ihm ausgehende Staatsgewalt ausübt.123 Der jeweilige Organwalter erlangt hierdurch keine vermittelte demokratische Legitimation.124 Die Legitimation des Organwalters erfolgt vielmehr in einem zusätzlichen Akt. Diese personell-organisatorische Legitimation der mit staatlichen Angelegenheiten betrauten Amtswalter muss Ausfluss einer ununterbrochenen, auf das Volk zurückgehenden Legitimationskette sein. Entsprechend des sog. „Prinzips der individuellen Berufung der Amtswalter durch das Volk oder durch volksgewählte Organe“125, ist eine auf den einzelnen Amtswalter bezogene, lückenlose (unmittelbare oder mittelbare) Legitimation durch das Volk als Inhaber der Staatsgewalt erforderlich.126 Die sachlich-inhaltliche demokratische Legitimation dient daneben dazu, Staatsgewalt „ihrem Inhalt nach“ auf den Volkswillen rückführbar zu machen. Ebenso wie im Rahmen der personell-organisatorischen Legitimation soll so die Ausübung der Staatsgewalt durch das Volk gewährleistet werden.127 Sachlich-inhaltliche Legitimation ist in zweierlei Weise möglich: Zum einen durch Zuweisung der Gesetzgebungsbefugnis an das Parlament als unmittelbar qua Wahlakt legitimiertem Repräsentationsorgan und einer damit verbundenen Bindung (Art. 20 Abs. 3 GG) der vollziehenden und rechtsprechenden Gewalt sowie untergesetzlicher Normgeber an parlamentarische Legislativakte. Zum anderen im Wege kontrollierter und sanktionierter demokratischer Verantwortlichkeit der verfassungsrechtlich institutionalisierten Gewalten.128 So ist der Bundestag grundgesetzlich dem Volk gegenüber verantwortlich, welches in periodisch wiederkehrenden Wahlen (Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG) über seine Zusammensetzung entscheidet. Die Bundesregierung ist wiederum dem Bundestag gegenüber verantwortlich, der den Bundeskanzler wählt (Art. 63 Abs. 1, Art. 69 Abs. 2 GG) und von dessen fortlaufendem Vertrauen der Bundeskanzler – und mit ihm die Bundesminister (Art. 69 Abs. 2 GG) – abhängig ist (Art. 67 Abs. 1 S. 1, 68 Abs. 1 S. 1 GG). Darüber hinaus verfügt das Parlament über umfassende Kontrollinstrumente.129 123
BVerfGE 49, 89, 125 und 68, 1, 89. Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band 2, 2004, § 24 Rn 15; denn sonst könnten die einmal demokratisch gebildeten Gewalten ihre personelle Besetzung und ihre Tätigkeit „selbstläufig und unabhängig vom Volk“ festlegen. 125 Herzog, Allgemeine Staatslehre, 1971, S. 210. 126 Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band 2, 2004, § 24 Rn 16. 127 Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band 2, 2004, § 24 Rn 21. 128 Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band 2, 2004, § 24 Rn 21. 129 Vgl. oben unter B. I. 3. 124
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Mittelbar betroffen sind auch nachgeschaltete Behörden und Organe, soweit sie der Weisungsgewalt oder Aufsichtsbefugnissen der Regierung bzw. den Ministern unterstehen. Das Handeln solcher Stellen der vollziehenden Gewalt bedarf einer Weisungsgewalt parlamentarisch unmittelbar kontrollierter Organe, damit auch ihr Handeln „im Geist der Volksvertretung“130 sichergestellt wird. Zwischen diesen Wegen sachlich-inhaltlicher demokratischer Legitimation besteht ein „korrelativer Zusammenhang“.131 Entfällt die demokratische Verantwortlichkeit und Weisungsabhängigkeit hat dies eine strikte Bindung an das Gesetz dergestalt zur Folge, dass eigene Gestaltungsspielräume entfallen. Formuliert das Gesetz umgekehrt nicht näher beschriebene Handlungsermächtigungen und Ermessensspielräume, muss eine Verantwortlichkeit bzw. Weisungsabhängigkeit bestehen. Ermangelt es sowohl einer strikten Gesetzesbindung als auch einer sanktionierten Verantwortlichkeit, entsteht eine demokratische Exemtion, d. h. eine Herauslösung der mit Staatswirkung intendierten Entscheidungen aus dem Gebilde demokratisch legitimierter Entscheidungsprozesse.132 Dies ist nur aus zwingenden Gründen und in restriktiv zu Handhabenden Sachverhaltskonstellationen zulässig.133 (3) Alternative Ansätze demokratischer Legitimationsvermittlung In Orientierung an einem Gesamtniveau demokratischer Legitimation, entwickelten sich in der Literatur alternative Ansätze zur Begründung eines hinreichenden Zurechnungszusammenhangs zwischen Staatsgewalt und Volkswillen.134 Begründet wird die Schaffung neuer Substitutionsmöglichkeiten damit, dass nur so der Gefahr einer „schematische[n] Handhabung des grundsätzlich höchst wertvollen Konzepts demokratischer Legitimation“ und der damit verbundenen „sachlich unangemessenen Engführung“ staatlicher Entscheidungsformen begegnet werden könne.135 Unter der Hypothese, dass die Offenheit für andere Legitimationsmodi die Qualität staatlicher Entscheidungsformen positiv fördert, soll (unter Verzicht auf traditionelle Legitimationsketten) im Einzelfall ein hinreichendes Legitimationsniveau durch Schaffung von Akzeptanz, Partizipation der von der Ausübung der
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Von Stein, Die Verwaltungslehre, Teil 1, 1. Halbb., 1986, S. 345 ff. Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band 2, 2004, § 24 Rn 21 f. 132 Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band 2, 2004, § 24 Rn 22. 133 Hierzu Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band 2, 2004, § 24 Rn 22. 134 Aus der Vielzahl der Literatur sei beispielhaft verwiesen auf Hoffmann-Riem, in: SchmidtAßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, 1997, S. 355 ff., 375 f.; ders. DÖV 1997, S. 433 ff, 438; Schneider, in: Schmidt-Aßmann/HoffmannRiem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, 1997, S. 103 ff, 109 ff. u. 135 ff.; Czybulka, Die Legitimation der öffentlichen Verwaltung unter Berücksichtigung ihrer Organisation sowie der Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes, 1989, S. 67 ff, 265 ff, 323; v. Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, 2000, S. 398 ff,; Michael, Rechtsetzende Gewalt im kooperierenden Verfassungsstaat, 2002, S. 495 f.; Voßkuhle/Sydow JZ 2002, S. 673 ff. 135 Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Band 2, 2. Aufl., 2006, Art. 20 (Demokratie) Rn 117. 131
132
C. Gesetzgebungsverträge der Bundesregierung als Rechtsproblem
Staatsgewalt Betroffenen, Richtigkeit und Effizienz hergestellt werden können.136 Zur Wahrung des Demokratieprinzips genüge eine „Verzahnung“ normativer und empirischer orientierter „Legitimationsbausteine“.137 Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die demokratische Legitimationsvermittlung seien letztlich immer dann gewahrt, wenn das Gesamtniveau der Legitimation ausreichend ist.138 Hieran gemessen, wäre die Unvereinbarkeit eines Gesetzgebungsvertrags mit dem Demokratieprinzip wohl abzulehnen. Wie bereits gezeigt, wohnt dieser Form der kooperativen Rechtsetzung erhebliches Potential zur Effektuierung gesetzgeberischer Prozesse inne. Die legistische Beteiligung des Regelungssubjekts hebt darüber hinaus das Akzeptanzniveau. Trotz der Kritik am herrschenden Legitimationsmodell des Bundesverfassungsgerichts,139 erscheint es vorzugswürdig, das klassische Modell demokratischer Legitimationsvermittlung als Grundlage (und Prüfstein) weiterhin anzuwenden.140 Die aufgezeigten Alternativansätze begründen die Gefahr einer expertokratischen Übernahme. Darüber hinaus garantiert das klassische Legitimationsmodell neben einer Entwicklungs- auch eine inhaltliche Offenheit. So hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung herausgestellt, das auch die Formen klassischer Legitimationsvermittlung prinzipiell Legitimationssubstitute zulassen. Mit Beschluss zum Lippeverbandsgesetz vom 5. Dezember 2002 für den Bereich der funktionalen Selbstverwaltung hat das Gericht eine Ersetzung der strengen personellen Legitimation durch andere Formen demokratischer Legitimation gebilligt. Die Grundsätze einer ununterbrochenen, auf das Volk rückführbaren Legitima tionskette würden nur eine, nicht aber die einzige Form demokratischer Organisa tion und Ausübung von Staatsgewalt darstellen.141 Die vollständige Verwerfung 136
Hoffmann-Riem, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisations recht als Steuerungsressource, 1997, S. 355 ff., 393; ders. DÖV 1997, 433, 438 ff.; Schneider, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, 1997, S. 103 ff., 109 ff., 135 ff.; Dederer, Korporative Staatsgewalt, 2004, S. 251 ff. 137 Hoffmann-Riem, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisations recht als Steuerungsressource, 1997, S. 355 ff., 393. 138 Dies entspricht der politikwissenschaftlichen Differenzierung zwischen „Input“- und „Output-Legitimation“. Während erstere Variante das demokratische Verfahren in den Vordergrund rückt, mithin entsprechend der traditionell rechtswissenschaftlichen Konzeption demokratischer Legitimation die „Partizipation der Bürger und die Verantwortlichkeit der Regierenden gegenüber den Regierten“ postuliert, beschreibt die zweite Variante „die sachliche Qualität der Politik und die Effektivität der Orientierung auf das Gemeinwohl, die erst die Opfer rechtfertigen kann, die kollektives Handeln vom Einzelnen fordert, vgl. hierzu Anderl, Gesetzgebung und kooperatives Regierungshandeln, 2006, S. 234; ebenso Blumenthal APuZ B 43/2003, S. 9 ff., 14 sowie Engel VVDStRL 59 (2000), S. 160. 139 Schliesky, Souveränität und Legitimität von Herrschaftsgewalt, 2004, S. 281 ff.; Bryde StWStP 5 (1994), S. 305 ff., 315; Schuppert Der Staat 32 (1993), S. 581 ff., 595 ff. 140 Hierfür Mehde, Neues Steuerungsmodell und Demokratieprinzip, 2000, S. 572, wonach „die immer bessere Erfüllung der Aufgaben auch zu einer ebensolchen Fundierung und Weiterentwicklung der Beiträge zum Legitimationsniveau führt“. 141 BVerfGE 107, 59, 87 ff.
III. Rechtliche Grenzen eines Gesetzgebungsvertrags
133
klassischer Legitimationsketten erscheint demgemäß nicht notwendig, soweit man die Flexibilität klassischer Komponenten annimmt und eine systematische Fortentwicklung zulässt. Darüber hinaus überzeugen die beschriebenen alternativen Ansätze aus folgenden Gründen nicht: Legitimation im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG kann ausschließlich mittels der Rückführbarkeit von Staatsgewalt auf deren originären Träger erlangt werden. Die Effizienz staatlicher Tätigkeit bewirkt aber keine dementsprechende legitimitätsstiftende Rückbindung. Ähnlich verhält es sich bei der Schaffung von Akzeptanz. Zwar wohnt der Akzeptanz des Adressaten ein gewisses Maß an demokratischer Rückbindung inne. Akzeptanz, verstanden als die Billigung inhaltlich feststehender Staatsgewalt, ist aber stets ein Produkt bereits ausgeübter Staatsgewalt. Die demokratische Legitimation muss aber bereits auf der vorgelagerten Ebene des Entscheidungsprozesses bestehen.142 Erst Recht verbietet sich eine Zuerkennung legitimationsschaffender Wirkung durch die Partizipation der von der Ausübung von Staatsgewalt im Einzelfall betroffenen Rechtssubjekte (sog. Betroffenheitskonzept). Art. 20 Abs. 2 GG formuliert zwar, dass Staatsgewalt seinen Ursprung beim „Volke“ hat. Gemeint ist hiermit zunächst das der Bundesrepublik Deutschland angehörende Staatsvolk, mithin das deutsche Volk in seiner Gesamtheit auf Landes- oder Bundesebene und nicht einzelne Gruppierungen.143 Darüber hinaus bestünde erhebliche Rechtsunsicherheit betreffend der Frage, wer „Betroffen“ ist. Kriterien für die Ermittlung der Betroffenheit fehlen. Ebenso könnte der paradoxe Fall eintreten, dass ausländische Rechtssubjekte, die grundsätzlich nicht dem „Staatsvolk“ unterfallen aufgrund einer im Einzelfall bestehenden Betroffenheit dennoch Ausgangspunkt staatsvolksgebundener Legitimation sind. Letztlich ist zu beachten, dass die Betroffenen im Vergleich zu Nicht-Betroffenen über eine doppelte Partizipationschance verfügen.144 Zunächst im Rahmen des verfassungsrechtlich garantierten Wahlakts durch Einflussnahme auf die Volksvertretung, sodann im Rahmen der zusätzlich eingeräumten Einflussnahmemöglichkeit bei der nachgelagerten tatsächlichen Ausübung von Staatsgewalt. Aufgrund dieser Einwände erscheint letztlich das vom Bundesverfassungsgericht vertretene Legitimationsmodell überzeugend. Durch die fortschreitende (kontrollierte) Öffnung des bestehenden Legitimationsmodells mittels der Anerkennung neuer Substitutionsmöglichkeiten lässt sich für sämtliche Entscheidungsformen ein hinreichendes Legitimationsniveau konstruieren. Einen wesentlichen Beitrag zur flexiblen Anwendung des klassischen Legitimationsmodells liefert zudem die Möglichkeit, einzelne Komponenten zum Zwecke wechselseitiger Kompensation unterschiedlich zu gewichten, um letztlich ein hinreichendes legitimatorisches Gesamtniveau zu erreichen. 142
Hierzu Anderl, Gesetzgebung und kooperatives Regierungshandeln, 2006, S. 235. Vgl. Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Band 2, 6. Aufl., 2010, Art. 20 Rn 148; ebenso BVerfGE 83, 37, 53; 83, 60, 71. 144 So Anderl, Gesetzgebung und kooperatives Regierungshandeln, 2006, S. 237. 143
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C. Gesetzgebungsverträge der Bundesregierung als Rechtsproblem
(4) Einzelne Formen des Gesetzgebungsvertrags Im Folgenden ist zu prüfen, inwieweit die einzelnen Formen eines Gesetzge bungsvertrags dem klassischen Legitimationsmodell zuwiderlaufen. (a) Echter Gesetzgebungsvertrag (Beschluss) und unechter Gesetzgebungsvertrag (Nichtbeschluss) Zunächst soll diejenige Variante eines Gesetzgebungsvertrags beleuchtet werden, in welcher die Bundesregierung den Beschluss eines eingebrachten Entwurfs verspricht. Diesbezüglich ist problematisch, dass der Bundesregierung kein Gesetzesbeschlussrecht zusteht. Das Recht, Bundesgesetze zu beschließen, steht nach Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG vielmehr dem Bundestag zu. Die rechtswirksame Bindung des dem Bundestag zustehenden Gesetzesbe schlussrechts sowie des damit spiegelbildlich verbundenen Gesetzesbeschlussrechts der Bundesregierung verstoßen gegen die beschriebenen Grundsätze demokratischer Legitimationsvermittlung. Die Bundesregierung ist nicht hinreichend legitimiert, um einen Gesetzesbeschluss zu fassen. Dies lässt sich zunächst damit begründen, dass die Bundesregierung ihre Legitimation vom Bundestag ableitet und nicht umgekehrt. Je wichtiger die zu treffende Entscheidung ist, desto kürzer muss die Legitimationskette sein.145 Das Grundgesetz hat sich mit Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG dafür entschieden, das Gesetzesbeschlussrecht in Angelegenheiten des Bundesrechts dem einzig unmittelbar demokratisch legitimierten Bundesorgan zu übertragen. Bloß mittelbar demokratisch legitimierten Bundesorganen steht ein letztverbindliches Recht zum Gesetzesbeschluss nicht zu. In Bezug auf die Zusage, dass ein bestimmtes Gesetz vom Bundestag nicht beschlossen wird, gilt das Gesagte entsprechend. Die Bundesregierung ist für eine solche Entscheidung nicht hinreichend legitimiert.146 (b) Echter Gesetzgebungsvertrag (Einbringung) und unechter Gesetzgebungsvertrag (Nichteinbringung und Rücknahme) Daneben gibt es auch solche Gesetzgebungsverträge, in denen die Bundesregierung verspricht, ein bestimmtes Gesetz in den Bundestag einzubringen. Hier stellt sich in Bezug auf das Demokratieprinzip vorrangig die Frage, ob eine derartige Bindung des Gesetzesinitiativrechts aus Art. 76 Abs. 1 GG die (insbesondere personell-organisatorische) Legitimationskette unzulässig stört. Denn der Gesetzent 145
Jarass, in: ders/Pieroth (Hrsg.) GG, 13. Aufl., 2014, Art. 20 Rn 9. So in Bezug auf die Verständigung der Bundesregierung mit den Energieversorgungsunternehmen v. 14. 6. 2000 auch FG Baden-Württemberg DStRE 2012, S. 296 ff., 301. 146
III. Rechtliche Grenzen eines Gesetzgebungsvertrags
135
wurf ist Ausfluss eines politischen Verhandlungsergebnisses zwischen Regierung und privatem Dritten. Diesbezüglich ist zunächst zu klären, ob die Gesetzesinitiative nach Art. 76 Abs. 1 GG überhaupt legitimationsbedürftige „Ausübung von Staatsgewalt“ darstellt. Teilweise wird dies mit der Konsequenz verneint, dass für die Initiative eine demokratische Legitimation nur in abgeschwächter Form notwendig ist.147 Denn „Staatsgewalt“ i. S. d. Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG meine nur Handeln mit Entscheidungswirkung. Diese Entscheidungswirkung könne aber erst dem Gesetzesbeschluss des Bundestages (Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG) zugemessen werden, nicht bereits der Gesetzesinitiative. Nach anderer Auffassung ist auch die Einbringung eines Gesetzes „Staatsgewalt“ in dem Sinne, dass eine hinreichende demokratische Legitimation erforderlich ist.148 Gegen die erstgenannte Auffassung spricht zunächst, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht bereits jedes amtliche Handeln mit Entscheidungscharakter unter den Begriff der Staatsgewalt zu subsumieren – mithin legitimationsbedürftig – ist.149 Für die Subsumtion einer hoheitlichen Verhaltensweise unter den Begriff der Staatsgewalt bedarf es demnach keiner unmittelbaren Wirksamkeit nach außen. Auch solche Entscheidungen, „die nur behördenintern die Voraussetzungen für die Wahrnehmung der Amtsaufgaben schaffen“ müssen als Staatsgewalt i. S. d. Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG angesehen werden.150 Auf der anderen Seite darf der Kreis der als „Staatsgewalt“ einzuordnenden Entscheidungen nicht zu weit gezogen werden. So fallen aus dem Bereich des demokratisch zu legitimierenden Handelns nach der Rechtsprechung „bloß vorbereitende und rein konsultative Tätigkeiten“ grundsätzlich heraus.151 Die Grenze zur legitimationsbedürftigen Staatsgewalt sei erst dann überschritten, wenn sich die beschriebene Teilhabe zur „Mitentscheidung“ verdichte.152
147 Ruffert DVBl. 2002, S. 1145 ff., 1150; Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 281. 148 Waldhoff/von Aswege, Kernenergie als „goldene Brücke“?, 2010, S. 74 ff. 149 BVerfGE 47, 253, 272 f.; 77, 1, 40; 83, 60, 73; 93, 37, 68; 107, 59, 87. 150 BVerfGE 107, 59, 87; 93, 37, 68. Gemäß der Rechtsprechung des Bundesverfassungsge richts handeln Verfassungsorgane organschaftlich, das heißt sie üben Staatsgewalt aus, nicht nur, wenn sie rechtsverbindliche Akte setzen, sondern auch, wenn sie von Befugnissen Gebrauch machen, die nicht unmittelbar verbindliche Wirkung hervorrufen (BVerfGE 8, 104, 115). Organschaftliches Handeln liege beispielsweise auch dann vor, wenn der Bundesrat zu Gesetzesvorlagen der Bundesregierung gemäß Art. 76 Abs. 2 GG Stellung nehme (BVerfGE 8, 104, 115). 151 BVerfGE 83, 60, 74; 47, 253, 273. Dagegen wird eingewendet, dass das Demokratieprinzip keinen „Bagatellvorbehalt“ kennt, vgl. Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 2014, Art. 20 Rn 92; Mehde, Neues Steuerungsmodell und Demokratieprinzip, 2000, S. 174 ff.; Oebbecke VerwArch 81 (1990), S. 349 ff., 356; Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, 1993, S. 251 ff. 152 BVerfG NJW 1991, 159, 160; hierzu auch Schmitt Glaeser VVDStRL 31 (1973), S. 175 ff., 183 f.
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C. Gesetzgebungsverträge der Bundesregierung als Rechtsproblem
Maßgeblich ist demnach, ob es sich bei der Initiativbefugnis der Bundesregierung aus Art. 76 Abs. 1 GG um eine „bloß vorbereitende“ Entscheidung oder vielmehr – etwa aufgrund der faktischen Vorprägung des Gesetzgebungsverfahrens – bereits (mindestens) um eine „Mitentscheidung“ handelt, welche in der Folge die Notwendigkeit eines hinreichenden demokratischen Legitimationsniveaus in sich trägt. Zur Beantwortung dieser Frage sei zunächst auf eine Entscheidung aus dem Kommunalrecht zur Anfechtung von Ortsbeiratswahlen hingewiesen. Der Ortsbeirat verfügte von Gesetzes wegen nur über Beratungs-, Anhörungs- und Initiativrechte. Das OVG Koblenz stellte in seiner Entscheidung fest, dass er insoweit „nur bei der Vorbereitung der Entscheidung eines anderen Organs, nämlich des vom Volk legitimierten Rats, beteiligt [ist], ohne dass dessen Entscheidungsbefugnis dadurch eingeschränkt [werde]“. Deshalb bedürfe der Ortsbeirat keiner „vollen demokratischen Legitimation“.153 Dem ist sich hinsichtlich des bundesstaatlichen Gesetzgebungsverfahrens zumindest insoweit anzuschließen, als dass wegen der umfassenden Befugnisse des Bundestags („Legitimationsvorsprung“) auch die Gesetzesinitiative nach Art. 76 Abs. 1 GG nur einer abgeschwächten demokratischen Legitimation bedarf. Die Gesetzesinitiative ist als eine den Gesetzesbeschluss „bloß vorbereitende“ Entscheidung anzusehen. Auch vorbereitende hoheitliche Maßnahmen wie die Gesetzesinitiative (Art. 76 Abs. 1 GG) erfordern ein gewisses Maß an demokratischer Legitimation. Das Legitimationsniveau ist im Vergleich zum Gesetzesbeschluss nach Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG aber in vermindertem Maße erforderlich. Im Falle eines Gesetzgebungsvertrags, welcher rechtsverbindlich die Einbringung eines bestimmten Gesetzentwurfs vorsieht, ist ein ausreichendes Legitimationsniveau vorhanden. Dies ergibt sich daraus, dass die Bundesregierung autonom über den Vertragsschluss entscheidet. Der Vertragsschluss stellt sich als funktionales Äquivalent zur Gesetzesinitiative dar, sodass die rechtsverbindliche vertragliche Erklärung der Bundesregierung an den Anforderungen eines hinreichenden Legitimationsniveaus zu messen ist. Der Vertragsschluss tritt diesbezüglich an die Stelle der tatsächlichen Gesetzesinitiative. Demgemäß findet auch keine „Übertragung“ der Initiativbefugnis aus Art. 76 Abs. 1 GG auf einen Dritten statt. Die Art und Weise der Ausübung verbleibt vollständig bei der Bundesregierung. Sie wird lediglich in das Gewand des Vertragsschlusses gekleidet. Dies genügt aber nicht um die demokratische Legitimationskette derart zu unterbrechen, dass ein hinreichendes legitimatorisches Gesamtniveau zu verneinen wäre. Hierzu bedürfte es einer vollständigen Übertragung der qua Art. 76 Abs. 1 GG eingeräumten Entscheidungsbefugnis derart, dass ein Dritter anstelle der Bundesregierung über eine Initiative bestimmt. Im vorliegenden Fall wird ihm aber lediglich die tatsächliche Einbringung an die Hand gegeben. Zwar kann durch die Verhandlung eine private Einflussnahme auf die Willensbildung der Bundesregierung erfolgen. Ob die Bundesregierung ihre 153
OVG Koblenz NVwZ-RR 1991, 500, 501.
III. Rechtliche Grenzen eines Gesetzgebungsvertrags
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Initiativbefugnis, ausgestaltet im konkreten Vertragsschluss, ausübt, bleibt letztlich aber allein ihr überlassen. Der Ansicht, dass die Gesetzesinitiative aufgrund ihrer „bloß vorbereitenden“ Rechtsstellung ein vermindertes Legitimationsniveau erfordert, könnte allerdings der Einwand „faktischer Vorabbindung“ des Gesetzgebungsverfahrens entgegengebracht werden.154 So wird das Parlament zwar nicht in rechtlich verbindlicher Weise in seiner (Letzt) Entscheidung gebunden. Die Gefahr einer (un) bewussten Orientierung an der ursprünglichen Vorgabe (sog. Ankereffekt), begründet aber die Möglichkeit, dass der eingebrachte Entwurf letztlich der gesetzgeberischen Entscheidung entspricht. Diesem Einwand könnte allerdings auf andere Weise begegnet werden: Sofern das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren (Art. 76 ff. GG) hinreichend normative Vorkehrungen trifft, damit eine Gesetzesinitiative nicht bloß „abgenickt“ wird, spricht dieser normative Befund dafür, dass die demokratische Legitimation der Gesetzesinitiative wesentlich geringeren Anforderungen unterliegt als der finale Gesetzesbeschluss. Denn in diesem Fall liegt eine Letztentscheidung vor, die für sich originär demokratisch legitimiert ist. Andernfalls würde sich das legitimatorische Defizit der Gesetzesinitiative fortsetzen und letztlich die Annahme eines Verstoßes gegen das Demokratieprinzip rechtfertigen. Das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren (Art. 76 ff. GG) zeichnet sich durch das Ausschusssystem mit seinen Sachverständigenanhörungen aus. Hinzu kommen die Kontrollfunktion der Opposition und die dadurch u. U. angestoßene öffentliche Debatte. Das Parlament ist somit nicht bloß ein sanktionierendes Organ, sondern kann den Gesetzesinhalt rechtlich und tatsächlich aktiv mitbestimmen – etwa durch Rückverweisungen, Änderungen oder Ablehnungen.155 Kommt das Parlament seinen verfassungsrechtlich zugestandenen Befugnissen nach, so ist es „mehr als ein Stempelkissen, das die Entscheidungen von Netzwerken außerhalb des Parlaments ratifiziert“.156 Freilich hängt die parlamentarische Steuerungs-, Kontroll- und Korrekturbefugnis oftmals davon ab, ob eine entsprechende Expertise vorhanden ist. Diese wird in der Regel eine hinreichende Vorbereitung und Auseinandersetzung erfordern. Damit der Bundestag seiner legistischen Verantwortung umfassend nachkommen kann, ist dementsprechend eine besondere Informationspflicht der Bundesregierung zu fordern.157 Ist eine Gesetzesinitiative Ausfluss eines Gesetzgebungsvertrags, so sind Art, Inhalt und Beteiligte frühzeitig und vollständig offenzulegen. Wird dieser Informationspflicht nicht Genüge getan, haftet dem späteren Gesetzesbeschluss ein legitimatorisches Defizit an.
154
Waldhoff/von Aswege, Kernenergie als „goldene Brücke“?, 2010, S. 74 ff. Risse, in: Kloepfer (Hrsg.), Gesetzgebungsoutsourcing, 2011, S. 109 ff., 119. 156 Beyme, Der Gesetzgeber, 1997, S. 359. 157 So für den Fall des „Gesetzgebungsoutsourcings“ Risse, in: Kloepfer (Hrsg.), Gesetzgebungsoutsourcing, 2011, S. 109 ff., 120. 155
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C. Gesetzgebungsverträge der Bundesregierung als Rechtsproblem
Selbst wenn angenommen würde, dass Bundesregierung und privater Dritter aufgrund der Verhandlungssituation zu gleichen Teilen die Initiatoren eines Gesetzes sind, steht dem entgegen, dass nicht alle an einer Entscheidung eines Organs Beteiligten demokratisch legitimiert sein müssen. Es genügt, wenn „so viele Mitglieder eines kollegialen Organs über eine individuelle demokratische Legitimation verfügen, dass dadurch die Entscheidung des Organs als solche ihre demokratische Legitimation erhält“.158 Nicht demokratisch legitimierten Mitgliedern steht eine Möglichkeit zur Interessenwahrung solange zu, wie die Möglichkeit demokratisch legitimierter Mitglieder zur Durchsetzung ihrer Ansicht nicht beeinträchtigt wird.159 Darüber hinaus sind selbst „Beteiligungsrechte“ an der Ausübung von Staatsgewalt solange mit dem Demokratieprinzip vereinbar, wie „sie nicht den Grundsatz berühren, dass alle der Staatsgewalt Unterworfenen den gleichen Einfluss auf die Ausübung von Staatsgewalt haben müssen und deshalb Bürgern, die von einer bestimmten Ausübung von Staatsgewalt individuell betroffen sind, keine besonderen Mitentscheidungsbefugnisse eingeräumt werden“.160 Aus den vorbezeichneten Gründen ist diese Schwelle im vorliegend nicht überschritten. Festzuhalten ist letztlich, dass die hier relevante Form des Gesetzgebungsvertrags mit dem Demokratieprinzip, konkret den Anforderungen an ein hinreichend demokratisches Legitimations(gesamt)niveau, vereinbar ist. Hierfür spricht zunächst, dass es sich bei der Gesetzesinitiative nach Art. 76 Abs. 1 GG um eine Form der Staatsgewalt handelt, die ein – im Verhältnis zum Gesetzesbeschluss – vermindertes Legitimationsniveau erfordert. Darüber hinaus wird die hoheitliche Entscheidung als bewertungserheblicher Akt für die Ermittlung eines hinreichenden Legitimationsniveaus nicht entwertet. Sie bleibt funktional erhalten und findet ihr Äquivalent im Vertragsschluss. Eine Übertragung hoheitlicher Befugnisse auf ein privates Rechtssubjekt (etwa im Stile einer „Beleihung“) findet nicht statt; ebenso wenig wird ein echtes Beteiligungsrecht zugestanden. Auch die Zusage, dass ein bestimmter Gesetzentwurf von der Bundesregierung nicht eingebracht wird, verstößt nicht gegen das Demokratieprinzip, wobei zur Begründung auf das vorstehend Gesagte verwiesen werden kann. Demnach handelt es sich bei dem Vertragsschluss um das funktionelle Äquivalent zur Gesetzesinitiative aus Art. 76 Abs. 1 GG. Für das Unterlassen muss das zum Tun (d. h. der Einbringung) Gesagte gleichermaßen gelten. Die Bundesregierung ist zu dieser Verhaltensweise hinreichend legitimiert. Entsprechendes gilt dann, wenn die Bundesregierung die (an dieser Stelle unterstellt zulässige) Rücknahme einer Gesetzesinitiative verspricht. Zur Wahrung einer hinreichenden Legitimation des Gesetzesbeschlusses (Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG) ist allerdings in den beschriebenen Konstellationen (Einbringung, 158
So dargestellt bei Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band 2, 2004, § 24 Rn 19. 159 Böckenförde, Verfassungsfragen der Richterwahl, 1998, S. 74–77. 160 BVerfGE 93, 37, 69.
III. Rechtliche Grenzen eines Gesetzgebungsvertrags
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Nichteinbringung Rücknahme) erforderlich, dass das Parlament von der Bundesregierung vollständig und rechtzeitig darüber informiert wird, dass Grundlage des Gesetzentwurfs ein Gesetzgebungsvertrag ist bzw. aufgrund eines solchen auf die Einbringung einer Initiative verzichtet bzw. eine Initiativentscheidung zurückgenommen wird. Insbesondere im Falle der Zusage, dass eine bestimmte Gesetzesvorlage eingebracht wird, können die parlamentarischen Steuerungs-, Kontroll- und Korrekturbefugnisse den finalen Gesetzesbeschluss von vorrangegangen legitimatorischen Makeln vollständig „heilen“. (c) Gesetzgebungsvertrag mit Anreizfunktion In diesen Fällen besteht kein rechtlich relevanter Zusammenhang zwischen dem Gesetzgebungsvertrag und der Gesetzesinitiative bzw. dem Gesetzesbeschluss. Das Demokratieprinzip kommt als Prüfungsmaßstab nicht in Betracht. b) Gesetzgebungskompetenzen aa) Grenzen der (Organ-)Kompetenzbindung (1) Ausgangslage Verfassungsrechtliche Zuständigkeitsregelungen sind ausschließlich Rechtssätze des objektiven Rechts.161 Sie begründen in der Regel keine subjektiven Rechte. Wo nicht ausnahmsweise eine Delegation zulässig ist, steht die Zuständigkeit letztlich grds. nicht zur Disposition, sodass ein Organ nicht in rechtlich wirksamer Weise über fremde Kompetenzen bzw. deren Ausübung bestimmen kann.162 Dies lässt sich vornehmlich mit Art. 20 Abs. 2 GG begründen. Das Prinzip der Gewaltenteilung würde gefährdet, wenn sich verfassungsrechtlich determinierte Kompetenzfelder frei verschieben ließen, d. h. einer Änderung durch die Verfassungsorgane selbst zugänglich wären. Im Folgenden soll – in Bezug auf einen Gesetzgebungsvertrag – ermittelt werden, ob und in welchem Umfang der Grundsatz der „Unverfügbarkeit einer Kompetenz“163 es der Bundesregierung untersagt, die Art und Weise der Ausübung einer fremden oder eigenen Kompetenz vertraglich zu versprechen.
161 Fornauf, Die Marginalisierung der Unabhängigkeit der Dritten Gewalt im System des Strafrechts, 2010, S. 194. 162 Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 1964, S. 345. 163 Hieraus ergibt sich auch die Unzulässigkeit eines Vergleichs im Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, s. Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge (Hrsg.), BVerfGG, 2014, Art. 64 Rn 12
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C. Gesetzgebungsverträge der Bundesregierung als Rechtsproblem
(2) Echter Gesetzgebungsvertrag (Beschluss) und unechter Gesetzgebungsvertrag (Nichtbeschluss) als Verstoß gegen Art. 77 Abs. 1 GG? Entsprechend dem Grundsatz der Unverfügbarkeit fremder Kompetenzen ist es nicht möglich, vielmehr sogar rechts- bzw. verfassungswidrig, wenn die Bundesregierung in rechtlich bindender Weise einem Privatrechtssubjekt ein bestimmtes Ergebnis eines Gesetzgebungsprozesses, d. h. einen konkreten Gesetzesbeschluss, in Aussicht stellt.164 In diesem Fall würde die Bundesregierung Kompetenzen ausüben bzw. eine bestimmte Ausübung zusichern, die ihr von Verfassungs wegen nicht zugesprochen ist. Das Gesetzesbeschlussrecht aus Art. 77 Abs. 1 GG steht ausschließlich dem Bundestag zu. Die Exekutive hat zwar die Befugnis, ein Gesetzgebungsverfahren einzuleiten, über deren Inhalt und Erlass entscheidet hingegen das Parlament. Insoweit ist zwischen der dem Gesetzesinitiativrecht unterfallenden zulässigen Vorbereitung der parlamentarischen Ermessensentscheidung und ihrer unzulässigen Vorwegnahme zu unterscheiden. Mithin ist die Bundesregierung nicht berechtig, eine bestimmte Ausübung des Gesetzesbeschlussrechts vertraglich zu versprechen.165 Das Parlament würde andernfalls einem unzuläs sigen „Ratifikationszwang“ unterworfen.166 Es läge ein sog. „Ausverkauf von Hoheitsrechten“ vor. (3) Echter Gesetzgebungsvertrag (Einbringung) und unechter Gesetzgebungsvertrag (Nichteinbringung) als Verstoß gegen Art. 76 Abs. 1 GG? Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist auch der formelle Aspekt des Art. 76 Abs. 1 GG prinzipiell einer vertraglichen Bindung zugänglich ist. Demnach könne sich eine Initiativpflicht auch aus einer Selbstverpflichtung des Initiativberechtigten ergeben, sein Recht in bestimmter Weise auszuüben. Konkret bestünden „keine Bedenken dagegen, daß ein Verfassungsorgan, dem das Recht zur Gesetzesinitiative nach Art. 76 Abs. 1 GG zusteht, sich verpflichtet, von seinem Recht einen bestimmten Gebrauch zu machen, wenn es nur bezüglich des Inhalts des Gesetzesvorschlags die Schranken der Verfassung beachtet und nicht den Versuch macht, auch andere Staatsorgane zu binden“.167 Die rechtswirksame
164 Vgl. BVerfGE 1, 351, 366, wonach die Bindung des Initiativrechts solange zulässig ist, wie andere Staatsorgane nicht gebunden werden. 165 Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 266. 166 So Waldhoff/von Aswege, Kernenergie als „goldene Brücke“?, 2010, S. 10. Ebenso Ruffert DVBl. 2002, S. 1145 ff., 1148 f.; Schorkopf NVwZ 2000, S. 1111 ff., 1113; Schulze-Fielitz, Der informale Verfassungsstaat, S. 136, 139 f. 167 BVerfGE 1, 151, 366; ebenso Masing, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Band 2, 6. Aufl., 2010, Art. 76 Rn 70.
III. Rechtliche Grenzen eines Gesetzgebungsvertrags
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vertragliche Bindung des Gesetzesinitiativrechts aus Art. 76 Abs. 1 GG durch die Bundesregierung wird in der Literatur demgegenüber überwiegend abgelehnt.168 Bei der Ermittlung, ob und in welchem Umfang das Gesetzesinitiativrecht aus Art. 76 Abs. 1 GG einer vertraglichen Bindung zugunsten eines Privatrechtssubjekts dergestalt zugänglich ist, dass eine bestimmte Gesetzesinitiative von der Bundesregierung eingebracht oder nicht eingebracht wird, ist mit der ganz herrschenden Gesetzgebungslehre zunächst davon auszugehen, dass auch Art. 76 GG in eine formelle (oder äußere) und eine materielle (oder innere) Komponente aufgeteilt werden muss.169 Anerkannt ist, dass die Bundesregierung den materiellen Aspekt ihres Initiativrechts einer vertraglichen Vereinbarung mit privaten Dritten zugänglich machen kann.170 Hiernach kann das Recht zur Gesetzesinitiative inhaltlich, d. h. in Bezug auf die Willensbildung, welche sich in der Regel in der Gesetzesformulierung ausdrückt, gebunden werden.171 Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass Art. 76 Abs. 1 GG ausschließlich auf eine formalisierte Betrachtungsweise abstellt und hinsichtlich der Zulässigkeit und Vielfältigkeit „soziologischer Legislativkräfte“ schweigt.172 Eine – verfassungsrechtlich determinierte – Aussage hinsichtlich des materiellen Gesetzgebungsverfahrens fehlt in Gänze und wäre darüber hinaus auch kaum realisierbar. Der hierdurch dem Initianten eingeräumte Spielraum bei der Gesetzesvorbereitung erlaubt eine rechtliche Bindung. Die Bindung auch des formellen Aspekts des Gesetzesinitiativrechts wird – soweit ersichtlich – abgelehnt.173 Begründend wird angeführt, dass andernfalls ein 168 Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001, S. 159; Rosenkötter, Selbstverpflichtungsabsprachen der Industrie im Umweltrecht, 2001, S. 225; Schmidt-Preuß VVDStRL 56 (1997), S. 160 ff., 218 f. 169 Grundlegend Schwerdtfeger, FS Ipsen, 1977, S. 173 ff.; Hill, Einführung in die Gesetzgebungslehre, 1982, S. 62 ff., 82 ff.; umfassend Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ Henneke (Hrsg.), GG, 13. Aufl., 2014, Art. 76 Rn 16 m. w. N.; Mann, in: Sachs (Hrsg.), GG, 7. Aufl., 2014, Art. 76 Rn 3; konkret in Bezug auf das Gesetzesinitiativrecht Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 271 ff., 274 f., der die Begriffe des „inneren“ und des „äußeren“ Gesetzgebungsverfahrens verwendet. In der Sache ergibt sich – trotz begrifflicher Unterscheidung – aber kein Unterschied. 170 Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 275; Mann, in: Sachs (Hrsg.), GG, 7. Aufl., 2014, Art. 76 Rn 2; in diese Richtung auch Kersten, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 2014, Art. 76 Rn 27; Krüper JZ 2010, S. 655; Greve DVBl 2011, S. 30; Smieszek ZRP 2013, S. 175. 171 Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 277. 172 Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 274; Kersten, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 2014, Art. 76 Rn 27. 173 Dafür, dass die Bundesregierung über ihr Gesetzesinitiativrecht durch normabwendende Vereinbarungen verfügen kann Huber ZG 2002, S. 251 sowie Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl., § 5 Rn 215; unter Verweis auf den Zustimmungsdruck beim Bundestag dagegen Mehde AöR 2002, S. 658 f., Schwärzel HFR 2007, S. 39, Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht Bd. I, 3. Aufl., § 16 Rn 19 und Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 274. Bei dem faktisch bestehenden „Zustimmungsdruck“ handelt es sich allerdings um ein politisches und kein rechtliches Problem. Zur Kompensation dieses „politischen Defizits“ vgl. unter C. IV. 2.
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C. Gesetzgebungsverträge der Bundesregierung als Rechtsproblem
Verstoß gegen den Grundsatz der „Unverfügbarkeit von Kompetenzen“ vorliege. Die Ausübung des Gesetzesinitiativrechts liege nicht mehr in der Hand der Bundesregierung. Darüber hinaus würde die Filterfunktion des Art. 76 Abs. 1 GG konterkariert, welche wesentlich auf die Handlungsfähigkeit des Parlaments abzielt. Für die Beurteilung, ob und in welchem Umfang das Gesetzesinitiativrecht aus Art. 76 Abs. 1 GG einer verfassungsvertraglichen Bindung zugänglich ist, muss sodann die verfassungsrechtliche Qualität der Norm untersucht werden. Einer isolierten vertraglichen Bindung des Initiativrechts aus Art. 76 Abs. 1 GG, sowohl hinsichtlich der Einbringung als auch hinsichtlich der Nichteinbringung eins Gesetzes, wird vornehmlich der Einwand entgegengebracht, es handle sich bei der Kompetenz aus Art. 76 Abs. 1 GG um eine unverfügbare verfassungsrechtlich zugewiesene Kompetenz, welche nicht zur freien Disposition des Inhabers stehe, sondern vielmehr eine pflichtgebundene Zuständigkeit begründe, die „fern eines übertragbaren Eigenrechts“ liegt.174 Für dieses Dogma von der „Unverfügbarkeit staatlicher Kompetenzen“ streitet in Bezug auf das Gesetzesinitiativrecht zuvorderst der Sinn und Zweck von Art. 76 Abs. 1 GG. Der Vorschrift kommt eine Filterfunktion zu. Der Kreis der Initianten ist auf die Bundesregierung, den Bundesrat und die Mitte des Bundestags beschränkt. Andere staatliche Organe und (erst Recht) gesellschaftliche Gruppen werden von der Vorschrift nicht benannt. Insbesondere den gesellschaftlichen Gruppen stehen Eingaben an das Parlament überwiegend nur im Rahmen von Anregungen an die Initianten oder in Gestalt von Petitionen i. S. v. Art. 17 GG zu. Diese personelle Eingrenzung in Art. 76 Abs. 1 GG dient der Gewährleistung der effizienten Funktionsfähigkeit parlamentarischer Gesetzgebung.175 So sah Art. 73 Abs. 2 S. 1 und 2 WRV ein Initiativrecht des Reichsvolks vor, sofern ein bestimmtes Quorum erreicht wurde. Der Umfang an Gesetzesinitiativen, welche einer parlamentarischen Auseinandersetzung bedurften, nahm unweigerlich zu und hemmte in der Folge die parlamentarische Arbeit. Auch eine Gesetzesinitiative mit geringer Erfolgschance – etwa weil sich (offensichtlich) keine parlamentarische Mehrheit finden konnte – nahm eine parlamentarische Auseinandersetzung in Anspruch. Aufgrund dieser Erfahrungen eröffnet das Grundgesetz dem Staatsvolk bewusst176
174 So zuletzt BVerfGE 120, 56, 78: „Die Regelungen über das Gesetzgebungsverfahren zielen darauf ab, die demokratische Legitimation der zu treffenden Regelungen sicherzustellen und zugleich die Balance zwischen den am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organen […] zu wahren. Sie sind daher von strenger Förmlichkeit geprägt und stehen nicht zur Disposition der beteiligten Organe oder ihrer Mitglieder“. In diese Richtung bereits BVerfGE 39, 96. 175 Masing, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Band 2, 6. Aufl., 2010, Art. 76 Rn 4; Kersten, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 2014, Art. 76 Rn 27. 176 Der Parlamentarische Rat hat sich ausdrücklich gegen die Mitwirkung des Volkes an der Gesetzgebung ausgesprochen. Anders war dies noch in der Weimarer Reichsverfassung ausgestaltet (Art. 73 Abs. 3 WRV), vgl. Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, 1989, § 30 Rn 13; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band 2, 1980, § 37 III 4.
III. Rechtliche Grenzen eines Gesetzgebungsvertrags
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grundsätzlich keine direkt-demokratischen Mitwirkungsmöglichkeiten an der Gesetzgebung.177 Der beschriebene Einwand greift allerdings in der vorliegenden Konstellation nicht durch, sodass eine Bindung auch des formellen Aspekts des Gesetzesinitiativrechts Art. 76 Abs. 1 GG nicht seines Zwecks entleert. Zunächst ist zweifelhaft, ob sich die Erfahrungen der Weimarer Republik angesichts der veränderten sozioökonomischen und politischen Bedingungen in der Bundesrepublik Deutschland noch heute fruchtbar machen lassen.178 Darüber hinaus wird durch die wirksame Bindung des formellen Aspekts des Gesetzesinitiativrechts kein unmittelbarer Zugang zur Bundesgesetzgebung gewährt. Es liegt allenfalls eine mittelbare (plebiszitäre) Zugangsmöglichkeit vor, welche – mit Blick auf Art. 17 GG und Art. 29 Abs. 4 GG – dem Grundgesetz nicht dem Grunde nach fremd ist. Die Mittelbarkeit ergibt sich dabei daraus, dass die Bundesregierung bei formaler Betrachtung Initiant bleibt, der Initiativentschluss aber aufgrund einer vertraglichen Verpflichtung erfolgt. Dabei kann die Bundesregierung – vorbehaltlich etwaiger Schadensersatzansprüche – die Einbringung auch verweigern. Die Filterfunktion der Einbringungsregel des Art. 76 GG wird somit nicht konterkariert. Private Sonderinteressen können nicht unmittelbar in den Bundestag zur Beratung eingebracht werden. Die Möglichkeit der Einbringung unterliegt einem hoheitlichen „Freigabeakt“, konkret dem Vertragsschluss, in welchem sich als funktionales Äquivalent zu Art. 76 Abs. 1 GG dessen Funktion fortsetzt. Bindet die Bundesregierung verfassungsvertraglich ihr Initiativrecht, so bleibt sie Verantwortungsträger. Die Verantwortung wird bloß auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses, konkret die mit Rechtsbindungswillen versehene Einigungserklärung, (vor-) verlagert.179 Die Gesetzesvorbereitung läuft so letztlich auch nicht an den Verfassungsorgangen vorbei. Selbst wenn der historisch begründete Einwand zugelassen werden würden, dass sich die parlamentarische Arbeit der Gefahr der Funktionseinschränkung gegenüber sieht, kann dem entgegengehalten werden, dass der Bundesregierung kaum daran gelegen sein wird, bedeutungslose Angelegenheiten dem parlamentarischen Votum zuzuführen. Vielmehr wird es sich bei den verfassungsvertraglichen Vereinbarungen um Angelegenheiten handeln, deren Behandlung ohnehin aufgrund ihrer Relevanz Gegenstand einer parlamentarischen Debatte sein müssten. Der Bundesregierung obliegt im Zweifelsfall eine Sachlichkeitsprüfung des Entwurfs dahingehend, dass dem Gesetzentwurf eine Realisierungschance inne wohnt.180 177
Eine Ausnahme bildet insoweit Art. 29 GG; mittelbar gilt dies auch für das Petitionsrecht in Art. 17 GG. Letzteres eröffnet gesellschaftlichen Gruppierungen Anregungsmöglichkeiten im Vorfeld der eigentlich Initiative im Sinne von Art. 76 Abs. 1 GG. 178 Bryde, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Bd. 2, 6. Aufl., 2012, Art. 76 Rn 25. 179 Grundsätzlich ist die Gesetzesinitiative formalisierter Anknüpfungspunkt für die Übernahme von Verantwortung, vgl. Masing, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Band 2, 5. Aufl., Art. 76 Rn 4. 180 Die vorparlamentarische Konsensfindung tritt darüber hinaus auch nicht an die Stelle des parlamentarischen Diskurses. Dieser bleibt in seinem rechtlichen Bestand unangetastet. Zudem
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C. Gesetzgebungsverträge der Bundesregierung als Rechtsproblem
Dafür, dass die Bundesregierung auch den formellen Aspekt ihres Gesetzesinitiativrechts – d. h. die Einbringung oder Nichteinbringung eines bestimmten Gesetzes – einer vertraglichen Gestaltung zugänglich machen kann, spricht darüber hinaus, dass sie nicht im rechtlichen Sinne über das Initiativrecht „verfügt“. Begrifflich orientiert sich der Einwand, es finde eine unzulässige „Verfügung“ von (unverfügbaren) Hoheitsrechten statt,181 am privaten Vertragsrecht. Per definitionem wird unter einer Verfügung jedes Rechtsgeschäft verstanden, das unmittelbar die Rechtslage ändert, indem es ein Recht aufhebt, überträgt oder verändert. Durch den Abschluss eines Gesetzgebungsvertrags überträgt die Bundesregierung ihr Recht zur Gesetzesinitiative aus Art. 76 Abs. 1 GG jedoch nicht. Denn die „Übertragung“ setzt voraus, dass das entsprechende Recht in seiner Gesamtheit nun – zumindest auch – von dem Vertragspartner ausgeübt wird (bzw. werden kann).182 Werden im Rahmen eines Verfügungsgeschäfts beispielsweise bewegliche Sachen übereignet, so ist fortan ausschließlich der Erwerber berechtigt, nach § 903 BGB mit der Sache nach Belieben umzugehen. Der Eigentümer entäußert sich seiner Befugnisse. Für den Gesetzgebungsvertrag bedeutet dies: Eine Verfügung über das Gesetzesinitiativrecht ist lediglich dann anzunehmen, wenn die Bundesregierung die Ausübung der Gesetzesinitiative demgemäß überträgt, dass Dritte – an Stelle der Bundesregierung – ein Gesetz ohne Umwege in den Bundestag einbringen können. So liegt der Fall indes nicht. Die Bundesregierung gewährt weder unmittelbar noch mittelbar einem Dritten die eigenverantwortliche Ausübung des Gesetzesinitiativrechts aus Art. 76 Abs. 1 GG. Die Einbringung bleibt der Bundesregierung zu jeder Zeit vorbehalten. Sie bleibt als „Herrin über das Gesetzesinitiativrecht“ formal Initiant.183
ist der Gesetzgebungsvertrag bereits selbst Ausfluss eines politischen Kompromisses (Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, S. 276). Der vorgelagerte Prozess der Kompromissfindung ist nicht endgültig, sondern bewegt sich vielmehr innerhalb des politischen Spielraums der Bundesregierung. Der Gesetzgebungsvertrag ist im Gesetzgebungsprozess Ausgangspunkt, nicht Endprodukt. 181 Der Begriff stammt ursprünglich aus dem Verwaltungsrecht und bezeichnete den Rechtsnormvollzug mittels verwaltungsaktersetzenden Verwaltungsverträgen, vgl. Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, 2000, S. 36. 182 Ein solches begriffliches Verständnis der „Übertragung“ von Hoheitsrechten ist dem Grundgesetz nicht fremd. So findet auch im Rahmen des Art. 24 Abs. 1, 1a GG eine „Übertragung“ von Hoheitsrechten statt. Hierdurch wird die einer zwischenstaatlichen Einrichtung die Befugnis eingeräumt, „nicht nur das Völkerrechtssubjekt Deutschland zu verpflichten, sondern innerhalb der Bundesrepublik Deutschland mit unmittelbarer Wirkung rechtsverbindlich zu agieren“, vgl. von Heinegg, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK-GG, 2015, Art. 24 Rn 11; auch nach Randelzhofer eröffnet der Begriff der „Übertragung“ in Art. 24 GG der zwischenstaatlichen Einrichtung, an Stelle der Bundesrepublik Deutschland eine (Gesetzgebungs-) Kompetenz auszuüben, d. h. unmittelbar einen „innerstaatlichen Anwendungsbefehl“ in Form einer gesetzlichen Regelung zu erteilen, vgl. ders, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 2014, Art. 24 Rn 59. 183 Der Begriff der „Verfügung“ von Hoheitsrechten ist unpassend gewählt. Denn es erscheint äußerst fraglich, ob Gesetzgebungsverträge allgemein einer Differenzierung zugänglich sind, die dem Trennungs- und Abstraktionsprinzip entspricht.
III. Rechtliche Grenzen eines Gesetzgebungsvertrags
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Darüber hinaus überzeugt auch die Auffassung, dass durch die wirksame Bindung des formellen Aspekts des Gesetzesinitiativrechts der Vertragspartner direkten Zugriff auf das Initiativrecht erlangt, etwa wenn er die gerichtliche Durchsetzung der vertraglich begründeten Pflichten der Bundesregierung betreffend das „ob“ und das „wie“ der Ausübung der Initiativbefugnis aus Art. 76 Abs. 1 GG anstrebt, nicht.184 Aus dem Rechtsgedanken der § 170 VwGO und § 882a ZPO ergibt sich, dass zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Hand und um den Hoheitsträger vor einer Beeinträchtigung seiner Tätigkeit im Gemeinwohlinteresse zu bewahren, die Zwangsvollstreckung gegen den Fiskus nur in engen Grenzen zulässig ist.185 Dieses sog. Fiskusprivileg muss auch im vorliegenden Fall Geltung beanspruchen, um die sinnvolle Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben zu sichern. Das Privatrechtssubjekt ist auf entsprechende Sekundäransprüche verwiesen.186 Unterstellt, die Gesetzesinitiative wäre einer Vollstreckung zugänglich, so ließe sich dem dennoch entgegnen, dass die Bundesregierung nach h. M. zur Rücknahme einer Initiative befugt ist. Auch wenn ihr dieses Verhalten – entsprechend dem Grundsatz venire contra factum proprium – als widersprüchlich und somit unzulässig ausgelegt würde, so wird die Bundesregierung im Regelfall von der Mehrheit des Bundestags getragen, sodass die Realisierungschancen der Initiative gering sind. Dem Vertragspartner wird somit vorrangig daran gelegen sein, etwaige Sekundärrechtsansprüche geltend zu machen. Unabhängig davon ist nicht einzusehen, weswegen die Bundesregierung nicht mehr hinter der qua Gesetzgebungsvertrag gebundenen Initiative stehen sollte, sodass es wohl selten zu einem gerichtlichen Verfahren kommen würde. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Bindung des formellen Aspekts des Gesetzesinitiativrechts eine vollständige Übertragung der Entscheidung auf einen Dritten darstellt, so liegt dieser Übertragung eine bewusste Entscheidung der Bundesregierung im Einzelfall zu Grunde. Die Einbringung oder Nichteinbringung eines bestimmten Gesetzes entspringt nach wie vor dem Willen der Bundesregierung. Dieser bewusste Willensentschluss wird lediglich „vertraglich zugesichert“, ist faktisch aber „wie eine Initiative“ anzusehen (Vertragsschluss als funktionales Äquivalent). Die sonst mit der konkreten Gesetzesinitiative verbundene Verantwortungsübernahme wird auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorverlagert. Denn die Bundesregierung könnte die Gesetzesinitiative auch unabhängig von der vertraglichen Zusage einbringen – würde dann aber ihren Rechtsanspruch auf die damit verbundene Gegenleistung verlieren. Da diesem Argument freilich der Einwand immanent ist, dass dem bewussten Willensentschluss der Bundesregierung ein Prozess des „gegenseitigen Nachgebens“ 184
Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 277 f. Eickmann, in: MüKo ZPO, 4. Aufl., 2012, § 882a Rn 1; Becker, in: Musielak/Voit (Hrsg.), ZPO, 12. Aufl., 2015, § 882a Rn 1; Kindl, in: Saenger (Hrsg.), ZPO, 6. Aufl., 2015, § 882a Rn 1; Pietzner/Möller, in: Schoch/Schneider/Bier (Hrsg.), VwGO, 2015, § 170 Rn 1 m. w. N. 186 Hierzu im vierten Teil (D.). 185
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C. Gesetzgebungsverträge der Bundesregierung als Rechtsproblem
vorangegangen ist, mithin nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass die Bundesregierung genau diese Gesetzesinitiative auch bei Hinwegdenken des Gesetzgebungsvertrags in den Bundestag eingebracht hätte, ist darüber hinaus darauf hinzuweisen, dass es sich bei dem Gesetzesinitiativrecht aus Art. 76 Abs. 1 GG um einen atypischen Kompetenztitel handelt, der aufgrund seiner rechtlichen Qualität für das Gesetzgebungsverfahren einer „formellen Bindung“ zugänglich sein kann. Die Norm verbürgt keine Letztentscheidungskompetenz. Vielmehr handelt es sich um das initiierende Anfangsglied einer Entscheidungskette, an dessen Ende ein anderes Organ – konkret der Bundestag – gem. Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG einzig letztentscheidungsbefugt ist. Art. 76 Abs. 1 GG bringt mit der Formulierung, dass Gesetzesvorlagen „beim Bundestag […] eingebracht“ werden, zum Ausdruck, dass zentrales Organ der Letztentscheidung der Bundestag ist. Dem Initiativrecht kommt insoweit lediglich eine „unselbständige Anstoßfunktion“ zu. Mit ihm ist „keinerlei Entscheidungsbefugnis in der Sache“ verbunden.187 Hierfür spricht auch, dass es sich bei dem Gesetzesinitiativrecht um ein „Minderheitenrecht“ handelt.188 Auch nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ist Gegenstand des Initiativrechts lediglich das Recht des Initianten, „dass das Gesetzgebungsorgan sich mit seinem Vorschlag beschäftigt“.189 Als „unselbständiges“ Recht ist das Gesetzesinitiativrecht allein darauf gerichtet, „dass sich das Parlament mit potenziell mehrheitsfähigen und fachkundig erarbeiteten Gesetzesvorlagen auseinandersetzen kann“.190 Der Kompetenztitel der Gesetzesinitiative ist demjenigen des Gesetzesbeschlusses somit qualitativ unterlegen. Diese besondere Funktion des Gesetzesinitiativrechts rechtfertigt es, eine vertragliche Bindung auch des formellen Aspekts zuzulassen. Denn im Unterschied beispielsweise zum Gesetzesbeschlussrecht, birgt der Kompetenztitel nur eine „vorbereitende Maßnahme“. Aufgrund dessen kann von dem eingangs erwähnten Grundsatz der Unverfügbarkeit staatlicher Kompetenzen in Bezug auf Art. 76 Abs. 1 GG eine Ausnahme zugelassen werden. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Bundesregierung sowohl den formellen als auch den materiellen Aspekt ihres Gesetzesinitiativrechts aus Art. 76 Abs. 1 GG in einem Gesetzgebungsvertrag wirksam binden kann.191 Art. 76 Abs. 1 GG steht der vertraglichen Bindung nicht entgegen. Zur Wahrung der historisch geprägten Funktion der Vorschrift (Beschränkung des Initiantenkreises) sollte im Zweifelsfall vor Vertragsschluss eine Sachlichkeitsprüfung von der Bundesregierung durchgeführt werden. 187 Masing, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Band 2, 5. Aufl., Art. 76 Rn 10, wonach es sich lediglich um ein Zugangsrecht zum „Forum der Nation“ handelt. Die Grundfunktion des Initiativrechts liege u. a. in der „Ingangsetzung des Gesetzgebungsverfahrens“, Rn 14. 188 Mann, in: Sachs (Hrsg.), GG, 7. Aufl., 2014, Art. 76 Rn 10. 189 BVerfGE 1, 144, 153. 190 Michael, Rechtsetzende Gewalt im kooperierenden Verfassungsstaat, 2002, S. 431. 191 In diese Richtung auch Martini ZUR 2012, S. 219 ff., 226 in Bezug auf den Atomkonsens von 2000.
III. Rechtliche Grenzen eines Gesetzgebungsvertrags
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(4) Unechter Gesetzgebungsvertrag (Rücknahme) als Verstoß gegen Art. 76 Abs. 1 GG? Fraglich ist, ob Gesetzesvorlagen grundsätzlich von ihren Initianten, konkret der Bundesregierung, zurückgenommen werden können. Das Grundgesetz sowie die Geschäftsordnungen enthalten keinerlei ausdrückliche Bestimmungen darüber, ob eine Rücknahme zulässig ist. Nach überwiegender Auffassung steht der Bundesregierung das Recht zu, eine eigens eingebrachte Gesetzesvorlage zurückzunehmen.192 Andere sind hingegen der Auffassung, dass die Rücknahme einer eingebrachten Gesetzesinitiative stets als verfassungswidrig abzulehnen ist. Begründet wird diese Auffassung mit dem „Wechsel der Verfahrensherrschaft“. Mit der Einbringung einer Gesetzesinitiative werde eine parlamentarische Verfahrensherrschaft begründet,193 die nicht durch die Entscheidung des Initianten zur Rücknahme wieder aufgehoben werden könne.194 Zuzugeben ist letztgenannter Ansicht, dass der Bundestag „Herr des Verfahrens“ wird, sobald der Initiant die Vorlage „aus der Hand“ gibt. Auch von der h. M. ist anerkannt, dass aufgrund dieser Herrschaft eine nachträgliche Änderung der Gesetzesinitiative nicht mehr möglich ist. Insoweit erscheint es auf den ersten Blick inkonsequent, zwar die Rücknahme als von Art. 76 Abs. 1 GG umfasst anzusehen, nicht hingegen die Änderung. Allerdings wird hierbei übersehen, dass zwischen diesen beiden Einwirkungsformen erhebliche Unterschiede bestehen. Während die Änderung zumeist gegenständlich begrenzt ist, erfasst die Rücknahme die gesamte Initiative. So ist es durchaus möglich, dass eine Rücknahme erforderlich ist, weil andernfalls – etwa aufgrund sich ändernder tatsächlicher Verhältnisse – „sinnwidrige, strukturstörende oder verhängnisvolle Folgen eintreten könnten“, sodass vom Initianten erstrebte Zielsetzung „obsolet oder unerreichbar“ wird.195 Dann aber muss es der autonome Charakter des Gesetzesinitiativrechts aus Art. 76 Abs. 1 GG erlauben, hierauf angemessen reagieren zu können. Die Gesetzesinitiative erwächst nicht in „Bestandskraft“.
192 Stettner, in: Dreier (Hrsg.), GG, Band 2, 2006, Art. 76 Rn 17; Bryde, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Bd. 2, 6. Aufl., 2012, Art. 76 GG Rn 7; Jarass, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), GG, 11. Aufl., 2011, Art. 76 Rn 4; Mann, in: Sachs (Hrsg.), GG, 7. Aufl., 2014, Art 76 Rn 37; Dietlein, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK-GG, 2015, Art. 76 GG Rn 11; Haratsch, in: Sodan (Hrsg.), GG, 2. Aufl., 2011, Art. 76 GG Rn 20; Hömig, in: Seifert/Hömig (Hrsg.), GG, 2013, Art. 76 Rn 5 (mit praktischen Beispielen). 193 Dietlein, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK-GG, 2015, Art. 76 Rn 10. 194 Masing, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Band 2, 5. Aufl., Art. 76 Rn 74; Rubel, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Mitarbeiterkommentar zum GG, 2002, Vor. Art. 76 Rn 21; Kersten, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 2013, Art. 76 Rn 59. 195 Schmitz-Jortzig/Schürmann, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum GG, 1996, Art. 76 Rn 187 m. w. N.
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C. Gesetzgebungsverträge der Bundesregierung als Rechtsproblem
Letztlich erscheint es als vertretbarer Mittelweg, eine Rücknahme durch die Bundesregierung als von dem Gesetzesinitiativrecht in Art. 76 Abs. 1 GG umfasst anzusehen – allerdings nicht voraussetzungslos. So unterliegt die Rücknahme zunächst gewissen zeitlichen Grenzen. Während vereinzelt dafür plädiert wird, eine Rücknahme bis zum Zeitpunkt der Einreichung beim Bundestag zuzulassen,196 fordern andere einen Ausschluss der Rücknahme bei Vorliegen entsprechender Berichte oder Beschlüsse der zuständigen Ausschüsse.197 Begründet wird dies mit dem Argument der Ressourcenvergeudung. Richtigerweise muss in zeitlicher Hinsicht eine Rücknahme aber bis zum Ende der dritten Lesung im Bundestag (Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG) – konkret die Eröffnung der Schlussabstimmung nach § 86 GO BT – möglich sein.198 Diese Schlussabstimmung stellt den entscheidenden Parlamentsakt dar. Der vorherige Prozess ist lediglich vorbereitender Natur. Gegen das Argument der Ressourcenvergeudung199 spricht bereits, dass es im Rahmen des bundesstaatlichen Rechtsetzungsprozesses weniger auf die effiziente und sparsame Beschäftigung der betreffenden Organe ankommt, als vielmehr darauf, dass „in der Sache sinnvolle und wirklich politisch (noch) erwünschte oder verfassungsrechtlich notwendige Gesetze ergehen.“ Darüber hinaus genießen die bereits mit der Gesetzesvorlage befassten Organe keinen Vertrauensschutz.200 In sachlicher Hinsicht gilt zudem, dass die Rücknahme lediglich „en bloc“ erklärt werden kann und nicht auch bezüglich etwaig abtrennbarer Teile.201 Dies käme einer Änderung gleich. Schließlich unterliegt die Rücknahme als actus contrarius denselben formellen Voraussetzungen wie die Einbringung.202 Erforderlich sind demnach ein (mehrheitlicher) Kabinettsbeschluss über die Rücknahme und eine Rücknahmeerklärung der Bundesregierung. Die Rücknahme muss gegenüber dem Parlament erklärt werden, wobei für die Rücknahmeerklärung der Bundestagspräsident empfangsberechtigt ist.203 Entspricht die Rücknahme diesen Anforderungen, so kann das Parlament über die Initiative nicht mehr beraten und beschließen (Art. 76 Abs. 3 S. 6 GG). Abgeordneten, die den Gesetzentwurf hingegen befürworten, ist es nicht untersagt, einen entsprechenden Gesetzentwurf erneut selbst – etwa „aus der Mitte des Bun 196
Kratzer AöR 77 (1951/52), S. 266 ff., 274. Pestalozza ZRP 1976, S. 153 ff., 154 ff. 198 Masing, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Band 2, 6. Aufl., Art. 76 Rn 73 m. w. N. 199 Dies wird von Masing, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Band 2, 6. Aufl., Art. 76 Rn 74 als Argument gegen die Zulässigkeit der Rücknahme per se angeführt. 200 Schmitz-Jortzig/Schürmann, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum GG (Hrsg.), 1996, Art. 76 Rn 195 f. 201 Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), GG, 2014, Art. 76 Rn 40. 202 Dietlein, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK-GG, 2015, Art. 76 Rn 11; Mann, in: Sachs (Hrsg.), GG, 7. Aufl., 2014, Art. 76 Rn 37. 203 Masing, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Band 2, 6. Aufl., Art. 76 GG Rn 74. 197
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destages“ (Art. 76 Abs. 1 GG) – einzubringen.204 Die Rücknahme durch den Initianten entfaltet keinerlei Sperrwirkung. Andernfalls würde die Gesetzesinitiative wie ein subjektivrechtlicher Antrag behandelt werden.205 Die Rücknahme kann auch von der Bundesregierung in einem Gesetzgebungsvertrag versprochen werden. Da sich die Rücknahme als Teil des Initiativrechts in Art. 76 Abs. 1 GG darstellt, ist es auch hier möglich, die Art und Weise der Ausübung des äußeren bzw. formellen Aspekts des Gesetzesinitiativrechts einem Dritten zu versprechen. Dem steht der Grundsatz der Unverfügbarkeit von Hoheitsrechten nicht entgegen. Zur Begründung kann auf die Ausführungen unter C. III. 2. b) aa) (3) verwiesen werden. bb) Grenzen der (Verbands-)Kompetenzbindung (1) Ausgangspunkt Der Grundsatz der Unverfügbarkeit fremder Kompetenzen gilt auch im föderalen Gefüge. Die Bundesregierung kann die Art und Weise der Ausübung einer dem Land zustehenden Kompetenz grds. nicht zum Gegenstand einer gesetzgebungsvertraglich übernommenen Pflicht machen.206 Auf einige Besonderheiten sei dennoch im Folgenden hingewiesen. (2) Vereinbarungen betreffend den Verwaltungsvollzug durch die Länder Die Länder sind an einem Gesetzgebungsvertrag, der die Bundesgesetzgebung betrifft, grundsätzlich nicht zu beteiligen. Denn den Ländern stehen hinreichende Beteiligungsmöglichkeiten während des Gesetzgebungsverfahrens über den Bundesrat zu. Dieser kann zunächst gem. Art. 77 Abs. 2 GG innerhalb einer bestimmten Frist den Vermittlungsausschuss anrufen. Darüber hinaus eröffnen ihm Art. 77 Abs. 2 und 3 GG – abhängig davon, ob es sich um ein Zustimmungsgesetz oder ein Einspruchsgesetz handelt – die Möglichkeit, auf das Gesetz gestaltend einzuwirken. Problematisch können dagegen diejenigen Konstellationen sein, in denen ein Gesetzgebungsvertrag Regelungen betreffend den Verwaltungsvollzug durch die Länder beinhaltet. Die Art. 83–86 GG enthalten nähere Bestimmungen hinsichtlich der drei Verwaltungstypen der landeseigenen Verwaltung unter Bundesaufsicht, der Landes 204 Vgl. Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf (Hrsg.), GG, 2014, Art. 76, Rdnr. 37; a. A. Elicker JA 2005, S. 513 ff., 514. 205 Elicker JA 2005, S. 513 ff., 514. 206 Vgl. BVerfGE 1, 351, 366, wonach die Bindung des Initiativrechts solange zulässig ist, wie andere Staatsorgane nicht gebunden werden.
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verwaltung im Auftrag des Bundes und der bundeseigenen Verwaltung. Die administrative Umsetzung der Bundesgesetze obliegt hiernach grundsätzlich den Ländern (Art. 30, 83 GG). Im Einzelfall können dem Bund aber (in ihrem Umfang begrenzte) Ingerenzrechte eingeräumt sein, welche – je nach Verwaltungstyp – unterschiedlich ausgestaltet sind. So können im Rahmen des Landesvollzugs von Bundesgesetzen unter Bundesaufsicht (Art. 84 GG) etwa allgemeine Weisungen in Form von Verwaltungsvorschriften oder konkrete Einzelanweisungen ergehen. Sowohl allgemeine (Art. 84 Abs. 2 GG) als auch Einzelanweisungen (Art. 84 Abs. 5 GG) bedürfen aber stets der Zustimmung des Bundesrats.207 Im Rahmen des Landesvollzugs von Bundesgesetzen im Auftrag des Bundes kann die Bundesregierung – mit Ausnahme der in Art. 87b Abs. 2 Hs. 2 und Art. 120a Abs. 1 S. 2 Hs. 1 GG genannten Fällen – mit Zustimmung des Bundesrats generelle Weisungen in Form allgemeiner Verwaltungsvorschriften erlassen (Art. 85 Abs. 2 S. 1 GG). Bei der Auftragsverwaltung steht den zuständigen Ressorts des Bundes daneben gegenüber den obersten Landesbehörden (Art. 85 Abs. 3 S. 2 GG) nach Art. 85 Abs. 3 S. 1 GG auch ein Weisungsrecht für den Einzelfall zu. Im Rahmen eines Gesetzgebungsvertrags könnte die Bundesregierung eine Zusage dahingehend treffen, dass der Bund sein Weisungsrecht aus Art. 85 Abs. 3 S. 1 GG in einer bestimmten Weise ausüben werde. Hierin kann zunächst eine Verletzung des Prinzips der Unveräußerlichkeit fremder Kompetenzen liegen. Dies hängt maßgeblich davon ab, welche Organe i. S. d. Art. 85 Abs. 3 S. 1 GG weisungsbefugt sind. Zuständig zur Ausübung des Weisungsrechts ist nach dem Wortlaut der Vorschrift die oberste Bundesbehörde. Als Exekutivorgan könnte die Bundesregierung zunächst als „Behörde“ einzuordnen sein. Dagegen, dass der Begriff der „obersten Bundesbehörde“ auch die Bundesregierung erfasst, spricht allerdings, dass Art. 85 Abs. 3 GG selbst den Terminus „Bundesregierung“ verwendet. Aus der ungleichwertigen Funktionszuweisung im Normal- (S. 1: oberste Bundesbehörde) und im Dringlichkeitsfall (S. 2: Bundesregierung) folgt, dass Art. 85 Abs. 3 S. 1 GG sinnentleert würde, sofern die Bundesregierung selbst zu den weisungsbefugten Organen gezählt würde.208 Darüber hinaus spricht gegen eine Gleichstellung der Begriffe die ausdrückliche Differenzierung in Art. 108 Abs. 3 S. 2 GG. Die Vorschrift regelt den Fall, dass die Landesfinanzbehörden Steuern verwalten, die ganz oder zum Teil dem Bund zufließen. In dieser Konstellation werden die Landesfinanzbehörden ausdrücklich im Auftrag des Bundes tätig. Die Vorschriften über die Bundesauftragsverwaltung (Art. 85 Abs. 3, 4 GG) finden in 207 Daneben kann die Bundesregierung im Rahmen der Bundesaufsicht in den Verwaltungsvollzug eingreifen, wenn sie Mängel feststellt und nach Art. 85 Abs. 4 S. 1 GG dem Land mitteilt. Sofern das Land dieser Mängelrüge nicht abhilft, kann die Bundesregierung beim Bundesrat einen Antrag stellen, durch Beschluss die Feststellung zu treffen, ob das Land das Recht verletzt hat, vgl. Oebbecke, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band 6, 2008, § 136 Rn 48. 208 Tschentscher, Inhalt und Schranken des Weisungsrechts des Bundes aus Art. 85 Abs. 3 GG, 1988, S. 77, 79.
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diesem Fall mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle der Bundesregierung der Bundesminister der Finanzen – d. h. eine oberste Bundesbehörde – tritt. Allerdings ist es durchaus möglich, dass ein oberstes Bundesorgan, vertreten durch den zuständigen Bundesminister, an dem Gesetzgebungsvertrag partizipiert. Fraglich ist, ob und in welchem Umfang die Ausübung des Weisungsrechts vertraglich versprochen werden kann. Die Antwort hängt maßgeblich von der Abgrenzung zwischen „Wahrnehmungskompetenz“ und „Sachkompetenz“ ab. Die Wahrnehmungskompetenz betrifft das „Handeln und die Verantwortlichkeit nach außen, gegenüber Dritten“209 und steht dem Land unentziehbar zu.210 Die gesetzesvollziehende rechtsverbindliche Entscheidung mit Außenwirkung, d. h. vor allem der Erlass von Verwaltungsakten und der Abschluss öffentlich-rechtlicher Verträge, verbleiben beim Land. Eine vertragliche Zusage des Bundes hinsichtlich der landesspezifischen Wahrnehmungskompetenz ist mithin unzulässig. Die sog. Sachkompetenz betrifft demgegenüber die Sachbeurteilung und Sachentscheidung. Diese liegt ebenfalls zunächst beim Land. Der Bund kann sie aber dadurch, dass er das ihm zuerkannte Weisungsrecht (Art. 85 Abs. 3 S. 1 GG), welches die gesamte Vollzugstätigkeit des Landes erfasst, in Anspruch nimmt, nach eigener Entscheidung (ausdrücklich oder konkludent) an sich ziehen. Das Land ist dann auf seine Wahrnehmungskompetenz beschränkt. Diese Inanspruchnahme ist nicht rechtfertigungsbedürftig.211 Beispielshaft zu der aufgeworfenen Problematik sei auf den Atomkonsens von 2000 verwiesen.212 Grundsätzlich sind die Länder nach Art. 74 Nr. 11a, 87c, 85 GG und § 24 Abs. 1 AtG mit dem Vollzug des Atomgesetzes im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung (Art. 85 GG) betraut.213 Im Atomkonsens von 2000 hatte die Bundesregierung dem Betreiber (RWE) eines Kraftwerks mit Standort in Hessen (Atomkraftwerk Biblis, Block A) zugesagt, diejenigen ausstehenden Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, deren Abschluss für die Fortführung einer aus Sicherheitsgründen stillgelegten Anlage notwendig war.214 Diese Vereinbarung wurde auch von Vertretern des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie parafiert. Nach Auffassung der Hessischen Landesregierung hatte der Bund hiermit die ihm für den Bereich der Bundesauftragsverwaltung nach Maßgabe der Regelungen des Art. 85 GG gezogenen Grenzen überschritten. Im Bund-Länder-Streit wollte das Land Hessen geklärt wissen, in welchem Umfang der Bund im Wege seiner Sachkompetenz für den Vollzug des Atomrechts im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung nach außen gegenüber Dritten tätig werden darf. Nach Auffassung 209
BVerfGE 104, 249, 264 f. BVerfGE 81, 310, 332. 211 BVerfGE 81, 310, 331. 212 Hierzu auch Frenz NVwZ 2002, S. 561 ff. Ausführlich bereits unter A. III. 1. 213 Vgl. ausführlich zum Vollzug des Atomgesetzes im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung Heitsch, Die Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder, 2001, S. 297 ff. 214 Ausführlich der Sachverhalt BVerfGE 104, 149, 251 ff. 210
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des Landes hatte der Bund durch die Vereinbarung im Atomkonsens von 2000 in unzulässiger Weise in die Verwaltungskompetenz des Landes eingegriffen.215 Dieser Ansicht folgte das Bundesverfassungsgericht nicht. Die Richter waren mehrheitlich der Auffassung, dass der Bund die Wahrnehmungskompetenz des Landes erst dann verletze, „wenn er nach außen gegenüber Dritten […] rechtsverbindlich tätig wird oder durch die Abgabe von Erklärungen, die einer rechtsverbindlichen Entscheidung gleichkommen, die Wahrnehmungskompetenz des Landes an sich zieht“.216 Eine derartige Rechtsverbindlichkeit konnte dem Atomkonsens nicht zugesprochen werden. Diese Auffassung ist nicht unbestritten. Begründend wird angeführt, dass unter dem Begriff der Wahrnehmungskompetenz bereits das „Handeln und die Verantwortlichkeit nach außen, im Verhältnis zu Dritten“ verstanden wird.217 Das Handeln nach außen in diesem Sinne beschränke sich nicht auf rechtsförmliches Handeln. Es komme nicht auf die rechtliche Qualifikation, sondern auf den tatsächlichen Inhalt des Handelns an. Der eintretende Handlungserfolg könne auch durch solche Maßnahmen erreicht werden, die „sich nicht in die herkömmlichen rechtlichen formalisierten Verfahren und Handlungsformen einordnen lassen“. Würden rechtlich unverbindliche Maßnahmen mit Vollzugsqualität nicht zur Wahrnehmungskompetenz zählen, so würde die Wahrnehmungskompetenz der Länder ausgehöhlt.218 Wird mit der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts angenommen, dass die Wahrnehmungskompetenz der Länder in den Fällen rechtsverbindlicher Vereinbarungen in unzulässiger Weise verletzt wird, so steht Art. 85 GG einem dementsprechenden Gesetzgebungsvertrag entgegen. Eine Beteiligung der Länder während des Zustandekommens des Vertrags ist erforderlich, damit der verfassungsrechtlich den Ländern zugewiesene Verwaltungsvollzug nicht in unzulässiger Weise konterkariert wird. Richtigerweise ist aber mit der anderen Ansicht der Richter Di Fabio und Mellinghoff ein Verstoß gegen Art. 85 GG abzulehnen. In diesem Fall folgt aber aus dem Grundsatz des bundesfreundlichen Verhaltens,219 dass wegen des untrennbaren Zusammenhangs zwischen der Absprache und der 215 In der Anlage 2 zum Atomkonsens vom 14.6.2000 und vom 11.6.2001 wurde vereinbart, dass (1.) für das Kernkraftwerk Biblis, Block A, eine Stromproduktion von 62 TWh vorgesehen ist (sog. Restnutzungsumfang), (2.) binnen drei Monaten über ein Nachrüstungsprogramm entschieden wird, das sowohl den sicheren Betrieb gewährleistet als auch in angemessenem Verhältnis zur Rechtsnutzung steht und (3.) dazu nachträgliche Auflagen angepasst werden. Maßgeblicher Streitpunkt des o.g. Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht war, ob hiermit bereits unmittelbar in die Wahrnehmungskompetenz des Landes (d. h. konkret die Zuständigkeit der atomrechtlichen Aufsichtsbehörde) eingegriffen wurde, oder es sich bei der Vereinbarung vielmehr um einen Fall der vom Bund in Anspruch genommenen Sachkompetenz handelt. 216 BVerfGE 104, 249, 267. 217 BVerfGE 81, 310, 332. 218 So die Richter Di Fabio und Mellinghoff in ihrem abweichenden Sondervotum zu BVerfGE 104, 249, vgl. BVerfGE 104, 249, 273 ff. 219 Der Grundsatz des bundesfreundlichen Verhaltens verlangt, dass sowohl der Bund als auch die Länder bei der Wahrnehmung ihrer Kompetenzen die gebotene und ihnen zumutbare
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Wahrnehmungskompetenz des Landes dem betroffenen Land Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden muss.220 Dies wurde zwar ausdrücklich lediglich für rechtlich unverbindliche Maßnahmen anerkannt. Wenn das Land allerdings bereits bei rechtlich unverbindlichen Maßnahmen angehört werden muss, so muss dies erst Recht für rechtsverbindliches Handeln gelten. Denn in diesem Fall ist die Rechtsposition des Landes rechtswirksam (und somit nicht lediglich faktisch) betroffen. (3) Auswirkungen unechter Gesetzgebungsverträge der Bundesregierung im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung auf die Regelungsbefugnis der Länder Fraglich ist, ob unechte Gesetzgebungsverträge der Bundesregierung mit Privatrechtssubjekten im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung die Länder daran hindern, eigene Landesregelungen zu erlassen. Insoweit könnte zunächst das dem föderalistischen Grundsatz immanente Prinzip der Bundestreue als „Kompetenzausübungsschranke“221 eine Unterlassungsverpflichtung der Länder begründen. Nach dem Prinzip der Bundestreue, welches auch im Bereich der Gesetzgebung Anwendung findet, haben Bund und Länder bei der Wahrnehmung ihrer verfassungsrechtlich zugewiesenen Kompetenzen die ihnen zumutbare Rücksicht auf das Gesamtinteresse des Bundesstaats und seiner Teile zu nehmen.222 Das Prinzip kann in Ausnahmefällen Gesetzgebungspflichten der Länder begründen,223 wobei diese Gesetzgebungspflicht im Regelfall als ein Tun zu verstehen ist, im Einzelfall aber auch – entsprechend allgemeiner Rechtslehre – ein Unterlassen umfassen kann. Eine Sperrwirkung der Landesgesetzgebung in den Fällen, in denen ein von der Bundesregierung geschlossener Gesetzgebungsvertrag vorliegt, der die Nichteinbringung oder den Nichtbeschluss eines bestimmten Gesetzes vorsieht, kann aber nicht angenommen werden. Hierfür lässt sich der Wortlaut des Art. 72 Abs. 1 GG Rücksicht auf das Gesamtinteresse des Bundesstaats und auf die Belange der Länder nehmen, vgl. BVerfGE 81, 310, 337. 220 Dies sei notwendig, um das Land vor einer „faktisch irreversiblen Bindung“ zu schützen. Dem Land müsse nicht nur die effektive Chance gewahrt werden, seinen Standpunkt darzulegen. Es müsse darüber hinaus gewährleistet sein, dass sich der Bund hiermit inhaltlich auseinandersetzt und zum Gegenstand seiner Entscheidungsbildung macht. Ist die Entscheidung des Bundes nicht mehr ergebnisoffen sondern bereits faktisch aufgrund der Absprache mit einem Dritten gebunden, erfolgt eine spätere Beteiligung lediglich „pro forma“, vgl. BVerfGE 104, 249, 283. 221 Stettner, in: Dreier (Hrsg.), GG, Band 2, 2006, Art. 70 Rn 35. 222 St. Rspr., vgl. BVerfGE 12, 205, 239, 254; 14, 197, 215; 32, 199, 218; 43, 291, 348; 92, 203, 230. 223 Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, 7. Aufl., 2014, Art. 71 Rn 12; Stettner, in: Dreier (Hrsg.), GG, Band 2, 2006, Art. 70 Rn 35 ff.
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anführen. Demnach entsteht eine Sperrwirkung für die Landesgesetzgebung nur dann, wenn der Bund „durch Gesetz“ gehandelt hat. Der Gesetzgebungsvertrag ist gerade (noch) kein Legislativakt und diesem auch nicht rechtlich gleichzustellen. Die Länder haben so die Möglichkeit, unechte Gesetzgebungsverträge auf Bundesebene zu unterlaufen. Eine Ausnahme ist lediglich dann anzunehmen, wenn ein Bundesgesetz ergeht, welches sich auf eine Nichtregelung beschränkt. In diesen Fällen entfaltet das Gesetz Sperrwirkung zu Lasten einer abweichenden Landesregelung. Das Prinzip der Bundestreue steht dieser Bewertung im Ergebnis nicht entgegen. Denn es stellt in Bezug auf das grundgesetzliche Gesetzgebungsverfahren nur ein akzessorisches Mittel dar, keinen konkreten Kompetenztitel. Es ist nicht dazu in der Lage, die verfassungsrechtlich vorgezeichnete Kompetenzordnung abzuändern. Mit Blick auf Art. 72 Abs. 1 GG könnte andernfalls die Beteiligung des Bundesrats, welche vom Gesetzgebungsverfahren für das Zustandekommen eines jeden Gesetzes vorgezeichnet ist, umgangen werden, sodass die Möglichkeit entstehen würde, Landesinteressen durch den bloßen Abschluss eines Gesetzgebungsvertrags unbeachtet zu lassen bzw. einer potentiellen Landesgesetzgebung entgegenzuwirken. Für die am Gesetzgebungsvertrag Beteiligten besteht aber die Möglichkeit, die Wirksamkeit des Gesetzgebungsvertrags an die Bedingung zu knüpfen, dass die Länder keine abweichende Regelung beschließen. c) Gesetzgebungspflichten Art. 76 Abs. 1 GG begründet als fakultativ ausgestaltetes Recht grds. eine Befugnis, keine Verpflichtung. Es unterliegt dem zur Gesetzesinitiative berechtigten Organ bzw. dessen „politische[m] Gestaltungswillen“, ob es einen Lebenssachverhalt für regelungsbedürftig erachtet oder nicht, mithin von seinem Initiativrecht Gebrauch machen möchte.224 Dieser Initiativfreiheit kann im Einzelfall ausnahmsweise eine Rechtsetzungspflicht gegenüberstehen.225 Eine solche Rechtsetzungspflicht kann sich aus verfassungs-, europa- und völkerrechtlichen Vorgaben ergeben. Nur wenige grundgesetzliche Bestimmungen vermögen unmittelbar voll zu wirken, wie etwa Art. 102 GG. In der Mehrzahl erhalten die Grundrechte ihre volle Effektivität nicht bereits dadurch, dass sie als abstrakte Rechtssätze Gegenstand des Verfassungstexts sind. Es bedarf vielmehr einer Realisierung und Konkretisierung verfassungsrechtlich verankerter Rechtssätze in niederrangigen 224
Masing, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Band 2, 6. Aufl., Art. 76 Rn 66. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band 2, 1980, § 37 III 4. Siehe hierzu auch Stettner, in: Dreier (Hrsg.), Kommentar GG, 2. Aufl. 1998, Art. 76 Rn 10; ausführlich Schürmann, Grundlagen und Prinzipien des legislatorischen Einleitungsverfahrens nach dem Grundgesetz, 1986, S. 92 ff. 225
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Normgeflechten. Hierfür kennt das Grundgesetz keine umfassende „allgemeine Gesetzgebungspflicht“.226 Vielmehr ergeben sich besondere Gesetzgebungspflichten – ausdrücklich oder mittels Auslegung – aus einzelnen Verfassungsbestimmungen (sog. Verfassungsaufträge und -direktiven), auf Grund derer die Verfassung durch ergänzende oder ausführende gesetzliche Regelungen verwirklicht werden soll.227 So können sich etwa aus den grundrechtlichen Schutzpflichten oder den Staatszielbestimmungen (Art. 20a GG) konkrete (Korrektur-) Aufträge an den Gesetzgeber ergeben.228 Im Kalkar-Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht etwa angenommen, dass aus den Grundrechten und insbesondere aus Art. 1 Abs. 1 GG eine „verfassungsrechtliche Schutzpflicht“ folgt, die auch auf die Ausgestaltung rechtlicher Regelungen abzielen kann.229 Bestätigt – und konkretisiert – wurde diese Auffassung in dem Urteil „Schwangerschaftsabbruch II“.230 Eine Rechtsetzungspflicht postuliert zudem beispielsweise das in der Präambel verankerte Wiedervereinigungsgebot. So hat das Bundesverfassungsgericht in seinem KPD-Urteil „aus dem Vorspruch für alle politischen Staatsorgane der Bundesrepublik Deutschlands die Rechtspflicht“ entnommen, „die Einheit Deutschlands mit allen Kräften anzustreben“.231 Der Gesetzgeber war dementsprechend zwar hinsichtlich des „Wie“ der Umsetzung frei, nicht jedoch hinsichtlich des „Ob“. In einer weiteren, dass Strafrecht betreffenden Entscheidung, geht das Bundesverfassungsgericht noch darüber hinaus, indem es feststellt, dass sich solche Schutzpflichten nicht bloß zur Gesetzgebungspflicht („ob“), sondern sogar zur Pflicht zum Erlass von ganz bestimmten Gesetzen („wie“) verdichten können.232 Darüber hinaus enthal 226 Eine solche hatte Seiwerth, Die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde gegenüber Grundrechtsverletzungen des Gesetzgebers durch Unterlassen, 1962, S. 43 f. mit Verweis auf Art. 20 Abs. 3 GG versucht zu begründen. Dies ist abzulehnen. Denn aus Art. 20 Abs. 3 GG folgt nicht die Pflicht, alle rechtlich relevanten Lebenssachverhalte durch Gesetz zu regeln. Vielmehr kann der Gesetzgeber bestimmte Lebenssachverhalte bewusst ausklammern und einer Regelung durch Richterspruch überantworten, vgl. dahingehend bereits BVerfGE 2, 79, 84: hier nahm das Bundesverfassungsgericht an, der Gesetzgeber habe ihm im BVerfGG (zulässigerweise) bewusst Raum für die Verfahrensgestaltung gelassen. 227 Grundlegend hierzu Ritter, Verfassungsrechtliche Gesetzgebungspflichten, 1967, S. 33 ff., 47 ff., 83 ff. und 127 ff. Der systematische Ansatzpunkt für den Verfassungsauftrag zur Ausgestaltung der Grundrechte liegt in Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts verpflichtet diese Norm den Staat positiv zur einem „schützenden Tun“, vgl. BVerfGE 1, 97, 104. Auch Denninger sieht in Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG einen „Verfassungsauftrag“ an den Gesetzgeber, s. ders. JZ 1966, S. 767 ff., 769. 228 Etwa als Folge eines Verfassungsverstoßes. In diesen Fällen kann sich ein Gesetzgebungsauftrag über § 31 BVerfGG ergeben (sog. „Appell-Entscheidung“ des BVerfG, siehe bspw. BVerfGE 101, 158). Umfassend zu dem Problem, inwieweit das BVerfG den Anspruchs auf Gesetzgebung durch Anregungen und Verpflichtungen zur Gesetzgebung durchsetzen kann, soweit der Gesetzgeber bei verfassungsrechtlich geforderter Gesetzgebung untätig bleibt s. Kleuker, Gesetzgebungsaufträge des Bundesverfassungsgerichts, 1993. 229 BVerfGE 49, 89, 142. 230 BVerfGE 88, 203, 251 ff. 231 BVerfGE 5, 85, 127; bestätigend BVerfGE 12, 45, 51 sowie BVerwGE 11, 9, 12 f. 232 Die Entscheidung des BVerfGE 39, 1, 42 f. erging zum speziellen Fall der Neuregelung des § 218 StGB.
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ten einzelne Verfassungsnormen explizite Gesetzgebungsaufträge (Art. 6 Abs. 5, 33 Abs. 5, 38 Abs. 3, 104 Abs. 2 S. 4, 110, 111 GG). Rechtsetzungspflichten können sich zudem aus Art. 288 Abs. 3 AEUV ergeben. Ähnlich verhält es sich, wenn ein völkerrechtlicher Vertrag233 abgeschlossen wurde, der einer innerstaatlichen Umsetzung bedarf.234 Daneben kann auch aus einfachem Recht eine Pflicht zur Novellierung bestehen (etwa § 14 BBesG).235 Zunächst ist festzuhalten, dass derartige Rechtsetzungsaufträge einem (unechten) Gesetzgebungsvertrag, wonach ein bestimmtes Gesetz nicht beschlossen werden soll, entgegenstehen. Der verfassungsrechtlich, gemeinschaftsrechtlich oder völkerrechtlich statuierte Gesetzgebungsauftrag könnte darüber hinaus aber auch dem Versprechen, ein bestimmtes Gesetz nicht in den Bundestag einzubringen, entgegenstehen. Die vertragliche Vereinbarung, nicht gesetzgeberisch tätig zu werden (sog. unechter Gesetzgebungsvertrag), wäre dann rechtswidrig („rechtswidriges Untätigbleiben“).236 Hiergegen spricht zunächst, dass bei formaler Betrachtung zwischen der Initiativpflicht und der Erlass- bzw. Rechtsetzungspflicht unterschieden werden muss. Die vertragliche Zusage der Bundesregierung, ein bestimmtes Gesetz nicht in den Bundestag einzubringen, schließt den Beschluss eines gleichartigen Gesetzes rechtlich nicht aus. Darüber hinaus ist Adressat einer Erlass- bzw. Rechtsetzungspflicht primär nicht der Initiativberechtigte, sondern der Bundestag als zentrales Rechtsetzungsorgan.237 Selbst wenn man davon ausgeht, dass ein funktionaler Zusammenhang zwischen Gesetzesinitiative und Gesetzesbeschluss besteht, die Rechtsetzungspflicht mithin indirekt die in Art. 76 Abs. 1 GG benannten Organe adressiert, so können – neben der Bundesregierung – auch andere Organe oder Organteile eine Initiative beschließen. Die Untätigkeitsverpflichtung der Bundesregierung mündet damit nicht zwingend in der Konsequenz, dass ein Gesetzgebungsbefehl leer läuft. Formal konterkariert die Untätigkeitserklärung der Bundesregierung den Rechtsetzungsauftrag letztlich also nicht. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass – neben der speziellen, unmittelbar die Bundesregierung betreffenden Initiativverpflichtung aus Art. 110 Abs. 3 i. V. m. Art. 113 Abs. 1 S. 1 GG – die Bundesregierung im Falle eines Gesetzgebungs 233
Hierzu BVerfGE 1, 351, 366. Kersten, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 2014, Art. 76 Rn 61. Hierzu Schneider, Gesetzgebung, 2002, § 5 Rn 94 und Lücke, in: Sachs (Hrsg.), GG, 7. Aufl. 2014, Art. 76 Rn 14. 235 Stettner, in: Dreier (Hrsg.), GG, 2. Aufl., Art. 76 Rn 10; Bryde, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Band 2, Art. 6. Aufl., 2012, Art. 76 Rn 6; Masing, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Band 2, 6. Aufl., 2010, Art. 76 Rn 67 ff.; Kersten, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 2014, Art. 76 Rn 61 m. w. N. 236 Oebbecke DVBl. 1986, S. 793 ff., 796; für den behördlichen Verzicht auf den Erlass eines Verwaltungsakts ebenso Jarass DVBl. 1985, S. 193 ff., 197 f. 237 Zur Stellung des Adressaten einer Gesetzgebungspflicht vgl. Ritter, Verfassungsrechtliche Gesetzgebungspflichten, 1967, S. 127 ff. 234
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auftrags als einziges Initiativorgan über die notwendigen Ressourcen und Fachkompetenzen verfügt, um zeitnah einen angemessenen Gesetzentwurf zu erarbeiten. Hieraus wird teilweise gefolgert, dass „in aller Regel die Bundesregierung“ zur Einbringung einer der Rechtsetzungsverpflichtung entsprechenden Initiative verpflichtet ist.238 Nach anderer Auffassung soll die Bundesregierung lediglich verpflichtet sein, ihre Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Die formelle Gesetzesvorlage könne letztlich auch vom Bundesrat oder aus der Mitte des Bundestags kommen.239 Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach bei der Beurteilung der angemessenen Frist für Rechtsetzungsaufträge auf die Leistungsfähigkeit der Ministerialbürokratie und nicht diejenige des Parlaments abgestellt wird, lässt sich dabei für beide Ansichten fruchtbar machen.240 Denn zum einen sind die einzelnen Bundesministerien formal Teil der Bundesregierung (Art. 62 GG). Zum anderen stellt das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung nicht ausdrücklich auf die Bundesregierung, sondern lediglich auf den ihr zur Verfügung stehenden Apparat, ab. Dies schließt eine Ressourcenteilung nicht aus. Letztlich ist der Einzelfall entscheidend. Soweit einem anderen Organ die Nutzung der Fachkompetenz der Ministerien – in zeitlicher und fachlicher Hinsicht – ausreichend zur Verfügung steht, um einem Rechtsetzungsauftrag nachzukommen, steht der Rechtsetzungsauftrag einem (unechten) Gesetzgebungsvertrag, in dem die Bundesregierung sich verpflichtet, eine Gesetzesinitiative nicht einzubringen, nicht entgegen. Denn dem Rechtsetzungsauftrag kann in dem gebotenen Maß nachgekommen werden. Soweit dem Rechtsetzungsauftrag insgesamt nicht hinreichend nachgekommen werden kann, verstößt der Gesetzgebungsvertrag gegen einen Verfassungssatz.241 Der Gesetzgebungsvertrag ist in diesem Fall nichtig.242 Aus praktischer Sicht ist in den Fällen eines Rechtsetzungsauftrags ein Gesetzgebungsvertrag in der beschriebenen Form mithin wenig sinnvoll, da die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der vertraglichen Bindung unter der Bedingung steht, dass eine Gesetzesinitiative von einem anderen Organ eingebracht wird, der Bundestag als unmittelbarer bzw. direkter Adressat des Rechtsetzungsauftrags also seiner Rechtsetzungspflicht nachkommen kann. Dem Argument, dass die Bundesregierung in der Regel von der parlamentarischen Mehrheit getragen wird, ist vor dem Hintergrund, dass es sich um einen Rechtsetzungsauftrag handelt, wenig Gewicht beizumessen.
238
Masing, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Band 2, 6. Aufl., 2010, Art. 76 Rn 68. Stettner, in: Dreier (Hrsg.), GG, 2. Aufl., Art. 76 Rn 10; Bryde, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Band 2, 6. Aufl., 2012, Art. 76 Rn 6. 240 BVerfGE 25, 167, 186. 241 In diese Richtung auch Oebbecke DVBl. 1986, S. 793 ff., 794, wonach der von Rechts wegen zum Gesetzeserlass verpflichtete nicht mittels einer „gesetzesabwendenden Vereinbarung“ seine Untätigkeit in Aussicht stellen darf. 242 Zu den Sekundärrechtsfolgen siehe unter D. I. 2. 239
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d) Grundrechte Grundrechtlich gewährleistete Freiheitsbetätigung unterliegt vereinzelt (gerechtfertigten) Einschränkungen durch staatliche Eingriffe. Der Begriff des Grundrechtseingriffs weist dabei – insbesondere aufgrund neuer staatlicher Handlungsinstrumente, wie beispielsweise dem staatlichen Informationshandeln – eine zunehmende Konturlosigkeit auf. Der ursprünglich vorherrschende sog. „klassische Eingriffsbegriff“ bestand aus vier Merkmalen. Erforderlich war ein zielgerichteter (finaler), unmittelbar wirkender und zwangsweise durchsetzbarer Rechtsakt. Hieraus folgten die Kriterien der Unmittelbarkeit, Imperativität, Normativität und Finalität.243 Der nach heute vorherrschender Auffassung einzig maßgebliche „moderne Eingriffsbegriff“ ist einem weiten Verständnis zugänglich, wobei stets der Schutzbereich des jeweiligen Grundrechts zu beachten ist.244 Entgegen dem veralteten klassischen Begriffsverständnis stellen grds. nicht nur diejenigen hoheitlichen Rechtsakte, die final-unmittelbar und imperativ auf die Beeinträchtigung von bestimmten Grundrechten bei bestimmten Grundrechtsträgern gerichtet sind, einen Eingriff dar. Vielmehr kann ein Eingriff auch dann vorliegen, wenn die Grundrechtsbeeinträchtigung staatlichem Handeln auf sonstige Weise zugerechnet werden kann.245 aa) Unechter Gesetzgebungsvertrag Fraglich ist zunächst, inwieweit ein unechter Gesetzgebungsvertrag dazu ge eignet ist, einen grundrechtlich geschützten Rechtskreis zu tangieren. Hierfür ist zwischen den einzelnen Verpflichtungen innerhalb eines Gesetzgebungsvertrags zu unterscheiden. (1) Pflicht des Hoheitsträgers: Nichterlass/Nichteinbringung eines Gesetz(-entwurfs) Anknüpfungspunkt für die Beantwortung der Frage, ob ein grundrechtlich relevanter „Eingriff“ vorliegt, ist die vertraglich versprochene Pflicht des Hoheitsträgers, ein Gesetz nicht in den Bundestag einzubringen bzw. zu beschließen. Diese Verhaltensweise lässt sich nicht unter den Eingriffsbegriff subsumieren. Denn dem Gesetzgeber steht eine Gestaltungsfreiheit hinsichtlich des „ob“ und des „wie“ seiner Gesetzgebungstätigkeit zu. Diese würde unzulässig beschränkt, wenn die Untätigkeitserklärung einen grundrechtsrelevanten Eingriff darstellen würde. Etwas 243 Aus der Fülle Jarass, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), GG, 11. Aufl., 2011, Vorb. Art. 1 Rn 25 m. w. N. 244 Je weiter der Schutzbereich eines Grundrechts ist, desto mehr erscheint staatliches Handeln als Eingriff; je enger der Schutzbereich verstanden wird, desto weniger gerät staatliches Handeln in Konflikt mit dem Grundrecht, vgl. Schlink, Grundrechte, 25. Aufl., § 6 Rn 239. 245 BVerfGE 105, 279, 300.
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anderes gilt nur dann, wenn der Gesetzgeber qua Rechtssatz zum Legislativakt verpflichtet ist. Wird hierdurch ein Grundrecht verletzt, so stellt die Untätigkeitsverpflichtung einen rügefähigen Eingriff dar. (2) Pflicht des Privatrechtssubjekts In Bezug auf die Frage, inwieweit die im Gesetzgebungsvertrag festgeschriebene Pflicht des Privatrechtssubjekts einen Grundrechtseingriff darstellen kann, ist zwischen dem partizipierenden Privatrechtssubjekt und Dritten zu unterscheiden. (a) Grundrechtsbeeinträchtigung Dritter Das vertraglich versprochene Tun oder Unterlassen des partizipierenden Privatrechtssubjekts kann sich nachteilig auf die Stellung Dritter auswirken, die nicht am Gesetzgebungsvertrag partizipieren. So kann etwa die übernommene Verpflichtung, ein bestimmtes Verhalten zu unterlassen, zum Absatzrückgang der in dem betroffenen Wirtschaftszweig tätigen Unternehmen führen. In dieser Situation stellt sich für den Dritten die Frage, ob hierin eine rügefähige Beeinträchtigung seiner grundrechtlich verbürgten Freiheit (Art. 12 bzw. 14 GG) zu sehen ist. Die Besonderheit in dieser Konstellation liegt darin, dass das konkret grundrechtsbeeinträchtigende Verhalten nicht unmittelbar vom Staat, sondern von einem freiverantwortlich handelnden Privatrechtssubjekt ausgeht. Da das Verhalten auf einem Gesetzgebungsvertrag mit einem Hoheitsträger basiert, stellt sich allerdings die Frage, ob das zulässige Verhalten staatlicherseits verursacht oder provoziert ist, mithin mittelbar den Dritten tangiert und insoweit unter den Eingriffsbegriff zu subsumieren ist. Aufgrund der fehlenden Finalität erfüllt der Gesetzgebungsvertrag unstrittig nicht die Anforderungen an den klassischen Eingriffsbegriff. In Betracht kommt einzig eine Subsumtion unter den modernen bzw. weiten Eingriffsbegriff. Dies wäre etwa der Fall, soweit der Gesetzgebungsvertrag eine mittelbar-faktische Beeinträchtigung darstellt. Zur Veranschaulichung des Problemkreises und zur rechtssicheren Beantwortung der aufgeworfenen Frage, soll ein Vergleich zu einem ähnlichen Rechtsproblem angestellt werden – dem staatlichen Informationshandeln. In seiner „Osho-Entscheidung“ hatte das Bundesverfassungsgericht im Wesentlichen über die Zulässigkeit von Äußerungen der Bundesregierung zu entscheiden, welche die Osho-Sekte u. a. als „pseudoreligiös“, „Psychosekte“ und „destruktiv“ bezeichneten.246 Die Richter sahen in diesen Äußerungen keine Beeinträchtigung 246
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des Schutzbereichs von Art. 4 Abs. 1, 2 GG. Eine beeinträchtigende Wirkung liege vielmehr darin, „dass der Einzelne aus der ihm zugegangenen Information Konsequenzen zog und der betreffenden Gruppe fernblieb, aus ihr austrat, auf Angehörige oder andere Personen einwirkte, sich ebenso zu verhalten, oder davon absah, die Gemeinschaft (weiter) finanziell zu unterstützen“. Vergleichbar ist darüber hinaus die sog. „Glykol-Entscheidung“ des Bundesverfassungsgerichts.247 Anlass für die Entscheidung war die Veröffentlichung einer Liste durch das Bundesgesundheitsministerium, in der Weine aufgeführt waren, denen unter Verstoß gegen das Weingesetz Glykol beigemischt worden war. Daraufhin hatten einige Weinkellereien unter Verweis auf Art. 12 Abs. 1 GG Rufschädigungen und Umsatzeinbußen geltend gemacht. Hinzuweisen ist letztlich auf die „Scientology-Entscheidung“ des Bundesverwaltungsgerichts.248 Der Hamburger Senat hatte einen Erklärungsvordruck ausgearbeitet, den Unternehmen zur Überprüfung einer etwaigen Scientology-Mitgliedschaft ihren Geschäftspartnern vorlegen sollten. Der Klägerin – Mitglied in der Scientology-Kirche – wurde von einem Geschäftspartner ein solches Formular übermittelt, wobei die Rücksendung zur Bedingung für weitere geschäftliche Kontakte gemacht wurde. Da die Klägerin befürchtete, der Geschäftspartner würde bei wahrheitsgemäßer Beantwortung des Formulars die geschäftliche Beziehung beenden, füllte sie das Formular nicht aus. Der Geschäftspartner löste die geschäftliche Beziehung, woraufhin sich die Klägerin gegen den Senat von Hamburg mit dem Ziel wandte, solche Erklärungen nicht weiter an Dritte weiterzugeben bzw. für sie zu werben. In diesen drei Entscheidungen ging die geltend gemachte Beeinträchtigung nicht unmittelbar vom Staat aus, sondern von einem Privatrechtssubjekt, das auf eine Verhaltensempfehlung des Staates reagierte. So wurde die Osho-Bewegung nicht daran gehindert, ihre Mitglieder zu behalten. Die staatliche Warnung bewegte allerdings eine Vielzahl zum Austritt. Gleichermaßen verhinderte der Staat nicht selbst den Weinverkauf, sondern warnte die Bevölkerung, welche daraufhin nicht kaufte. Auch in der Scientology-Entscheidung ist der geschäftliche Kontakt einzig aufgrund eines bewussten Willensentschlusses des Geschäftspartners beendet worden. Das beeinträchtigende Ereignis lag nicht in der Herausgabe der Schutzerklärung. Die von der Glaubensgemeinschaft, den Weinkellereien und der hamburger Geschäftsfrau erlittenen Nachteile beruhten mithin unmittelbar auf dem Verhalten der Mitglieder bzw. der Weinkonsumenten bzw. der Geschäftspartner. Die staatliche Einflussnahme war lediglich mittelbarer Natur. Da das beschriebene Verhalten Privater für sich genommen ungeeignet ist, Gegenstand einer verfassungsrechtlich relevanten Grundrechtsbeeinträchtigung zu sein, richteten sich die Abwehrgesuche in den beschriebenen Fällen gegen die vorgelagerte staatliche Verhaltensweise. Anknüpfungspunkt für einen möglichen
247
BVerfGE 105, 252. BVerwG NJW 2006, 1303.
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„Eingriff“ sollte die staatliche Veranlassung sein. Konkret stellte sich die Frage, ob in der staatlichen Warnung ein Grundrechtseingriff zu erblicken ist. Unabhängig von der mit dieser Frage verbundenen grundrechtsdogmatischen Diskussion249, wird an dieser Stelle der vorzugswürdigen herrschenden Meinung zur Bewertung der Eingriffsqualität der staatlichen Warnung gefolgt. Demnach erfüllt staatliches Informationshandeln die Voraussetzungen des klassischen Eingriffsbegriffs nicht, da es lediglich die Ursache bzw. Voraussetzung oder Veranlassung für ein freiwilliges privates Handeln darstellt. Gleichwohl ist der Schutz der Grundrechte nicht auf die Abwehr klassischer Eingriffe beschränkt.250 Vielmehr kann auch eine „Beeinträchtigung“ einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedürfen, um die „mittelbar-faktischen“ Wirkungen auf den grundrechtlichen Schutzbereich erfassen zu können.251 Allerdings stellt nicht jede staatliche Maßnahme, die nachteilige mittelbar-faktische Wirkungen auf einen grundrechtlich geschützten Bereich entfaltet, eine Beeinträchtigung dar. Das Bundesverfassungsgericht ist eine abstrakte Begriffsdefinition der „Grundrechtsbeeinträchtigung“ bislang schuldig geblieben. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich einer Definition aber insoweit angenähert, als eine negative Auswirkung auf den Schutzbereich eines Grundrechts auf hoheitliches Handeln zurückzuführen (Kausalität) und dem Staat zurechenbar sein muss, um eine Grundrechtsbeeinträchtigung darzustellen.252 Da sich das Merkmal der Kausalität in der Mehrzahl der streitigen Fälle als unproblematisch erweisen wird, stellt das Erfordernis der Zurechenbarkeit eines durch staatliches Informationshandeln verursachten Erfolgs den „Dreh und Angelpunkt der verfassungsrechtlichen Beurteilung staatlichen Informationshandelns“ dar.253 In der Scientology-Entscheidung ging das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass die Frage nach der Zurechenbarkeit mit dem Merkmal der „Zielrichtung“ zu beantworten sei. Dementsprechend war das Merkmal der Zurechenbarkeit in dieser Konstellation erfüllt, da die Schutzerklärungen „voraussetzungsgemäß dazu bestimmt [waren], den Geschäftspartner des Verwenders zur Offenlegung seiner Zugehörigkeit zur Scientology zu zwingen“. Das Erfordernis der „Zurechen barkeit“ einer Grundrechtsbeeinträchtigung entspricht letztlich dem Merkmal der Finalität des klassischen Eingriffsbegriffs, wobei sich das Erfordernis zunächst nur 249
Aus der Fülle Schoch NVwZ 2011, S. 193 ff.; Murswiek NVwZ 2003, S. 1 ff.; Bumke Die Verwaltung 37 (2004), S. 3 ff.; Hoffmann-Riem Der Staat 43 (2004), S. 203 ff.; Kahl Der Staat 43 (2004), S. 167 ff.; Böckenförde Der Staat 42 (2003), S. 164 ff. m. w. N. 250 So das Bundesverfassungsgericht in der Osho-Entscheidung: „Das Grundgesetz hat den Schutz vor Grundrechtsbeeinträchtigungen nicht an den Begriff des Eingriffs gebunden oder diesen inhaltlich vorgegeben“, BVerfGE 105, 279, 300. 251 BVerfGE 105, 279, 303 ff.; 105, 252; 113, 63, 77. 252 BVerwG NJW 2006, 1303, 1304. Diese Auffassung entspricht dem „modernen Eingriffsbegriff“, wonach eine rechtfertigungsbedürftige Freiheitsverkürzung dann vorliegt, wenn die nachteilige Wirkung von einem ursächlichen und zurechenbaren Verhalten der öffentlichen Gewalt ausgeht, vgl. Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen im Bereich der Grundrechte, 1970, S. 21 f. 253 Lenski ZJS 2008, S. 13 ff., 15.
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auf die durch staatliches Handeln ausgelöste Handlung des Privaten bezieht. Ist das Handeln des Privaten Zweck des (zeitlich) vorangegangenen staatlichen Handelns, so muss sich der Staat die Freiheitsverkürzung als Grundrechtsbeeinträchtigung zurechnen lassen.254 Fraglich ist, ob und in welchem Umfang die skizzierte Rechtsprechung auch auf den Gesetzgebungsvertrag übertragen werden kann. Für die Übertragbarkeit spricht zunächst eine formale Betrachtungsweise. Denn im Falle eines Gesetzgebungsvertrags entsteht dieselbe Handlungskette, wie sie auch bei staatlichem Informationsverhalten konstruiert wird (sog. verfassungsrechtliches Dreiecksverhältnis): Es bestehen zwei zeitlich nachfolgende Zwei-Personen-Verhältnisse. Zunächst der Gesetzgebungsvertrag zwischen dem Staat und dem beteiligten Privatrechtssubjekt. Sodann das Verhältnis zwischen dem beteiligten Privatrechtssubjekt und einem dritten Grundrechtsträger, wobei dieses Verhältnis einzig dadurch entsteht, dass der Beteiligte aufgrund des Gesetzgebungsvertrags dem Grundrechtsträger gegenüber eine Handlung vornimmt, die dieser als nachteilig für seine Grundrechtsposition empfindet. In materieller Hinsicht steht einer Übertragung auf den ersten Blick die divergierende rechtliche Qualität von staatlicher Information und Gesetzgebungsvertrag entgegen. Denn im Unterschied zu staatlichen Warnungen erwächst aus dem Gesetzgebungsvertrag ein Verbindlichkeitsbefehl an den privaten Vertragspartner, sodass diesbezüglich ein „Mehr“ an (klassischer) Eingriffsqualität vorliegt. Dieser Befehl steht einer Vergleichbarkeit der Institute allerdings nicht entgegen, da dieser Befehl in seiner Wirkungsweise auf die Vertragsparteien begrenzt ist. Er wirkt lediglich „inter partes“ und ist insoweit von der normativen Wirkung klassischer Eingriffe zu trennen. Darüber hinaus steht einer Gleichstellung auch nicht entgegen, dass das Verhalten des Privatrechtssubjekts auf einem (mehrseitigen) Vertrag basiert, mithin gerade nicht auf einem einseitig-staatlichen Verhalten. Denn Grundlage der Verhaltensweise des Privaten ist insoweit nicht der Vertrag als solcher, sondern die in Aussicht gestellte Gegenleistung des Staates. Das beeinträchtigende Verhalten wird nur vorgenommen, um sich die staatliche Gegenleistung „zu verdienen“. Dieses (mit einem Verbindlichkeitsbefehl ausgestattete) Abhängigkeitsverhältnis von Leistung und Gegenleistung kompensiert das Defizit der fehlenden einseitig-staatlichen Verhaltensweise. Die Leistungsbeziehung rechtfertigt es, den Gesetzgebungsvertrag hinsichtlich einer möglichen Grundrechtsbeeinträchtigung dem staatlichen Informationshandeln mindestens gleichzusetzen. Die letzten Endes maßgebliche Frage, ob der Gesetzgebungsvertrag als mittelbarfaktische Beeinträchtigung eines verfassungsrechtlich geschützten Freiheitsrechts anzusehen ist, hängt davon ab, ob der Staat mit dem Gesetzgebungsvertrag auf die Verhaltensweise im geschützten Freiheitsbereich abzielt oder nicht. Nur dann liegt eine mittelbar-faktische Beeinträchtigung vor, die geeignet ist, den Einzelnen in seinem grundrechtlich geschützten Geltungsbereich in rechtfertigungsbedürftiger 254
Lenski ZJS 2008, S. 13 ff., 15.
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Weise zu verletzten. Abzugrenzen ist diese finale Form der Verhaltenslenkung von denjenigen Gesetzgebungsverträgen, die auf andere Ziele gerichtet sind und sich lediglich als ungewollte Nebenfolge auf die Freiheit Dritter auswirken. Letztlich entscheidend ist, ob sich der Gesetzgebungsvertrag in seinem Ziel auf die Handlung des privaten Vertragspartners oder auf die dadurch entstehende Beeinträchtigung des Grundrechtsträgers bezieht. Insoweit besteht kein universelles Abgrenzungskriterium.255 Da ein Gesetzgebungsvertrag seinem Wesen nach allerdings darauf gerichtet ist, Rechtswirkungen „inter partes“ zu entfalten, muss grundsätzlich die Vermutung gelten, dass der Vertrag nicht darauf abzielt, das Grundrecht eines Dritten zu beeinträchtigen. Vielmehr handelt es sich hierbei in der Regel um eine ungewollte Nebenfolge. Das Vorliegen einer mittelbar-faktischen Beeinträchtigung ist dann zu verneinen. (b) Grundrechtsbeeinträchtigung des beteiligten Privaten Der Gesetzgebungsvertrag, konkret die sich daraus ergebende Verpflichtung zu einem Tun oder Unterlassen, kann für den Beteiligten eine Beschränkung seiner Freiheitsrechte darstellen. Fraglich ist an dieser Stelle, ob das Privatrechtssubjekt in einem Gesetzgebungsvertrag wirksam einen „Grundrechts-“ und/oder „Rechtsmittelverzicht“ erklären kann.256 Allgemein verbindet sich mit dem Verzicht die Aufgabe eines Rechts durch eine Erklärung des Berechtigten, wobei der Verzicht derart mit dem betreffenden Recht bzw. Rechtsverhältnis verbunden ist, dass seine Zulässigkeit an die freie Disposition der Beteiligten über ein Recht oder ein Rechtsverhältnis anknüpft. Der Grundrechtsverzicht257 eines Grundrechtsträgers bildet eine Ausnahme vom Grundsatz der Rechtsgebundenheit hoheitlicher Gewalt (Art. 20 Abs. 3 GG) im Verfassungsstaat. Seine grundsätzliche Zulässigkeit ergibt sich aus der in Art. 2 Abs. 1 GG 255 Diese Abgrenzung soll in Bezug auf staatliches Informationshandeln anhand der Intensität, mit der der Schutzbereich des Grundrechts berührt wird, erfolgen, vgl. Lenski ZJS 2008, S. 13 ff., 17. 256 Keine Frage eines „Grundrechtsverzichts“ ist es aber, wenn ein Grundrechtsberechtigter tatsächlich von einem Grundrecht keinen Gebrauch macht, etwa an einer Versammlung nicht teilnimmt (Art. 8 GG), einem Verein nicht beitritt (Art. 9 GG) oder einen möglichen Rechtsweg nicht beschreitet (Art. 19 Abs. 4 GG). Der Unterschied zu der nachfolgend beschriebenen Konstellation liegt in dem Kriterium der „Bindung“. Ein „Grundrechtsverzicht“ oder „Rechts mittelverzicht“ liegt immer dann vor, wenn der Berechtigte rechtlich oder faktisch bindend auf die Teilnahme an einer Versammlung, den Beitritt in einen Verein oder die Erhebung einer Klage verzichtet, vgl. hierzu und allgemein zum Grundrechtsverzicht auch Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, 2014, Rn 146 ff. 257 Aus der Vielzahl der hierzu erschienen Literatur vgl. die grundlegenden Werke von Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, 1997, S. 92 ff; Hillgruber, Der Schutz des Menschen vor sich selbst, 1992, S. 134 ff.; Michael, Rechtsetzende Gewalt im kooperierenden Verfassungsstaat, 2002, S. 324 ff.; zur Problematik um die Begrifflichkeit ferner Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band 3/2, 1994, § 86 I 2 bis I 5.
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i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG verbürgten Selbstbestimmung der Persönlichkeit eines Grundrechtsträgers: Jeder Träger eines Grundrechts muss – entsprechend der Funktion eines Grundrechts als subjektives Freiheitsrecht – zur Verfügung über Grundrechte berechtigt sein (freiheitlich-liberaler Ansatz).258 So verstanden, zeigt sich der Grundrechtsverzicht als ein den Grundrechten immanenter Akt der Freiheitsausübung. Freilich darf bei aller individuell-freiheitlichen Interpretation eines Grundrechts deren objektiver Gehalt nicht vernachlässigt werden. So formuliert der verfassungsrechtliche Grundrechtskatalog eine in ihrer objektiv-rechtlichen Dimension gemeinwohlorientierte Werteordnung. Diese staatskonstitutive Funktion führt im Einzelfall zu Einschränkungen des Grundrechtsverzichts eines Einzelnen – nicht jedoch zu einem strikten Verzichtsverbot.259 Vor dem Hintergrund, dass die objektiv-rechtliche Ausprägung eines Grundrechts zuvorderst die Verstärkung der abwehrrechtlichen Geltungskraft bezweckt, kann individuelle Grundrechtsentfaltung in Form eines Grundrechtsverzichts mit Verweis auf den objektivrechtlichen Gehalt eines Grundrechts somit nicht prinzipiell abgelehnt werden.260 Dies gilt nicht allumfassend für sämtliche Grundrechte. Das Maß an Disponibilität eines Grundrechts orientiert sich stets an seiner spezifischen Funktion. Letztere bestimmt das Ausmaß der dem einzelnen Grundrechtsträger zustehenden Befugnis, über das geschützte Rechtsgut zu disponieren.261 Die Zulässigkeit eines Grundrechtsverzichts ist bedingt durch den Gehalt des jeweiligen Grundrechts.262 258 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band 3/2, 1994, § 86 I 5 a). Grundlegend zu dieser dogmatischen Begründung Dürig AöR Bd. 81 (1956), S. 117 ff., 152; weiterführend Krüger, Allgemeine Staatslehre, 1964, S. 789; Göldner JZ 1976, S. 352 ff.; Bleckmann JZ 1988, S. 57 ff., 58. 259 So aber damals Ernst, Der Verzicht auf subjektiv öffentliche Rechte, 1933, S. 67 ff.; Müller/Pieroth, Politische Freiheitsrechte der Rundfunkmitarbeiter, 1976, S. 34. Ausnahmen, d. h. eine individuelle Verfügungsfähigkeit ließ aber auch diese Ansicht für einzelne Grundrechte zu, so namentlich für Art. 13 GG und Art. 16 Abs. 1 S. 2 GG. 260 Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 339 mit Verweis auf Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001, S. 179 f.; s.a. BVerfGE 7, 198, 205. 261 Vgl. Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 339. Bestätigend BVerfGE 9, 194, 199; 21, 200, 206; 65, 1, 41 ff; daneben Langenfeld DÖV 2000, S. 929 ff., 938 f; Pietzcker Der Staat, Bd. 17 (1978), S. 527 ff., 542 ff.; Robbers JuS 1985, S. 925 ff., 927 f. Dieser „vermittelnden Ansicht“ entspringt die von Pietzcker begründete multifunktionale Ansicht der Grundrechte. Diese seien nicht bloß objektiv-rechtliches Merkmal der staatlichen Strukturbildung oder nur das Recht des Einzelnen, vgl. umfassend ders. Der Staat Bd. 17 (1978), S. 527 ff., 542. Dem Folgend Sachs VerwArch. Bd. 76 (1985), S. 398 ff., 419; Robbers JuS 1985, S. 925 ff.; Bleckmann JZ 1988, S. 57 ff.; Hillgruber Der Schutz des Menschen vor sich selbst, 1992, S. 141 ff.; mit umfangreicher Differenzierung zwischen den einzelnen Grundrechten Amelung, Die Einwilligung in die Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes, 1981, S. 133 ff. 262 Aus der Rechtsprechung BVerwGE 30, 65, 69 f zu Art. 12 Abs. 1 GG; BVerfGE 65, 1, 42 ff. zu Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG (informationelle Selbstbestimmung). Gegen die Zulässigkeit allgemein Oldiges WiR 1973, S. 24 f., wonach Grundrechte sich nicht verkaufen ließen. Gleichzeitig formuliert er jedoch, dass die gesetzesfreie Kooperation zwischen Staat und Wirtschaft als Mittel der Wirtschaftslenkung die Augen vor einer gewissen Grundrechtsschmählerung nicht verschließen kann.
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Kategorisiert man die Grundrechte nach dem Inhalt der von ihnen geschützten Grundrechtsgüter, lässt sich zunächst festhalten, dass die Verfügbarkeit eines Grundrechts zunimmt, je mehr das Grundrecht dem Schutz personaler Rechtsgüter dient, d. h. „die persönliche Entfaltungsfreiheit und diejenigen Bereiche und Güter, mittels derer der Mensch Persönlichkeit und persönliches Umfeld gestaltet“ schützt.263 Umgekehrt sinkt der Grad an Disponibilität, umso mehr das Grundrecht Rechtsgüter schützt, die einen konkret bestimmten Bezug zum kollektiv-gesellschaftlichen oder institutionellen Dasein der Gemeinschaft aufweisen.264 Der freien Entfaltung der Persönlichkeit dienen vor allem die Wirtschaftsgrundrechte Art. 12 GG (Berufsfreiheit) und Art 14 GG (Eigentumsfreiheit), welche sich bereits im Verhältnis zweier Grundrechtsträger zueinander im Wege von Verträgen und Absprachen verwirklichen. Diese sind wohl von größter Relevanz, wenn es um den Verzicht eines Rechtssubjekts des Privatrechts zur Herbeiführung eines kompromissorientierten Gesetzgebungsvertrags geht.265 Ebenfalls an der Gewährleistung der persönlichen Entfaltungsfreiheit und der physischen Existenz des Menschen sowie der Gestaltung derjenigen Bereiche, mittels derer der Mensch Persönlichkeit und persönliches Umfeld orientiert sind Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 GG, Art. 4 Abs. 1 GG, Art. 9 Abs. 1 GG, Art. 11 GG, Art. 13 GG, Art. 16 Abs. 2 S. 1 GG, Art. 19 Abs. 4 GG sowie Art. 104 GG.266 Wirksamkeitsvoraussetzung für einen Grundrechtsverzicht ist, dass die Verzichtserklärung freiwillig erfolgt. Aufgrund der potentiell bestehenden (vornehmlich rechtlichen) Überlegenheit des Staates ergeben sich Schwierigkeiten in Bezug auf das für jeden Grundrechtsverzicht notwendige Merkmal der „Freiwilligkeit“.267 263
Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 340. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band 3/2, 1994, § 86 II 5 c). 265 Zur Zulässigkeit des Verzichts in Bezug auf die benannten Wirtschaftsgrundrechte Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 340, der zutreffend den Einwand ausräumt, Art. 12 GG und Art. 14 GG seien wegen deren staatskonstituierenden, objektiv-rechtlichen Bedeutung einem Verzicht des Grundrechtsträgers gegenüber dem Staat nicht zugänglich. Denn dies würde im Ergebnis jegliche Kooperation zwischen Staat und Privaten unmöglich machen. Auch Stern ordnet Art. 12 GG und Art. 14 GG als die personalen Rechtsgüter schützende Grundrechte einem Verzicht als zugängliche Grundrechte ein, vgl. ders. in, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band 3/2, 1994, § 86 II 5 c). 266 Auch Art. 5 GG und Art. 6 GG sind Grundrechte, die personale Rechtsgüter schützen. Ein personaler Bezug wohnt ihnen in Form von Meinungs-, Informations-, Kunst- und Wissenschaftsfreiheit als „sittlich notwendige Lebensluft“ sowie als Schutz von Ehe und Familie inne. Sie weisen jedoch gleichzeitig einen erheblichen institutionellen Charakter auf. Die Rechtsgüter haben deshalb grundrechtlich verbürgten Schutz erfahren, „weil sie als gemeinschaftsbezogene Freiheiten oder bedeutsame Einrichtungen der Privatrechtsordnung unentbehrlich sind“, vgl. insoweit Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band 3/2, 1994, § 86 II 5 c). Zum Vorliegen eines Verzichts der Kraftwerksbetreiber auf den Schutz aus Art. 14 im Rahmen des Atomkonsens vgl. Langenfeld DÖV 2000, S. 929 ff., 938 f. 267 Hierzu eingehend Amelung, Die Einwilligung in die Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes, 1981, S. 79 ff.; Malorny JA 1974, S. 475 f.; Robbers JuS 1985, S. 925 ff., 926; Frieß, Der Verzicht auf Grundrechte, 1968, S. 21; Püttner JZ 1987, S. 529 ff., 530. Dederer, Korporative Staatsgewalt, 2004, § 17 I 2 b; Faber, Gesellschaftliche Selbstregulierungssysteme im Um 264
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Das Merkmal der Freiwilligkeit unterscheidet den Grundrechtsverzicht vom einseitigen Entzug.268 Die Überlegenheit der öffentlichen Gewalt als solche kann jedoch nicht genügen, um dem betreffenden Rechtssubjekt die Freiwilligkeit seiner Verzichtserklärung prinzipiell abzusprechen.269 Freiwilligkeit ist geprägt durch einen möglichen Willensentschluss als Produkt eines selbstbestimmten Grundrechtsgebrauchs (autonomer Verzicht). Der Erklärende wählt unter mehreren möglich Alternativen derart, dass sein Entschluss nicht überwiegend auf eine bedrängende Fremdbestimmung rückführbar ist. Erst dann, wenn der Staat seine hoheitliche Verhandlungsposition derart nutzt, dass ein (faktischer oder tatsächlicher) Ausschluss von selbstbestimmten Verhaltensalternativen vorliegt, ist die Unfreiwilligkeit eines Grundrechtsverzichts anzunehmen (heteronomer Verzicht). Dies ist insbesondere der Fall, sofern der Staat den privaten Verhandlungspartner in Richtung eines Grundrechtsverzichts „drängt“. Von einem solchen „gedrängt werden“ lässt sich sprechen, sobald der Grundrechtsverzicht aus Sicht des Verzichtenden die einzig verbliebene Alternative ist.270 (aa) Exkurs: Rechtsmittelverzicht des beteiligten Privaten Neben dem Grundrechtsverzicht stellt sich das Problem des Rechtsmittelverzichts (Art. 19 Abs. 4 GG), verstanden als der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsbehelfs oder die Aufrechterhaltung eines bereits eingelegten Rechtsbehelfs. Eine ausdrückliche Regelung – wie dies etwa in § 67 Abs. 1 FamFG der Fall ist – fehlt im Verfassungsrecht.271 Für die (formale) Erklärung des Verzichts gelten die allgemeinen Regeln. Demnach kann ein Rechtsmittelverzicht – wie auch ein Grundrechtsverzicht – ausdrücklich oder konkludent erfolgen.272 Grundsätzlich ist die weltrecht, 2001, S. 309 f.; Grewlich DÖV 1998, S. 54 ff., 58; Hillgruber, Der Schutz des Menschen vor sich selbst, 1992, S. 138 f.; Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 344 ff. mit Bezügen zum öffentlich-rechtlichen Vertrag. Unwirksam ist daneben unstrittig jeder Grundrechtsverzicht, der unfreiwillig erfolgt, d. h. Ausfluss einer Willensentscheidung ist, die von Zwang oder Täuschung beeinflusst wurde, vgl. Sachs, Verfassungsrecht II, 2003, A 8 Rn 40 f. 268 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band 3/2, 1994, § 86 II 6 b). 269 So auch Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 345. Er verweist darauf, dass der Gesetzgeber im Rahmen kooperativer Normsetzung dem privaten Rechtssubjekt gezielt Vertrauensschutz in Aussicht stellt, der einer prinzipiell bestehenden „Unfreiwilligkeit“ entgegenstehe. 270 Der Einwand, der private Vertragspartner könne sich der Kooperation entziehen, in dem er zur Gegenwehr den Rechtsweg beschreite, kann nicht greifen. Denn in diesem Fall würde dem privaten Vertragspartner in unzulässiger Weise das Prozessrisiko – sowie damit verbunden das wirtschaftliche Risiko der Prozessführung – auferlegt werden, vgl. ebenso Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 346. 271 Rechtsgedanken der Grundrechtsverwirkung (Art. 18 GG) können mangels Vergleichbarkeit nicht auf den Verzicht übertragen werden. 272 Langenfeld DÖV 2000, S. 929 ff., 939 f.; Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 342.
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Möglichkeit des Verzichts auf einen Rechtsbehelf vom Bundesverfassungsgericht gebilligt worden.273 Dies gilt aber ausdrücklich nur in denjenigen Fällen, in denen die betreffende hoheitliche Entscheidung bereits Erlassen wurde oder ihrem Inhalt nach absehbar war. Unzulässig ist somit der generelle Verzicht eines Grundrechtsträgers auf Rechtsbehelfe gegen zukünftige, noch nicht absehbare Entscheidungen.274 Im Rahmen der Atomkonsensvereinbarung275 sagten die Kraftwerksbetreiber der Bundesregierung zu, von der gerichtlichen Geltendmachung etwaiger Schadensersatzklagen abzusehen. Bereits anhängige Verfahren wurden nicht mehr verfolgt. Das Risiko entschädigungs- und verfassungsrechtlicher Klagen der Kraftwerksbetreiber wurde ausgeschaltet. Der Atomkonsens enthielt mithin einen Rechtsmittelverzicht dergestalt, dass der private Vertragspartner außerhalb des Gesetzgebungsakts liegende anhängige Gerichtsverfahren nicht weiter verfolgen sollte. In diesem Fall gelten für die Zulässigkeit eines Rechtsmittelverzichts die erwähnten Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts. Denn die von den Kraftwerksbetreibern angegriffene (behördliche) Entscheidung war bereits erlassen. Ein Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsbehelfs ist ebenfalls unter den genannten Voraussetzungen zulässig. Im Falle eines Gesetzgebungsvertrags bezieht sich der Rechtsmittelverzicht regelmäßig auf die durch das betreffende Gesetz erfassten Grundrechtspositionen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann in diesen Fällen jedoch kein Rechtsmittelverzicht vorliegen. Denn Gegenstand des Rechtsschutzverzichts ist die verfassungsrechtlich gewährleistete Rechtsschutzgarantie. Diese bestimmt sich nach Art. 19 Abs. 4 GG und beschränkt sich auf den Rechtsschutz gegen Akte der Exekutive.276 Dem ist im Falle eines Rechtsmittelverzichts entgegenzutreten. Der Wortlaut des Art. 19 Abs. 4 GG („öffentliche Gewalt“), die in Art. 1 Abs. 3 GG determinierte Bindung „aller“ staatlicher Gewalt an die Grundrechte sowie die mit der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts verbundenen Abstriche an die Lückenlosigkeit der gerichtlichen Kontrolle als wesentliches Kennzeichen verfassungsrechtlichen Grundrechtsschutzes sprechen vielmehr dafür, dass die Schutzwirkung des Art. 19 Abs. 4 GG auch Akte parlamentarischer Gesetzgebung erfassen kann.277 Dies gilt allerdings nur im Falle eines Rechtsmittelverzichts, da andernfalls eine Umgehung der verfassungsrechtlich ausgeformten Rechtsschutzmöglichkeiten droht, indem Art. 19 Abs. 4 GG 273
BVerfGE 9, 194, 199. Schorkopf NVwZ 2000, S. 1111 ff., 1114. 275 Hierzu siehe oben unter A. III. 1. 276 BVerfGE 24, 33, 49 ff.; 25, 352, 365; 45, 297, 334; 75, 108, 165. Hierzu umfassend Voßen, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG, den Verfahrensgarantien nach Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG, Art. 103 Abs. 1 GG und zum Prozessrecht der Fachgerichte, 2002, S. 96 ff. 277 Ebenso Papier, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band 6, 2008, § 154 Rn 22; SchulzeFielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, 2013, Art. 19 Rn 50; Dörr, Der europäisierte Rechtsschutzauftrag deutscher Gerichte, 2003, S. 11 f.; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 2014, Art. 19 IV Rn 90, 93 ff.; Frenz BayVBl. 1993, S. 483 ff. 274
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einen Anspruch auf allgemeinen Individualrechtsschutz durch prinzipale Normenkontrolle begründen würde.278 Dies würde der verfassungsrechtlich verbürgten Freiheit des demokratischen Gesetzgebers zuwiderlaufen. Die gerichtliche Kontrolle von parlamentarischen Gesetzen wurde nämlich ausdrücklich speziell in Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 und 4 GG sowie Art. 100 Abs. 1 GG geregelt. Zur Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens ist der einzelne Bürger mithin nicht berechtigt, sondern einzig besondere Organe oder Organmitglieder. Ein Rechtsmittelverzicht ist somit auch in Bezug auf einen zukünftig absehbaren Legislativakt zulässig.279 Die Erklärung über den Rechtsschutzverzicht erfolgt in beiden Fällen – bereits eingelegter Rechtsbehelf sowie noch nicht eingelegter Rechtsbehelf, aber zukünftig absehbare hoheitliche Entscheidung – unter einer auflösenden Bedingung (§ 158 Abs. 2 BGB analog). Hält der partizipierende Hoheitsträger sich nicht an die ihm aus dem Gesetzgebungsvertrag obliegende Verpflichtung oder unterliegt das entsprechende Gesetz aufgrund parlamentarischer Änderungen in wesentlichen Punkten Abweichungen, so entfällt ipso iure der zuvor wirksam erklärte Rechtsmittelverzicht. Es tritt der frühere Rechtszustand wieder ein (§ 158 Abs. 2, Hs. 2 BGB analog). Folge eines Rechtsmittelverzichts der privaten Vertragspartner hinsichtlich der in dem Gesetz angelegten Grundrechtsbeeinträchtigung für das fachgerichtliche Kontrollverfahren (i. V. m. Art. 100 Abs. 1 GG) ist, dass der Einwand der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes „präkludiert“ ist. Für ein auf diesen Einwand fachgerichtliches Rechtsschutzverfahren fehlt es dem privaten Vertragspartner am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis.280 Auch im Falle eines Rechtsmittelverzichts gelten die eben dargestellten Anforderungen an die Freiwilligkeit. Sofern für den Betroffenen mit dem Verzicht keinerlei Vorteile verbunden sind, müssen ihm die Folgen des Verzichts darüber hinaus bekannt sein.281 Folge eines unfreiwilligen Rechtsmittelverzichts ist dessen Unwirksamkeit, jedenfalls aber die Anfechtbarkeit der Verzichtserklärung nach §§ 119 ff. BGB analog.282 278
So auch Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 342. Das Kriterium der „Absehbarkeit“ folgt aus der vorzitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach ein Rechtsmittelverzicht sich immer nur auf Akte der Exekutive beziehen kann. Im Falle des Gesetzgebungsvertrags könnte der Absehbarkeit entgegengehalten werden, dass das letztlich formulierte Gesetz noch parlamentarischen Änderungen unterliegen kann. Dem ist aber entgegenzuhalten, dass in diesem Fall der Rechtsmittelverzicht nach § 158 Abs. 2 BGB analog ohnehin ipso iure entfallen würde (hierzu sogleich). 280 Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 343. 281 So bewertete der BGH NVwZ 2012, 319 f. einen erklärten Rechtsmittelverzicht nach § 67 Abs. 1 FamFG im Abschiebungshaftverfahren als unwirksam, weil das Gericht den Erklärenden nicht ausreichend über die Folgen seines Verzichts belehrt hatte. Die Ausführungen sind abstrahierbar. 282 So auch Langenfeld DÖV 2000, S. 929 ff., 940 m. w. N. und Ausführungen zur Freiwilligkeit des erklärten Rechtsmittelverzichts der Kraftwerksbetreiber im sog. Atomkonsens (hierzu bereits unter A. III. 1.). 279
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bb) Echter Gesetzgebungsvertrag (1) Pflicht des Hoheitsträgers: Erlass/Einbringung eines Gesetz(-entwurfs) Der Grundrechtseingriff ist zunächst dadurch gekennzeichnet, dass ein Gesetz oder ein auf gesetzlicher Grundlage ergehender Exekutivakt den grundrechtlich gewährleisteten Schutzbereich einschränkt (Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG). In dem hier vorgezeichneten Fall geht es aber weniger um ein ausgefertigtes, in Kraft getretenes Gesetz, als vielmehr um ein in die Phase der Gesetzesvorbereitung fallendes vertragliches Konstrukt. Erst deren spätere Erfüllung, d. h. der Gesetzesbeschluss, führt (möglicherweise) zu einer Minderung grundrechtlicher Freiheitssubstanz. Dass in diesem Fall noch kein „Eingriff“ vorliegen kann, lässt sich mittels eines Blicks auf die Rechtsschutzseite annehmen. Die Zulässigkeit einer Individualverfassungsbeschwerde, konkret einer Rechtssatzverfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, §§ 13 Nr. 8a, 90 ff. BVerfGG, erfordert eine Beschwer des Beschwerdeführers durch das betreffende Gesetz. Diese ist gegeben, soweit der Beschwerdeführer selbst, gegenwärtig und unmittelbar durch ein Gesetz betroffen ist.283 Zwar kann im Ausnahmefall der Beschwerdeführer auch künftige Rechtswirkungen eines Gesetzes verhindern. Dies ist der Fall, wenn ihn das Gesetz schon jetzt zu später nicht mehr korrigierbaren Entscheidungen bzw. Dispositionen zwingt oder wenn jetzt schon klar abzusehen ist, dass und wie der Beschwerdeführer in der Zukunft von dem Gesetz betroffen sein wird.284 Nicht gemeint ist mit dieser Formulierung der Schutz gegen ein noch nicht erlassenes Gesetz. Auch im Fall einer künftigen Beschwer ist ein bestehendes, rechtswirksames Gesetz, welches bislang nicht grundrechtlich geschützte Sphären des Rechtssubjekts tangiert, Voraussetzung.285 Auch eine abstrakt-rechtsschutzorientierte Betrachtung spricht gegen die grundrechtsrelevante Eingriffsintensität eines (echten) Gesetzgebungsvertrags bzw. konkret der daraus erwachsenen Pflicht eines Hoheitsträgers. §§ 93 Abs. 2, 94 Abs. 4 und 95 Abs. 3 BVerfGG postulieren die Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen ein „Gesetz“. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind sog. „Normentwurfskontrollen“ unzulässig.286 Ein Gesetzent 283
BVerfGE 1, 97, 101 f.; BVerfGE 129, 124, 167; 127, 87, 113 f. BVerfGE 102, 197, 207; BVerfGE 110, 141, 151. Dies ist beispielsweise bei Rentengesetzen der Fall, vgl. Lenz/Hansel (Hrsg.), BVerfGG, 2013, § 90 Rn 301. 285 A. A. Ritterspach, FS Erwin Stein, 1983, S. 285 ff., 290 der ein Bedürfnis für eine präventive Normenkontrolle sieht. 286 BVerfGE 68, 143, 150. Das Inkrafttreten ist nicht zwingend notwendig, vgl. Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge (Hrsg.), BVerfGG, 44. Aufl., 2014, § 90 Rn 209. Ob von einem vom Bundestag und Bundesrat beschlossenen, aber noch nicht verkündeten Gesetz eine gegenwärtige Beschwer ausgehen kann, ist in den Entscheidungen über die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Zusammenhang mit den Euro-Rettungsgesetzen vom BVerfG offen gelassen worden, vgl. BVerfGE 126, 158, 168 sowie BVerfGE 125, 385, 393. In der Hauptsacheentscheidung spielte dies keine Rolle mehr, BVerfGE 129, 124, 167 ff. 284
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C. Gesetzgebungsverträge der Bundesregierung als Rechtsproblem
wurf, über den noch nicht abschließend entschieden ist, erzeugt keine rechtlichen Wirkungen auf einen von ihm betroffenen Bürger. Eine höchstrichterliche Entscheidung in dieser Phase, wäre eine Einmischung der Rechtsprechung in Aufgabenfelder der Legislative, d. h. insbesondere in noch nicht abgeschlossene politische Überlegungen.287 (2) Pflicht des Privatrechtssubjekts An dieser Stelle gilt das unter C. III. 2. d) aa) (2) Gesagte entsprechend. e) Freies Mandat und Wahlrecht aa) Echter Gesetzgebungsvertrag (Beschluss) und unechter Gesetzgebungsvertrag (Nichtbeschluss) Über die bereits angeführten verfassungsrechtlichen Einwände288 hinaus, steht der gesetzgebungsvertraglichen Zusage der Bundesregierung, ein bestimmtes Gesetz zu beschließen (echter Gesetzgebungsvertrag) oder nicht zu beschließen (unechter Gesetzgebungsvertrag), Art. 38 GG entgegen. Nach Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG sind die Abgeordneten des deutschen Bundestags als Vertreter des deutschen Volkes an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und einzig ihrem Gewissen unterworfen. Demnach darf der einzelne Abgeordnete einer rechtlichen (Vorab-) Bindung aus einem Gesetzgebungsvertrag nicht unterworfen werden. Dies ergibt sich auch aus den Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Maastricht-Urteil an Art. 38 GG gestellt hat. Demnach muss es den wahlberechtigten Deutschen stets gewährleistet sein, durch den Wahlakt auf die Ausübung der Staatsgewalt Einfluss nehmen zu können. Erst eine materielle Entleerung des Wahlrechts durch Verlagerung von Kompetenzen auf Instanzen jenseits des Wählervotums ist verfassungswidrig.289 Zwar bezog sich die Entscheidung maßgeblich auf überzogene Souveränitätsüberschreibungen an die Europäische Union. Ihr lässt sich aber mit Blick auf Art. 38 GG die grundsätzliche
287 Dieses Ergebnis bestätigt auch ein Blick auf das abstrakte Normenkontrollverfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, §§ 13 Nr. 6, 76 ff. BVerfGG. Auch in diesen Fällen wird eine Ausweitung der Prüfkompetenz hin zu einer präventiven Normenkontrolle vom BVerfG abgelehnt. Zur Begründung wird hier ebenfalls angeführt, dass die Einschaltung einer gerichtlichen Instanz dort unangemessen ist, wo der „politische Prozess der Normwerdung“ noch nicht abgeschlossen ist, vgl. Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht, 3. Aufl. 2011, § 22 Rn 721. 288 Hierzu bereits unter C. III. 2. 289 BVerfGE 89, 155, 171 ff.
III. Rechtliche Grenzen eines Gesetzgebungsvertrags
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Annahme entnehmen, dass es den Wahlberechtigten möglich sein muss, einen Bundestag wählen zu können, „der die politischen Entscheidungen selbst fällt und nicht lediglich Entscheidungen von Räten, vertragliche Vereinbarungen oder das Ergebnis von Konsensrunden“ nachvollzieht, stattdessen aktiv und unmittelbar mitgestaltet.290 Solange dem Mandatsträger unter rechtlichen Gesichtspunkten echte Entscheidungsalternativen verbleiben, bleibt die Gestaltungsmacht des Parlaments und seiner Abgeordneten unversehrt bestehen. Von einer verfassungswidrigen „Entäußerung“ des Mandats lässt sich aber dann sprechen, wenn die Gestaltungskompetenzen des Abgeordneten vorab rechtlich gebunden werden. Aus Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG folgt daneben der Grundsatz der Gleichheit der Wahl. Als Instrument zur Verwirklichung der Volkssouveränität soll hierdurch gewährleistet werden, dass das Wahlvolk an der Bestimmung der Politik partizipieren kann, indem es ein Parlament wählt, das in der Lage ist, selbst Entscheidungen zu treffen und nicht darauf beschränkt ist, bereits getroffene Entscheidungen zu ratifizieren.291 Der – im Verhältnis zum allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG speziellere – Gleichheitsgrundsatz neutralisiert gesellschaftliche Unterschiede, sodass alle Staatsbürger gleichermaßen Einfluss nehmen können. Dieser normativen Intention könnte es zuwiderlaufen, dass einzelnen Wahlberechtigten (oder nicht Wahlberechtigten) im Rahmen von Gesetzgebungsverträgen eine zweite Partizipationschance gewährt wird.292 Das Bundesverfassungsgericht formuliert diesbezüglich, dass die Beteiligung bestimmter gesellschaftlicher Gruppen bei der Ausübung von Staatsgewalt nur dann zulässig ist, solange nicht der Grundsatz berührt wird, dass sämtliche der Staatsgewalt unterworfene Bürger, den gleichen Einfluss auf die Ausübung von Staatsgewalt haben. Deshalb dürfe denjenigen Bürgern keine besondere Mitentscheidungsbefugnis eingeräumt werden, die von einer bestimmten Ausübung der Staatsgewalt individuell betroffen sind.293 Hiergegen wird aber gerade verstoßen, soweit die Bundesregierung in einem Gesetzgebungsvertrag den Beschluss oder Nichtbeschluss eines konkreten Gesetzes in rechtlich bindender Weise verspricht. bb) Echter Gesetzgebungsvertrag (Einbringung), unechter Gesetzgebungsvertrag (Nichteinbringung und Rücknahme) und Vertrag mit Anreizfunktion Eine faktische Vorprägung der Entscheidung des Mandatsträgers, wie sie etwa der Zusage, einen bestimmten Gesetzentwurf in den Bundestag einzubringen bzw. nicht einzubringen sowie dem Gesetzgebungsvertrag mit Anreizfunktion unter 290
Ruffert DVBl. 2002, S. 1145 ff., 1151. Morlok, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl., 2006, Art. 38 Rn 94; Anderl, Gesetzgebung und kooperatives Regierungshandeln, 2006, S. 253. 292 Vgl. auch Waldhoff/v. Aswege, Kernenergie als „goldene Brücke“?, 2010, S. 72 f. 293 BVerfGE 93, 37, 69. 291
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C. Gesetzgebungsverträge der Bundesregierung als Rechtsproblem
stellt werden kann, verstößt nicht gegen Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG.294 Dies liegt vornehmlich daran, dass der Prozess der parlamentarischen Willensbildung weiterhin frei von (rechtlich wirksamer) Beeinträchtigung ist, welche den Abgeordneten daran hindern könnte, seine gesellschaftlichen und politischen Präferenzen frei zum Ausdruck zu bringen. Eine verfassungswidrige Beeinträchtigung setzt eine rechtlich wirksame Bindung der Entscheidung eines Abgeordneten voraus. Diese Eigenständigkeit parlamentarischer Willensbildung und Willensentfaltung ist bei faktischer Einflussnahme nicht gefährdet. Denn zunächst bleibt es dem Parlament rechtlich unbenommen, den ausgehandelten Gesetzentwurf inhaltlich zu verändern oder gänzlich abzulehnen. Darüber hinaus kennt das Grundgesetz selbst entsprechende faktische Bindungen des Mandatsträgers und billigt diese. So werden die Abgeordneten im politischen Tagesgeschehen regelmäßig bereits durch ihre parteipolitische Zugehörigkeit und Loyalität beeinflusst und mitbestimmt. Diese faktisch-politische Bindung ist zwingende Konsequenz des Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG. Würde eine faktische Bindung an parteipolitische Erwägungen als Verstoß gegen Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG gewertet, so würde dem freien Mandat zwingend ein „Antiparteienaffekt“ innewohnen.295 Bindung an parteiliche Entscheidungen im Vorfeld der Mandatsausübung – d. h. auch faktisch bindende Gesetzgebungsverträge – verpflichten den einzelnen Abgeordneten nicht und überlassen ihm somit tatsächlich eine echte Entscheidungsalternative.296 Die faktische, auf innerparteilicher Solidarität basierende Bindung des Abgeordneten an einen Gesetzgebungsvertrag zeigt sich einzig als politisches, keinesfalls als rechtliches Problem und wird „mit einem darauf reagierenden Wählervotum sanktioniert“.297 Da eine fremde Kompetenzbindung, konkret die des Bundestags, respektive seiner Abgeordneten, nicht stattfindet, liegt auch kein Verstoß gegen Art. 38 Abs. 1 S. 1 G vor. f) Grundsatz der Gewaltenteilung Der Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG) beschreibt drei, unabhängig voneinander bestehende und damit zu trennende Kompetenzbereiche. Es werden Zuständigkeitsschranken markiert. (Un-) Echte Gesetzgebungsverträge, welche diese Zuständigkeitsschranken durchbrechen, verstoßen gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung. Konkret handelt es sich dabei um diejenigen 294 Anderl, Gesetzgebung und kooperatives Regierungshandeln, 2007, S. 254; Ruffert DVBl. 2002, S. 1145 ff., 1151; a. A. Waldhoff/v. Aswege, Kernenergie als „goldene Brücke?“, 2010, S. 72. 295 Morlok, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl., 2006, Art. 38 Rn 144. 296 So im Ergebnis auch Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 324 f. 297 Anderl, Gesetzgebung und kooperatives Regierungshandeln, 2007, S. 255.
III. Rechtliche Grenzen eines Gesetzgebungsvertrags
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Absprachen, in denen der (Nicht-)Beschluss eines bestimmten Gesetzes versprochen wird. Einer rechtswirksamen Bindung steht Art. 20 Abs. 2 S. 2, Hs. 2 GG entgegen. Die Bundesregierung bricht in den Funktionsbereich legislativer Gestaltungsmacht ein und beeinträchtigt die Balance zwischen den Gewalten.298 (Un-)Echte Gesetzgebungsverträge, welche die (Nicht-) Einbringung eines bestimmten Gesetzes betreffen oder mit einer Anreizfunktion ausgestattet sind, verletzten den Grundsatz der Gewaltenteilung hingegen nicht. Die Entscheidungsautonomie des Parlaments wird gewahrt. Etwaige faktische Vorprägungen sind nicht dazu geeignet, die Verfassungswidrigkeit der Vereinbarung herbeizuführen. Die legislative Gestaltungskompetenz bleibt rechtlich vollkommen unangetastet, d. h. eine rechtlich relevante Präjudizierung der parlamentarischen Entscheidung liegt nicht vor. g) Prinzip der Verfassungsorgantreue: Kompensation faktischer Einflussnahme Die Einwirkung eines Verfassungsorgans in den Kompetenzbereich eines anderen Verfassungsorgans steht im Spannungsverhältnis zum richterrechtlich geprägten Grundsatz der Verfassungsorgantreue, der ein Verfassungsorgan zu mehr als bloß „politischer Moral“ verpflichtet.299 Rechtlicher Anknüpfungspunkt für die Erhebung des Grundsatzes der Verfassungsorgantreue in den Rang eines allgemeingültigen Verfassungssatzes ist nach wohl h. M. der Grundsatz der Gewalten teilung.300 Dieser sieht ein ausdrückliches Nebeneinander der drei Gewalten vor. Der Grundsatz der Verfassungsorgantreue beansprucht Geltung zwischen sämtlichen Verfassungsorganen. Im hier relevanten Fall ist das Verhältnis zwischen Bundesregierung und Parlament relevant, wobei zwischen „parlamentarischer Mehrheit“ und „parlamentarischer Minderheit“ differenziert werden kann. Für das Verhältnis von Bundesregierung und Bundestag hat das Bundesverfassungsgericht die Geltungskraft des Grundsatzes der Verfassungsorgantreue festgestellt, indem es formulierte, dass die „wechselbezüglichen Kompetenzen […] im Sinne der Or 298 Becker DÖV 1985, S. 1003 ff., 1010; Bohne VerwArch 1984, S. 343 ff., 362; Oldiges WiR 1973, S. 9 ff., 21. 299 So formulierte bereits das Bundesverfassungsgericht in seiner Bemerkung zum Rechtsgutachten von Thoma im Rahmen der Statusdebatte von 1953: „Die Koordination der Verfassungsorgane erschöpft sich aber nicht in ihrer wechselseitigen Abhängigkeit im Rahmen der Verfassung. Die Annahme, dass das Verhältnis der Verfassungsorgantreue zueinander, soweit es nicht ausdrücklich im Grundgesetz geregelt ist, in den rechtsleeren Raum falle, in dem nur Platz für guten Willen der Verfassungsorgane und die Regeln der politischen Moral ist, ist rechtlich unhaltbar.“, so dargestellt bei Voßkuhle NJW 1997, S. 2216 ff. 300 Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 282. Eine explizite Anordnung der Verfassungsorgantreue enthält die Verfassung nicht. Mangels einer rechtlichen Grundlage handelt es sich vielmehr um einen ungeschriebenen Rechtssatz, vgl. Anderl, Gesetzgebung und kooperatives Regierungshandeln, 2007, S. 257.
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C. Gesetzgebungsverträge der Bundesregierung als Rechtsproblem
gantreue wahrzunehmen sind“.301 Inhaltlich verpflichtet der Grundsatz alle Verfassungsorgane zur gegenseitigen Rücksichtnahme bei der Ausübung der Kompetenzen, einem fairen Verfahren und zur Respektierung des Funktionsbereichs, der von dem jeweils anderen Verfassungsorgan wahrgenommen wird.302 Die Ausübung der verfassungsrechtlich zugeschriebenen Kompetenz durch ein Verfassungsorgan darf den Funktionsbereich anderer Inhaber einer verfassungsrechtlich vorgezeichneten Kompetenz nicht beeinträchtigen. Dies ist aber gerade der Fall, wenn die Bundesregierung den Beschluss oder Nichtbeschluss eines Gesetzes (Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG) verspricht. Denn das Parlament bleibt nicht länger Herr seiner verfassungsrechtlich verbürgten Entscheidungsfreiheit. Demgegenüber ist ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verfassungsorgantreue bei faktischer Vorwegbindung des Parlaments durch einen Gesetzgebungsvertrag, der die Zusicherung der Einbringung oder Nichteinbringung eines Gesetzentwurfs beinhaltet, sowie bei einem Gesetzgebungsvertrag mit Anreizfunktion, abzulehnen. Unterscheidet man das Verhältnis zwischen Bundesregierung und Parlamentsminderheit auf der einen, sowie Bundesregierung und Parlamentsmehrheit auf der anderen Seite, so lässt sich in Bezug auf Erstere – regelmäßig also die Opposition – festhalten, dass die Missbilligung eines Gesetzentwurfs, welcher auf einer Gesetzesinitiative der Bundesregierung beruht, als notwendige Konsequenz des parlamentarischen Mehrheitsprinzips kein Beleg für die Verletzung des Prinzips der Organtreue darstellt. Das Recht der parlamentarischen Minderheit zur Debatte und Antragsstellung wird nicht mehr eingeschränkt, als dies ohnehin als Ausfluss des Mehrheitsprinzips der Fall sein kann. Hinsichtlich der parlamentarischen Mehrheit ist vorab festzustellen, dass diese bereits durch die Festlegung von politischen Vorhaben in Koalitionsrunden sowie der Ausarbeitung von Gesetzen durch die Ministerialverwaltung legislative Einflussnahmemöglichkeiten in beschränktem Umfang einbüßt.303 Auch in diesen – verfassungsrechtlich vorgesehenen – Fällen ist die Bundesregierung rechtlicher Ursprung.304 Aus der Sicht der Parlamentarier besteht prinzipiell kein Unterscheid, ob die vorherige Ausarbeitung durch die Ministerialverwaltung oder durch Gesetzgebungsvertrag erfolgt. Dementsprechend ergibt sich eine Vergleichbarkeit der Fallgestaltungen in zweierlei Hinsicht. Zum einen daraus, dass in beiden Fällen ein nicht unerhebliches Maß an inhaltlicher Vorprägung besteht. So verfügt die Ministerialverwaltung über einen fachlichen Vorsprung gegenüber dem einzelnen Abgeordneten. Spiegelbildlich verfügt der private Vertragspartner eines Gesetzgebungsvertrags über einen Wissensvorsprung (praktisches Knowhow). Zum anderen aufgrund der nach wie vor bestehenden parlamentarischen Verantwortung: 301
BVerfGE 89, 155, 191, 203; 90, 286, 337 f.; 97, 350, 375. Scholz, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Kommentar GG, 2014, Art. 23 Rn 144; Schneider, FS Gebhard Müller, 1970, S. 421 ff., 422. 303 Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 283. 304 Mehde AöR 127 (2002), S. 655 ff., 666; Anderl, Gesetzgebung und kooperatives Regierungshandeln, 2006, S. 260. 302
III. Rechtliche Grenzen eines Gesetzgebungsvertrags
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Die Ministerialverwaltung verfügt über eine nur mittelbare demokratische Legitimation, vermittelt über den hierarchischen und weisungsbefugten Behördenaufbau. Private Gruppierungen verfügen über keinerlei demokratische Legitimation. In beiden Fällen bedarf es einer parlamentarischen Entscheidung, welche letztlich das notwendige Maß an demokratischer Legitimation erst vermittelt.305 Die Beteiligung Privater anstelle der Ministerialverwaltung und der erhöhte politische Druck im Vergleich zu „normalen“ Gesetzentwürfen führen allerdings dazu, dass aus dem Prinzip der Organtreue Offenlegungs- und Informationspflichten erwachsen. Der mit einer ausgehandelten Gesetzesinitiative verbundene „faktische Druck“ mündet darin, dass der Funktionsbereich der Legislative nicht mehr hinreichend respektiert wird. Darüber hinaus obliegt dem Parlament – anders bzw. in erhöhterem Maße als bei Gesetzentwürfen, die der ministeriellen Präparation entspringen – die abstrakt-generelle Normsetzung. Nur die Kenntnis darüber, dass Dritte an der Erarbeitung eines Gesetzesinhalts mitgewirkt haben, versetzt das Parlament in die Lage, alle von dem Gesetz betroffenen Interessen in einen angemessenen Ausgleich zu bringen, sodass der Regelungswirkung des parlamentarischen Rechtsetzungsverfahrens Rechnung getragen werden kann. Das aus dem Grundsatz der Verfassungsorgantreue ungeschriebene Verhaltenspflichten folgen können, ist allgemein anerkannt.306 Unabhängig von der begrifflichen Präzisierung („Nebenpflichten“)307 sind dies solche Pflichten, die das Handeln der Bundesregierung (oder jedes anderen Verfassungsorgans) derart einschränken, dass die gesetzgebenden Organe untereinander und miteinander so prozedieren können, dass sie ihre verfassungsrechtliche Verantwortlichkeit erfüllen. Demnach schuldet die Bundesregierung dem Parlament alsbald möglich eine „Offenlegungs- und Informationspflicht“ dahingehend, dass und in welchem Maße gesetzgebungsvertragliche Verhandlungen stattfinden.308 Denn das Parlament soll dem Gesetzentwurf erhöhte Aufmerksamkeit dahingehend widmen, dass er keine unvertretbaren Deals enthält. Zur Wahrnehmung dieser Kontrollpflicht muss dem Parlament zudem ausreichend Zeit gegeben werden.309
305
Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 283. Überzeugend erarbeitet von Schenke, Die Verfassungsorgantreue, 1977, S. 45. 307 So Schenke, Die Verfassungsorgantreue, 1977, S. 44 ff. Inwieweit der dem Zivilrecht entstammende Begriff der „Nebenpflichten“ in das Verfassungsrecht portiert werden kann, erscheint zweifelhaft. 308 Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 285 f.; ebenso Anderl, Gesetzgebung und kooperatives Regierungshandeln, 2006, S. 261. 309 Schneider, FS Gebhard Müller, 1970, S. 421 ff., 423. 306
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C. Gesetzgebungsverträge der Bundesregierung als Rechtsproblem
IV. Der Gesetzgebungsvertrag als wirksames Rechtsverhältnis Der Gesetzgebungsvertrag als Produkt kooperativen Zusammenwirkens sieht sich – gleich in welcher Gestaltung – politischen (bzw. faktischen) wie rechtlichen Hürden ausgesetzt. Ein ausdrückliches, an einen Hoheitsträger adressiertes Verbot zum Abschluss derartiger Verträge existiert jedoch nicht. Unabhängig von der rechtlichen Wirksamkeit der Vereinbarung im Einzelfall, entfalten Gesetzgebungsverträge stets faktisch eine vorprägende Wirkung in Bezug auf das Gesetzgebungsverfahren. Dieser faktischen Einflussnahme auf die parlamentarische Arbeit (und möglicherweise auch der Vorwegnahme der parlamentarischen Entscheidung) könnte zunächst durch eine Verbotsnorm begegnet werden, welche der Bundesregierung die „kooperative Rechtsetzung“ untersagt. Unabhängig von der Frage, wie (und v. a. ob) ein solches Verbot normativ fassbar wäre, lassen sich hiergegen aber erhebliche Einwände anführen. Die Bundesregierung ist (notwendiger) Teil eines gesamtstaatlichen Dialogs, aufgrund dessen ihr die politische Führung („Richtlinien der Politik“) ermöglicht bzw. erleichtert werden soll. Die hiermit verbundenen Kontaktverhältnisse zwischen Regierung und Privatsubjekten können aufgrund ihrer Informalität kaum unterbunden werden. Nur rechtlich Erfassbares ist einem normativen Verbot zugänglich. So bestünde in Zweifelsfällen die Schwierigkeit der Grenzziehung zwischen zulässigen und unzulässigen Kontaktverhältnissen. Darüber hinaus ist die Ordnung der repräsentativen Demokratie nach einhelliger Auffassung einer umfassenden „Kontaktsperre“ nicht zugänglich.310 Vielmehr ist der Staat auf die „Artikulation privater Interessen“ angewiesen, um seiner abstrakt-generellen Normsetzungstätigkeit hinreichend zu genügen.311 Andernfalls würden Staatsgewalt und Volkswillen in ein Alternativverhältnis verfallen. Dies ist mit Blick auf Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG nicht zulässig. Auch unter Effizienzgesichtspunkten wäre eine auf Gesetzgebungsverträge bezogene Verbotsnorm untauglich, den demokratisch verfassten Rechtsstaat dauerhaft zu gewährleisten. Aufgrund der wachsenden Komplexität rechtlicher, vor allem aber tatsächlicher Lebenssachverhalte wachsen die Anforderungen an ein Gesetzgebungsvorhaben. Das Gesetzgebungsverfahren würde in erheblichem Maße an Rationalität einbüßen, verlöre der finale Legislativakt an fachlicher Rückbindung. Spiegelbildlich zu obigen Ausführungen ist ein an ein Privatrechtssubjekt adressiertes normatives Verbot zum Abschluss eines Gesetzgebungsvertrags weder ausdrücklich vorhanden noch sachlich geboten. Die bereits ausgeführten Einwände zur Greifbarkeit informaler Strukturen und der vereinzelten Notwendigkeit gesellschaftlicher Beteiligung können auch hier angeführt werden.
310
Anderl, Gesetzgebung und kooperatives Regierungshandeln, 2006, S. 273 f. Mehde AöR 127 (2002), S. 655 ff., 679; Grimm DRiZ 2000, S. 148 ff., 159.
311
IV. Der Gesetzgebungsvertrag als wirksames Rechtsverhältnis
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Unabhängig davon wurde vereinzelt versucht, Privatrechtssubjekte derart zu demokratisieren, dass ihr (rechtliches wie tatsächliches) Verhalten nicht bloß am wirtschaftlichen Eigeninteresse ausgerichtet, sondern vorrangig Ausdruck des abstrakt-generellen Gesamtinteresses ist.312 Da private Wirtschaftssubjekte primär ihr wirtschaftliches Eigeninteresse verfolgen, würde eine kollektivistische Ausrichtung der Unternehmenspolitik das legistische Defizit der partikularen Interesseneinbringung entkräften. Liege dem Kooperationspartner eine demokratische Struktur zu Grunde, erfolge die gesamt-kooperative Willensbildung zwischen ihm und der Bundesregierung gemeinwohlorientiert.313 Zur rechtlichen Konstruktion wurde vorrangig auf die Vorschrift des Art. 21 Abs. 1 S. 3 GG verwiesen, wonach die innere Organisation politischer Parteien nach demokratischen Grundsätzen ausgestaltet sein muss.314 Die demokratische Ausrichtung des Kooperationspartners sei insoweit der „Preis“ für die Teilnahme an der Ausübung hoheitlicher Tätigkeit.315 Nur unter diesen Voraussetzungen öffne der Hoheitsträger seinen Willensund Wirkungsbereich. Voraussetzung für den Kooperationsprozess zwischen Bundesregierung und privatem Rechtssubjekt wäre demnach stets, dass die innere Ordnung des Privatrechtssubjets demokratischen Grundsätzen entspricht. Dieses Modell sieht sich teilweise erheblichen Einwänden ausgesetzt. Zunächst stellt die „Demokratisierung“ der Gesellschaft keine Demokratie i. S. d. Art. 20 Abs. 2 GG dar. Sodann betrifft die Regelung des Art. 21 Abs. 1 S. 3 GG ausschließlich politische Parteien. Eine Fortentwicklung dieser Regelungsintention hin zu einem „allgemeinen Prinzip“ dergestalt, dass private Personenvereinigungen zur kooperativen Teilnahme am staatlichen Willensbildungsprozess nachweislich einer demokratischen Binnenstruktur bedürfen,316 wäre nur schwerlich mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG zu vereinbaren. Daneben sind private Wirtschaftssubjekte primär auf die Wahrung und Fortschreibung des innerbetrieblichen Wirtschaftsvolumens gerichtet. Ein jedes privates Wirtschaftssubjekt normativ zu gemeinwohlorientierter, über die innerbetriebliche Interessenverwirklichung hinausgehender Geschäftsführung zu verpflichten, würde das Unternehmen möglicherweise in die Gefahr bringen, Entscheidungen „gegen sich selbst“ zu treffen.
312 Aufgrund der zwingend notwendigen Verknüpfung zwischen gesellschaftlicher Fachexpertise und demokratischen Entscheidungsstrukturen sowie in Anlehnung an die Binnendemokratisierung der Interessenverbände in den 70er Jahren, wurden verschiedene Ansätze zur „Demokratisierung gesellschaftlicher Kräfte“ erwogen. Privatrechtssubjekte sollten der normativen Verpflichtung unterliegen, sich auch nicht-erwerbswirtschaftliche Zielsetzungen und Motivationen zu eigen zu machen („Regulierung zwecks Demokratisierung“), s. Mehde AöR 127 (2002), S. 655 ff., 680. 313 Dederer, Korporative Staatsgewalt, 2004, S. 377 f. 314 Anderl, Gesetzgebung und kooperatives Regierungshandeln, 2006, S. 286, der dies aber i. E. ablehnt. 315 So auch Grimm, in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), HdVerfR, 1994, § 15 Rn 14. 316 Dederer, Korporative Staatsgewalt, 2004, S. 379 f.
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C. Gesetzgebungsverträge der Bundesregierung als Rechtsproblem
Festzuhalten ist letztlich, dass es keinen Rechtssatz gibt, welcher der Bundesregierung oder dem Privatrechtssubjekt den Abschluss eines Gesetzgebungsvertrags untersagt. Darüber hinaus ist eine Demokratisierung des Kooperationspartners – unabhängig von der Frage der Geeignetheit – nicht zweckmäßig. In der Folge ist nun zu untersuchen, welche Rechtmäßigkeitsanforderungen aus den bereits angeführten Einwänden an den Abschluss eines Gesetzgebungsvertrags erwachsen. 1. Die Bindung des Gesetzesbeschlussrechts aus Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG Der Gesetzgebungsvertrag, der gegenständlich die Zusage des Beschlusses oder Nichtbeschlusses eines bestimmten Gesetzes betrifft, sieht sich erheblichen verfassungsrechtlichen Einwänden ausgesetzt.317 Im Folgenden wird untersucht, ob dennoch die Möglichkeit einer „verfassungsrechtlichen Legalisierung“ besteht. a) Möglichkeiten der verfassungsrechtlichen Legalisierung? aa) § 82 Abs. 2 GO BT analog als Grundlage Verhandlungsgegenstand des Bundestags kann nach § 75 Abs. 1 lit. a) GO BT jeder Gesetzentwurf sein. Sobald der entsprechende Gesetzentwurf auf die Tagesordnung gesetzt wurde, wird er in gedruckter Fassung an die Mitglieder des Bundestags, des Bundesrats und an die Bundesminister verteilt, § 77 Abs. 1 GO BT. Gesetzentwürfe werden im Anschluss grundsätzlich in drei Beratungen behandelt. Basiert der Gesetzentwurf jedoch auf einem Vertrag mit auswärtigen Staaten oder einem ähnlichen Vertrag i. S. d. Art. 59 Abs. 2 GG, welcher die politischen Beziehungen des Bundes regelt oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung bezieht, finden lediglich zwei Beratungen statt. Die üblichen drei Beratungen werden in diesen Fällen lediglich auf Beschluss des Bundestags durchgeführt, vgl. § 78 Abs. 1 S. 1 GO BT. Änderungsanträge bezogen auf einen eingebrachten Gesetzentwurf können von den Beteiligten nach § 82 Abs. 1 GO BT in der zweiten Beratung gestellt werden. Gemäß § 82 Abs. 2 GO BT sind Änderungsanträge betreffend solcher Gesetzentwürfe, die einen Vertrag mit auswärtigen Staaten oder einen ähnlichen Vertrag i. S. d. Art. 59 Abs. 2 GG zum Inhalt haben, welcher die politischen Beziehungen des Bundes regelt oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung bezieht aber nicht zulässig. Der Bundestag kann auf den Inhalt von Staatsverträgen somit nicht gestaltend einwirken. Ihm steht lediglich en bloc das Recht zu, seine Zustimmung zum Beratungsgegenstand zu erteilen oder zu verweigern.318 317
Hierzu oben unter C. III. Auch das Zustimmungsgesetz zu einem Staatsvertrag hat in Form eines Bundesgesetzes zu ergehen, dass den Anforderungen der Art. 76–78 GG genügen müssen. Dazu sind Änderungs 318
IV. Der Gesetzgebungsvertrag als wirksames Rechtsverhältnis
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Fraglich ist, ob diese Regelung auf Gesetzentwürfe, die Ausfluss eines Gesetzgebungsvertrags sind, welcher den Beschluss oder Nichtbeschluss des entsprechenden Gesetzentwurfs vorsieht, analog angewendet werden kann. In diesem Fall würde der Bundestag seiner Rechte nicht entäußert. Ihm steht vielmehr das Recht zu, seine Zustimmung zum Gesetzentwurf zu erteilen oder zu verweigern und einen eigenen, inhaltlich modifizierten Entwurf einzureichen. So könnte sich der Bundestag in der Folge lediglich selbst seiner Rechtsstellung entmündigen. Die Entscheidungsfreiheit des Gesetzesgebers würde gewahrt bleiben. Ein Zustimmungserfordernis analog § 82 Abs. 2 GO BT würde zudem zum einen dafür sorgen, dass dem rechtsstaatlichen Vorbehalt des Gesetzes genüge getan ist. Zum anderen wäre die parlamentarische Kontrolle der Regierung gesichert,319 sodass gleichsam auch die Sicherungsfunktion des parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens gewahrt bliebe. Die Interessenlage der Fallgestaltungen erscheint zunächst vergleichbar. Die Beschränkung parlamentarischer Zugriffsrechte bis zur Grenze der Verfassungswidrigkeit gewährleistet die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung. Hierfür besteht insbesondere im Rahmen auswärtiger Beziehungen ein notwendiges Bedürfnis. Ein solches kann aber auch gegenüber Privatrechtssubjekten entstehen, etwa im Falle zügig notwendiger Entscheidungen. Die Regierung steht dann – sowohl im Rahmen eines völkerrechtlichen Vertrags, als auch im Rahmen eines Gesetzgebungsvertrags – im Wort gegenüber den am Vertrag partizipierenden und eine Gegenleistung zusagenden Rechtssubjekten. Die Bundesregierung würde in auswärtigen Angelegenheiten erheblich an Handlungsfähigkeit einbüßen, müsste ein schon ausgehandelter und unterzeichneter Vertrag neu verhandelt werden. Der einmal gefundene Konsens kann als fein austarierter Ausfluss gegenseitiger Interessenwahrung/-einbuße oftmals nur unter erhöhtem Verhandlungsaufwand erneut gefunden werden – so er denn überhaupt gefunden wird. Dies gilt gleichermaßen für Gesetzgebungsverträge. Erteilt das Parlament analog § 82 Abs. 2 GO BT seine Zustimmung nicht, liegt hierin eine Vertragsverletzung, welche möglicherweise zu Schadensersatzansprüchen führt. Gegen die analoge Anwendung des § 82 Abs. 2 GO BT auf den Gesetzgebungsvertrag wird angeführt, dass hierdurch die Diskussion des Beratungsgegenstands, d. h. die Abwägung des Für und Wider in den parlamentarischen Ausschüssen entfallen würde.320 Bei völkerrechtlichen Verträgen würde dies ausnahmsweise hingenommen, um die Handlungsfähigkeit der Exekutive nicht über die Maßen einzuschränken. Für den Gesetzgebungsvertrag verbiete sich dieser Ausnahme tatbestand. Dem ist entgegenzuhalten, dass eine Beratung in den Ausschüssen über anträge insoweit zulässig, als sie keine Vertragsänderung anstreben, vgl. zum alten – insoweit aber identischen – § 81 GO BT Trossmann, Parlamentsrecht des Deutschen Bundestages, 1977, § 81 GOBT Rn 9. 319 Zur parlamentarischen Kontrollfunktion bereits oben unter B. I. 2., 3. 320 Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 306.
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C. Gesetzgebungsverträge der Bundesregierung als Rechtsproblem
den Gesetzentwurf im Falle einer analogen Anwendung des § 82 Abs. 2 GO BT nicht ausgeschlossen wird, vielmehr sogar stattzufinden hat. Ein Vertrag mit auswärtigen Staaten oder ein ähnlicher Vertrag i. S. d. Art. 59 Abs. 2 GG, welcher die politischen Beziehungen des Bundes regelt oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung bezieht, wird nach § 78 Abs. 1 S. 1 GO BT in zwei Beratungen behandelt. Mit Abschluss der ersten Beratung (§ 79 GO BT) wird der Gesetzentwurf gem. § 80 Abs. 1 S. 1 GO BT „einem Ausschuss überwiesen“. In besonderen Fällen kann der Entwurf gemäß S. 2 auch gleichzeitig mehreren Ausschüssen überwiesen werden. Dass benannte vertragliche Gestaltungen mindestens die erste Beratungsphase und damit auch die Übersendung an die Ausschüsse durchlaufen, zeigt zudem ein Blick auf § 82 Abs. 1 GO BT. Demnach können Änderungsverlangen, welche nach Abs. 2 für Verträge nach § 59 Abs. 2 GG ausgeschlossen sind, erst in zweiter Beratung erfolgen. Die Regelung des § 82 GO BT knüpft daneben auch entsprechend ihrer gesetzessystematischen Stellung an die Beendigung der ersten Beratungsphase sowie die damit verbundenen Überweisungen nach § 80 Abs. 1 S. 1 GO BT an. Entsprechendes müsste im Rahmen einer analogen Anwendung der Regelung des § 82 Abs. 2 GO BT gelten. Gegen die Vergleichbarkeit der Interessenlage und mithin den Analogieschluss spricht jedoch ein anderes: Die von Art. 82 Abs. 2 GO BT aufgeführten Fallgestaltungen vertraglicher Verständigungen der Bundesregierung setzen allesamt die ausschließliche Beteiligung von Hoheitsträgern voraus. Ein wesentlicher Unterschied zum Gesetzgebungsvertrag besteht mithin in der Qualität der am Vertrag beteiligten Rechtssubjekte. Die am völkerrechtlichen Vertrag partizipierenden Subjekte treten als Vertreter des Staates auf. Als demokratisch legitimiertes Subjekt verfolgen sie gesamtstaatliche Interessen. Privatrechtssubjekte sind demgegenüber regelmäßig an ihrem Individualinteresse orientiert. Der Verzicht auf parlamentarische Änderungsmöglichkeiten nach § 82 Abs. 2 GO BT resultiert gerade daraus, dass das Allgemeininteresse bereits Berücksichtigung durch die vertragsschließenden Parteien erfahren hat. Eine derartige Vermutung kann im Falle eines Gesetzgebungsvertrags nicht begründet werden. Eine analoge Anwendung des § 82 Abs. 2 GO BT im Falle eines Gesetzgebungsvertrags muss mithin ausscheiden. bb) Gremienentscheid als Mittel zur Wirksamkeit Die Parteien des Gesetzgebungsvertrags erstreben zumeist die Schaffung einer rechtlich bindenden Vereinbarung, welche den Beschluss oder Nichtbeschluss eines Gesetzes (Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG) mit einem bestimmten Inhalt, bzw. Wortlaut zur Folge hat. Dieses Ziel sieht sich dem Einwand der Entäußerung bzw. Fremdbindung parlamentarischer Rechte ausgesetzt. Möglicherweise kann diesem Einwand mittels der Beteiligung eines Gremiums bzw. Ausschusses begegnet werden.321 321 Für die grundsätzliche Beteiligung des Parlaments im Rahmen eines Gesetzgebungsvertrags Pasemann/Baufeld ZRP 2002, S. 119 ff., 123.
IV. Der Gesetzgebungsvertrag als wirksames Rechtsverhältnis
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Der Bundestag ist das unmittelbare Repräsentationsorgan des Volkes. Er setzt sich zusammen aus den Vertretern des ganzen Volkes (Abgeordneten). Die Abgeordneten bilden in ihrer Gesamtheit die Volksvertretung. Der durch Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG gewährleistete repräsentative Status des Abgeordneten322 ist Grundlage für die repräsentative Stellung des Bundestags.323 Seine Repräsentationsfunktion nimmt der Bundestag grundsätzlich in seiner Gesamtheit wahr, d. h. durch die Mitwirkung aller seiner Mitglieder und nicht bloß durch einzelne Abgeordnete.324 Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG wird jedoch nicht schrankenlos gewährleistet. Die Freiheit und Gleichheit des Mandats kann vielmehr durch andere Rechtsgüter von Verfassungsrang – wie etwa die Funktionsfähigkeit des Parlaments – begrenzt werden.325 Zur Wahrung seiner Arbeitsfähigkeit kann der Bundestag – im Rahmen seiner Selbstorganisation nach Art. 40 Abs. 1 S. 2 GG – insbesondere arbeitsteilig Zusammenwirken.326 Art. 40 Abs. 1 S. 2 GG verleiht dem Bundestag die Befugnis, seine inneren Angelegenheiten im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung autonom zu regeln und sich selbst so zu organisieren, dass er seine Aufgaben sachgerecht wahrnehmen kann.327 Bei der Entscheidung über seine Selbstorganisation kommt ihm grds. ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Es ist vorrangig Sache des Bundestags zu konkretisieren, wie seine Mitglieder an der parlamentarischen Willensbildung mitwirken.328 Die zunehmende Komplexität regelungsbedürftiger Sachverhalte sowie die „Schwerfälligkeit des Plenums“ zwingen zur Arbeitsteilung.329 Dem Bundestag ist es deshalb gestattet, Ausschüsse einzurichten und diesen Ausschüssen einzelne vom Bundestag wahrzunehmende Aufgaben zu übertragen.330 Grundsätzlich sind die Ausschüsse darauf beschränkt, die Verhandlungen und die Beschlüsse des Bundestags vorzubereiten, sodass die endgültige Beschlussfassung (formal) beim Bundestag verbleibt. Das Grundgesetz kennt darüber hinaus einige Fälle, in denen der Bundestag auch Befugnisse zur selbständigen Wahrnehmung auf Ausschüsse übertragen kann (vgl. Art. 45, 45c, 45d, 53a GG). In der Literatur wird eine weitergehende Übertragung der Entscheidungsbefugnisse durch den Bundestag abgelehnt.331 Das Bundesverfassungsgericht hat dies bislang ausdrücklich offen gelassen.
322
BVerfGE 3, 144, 149; 80, 188, 217. BVerfGE 44, 308, 316; 80, 188, 217. 324 BVerfGE 44, 308, 316; 56, 396, 405; 80, 188, 218. 325 BVerfGE 130, 318, 348; 80, 188, 219; 84, 304, 321; 96, 264, 278; 112, 118, 140; 118, 277, 324. 326 BVerfGE 102, 244, 236. 327 BVerfGE 130, 318, 348. 328 BVerfGE 80, 188, 220. 329 BVerfGE 130, 318, 350; 44, 308, 317. 330 BVerfGE 130, 318, 350. 331 Achterberg/Schulte, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Band 2, 6. Aufl., Art. 45c Rn 30; Morlock VVDStRL 62 (2003), S. 37 ff., 59; Schmidt AöR 128 (2003), S. 609 ff., 624. 323
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C. Gesetzgebungsverträge der Bundesregierung als Rechtsproblem
In seiner Entscheidung vom 28. Februar 2012332 äußerte sich das Bundesverfassungsgericht zur Rechtmäßigkeit des sog. 9-er Sondergremiums zur Kontrolle des Euro-Rettungsschirms. Es erteilte der von § 3 Abs. 3 des Stabilisierungsmechanismusgesetz (StabMechG)333 vorgezeichneten Bildung eines Sondergremiums eine klare Absage. Die Vorschrift hatte vorgesehen, dass „in Fällen besonderer Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit“ die Rechte des Bundestages von Mitgliedern des Haushaltsausschusses wahrgenommen werden sollten, die zuvor vom Bundestag gewählt würden. Das Sondergremium sollte insbesondere haushaltsrechtliche Entscheidungen zur Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) treffen. Die Antragssteller führten an, die Regelungen des § 3 Abs. 3 und § 5 Abs. 7 StabMechG verletzten ihren Abgeordnetenstatus gem. Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG. Eine parlamentarische Mitwirkung werde ausgeschlossen. Nach Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG dürften die Abgeordneten grds. nicht ihres fortlaufenden Einflusses entäußert werden, sofern grundlegende parlamentarische Rechte und Befugnisse betroffen seien. Die parlamentarische Budgethoheit stelle aber gerade ein solchermaßen grundlegendes Recht dar. Dem pflichtete das Bundesverfassungsgericht bei. Es begründete seine Auffassung vornehmlich mit der „haushaltspolitischen Gesamtverantwortung“ des Bundestags. Diese könne vom Bundestag nicht auf Kleinstgremien übertragen werden. Ausgangspunkt für die Ausgestaltung und Beschränkung der Rechte der Abgeordneten ist der Grundsatz, dass alle Abgeordneten an den Entscheidungen des Bundestags beteiligt werden müssen. Nur dann, wenn es zum Schutz anderer Rechtsgüter von Verfassungsrang und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erforderlich ist, ist eine Übertragung von Entscheidungsbefugnissen auf einen beschließenden Ausschuss derart zulässig, dass einzelne Abgeordnete von der parlamentarischen Entscheidungsfindung ausgeschlossen sind.334 Dagegen ist die vollständige Entziehung von Abgeordnetenrechten nicht mehr von der Befugnis zur Selbstorganisation gedeckt.335 Die generelle Übertragung des Gesetzesbeschlussrechts aus Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG auf einen Ausschuss bzw. ein Gremium muss demnach ausscheiden. Denkbar erscheint einzig, einen Ausschuss bzw. ein Gremium dergestalt an dem Gesetzgebungsvertrag zu beteiligen, dass im Einzelfall der Gesetzesbeschluss vorbereitet wird.336 Da die endgültige Beschlussfassung aber beim Plenum verbleiben muss, 332
BVerfGE 130, 318. BGBl. 2011 I S. 1992. 334 BVerfGE 130, 318, 350. 335 BVerfGE 44, 308, 316; 80, 188, 219; 83, 304, 321. 336 Verfassungsrechtlich unbedenklich ist die Einsetzung einer Delegation hingegen bei bloß vorbereitenden Maßnahmen. Einzig der „Grundsatz der Spiegelbildlichkeit“, der sich aus der in Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG festgelegten Freiheit und Gleichheit des Mandats ableiten lässt und in § 12 GO BT eine innenrechtliche Konkretisierung erfahren hat, gilt auch diesbezüglich. Demnach muss jeder Parlamentsausschuss die Zusammensetzung des Plenums in seiner konkreten, durch die Fraktionen geprägten organisatorischen Gestalt verkleinert abbilden und wiederspiegeln. 333
IV. Der Gesetzgebungsvertrag als wirksames Rechtsverhältnis
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erscheint dieses Modell praktisch wenig sinnvoll. Denn je mehr Subjekte an den Verhandlungen partizipieren, umso weniger Flexibilität genießt das Instrument des Gesetzgebungsvertrags. cc) „Unwesentlichkeitstheorie“ und „Notstandsgesetzgebung“ Nach dem Grundsatz des Parlamentsvorbehalts ist das Parlament in bestimmten Bereichen gehindert, seine Gesetzgebungsbefugnisse zu delegieren. Die Legislativentscheidung muss unmittelbar vom Parlament herrühren. Die vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Wesentlichkeitstheorie konkretisiert die Reichweite dieses Parlamentsvorbehalts. Während das Bundesverfassungsgericht zunächst lediglich forderte, dass im Rahmen der Ermächtigung zum Erlass von Verordnungen gem. Art. 80 GG die wesentlichen Fragen vom Gesetzgeber geregelt werden müssen,337 erweiterte es die Wesentlichkeitstheorie in der „Kalkar I“-Entscheidung dahingehend, dass auch außerhalb von Art. 80 GG alle grundlegenden und wesentlichen Entscheidungen innerhalb der deutschen Gewaltenteilung allein vom Gesetzgeber getroffen werden müssen.338 Vor diesem Hintergrund kommt ein Umkehrschluss dahingehend, dass es einer parlamentarischen Entscheidung dann nicht bedarf, die Bundesregierung mithin entscheidungsbefugt ist, wenn der Gegenstand des Gesetzgebungsvertrags nicht wesentlich (d. h. unwesentlich) ist, nicht in Betracht. Zunächst fehlt es an praktisch handhabbaren Kriterien, anhand derer die Wesentlichkeit oder Unwesentlichkeit eines regelungsbedürftigen Lebenssachverhalts festgestellt werden kann. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass „Wesentlichkeit“ immer dann anzunehmen ist, wenn in den Schutzbereich eines Grundrechts eingegriffen wird und dadurch die Reichweite des Grundrechts beschränkt wird.339 Die Beantwortung der Frage, ob ausgeübte Staatsgewalt „für die Ausübung eines Grundrechts wesentlich“ ist, kann zumeist jedoch nur für jeden Einzelfall konkret beantwortet werden. Zudem stellt sich das Problem, welcher Hoheitsträger mit der Bewertung betraut ist. Grundsätzlich obliegt dem Bundesverfassungsgericht die abschließende Bewertung. Im Vorfeld des Gesetzgebungsverfahrens kann – auch bedingt durch die nicht vorhandene Möglichkeit einer vollumfänglichen Feststellung (unmittelbar oder mittelbar) tangierter Grundrechtspositionen – (Un-)Wesentlichkeit nicht einseitig von der Bundesregierung angenommen oder abgelehnt werden. Der Gesetzgebungsvertrag bzw. das darauf basierende Gesetz wäre „schwebend unwirksam“. Darüber hinaus spricht unter methodischen Gesichtspunkten gegen die Möglichkeit des Abschlusses eines Gesetzgebungsvertrags im Falle unwesentlicher Materien, dass die Wesentlichkeitstheorie insbesondere die Delegations befugnis des Gesetzgebers gegenüber der Verwaltung hinsichtlich des Erlasses 337
BVerfGE 47, 46, 80 ff. BVerfGE 49, 89, 126 f. 339 BVerfGE 49, 89, 126. 338
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C. Gesetzgebungsverträge der Bundesregierung als Rechtsproblem
von Rechtsverordnungen und Satzungen betrifft. Zwar betrifft auch der Gesetzgebungsvertrag untergesetzliche Normsetzung unter Beteiligung der Exekutive. Er beansprucht seinerseits jedoch – im Unterschied zu Rechtsverordnungen und Satzungen der Verwaltungsbehörden – Bindungswirkung hinsichtlich des formellen Gesetzgebungsverfahrens. Mithin schließt auch die mangelnde Vergleichbarkeit der Rechtsetzungsverfahren eine Umkehrung der Wesentlichkeitstheorie, verbunden mit einer Übertragung auf Gesetzgebungsverträge der Bundesregierung aus. Abzulehnen ist insoweit auch die Idee, Gesetzgebungsverträge wirksam im Falle eins Notstandes zuzulassen. Insoweit wäre tatbestandlich an die Rechtsgedanken der Art. 35 Abs. 3, 53a Abs. 2, 81, 87a Abs. 4, 91. Abs. 2, 115a Abs. 1, 115 f und 115i Abs. 2 GG zu denken. Eine solche „Notgesetzgebung qua Gesetzgebungsvertag“ ist jedoch zunächst Art. 115e GG entgegenzuhalten. Sofern bundes- oder landesstaatlich ein Notfall eintritt, sieht das Grundgesetz ausreichende Regelungen zur Ausübung (legislativer) Staatsgewalt vor. Eine Ausweitung dahingehend, dass der Bundesregierung eine rechtswirksame Rechtsetzungsmöglichkeit zugebilligt wird, erscheint nicht geboten. dd) Ergebnis Zusammenfassend gilt, dass die Bundesregierung in einem Gesetzgebungs vertrag nicht rechtswirksam versprechen kann, dass der Bundestag ein bestimmtes Gesetz beschließt oder nicht beschließt. Ein solcher Gesetzgebungsvertrag ist verfassungswidrig.340 Der Gesetzgebungsvertrag kann (neben der „Umdeutung“ in einen Gesetzentwurf der Bundesregierung) einzig – ähnlich wie die Entstehungsgeschichte der Norm – als Auslegungsbehelf für Exekutive und Rechtsprechung dienen.341 b) Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes aa) Ausgangslage und Problemstellung Wie bereits dargestellt342, unterliegt das bundesstaatliche Gesetzgebungsverfahren faktischen Zwängen. Auch der Abschluss eines verfassungswidrigen Gesetzgebungsvertrags, d. h. die Zusage der Bundesregierung, ein bestimmtes Gesetz werde vom Bundestag (nicht) beschlossen, kann eine solche faktische Zwangswirkung für das Parlament begründen, sodass ein entsprechendes Gesetz letztlich beschlossen wird. Fraglich ist, ob ein so zustande gekommenes Gesetz bestimmten Anforderungen unterliegt. 340
Zu den konkreten Rechtsfolgen siehe unter D. Friauf AöR 88 (1963), S. 257 ff., 304. 342 Siehe unter C. I. 341
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bb) Konkrete Anforderungen und Ergebnis Um der Faktizität entgegenzuwirken und gleichzeitig der Rolle des Bundestags bzw. seiner Abgeordneten zu rechtsstaatlicher Geltung zu verhelfen, unterliegt die Rechtmäßigkeit eines jeden Gesetzes, das Ausfluss eines Gesetzgebungsvertrags ist, der Prämisse, dass die Bundesregierung ihre – entsprechend den bereits dargestellten Grundsätzen343 – Publizitäts- und Transparenzpflichten erfüllt. Transparenzund Publizitätspflichten stellen hinreichende Kompensations- und Schutzmechanismen dar, um die Wirksamkeit des auf einem (verfassungswidrigen) Gesetzgebungsvertrag beruhenden Gesetzes zu gewährleisten. Grundlage ist auch hier der Grundsatz der Verfassungsorgantreue. Ein Verstoß gegen diese Pflichten führt zur Verfassungswidrigkeit des Gesetzes. Die unterlassene Publizität und Transparenz stellt keinen bloßen Verfahrensfehler dar, der mit dem Gesetzesbeschluss geheilt werden kann. Zwar hat sich der Bundestag durch die Beschlussfassung die Vorlage zu Eigen gemacht, sodass etwaige Formmängel durch den Beschluss prinzipiell „geheilt“ werden könnten. Bei dem in Rede stehenden Verstoß gegen den Grundsatz der Verfassungsorgantreue handelt es sich hingegen nicht um eine bloße Verfahrensanforderung. Die Anforderungen aus diesem Grundsatz dienen der Wahrung der Repräsentations- und Kontrollfunktion des Bundestags sowie der Legitimation des Gesetzes, sodass ein Verstoß zwingend zur Verfassungswidrigkeit des Gesetzes führen muss.344 2. Die Bindung des Gesetzesinitiativrechts aus Art. 76 Abs. 1 GG Gegenstand der nachfolgenden Untersuchung sind diejenigen Vertragsgestaltun gen, in denen die Bundesregierung die Einbringung oder Nichteinbringung eines bestimmten Gesetzentwurfs verspricht, mithin den formellen und materiellen Aspekt ihres Gesetzesinitiativrechts vertraglich bindet. a) Ausgangslage und Problemstellung Wie bereits dargestellt, verstoßen Gesetzgebungsverträge, in denen die Bundesregierung die Einbringung oder Nichteinbringung eines bestimmten Gesetzes verspricht, d. h. ihr Gesetzesinitiativrecht aus Art. 76 Abs. 1 GG rechtlich wirksam bindet, nicht gegen Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG (Demokratieprinzip). Die Gesetzesinitiative ist hinreichend demokratisch legitimiert.345 Denn zunächst bedarf die Gesetzesinitiative eines im Verhältnis zum Gesetzesbeschluss geringeren Legitimati 343
Vgl. unter C. III. 2. g). Übereinstimmend Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 290. 345 Vgl. oben unter C. III. 2. a) bb) (4) (b). 344
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C. Gesetzgebungsverträge der Bundesregierung als Rechtsproblem
onsniveaus. Darüber hinaus wird die der Gesetzesinitiative legitimationsstiftende Entscheidung der Bundesregierung lediglich auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorverlagert. Sie entfällt nicht. Zudem ist diese Form des Gesetzgebungsvertrags auch mit Wesen und Funktion des Art. 76 Abs. 1 GG vereinbar.346 Um dennoch etwaigen Wirksamkeitsmängeln – insbesondere in Bezug auf den zum Teil erhobenen Einwand der fehlenden demokratischen Legitimation der Gesetzesinitiative und der Gefahr der faktischen Vorwegnahme parlamentarischer Entscheidungen –347 vorzubeugen, sind die nachfolgenden Anforderungen zu beachten. Die Wirksamkeit eines Gesetzgebungsvertrags in der hier relevanten Form hängt von einem kompensatorischen und einem schützenden Kriterium ab, welche das „verfassungsrechtliche Gegengewicht“ zu den aufgezeigten (möglichen) Einwänden fehlender demokratischer Legitimation und bestehender faktischer Einflussnahme bilden sollen. Ausreichend sind insoweit Transparenz- und Informationspflichten zu Lasten der Bundesregierung. Hierdurch wird das Parlament – zudem unter dem wachenden Auge der Öffentlichkeit – in die Lage versetzt, der Gesetzesinitiative während des parlamentarischen Rechtsetzungsverfahrens besondere Aufmerksamkeit zu widmen. b) Anforderungen an echte und unechte Gesetzgebungsverträge (sog. „Regierungskooperationsrecht“) aa) Bekannte Ansätze Nach Anderl muss ein sog. „Regierungskooperationsrecht“ vor allem zwei Gesichtspunkte stets beachten: Zunächst sei die Gemeinwohlverträglichkeit der kooperativ erarbeiteten Gesetzesinhalte zu gewährleisten. Daneben müsse die Praktikabilität des Instruments dergestalt gesichert sein, dass der Kooperationsvorgang nicht durch eine übermäßige Regulierung beeinträchtigt werde.348 Ein konkreter Regelungsvorschlag wird nicht vorgebracht.349 Seines Erachtens blieben Bedenken 346
Hierzu oben unter C. III. 2. b) (aa) (3). Zwar ist die Vereinbarung personell auf die Bundesregierung und in der Sache auf deren Initiativrecht aus Art. 76 Abs. 1 GG beschränkt. Wie bereits dargestellt, tritt in der politischparlamentarischen Praxis allerdings zunehmend das Bild zu Tage, dass allein die Opposition die Kontrolle der Regierung wahrnimmt, die Koalitionsfraktionen daneben vielmehr ein „parlamentarisches Mandat der Regierung“ darstellen und somit letztlich die Bundesregierung dazu in der Lage ist, die Führung des Gesetzgebungsprozesses zu übernehmen (sog. „Rückbindung der Abgeordneten“). 348 Anderl, Gesetzgebung und kooperatives Regierungshandeln, 2006, S. 291. 349 Anderl, Gesetzgebung und kooperatives Regierungshandeln, 2006, S. 293 f. Rechtsdogmatisch müsse eine Normierung nicht zwingend auf verfassungsrechtlicher Ebene erfolgen. Die Regierung sei ohnehin nach Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden, sodass eine einfachgesetzliche Normierung eines „Regierungskooperationsrechts“ zur Herstellung von 347
IV. Der Gesetzgebungsvertrag als wirksames Rechtsverhältnis
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gegen kooperatives Regierungshandeln stets bestehen, möglich sei einzig eine Abmilderung dieser. Hierzu sei die Herstellung von Publizität und Transparenz im gesamten Kooperationsprozess notwendig. Offenzulegen sei aber nicht der gesamte Kooperationsprozess, sondern lediglich die wesentlichen Verfahrensschritte. Etwas konkreter formuliert es daneben Michael.350 Zwar sei eine Verfassungsänderung dahingehend, dass die Bundesregierung ein allgemeingültiges normatives Kooperationsmandat mit gesellschaftlichen Gruppen erhalte „verfassungspolitisch nicht zu wünschen“. Denn hierdurch würde die faktische Entmachtung des Parlaments nur weiter voranschreiten. Zudem entstünde neben der in Art. 1 Abs. 2, Art. 20 Abs. 2 und 3 sowie Art. 70 ff. GG determinierten gesetzgebenden Gewalt eine selbständige, vom Parlament unabhängige „kooperierende Gewalt“, welche zu einer unzulässigen Veränderung der Gewaltenteilung führe. Seines Erachtens könne im Verfassungstext aber ein (nach Art. 80 und vor Art. 80a GG zu platzierender) neuer Artikel eingefügt werden, wonach die Bundesregierung zur Ausübung kooperativ rechtsetzender Gewalt einer gesetzlichen Ermächtigung bedürfe. Michael liefert hierzu auch einen konkreten Textvorschlag: „Durch Gesetz können die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden, normative Absprachen mit Privaten zu treffen. Art. 80 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 gelten entsprechend. Normative Absprachen können vorbehaltlich des Art. 79 Abs. 1 S. 1 an die Stelle des Gesetzgebungsverfahrens treten oder eine Vorlage vorbereiten, die der Zustimmung der jeweils für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften in der Form eines Bundesgesetzes bedarf. Verordnungsermächtigungen im Sinne des Art. 80 gelten zugleich als Ermächtigung zum Abschluss normativer Absprachen.“ Diese Regelung ist abzulehnen. Ihr Vorteil liegt zweifellos in der parlamentarischen Steuerungsmöglichkeit. Die Notwendigkeit einer vorausgehenden gesetzlichen Ermächtigung unterwirft den Kooperationsvorgang in absteckbarem Umfang der parlamentarischen Obhut und fördert die Intervention zum Zwecke der Gemeinwohlverträglichkeit. Das Parlament kann so im Vorfeld (freilich in geringem Umfang) Einfluss auf den kooperativ ausgehandelten Gesetzentwurf nehmen. In dieser Ausdehnung des Kooperationsumfangs liegt jedoch zugleich die Schwäche des Ansatzes. Kooperatives Regierungshandeln hat sich als Reaktion auf als nicht sachgerecht empfundene bestehende formalisierte Entscheidungsverfahren entwickelt.351 Die Notwendigkeit einer gesetzlichen Ermächtigung verzögert die Transparenz und Publizität im Kooperationsprozess ausreichend sei. Für die verfassungsrechtliche Ausgestaltung spreche jedoch, dass eine solche Regelung neue Steuerungspotentiale zur Erfassung immer komplexer werdender Lebenssachverhalte enthalte, welche bekannte „Makel“ des einseitig-hoheitlich geprägten Modells der traditionellen Staatlichkeit zu beseitigen geeignet sei. Zudem würden so „verfassungsrechtliche Rationalitätsvorkehrungen der Rechtserzeugung“ gewahrt, die durch kooperatives Regierungshandeln in der Gefahr stünden, entwertet zu werden, s. Anderl, Gesetzgebung und kooperatives Regierungshandeln, 2006, S. 296 f. 350 Michael, Rechtsetzende Gewalt im kooperierenden Verfassungsstaat, 2002, S. 659. 351 Mehde AöR 127 (2002), S. 655 ff., 679.
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kooperierende Tätigkeit von Bundesregierung und Kooperationspartner. Zwar ist es als wahrscheinlich anzusehen, dass bereits vor Erlass der Ermächtigung durch das Parlament erste Gespräche und Interessenermittlungen stattgefunden haben. Diese unterliegen aber stets dem Vorbehalt einer späteren Kassation durch den parlamentarisch vorgegebenen Kooperationsrahmen. Ein wesentlicher Vorteil des kooperativen Regierungshandelns ist nämlich die Flexibilität des Kooperationsvorgangs. Würde dieser in übermäßige (verfassungs-) rechtliche Schranken gewiesen werden, ist es wahrscheinlich, dass neue informale Strukturen entstehen.352 Dem kann auch nicht dadurch begegnet werden, dass der Bundestag für eine zügige Entscheidung hinsichtlich des ermächtigenden Parlamentsgesetzes Vorkehrungen trifft. Zwar kann der – mit Verfassungsrang ausgestattete – Grundsatz der Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestags die Beratung und Beschlussfassung über einen Gegenstand außerhalb des Plenums in den Fällen rechtfertigen, in denen eine Entscheidung besonders eilbedürftig ist. Der Grundsatz betrifft aber lediglich die Durchführung sachgerechter parlamentarischer Entscheidungen. Die Entscheidung als solche verbleibt dem Parlament und wird ausnahmsweise nicht im Plenum erörtert. Hiermit soll ein kurzfristig nicht möglicher Zusammentritt der Bundestagsabgeordneten überwunden werden, nicht die parlamentarische Entscheidung als solche.353 Erhebliche Bedenken wirft letztlich der Passus auf, wonach normative Absprachen „an die Stelle des Gesetzgebungsverfahrens treten“ können. Unstrittig ist die damit einhergehende Flexibilität des Kooperationsvorgangs als Vorteil zu benennen. Zunächst wird das Parlament aber wohl nicht bereit sein, abstrakt-generelle Gesetzgebungsakte derart „auszulagern“, dass es selbst nur formell beteiligt wird, inhaltlich aber keinerlei Einfluss nehmen kann.354 Zum anderen spricht gegen die Reduktion der parlamentarischen Gestaltungskompetenz die ausdrückliche Judikatur des Bundesverfassungsgerichts. Das Bundesverfassungsgericht erinnert den Bundestag und seine Abgeordneten in jüngerer Zeit verstärkt an seine parlamentarische Verantwortung.355 Vor allem die für das Gemeinwesen wesentlichen Entscheidungen bedürfen einer parlamentarischen Diskussion. An einer gesamtstaatlich orientierten Auseinandersetzung fehlt es aber gerade, wenn im Rahmen kooperativer Gesetzeskonstruktionen einzig Partikularinteressen Eingang in eine, den anschließenden Legislativakt vorprägende Diskussion finden. Die o. g. Passage ist daneben mit Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG wohl nicht zu vereinbaren. Die bloße Ermächtigungsbefugnis des Abgeordneten wird der demokratisch-parlamentarischen Rolle des Mandats nicht gerecht. Es ermangelt an einer notwendigen Verknüpfung zwischen der letztlich ergehenden Entscheidung 352 Mehde AöR 127 (2002), S. 655 ff., 679. Zu weitgehend ist deshalb auch der Vorschlag von Grimm, wonach es Sache der Verfassung sei „das Anwendungsfeld von Verhandlungslösungen zu bestimmen“, „Zugangsvoraussetzungen unter Betroffenheitsgesichtspunkten statt unter Machtgesichtspunkten zu regeln“ und „Publizität hinsichtlich der Existenz solcher Verhandlungen“ vorzuschreiben, vgl. ders., FS Habermas, 2001, S. 489 ff., 505. 353 BVerfGE 130, 318, 359. 354 Anderl, Gesetzgebung und kooperatives Regierungshandeln, 2006, S. 285. 355 Zuletzt BVerfGE 130, 318.
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und dem Stimmrecht des Abgeordneten. Insbesondere kann nicht von einer ausreichenden „funktionalen Fortwirkung“ der Entscheidung des Abgeordneten ausgegangen werden. Der Kooperationsvorgang ist durch eine Vielzahl optional möglicher Entscheidungen geprägt, die sich nicht auf die parlamentarische Mandatsausübung zurückführen lassen. Das System ähnelt vielmehr den aus dem amerikanischen Wahlsystem bekannten „Wahlmännern“. Letztlich ist auch die Ansicht von Rybak abzulehnen. Seines Erachtens stellen Absprachen zwischen der Bundesregierung und einem Privatrechtssubjekt im Bereich der Gesetzgebung (sei es in Bezug auf normersetzende oder normvorbereitende Absprachen) eine Verwaltungstätigkeit i. S. d. § 1 Abs. 1 VwVfG dar. Der Abschluss derartiger Vereinbarungen sei nicht als gesetzgeberische Tätigkeit einzuordnen, sodass als gesetzlicher Rahmen die §§ 54 ff. VwVfG (zumindest analog) Anwendung finden müssten.356 Die (direkte oder analoge Anwendung) der §§ 54 ff. VwVfG birgt jedoch die Gefahr, dass sich neue informale Strukturen bilden. Darüber hinaus liegt auch keine Verwaltungstätigkeit i. S. d. § 1 Abs. 1 VwVfG vor. Denn der Gesetzgebungsvertrag in der hier relevanten Form ist im Verhältnis zum Legislativakt kein Aliud, sondern vielmehr ein wesensgleiches Minus. Gerade der funktionale Zusammenhang zum Gesetzgebungsverfahren (konkret zu Art. 76 Abs. 1 GG) spricht dafür, den Vertragsschluss als gesetzgeberische Tätigkeit einzuordnen. bb) Konkretisierung der vorbenannten Ansätze Die Schaffung eines normativen Regelungsgeflechts entspricht nicht den Bedürfnissen des Gesetzgebungsvertrags, denn ein vollwertiges rechtliches Regelungskonzept birgt die Gefahr, dass neue kooperative Strukturen außerhalb dieses normativen Regimes entstehen. Gerade eine dementsprechende starke Formalisierung staatlicher Entscheidungsprozesse war seinerzeit der Hauptgrund für den „Weg in die Informalität“.357 Damit die faktische Bindungswirkung möglichst gering gehalten wird und zugleich dem parlamentarischen Diskurs, d. h. dem verfassungsrechtlich vorgezeichneten Gesetzgebungsverfahren sowie den hiermit verbundenen Rechten und Pflichten der Abgeordneten zu größtmöglicher Geltung verholfen wird, bedarf es dennoch bestimmter Wirksamkeitsanforderungen (Kompensations- und Schutzmechanismen) für Gesetzgebungsverträge, in denen die Bundesregierung den formellen und materiellen Teil ihres Gesetzesinitiativrechts (Art. 76 Abs. 1 GG) vertraglich bindet. 356
Rybak, Rechtsstaat am Verhandlungstisch, 2007, S. 208 ff. Mehde AöR 127 (2002), S. 655 ff., 681 betrachtet eine Normierung als „wenig erfolgsversprechend“; dem folgend Anderl, Gesetzgebung und kooperatives Regierungshandeln, 2006, S. 290 ff. 357
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C. Gesetzgebungsverträge der Bundesregierung als Rechtsproblem
In der Literatur wurden bislang einzig Transparenz- und Publizitätspflichten der Bundesregierung als Kompensations- und Schutzmechanismen für „wesentliche Verfahrensschritte“ angeführt.358 Hierdurch werde die Regierung ihrer „aus dem Grundsatz der Verfassungsorgantreue resultierenden Verpflichtung, das Parlament über den Kooperationsvorgang in Kenntnis zu setzen“ gerecht. Zudem lasse sich so eine hinreichende Gemeinwohlverträglichkeit überprüfen und der Gefahr einer ungleichen Interessenberücksichtigung begegnen. Den am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten werde frühzeitig die Möglichkeit eröffnet, ein „besonderes Augenmerk“ auf den kooperativ erarbeiteten Gesetzentwurf zu werfen.359 Der Begriff der „wesentlichen Verfahrensschritte“ wurde bislang nicht näher spezifiziert.360 Ausgeschlossen wird begrifflich bereits eine stetig bestehende Offenlegungspflicht, welche sämtliche Verhandlungsschritte erfasst.361 Eine Anknüpfung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Wesentlichkeitstheorie liegt dem Wortlaut nach nahe, erweist sich jedoch im Ergebnis als nicht pragmatisch.362 Auch eine Anknüpfung an eine zeitliche Komponente (etwa in Form periodisch bestehender, revolvierender Offenlegungspflichten) erscheint wenig zweckmäßig, da der Kooperationsvorgang keinem zeitlichen Rahmen unterliegt. Er kann sowohl wenige Stunden, als auch mehrere Monate beanspruchen. Ob ein Verfahrensschritt wesentlich ist, muss letztlich anhand des Zwecks der Transparenz- und Publizitätspflichten ermittelt werden. Diese dienen zusammengefasst der Wahrung der parlamentarischen Kontroll- und Gestaltungsbefugnisse. Sofern ein Verfahrensschritt unter Kontrollgesichtspunkten von Interesse ist, muss demnach eine Publikation gegenüber dem Parlament erfolgen. Dies gilt im Einzelnen für das „wie“ des Zustandekommens der Kooperation, die Darlegung der beiderseitig bestehenden Interessen (Motivationslage), die in Aussicht gestellte Leistung bzw. Nichtleistung (Verfügungen), die betroffenen Rechtspositionen (Betroffenheit) sowie letztlich das Verhandlungsergebnis.
358
Anderl, Gesetzgebung und kooperatives Regierungshandeln, 2006, S. 293; Mehde AöR 127 (2002), S. 655 ff., 681; Ritter, in: Grimm (Hrsg.), Wachsende Staatsaufgaben – sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, 1990. S. 69 ff., 88. Gusy ZUR 2001, S. 1 ff., 5; Mengel ZRP 1984, S. 153 ff., 156; Lübbe-Wolf NuR 1989, S. 295 ff., 297; Für die Öffentlichkeit des parlamentarischen Willensbildungsprozesses auch Magiera, Parlament und Staatsleitung in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes, 1979, S. 120 ff., 177 ff.; Schulze-Fielitz, Theorie und Praxis parlamentarischer Gesetzgebung, 1988, S. 179 f.; Roellecke, Der Begriff des positiven Gesetzes und das Grundgesetz, 1969, S. 281 ff.; Schwerdtfeger, FS Ipsen, 1977, S. 173 ff. 359 Anderl, Gesetzgebung und kooperatives Regierungshandeln, 2006, S. 294. 360 Auch Anderl, Gesetzgebung und kooperatives Regierungshandeln, 2005, verweist auf S. 294 nur darauf, dass die Offenlegung auf „die wesentlichen Schritte im Kooperationsprozess zu beschränken“ sei. 361 Dies erscheint vor dem Hintergrund der notwendigen Gewährleistung hinreichender Flexibilität des Instruments auch sinnvoll. 362 Die Rechtsprechung betrifft materielle Bewertungen, die nicht auf Verfahrensschritte übertragbar sind.
IV. Der Gesetzgebungsvertrag als wirksames Rechtsverhältnis
191
(1) Umfangreichere Unterrichtungspflicht der Bundesregierung analog Art. 23 Abs. 2 S. 2 GG? Für den Bereich der Europäischen Union hat das Grundgesetz mit Art. 23 GG das Spannungsverhältnis zwischen parlamentarischer Verantwortung und exekutiver Außenvertretung spezifisch ausgestaltet. Nach Art. 23 Abs. 2 S. 2 GG hat die Bundesregierung den Bundestag und den Bundesrat in Angelegenheiten der Europäischen Union umfassend und zum frühstmöglichen Zeitpunkt zu unterrichten. Denn der Bundestag ist einzig aufgrund einer hinreichenden Informationsbasis in der Lage, den Prozess der europäischen Integration zu begleiten und mitzugestalten. Art. 23 Abs. 2 S. 2 GG trägt mithin dazu bei, dass „Informationsasymmetrien“ zwischen Bundesregierung und Bundestag ausgeglichen werden, sodass eine effiziente Rechtswahrnehmung erfolgen kann.363 Zur Ermöglichung der Wahrnehmung parlamentarischer Mitwirkungsrechte ist eine umso intensivere Unterrichtung geboten, „je komplexer der Vorgang ist, je tiefer er in den Zuständigkeitsbereich der Legislative eingreift und je mehr er sich einer förmlichen Beschlussfassung oder Vereinbarung annähert“.364 Gegenstand der Unterrichtungspflicht aus Art. 23 Abs. 2 S. 2 GG sind „Angelegenheiten der Europäischen Union“, wobei dem Begriff durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein weites Verständnis verliehen wurde.365 Die Bundesregierung hat dem Bundestag und dem Bundesrat „alle ihr zugänglichen oder von ihr notfalls zu beschaffenden Informationen“ zu übermitteln, „die mit der Vorbereitung, Wahrnehmung und Vollziehung von Zuständigkeiten, Befugnissen und Zielsetzungen der Europäischen Union in einem Zusammenhang stehen“.366 Entsprechend der Intensität des betroffenen Vorgangs, variieren die Anforderungen an die Unterrichtungspflicht. Stets zu unterrichten ist in qualitativer Hinsicht zunächst über Initiativen und Positionen der Bundesregierung. Darüber hinaus sind amtliche Unterlagen und Dokumente der Organe sowie sonstiger Gremien und Behörden der Europäischen Union und anderen Mitgliedstaaten in Angelegenheiten der Europäischen Union weiterzuleiten.367 Eine eventuelle Geheimhaltungsbedürftig 363
Schorkopf, in: Dolzer/Kahl/Waldhoff/Graßhof (Hrsg.), Bonner Kommentar GG, 2014, Art. 23 Rn 144. 364 BVerfGE 131, 152, 207. 365 Zu den Angelegenheiten in diesem Sinne gehören Vertragsänderungen sowie entsprechende Änderungen auf der Ebene des Primärrechts (vgl. auch §§ 2 ff. des Gesetzes über die Wahrung der Integrationsveranrtwortung des Bundestages und des Bundesrates in Angelegenheiten der Europäischen Union v. 22.9.2009, BGBl I, 3022) und Rechtsetzungsakte der Europäischen Union, Art. 23 Abs. 3 GG. Auch völkerrechtliche Verträge gehören, unabhängig davon, ob sie die förmliche Änderung der vertraglichen Grundlage der Europäischen Union intendieren (Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG) hierzu, wenn sie in einem Ergänzungs- oder besonderen Näheverhältnis zum Recht der Europäischen Union stehen, vgl. BVerfGE 131, 152, 199. 366 Heinegg, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK-GG, 2015, Art. 23 Rn 34; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 23 Rn 47. 367 BVerfGE 131, 152, 207.
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C. Gesetzgebungsverträge der Bundesregierung als Rechtsproblem
keit steht der Weiterleitung grundsätzlich nicht entgegen.368 In quantitativer Hinsicht bemisst sich der Umfang der zu übermittelnden Informationen nach der Bedeutung der Angelegenheit, wobei eine „Überflutung der Abgeordneten“ zu vermeiden ist.369 In zeitlicher Hinsicht ist daneben festzuhalten, dass sich die Informationspflicht nicht in einer punktuellen, einmaligen Unterrichtung erschöpft. Es handelt sich vielmehr um eine periodisch revolvierende, dauerhafte Verpflichtung, die erstmals im „frühstmöglichen“ Zeitpunkt entsteht. Eine Aktualisierung erfolgt immer dann, „wenn sich bei der Behandlung einer Angelegenheit neue politische oder rechtliche Fragen stellen, zu denen sich der Deutsche Bundestag noch keine Meinung gebildet hat“.370 Hinsichtlich des Unterrichtungsverfahrens gilt, dass der Bundestag als Ganzer Adressat einer (grundsätzlich) schriftlichen Unterrichtung ist.371 Allgemein gilt, dass die Unterrichtung letztlich derart erfolgen muss, dass das Parlament nicht in eine „bloß nachvollziehende Rolle“ gerät.372 Die Bundesregierung hat im Bereich auswärtiger Politik einen weit bemessenen Spielraum zur eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung.373 Das Parlament unterliegt insoweit einer funktionellen Beschränkung.374 Dies gilt insbesondere im Bereich der Europäischen Rechtsetzung. Aufgrund der Übertragung von Hoheitsrechten (Art. 23 Abs. 1 GG) besitzt die Union die Kompetenz, selbst Recht zu setzen. Dieses beansprucht im Einzelfall innerhalb der Mitgliedstaaten unmittelbar Geltung und begründet Rechte und Pflichten der Bürger. Bei dem Erlass solcher Rechtsakte agieren über den Europäischen Rat und den Rat der Union nicht primär die nationalen Gesetzgebungsorgane, sondern die mitgliedstaatlichen Exekutivorgane. Freilich ist daneben das Europäische Parlament an der Gesetzgebung zentral beteiligt (Art. 16 Abs. 1 EUV). Die allgemeinen politischen Ziele (Art. 15 EUV) werden jedoch vom Europäischen Rat bestimmt. Das nationale Parlament wird somit zumindest partiell aus der Rolle des zentralen Entscheidungsträgers verdrängt.375 Der Kompetenzbereich der Exekutive umfasst daneben den Abschluss völkerrechtlicher Verträge, den Verkehr mit anderen Staaten, die Vertretung in internationalen Organisationen, zwischenstaatlichen Einrichtungen und Systemen kollektiver Sicherheit (Art. 24 Abs. 2 GG) sowie die Sicherstellung der gesamtstaatlichen Verantwortung bei der Vertretung der Bundesrepublik nach außen.376 Denn typischerweise verfügt ausschließlich die Regierung über die per 368 Zur Notwendigkeit einer vertraulichen Unterrichtung in Fällen, in denen das Wohl des Staates durch das Bekanntwerden gefährdet werden kann vgl. BVerfGE 124, 78, 123 f. 369 BVerfGE 131, 152, 208. 370 BVerfGE 131, 152, 209 mit Verweis auf Baach, Parlamentarische Mitwirkung in Angelegenheiten der Europäischen Union, 2008, S. 162. 371 BVerfGE 131, 152, 213; zu den Ausnahmen von der Schriftlichkeit vgl. Schorkopf, in: Dolzer/Kahl/Waldhoff/Graßhof (Hrsg.), Bonner Kommentar GG, 2014, Art. 23 Rn 144. 372 BVerfGE 131, 152, 203. 373 BVerfGE 104, 151, 207; 49, 89, 125. 374 BVerfGE 104, 151, 207. 375 Unger, Das Verfassungsprinzip der Demokratie, 2008, S. 43. 376 BVerfGE 131, 152, 195.
IV. Der Gesetzgebungsvertrag als wirksames Rechtsverhältnis
193
sonellen, sachlichen und organisatorischen Möglichkeiten, wechselnden Lebenssachverhalten zügig Rechnung zu tragen und auswärtige Angelegenheiten mithin bestmöglich zu erfüllen.377 Art. 23 GG trägt demgemäß der Gefahr einer Verschiebung des nationalen Gewaltgefüges im Bereich der europäischen Integration Rechnung, indem er für eine stärkere Einbindung der nationalen Parlamente sorgt. Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Entscheidung zur Verletzung der Unterrichtungsrechte des Bundestags durch die Bundesregierung festgestellt, dass „Entscheidungen von erheblicher rechtlicher oder faktischer Bedeutung für die Spielräume künftiger Gesetzgebung […] grds. ein Verfahren vorausgehen [muss], das der Öffentlichkeit Gelegenheit bietet, ihre Auffassung auszubilden und zu vertreten, und das die Volksvertretung dazu anhält, Notwendigkeit und Umfang der zu beschließenden Maßnahme zu klären“.378 Wie bereits erläutert, unterliegt das Parlament auch im Falle eines Gesetzgebungsvertrags einer faktischer Vorprägung dergestalt, dass der Ausgang des Gesetzgebungsverfahrens zwar nicht rechtlich präjudiziert ist, tatsächlich jedoch das Potential birgt, den von der Bundesregierung gewünschten Ausgang zu nehmen. Für die Übertragung der Informationspflichten aus Art. 23 Abs. 2 S. 2 GG spricht darüber hinaus, dass die Vorschrift dem Demokratieprinzip entspringt, mithin der parlamentarischen Öffentlichkeit dient und die (öffentliche) Diskussion als wesentliches Element des demokratischen Parlamentarismus gewährleisten möchte.379 Sie fördert die Kontrolle europäischer Entscheidungen durch den Bürger und sorgt für ein hinreichendes Maß an Transparenz. Eine direkte Anwendung der Vorschrift scheidet offensichtlich aus. Zwar ist der Anwendungsbereich der Vorschrift extensiv auszulegen. Die Konstellation ist aber auf Angelegenheiten der Europäischen Union derart beschränkt, dass die an der außerparlamentarischen Vereinbarung beteiligten Rechtssubjekte ausschließlich Urheber oder unmittelbarer Gegenstand der Europäische Union als Institution sind. In Betracht kommt demnach eine analoge Anwendung des Art. 23 Abs. 2 S. 2 GG auf den Gesetzgebungsvertrag derart, dass die aufgezeigte Informationspflicht auch in diesem Fall Geltung beansprucht. Hierfür lässt sich insbesondere die zitierte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anführen, wonach die Volksvertretung als Hüter öffentlicher Interessen an einem Verfahren oder einer Vereinbarung beteiligt werden muss, welches zur „faktischen“ Beschränkung des Gesetzgebungsverfahrens führt. Ein Informationsanspruch des Parlaments kann im Falle des Gesetzgebungsvertrags zudem dazu führen, dass die (viel kritisierte) „Entparlamentarisierung“ abgeschwächt wird, stattdessen vielmehr die Wahrung bzw. Wiederherstellung parlamentarischer Souveränität eintritt. 377
BVerfGE 68, 1, 87; 104, 151, 207. BVerfGE 131, 152, 205. 379 BVerfGE 131, 152, 205. 378
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C. Gesetzgebungsverträge der Bundesregierung als Rechtsproblem
Unter Verweis auf die unterschiedlichen Zweckrichtungen ist eine Analogie letztlich jedoch abzulehnen. Art. 23 Abs. 2 S. 2 GG intendiert die Schaffung hinreichender demokratischer Legitimation von Entscheidungen auf europäischer Ebene. Der Norm liegt ein „Kompensationsgedanke“ zu Grunde,380 der in der Übertragung finaler Entscheidungsbefugnisse wurzelt. Im Falle des Gesetzgebungsvertrags verbleibt die rechtlich wirksame Letztentscheidung aber beim Parlament und wird nicht einer außerhalb des nationalen Parlaments liegenden Institution übertragen. Die Entscheidung wird im Rahmen des formellen Gesetzgebungsverfahrens im Plenum getroffen. Das Parlament wird seiner demokratisch legitimierten Entscheidungsgewalt nicht beschnitten. Eine Übertragung der Informationspflichten aus Art. 23 Abs. 2 S. 2 GG auf den Gesetzgebungsvertrag scheidet mithin aus. (2) Folgen einer Verletzung der Transparenz- und Publizitätspflichten Eine Verletzung der beschriebenen Transparenz- und Publizitätspflichten stellt einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verfassungsorgantreue dar.381 Der Gesetzgebungsvertrag wäre verfassungswidrig. (3) Zeitliche Grenzen Fraglich ist der zeitliche Geltungsanspruch eines Gesetzgebungsvertrags, soweit die Parteien keine ausdrückliche Regelung, wie etwa eine analoge Anwendung des § 60 VwVfG, getroffen haben.382 Von erheblicher praktischer Relevanz ist dabei der Aspekt, ob durch einen Gesetzgebungsvertrag lediglich die unmittelbar partizipierende Bundessregierung in ihrer konkret-personellen Zusammensetzung oder vielmehr schlechthin „jede Bundesregierung“, d. h. das Organ als solches, gebunden wird. Denn anders als das Parlament, unterliegt die Bundesregierung nicht dem Grundsatz der Diskontinuität,383 sodass auch spätere Regierungen an etwaige Verpflichtungen gebunden sein könnten – sofern sie etwaige Schadensersatzanforderungen vermeiden wollen. In diesem Fall bestünde die Möglichkeit, dass eine Bundesregierung über die eigene Legislaturperiode hinaus künftige Regierungen bindet. Hierin sind eine erhebliche Beeinträchtigung der politischen Handlungsfähigkeit sowie ein demokratisches Defizit zu sehen. Zwar sind Verträge grundsätzlich einzuhalten (pacta sunt servanda). Eine Abweichung von diesem Grundsatz kann aber nach der clausula rebus sic stantibus zulässig sein. Hiernach gilt ein Vertrag nur 380
BVerfGE 131, 152, 201. Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 286. 382 So sah der Förderfondsvertrag (hierzu bereits unter A. III. 2.) beispielsweise ausdrücklich in § 5 eine Anpassungsklausel vor. 383 Kersten, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 2014, Art. 76 Rn 116. 381
IV. Der Gesetzgebungsvertrag als wirksames Rechtsverhältnis
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solange als wirksam, wie die Verhältnisse, unter denen er zustande kam, sich nicht grundlegend verändern. Nur wenn sich die Verhältnisse, die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestanden haben, mittlerweile grundlegend geändert haben und angesichts dieser Veränderung das Festhalten am Vertrag für den Verpflichteten unzumutbar384 geworden ist, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Raum für die Anwendung der clausula.385 Der Vertrag ist dann nicht mehr notwendig einzuhalten. Im öffentlichen Recht hat die clausula rebus sic stantibus ausdrücklich im allgemeinen Verwaltungsrecht (§§ 38 Abs. 3, 60 VwVfG) und im Sozialrecht (§ 59 SGB X) Ausdruck gefunden. Im Grundgesetz ist die clausula nicht ausdrücklich normiert. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist sie aber „ungeschriebener Bestandteil des Bundesverfassungsrechts“.386 Sie beansprucht so auch für Gesetzgebungsverträge Geltung. Insbesondere wäre nicht einzusehen, weshalb die clausula bei Verwaltungsabkommen, Koalitionsverträgen und Staatsverträgen über Gegenstände der Gesetzgebung Geltung beanspruchen soll, bei Gesetzgebungsverträgen hingegen nicht.387 Für eine Ungleichbehandlung mit Blick auf §§ 54, 60 VwVfG ist kein sachlicher Grund zu erkennen. Mithilfe der clausula lässt sich zumindest eine äußere Grenze der zeitlichen Wirksamkeit bestimmten.388 Eine solche äußere Grenze stellt das Ende einer Legislaturperiode dar. Die clausula ist an einen objektiven Maßstab gebunden. Der bloße „Wille, eine andere Politik zu betreiben“, berechtigt die Bundesregierung nicht zur Aufhebung des Vertragsverhältnisses.389 Das Ende einer Legislaturperiode stellt hingegen einen solchen objektiven Maßstab dar.390 Der Gesetzgebungsvertrag in seiner konkreten Gestalt überdauert nur dann eine Legislaturperiode, wenn die Bundesregierung eine Wiederwahl erfährt. Aus Sicht des Privatrechtssubjekts birgt dies erhebliche Rechtsunsicherheit. Denn die Bundesregierung könnte das Vertragsverhältnis dergestalt „auslaufen“ lassen, dass sie ihrer Verpflichtung zur Einbringung einer bestimmten Gesetzesinitiative nicht während ihrer Legislaturperiode nachkommt. Die sodann vom Staatsvolk eingesetzte Bundesregierung wäre nicht mehr Adressat der Verpflichtungen aus dem Gesetzgebungsvertrag. Um dem zu begegnen, sollten die vertraglich versprochenen Leistungspflichten an eine 384 Dieses Kriterium beziehen BVerfGE 34, 216, 232 und BVerfGE 42, 345, 358 f. ausdrücklich ein. 385 BVerfGE 34, 216, 230 ff.; vgl. auch BVerwGE 143, 335, 347, wonach die clausula Ausdruck „des auch im öffentlichen Recht seit Langem anerkannten allgemeinen Grundsatzes [ist], wonach die strikte Vertragsbindung („pacta sunt servanda“) auch ohne entsprechende Vereinbarung dann durchbrochen werden muss, wenn ein Festhalten an der Vereinbarung infolge einer wesentlichen Änderung der Vertragsgrundlage einer oder mehreren Vertragsparteien nicht zuzumuten wäre“. 386 BVerfGE 34, 216, 231. 387 Köbler, Die „clausula rebus sic stantibus“ als allgemeiner Rechtsgrundsatz, 1991, S. 10. 388 Ebenso Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 287. 389 Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 288. 390 Eine entsprechende Zäsur wird wohl auch im Falle von Neuwahlen zu sehen sein.
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C. Gesetzgebungsverträge der Bundesregierung als Rechtsproblem
ausdrücklich vereinbarte Leistungszeit gekoppelt werden. Dabei ist evident, dass die Bestimmung einer Leistungszeit nicht über die Legislaturperiode der Bundesregierung hinausgehen kann. c) Ergebnis Transparenz- und Publizitätspflichten stellen hinreichende Kompensations- und Schutzmechanismen dar, um die Wirksamkeit des Gesetzgebungsvertrags in Gestalt der Bindung des Gesetzesinitiativrechts zu gewährleisten. Die Transparenzund Publizitätspflichten sind dabei auf „wesentliche Verfahrensschritte“, d. h. in concreto das Zustandekommen der Kooperation, die beiderseitig bestehenden Interessen (Motivationslage), die in Aussicht gestellte Leistung bzw. Nichtleistung (Verfügungen), die betroffenen Rechtspositionen (Betroffenheit) sowie das Verhandlungsergebnis begrenzt. Eine darüber hinausgehende Informationspflicht – etwa aufgrund eines Antrags – ist abzulehnen, da hierdurch dem Gesetzgebungsvertrag seine notwendige Flexibilität genommen würde. Verfassungsrechtlich besteht darüber hinaus ein solches Bedürfnis nicht. Verfassungsrechtliche Grundlage der Transparenz- und Publizitätspflichten ist der Grundsatz der Verfassungsorgantreue, sodass ein Verstoß zur Verfassungswidrigkeit des Vertragsverhältnisses führt. Werden die dargelegten Grundsätze demgegenüber von den Parteien eingehalten, so lässt sich gegen das Vertragsverhältnis und das darauf basierende Gesetz nichts einwenden. Die zeitliche Geltung des Gesetzgebungsvertrags richtet sich – vorbehaltlich einer ausdrücklich bestimmten Leistungszeit – nach den Grundsätzen der clausula rebus sic stantibus.
V. Zusammenfassung Der Abschluss eines Gesetzgebungsvertrags – gleich in welcher Form – setzt eine Berechtigung aus der Verfassung voraus. Denn der Vertragsschluss ist dem Bereich der Kompetenzen zuzuordnen, nicht demjenigen der Staatsaufgaben. Insoweit fordert der Vorbehalt der Verfassung einen verfassungsrechtlichen Frei gabeakt, der jedoch je nach konkretem Gesetzgebungsvertrag hinsichtlich Art und Umfang divergiert. Maßgeblich für die Anforderungen an den Freigabeakt ist, ob es sich um einen Gesetzgebungsvertrag handelt, der gegenständlich auf das Gesetzesbeschlussrecht (Art. 77 Abs. 1 GG) bezogen ist, oder um einen solchen, der das Gesetzesinitiativrecht (Art. 76 Abs. 1 GG) betrifft. In der ersten Alternative greift der Vorbehalt der Verfassung in vollem Umfang. Ein den Anforderungen des Vorbehalts der Verfassung genügender Freigabeakt für den Abschluss derartiger Gesetzgebungsverträge durch die Bundesregierung ist der Verfassung jedoch nicht zu entnehmen. Darüber hinaus stehen – selbst bei unterstellt vorhandenem Freigabeakt – der Rechtswirksamkeit derartiger konsensualer
V. Zusammenfassung
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Vereinbarungen im Wesentlichen das Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 2 GG), Art. 77 Abs. 1 GG, Art. 38 GG sowie das Prinzip der Verfassungsorgantreue entgegen. Zusammenfassend gilt, dass die Bundesregierung in einem Gesetzgebungsvertrag nicht rechtswirksam versprechen kann, dass der Bundestag ein bestimmtes Gesetz beschließt oder nicht beschließt. Ein solcher Gesetzgebungsvertrag ist verfassungswidrig. In der zweiten Alternative, d. h. im Falle eines Gesetzgebungsvertrags, der das Gesetzesintiativrecht der Bundesregierung betrifft, sowie im Falle eines Gesetzgebungsvertrags mit Anreizfunktion, beansprucht hingegen nur ein abeschwächter Vorbehalt der Verfassung Geltung, da die Gesetzesinitiative qualitativ nicht dem Gesetzesbeschlussrecht entspricht („unselbständige Anstoßfunktion“). Derartige Gesetzgebungsverträge lassen sich auf Art. 65 S. 2 GG stützen. Sie sind von der Regierungsfunktion umfasst. Verstöße gegen Verfassungsrechtssätze sind nicht ersichtlich. Einzig das Prinzip der Verfassungsorgantreue gebietet, dass in solchen Fällen die Wirksamkeit des Rechtsverhältnisses von der Beachtung bestehender Offenlegungs- und Informationspflichten abhängig ist. Diese, gegenüber dem Bundestag bestehenden Pflichten, sind Konsequenz der faktischen Gestaltungs- und Entscheidungsfunktion der Bundesregierung im bundesstaatlichen Gesetzgebungsverfahren. Denn die Bundesregierung kann wegen der Möglichkeit der ministeriellen Präparation eines Gesetzentwurfs und der faktischen Rückbindung der Abgeordneten auf den Prozess des bundesstaatlichen Gesetzgebung in einer Weise Einfluss nehmen, die über die verfassungsrechtlich vorgesehene legistische Begleitfunktion hinausgeht.
D. Rechtsfolgen auf Primär- und Sekundärebene I. Echter Gesetzgebungsvertrag (Beschluss) und unechter Gesetzgebungsvertrag (Nichtbeschluss) 1. Primärebene: Erfüllungspflichten Die Primärpflichten der am Gesetzgebungsvertrag beteiligten Rechtssubjekte ergeben sich aus dem Schuldverhältnis selbst. Gegenständlich handelt es sich hierbei um die in dem Vertragswerk versprochenen Leistungen, d. h. die unmittelbar in dem Rechtsverhältnis festgelegten (wechselseitigen) Verhaltenspflichten. Bei einem Gesetzgebungsvertrag im hier relevanten Sinne lautet diese Primärleistungspflicht auf staatlicher Seite „Beschluss eines bestimmten Gesetzes“ oder „Nichtbeschluss eines bestimmten Gesetzes“, wobei im ersteren Fall das Gesetz in der Regel hinsichtlich einzelner Normen oder hinsichtlich des kompletten Gesetzestexts eine Ausformulierung im Rahmen des Vertrags erfahren hat (etwa im Anhang, so geschehen beim Förderfondsvertrag1). In Abhängigkeit zu der staatlichen Leistungspflicht verspricht das Privatrechtssubjekt ebenfalls eine Leistung, wie etwa im Falle der Solidarvereinbarung eine Geldleistung i. H. v. 400 Mio. DM.2 Ob und in welchem Umfang ein Gesetzgebungsvertrag in vorbezeichnetem Sinne einen einklagbaren Erfüllungsanspruch enthält, hängt zunächst – entsprechend allgemeiner Vertragsrechtslehre – von der rechtlichen Bindungswirkung der Absprache ab. In Bezug auf informale Verwaltungsabkommen im Umweltrecht3 ist den Parteien – nach vorherrschender Auffassung – gar nicht daran gelegen, zwei übereinstimmende Willenserklärungen, die unmittelbar auf die Setzung von Rechtsfolgen gerichtet sind, abzugeben.4 Sie handeln ohne Rechtsbindungswillen, vornehmlich um ihrer künftigen Verhaltensweise ein hinreichendes Maß an Flexibilität an die Hand zu geben.5 Ein einklagbarer Erfüllungsanspruch wird nicht begründet. Fraglich ist, ob diese Auffassung auf Gesetzgebungsverträge übertragbar ist. 1
Hierzu oben unter A. III. 2. Hierzu oben unter A. III. 5. 3 Hierzu oben unter A. IV. 2. 4 Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 48; v. Wedemeyer, Kooperationen beim Vollzug des Umweltrechts, 1991, S. 176. 5 Eberle Die Verwaltung 17 (1984), S. 439 ff., 442; Köpp, Normvertretende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 130; Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 43 ff.; Kunig DVBl. 1992, S. 1193 ff., 1195; Bohne VerwArch 75 (1984), S. 343 ff., 350; Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 141; Rybak, Rechtsstaat am Verhandlungstisch, 2
I. Echter Gesetzgebungsvertrag und unechter Gesetzgebungsvertrag
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Dies ist im Ergebnis zu verneinen. Die Vertragsparteien haben oftmals bereits Dispositionen getätigt. Darüber hinaus besteht ein aus der Dispositionssicherheit erwachsendes Interesse an einer rechtsverbindlichen Vereinbarung, welches für den beteiligten Hoheitsträger erkennbar ist. Dies muss sich spiegelbildlich darin niederschlagen, dass die Vereinbarung mit Rechtsbindungswillen eingegangen wird. Von den Parteien ist dann eine rechtlich unverbindliche Vereinbarung „mit Sicherheit nicht gewollt“.6 Ein wesentlicher Unterschied zu informalen Verwaltungsabkommen liegt darüber hinaus in der unterschiedlichen Rechtsqualität der übernommenen Leistungspflichten. Während informale Verwaltungsabkommen gegenständlich in der Regel eine Selbstregulierung vorsehen, umfasst der Gesetzgebungsvertrag echte (synallagmatische) Leistungspflichten. Allein das Vorliegen übereinstimmender Erklärungen mit Rechtsbindungswillen muss aber nicht dazu führen, dass eine konsensuale Verständigung rechtswirksame Erfüllungsansprüche begründet. Negative Voraussetzung ist darüber hinaus, dass die Verständigung nicht an einem Wirksamkeitshindernis leidet. Die Absicht der Vertragsparteien, sich vertraglich in einer bestimmten Weise binden zu wollen, beseitigt dabei nicht das tatbestandliche Vorliegen einer gesetzlichen Verbotsnorm oder eines sonstigen Nichtigkeitsgrunds. Zwar wird vereinzelt vertreten, dass auch rechtswidrige Verträge Erfüllungsansprüche begründen könnten. Diese Auffassung wird mit der Zweckidentität der Handlungsformen begründet. Hieraus folge, dass nicht zwischen den Rechtswirkungen informeller bzw. rechtswidriger und formeller bzw. rechtmäßiger Handlungsformen differenziert werden dürfe. Vielmehr müsse, unabhängig von der gewählten Handlungsform, eine Rechtsfolgenidentität bestehen, sodass auch aus informellen bzw. rechtswidrigen Absprachen Erfüllungsansprüche erwachsen könnten. Unabhängig von der Frage, ob überhaupt eine Zweckidentität zwischen einem Gesetzgebungsvertrag auf der einen und Gesetz, Verwaltungsakt oder öffentlichrechtlichem Vertrag auf der anderen Seite angenommen werden kann, gilt selbst bei unterstellter Zweckidentität, dass dies nicht automatisch zur Rechtsfolgenidentität der Handlungsinstrumente führen kann.7 Zunächst lässt sich dieser Auffassung dem Grunde nach entgegnen, dass hierdurch gesetzliche Wirksamkeitserfordernisse, wie etwa ein Schriftformerfordernis oder sonstige Formerfordernisse, bewusst umgangen werden. Bei Nichtvorliegen rechtlicher Voraussetzungen kann der Vertragspartner nicht so gestellt werden, als würden die Wirksamkeitsvoraus-
2007, S. 154 ff. a. A. Frenz NVwZ 2002, S. 561 ff., 562, wonach eine Bindungswirkung dann bestehen soll, wenn die Absprache außerordentlich detailliert ist und die Verpflichtungen der Parteien präzise formuliert sind. Hiergegen spricht allerdings, dass sowohl unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG erhebliche Bedenken gegen ein solches Verständnis bestehen, als auch eine sachlich gerechtfertigte Differenzierung anhand der Detailschärfe einer Vereinbarung wohl kaum möglich ist. 6 Gorny ZLR 1993, S. 283 ff., 291 f. 7 Ausführlich Rybak, Rechtsstaat am Verhandlungstisch, 2007, S. 156 ff.
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D. Rechtsfolgen auf Primär- und Sekundärebene
setzungen vorliegen. In Bezug auf den Gesetzgebungsvertrag in der hier relevanten Gestaltung gilt darüber hinaus im Speziellen, dass die verfassungsrechtlichen Einwände nicht bloß zur Rechtswidrigkeit des Rechtsgeschäfts führen, sondern vielmehr zur Nichtigkeit. Denn die aufgeführten Mängel, insbesondere die (Fremd-) Bindung des Art. 77 Abs. 1 GG, wiegen derart schwer, dass der Verständigung keinerlei Rechtswirkungen zugesprochen werden können. Andernfalls werden Rechtsgüter von Verfassungsrang verletzt. Aus einem nichtigen bzw. verfassungswidrigen Vertragsverhältnis können keinerlei Erfüllungsansprüche erwachsen. Festzuhalten ist demnach, dass aus einem Gesetzgebungsvertrag, in dem die Bundesregierung einem Privatrechtssubjekt den Beschluss oder Nichtbeschluss eines bestimmten Gesetzes verspricht, keine (rechtswirksamen und damit einklagbaren) Erfüllungsansprüche erwachsen. Hieran ändert auch die faktische Bindung der Parteien an die Vereinbarung nichts. Diese ist zunächst nicht als gesichertes Element der Vereinbarung anzunehmen – hiergegen spricht etwa ein Blick auf die Solidarvereinbarung. Die Faktizität der Vereinbarung ist aber nicht gänzlich auszuschließen und tritt insbesondere dann verstärkt hervor, wenn die Vereinbarung mediale Aufmerksamkeit erlangt hat. In diesen Fällen liegt aber allenfalls eine psychologische oder tatsächliche Bindung der Parteien an die Vereinbarung vor, welche streng von einer rechtlichen Bindung zu unterscheiden ist. Eine Gleichsetzung scheidet an dieser Stelle aus. Die faktische Bindung bildet keine ausreichende Grundlage für einen Erfüllungsanspruch.8 2. Sekundärebene: Schadensersatzpflichten Unabhängig von der wirksamen Begründung primärer Leistungspflichten, können den Parteien sekundärrechtliche Ersatzansprüche zustehen.9 Diese können etwa auf den Ausgleich erlittener Schäden oder auf die Rückerstattung bereits erbrachter Leistungen gerichtet sein. a) Schadensersatz statt der Leistung Schadensersatz statt der Leistung kann eine Partei – etwa nach § 62 S. 2 VwVfG analog i. V. m. § 280 Abs. 1, 3, 283 BGB bzw. § 62 S. 2 VwVfG analog i. V. m. § 311a Abs. 2 BGB – dann verlangen, wenn der Vertragspartner eine Leistung
8 Rybak, Rechtsstaat am Verhandlungstisch, 2007, S. 159 f., 161.; Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 83. 9 So etwa § 311a Abs. 1 BGB, dessen Rechtsgedanke auch für das öffentliche Recht Geltung beansprucht. Im Verwaltungsrecht erlangt die Vorschrift etwa über § 62 S. 2 VwVfG Bedeutung für öffentlich-rechtliche Verträge. In Bezug auf einen Gesetzgebungsvertrag kann nichts anderes gelten.
I. Echter Gesetzgebungsvertrag und unechter Gesetzgebungsvertrag
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nicht oder nur teilweise erbringt.10 Der Gläubiger ist so zu stellen, wie er stehen würde, wenn der Schuldner ordnungsgemäß geleistet hätte. Aufgrund dieser Qualität des Schadensersatzanspruchs als fortgesetzter Erfüllungsanspruch, muss ein Schadensersatzanspruch statt der Leistung als möglicher Erstattungsausspruch in der vorliegenden Konstellation ausscheiden. Der primäre Erfüllungsanspruch kann nicht wirksam begründet werden. Infolgedessen muss aber auch der an die Stelle des Erfüllungsanspruch tretende sekundärrechtliche Schadensersatzanspruch abgelehnt werden. Mangels einer wirksamen Begründung eines auf Erfüllung gerichteten Schuldverhältnisses, kann eine Nichterfüllung des Vertrags auch keine Pflichtverletzung darstellen.11 b) Die Haftung nach dem Vertrauensschutzgedanken aa) Die Vorgaben des Grundsatzes des Vertrauensschutzes (1) Allgemeines Rechtsnormen wohnen, neben der Gestaltungs-, Steuerungs-, Streitentscheidungs-, Befriedigungs-, Integrations- und Erziehungsfunktion, im Wesentlichen eine Ordnungs- sowie eine Zuordnungs- und Rechtsgarantiefunktion inne. Die letztgenannten Funktionen schützen individuelle und kollektive Berechtigungen. Als Faktor zur Gewährleistung eines geordneten Zusammenlebens muss die Norm auf Beständigkeit und Dauerhaftigkeit angelegt sein. Denn andernfalls vermag sie als Anknüpfungspunkt für bürgerliche Planungs- und Dispositionsentscheidungen nicht zu überzeugen. Diskontinuierliche Rechtsnormen sind untauglich, einem Rechtssubjekt einen (normativ) gesicherten Handlungsrahmen vorzuzeichnen. Gerade dies gebietet jedoch das Verfassungsrecht. Der Einzelne muss sich – insbesondere im individuellen wirtschaftlichen Wirkbereich – darauf verlassen können, dass die der getätigten Investition zugrundliegenden normativen Rahmenbedingungen nicht ohne Weiteres zu seinen Lasten geändert werden, sodass die Investition hinfällig bzw. entwertet wird.12 Daneben hat der Gesetzgeber aber auch neuen rechtlichen, politischen, gesellschaftlichen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungen Rechnung zu tragen, indem er einen normativen Rahmen anpasst. Eine Rechtsnorm muss daher stets 10 Rybak, Rechtsstaat am Verhandlungstisch, 2007, S. 170, verweist für diesen Fall auf einen möglichen Anspruch aus § 62 S. 2 VwVfG analog i. V. m. § 280 Abs. 1, 3, 281 BGB. Aufgrund der rechtlichen Einwände gegen den Gesetzgebungsvertrag in der hier beschriebenen Form, erscheint eine Anknüpfung an § 311a BGB bzw. § 280 Abs. 1, 3, 283 BGB näherliegend. 11 Rybak, Rechtsstaat am Verhandlungstisch, 2007, S. 170 m. w. N. 12 Vgl. Papier DVBl. 2011, S. 189; Schröder NVwZ 2013, S. 105 ff., 106 sieht hierin bloß eine „standortpolitische Forderung“, die sich nicht zu einem verfassungsrechtlichen Gebot verdichten lässt.
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ein hinreichendes Maß an Aktualität aufweisen. Verliert die Norm ihren Wirklichkeitsbezug, bleiben die begründeten Rechtspositionen dem berechtigten und verpflichteten Rechtssubjekt zwar rechtlich erhalten, sind tatsächlich aber wertlos. Dementsprechend steht das geschriebene Recht stets im Spannungsverhältnis zwischen „Stabilität und Flexibilität“.13 Innerhalb dieses Konflikts ist der Gesetzgeber verpflichtet, den Normbestand zu aktualisieren. Der Gesetzgeber ist in seiner diesbezüglichen Regelungskompetenz grds. frei, d. h. er kann seinen politischen Vorstellungen normative Geltungskraft beimessen. Seine Gestaltungsfreiheit wird einzig durch seine verfassungsrechtlich determinierte Verantwortung aus Art. 20 Abs. 3 GG zur Wahrung der Grundrechte und allgemeiner Verfassungsgrundsätze begrenzt. Daneben ergeben sich formelle Schranken aus den Regelungen über das Gesetzgebungsverfahren. Zu den allgemeinen Verfassungsgrundsätzen gehört auch der Grundsatz des Vertrauensschutzes. Denn das Vertrauen des Bürgers in den Fortbestand des (ordnungsgemäß gesetzten und) geltenden Rechts ist unerlässliche Rechtsstaatsvoraussetzung. Der Staat ist aufgrund der immer größer werdenden Komplexität von Industrie- und Massengesellschaft mehr denn je gefordert, seine Aktivität im sozialen und wirtschaftlichen Bereich auszudehnen. Im Folgenden ist danach zu fragen, ob diese zunehmende Dynamik staatlicher Tätigkeit es rechtfertigt, den Gedanken des Vertrauensschutzes dahingehend auszuweiten, dass dem Staat – spiegelbildlich – auch ein (zu Gunsten des privaten Rechtssubjekts) größeres Haftungsrisiko aufzuerlegen ist. Denn der Grundgedanke rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes ist die Mäßigung staatlicher Machtausübung durch Selbstbindung.14 (2) Rechtsgrundlage und Voraussetzungen des Vertrauensschutzes Die normative Grundlage des Grundsatzes des Vertrauensschutzes ist nicht eindeutig geklärt. Das Bundesverfassungsgericht rekurriert teils auf den Grundsatz der Rechtssicherheit, welcher seinerseits aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) hergeleitet wird.15 In seiner Judikatur verweist es daneben darauf, dass der Grundsatz des Vertrauensschutzes direkt im Rechtsstaatsprinzip verwurzelt sei.16 In der Literatur wurde demgegenüber die Ansicht vertreten, dass Vertrauensschutz eine Ausprägung der Grundrechte sei. Werde der Bürger durch 13
Maurer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band 4, 2006, § 79 Rn 1. Vgl. Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, 1989, S. 98. 15 Vgl. BVerfGE 14, 288, 297 f.; 25, 371, 403 f.; 30, 367, 385 f.; 31, 222, 225 f.; 45, 142, 174; 63, 152, 175. 16 In diesen Entscheidungen wird die Rechtssicherheit als Bindeglied der „Ableitungskette“ entweder überhaupt nicht erwähnt (vgl. BVerfGE 63, 312, 328; 87, 48, 61) oder in ein Horizontalverhältnis zum Vertrauensschutz gesetzt (vgl. BVerfGE 22, 241, 248; 30, 392, 401; 39, 128, 143; 87, 48, 63; 94, 241, 259; 101, 239, 262), ausführlich hierzu Maurer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band 4, 2006, § 79 Rn 35. 14
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staatliche Verhaltensweisen, insbesondere durch Gesetze in seinen grundrechtlich geschützten Positionen verletzt, so sei eine Verletzung des Vertrauensschutzgrundsatzes an den betroffenen Grundrechten zu messen.17 Dem hat sich in der Folgezeit auch das Bundesverfassungsgericht unter Verweis darauf, dass die Grundrechte eine spezielle Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips seien, angeschlossen.18 Sofern beispielsweise in eine vermögenswerte Rechtsposition eingegriffen wird, ist der Vertrauensschutz integraler Bestandteil der Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 GG.19 Er steht neben dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.20 Seine Einhaltung prüft das Bundesverfassungsgericht als Unterpunkt der Verfassungskonformität einer Inhalts- und Schrankenbestimmung.21 Im Bereich neuer berufsregelnder Tendenzen findet der Vertrauensschutz eine konkretisierte Ausprägung in Art. 12 Abs. 1 GG22, wobei er dogmatisch eine Schranken-Schranke darstellt, welche die Berufsausübungsfreiheit konkretisiert.23 Daneben bewirkt Art. 2 Abs. 1 GG einen generellen Vertrauensschutz.24 Die Qualität des Vertrauensschutzes ist jedoch unabhängig von der dogmatischen Anbindung, sodass es vorliegend keiner letztverbindlichen Aussage hinsichtlich der Rechtsgrundlage bedarf.25 Der Grundsatz des Vertrauensschutzes intendiert den Schutz des tatsächlichen Vertrauens des Bürgers auf den Bestand und den Fortbestand staatlicher Entscheidungen und sonstigen staatlichen Verhaltens. Der Bürger kann sich zu seinem Schutz auf diesen Grundsatz berufen, „wenn der Staat zu Lasten des Bürgers von seinen bisherigen Entscheidungen oder seiner bisherigen Linie abweichen will“.26 Damit der Bürger den Grundsatz wirksam gegen staatliches Handeln ins Feld führen kann, bedarf es des kumulativen Vorliegens dreier Tatbestandsmerkmale. Zunächst ist eine vom Staat geschaffene oder von ihm gebilligte Vertrauensgrundlage notwendig. Aufgrund dieser Vertrauensgrundlage muss der Bürger sodann 17
So bereits Meyer-Cording JZ 1952, S. 161 ff., 164 ff.; Giese DÖV 1954, S. 321; Coing BB 1954, S. 137 ff., 139 f.; Schmidt JuS 1973, S. 529 ff., 532. 18 BVerfGE 36, 281, 293; 72, 200, 242 f.; 76, 220, 244 f.; 97, 271, 285, 288; 105, 17, 30 ff. 19 Blanke bezeichnet Art. 14 GG in diesem Zusammenhang sogar als herausragenden „verfassungsrechtlichen Anker des Vertrauensschutzes“, vgl. ders., Vertrauensschutz im deutschen und europäischen Verwaltungsrecht, 2000, S. 110. 20 Vgl. Maurer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band 4, 2006, § 79 Rn 68; a. A. Papier, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 2014, Art. 14 Rn 327, wonach der Vertrauensschutz in Art. 14 Abs. 1 GG als eigenständiges Rückwirkungsverbot verankert sei, nicht als integraler Bestandteil. 21 Vgl. BVerfG NVwZ 2010, 771, 775 f. 22 BVerfGE 64, 72, 83 f.; 68, 272, 284; 75, 246, 279; 118, 1, 19. 23 Maurer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band 4, 2006, § 79 Rn 70. 24 Vgl. Schwarz, Vertrauensschutz als Verfassungsprinzip, 2002, S. 232 ff., der in Art. 2 Abs. 1 GG einen gegenüber den Grundrechten subsidiären, generellen Vertrauensschutz durch die allgemeine Handlungsfreiheit sieht. 25 Herdegen WM 2005, S. 1921 ff., 1931; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 11. Aufl., 2011, Art. 14 Rn 47 sowie Art. 20 Rn 75; a. A. Appel DVBl. 2005, S. 340 ff., 345; Schröder NVwZ 2013, S. 105 ff., 107: „Angesichts dieser identischen Maßstäbe ergeben sich für den Gesetzgeber, an den die Verfassungsgebote primär adressiert sind, kaum Unterschiede – lediglich die ‚Quelle‘ des Vertrauensschutzgebots ist eine andere. 26 Maurer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band 4, 2006, § 79 Rn 13 m. w. N.
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ein schutzwürdiges Vertrauensverhalten ausüben, bevor das Vertrauen des Bürgers durch eine Abweichung des Staates von der zuvor erzeugten Vertrauensgrundlage enttäuscht wird.27 Das Vertrauen ist Causa für die entsprechende Disposition. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes wendet sich nun gegen die „Kursänderung“ des Staatsorgans, wobei ausnahmsweise Gründe des öffentlichen Interesses den Vertrauensschutz des Bürgers überlagern können.28 (3) Vorab: der Grundsatz des Vertrauensschutzes als subjektiviertes Institut Vertrauen ist eine Grundbedingung freiheitlich demokratischer Ordnung. Denn diese Ordnung erfordert hinsichtlich ihres Bestands ein Mindestmaß an Akzeptanz bei dem betroffenen Staatsvolk.29 Andernfalls würde sich das Staatsvolk der Ordnung widersetzen. Eine Billigung und Befolgung durch die Mehrheit der Bürger erfolgt nur, wenn die im Rahmen der freiheitlich demokratischen Ordnung ausgeübten Interessen auch rechtsstaatlichem Schutz unterfallen. Vereinfacht lässt sich dieser wechselseitige Bezug so formulieren: Der Bürger schützt den Bestand der verfassungsrechtlich determinierten freiheitlich demokratischen Ordnung nur solange, wie selbige Ordnung ihn schützt. Geschützt wird aber nur, was von der freiheitlich demokratischen Ordnung – unter deren Billigung der Bürger agiert – als schützenswert anerkannt wird. Dem Grundsatz des Vertrauensschutzes kommt insoweit letztlich eine Sicherungsfunktion zu. Grundsätzlich stellt der Grundsatz des Vertrauensschutzes auf die Sicht des Bürgers ab.30 Entscheidend für die Aktivierung des Vertrauensschutzes („ob“) ist, dass der Bürger einer staatlichen Verhaltensweise tatsächlich Vertrauen entgegengebracht hat. Auch der Umfang des Vertrauensschutzes bemisst sich maßgeblich nach dem Umfang des tatsächlichen Vertrauens des vertrauenden Rechtssubjekts. Es handelt sich bei dem Grundsatz des Vertrauensschutzes somit um ein subjektiv geprägtes Rechtsinstitut. Art und Inhalt des Grundsatzes des Vertrauensschutzes hängen zuvorderst von der Person des Vertrauenden, d. h. konkret dessen Kenntnissen, Absichten und Handlungen ab.
27 Weber-Dürler, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht, 1983, S. 104; Schwarz, Vertrauens schutz als Verfassungsprinzip, 2002, S. 295 ff.; Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, 1989, S. 80; Mainka, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht, 1963, S. 31 ff.; BVerwGE 68, 159, 164 f. 28 Maurer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band 4, 2006, § 79 Rn 13. 29 Vgl. Maurer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band 4, 2006, § 79 Rn 11. 30 Vgl. Maurer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band 4, 2006, § 79 Rn 4.
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(4) Der Gesetzgebungsvertrag als Anknüpfungspunkt des Vertrauensschutzes Entscheidend für die Schutzwürdigkeit tatsächlich aufgewendeten Vertrauens ist grds., dass der Vertrauensbetätigung ein Rechtsakt zugrunde liegt. In Betracht kommen an dieser Stelle in der Regel Gesetze31, Verordnungen, Satzungen, Verwaltungsakte, Verwaltungsverträge, völkerrechtliche Verträge und Gerichtsentscheidungen. Entscheidendes Kriterium für die Qualifikation einer staatlichen Verhaltensweise als taugliche Vertrauensgrundlage ist, dass die Handlung auf die Setzung einer Rechtsfolge abzielt. Die Anforderung, dass für die Anerkennung schutzwürdigen Vertrauens nur diejenigen staatlichen Verhaltensweisen in Betracht kommen, die auf die Setzung einer Rechtsfolge abzielen, ist vor dem Hintergrund sinnvoll, als dass für den Fall, in dem schlicht jedes staatliche Handeln eine taugliche Grundlage für die Entstehung schutzwürdigen Vertrauens darstellte, die staatliche Einstandspflicht ausufern würde. Zudem wäre nicht hinreichend klar, wann eine taugliche Vertrauensgrundlage entstünde. Das Erfordernis der Erzeugung einer Rechtsfolge stellt vor diesem Hintergrund eine taugliche Zäsur zwischen vertrauensstiftendem und nicht-vertrauensstiftendem staatlichen Verhalten dar. Eine taugliche Vertrauensgrundlage entsteht nach alledem bislang einzig dann, wenn das staatliche Verhalten die Schwelle zur rechtlichen Verbindlichkeit überschritten hat. In der Regel ist dies durch einen formellen Anerkennungsakt bzw. „Transformationsakt“ gekennzeichnet.32 In der Folge ist nun zu untersuchen, ob bürgerliches Vertrauen in staatliche Verhaltensweisen nicht bereits vor einer „Verrechtlichung“ im o.g. Sinne in schutzwürdiger Weise entstehen kann. Denn prinzipiell ist sämtliches staatliches Verhalten einer Verlässlichkeit zugänglich, d. h. dazu geeignet, Erwartungen und Dispositionen zu veranlassen. Dies gilt insbesondere aufgrund der starken subjektiven Prägung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes. Die Ausgangsfrage skizziert sich mithin wie folgt: Ist der Kreis derjenigen staatlichen Verhaltensweisen, die schutzwürdiges Vertrauen auslösen können, derart auszuweiten, dass bereits die staatliche Verhaltensweise als solche (konkret: der Vertragsschluss) genügt, ohne dass es einer „Verrechtlichung“ durch die formellen Bahnen des Verfassungs- und einfachen Gesetzesrechts bedarf?
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Hierzu ausführlich Schwarz, Vertrauensschutz als Verfassungsprinzip, 2002, S. 296 ff. Einen solchen formellen Anerkennungs- bzw. Transformationsakt stellt beispielsweise das Gesetzgebungsverfahren nach den Art. 76 ff. GG dar. Das materielle Gesetz bedarf zu seiner Wirksamkeit eines formellen Verfahrens, welches die Gewährleistung verfassungsrechtlich geschützter Belange absichert und so Vertrauen in die Rechtsbeständigkeit zulässt. 32
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(a) Die Vertrauensgrundlage In verfassungsrechtlich relevante Erheblichkeit erwächst das Vertrauen des Bürgers nur, wenn es durch eine staatliche Verhaltensweise, die sog. Vertrauensgrundlage erregt wurde.33 Eine staatlicherseits geschaffene Vertrauensgrundlage kann eine bestimmte (schutzwürdige) Erwartungshaltung beim Bürger begründen.34 Aber nicht jede staatliche Verhaltensweise ist zugleich auch taugliche Grundlage für derartige Erwartungshaltungen. Die Verfassung schützt grds. nur dasjenige Vertrauen, welches sich aufgrund einer rechtlich relevanten (oder erheblichen) Verhaltensweise des Staates gebildet hat. Ein allgemeiner, sämtliches Staatsverhalten umfassender Vertrauensschutz wird von der Rechtsordnung nicht anerkannt.35 Dies würde die Zahl der vertrauensstiftenden Staatshandlungen unzumutbar erweitern und der demokratischen Dynamik entgegenstehen.36 Den Regelfall einer erheblichen Vertrauensgrundlage stellt das einfache Gesetz dar.37 Das Gesetz legt die Regeln für die Verhaltensweise des wirtschaftenden Menschen in der Gemeinschaft fest. Es statuiert eine Rechtslage, an deren Bestand der Einzelne sich orientieren kann, soll oder muss. Als Produkt eines förmlichen Verfahrens rührt es von einem dazu ermächtigten staatlichen Organ und mithin von dem Staatsvolk selbst her. Das Gesetz erzeugt als Handlungsinstrument der Staatsgewalt eine verbindliche Erwartungshaltung beim Adressaten auf seine Rechtsbeständigkeit. Die Gewähr hierfür übernimmt das formalisierte Gesetzgebungsverfahren. Diese Rechtsbeständigkeit führt zur Rechtserheblichkeit des Gesetzes und verleiht ihm die Eigenschaft einer tauglichen Vertrauensgrundlage. Die bloße Existenz eines Gesetzes allein genügt jedoch nicht für die Tauglichkeit zur Begründung von Vertrauensschutz. Gesetze stehen unter dem Vorbehalt einer späteren Änderung. Zukünftige Legislaturperioden müssen zur Wahrung einer flexiblen, an den Bedürfnissen und Besonderheiten gesellschaftlicher Veränderungen ausgerichteten Rechtsordnung ihrem Gestaltungsauftrag nachkommen können.38 33 Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, 1989, S. 80; Weber-Dürler, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht, 1983, S. 79 ff.; Mainka, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht, Bonner rechtswissenschaftliche Abhandlungen Bd. 58, S. 31. 34 Weber-Dürler, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht, 1983, S. 8. Burmeister spricht insoweit auch von dem Gesetzgeber als „Vertrauenszweckveranlasser“, in ders, Vertrauensschutz im Rechtsstaat – Grundlagen und Grenzen bürgerlichen Dispositionsschutzes bei Änderungen des Staatshandelns, in: Studien zum Öffentlichen Recht und zur Verwaltungslehre, Band 13, S. 158, 250 f. Denn der Gesetzgeber wird oftmals mit dem Ziel tätig, den Bürger zu einer bestimmten Disposition (nicht) zu veranlassen. 35 Vgl. Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, S. 80, der die Vertrauensgrundlage definiert als „das Verhalten eines staatlichen Organs, das bestimmte Erwartungen des Einzelnen, die sich gerade auf dieses Verhalten beziehen, auslöst“. 36 Leisner, Kontinuität als Verfassungsprinzip, 2002, S. 378. 37 Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, 1989, S. 81. 38 Vgl. auch Schwarz, Vertrauensschutz als Verfassungsprinzip, 2002, S. 296 f.
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Über die Handlungsform des Gesetzes hinaus kann der Staat grundsätzlich mit jeder rechtsverbindlichen Verhaltensweise Vertrauen beim Bürger schaffen. Immer dann, wenn der Staat gezielt das Vertrauen der Bürger gewinnen möchte, um eine bestimmte Disposition zu veranlassen, lässt sich von der Schaffung einer Vertrauensgrundlage sprechen. In – nicht unbestrittenen – Ausnahmefällen kann aber auch unwirksames Staatshandeln eine taugliche Vertrauensgrundlage darstellen. Dies wird von der Rechtsprechung zwar abgelehnt. Nichtige und damit nicht existente Normen seien nicht dazu in der Lage, schutzwürdiges Vertrauen zu erzeugen. Denn verfassungswidrige Normen seien eo ipso nichtig. Die Feststellung des Bundesverfassungsgerichts wirke ex tunc.39 Der auf eine nichtige Norm Vertrauende sei deshalb nicht schutzwürdig.40 Er ist so zu behandeln, als habe es die Norm nicht gegeben. Hiergegen wird in der Literatur jedoch eingewandt, dass die Beteiligten unter schwerlich ertragbaren Unsicherheiten litten, solange das Bundesverfassungsgericht nicht über die Verfassungsmäßigkeit der Norm entschieden habe.41 Die Nichtigkeit einer Norm stehe erst dann unstreitig und verbindlich fest, wenn die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vorliege. Bis dahin sei die Norm „nicht von einer verfassungsgemäßen Vorschrift zu unterscheiden“.42 Insoweit erzeuge auch eine nichtige Norm für den Bürger einen Rechtsschein, der taugliche Vertrauensgrundlage sein könne.43 Letztlich sei das auf eine verfassungswidrige und damit nichtige Norm gegründete Vertrauen „a priori nicht weniger wert, als das auf einem gültigen Gesetz beruhende Vertrauen“.44 Fraglich ist, ob diese Überlegung auch auf den Gesetzgebungsvertrag übertragen werden kann. Auch dieser ist aufgrund des Verstoßes gegen höherrangiges Verfassungsrecht in dem Fall nichtig, in dem die Bundesregierung ein bestimmtes 39
BVerfGE 7, 3777, 387; 8, 51, 71; 14, 174, 190; 21, 292, 305; 29, 11, 17. Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, 1989, S. 86; Schwarz, Vertrauensschutz als Verfassungsprinzip, 2002, S. 297; a. A. ist das Bundesverfassungsgericht, wonach das Vertrauen in eine nichtige Norm keinen Schutz verdiene, vgl. BVerfGE 19, 187; 197; 13, 261, 272. Die Frage der Schutzwürdigkeit ist aber losgelöst von der Frage der Tauglichkeit als Vertrauensgrundlage zu bewerten. Dagegen auch BGHZ 84, 292, 297, wonach eine nichtige Norm als nicht existent zu behandeln sei und deshalb nicht in der Lage sei, einen hinreichenden Vertrauenstatbestand zu erzeugen; krit. Iliopoulos-Strangas, Rückwirkung und Sofortwirkung von Gesetzen, 1986, S. 84; von Aschke, Übergangsregelungen als verfassungsrechtliches Problem, 1987, S. 271 f. 41 Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, 1989, S. 87 m. w. N.; Gerontas DVBl. 1982, S. 486 ff., 488. 42 Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, 1989, S. 87. 43 Weber-Dürler, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht, 1983, S. 79; Burmeister, Vertrauensschutz im Rechtsstaat – Grundlagen und Grenzen bürgerlichen Dispositionsschutzes bei Änderungen des Staatshandelns, in: Studien zum Öffentlichen Recht und zur Verwaltungslehre, Band 13, S. 52 dort Fußnote 138. 44 Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, 1989, S. 88. 40
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Verhalten des Gesetzgebers (Beschluss oder Nichtbeschluss eines bestimmten Gesetzes) verspricht. Der Vertrag besteht nicht rechtlich, wohl aber faktisch fort. Beiden Fällen ist somit gemeinsam, dass eine staatliche Verhaltensweise gegenüber dem Bürger im normativen Bereich nichtig ist, der Bürger in die Wirksamkeit der Verhaltensweise aber tatsächlich vertraut bzw. vertrauen kann. Eine vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärte Norm gilt als ex-tunc unwirksam. Anknüpfungspunkt eines rechtlich relevanten Vertrauensschutzes ist der von der Norm tatsächlich (d. h. faktisch) ausgegangene Rechtsschein.45 Er stellt die Vertrauensgrundlage dar. Ein Rechtsschein wird regelmäßig dann geschaffen, wenn die rechtliche und die tatsächliche Wirklichkeit auseinanderfallen und jemand berechtigt auf eine nicht vorhandene Rechtslage vertraut hat. Der tatsächlichen Wirklichkeit wird mithin eine privilegierte Wirkung dergestalt beigemessen, als ob sie der rechtlichen Wirklichkeit entsprechen würde. Eine Übertragung muss jedoch abgelehnt werden. Der wesentliche Unterschied zwischen dem Gesetzgebungsvertrag und einer verfassungswidrigen Norm besteht in der vorangegangenen Legitimation durch das Gesetzgebungsverfahren. Dieses verleiht der verfassungswidrigen Norm die Tauglichkeit bzw. „rechtliche“ Erheblichkeit, eine Vertrauensgrundlage darzustellen, die dem Bürger Vertrauensschutz vermitteln kann. Ein solches Verfahren liegt dem Zustandekommen des Gesetzgebungsvertrags nicht zu Grunde. Er ist das Produkt eines privatautonomen Gestaltungsvorgangs. Das Vertrauen in einen verbindlichen Rechtsakt ist nicht mit dem Vertrauen in eine Willensübereinkunft vergleichbar. Der Hoheitsakt unterliegt hinsichtlich Entstehung, Bestand und Aufhebung strengeren Anforderungen als eine bloße Willensübereinkunft. Gleichbedeutend ist lediglich die inhaltliche Zweckdienlichkeit. Allein aus der Übereinstimmung der Zweckdienlichkeit heraus kann aber keine Gleichstellung gefolgert werden.46 Dennoch könnte der Gesetzgebungsvertrag eine taugliche Vertrauensgrundlage darstellen. Zu der nicht abschließenden Weite der in Betracht kommenden Rechtsakte, die eine entsprechende Vertrauensgrundlage bilden können, hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt: „Von Vertrauen zum Gesetzgeber kann allerdings im weitesten Sinne schon dann gesprochen werden, wenn ein Staatsbürger mit gu 45 Zu den Besonderheiten und Anforderungen an das tatsächliche Vertrauen des Bürgers auf den Bestand verfassungswidriger Normen (Gutgläubigkeit) vgl. Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, 1989, S. 92. 46 Ähnlich aber zu weitgehend Renck NJW 1970, S. 737 ff., 740. Vertraue der Bürger nicht in ein Gesetz, sondern stattdessen in eine Willensübereinkunft, vertraue er nicht, sondern riskiere er. Sofern er über die Verfügbarkeit irre, sei nicht einzusehen, warum ihm nicht der Irrtum des Staates angelastet werden könne. Für diese vollständige Verlagerung des Risikos in die Sphäre des Bürgers fehlt es aber in den Fällen des Gesetzgebungsvertrags an einem sachlichen Grund. Denn bei gleichwertigen Erwartungen der Vertragsparteien hinsichtlich Inhalt, Umfang und Bestand einer Willensübereinkunft, kann nur in Ausnahmefällen einer Partei das Risiko der Wirksamkeit auferlegt werden – so etwa wenn die andere Partei schutzwürdiger ist (z. B. im Falle der Minderjährigkeit eines Vertragspartners im Zivilrecht).
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ten Gründen die Erwartung hegen darf, der Gesetzgeber werde sich in einer bestimmten Weise verhalten.“47 Die Vertrauensgrundlage muss mithin aus guten Gründen die Erwartung in ein bestimmtes gesetzgeberisches Verhalten rechtfertigen. Nicht nur der endgültige Gesetzesbeschluss des Bundestages kann daher Vertrauensgrundlage sein. So ergibt sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass bereits bloße Ankündigungen oder ein sonstiges Bekanntwerden eines Gesetzgebungsvorhabens dazu führen können, dass das Vertrauen in den Fortbestand einer bisher geltenden Rechtslage nicht mehr schutzwürdig ist.48 Um einer bestehenden Gesetzesgrundlage die Eigenschaft als hinreichende Vertrauensgrundlage für entsprechende Dispositionen zu nehmen, genügen im Einzelfall bloße Ankündigungen einer Gesetzesänderung.49 Die Ankündigung einer sich ändernder Rechtslage kann somit die vertrauensbegründende Wirkung einer bestehenden Gesetzeslage zerstören. Im Sinne eines argumentum e contrario bedeutet dies, dass solche Ankündigungen aber auch eine Vertrauensgrundlage (1. Stufe) schaffen können im Hinblick auf den künftigen Rechtszustand, den sie selbst einleiten. Dies heißt nicht, dass bereits jede Ankündigung einer Gesetzesänderung für sich genügt, um ein rechtsstaatlich schutzwürdiges Vertrauen (3. Stufe) zu begründen. Aus Gesagtem folgt lediglich, dass eine taugliche Vertrauensgrundlage als Anknüpfungspunkt für rechtsstaatlich schutzwürdiges Vertrauen vorliegt.50 47
BVerfGE 15, 313, 324. So zum rechtsstaatlichen Verbot der unechten Rückwirkung BVerfGE 95, 64, 88 f.; zur echten Rückwirkung BVerfGE 97, 67, 81 ff.; ferner BVerfG NVwZ 2009, 1025, 1029; BVerfG NVwZ 2007, 1168, 1170; BVerfG NVwZ-RR 2011, 378, 379. 49 Hierfür kommen neben Gesetzesinitiativen oder Formulierungshilfen der Ministerien für entsprechende Gesetzesvorhaben auch sonstige Ankündigungen in Betracht. Entsprechende Ankündigungen einer Gesetzesänderung können – wie das BVerfG in zwei jüngeren Kammerbeschlüssen angemerkt hat –, „im Koalitionsvertrag“ einer sich neu bildenden Bundesregierung enthalten sein, vgl. BVerfG NVwZ 2007, 1168, 1170 und BVerfG NVwZ-RR 2011, 378, 379. Diese weitreichende Berücksichtigung des Inhalts von Koalitionsabsprachen für die Beurteilung schutzwürdigen Vertrauens in eine Rechtsentwicklung ist insoweit konsequent, als Koalitionsverträge eine „Erscheinungsform der unerlässlichen politischen Willensbildungsprozesse [sind], die den verfassungsrechtlich normierten Entscheidungsbefugnissen vorausliegen und ihre Grundlage darstellen“, so Hermes, in: Dreier (Hrsg.), GG, Band 2, 2. Aufl., 2006, Art. 63 Rn 14. Koalitionsvereinbarungen zeichnen regelmäßig zentrale gesetzgeberische Vorhaben vor, die in einer Legislaturperiode durch die Regierungskoalition umgesetzt und verwirklicht werden. 50 Die Frage der Schutzwürdigkeit ist hiervon getrennt zu bewerten. Für die Schutzwürdigkeit einer auf einer solchen Vertrauensgrundlage getätigten Disposition (als Ausdruck einer Vertrauensbetätigung (2. Stufe)) kann es jedoch genügen, dass die rechtlich noch unsichere Vertrauensgrundlage im Nachhinein zu einer rechtssicheren Position erstarkt. Die Disposition wächst dann in die Schutzwürdigkeit hinein. Die Ankündigung einer Gesetzesänderung ist somit eine taugliche Vertrauensgrundlage. Wird diese Ankündigung nicht Gesetz, ist die Disposition (in der Regel eine Investition, dann lässt sich von einer „Vertrauensinvestition“ sprechen) hinfällig und nicht vom rechtsstaatlichen Vertrauensschutz umfasst. Kommt es jedoch zum Erlass eines entsprechenden Gesetzes, ist von einem „Hineinwachsen“ der Vertrauensbetätigung in eine die Schutzwürdigkeit begründende tatsächliche Rechtslage zu sprechen. Die aufgrund 48
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D. Rechtsfolgen auf Primär- und Sekundärebene
Diese Ausführungen lassen sich auf den Gesetzgebungsvertrag übertragen. Dieser ist einer Ankündigung mindestens gleichzusetzen. Dies folgt aus einem Vergleich der Bindungswirkungen. Auch der Koalitionsvertrag stellt eine Ankündigung in o. g. Sinne dar. Koalitionsverträge entfalten nach h. M. keine rechtliche Verbindlichkeit. Ein solcher Bindungswille ist den Koalitionspartnern regelmäßig nicht zu entnehmen. Die Koalitionsvereinbarung zielt nicht auf eine rechtliche, gerichtlich einklagbare, sondern vielmehr auf eine politische Bindung ab. Die gemeinsamen Interessen der Koalitionspartner erzeugen eine „faktisch-politische Bindungskraft“.51 Einer solchen Bindungswirkung unterliegen auch Gesetzgebungsverträge. Dies erkennt auch das Bundesverfassungsgericht in Bezug auf die „Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Energieversorgungsunternehmen“ vom 14. Juni 2000/11. Juni 2001 an, indem es hierin eine „politisch übliche Absichtserklärung“ ohne rechtliche Bindungswirkung erblickte.52 Dem Gesetzgebungsvertrag wohnt darüber hinaus regelmäßig ein gesteigertes subjektives Element inne, welches verstärkend für die Anerkennung einer Vertrauensgrundlage streitet. Denn dieser stellt ein mehrseitiges Rechtsgeschäft dar. Im Unterschied zur einseitig erfolgenden Ankündigung, gelten bei der Beteiligung mehrerer Rechtssubjekte gesteigerte Einwirkungsmöglichkeiten auf Rechte und Interessen der jeweiligen Gegenseite. Diese bedürfen als Kehrseite einer Wahrung im Rahmen des Vertrauensschutzes. (b) Vertrauen und Vertrauensbetätigung Nach h. M. erfordert die Berufung auf den rechtsstaatlichen Vertrauensschutz, dass der Bürger in Kenntnis der Vertrauensgrundlage eine Vertrauensbetätigung vornimmt. Das Erfordernis dient der Restriktion des Vertrauensschutzgedankens.
einer zunächst noch unsicheren Grundlage der Gesetzesankündigung getätigte Investition erstarkt zur vollumfänglich schutzwürdigen Vertrauensdisposition. Eine vergleichbare Konstellation lag OVG Hamburg NVwZ 1988, 73 ff., zugrunde. Der Leitsatz der Entscheidung lautet: „Ergeht ein zunächst nur mündlich angekündigter Verwaltungsakt in der angekündigten Form, kann ein Verbrauch der zugewendeten Mittel im Vertrauen auf den Bestand des Verwaltungsaktes auch dann vorliegen, wenn der Begünstigte den erwarteten Betrag schon aufgrund der mündlichen Erklärung und im Vorgriff auf den Verwaltungsakt zum Kauf von Gegenständen einsetzt, die er ohne die erwarteten Zuwendungen nicht erworben hätte.“ Das Gericht erkannte in dieser Entscheidung ausdrücklich an, dass das Vertrauen auf den Bestand eines lediglich angekündigten Rechtsakts (in diesem Fall eines Verwaltungsakts) sich auch auf den eigentlichen Rechtsakt selbst erstreckt, wenn dieser letztlich in der angekündigten Form ergeht. 51 Vgl. Maurer, Staatsrecht I, 6. Aufl., 2010, § 14 Rn 29. 52 BVerfGE 104, 249, 268. Auch die Literatur nimmt lediglich eine faktisch-politische, keine rechtliche Bindungswirkung an, vgl. Herdegen VVDStRL 62 (2003), S. 7 ff., 15 ff.; Morlock VVDStRL 62 (2003), S. 39 ff., 58 ff.; Kirchhof, in: FS Badura, 2004, S. 237 ff., 257 ff.; Ruffert DVBl. 2002, S. 1145 ff., 1150 ff.; Schorkopf NVwZ 2000, S. 1111 ff., 1112 ff.; Kloepfer DVBl. 2007, S. 1189 ff., 1191 f.; Kloepfer/Bruch JZ 2011, S. 377 ff., 380 ff.; Waldhoff/von Aswege ZNER 2010, S. 328 ff., 339 ff.; dies., Kernenergie als „goldene Brücke“?, 2010, S. 62 ff.
I. Echter Gesetzgebungsvertrag und unechter Gesetzgebungsvertrag
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Es soll verhindern, dass die Entscheidungsfreiheit eines Hoheitsträgers übermäßig eingeschränkt wird. Ein Verzicht auf dieses Merkmal würde dem Vertrauens schutzgedanken seines subjektiven Moments entkleiden, welcher aber gerade wesentliches Merkmal des Vertrauensschutzes ist. Die Kenntnis des Bürgers von der Vertrauensgrundlage ist zweifellos anzunehmen, wenn es sich um eine an eine bestimmte Person gerichtete Vertrauensgrundlage handelt. Dies ist etwa bei einer behördlichen Zusage (§ 37 VwVfG) der Fall, welche individuell ein bestimmtes Rechtssubjekt adressiert. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für eine Kenntnis des privaten Rechtssubjekts kann mithin der individuelle Kontakt zwischen Behörde und Bürger sein. Schwierig ist der Nachweis der Kenntnis der Vertrauensgrundlage regelmäßig dann, wenn die Vertrauensgrundlage keine konkret-individuelle, sondern eine abstrakt-generelle Regelung darstellt. Hier stellt sich die Frage, ob der Einzelne die Vertrauensgrundlage tatsächlich zur Kenntnis genommen hat, seine Disposition folglich aufgrund der staatlichen Verhaltensweise veranlasst wird. An dieser Stelle ist mit der h. M. zunächst festzuhalten, dass eine staatliche Verhaltensweise lediglich mit-ursächlich für eine Disposition gewesen sein muss. Der für die Bewertung der Kenntnis des Bürgers maßgebliche Zeitpunkt muss der Disposition aber stets vorgelagert ein. Würde hinsichtlich des Zeitpunkts der Kenntniserlangung auf einen Zeitpunkt nach der Vertrauensbetätigung abgestellt, so träte das paradoxe Ergebnis ein, dass das Vertrauen des Einzelnen in die Fortgeltung eines bestimmten Gesetzes erst nach dem Zeitpunkt entstünde, in dem es enttäuscht wurde.53 Deshalb ist der für die Bewertung der Kenntnis erhebliche Zeitpunkt stets im Vorfeld der Vertrauensbetätigung zu suchen. Die Disposition muss eben „aufgrund“ der Vertrauensgrundlage erfolgen. Diesem Kausalzusammenhang ist ein Wissenselement immanent. Der Gesetzgebungsvertrag als maßgebliche Vertrauensgrundlage ist in diesem Zusammenhang ausdrücklich weder der Kategorie der abstrakt-generellen, noch der konkret-individuellen Regelungen zuzuordnen. Ihm wohnen vielmehr Elemente beider Regelungsinstrumente inne. Der Gesetzgebungsvertrag steht dem Bereich der Legislativakte dabei näher, als demjenigen der Exekutivakte. Denn er ist Grundlage eines Gesetzgebungsverfahrens („funktionaler Zusammenhang“) – nicht eines Exekutivakts. Ähnlich wie bei einem Exekutivakt bereitet die Annahme, dass das Privatrechtssubjekt in Kenntnis der Vertrauensgrundlage disponiert, aber auch bei einem Gesetzgebungsvertrag als maßgeblicher Vertrauensgrundlage in der Regel keine Schwierigkeiten. Denn es handelt sich um eine Vereinbarung „inter partes“. Der Staat tritt in individuellen Kontakt mit dem privaten Rechtssubjekt. Das Rechtssubjekt ist von der Vereinbarung – ähnlich wie der Adressat einer behördlichen Zusage i. S. d. § 37 VwVfG – individuell und tatsächlich betroffen. Entscheidend ist dabei nicht die rechtliche Qualität der hoheitlichen Maßnahme. Maßgeblich sind einzig tatsächliche Umstände. Von der Kenntnis der 53 Vgl. Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, 1989, S. 91.
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Vertrauensgrundlage ist demnach regelmäßig auszugehen, da der Bürger Partizipant und (Mit-)Begründer der Vertrauensgrundlage ist. Nach Ansicht des BVerfG setzt rechtsstaatlicher Vertrauensschutz darüber hinaus eine konkrete Vertrauensbetätigung des Bürgers voraus.54 Als „Rechtsinstitut zum Zwecke des Dispositionsschutzes“55 soll der Bürger nur in den Genuss des Vertrauensschutzes kommen, wenn er auf Grund der Vertrauensgrundlage eine entsprechende Disposition getätigt hat. Insoweit gewinnt Vertrauen nur dann an rechtlich relevanter Bedeutung, wenn es eine „nach außen getretene Manifestation“56 erfahren hat und somit „ins Werk gesetzt wurde“.57 Die bloß innerliche, subjektive Enttäuschung kann nicht als Bezugspunkt rechtsstaatlich geschützter Vertrauensdispositionen herangezogen werden.58 Denn die Verfassung schützt nur betätigtes Vertrauen, d. h. Investitionen, „die zur Erlangung einer Rechtsposition geführt haben“.59 Begründet wird dies damit, dass der von dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutz intendierte Schutz bürgerlicher Interessen erst dann eine schutzwürdige bzw. erhebliche „Aktualisierung“ erfahre, wenn diese durch eine Rechtsposition Ausdruck gefunden habe. Die Interessenwahrung des Betroffenen könne dort nicht stattfinden, wo eine Interessenverletzung nicht stattgefunden habe.60 Die Argumentation stützt sich maßgeblich auf folgenden Gedanken: Das Grundgesetz verbürgt mit den Grundrechten schützenswerte Rechtspositionen des Rechtssubjekts. Diese dürfen nur in Ausnahmefällen verletzt werden. Eine Verletzung erfolgt zumeist durch einen Eingriff. Zweck der Grundrechte ist es somit, den Bürger vor staatlichen Eingriffen in seine grundgesetzlich verbürgten Rechtspositionen zu schützen. Dort wo keine schützenswerte Rechtsposition verbürgt ist, liegt kein Eingriff vor, sondern sanktionsloses Staatshandeln. Diese förmliche Betrachtungsweise übersieht jedoch, dass Vertrauen zunächst die innere Einstellung des Individuums betrifft. Ob dieses durch konkrete Dispositionen in Form von Investitionen eine Manifestation erfahren hat, ist für die Frage nach dem tatsächlichen Vertrauen irrelevant. Denn auch derjenige Bürger, der noch 54
BVerfGE 3, 4, 12; 43, 291, 391; 51, 356, 362 f.; 62, 117, 163 f.; 63, 343, 359; 69, 272, 309; 72, 175, 196; 75, 246, 280. 55 Burmeister, Vertrauensschutz im Rechtsstaat – Grundlagen und Grenzen bürgerlichen Dispositionsschutzes bei Änderungen des Staatshandelns, in: Studien zum Öffentlichen Recht und zur Verwaltungslehre, Band 13, S. 247. 56 Burmeister, Burmeister, Vertrauensschutz im Rechtsstaat – Grundlagen und Grenzen bürgerlichen Dispositionsschutzes bei Änderungen des Staatshandelns, in: Studien zum Öffentlichen Recht und zur Verwaltungslehre, Band 13, S. 249; Renck NJW 1970, S. 737 ff., 740. 57 BVerfGE 72, 200, 242; Ipsen VVDStRL 11 (1954), S. 129. 58 Burmeister, Vertrauensschutz im Rechtsstaat – Grundlagen und Grenzen bürgerlichen Dispositionsschutzes bei Änderungen des Staatshandelns, in: Studien zum Öffentlichen Recht und zur Verwaltungslehre, Band 13, S. 249; Renck NJW 1970, S. 737 ff., 740. 59 Vgl. ausführlich Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, 1989, S. 97 mit Verweis auf BVerfGE 75, 246, 280. 60 Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, 1989, S. 97.
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nicht disponiert hat, dies aber in naher Zukunft tun möchte, vertraut auf eine normative Aussage.61 Auch diese Bürger werden von Rechtsänderungen dergestalt betroffen, dass sie ihr Vorhaben nicht wie geplant umsetzen können. Für den Ausschluss derartiger Fälle aus dem Anwendungsbereich des Vertrauensschutzes gibt es keine sachlichen Gründe. Einer Ausuferung des rechtsstaatlichen Vertrauensschutz kann dergestalt begegnet werden, das innerhalb der Abwägung des bürgerlichen Interesses mit dem staatlichen Änderungsinteresse (3. Stufe), dem „ins Werk gesetzte(n)“ Vertrauen eine größeres Gewicht beigemessen wird, als dem nicht betätigten Vertrauen.62 Praktisch bedeutet dies, dass die Betätigung des Vertrauens zwar keine notwendige Bedingung des rechtsstaatlich zuerkannten Vertrauensschutzes ist, die Vertrauensbetätigung die Position des Bürgers im Rahmen der Abwägung (3. Stufe) mit dem staatlichen Änderungsinteresse aber zu stärken geeignet ist. Oder mit den Worten von Muckel: „Sobald bedeutende öffentliche Interessen gegen die Bindung an die Vertrauensgrundlage sprechen, hat das bloße Vertrauen des Bürgers keine Chance. Umgekehrt ist theoretisch ein Vertrauensschutz ohne Vertrauensbetätigung denkbar, wenn der Staat das Vertrauen des Einzelnen ohne stichhaltige Gründe enttäuscht“.63 (c) Schutzwürdigkeit des Vertrauens Die Beurteilung der Schutzwürdigkeit des Vertrauens ist in höchstem Maße einer Wertung zugänglich. (aa) Der Grad der Vertrauensdichte Rechtsstaatlicher Vertrauensschutz erfordert die überwiegende Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Bürgers gegenüber dem staatlichen Änderungsinteresse (vornehmlich des Gesetzgebers).64 Der Gesetzgeber kann legitime Gründe aufweisen, ein bestimmtes öffentliches Interesse entgegen den Erwartungen einzelner Bürger zu verfolgen. Insoweit steht „das subjektiv-öffentliche Recht des Einzelnen auf Vertrauensschutz unter dem Vorbehalt des überwiegenden öffentlichen Interesses“.65 61 So auch Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, 1989, S. 98. 62 Degenhart, Systemgerechtigkeit und Selbstbindung des Gesetzgebers als Verfassungspostulat, 1976, S. 98 dort Fußnote 482. 63 Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, 1989, S. 99 mit Verweis auf Weber-Dürler, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht, 1983, S.98, 101 f. 64 Vgl. Maurer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band 4, 2006, § 79 Rn 71. 65 Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, 1989, S. 104 mit Verweis auf Weber-Dürler, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht, 1983, S. 112 u. a.
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Ob und inwieweit staatliche Änderungsinteressen das individuelle Bestandsinteresse verdrängen können, ist im Rahmen einer Interessenabwägung zu ermitteln. An dieser Stelle ist der Konflikt zwischen staatlicher Flexibilität und bürgerlichem Interesse an Kontinuität aufzulösen. Die Erheblichkeit des Vertrauensschutzes des Bürgers innerhalb dieser Abwägung kann jedoch unterschiedlich ausgeprägt sein. Maßgeblich für das Maß an Gewichtung, d. h. die Frage, ob eine Rechtsposition oder Disposition rechtlich schutzwürdig ist, ist mithin der „Grad der Vertrauensdichte“.66 Das Vertrauen des Betroffenen kann von Fall zu Fall unterschiedlich stark ausgeprägt sein. So ist eine geringere Vertrauensdichte bspw. dann anzunehmen, wenn sich das Vertrauen des Bürgers auf ein Gesetz stützt, welches unter einem Änderungsvorbehalt steht. Der Bürger kann mit einer Änderung rechnen und darf „nur ein geringes Vertrauen in die Beständigkeit der Regelung investieren“.67 Im Rahmen der Interessenabwägung wird das Vertrauen aber nicht anhand einer absoluten Größe eingestellt. Vielmehr ist dem Einzelfall durch eine differenzierte Bewertung Rechnung zu tragen, die maßgeblich an der Vertrauensgrundlage ansetzt.68 Ist die Grundlage der Vertrauensbetätigung ein Gesetzgebungsvertrag, so nimmt mit fortschreitendem Gesetzgebungsverfahren der Grad der Vertrauensdichte zu. Zu unterscheiden sind an dieser Stelle die wesentlichen Verfahrensschritte des Gesetzgebungsverfahrens, beginnend mit dem Gesetzgebungsvertrag als Grundlage. Dem folgen die Gesetzgebungsinitiative (Art. 76 Abs. 1 GG), die Beratung und Beschlussfassung der Gesetzesvorlage durch Bundestag und Bundesrat (Art. 77 GG) und letztlich die Gegenzeichnung, Ausfertigung und Verkündung des Gesetzes (Art. 82 GG). Einzig im Rahmen der Beratung der Gesetzesinitiative im Bundestag ist weiter zu differenzieren. An dieser Stelle ist zwischen Einspruchs- und Zustimmungsgesetzen zu unterscheiden. Bedarf ein Gesetz der Zustimmung des Bundesrats, wird also der Interessenbereich der Länder „besonders stark berührt“,69 so ist in der Zustimmung ein weiterer wesentliche Verfahrensschritt zu erblicken, welcher zu einer Verdichtung des Vertrauens führt. Entsprechendes gilt bei Einspruchsgesetzen, soweit der Vermittlungsausschuss Änderungen, Ergänzungen oder Streichungen vorschlägt. Die hieran anschließende Abstimmung des Bundestags über die Vorschläge des Vermittlungsausschusses (Art. 77 Abs. 2 S. 5 GG) stellt ebenfalls einen wesentlichen Verfahrensschritt dar.
66 Vgl. Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, 1989, S. 93 m. w. N. Nach Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, 1961, S. 270, entsteht „eine gewisse Verdichtung“ durch ein Dauerverhältnis zwischen Bürger und Gesetzgeber. 67 Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, 1989, S. 95. 68 Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, 1989, S. 93. 69 BVerfGE 1, 76, 79.
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Größtmögliches Gewicht erlangt eine Disposition letztlich dann, wenn sie auf Grundlage eines verkündeten Gesetzes ergeht, welches seinerseits auf einem Gesetzgebungsvertrag basiert. Diese gestufte Vertrauensdichte ist zumutbar, denn der Private wird das Gesetzgebungsverfahren regelmäßig aufmerksam verfolgen. Grundsätzlich gilt zwar, dass der Bürger – mangels hinreichender Rechtskenntnis – den Gesetzgebungsprozess nicht im Detail verfolgen muss.70 Verlangt werden könne nur die Kenntnis eines ordnungsgemäß verkündeten Gesetzes, nicht jedoch „die Kenntnis einzelner Akte des vor allem im Bundesbereich komplizierten Gesetzgebungsverfahrens“. Im Rahmen eines Gesetzgebungsvertrags wird das private Rechtssubjekt den Gang des Verfahrens aber regelmäßig hinreichend genau beobachten. Es wird sich davon überzeugen wollen, inwieweit das zuvor Vereinbarte umgesetzt bzw. eingehalten wird.71 (bb) Die konkrete Abwägung In der Summe handelt es sich bei Dispositionen, die aufgrund eines Gesetzgebungsvertrags erfolgen, um einen abwägungserheblichen Belang. Die Schutzwürdigkeit etwaiger Dispositionen hängt von dem Grad der „Verrechtlichung“ des Gesetzgebungsvertrags ab, d. h. von dem Zeitpunkt des Gesetzgebungsverfahrens und dem Zeitpunkt der Vornahme einer aufgrund des Gesetzgebungsvertrags getätigten Disposition. Vor diesem Hintergrund sind Gewicht und Intensität des Vertrauens (in Gestalt der Disposition als Vertrauensbetätigung) in der Abwägung zu berücksichtigen. Die Kriterien für die Abwägung lassen sich dem – von dem Grundsatz des Vertrauensschutzes streng zu unterscheidenden – Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entnehmen.72 Demnach muss eine staatliche Maßnahme, welche in bestehende Vertrauenspositionen eingreift, dazu geeignet sein, den mit ihr verfolgten Zweck zu erreichen. Zur Erreichung dieses Zwecks muss sie das mildeste Mittel sein. Sodann ist zu prüfen, ob der Eingriff außer Verhältnis zu den damit verbundenen Nachteilen steht (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne). Im Rahmen dieser Prüfung findet eine Zweck-Mittel-Relation statt. Aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ergibt sich für Eingriffe in „individuelle Vertrauenspositionen“ ein „Prinzip der größtmöglichen Schonung eines einmal erworbenen Besitzstandes“.73 70 So angenommen für rückwirkende Gesetze, vgl. Maurer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band 4, 2006, § 79 Rn 50. Andernfalls würde der Vertrauensschutz in sein Gegenteil verkehrt und „zur Waffe des Staates“ gemacht. 71 Dies wird bislang lediglich bei interessierten Verbänden angenommen, vgl. Maurer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band 4, 2006, § 79 Rn 50. Die Argumentation ist insoweit vergleichbar, denn in beiden Konstellationen findet eine Beteiligung am Gesetzgebungsprozess statt. 72 Maurer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band 4, 2006, § 79 Rn 71. 73 BVerfGE 25, 236, 255; ebenso Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, 1989, S. 107; Steinberger/Böckenförde, BVerfGE 67, 21, 23 (Sondervotum); Stern, Staatsrecht, Band 1, 2004, S. 64.
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(α) Besonderheiten im Rahmen eines Gesetzgebungsvertrags Von besonderer Bedeutung für die Abwägung ist die Frage, ob und inwiefern der Staat an den geschaffenen Vertrauenstatbestand gebunden ist. Dies hängt maßgeblich davon ab, in welcher Form der Bürger dazu angehalten wurde, im Vertrauen auf ein beständiges Staatshandeln zu disponieren. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Staat nur in dem Maße gebunden sein kann, in dem er auch Vertrauen erweckt hat.74 Insoweit sind die Besonderheiten des Gesetzgebungsvertrags zu berücksichtigen. Die auf Basis des Gesetzgebungsvertrags durchgeführten Dispositionen könnten derart zu einem überwiegenden Bestandsinteresse führen, als es sich um staatlich veranlasste Dispositionen handelt. Regt der Staat das Privatrechtssubjekt zur Vornahme bestimmter Dispositionen an (Schaffung wirtschaftlicher Anreize), oder verpflichtet er ihn sogar qua Gesetz zu bestimmten Investitionen, so erweckt er gezielt Vertrauen beim Adressaten.75 Die gesetzliche Vertrauensgrundlage als Ausdruck staatlicher Lenkungsabsichten veranlasst in diesen Fällen eine bestimmte Verhaltensweise. Mit Vornahme der geforderten Disposition handelt das Privatrechtssubjekt im Interesse des Gesetzgebers und verfolgt somit ein Allgemeininteresse. In Fällen staatlicher Vertrauensveranlassung kann sich der Bürger für die Abwägung mithin nicht nur auf sein privates Bestandsinteresse, sondern ergänzend auf das „in der Vertrauensgrundlage verkörperte Allgemeininteresse“ berufen.76 Die Anforderungen an ein überwiegendes Änderungsinteresse des Gesetzgebers sind in diesen Fällen höher anzusiedeln. Sie sehen sich sowohl dem subjektiven Vertrauen des einzelnen Bürgers, als auch dem der Vertrauensgrundlage zugrundeliegenden öffentlichen Interesse ausgesetzt. Aufgrund dessen muss das staatliche Interesse an einer Änderung in den Fällen staatlich veranlasster Dispositionen in der Abwägung grundsätzlich zurücktreten.77 Der Staat trägt das Risiko, wenn er eine Vertrauensgrundlage nachträglich ändern oder aufheben möchte. Wurde der Einzelne umgekehrt nicht staatlicherseits zu einer bestimmten Disposition veranlasst, trägt er grundsätzlich das Änderungsrisiko.78 Ein solcher Fall 74 Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, 1989, S. 108. 75 Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, 1989, S. 109. 76 Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, 1989, S. 109. 77 Zu begründeten Ausnahmefällen vgl. Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, 1989, S. 109 sowie Leisner, FS Berber, 1973, S. 273 ff., 295. 78 Burmeister, Vertrauensschutz im Rechtsstaat – Grundlagen und Grenzen bürgerlichen Dispositionsschutzes bei Änderungen des Staatshandelns, in: Studien zum Öffentlichen Recht und zur Verwaltungslehre, Band 13, S. 179.
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der fehlenden gesetzlichen Veranlassung wird dann angenommen, „wenn der Gesetzgeber eine erkennbar nur vorläufige Regelung trifft“.79 Die Interessenabwägung wird in diesen Fällen regelmäßig zu Lasten des bürgerlichen Vertrauensschutzes ausfallen, denn der Staat hat hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass die Regelung lediglich auf Zeit besteht und einer (jederzeit möglichen) Änderung zugänglich ist. Dem Änderungsinteresse ist mithin der Vorrang einzuräumen. Eine – den vorbenannten Grundsätzen entsprechende – Risikozuweisung ist in Fällen des Gesetzgebungsvertrags äußerst schwierig. Unstrittig ist zunächst, dass das Privatrechtssubjekt nicht auf Basis einer gesetzlichen Grundlage tätig wird, sondern seine Leistung aufgrund einer vertraglich übernommenen Leistungspflicht erbringt. Es disponiert aufgrund der subjektiven Erwartung, welche sich aus dem nichtigen Vertragsverhältnis ergibt. Die Gefahr einer Enttäuschung des Vertrauens ist der Disposition aber keineswegs immanent. Die Disposition des Bürgers erfolgt zwar nicht auf gesetzliche, oder allgemeiner staatliche Veranlassung. Anlass ist vielmehr die in Aussicht gestellte Gegenleistung des Staates. Das Verhalten des Bürgers basiert auf einem willentlichen Entschluss, der jedoch in faktischer Abhängigkeit zu einer staatlicherseits in Aussicht gestellten Gegenleistung manifestiert wird. Die in gegenseitiger Abhängigkeit (do-ut-des) versprochene Leistungserbringung ist zweifelsohne ein „Weniger“ als eine staatlicherseits veranlasste Disposition. Sie ist jedoch genauso ein „Mehr“ als eine bloß aufgrund einer privaten Spekulation des Rechtssubjekts durchgeführte Investition. Hieran ändert die Nichtigkeit der Gestaltungserklärungen nichts. Denn das Rechtssubjekt wird regelmäßig im tatsächlichen Vertrauen auf die Wirksamkeit des Gesetzgebungsvertrags bzw. das Gegenseitigkeitsverhältnis der Leistungspflichten seine versprochenen Dispositionen erbringen. (d) Rechtsfolge Kann dem Staat das Änderungsrisiko aufgebürdet werden, stellt sich die Frage, welche Auswirkungen dies auf die Rechtsstellung des Privaten hat. Die von dem Gesetzgeber durchzuführende Abwägung sagt prinzipiell nichts darüber aus, auf welche Weise dem Vertrauen des Einzelnen Rechnung zu tragen ist. Es wird lediglich das Gewicht des Vertrauens ermittelt und das bürgerliche Bestandsinteresse zum staatlichen Änderungsinteresse ins Verhältnis gesetzt. Rechtsfolge des Vertrauensschutzes ist ganz allgemein „das an den Staat gerichtete Gebot angemessener Beachtung von Vertrauenstatbeständen“.80 Grundsätzlich kann der Staat auf der Rechtsfolgenseite dem Bestandsinteresse des Bürgers 79
Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, 1989, S. 110. 80 Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, 1989, S. 130.
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in dreierlei Weise Rechnung tragen: Durch die Bindung des Staates an die Vertrauensgrundlage, die Schaffung von Übergangsregelungen und die Zahlung von Entschädigungen.81 Eine Bindung an die Vertrauensgrundlage kommt vorliegend nicht in Betracht. Tätigt der Betroffene aufgrund eines Gesetzgebungsvertrags Dispositionen, so ist ihm mit einer Übergangsregelung in der Regel ebenfalls nicht geholfen. Um einer drohenden Benachteiligung entgegenzuwirken, eignet sich einzig eine Entschädigung. Diese ist als Legislativakt oder „ohne spezielle Ermächtigung“ denkbar.82 Hieraus ist jedoch kein „subjektive[s] Recht auf finanzielle Kompensation“ abzuleiten. Der Betroffene ist, sofern die Neuregelung durch eine Kompensation dem Bestandsinteresse des Einzelnen nicht Rechnung trägt, insoweit auf das allgemeine Staatshaftungsrecht angewiesen.83 Denn das von der Verfassung vorgegebene „System staatlicher Ersatzleistung“ darf nicht durch Billigkeitserwägungen aufgeweicht werden.84 Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes haben aber insbesondere bei einem möglichen Anspruch aus culpa in contrahendo großes Gewicht. (e) Exkurs: Verstoß gegen die Grundsätze der unechten Rückwirkung85 Gesetze, die „auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirken“86 (unechte Rückwirkung), spielen in vielfältiger Weise eine Rolle. Ein Großteil derjenigen Gesetze, die ein Rechtsgebiet für die Zukunft neu regeln, sieht sich Sachverhalten und Rechtsbeziehungen ausgesetzt, die bereits in der Vergangenheit entstanden sind bzw. begründet wurden und noch fortbestehen.87 Werden die unter die aufgehobene oder geänderte Altregelung fallenden Sachverhalte und Rechtsbeziehungen von der Neuregelung betroffen, so liegt hierin regelmäßig eine unechte Rückwirkung. Im Unterschied zur echten Rückwirkung wird nämlich eine frühere Regelung nicht ex tunc ersetzt, sondern ex nunc aufgehoben.88 81
Grundlegend hierzu Weber-Dürler, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht, 1983, S. 128 ff. Weber-Dürler, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht, 1983, S. 140 f.; Püttner VVDStRL 32 (1974), S. 200 ff., 217 ff.; Bachof VVDStRL 32 (1974), S. 229. 83 Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, 1989, S. 131 m. w. N. in Fußnote 171. 84 Burmeister Die Verwaltung 1969, S. 21 ff., 30. 85 Im Anwendungsbereich des Art. 14 GG sieht das BVerfG die Regeln über die unechte Rückwirkung als durch Art. 14 verdrängt, vgl. BVerfGE 75, 78, 104 f.; 76, 220, 244 f.; 95, 64, 82; 101, 239, 257; Jarass, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), GG, 11. Aufl., 2011, Art. 14 Rn 47. Dies ändert jedoch nichts an den sachlichen Anforderungen an die Gesetzesänderung, vgl. BVerfGE 64, 84, 104; Jarass, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), 11. Aufl., 2011, GG, Art. 20 Rn 75 m. w. N. 86 BVerfGE 11, 139, 146; ähnlich BVerfGE 30, 392, 402; BVerfGE 39, 128, 143; BVerfGE 48, 403, 415; BVerfGE 57, 351, 391. In der Rechtsprechung des Zweiten Senats dann, wenn durch tatbestandliche Rückanknüpfung zwar nicht der zeitliche, aber der sachliche Anwendungsbereich einer Norm auf bereits vor der Verkündung eingetretene Sachverhalte erstreckt wird, vgl. BVerfGE 72, 200, 242; 97, 67, 80. 87 Vgl. Maurer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band 4, 2006, § 79 Rn 60. 88 Vgl. Maurer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band 4, 2006, § 79 Rn 60. 82
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Tätigt der Bürger Dispositionen, so tut er dies stets in der Erwartungshaltung, dass die zum Zeitpunkt seiner Planungsentscheidung geltenden Gesetze auch in der Folgezeit weiterhin Bestand haben. Er will nicht nur die Gegenwart, sondern gerade seine Zukunft gestalten. Werden diese Regelungen entgegen seiner Erwartungen aufgehoben oder abgeändert, so können die auf den bislang geltenden Regelungen getätigten Dispositionen entwertet werden. Das Vertrauen des Bürgers in den Fortbestand einer geltenden Rechtslage wird enttäuscht. Fraglich ist, inwieweit dieses Vertrauen schutzwürdig ist. Besonderheiten ergeben sich hier im Rahmen der 3. Stufe – konkret der Gewichtung und Abwägung von bürgerlichem Bestands- und staatlichem Änderungsinteresse. Dem Staat obliegt der verfassungsrechtliche Auftrag, die rechtlichen Rahmenbedingungen des gesellschaftlichen Zusammenlebens an neue Entwicklungen und Erkenntnisse anzugleichen. Die Gesetzesänderung für die Zukunft ist das Mittel zur Aktualisierung des Gemeinwohlinteresses auf rechtlicher Ebene. Darauf kann und muss sich der einzelne Bürger einstellen. Es entspricht – mindestens auf lange Sicht – seinem Interesse. Hieraus ergibt sich das grundsätzliche Überwiegen des staatlichen Änderungsinteresses. Es findet also eine „Verschiebung der Koordinaten“ dergestalt statt, dass das staatliche Änderungsinteresse im Regelfall das bürgerliche Bestandsinteresse verdrängt.89 In Ausnahmefällen muss es jedoch hinter dem Vertrauen des Bürgers auf den Fortbestand einer bisherigen Regelung zurücktreten. Voraussetzung ist, dass (1) das Gesetz einen Eingriff vornimmt, „mit dem der Betroffene nicht zu rechnen brauchte, den er also auch bei seinen Dispositionen nicht berücksichtigten konnte“,90 zudem muss (2) das Vertrauen des Betroffenen schutzwürdiger sein als das mit dem Gesetz verfolgte Anliegen.91 (aa) Der Betroffene braucht mit einer Gesetzesänderung nicht zu rechnen Hinsichtlich der ersten Voraussetzung sind zwei Konstellationen des Gesetzgebungsvertrags zu unterscheiden. In der ersten Konstellation soll eine bestimmte Norm aufgrund eines Gesetzgebungsvertrags ergehen, sie ergeht aber mit anderem Inhalt. In der zweiten Konstellation soll keine Norm ergehen, es ergeht jedoch eine. Ergeht eine Norm mit einem anderen als dem vereinbarten Inhalt, so ist zunächst festzuhalten, dass sich das Vertrauen des Bürgers auf das „Ob“ und das „Wie“ der Normsetzung beziehen kann. Das „Ob“ der Normsetzung wurde nicht enttäuscht. Hiermit hat der Betroffene gerechnet. Regelmäßig wird es dem Bürger jedoch um die zweite Alternative gehen. Erwartet wird eine Regelung mit anderem 89
Vgl. Maurer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band 4, 2006, § 79 Rn 61. BVerfGE 68, 287, 307. 91 BVerfGE 89, 48, 66; 101, 239, 263; 103, 392, 403. 90
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Inhalt. In diesem Fall vertraut der Bürger auf eine künftige, in Aussicht gestellte Rechtslage, die in dieser Form jedoch nicht gestaltet wird. Hat er sein Vertrauen bereits betätigt, so ist davon auszugehen, dass er mit der Neuregelung nicht zu rechnen brauchte. Denn durch den Gesetzgebungsvertrag wurde – wie oben dargestellt – bei dem Betroffenen gerade das schutzwürdige Vertrauen dahingehend geweckt, dass die Regelung mit einem anderen Inhalt als dem letztlich beschlossenen zustande kommt. Handelt der Bürger in dem Bewusstsein (und mithin auch in dem Vertrauen), dass eine bestimmte Regelung beschlossen wird (die verfassungsvertragsrechtlich vereinbarte Regelung), so schließt dies ein „Rechnenmüssen“ mit einer abweichenden Norm spiegelbildlich aus. Etwas anderes gilt dann, wenn der Bürger in dem Zeitpunkt, in dem noch keine Vertrauensbetätigung vorliegt, Kenntnis von der Abweichung erlangt. In diesem Fall konnte er mit dem konkreten Regelungsinhalt rechnen. Es ermangelt bereits an einer Vertrauensbetätigung. Wurde in dem Gesetzgebungsvertrag vereinbart, dass ein bestimmter normative Rahmen unverändert bestehen bleibt, d. h. eine belastende Regelung nicht ergehen soll, so stellt sich die Frage, welche Auswirkungen dies auf die Vertrauensdichte des Betroffenen hat. Grundsätzlich wird das Vertrauen auf den Fortbestand einer gesetzlichen Regelung nicht geschützt.92 Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Rahmen herausgestellt, dass „bloße Erwartungen“ hinsichtlich des Fortbestands einer Regelung nicht von der Verfassung geschützt werden.93 Der Bürger muss mithin stets mit einer normativen Änderung rechnen. Etwas anderes gilt aber auch hier dann, wenn der Staat Vertrauen dahingehend erweckt, dass eine bestimmte Norm nicht ergehen wird. Im Unterschied zum Regelfall bringt der Staat hier dem Bürger gegenüber – durch das Medium des Gesetzgebungsvertrags – zum Ausdruck, dass der rechtliche Rahmen für eine Disposition erhalten bleibt. Erbringt der Bürger nun seine, aufgrund des „do ut des“-Verhältnisses versprochenen Leistungen aus dem (nichtigen) faktischen Vertragsverhältnis, so besteht bei ihm die staatlicherseits mitbegründete Erwartungshaltung, dass eine Norm nicht erlassen wird. Er vertraut darauf, dass der staatlicherseits partizipierende Vertragspartner seinen Teil der Vereinbarung einhält. Im Rahmen eines Gesetzgebungsvertrags, der den Nichterlass einer bestimmten Norm als staatlicherseits zu erfüllende Pflicht vorsieht, tritt der grundsätzlich nicht schutzwürdigen Erwartungshaltung in den Fortbestand der geltenden Rechtslage mithin ein staatliches Element zur Seite, welches bei dem Betroffenen die (staatli cherseits konkret94 mit-veranlasste) Aussicht auf den Nichterlass begründet. Dies führt dazu, dass der Betroffene nicht mit dem Gesetzeserlass rechnen musste.
92
BVerfGE 38, 61, 83; 68, 193, 221 ff. BVerfGE 38, 61, 83; 27, 375, 386. 94 Nämlich auf eine bestimmte Norm und damit nicht lediglich abstrakt in die Rechtsordnung. 93
I. Echter Gesetzgebungsvertrag und unechter Gesetzgebungsvertrag
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(bb) Das Vertrauen des Betroffenen ist schutzwürdiger als das mit dem Gesetz verfolgte Anliegen Ob der Betroffene „im Vertrauen“ tätig wurde und die Gesetzesänderung „zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich oder […] die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen“95, ist eine Frage des Einzelfalls. Hierzu sei auf obige Ausführungen verwiesen. bb) Die konkrete Haftung des Hoheitsträgers aus culpa in contrahendo (c. i. c.) (1) Anwendbarkeit Bereits vor dem eigentlichen Vertragsschluss kann eine Beziehung zwischen den Beteiligten entstehen die es erfordert, diese wie Vertragspartner einer vertragsähnlichen Haftung zu unterwerfen. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass grds. auch öffentlich-rechtliche (Gebiets-) Körperschaften bei einem Fehlverhal ten ihrer Organe wegen Verschuldens bei Vertragsschluss haften.96 Die Körperschaft muss für das Fehlverhalten der (prinzipiell) verhandlungsberechtigten Person einstehen und kann so auf Ersatz des Vertrauensinteresses in Anspruch genommen werden. Insoweit könnte der Bund als Gebietskörperschaft für eine Verhaltensweise der Bundesregierung einzustehen haben. Eine solche Haftung unterliegt jedoch gewissen Voraussetzungen und Grenzen, deren Reichweite es im Folgenden zu bestimmen gilt. (a) Anerkennung einer öffentlich-rechtlichen c. i. c. (insbesondere im Verfassungsrecht) Die Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluss, ursprünglich für das bürgerliche Recht entwickelt, findet grundsätzlich auch auf Verhandlungen Anwendung, die zum Abschluss einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung zwischen Bürger und Staat führen sollen.97 Das ergibt sich zunächst daraus, dass neben den Sonderbeziehungen aus öffentlich-rechtlichen Verträgen auch weitere öffentlichrechtliche Sonderbeziehungen besonderen Regeln im Schadensbereich unterworfen sind (vgl. die Formulierung in § 40 Abs. 2 S. 1 VwGO „sowie für Schadens 95
BVerfGE 95, 64, 86. Vgl. BGHZ 142, 51 und BGH NVwZ 2001, 116. 97 Umfassend Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, 2014, § 62 Rn 45 ff.; BGHZ 71, 386; BGHZ 76, 343; Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 427; Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Aufl., S. 438 m. w. N. 96
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ersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhen“). Zur Begründung wird daneben von Literatur und Rechtsprechung98 darauf verwiesen, dass sich der Anspruch wegen Verschuldens bei Vertragsschluss auf das besondere Vertrauen desjenigen gründe, der sich zum Zwecke der Vertragsverhandlungen in den Einflussbereich eines anderen begebe. Daraus, und aus dem Gebot von Treu und Glauben würden dem anderen Teil Verhaltenspflichten erwachsen, deren Verletzung sanktionswürdig sei.99 Grundlage des Anspruchs ist letztlich der Vertrauensschutzgedanke. Dieser kann – als ein Merkmal rechtsstaatlicher Ordnung (Art. 20 Abs. 3 GG) – auch von einem Hoheitsträger in Anspruch genommen werden. Dabei kann nicht zwischen verwaltungs- und verfassungsrechtlicher Prägung des Vertrags unterschiedenen werden. Denn die Möglichkeit der Einflussnahme auf fremde Rechtsgüter und der darin verkörperte Haftungsgrund bestehen – unabhängig von der rechtlichen Qualifikation des Kontaktverhältnisses – allein aufgrund der Tatsache, dass die Parteien ihre geschützten „Sphären“ gegenseitig zugänglich machen. Insbesondere im Rahmen von „Verhandlungen über Verträge […], die darauf abzielen, dass der private Vertragspartner sich vereinbarungsgemäß für eine gewisse Zeit auf eine Zusammenarbeit mit einem Träger staatlicher Gewalt einrichtet und den gemeinsam erstrebten Erfolg durch eigene Investitionen oder sonstige Geldaufwendungen fördert“, bietet sich nach Ansicht der Rechtsprechung eine Anwendung der in Rede stehenden Grundsätze an. Derartige Vertragsbeziehungen würden sich nämlich gerade „durch eine besonders enge Verbindung der beiderseitigen Interessen“ auszeichnen. Dass die Vertragsverhandlung nicht zu einer wirksamen Bindung des öffentlich-rechtlichen Vertragspartners führt, kann die Geltung des Vertrauensgrundsatzes dabei nicht ausschließen, da sich der private Vertragspartner auf tatsächliche Erklärungen der anderen Seite – unabhängig von deren rechtlicher Wirksamkeit – eingerichtet hat. So ist der Anwendungsbereich der culpa in contrahendo nach § 311 Abs. 2 BGB auch dann eröffnet, wenn die Parteien in einem geschäftlichen Kontaktverhältnis stehen, welches nicht auf den Abschluss eines Vertrags gerichtet ist.100 Der Bundesgerichtshof hat dementsprechend in einem vergleichbaren, dem Bauplanungsrecht entstammenden Sachverhalt entschieden: „Wenn auch die Gemeinde sich nicht wirksam dahin binden kann, eine Satzung als Ortsgesetz zu erlassen, so kann sie doch im Einzelfall durch ihr Verhalten einen Vertrauens tatbestand setzen, der sie zwar nicht verpflichtet, die Planung überhaupt oder in 98
Aus der Fülle vgl. BGHZ 71, 386, 393; BVerwG DÖV 1974, 133; OVG Münster DÖV 1971, 276; Simons, Leistungsstörungen verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse, 1967, S. 172 ff.; Meyer NJW 1977, S. 1705 ff., 1712; BGH NVwZ 2001, 116; BGH NVwZ 2006, 1207; Jäckle NJW 1990, S. 2520; Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, 2014, § 62 Rn 45 ff.; Dötsch NJW 2003, S. 1430. 99 Grundlegen BGHZ 71, 386; bestätigend BGH NVwZ 2006, 1207. 100 Vgl. § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB; so Grüneberg, in: Palandt (Hrsg.), BGB, 2014, § 311 Rn 24, wonach auch Kontaktverhältnisse erfasst sind, „die nicht auf den Abschluss eines Vertrages abzielen“.
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einer bestimmten Richtung zu betreiben, der aber bei Enttäuschung des dem anderen Teil gewährten und in Anspruch genommenen Vertrauens zu einem Anspruch auf Ersatz des Vertrauensinteresses führen kann.“ Der dem Verhandlungspartner gebührende Vertrauensschutz könne so stark werden, „dass ein Abrücken des Planungsträgers von der als sicher hingestellten Planung nur um den Preis der Kompensation möglich“ sei.101 Diese Ausführungen lassen sich aufgrund der – unter Vertrauensschutzgesichtspunkten – Vergleichbarkeit der Fallgestaltungen auch für Gesetzgebungsverträge fruchtbar machen. Die Ablehnung der Anwendbarkeit der c.i.c. in der vorliegend relevanten Fallgestaltung übersieht, dass die Aufnahme von Vertragsverhandlungen dem Hoheitsträger e contrario Pflichten zur Berücksichtigung der Interessen des Verhandlungspartners auferlegt.102 Die Verletzung dieser Pflichten kann nicht sanktionslos bleiben. (b) Kein Ausschluss der Anwendbarkeit aufgrund der verfassungsrechtlichen Kompetenzvorschriften Die Haftung einer Gebietskörperschaft ist durch den Rechtssatz begrenzt, „dass die Kompetenzvorschriften öffentlich-rechtlicher Körperschaften Schutz vor rechtsgeschäftlichen Verpflichtungen gewähren und vor den Bindungswirkungen unbedachter oder übereilter Verpflichtungserklärungen bewahren sollen“.103 Unter Verweis auf diese Rechtsauffassung könnte die Anwendung der c.i.c. im vorliegenden Fall ausscheiden, denn – wie bereits ausgeführt – scheitert die rechtliche Wirksamkeit des Gesetzgebungsvertrags in der hier relevanten Gestaltung regelmäßig an den Kompetenzvorschriften des Grundgesetzes. Die Bundesregierung kann nicht über fremde Kompetenzen, konkret Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG, verfügen. Bei der Anwendung dieser Haftungsbegrenzung ist jedoch stets zwischen der vertraglichen Primär- und Sekundärebene zu unterscheiden. Beschriebener Rechtssatz wirkt lediglich auf der Primärebene, d. h. unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluss lässt sich keine wirksame rechtsgeschäftliche Bindung aus der Erklärung eines nicht vertretungs- oder verhandlungsberechtigten Organs begründen.104 Eine Leistungspflicht scheidet aus (Primärebene). Auf der sekundären Ebene kann die Gebietskörperschaft demgegenüber auf Ersatz eines entstandenen Schadens in Anspruch genommen werden. Denn „Kompetenzregeln vermögen die Körperschaft […] dann nicht von der Haftung zu befreien, wenn es […] nicht gerade um die rechtsgeschäftliche Bindung an die Erklärung geht, sondern
101
So umfassend BGHZ 71, 386; ebenso BGH ZfBR 1984, 146. So für die Träger der öffentlichen Verwaltung Simons, Leistungsstörungen verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse, 1967, S. 174 f. 103 So für die Haftung einer kommunalen Gebietskörperschaft OLG Düsseldorf NJW-RR 2013, 924; BGH NVwZ 2001, 116. 104 BGHZ 142, 51; Düsseldorf NJW-RR 2013, 924; BGH NVwZ 2001, 116; BGHZ 142, 51; BGH WM 1960, 1210, 1212; BGH WM 1990, 407, 408 ff.; BGH WM 1992, 1993 f. 102
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um einen Verstoß gegen die vorvertragliche Verhaltensordnung“.105 Die eingangs benannte Haftungsbegrenzung beseitigt mithin nicht eine möglicherweise erfolgte Pflichtverletzung. Diese bleibt bestehen und ist einer sekundären Sanktionierung zugänglich. (c) Kein Ausschluss der Anwendbarkeit wegen der lediglich faktischen Wirkungsweise des Gesetzgebungsvertrags Die rein faktische Wirkungsweise des Gesetzgebungsvertrags steht der Anwendbarkeit der c.i.c. nicht entgegen. Grundsätzlich wird faktischen Rechtsverhältnissen im vorvertraglichen Bereich eine geringe Funktion innerhalb der normativ orientierten Rechtswissenschaften beigemessen.106 Die vielen Kontaktaufnahmemöglichkeiten zwischen Bürger und Hoheitsträger bergen die Gefahr einer unüberschaubaren Ausweitung der Haftungsquellen. Nicht jedes vorvertragliche Rechtsverhältnis ist demnach geeignet, eine Haftung aus c.i.c. zu begründen. Erforderlich ist stets, dass das Kontaktverhältnis hinreichend „verfestigt“ ist. Der Gesetzgebungsvertrag erfüllt diese Anforderung. Er ist mehr als ein bloßer Kontakt. Sobald die Parteien in hinreichend konkrete Verhandlungen getreten sind, ist eine Verfestigung des vorvertraglichen Kontaktverhältnisses anzunehmen die über den bloß sozialen Kontakt zwischen Bürger und Hoheitsträger hinausgeht. Insoweit kann sich auch an § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB orientiert werden. Sobald umfassende Einwirkungsmöglichkeiten der Beteiligten auf schutzwürdige Interessen des anderen Teils bestehen, wird eine haftungsrechtlich relevante Rechtsbeziehung i. S. d. Grundgedankens der c.i.c. geschaffen.107 Das faktische Element ist in diesem Fall nicht der anfangs beschriebenen Faktizität gleichzusetzen. Das faktische Element im Rahmen eines Gesetzgebungsvertrags entsteht nach einer vollständigen Einigung allein aufgrund der Nichtigkeit der Einigungserklärungen, nicht aufgrund der bloß allgemeinen, unbestimmten Kontaktaufnahme. Nur in letzterem Fall ist ein vorvertragliches Schuldverhältnis im Sinne der c.i.c. abzulehnen.
105 Die Rechtsprechung stützt sich in seiner Begründung hierzu maßgeblich auf das Zivilrecht. Für juristische Personen des öffentlichen Rechts könne nichts anderes gelten als für solche des Privatrechts. Auch dort könne sich die juristische Person nicht durch Berufung auf Kompetenzvorschriften einer Haftung entziehen, wenn ihre Organe das Vertrauen, das zu ihrer Bestellung geführt hat, missbrauchen, vgl. Düsseldorf NJW-RR 2013, 924; ebenso BGH NVwZ 2001, 116. 106 Vgl. Keller, Vorvertragliche Schuldverhältnisse im Verwaltungsrecht, 1997, S. 93. 107 Nach h. M. liegt der Grundgedanke in der „Inanspruchnahme und Gewährung besonderen Vertrauens“, vgl. umfassend und zum Meinungsstand Emmerich, in: MüKo BGB, §§ 241–432, 2012, § 311 Rn 41.
I. Echter Gesetzgebungsvertrag und unechter Gesetzgebungsvertrag
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(d) Kein Ausschluss der Anwendbarkeit wegen der Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts Auch die Nichtigkeit des Gesetzgebungsvertrags steht der Anwendung der c.i.c. nicht entgegen. Die Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss ist eine solche aus einem vorvertraglichen Schuldverhältnis und entsteht mit der Aufnahme von Vertragsverhandlungen, der Anbahnung eines Vertrags oder einem ähnlichem geschäftlichem Kontakt, § 311 Abs. 2 BGB.108 Der maßgebliche Zeitpunkt, d. h. der Entstehungsgrund für eine haftungsrechtlich relevante Sonderbeziehung liegt mithin vor dem eigentlichen Vertragsschluss. Die Beteiligten sind mit Aufnahme der Vertragsverhandlungen im Interesse eines funktionstüchtigen Rechtsverkehrs zu loyalem und redlichem Verhalten verpflichtet.109 Diese haftungsauslösenden Verhaltenspflichten bestehen bei der Geschäftsanbahnung, ohne Rücksicht darauf, ob es zu einem wirksamen Vertragsschluss kommt oder nicht.110 Eine Haftung aus c.i.c. setzt somit keinen wirksamen Vertragsschluss voraus.111 Sie beruht weniger auf einem Vertrag, als vielmehr auf einem gesetzlichen Schuldverhältnis und Aspekten des Vertrauensschutzes.112 In Abgrenzung zum „allgemeinen Kontakt im Staat-Bürger-Verhältnis“ ist jedoch stets erforderlich, dass von den Parteien eine vertragliche Vereinbarung tatsächlich beabsichtigt war und angestrebt wurde.113 Somit können auch nichtige, faktisch wirksame Verträge Anknüpfungspunkt einer Haftung aus c.i.c. sein.114 (2) Schuldverhältnis Der Anspruch aus culpa in contrahendo erfordert zunächst eine Sonderbeziehung zwischen den Parteien. Die Verhandlungen rund um den Abschluss eines Gesetzgebungsvertrags könnten eine solche Sonderbeziehung begründen. Nach § 311 Abs. 2 BGB entsteht ein Haftungsgrund in Form eines gesetzlichen Schuldverhältnisses mit der Aufnahme von Vertragsverhandlungen (Nr. 1), 108
Eingehend zur analogen Anwendbarkeit der §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB vgl. Gündling, Modernisiertes Privatrecht und öffentliches Recht, 2006, S. 341 ff.; De Wall, Die Anwendbarkeit privatrechtlicher Vorschriften im Verwaltungsrecht, 1999, S. 421 ff.; Meysen, Die Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnissen, 2000, S. 60 ff.; Kellner DÖV 2011, S. 25. 109 Singer JZ 2000, S. 153 ff., 154. 110 BGH NVwZ 2001, 116. 111 BGH NJW 1977, 376. 112 Jäckle NJW 1990, S. 2520; Dötsch NJW 2003, S. 1430 m. w. N. 113 Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, 2014, § 62 Rn 46; Keller, Vorvertragliche Schuldverhältnisse im Verwaltungsrecht, 1997, S. 124 ff.; Meysen, Die Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnissen, 2000, S. 65 ff.; Vgl. allgemein zur rechtlichen Bedeutung von Nähebeziehungen zwischen Staat und Bürger Loschelder, Vom besonderen Gewaltverhältnis zur öffentlich-rechtlichen Sonderbindung, 1982, S. 184 ff. 114 In diese Richtung geht auch das OLG Brandenburg NJ 2011, 394 (Rz. 130 nach juris).
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D. Rechtsfolgen auf Primär- und Sekundärebene
der Anbahnung eines Vertrags (Nr. 2) oder bei ähnlichen geschäftlichen Kontakten (Nr. 3). Aufgrund der vielfältigen Kontaktmöglichkeiten zwischen Hoheitsträger und Bürger bereitet die Feststellung dieses Entstehungsgrundes im öffentlichen Recht, insbesondere im Verwaltungsvertragsrecht nicht unerhebliche Schwierigkeiten. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein informelles Kontaktverhältnis begründet wird. Ein solches liegt nicht zwingend im Vorfeld eines öffentlich-rechtlichen Vertragsverhältnisses, sondern kann vielmehr auch im Erlass eines Verwaltungsakts münden.115 Dementsprechend wird ein gesetzliches Schuldverhältnis entsprechend der Regelung des § 311 Abs. 2 BGB zwischen Bürger und Verwaltung dann angenommen, wenn das Kontaktverhältnis auf „einen auf den Vertrag bezogenen Zweck“ ausgerichtet ist. Erforderlich sei, dass „jedenfalls ein Beteiligter ohne Widerspruch des anderen erkennbar eine vertragliche Lösung“ heranzieht.116 Ob letztlich ein Vertragsschluss zustande kommt, ist für die Haftung unerheblich. Entscheidend ist der zweitweise Bestand eines haftungsrelevanten Kontaktverhältnisses. Für den Gesetzgebungsvertrag kann diesbezüglich nichts anderes gelten als für den zwischen Bürger und Verwaltung geschlossenen öffentlich-rechtlichen Vertrag i. S. v. §§ 54 ff. VwVfG. Haftungsgrund ist im letzteren Fall das tatsächliche Kontaktverhältnis. Dieses bleibt als Haftungsgrund erhalten, soweit der öffentlich-rechtliche Vertrag zwischen Bürger und Verwaltung am Mangel der Nichtigkeit (§ 59 VwVfG) leidet.117 Auch das Kontaktverhältnis zwischen Bürger und Bundesregierung kann somit im Falle des Abschlusses eines Gesetzgebungsvertrags eine haftungsrelevante Vertrauensbeziehung begründen. Denn unabhängig von der Wirksamkeit etwaig versprochener Leistungspflichten bestehen tatsächliche Einwirkungsmöglichkeiten der Parteien auf die Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils. Diese Einwirkungsmöglichkeiten stehen der Bundesregierung gleichermaßen zu wie einem Verwaltungsträger. Das Ergebnis wird durch einen Blick auf eine vergleichbare Konstellation gestützt: So stellen nach der Rechtsprechung etwa aufgrund geänderter gemeindlicher Planungsabsichten gescheiterte Bauplanungsabreden mit privaten Investoren ein taugliches vorvertragliches Schuldverhältnis dar.118
115
Hierzu Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, 2014, § 62 Rn 46. Vgl. Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, 2014, § 62 Rn 46; Keller, Vorvertragliche Schuldverhältnisse im Verwaltungsrecht, 1997, S. 124 ff.; Meysen, Die Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnissen, 2000, S. 65 ff. 117 Vgl. Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, 2014, § 59 Rn 9; Spieth, in: Bader/Ronellenfitsch (Hrsg.), VwVfG, 2010, § 59 Rn 55; Fehling, in: Fehling/Kastner/Wahrendorf (Hrsg.), VwVfG, 2013, § 59 Rn 56; Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 567; Gurlit, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 2010, § 33 Rn 5. 118 Gurlit, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 2010, § 34 Fußnote 29 mit Verweis auf BGH 1978, 1802; BGH UPR 1986, 176, 177; BayOLG BayVBl. 1976, 378, 379. 116
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(3) Die haftungsbegründende Pflichtverletzung (a) Begriff und Fallgruppen Grundlage einer Haftung aus culpa in contrahendo ist die mit dem Eintritt in Vertragsverhandlungen, einer Vertragsanbahnung oder einem ähnlichen geschäftlichen Kontakt begründete Sonderverbindung. Aus dieser ergeben sich aufgrund der gesteigerten Einwirkungsmöglichkeiten spiegelbildlich erhöhte Schutz- und Sorgfaltspflichten zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils (§ 241 Abs. 2 BGB), wobei die „gesamte Rechts- und Interessensphäre ohne Beschränkung auf Vermögensinteressen, d. h. einschließlich der Dispositions- oder Entscheidungsfreiheit“, geschützt wird.119 Der Kreis der geschuldeten Pflichten orientiert sich grds. an den eröffneten Einwirkungsmöglichkeiten für den anderen Teil. Auf dieser Grundlage haben sich im öffentlichen Recht Fallgruppen einer Pflichtverletzung durch den Hoheitsträger herausgebildet. Unterschieden wird (1) das enttäuschte Vertrauen in das Zustandekommen eines Vertrags infolge grundlosen Abbruchs der Vertragsverhandlungen,120 (2) die Verletzung von Informations-, Aufklärungs- und Sorgfaltspflichten im Hinblick auf Umstände, die für den Vertragspartner erkennbar von Bedeutung sind,121 (3) das Scheitern des Vertrags wegen Mängeln in der Vertretung der öffentlichen Hand122 sowie (4) Verstöße gegen Vergabevorschriften bei der Ausschreibung von Leistungen durch die öffentliche Hand.123 Vorliegend kommen als mögliche, vorwerfbare Pflichtverletzung der Bundesregierung einzig der grundlose Abbruch von Vertragsverhandlungen sowie die Verletzung von Informations-, Aufklärungs- und Sorgfaltspflichten in Betracht. Die dritte Variante, d. h. ein Mangel in der Vertretungsbefugnis als causa für das Scheitern eines wirksames Vertragsverhältnisses scheidet aus, da sie nur dort Anwendung finden kann, wo eine Stellvertretung rechtlich zulässig ist. Eine stellvertretende Verpflichtung des Bundestages zum Beschluss oder Nichtbeschluss eines Gesetzes nach Art. 77 Abs. 1 GG ist aber weder vorgesehen noch zulässig.
119 So Emmerich, in: MüKo BGB, §§ 241–432, 2012, § 311 Rn 51 für die zivilrechtliche c.i.c mit Verweis auf BT-Drs. 14/6040, S. 126, 163. Dies kann auf die öffentlich-rechtliche c.i.c. übertragen werden. Der BGH hat hierzu bereits 1952 klargestellt, dass kein Grund dafür ersichtlich sei, eine juristische Person des öffentlichen Rechts im Verkehr mit Privatrechtssubjek ten geringeren Sorgfaltsanforderungen zu unterwerfen als Privatpersonen, vgl. NJW 1952, 1130. 120 Vgl. BGHZ 71, 386; BGHZ 76, 343. 121 So in BGHZ 71, 386; BVerwG NJW 2002, 2894; OLG Brandenburg BauR 2010, 951 f.; Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, 2000, S. 469 ff. 122 Hierzu OVG Münster DÖV 1971, 276. 123 Vgl. etwa OLG Düsseldorf NJW-RR 1986, 508; BGH DÖV 1993, 307; Jäckle NJW 1990, S. 2520 ff., 2524 m. w. N. aus dem Zivilrecht.
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(b) Grundloser Abbruch der Vertragsverhandlungen als relevante Pflichtverletzung der Bundesregierung Pflichten zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils können dann entstehen, wenn „eine Seite durch ihr Verhalten bei den Vertragsverhandlungen ein berechtigtes Vertrauen der anderen Seite auf das Zustandekommen des Vertrags erweckt oder genährt“124 hat. Im Planungsrecht sind nicht selten Konstellationen anzutreffen, in denen die Gemeinde in Verhandlungen mit einem bauwilligen Privatrechtssubjekt betreffend die bestimmte Nutzung eines Grundstücks, verbunden mit der diesbezüglichen Änderung des Bebauungsoder Flächennutzungsplans tritt. Der Betroffene tätigt auf Grundlage der Erklärungen der Gemeinde sodann Investitionen (i. d. R. Planungskosten) oder geldwerte Planungsleistungen, welche in der Folge jedoch gegenstandlos werden, da die Gemeinde ihr Planungsermessen letztlich dennoch anders ausübt als zuvor erklärt.125 Die Rechtsprechung verneint in diesen Konstellationen regelmäßig eine Sorgfaltspflichtverletzung der Gemeinde wegen grundlosen Abbruchs von Vertragsverhandlungen. Breche die Gemeinde die Vertragsverhandlungen ab, so liege kein zum Schadensersatz aus c.i.c. führender grundloser Abbruch vor, wenn die Gemeinde ein anderes Planungskonzept entwickelt und dadurch ein früheres Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans aufhebt. Das gemeindliche Planungsermessen stellt in diesen Fällen einen „sachlichen Grund“ dar, welcher den Abbruch der Vertragsverhandlungen dergestalt „rechtfertigt“, dass er nicht grundlos erfolgt. Die Wahrung des gemeindlichen Planungsermessens überwiegt mithin den Schutz der Rechte, Rechtsgüter und Interessen des potentiellen Vertragspartners. Fraglich ist, ob diese Rechtsprechung auch im Falle eines Gesetzgebungsvertrags Anwendung finden kann. Die beiden Konstellationen des Gesetzgebungsvertrags einerseits sowie des Vertrags zwischen Gemeinde und Bürger nach § 11 BauGB andererseits verfügen bei rein formaler Betrachtung über große Gemeinsamkeiten. Denn in beiden Konstellationen verspricht ein Hoheitsträger (Bundesregierung/Bürgermeister) vertraglich einen Hoheitsakt (Gesetz/Satzung), dessen Erlass nach den einschlägigen Kompetenzvorschriften (Art. 76 ff. GG/§ 10 BauGB, § 41 Abs. 1 lit.f) GO NRW) einer dritten, normsetzenden Institution (Bundestag/Gemeinderat) zusteht, wobei die Entscheidung in deren Ermessen (Gesetzgebungsermessen/Planungsermessen) liegt. Maßgeblich für die Frage, ob und inwieweit die Rechtsprechung dem Grunde nach zu übertragen ist, ist letztlich aber die Vergleichbarkeit von Planungs- und Gesetzgebungsermessen (materielle Betrachtung). Denn ausweislich der angeführten Rechtsprechung stellt einzig das gemeindliche Planungsermessen den sachlichen Grund für einen begründeten Abbruch der Vertragsverhandlungen dar. 124
Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, 2014, § 62 Rn 49. So in BGHZ 71, 386; ebenso BGH NVwZ 2006, 1207; OLG Stuttgart BeckRS 1999, 17407; OLG Düsseldorf NJW-RR 2013, 924. 125
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Das Planungsermessen ist eine Form des Verwaltungsermessens. Letzteres unterscheidet sich von dem Gesetzgebungsermessen grundsätzlich in der unterschiedlichen Legitimationswirkung sowie in Funktion und Geltungsweite.126 Die Behörde ist kein „Gesetzgeber im Kleinen“. Sie wird vielmehr derivativ als administrativer Rechtsetzer zum Zwecke der Rechtskonkretisierung tätig. Sie ist nicht unmittelbar demokratisch legitimiert. Der parlamentarische Gesetzgeber hingegen übt sein Ermessen originär als unmittelbar demokratisch legitimiertes Organ aus127 – wird mithin direkt vom Wahlvolk eingesetzt.128 Das Ermessen der Verwaltung ist dementsprechend restriktiv ausgestaltet. Es besteht lediglich auf der Tatbestandsebene („Beurteilungsebene“) sowie auf der Rechtsfolgenseite („Handlungsermessen“) einer bereits geschaffenen Norm.129 Rechtstheoretisch handelt es sich bei dem Verwaltungsermessen somit um ein Regel-Ausnahme-Verhältnis. Der Ausübung des Gesetzgebungsermessens ist eine solchermaßen normative Bindung fremd. Der Gesetzgeber ist nicht unter bestimmten Voraussetzungen zu einem bestimmten legistischen Verhalten befugt oder verpflichtet. Das Grundgesetz – als normative Rahmenvorgabe für Gesetzgebungsakte – enthält lediglich einseitige Kompetenz- und Verfahrensvorschriften. Daneben postuliert es die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung (Art. 20 Abs. 3 GG) und die Grundrechte (Art. 1 Abs. 3 GG). Konkrete Verpflichtungen des Gesetzgebers wurden nur in ganz bestimmten Ausnahmefällen statuiert (vgl. Art. 6 Abs. 5, 3 Abs. 2 S. 2 GG).130 Ein wesentlicher Unterschied zwischen Gesetzgebungs- und Verwaltungsermessen liegt mithin darin, dass das Gesetzgebungsermessen in seiner Intensität nicht bloß punktuell, sondern generell wirkt, d. h. dem Hoheitsträger weitaus mehr Spielraum hinsichtlich des „Ob“ und des „Wie“ zur Verfügung steht. Im Gegensatz zum Verwaltungsermessen hat es der Gesetzgeber nicht mit einem abgeschlossenen Kreis von Alternativen zu tun. Ihm stehen allerlei Wahlmöglichkeiten zur Verfügung. Die Bindung an die Verfassung ändert an dieser Bewertung nichts.131 Grundsätzlich bestehen somit essentielle Unterschiede zwischen Verwaltungs- und Gesetzgebungsermessen Dem Planungsermessen kommt insoweit eine „Zwitterstellung“ zu.132 Zwar wird es innerhalb der Verwaltung ausgeübt. Diese übt es jedoch als Teil ihrer Rechtsetzungsfunktion aus. Der Einwand, dass das Verwaltungsermessen gegenüber dem Gesetzgebungsermessen an einem Legitimationsdefizit leidet, greift im Falle des Planungsermessens nicht. Denn der unmittelbaren Legitimation des Gesetz 126 Das Gesetz richtet sich dauerhaft an die Allgemeinheit, wohingegen Satzungen auf die „Interessen und den Geltungsbereich autonomer juristischer Personen gerichtet sind“, vgl. Kloepfer DVBl. 1995, S. 441 ff., 445. 127 Kloepfer DVBl. 1995, S. 441 ff., 444. 128 Gesetzgebungsermessen besteht mithin originär, wohingegen Verwaltungsermessen eingeräumt werden muss. 129 Daneben besteht behördliches Ermessen im Bereich der Eingriffsverwaltung. 130 Weitere Fälle einer Gesetzgebungspflicht s. o. unter C. III. 2. c). 131 Vgl. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, 2000, S. 270 ff., 281 ff. und 317 ff. 132 Vgl. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, 2000, S. 289.
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gebers entspricht die eigene, direkte Legitimation des von den Bürgern gewählten Gemeinderats, mithin des „Ortsgesetzgebers“ oder „Kommunalparlaments“.133 Das Planungsermessen unterscheidet sich in wesentlichen Punkten von dem Verwaltungsermessen. Es steht seinem rechtlichen Wesen nach dem Gesetzgebungsermessen näher. Insoweit sind keine Einwände dagegen ersichtlich, die o.g. Rechtsprechung auf das Gesetzgebungsermessen zu übertragen. Denn die Überlegung, dass der Träger der kommunalen Planungshoheit in seinem Planungsermessen nicht fremd gebunden werden darf, da er die Ausübung seines Planungsermessen an tatsächliche und rechtliche Änderungen und stets im Sinne des gesamt-gemeindlichen Interesses anpassen muss, lässt sich auch auf das Ermessen des Bundesgesetzgebers übertragen. In Konsequenz bedeutet dies, dass der (Nicht-) Beschluss eines Gesetzes, welches von der Erklärung der Bundesregierung im Gesetzgebungsvertrag abweicht, nicht zu einem grundlosen Abbruch der Vertragsverhandlungen dergestalt führt, dass eine haftungsauslösen Sorgfaltspflichtverletzung vorliegt. Das anderweitig ausgeübte Gesetzgebungsermessen ist insoweit – in parallele zum gemeindlichen Planungsermessen – ein hinreichender sachlicher Grund. (c) Verletzung von Informations-, Aufklärungs- und Sorgfaltspflichten (aa) Begriff und Inhalt der Aufklärungspflicht Unter einer Aufklärungspflicht wird die Pflicht einer Vertragspartei verstanden, den anderen Teil „unaufgefordert […] über erkennbar entscheidungserhebliche Umstände zu informieren, die ihm verborgen bleiben“.134 Gegenstand der Aufklärungspflicht sind in der Regel Informationen, die die „informationelle Entscheidungsgrundlage“ des Vertragspartners hinsichtlich des „Ob“ und des „Wie“ des Vertragsschlusses verbessern sollen.135 Die Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss ist in diesen Fällen die Konsequenz einer durch das Vorenthalten relevanter Informationen zumindest mitveranlassten Verhaltensreaktion des Vertragspartners.136 Die Annahme einer Aufklärungspflicht setzt zunächst ein Informationsgefälle voraus. Demnach muss eine Partei bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses über Informationen verfügen, welche für den anderen Teil von entscheidungserheblicher Bedeutung sind. Die Partei muss positive Kenntnis von dieser Information haben. Im Einzelfall kann jedoch auch eine Pflicht zur Kenntnisverschaffung aus zugänglichen Informationen bestehen. Der Partei muss daneben bekannt sein, dass 133
Vgl. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, 2000, S. 289 m. w. N. Roth/Bachmann, in: MüKo BGB, §§ 241–432, 2012, § 241 Rn 130. 135 Rehm, Aufklärungspflichten im Vertragsrecht, 2003, S. 3. 136 Roth/Bachmann, in: MüKo BGB, §§ 241–432, 2012, § 241 Rn 130. 134
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die entsprechende Information dem Vertragspartner unbekannt ist, für seinen Vertragsentschluss jedoch von wesentlicher Bedeutung ist oder vernünftigerweise sein müsste.137 Liegt demgemäß ein Informationsgefälle vor, ist in einem zweiten Schritt zu bestimmen, inwieweit die Partei tatsächlich verpflichtet ist, den Vertragspartner hierüber in Kenntnis zu setzen. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass es keine allgemeine Rechtspflicht des anderen Teils gibt, den Vertragspartner über alle Tatsachen aufzuklären, die potentiell geeignet sind, Einfluss auf sein vertragliches Entscheidungsverhalten zu nehmen.138 Dies folgt bei Austauschverträgen bereits aus dem „natürlichen Interessenwiderstreit“ der Vertragspartner.139 Jede Partei möchte unter ökonomischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Gesichtspunkten jeweils „das Beste rausholen“, dementsprechend seinen Rechten, Rechtsgütern und Interessen vollumfänglich Geltung verleihen; sei es unter Inkaufnahme eines Nachteils für die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der Gegenseite. Würde unter Berücksichtigung dieser Ausgangslage eine allgemeine Rechtspflicht zur Aufklärung angenommen, so hätte dies zur Folge, dass die natürlichen Mechanismen der Marktwirtschaft, beispielsweise die Gewinnerzielung auf Kosten der Gegenseite sowie die Ausnutzung besserer Marktkenntnisse140, konterkarieret würden. Auch dem Gesetzgebungsvertrag als konsensualer Vereinbarung, bei der jede Partei eine Leistung gerade im Austausch für die Leistung der anderen Partei erbringt bzw. verspricht (Austauschvertrag; do ut des), liegt ein solcher Interessenwiderstreit zugrunde. Lediglich in Ausnahmefällen führt die Ausnutzung eines Informationsvorsprungs dazu, dass ein Verstoß gegen die „Waffengleichheit oder Fairness am Markt“ anzunehmen ist. Es stellt sich die Frage, wann ein vertragliches Verhalten als „berechtigtes Gewinnzustreben“ anzusehen ist, mithin der „Wahrung der Interessen der Gegenpartei“ genüge getan ist.141 Maßgeblich hierfür ist nach der Rechtsprechung, ob und inwieweit „der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung redlicher Weise die Mitteilung von Tatsachen erwarten durfte, die für die Willensbildung des anderen Teils offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung sind“.142 Erforderlich ist eine wertende Betrachtung, welche maßgeblich von der Risikoverteilung im Einzelfall abhängt. In Ausgleich zu bringen sind das „schutzwürdige Informationsbedürfnis“, der „Informationsvorsprung“ und die „Vertrauensprägung des Rechtsverhältnisses“.143 137
Roth/Bachmann, in: MüKo BGB, §§ 241–432, 2012, § 241 Rn 140 f. Roth/Bachmann, in: MüKo BGB, §§ 241–432, 2012, § 241 Rn 142; Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, 2014, § 62 Rn 51. 139 Roth/Bachmann, in: MüKo BGB, §§ 241–432, 2012, § 241 Rn 142. 140 Roth/Bachmann, in: MüKo BGB, §§ 241–432, 2012, § 241 Rn 142. 141 Roth/Bachmann, in: MüKo BGB, §§ 241–432, 2012, § 241 Rn 142. 142 BGH NJW 1979, 2243; NJW 1991, 1223; NJW 2001, 3331; BGHZ 117, 280; NJW-RR 2008, 258; NJW 2010, 3362. 143 Roth/Bachmann, in: MüKo BGB, §§ 241–432, 2012, § 241 Rn 142. 138
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(bb) Das Grundproblem der Risikoverteilung Die nachvertragliche Annahme einer Aufklärungspflicht stellt eine „Risikoverlagerung aus Billigkeitsgründen“ dar. Es findet eine Überwälzung der angefallenen Verluste auf den Vertragspartner statt, der einen mitteilungspflichtigen Informa tionsvorsprung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses genossen hat.144 Insbesondere die dem Staat angelasteten Risikoübernahmen werden durchaus restriktiv behandelt.145 Literatur und Rechtsprechung begründen diese Bewertung vornehmlich mit der „fortbestehenden Eigenverantwortung des Bürgers“.146 Das Risiko, dessen sich der Bürger bewusst und in Ausübung seiner Freiheitsrechte aussetze, sei das „Korrelat“ der Möglichkeit zur freien Entfaltung und der damit verbundenen Gewinnschöpfung. Die Verbindung von Vorteil und Risiko wählt der Grundrechtsträger mithin selbst. Dem Staat im Rahmen dieser Freiheitsausübung die Rolle eines „allgemeinen Ausfallbürgen“147 beizumessen, stehe nicht im Einklang mit der freien Wirtschaftsordnung, die gerade durch das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit geprägt sei. Diesem Prinzip würden Vorteil und Risiko zu gleichen Teilen inne wohnen.148 Andernfalls käme es zu einer „Sozialisierung privater Lasten“.149 Denn Staatshaftung ist regelmäßig eine Haftung der Allgemeinheit. Spiegelbildlich trägt die Allgemeinheit jedoch nicht auch den Vorteil. Dieser verbleibt bei dem einzelnen Bürger. Das Argument der Eigenverantwortung als Ausschlusskriterium für staatliche Einstandspflichten im Haftungsbereich sieht sich jedoch folgender Restriktion ausgesetzt: Zunächst ist der Bewertung zu folgen, dass es nicht Aufgabe des Staates sein kann, als „Garant“ für die wirtschaftliche Betätigung des Bürgers einzuspringen. Verantwortlich für den wirtschaftlichen Erfolg ist zuvorderst ausschließlich derjenige, der zur Verwirklichung des Erfolges ein Risiko auf sich nimmt, also der eigenverantwortlich am Markt auftretende („wirtschaftende“) Bürger. Die Zusammengehörigkeit von Vorteil und Risiko als Konsequenz der Eigen 144
Roth/Bachmann, in: MüKo BGB, §§ 241–432, 2012, § 241 Rn 144. Normativ findet diese subsidiäre Staatshaftung beispielsweise Ausdruck in § 839 Abs. 1 S. 2 BGB. Demnach besteht ein Bedürfnis für amtshaftungsrechtlichen Schutz dann nicht, soweit der Geschädigte Ansprüche gegen Dritte hat. 146 Vgl. Kümper, Risikoverteilung im Staatshaftungsrecht, 2011, S. 107 m. w. N. zum Meinungsstand; für die eine weitreichende Eigenverantwortung des Bürgers Pietzcker JZ 1985, S. 209 ff., 214, 216; Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 1992, S. 92 ff.; Hillgruber, Der Schutz des Menschen vor sich selbst, 1992, S. 63 ff., 111 ff.; Auch der BGH betont in seiner Rechtsprechung, dass es nicht Aufgabe staatlicher Aufsicht sei, den Bürger vor Vermögenseinbußen bzw. Gewinneinbußen zu schützen, vgl. BGH NJW 1965, 200 f.; OLG Zweibrücken VersR 2000, 1371 ff.; für eine weitreichende Risikoübernahme des Staates Hörstel VersR 1996, S. 546 ff.; ebenso bereits Dietzel JZ 1969, S. 48 ff., 50 f. 147 Kümper, Risikoverteilung im Staatshaftungsrecht, 2011, S. 107 f.; ebenso Püttner JZ 1982, S. 47 ff., 50. 148 Umfassen hierzu Rebhahn, Staatshaftung wegen mangelnder Gefahrenabwehr, 1997, S. 214 ff. 149 Kümper, Risikoverteilung im Staatshaftungsrecht, 2011, S. 108 f. 145
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verantwortlichkeit wirkt sich mithin als entlastender Faktor für die Staatshaftung aus. Das Eigenverantwortungsargument wird jedoch dann zurückgedrängt, wenn das Maß an staatlicher Mitverantwortung steigt. Ist eine wirtschaftliche Investition staatlich mitveranlasst, kann das „plakative Schlagwort der ‚Sozialisierung‘“ den Staat nicht aus seiner Verantwortung entlassen.150 Entscheidend für die Bewertung der Risikoverteilung ist an dieser Stelle die Ermittlung und Abgrenzung von Verantwortungssphären. Das Prinzip der Eigenverantwortung ist in diesem Zusammenhang kein entscheidendes „Alles-oder-Nichts“-Kriterium. Mit Kümper stellt es lediglich ein Kriterium dar, welches „ein […] Ergebnis begrifflich fassbar“ macht.151 Konkret findet die Bestimmung von Verantwortungssphären als Grundlage einer Risikoverteilung im Rahmen einer Interessenabwägung statt. Zu Fragen ist, ob und inwieweit eine Verlagerung des verwirklichten Risikos gerechtfertigt ist,152 d. h. die schwächere Partei gegenüber der überlegenen Partei Schutz verdient. Dieser Schutzgedanke steht gleichzeitig im Spannungsfeld zum „natürlichen Vertragsrisiko“. Er darf nicht das Instrument zur Absicherung einer „Spekulation auf fremde Kosten“ werden.153 Erst wenn das Gleichgewicht zwischen Gewinnchance und Schadensrisiko (d. h. Vorteil und Risiko) gestört ist, bedarf es einer normativen Korrektur,154 wobei im Sinne eines negativen Tatbestandsmerkmals zu fordern ist, dass die Partei nicht überzogen optimistisch oder unter erhöhter Risikobereitschaft tätig wird, vielmehr seine Entscheidung rational abgewogen hat.155 Insbesondere im Rahmen von Aufklärungspflichten ist an dieser Stelle zu berücksichtigen, dass ökonomisch betrachtet einer Information grundsätzlich ein Marktwert inne wohnt. Der Prozess der Informationsbeschaffung kann dabei bei dem Inhaber Kosten begründet haben, welche er durch das Geschäft zu amortisieren versucht.156 Eine Aufklärungspflicht könnte dieses Bestreben konterkarieren. Festzuhalten ist letztlich, dass die Bewertung der Risikoverteilung nicht das „Ob“ der Aufklärungspflicht betrifft, sondern Art und Umfang des Schadensersatzes bestimmt. Die Risikoverteilung wird mithin sinnvollerweise als Faktor auf der Rechtsfolgenseite (etwa im Rahmen des § 254 BGB), nicht auf Tatbestandsebene relevant.
150
Ebenso Kümper, Risikoverteilung im Staatshaftungsrecht, 2011, S. 110. Kümper, Risikoverteilung im Staatshaftungsrecht, 2011, S. 110. 152 Roth/Bachmann, in: MüKo BGB, §§ 241–432, 2012, § 241 Rn 144. 153 Roth/Bachmann, in: MüKo BGB, §§ 241–432, 2012, § 241 Rn 144. 154 Roth/Bachmann, in: MüKo BGB, §§ 241–432, 2012, § 241 Rn 144 die daneben ein Eingreifen der Rechtsordnung dann fordern, wenn bei bestehendem Gleichgewicht das übernommene Risiko unzumutbar oder ungewollt ist und die Partei dementsprechend schutzwürdig erscheint. 155 Die „individuelle Fähigkeit zum Selbstschutz“ darf mithin nicht fehlen, vgl. Roth/Bachmann, in: MüKo BGB, §§ 241–432, 2012, § 241 Rn 146. 156 Roth/Bachmann, in: MüKo BGB, §§ 241–432, 2012, § 241 Rn 143. 151
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(cc) Risikoverteilung bei normativen Informationen, die den Vertragszweck gefährden In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass bei Verhandlungen über den Abschluss eines Vertrags regelmäßig die Verpflichtung besteht, den anderen Teil über Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck gefährden und für die Entschließung des Partners von wesentlicher Bedeutung sein können.157 Auf dieser Grundlage kommt ein Ersatz des Vertrauensschadens insbesondere dann in Betracht, wenn ein Vertragspartner „es […] nach Vertragsschluss unterlässt, dem Vertragspartner wesentliche Informationen über die voraussichtliche Undurchführbarkeit des Geschäfts zu geben, und dieser deshalb Dispositionen trifft, die ihm schädlich sind“. Auch darf der Vertragspartner nicht „Vertrauen […] auf das […] Zustandekommen eines Vertragsverhältnisses erweck[en]“, wenn ein vertraglich vereinbartes Ziel „aus Rechtsgründen nicht erreichbar“ ist, insbesondere weil die „rechtliche Bindung“ des Hoheitsträgers (in diesem Fall einer Gemeinde) nicht wirksam erfolgen kann, der private Vertragspartner mithin lediglich auf das „tatsächliche Bewirken“ durch den Hoheitsträger (in diesem Fall die Gemeinde) verwiesen ist.158 Andernfalls sieht sich die unterlegene Partei einem hohen wirtschaftlichen Risiko ausgesetzt.159 Er erbringt eine Leistung, ohne dafür einen entsprechenden Gegenwert zu erhalten. In diesen Fällen, d. h. wenn die wirksame Durchführung des Rechtsgeschäfts an normativen Hürden scheitern kann, wohnt der Information zumeist kein wirtschaftlicher Wert inne, den es zu amortisieren gilt. Es geht vielmehr um rechtliche Hürden, welche die Wirksamkeit des Vertrags beeinträchtigen, wobei einer Partei aufgrund ihrer verbesserten Rechtskenntnis diese Hürde bekannt ist. Zwar kann auch der normativen Information ein Wert inne wohnen – etwa wenn die Kenntnis auf einer vorgelagerten gutachterlichen Prüfung basiert. Einer Information betreffend die Rechtslage im Allgemeinen und die Durchführbarkeit eines Rechtsgeschäft im Besonderen ist die wirtschaftliche Werthaltigkeit aber insbesondere dann abzusprechen, wenn ein Hoheitsträger Inhaber einer Information ist, die aus seiner Sphäre kommt. Dies gilt vor allem für kompetenzrechtliche Zuständigkeiten und Verfahrensabläufe. Dieser, die geltende Rechtslage betreffende Informationsvorsprung, ergibt sich nicht aufgrund einer „Erwirtschaftung“, sondern ist dem Wesen des Hoheitsträgers immanent. Der Hoheitsträger verfügt kraft seiner Eigenschaft als Hoheitsträger zwingend über die Information, ob und inwieweit ein ihm zugehöriges Organ eine Tun, Dulden oder Unterlassen vornehmen darf oder wie der Stand eines unter seiner Leitung durchgeführten Verfahrens ist. Dieser Information kommt kein Wert zu, sodass es unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten keiner Rentabilität bedarf. Dementsprechend wird der Hoheitsträger durch die Preisgabe der Information nicht in einer 157
BGHZ 60, 221, 224; BGH NJW 1974, 859, 851 m. w. N.; ebenso Hartwieg JuS 1973, S. 733 ff., 737 m. w. N. 158 BGHZ 71, 386, 397 f. 159 Vgl. OLG Köln WM 1990, 1616; BGH NJW 2010, 3362.
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erwirtschafteten Rechtsposition beeinträchtigt. Die Aufklärungspflicht konterkariert nicht sein Kompensationsbestreben. Die Aufklärungspflicht über angeführte normative Informationen zu Lasten eines Hoheitsträgers bringt deshalb keine unzulässige Risikoverteilung mit sich. Mangels wirtschaftlicher Werthaltigkeit der Information besteht in diesen Fällen schon kein Risiko, welches durch die Anerkennung einer Pflicht zur Preisgabe relevanter Informationen geschaffen würde. Denn wo nicht die Gefahr einer Einbuße ist, kann auch kein Risiko bestehen. Art und Inhalt der Information können im Ergebnis nicht zu einer Risikoverlagerung in Richtung des unwissenden Vertragspartners führen. Dass über „besondere rechtliche Risiken“ aufzuklären ist, erkennt auch die Literatur an.160 Ob und inwieweit in den Fällen einer Beteiligung eines Hoheitsträgers am zweiseitigen Vertragsverhältnis eine solche Aufklärungspflicht anzuerkennen ist, wurde daneben in der Rechtsprechung diskutiert. Eine Gemeinde hatte mit einem Verband Verträge betreffend den Bau und Betrieb eines Altenpflegeheims geschlossen. Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses war der Gemeinde bekannt, dass das Baugrundstück im Flächennutzungsplan als Grünfläche ausgewiesen und eine Nutzung in der beabsichtigten Weise mithin nicht möglich war. Der Bundesgerichtshof bejahte eine Aufklärungspflicht zu Lasten der Gemeinde. Es habe ein Umstand vorgelegen, der den Vertragszweck gefährdet habe und für das Vertragsverhalten des Verbands von wesentlicher Bedeutung sei. Die Gemeinde habe durch die fehlende Aufklärung den Eindruck erweckt, bauplanungsrechtliche Hindernisse bestünden nicht.161 In einem ähnlichen Fall schloss die Gemeinde mit einem privaten Käufer einen Grundstückskaufvertrag. Dieser bedurfte einer Genehmigung der Rechtsaufsichtsbehörde. Dies wurde vertraglich festgehalten, wobei beide Parteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses eine solche Genehmigung für unproblematisch hielten. Nach Vertragsschluss kamen der Gemeinde sich verdichtende Zweifel an der Genehmigungserteilung, welche sich im Ergebnis als berechtigt herausstellten. Eine Mitteilung an den Bauherren unterließ die Gemeinde, obwohl sie Kenntnis über die vom Vertragspartner im Vertrauen auf die Genehmigungserteilung getätigten Investitionen hatte. Der Bundesgerichtshof nahm auch in diesem Fall eine Verletzung der Aufklärungspflicht durch die Gemeinde an.162 Diese habe die Pflicht, das Privatrechtssubjekt über planungsrechtliche Hindernisse aufzuklären. Eine weitergehende Aufklärungspflicht lehnte hingegen das LG Düsseldorf ab. Es urteilte, das es Sache des privaten Vertragspartners sei, sich über die Entscheidungskompetenz der juristischen Person des öffentlichen Rechts Klarheit zu ver-
160
Roth/Bachmann, in: MüKo BGB, §§ 241–432, 2012, § 241 Rn 149 m. w. N. BGH NVwZ 1982, 145; in Bezug auf die Aufklärungspflicht aufbereitet bei Jäckle NJW 1990, S. 2520 ff., 2522. 162 BGH NVwZ 1982, 145; Jäckle NJW 1990, S. 2520 ff., 2522; vgl. auch BGHZ 71, 386. 161
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schaffen.163 Dem ist nicht zu folgen. Entgegen der Ansicht des LG Düsseldorf ist mit der herrschenden Literatur auch eine Aufklärungspflicht hinsichtlich besonderer rechtlicher Hindernisse anzunehmen, insbesondere wenn das Hindernis „in der Person einer Seite begründet [ist] oder aus anderen Gründen der Gegenpartei nicht bekannt“ zu sein braucht. Dies gilt ausdrücklich für die Genehmigungsbedürftigkeit, welche in der Eigenart einer (natürlichen oder juristischen) Person des öffentlichen Rechts begründet ist.164 Somit haben auch Gemeinden über Art und Umfang aufsichtsbehördlicher Genehmigungen aufzuklären, insbesondere über deren Erforderlichkeit für die Rechtswirksamkeit des Rechtsgeschäfts.165 Auch nach Auffassung des Bundesgerichtshofs muss jede Partei die andere über das Erfordernis einer behördlichen Genehmigung informieren, sofern zwischen den Parteien diesbezüglich ein Informationsgefälle vorliegt. Dieses bestehe in der Regel zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts und anderen Privatrechtssubjekten.166 Ob und inwieweit eine Aufklärungspflicht in den Fällen rechtlicher bzw. normativer Hürden besteht, ist anhand der Erkennbarkeit des Umstandes für die Gegenpartei zu ermitteln. Zunächst trifft den Staat als Vertragspartner keine Pflicht, über alle normativ für das Geschäft in Betracht kommenden Vorrausetzungen und Hürden aufzuklären. Dies käme einer unzulässigen allgemeinen Rechtspflicht zur Aufklärung gleich. Gerade im Bereich der Kompetenz- und Verfahrensordnung ist eine solche Aufklärungspflicht mit der zitierten Rechtsprechung jedoch anzunehmen. Dies gilt auch für Bundesorgane. Denn insbesondere die verfassungsrechtlich vorgezeichneten Kompetenz- und Verfahrensvorschriften sind regelmäßig Gegenstand erheblicher Kontroversen. Dem Bürger ist es nicht zumutbar, über den Gang eines Verfahrens sowie die einzelnen rechtlichen Befugnisse eines daran beteiligten Organs Bescheid zu wissen. An dieser Stelle ist es vielmehr eine originäre staatliche Pflicht, den Bürger über diesbezügliche Voraussetzungen und Hürden zu informieren. Dass gilt umso mehr, je größer die Gefahr für Rechte, Rechtsgüter und Interessen des privaten Vertragspartners im Falle des Verschweigens dieser Informationen sind. Denn vor allem dann, wenn kompetenz- und verfahrensrechtliche Hürden die Erbringbarkeit der Leistungspflicht des Hoheitsträgers gefährden, sieht sich der Vertragspartner sowie das Rechtsgeschäft im Ganzen einer Gefahr ausgesetzt, deren Ursache der Sphäre des Hoheitsträgers entstammt. Ihm ist die Aufklärung hierüber zumutbar. Etwaige Einbußen sind damit nicht verbunden. Einzig seine Verhandlungsposition wird geschwächt, wobei diese Abschwächung nicht zu einer Unterlegenheit des Hoheitsträgers führt, sondern vielmehr zur Parität. 163
NJW 1976, 298; dem folgend Jäckle NJW 1990, 2520, 2522. Roth/Bachmann, in: MüKo BGB, §§ 241–432, 2012, § 241 Rn 149; BGHZ 18, 248, 252. 165 Vgl. Roth/Bachmann, in: MüKo BGB, §§ 241–432, 2012, § 241 Rn 149, die ausdrücklich der oben genannten Entscheidung des LG Düsseldorf entgegentreten. 166 Roth/Bachmann, in: MüKo BGB, §§ 241–432, 2012, § 311 Rn 82 mit Verweis auf BGHZ 14, 1; 18, 248, 252; 54, 71, 73 f.; 67, 34, 35 ff.;178, 245, 250. 164
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(dd) Einschränkung (α) Kein Aufklärungsanspruch bei bewusstem Risikogeschäft Ist einer Partei positiv bekannt, dass es sich um ein risikobehaftetes Geschäft handelt und lässt sich die Partei bewusst auf dieses Geschäft ein, so liegt hierin ein Verzicht auf einen etwaig bestehenden Aufklärungsanspruch gegenüber der anderen Partei.167 Ein Risikogeschäft liegt dann vor, wenn sich die Vertragsparteien über das Wertverhältnis von Leistung und Gegenleistung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht im Klaren sind. Das Geschäft wird dennoch von beiden Parteien in der Hoffnung getätigt, „ein gutes Geschäft zu machen“. Derartige Risikogeschäfte sind zumeist gekennzeichnet durch ein ex tunc bestehendes, prognostisches Ungleichgewicht zwischen den Leistungsversprechen. Die eine Partei verspricht eine Leistung, welche in ihrer Wertigkeit der Gegenleistung unterliegt. Um dieses Ungleichgewicht zwischen den geschuldeten Leistungen „auszutarieren“, trägt die Partei wissentlich ein dem Geschäft anhaftendes Risiko. Würde in derartigen Konstellationen eine Aufklärungspflicht sowie ein daraus resultierender Schadensersatzanspruch zugunsten der das Risiko tragenden Partei angenommen, so hätte dies eine unzulässige Umverteilung bzw. „Störung“ des vertraglich vereinbarten Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung zur Folge. Denn das Risiko ist von den Parteien wertungsmäßig mit der gesteigerten Erfolgschance verbunden worden. Die künstliche Aufspaltung von Risiko und Erfolg dergestalt, dass der Erfolg (in Gestalt des nachvertraglich gewährten Schadensersatzanspruchs) der Partei verbleibt, die sich zur Übernahme des Risikos bereit erklärt hat, wohingegen das Risiko der Gegenseite übertragen wird, ist unbillig. Für den Gesetzgebungsvertrag lässt sich eine derartige Einschränkung der Aufklärungspflicht mit zwei Kontrollfragen annehmen oder ablehnen. Zunächst ist anhand der Wertigkeiten von Leistung und Gegenleistung zu ermitteln, ob es sich um ein Risikogeschäft handelt. Sodann ist die positive Kenntnis der aufklärungsbedürftigen Partei sowie die Übernahme des Risikos von dem möglicherweise schadensersatzpflichtigen Vertragspartner darzulegen. Maßgeblich ist letztlich, ob die sich auf die Aufklärungspflicht berufende Partei bewusst ein Risiko übernommen hat, welches als Verzicht auf die Aufklärungspflicht gewertet werden kann.
167 Vgl. ebenso Rehm, Aufklärungspflichten im Vertragsrecht, 2003, S. 259 f. m. w. N. und Beispielen aus der zivilgerichtlichen Rechtsprechung.
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(β) Kein Aufklärungsanspruch bei eigener Erkenntnismöglichkeit des Aufklärungsbedürftigen Die Verteilung des Informationsrisikos ist auch danach zu bewerten, inwieweit die scheinbar aufklärungsbedürftige Partei einen Umstand hätte selbst erkennen, d. h. eine Information hätte erwerben können.168 Vermeidbare Informationsdefizite sind zumeist das Resultat mangelnder Zeit oder Mühe. In diesen Fällen ist das vorvertragliche Informationsdefizit nicht durch einen nachvertraglichen Schadensersatzanspruch auszugleichen. Die Nichtbeseitigung des eigenen Informationsdefizits ist in diesen Fällen als „Verschulden gegen sich selbst“ zu werten. Diese Einschätzung entspricht der eingangs dargestellten Risikoverteilung. Der Vertragspartner darf nicht dafür haften, dass eine Partei die ihr offenstehenden Erkenntnismöglichkeiten nicht vollumfänglich ausschöpft. Wann sich eine vertragserhebliche Information der Erkenntnismöglichkeit des Aufklärungsbedürftigen verschließt und wann sie ihr zugänglich ist, lässt sich nur anhand des jeweiligen Einzelfalls bewerten. Für den Gesetzgebungsvertrag gilt dabei, dass die Kenntnis über die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts den Anspruch aus c.i.c. mangels Aufklärungspflichtverletzung entfallen lässt. (γ) „Faktischer Druck“ als einschränkendes Kriterium? Insbesondere für das Verwaltungsrecht wird angeführt, dass die Begründung von Haftungstatbeständen negative Auswirkungen auf das Verwaltungshandeln hat. So werde der handelnde Amtswalter zu intensiverer Prüfung veranlasst, wodurch behördliche Entscheidungsvorgänge verzögert oder vollständig ausbleiben könnten.169 Zudem sei die private Handlungsfreiheit durch eine stärkere Staatshaftung gefährdet. Denn die Erweiterung der Staatshaftung könne zur Erweiterung staatlicher Aufsichtsbefugnisse führen, genauer einer größeren Beeinflussung und Überwachung der Bürger.170 Freilich kann dies nicht abstrakt für sämtliche Bereiche staatlicher Tätigkeit gelten. So bestehen insbesondere zwischen dem verwaltungsbehördlichen und dem staatsleitenden, verfassungsrechtlichen Handeln erhebliche Strukturunterschiede. Doch auch für den Bereich der gemeinsamen Bauleitplanung von Gemeinde und 168
Ausführlich zum Zivilrecht vgl. Rehm, Aufklärungspflichten im Vertragsrecht, 2003, S. 261 m. w. N. 169 Vgl. Kümper, Risikoverteilung im Staatshaftungsrecht, 2011, S. 124. Fellenberg, Die amtshaftungsrechtliche Vertrauenshaftung für fehlerhafte Genehmigungen und Auskünfte, 2005, S. 82 ff. spricht zudem von „Vermeidungsstrategien“ durch die Versagung von Auskünften und Genehmigungen. Roßnagel ZUR 1994, S. 185 weist daneben für das Atomrecht darauf hin, dass der behördliche Aufwand in die Vermeidung von Ersatzansprüchen intensiver würde, als die sachliche Prüfung der atomrechtlichen Genehmigung, 170 Pietzcker JZ 1985, S. 209 ff., 214.
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Bürger, welcher wie oben beschrieben der Konstellation des Gesetzgebungsvertrags besonders nahe steht, hat die Rechtsprechung für die Haftung der Gemeinde aus culpa in contrahendo wegen Verletzung der Aufklärungspflicht betreffend der Aufstellung eines bestimmten Bebauungsplans geurteilt, dass eine solche Haftung wegen des unerwünschten indirekten Zwangs auf die Handhabung des gemeindlichen Planungsermessens ausscheiden müsse.171 Auch bei der hier formulierten Haftung besteht grds. die Gefahr, dass sich der Gesetzgeber wegen einer sonst drohenden Haftung für den vorformulierten Entwurf in Gestalt des Gesetzgebungsvertrags ausspricht, um einer Haftung zu entgehen. Der Bundesgerichtshof ist soeben angeführter Rechtsprechung allerdings mit Recht entgegentreten. Der Rechtsgedanke der c.i.c. finde gerade dort Anwendung, „wo ein bestimmtes Verhalten des anderen Teils nicht erzwingbar ist, das Ausbleiben dieses Verhaltens jedoch mit der Sanktion des Schadensersatzes belegt wird“.172 Dem ist sich insbesondere deswegen anzuschließen, als ein rechtlich relevanter Zusammenhang zwischen dem Schadensersatz und der Ausübung des parlamentarischen Gesetzgebungsermessens (i. S. e. „entweder/oder“) nicht besteht. Ein solcher ist lediglich faktischer oder rechtspolitischer Natur. Diese Einwände können jedoch mangels rechtlicher Qualität keinen tauglichen Erlöschensgrund bilden. Darüber hinaus regt die Sanktion mit dem Schadensersatz regelmäßig zu verantwortungsvollem Handeln an. Auch der Einwand, ein Schadensersatzanspruch müsse ausscheiden, da öffentliche Ersatzleistungen dazu geeignet seien, erhebliche Auswirkungen auf die Staatsfinanzen zu entfalten, ist zurückzuweisen. Ob und inwieweit der Schutz der Staatsfinanzen als Ausschlussgrund für eine etwaige Staatshaftung herangezogen werden kann, erscheint äußerst fragwürdig. Denn bei diesem sachlichen Einwand handelt es sich um eine Folgeerwägung, welche in keinem rechtlichen Zusammenhang zu dem vorangegangenen, haftungsbegründenden Staatshandeln steht. Fiskalische Folgeerwägungen müssen an dieser Stelle außer Betracht bleiben.173 Der Haftungsgrund „steht und fällt“ nicht mit der Liquidität des Haftenden. (4) Verschulden Das Verschulden des Schädigers wird grundsätzlich vermutet, § 280 Abs. 1 S. 2 BGB. Der Schuldner haftet für Vorsatz und Fahrlässigkeit. Anknüpfungspunkt für das Verschulden ist die unterlassene Aufklärung als ein in der Lebenswirklichkeit 171
BayOLG BayVBl. 1976, S. 378 ff., 379; zuvor bereits Luhmann BayVBl. 1974, S. 456 ff., 459. 172 BGH NJW 1978, 1802, 1804; BGHZ 76, 16, 27; ZfBR 1984, 146. 173 Ebenso Kümper, Risikoverteilung im Staatshaftungsrecht, 2011, S. 126 f. m. w. N.; auch Triantafyllou, Haftungsrechtliche Probleme der Staatsaufsicht in der Wirtschaft, 1991, S. 139, 172 f. kommt zu dem Ergebnis, dass die Rechtsprechung die Versagung von Staatshaftungsansprüchen bislang nicht unmittelbar auf den Schutz der Staatsfinanzen gestützt hat.
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liegender und vom Schuldner herbeigeführter (oder nicht herbeigeführter) Umstand, aufgrund dessen dem Vertragspartner ein Schaden entstanden ist. (5) Rechtsfolgen und Schaden Wird gegen Rücksichts- oder Schutzpflichten aus culpa in contrahendo verstoßen, sieht das Zivilrecht Rechtsfolgen in § 280 Abs. 1 i. V. m. §§ 249 bis 253 BGB vor. Der Geschädigte kann demnach von dem Schädiger verlangen, so gestellt zu werden, wie er ohne die von dem anderen Teil zu vertretende Pflichtverletzung während der Vertragsverhandlungen (hier: Aufklärungspflichtverletzung) stehen würde.174 Für das öffentliche Recht kann im Wesentlichen auf eine entsprechende Anwendung der zivilrechtlichen Vorschriften auf der Rechtsfolgenseite verwiesen werden,175 wobei auch eine Berücksichtigung des Mitverschuldens nach § 254 BGB in Betracht kommen kann. (a) Positives und/oder negatives Interesse des Geschädigten ersatzfähig? Von besonderer Bedeutung ist jedoch die Frage betreffend Art und Umfang des Vertrauensschadens, wobei dies maßgeblich davon abhängt, ob dem Geschädigten das „positive“ oder das „negative“ Interesse zu ersetzen ist. Grundsätzlich ist der Vertrauende so zu stellen, wie er ohne das schädigende Ereignis stehen würde (negatives Interesse). Das Zivilrecht erkennt darüber hinaus in gewissen Grenzen auch den Ersatz des positiven Interesses des Geschädigten an.176 Wird das positive Interesse des Geschädigten ersetzt ist er so zu stellen, wie er bei ordnungsgemäßer Durchführung des Rechtsgeschäfts stehen würde. In diesem Fall wird ein Erfüllungsanspruch gewährt. Diese Kategorisierung entspricht der im öffentlichen Recht vollzogenen Unterscheidung zwischen dem „Vertrauensschutz als Bestandsschutz“ und dem Vertrauensschutz in Form von „Ausgleichsleistungen“.177 Vertrauensschutz als Bestandsschutz, d. h. der Schutz des positiven Interesses des Geschädigten ist eine Form der Kontinuitätsgewähr. Zugunsten des Geschädigten wird von einer bestimmten
174
Umfassend hierzu Emmerich, in: MüKo BGB, §§ 241–432, 2012, § 311 Rn 199–211. So bei BGH NVwZ 2001, 116. 176 Ausführlich Fellenberg, Die amtshaftungsrechtliche Vertrauenshaftung für fehlerhafte Genehmigungen und Auskünfte, 2005, S. 59 f. 177 Vgl. Ossenbühl DÖV 1972, S. 25 ff., 30; Püttner VVDStRL 32 (1974), S. 200 ff., 217; Weber-Dürler, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht, 1983, S. 128 ff.; Kümper, Risikoverteilung im Staatshaftungsrecht, 2011, S. 94. Vertrauensschutz in Form von Bestandsschutz wird verschiedentlich auch als „primärer Vertrauensschutz“ bezeichnet, vgl. Middendorf, Amtshaftung und Gemeinschaftsrecht, 2001, S. 5 sowie Fellenberg, Die amtshaftungsrechtliche Vertrauenshaftung für fehlerhafte Genehmigungen und Auskünfte, 2005, S. 57 ff. 175
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staatlichen Entscheidung abgewichen. Dem Vertrauen auf den Bestand einer staatlichen Verhaltensweise kommt der Vorrang zu. Der Vertrauensschutz wirkt dann wie eine „Veränderungssperre“.178 Im Falle des Gesetzgebungsvertrags steht das bürgerliche Bestands- bzw. Kontinuitätsinteresse als Hinderungsgrund für eine Abweichungshandlung des Staates jedoch regelmäßig im Spannungsfeld zum Verfassungsrecht, welches das Abweichungsinteresse des Staates prägt. Das parlamentarische Staatshandeln findet seinen abstrakt-generellen Ausdruck im Legislativakt. Das Interesse des Einzelnen, konkret des Geschädigten muss hinter diesen Maßnahmen zurücktreten. Dem Bestands- bzw. Kontinuitätsinteresse kann nicht der Vorrang eingeräumt werden. Sekundär bedeutet dies, dass der Ersatzanspruch des Geschädigten nicht auf das positive Interesse ausgerichtet sein kann. Denn die Durchführung des Gesetzgebungsvertrags würde zu einer faktischen Umgehung und Entwertung verfassungsrechtlicher Vorgaben führen. Die zur Unwirksamkeit des Rechtsverhältnisses führenden Normen des Verfassungsrechts179 bezwecken den Schutz verfassungsrechtlicher Kompetenzen, welche Ausdruck demokratischer Errungenschaften wie etwa des Gewaltenteilungsprinzips (Art. 20 GG) sind. Andernfalls würden sie als zwingendes Recht ihre verbürgte Qualität vollumfänglich einbüßen. Der Schutzzweck der verletzten Normen steht dem Ersatz des positiven Interesses also entgegen.180 Daneben wird dem Geschädigten wohl niemals der Nachweis gelingen, dass bei ordnungsgemäßem Vorgehen des anderen Teils ein wirksamer Vertrag zustande gekommen wäre. Vielmehr wäre gar kein Vertrag zustande gekommen. Da aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses das positive Interesse nicht ersetzt werden kann, könnte ein Ersatz desselbigen durch Umwandlung in einen finanziellen Ausgleich möglich sein. Zunächst ist festzuhalten, dass der Umstand, dass die Verpflichtung zum Ersatz des Vertrauensschadens wirtschaftlich dem Erfüllungsinteresse entsprechen kann, keinen hinreichend Grund darstellt, den Hoheitsträger von einer Haftung zu befreien.181 Der entgegengesetzten Ansicht182 178 Ossenbühl DÖV 1972, S. 25 ff., 30; Maurer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band 4, 2006, § 60 Rn 7; Fellenberg, Die amtshaftungsrechtliche Vertrauenshaftung für fehlerhafte Genehmigungen und Auskünfte, 2005, S. 58 f.; Kümper, Risikoverteilung im Staatshaftungsrecht, 2011, S. 95. 179 Hierzu oben unter C. III. 180 Insoweit kann auch auf die im Zivilrecht geltende Argumentation verwiesen, wonach der Verstoß gegen Formvorschriften (bspw. § 311b BGB) aufgrund des Schutzzwecks der verletzten Norm zu einer Reduktion des Anspruchs aus c.i.c. auf den Ersatz des negativen Vertrauens führt. Eine entsprechende Reduktion hat die Rechtsprechung auch dann vorgenommen, wenn kommunalrechtliche Vorschriften über die Vertretung und Formbedürftigkeit der Geschäfte von Gemeinden verletzt wurden (BGHZ 92, 164, 174 ff.) sowie bei einem Verstoß des Vertrags gegen § 138 BGB. 181 So BGH NVwZ 2001, 116 für die Haftung einer Gemeinde; vgl. dazu, dass der Vertrauensschaden das Erfüllungsinteresse erreichen und u. U. sogar übersteigen kann vgl. BGHZ 57, 191, 193; 69, 53, 56; BGH NJW 1998, 2900 m. w. N. 182 Coing, FS Robert Fischer, 1979, S. 65 ff., 74 f.; Peters, FS Reinhardt, 1972, S. 127 ff.; Canaris JuS 1980, S. 332 ff., 334.
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ist nicht zu folgen. Denn Sinn und Zweck einer Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss ist es nicht, dem Geschädigten im Gewand des Vertrauensschadens einen Anspruch auf Vertragserfüllung zu geben. Vielmehr soll „dem Verhandlungspartner der durch das Scheitern der primären Vertragspflicht entstandene Schaden auf der Sekundärebene“ zugesprochen werden.183 Gegen den Ersatz des positiven Interesses spricht zudem folgende Erwägung: Die öffentlich-rechtliche c.i.c. fragt danach, ob ein Hoheitsträger in pflichtwidriger Weise eine Vertrauensgrundlage gesetzt hat, die Grundlage einer oder mehrere Dispositionen des betroffenen Bürgers geworden ist. Es geht mithin nicht um den Schutz vor der rechtswidrigen Missachtung bestehender Vertrauenstatbestände, sondern um die Leistung von Schadensersatz aufgrund der rechtswidrigen Schaffung von Vertrauenstatbeständen. Dies betrifft nicht das Kontinuitätsbzw. Bestandsinteresse des Geschädigten.184 Ersatzfähig ist somit einzig das negative Interesse des Geschädigten, d. h. es ist der Schaden zu ersetzen, den der Bürger erlitten hat, weil er auf den Bestand des Vertrags vertraut hat. Insbesondere im Falle der Verletzung von Aufklärungspflichten hat sich die Frage nach dem ersatzfähigen Interesse vornehmlich nach dem Schutzzweck der verletzten Norm zu bemessen.185 Ersatzfähig können beispielsweise nutzlose Aufwendungen sein, welche im Vertrauen auf die Wirksamkeit des Gesetzgebungsvertrags getätigt wurden. (6) Beweislast und Kausalität Grundsätzlich trägt derjenige die Beweislast für sämtliche Voraussetzungen des Ersatzanspruchs aus culpa in contrahendo, der Schadensersatz wegen der Verletzung einer Aufklärungspflicht durch den anderen Teil verlangt. Für den Nachweis der Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem Eintritt des Schadens muss der Geschädigte beweisen, dass er ohne die Pflichtverletzung des Schädigers den Vertrag nicht, oder nicht so abgeschlossen hätte.186 Der Geschädigte muss an dieser Stelle einen Rationalitätsnachweis führen. Dies ist dann weniger problematisch, wenn der Geschädigte den Vertrag nicht abgeschlossen hätte. Ihm wird in diesen Fällen mit der „Vermutung der Kausalität zwischen Verstoß gegen die Aufklärungspflicht und dem eingetretenen Schaden“ geholfen. Zugunsten des Geschädigten wird vermutet, dass er sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung „aufklärungsrichtig“
183
BGH NVwZ 2001, 116. So Kümper, Risikoverteilung im Staatshaftungsrecht, 2011, S. 96 f. Ebenso Fellenberg, Die amtshaftungsrechtliche Vertrauenshaftung für fehlerhafte Genehmigungen und Auskünfte, 2005, S. 57 ff., 61 f. und Papier DZWiR 1997, S. 221 ff., 224. 185 Vgl. Emmerich, in: MüKo BGB, §§ 241–432, 2012, § 311 Rn 211. 186 Emmerich, in: MüKo BGB, §§ 241–432, 2012, § 311 Rn 205. 184
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verhalten hätte.187 In diesen Fällen, in denen bei unterstellt rationalem Handeln des Aufklärungsbedürftigen lediglich eine oder zwei Reaktionsmöglichkeiten in Frage kommen, hat der Aufklärungspflichtige den Nachweis darüber zu erbringen, dass der andere Teil sich auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung so verhalten hätte, wie er es eben getan hat. Anders zu bewerten sind diejenigen Konstellationen, in denen er den Vertrag mit anderem Inhalt abgeschlossen hätte, wäre der Schädiger seiner Pflicht nachgekommen („mehrere Reaktionsmöglichkeiten“). Denn er muss zweierlei nachweisen: Zunächst muss er nachweisen, wie er sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung verhalten hätte. Sodann ist das Verhalten des anderen Teils (Reaktion), insbesondere ob er sich auf den für den Geschädigten günstigen Vertrag (Vorleistungspflichten, Vertragsstrafen, Entschädigungsregeln, etc.) eingelassen hätte, nachzuweisen. Dieser volle Kausalitätsbeweis wird dem Geschädigten in der Regel nicht gelingen. (7) Verjährung Der Anspruch aus öffentlich-rechtlicher culpa in contrahendo verjährt grundsätzlich innerhalb der Regelverjährungsfrist des § 195 BGB, d. h. in drei Jahren.188 Der Beginn der Verjährungsfrist richtet sich nach § 199 BGB, wonach die Kenntnis oder die auf grober Fahrlässigkeit beruhende Unkenntnis des Geschädigten von den Anspruch begründenden Umständen die Frist in Gang setzt. Hierunter fallen sämtliche Umstände, insbesondere solche, aus denen sich eine Aufklärungspflicht des anderen Teils ergibt. Die Beweislast für die Kenntnis des Geschädigten von den maßgeblichen Umständen (Verjährungsbeginn) trägt der Schädiger.189 (8) Rechtsweg In Literatur und Rechtsprechung ist die Frage umstritten, ob Ansprüche des Geschädigten aus öffentlich-rechtlicher culpa in contrahendo vor den Verwaltungsgerichten geltend gemacht werden können. Alternativ könnten die ordentlichen Gerichte zuständig sind. Ein Unterschied würde sich beispielsweise dergestalt ergeben, dass im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten zu Gunsten des Staates der 187 Emmerich, in: MüKo BGB, §§ 241–432, 2012, § 311 Rn 206 m. w. N. Dem Geschädigten wird mithin unterstellt, er entscheide sich für die günstigste, rational verständlichste Verhaltensweise. Die Vermutung scheidet jedoch aus, wenn dem Geschädigten mehrere Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. 188 So auch Jäckle NJW 1990, S. 2520 ff., 2525 für Ansprüche aus culpa in contrahendo gegen die öffentliche Verwaltung. 189 Emmerich, in: MüKo BGB, §§ 241–432, 2012, § 311 Rn 213.
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Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) gilt, wohingegen das Verfahren vor den ordentlichen Gerichten durch den Beibringungsgrundsatz (§§ 137, 138, 331, 359 ZPO) bestimmt ist. Ausgangspunkt ist zunächst § 40 Abs. 2 S. 1 VwGO, welcher in Abweichung zur Generalklausel des § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO „Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten“ nicht den Verwaltungsgerichten, sondern den ordentlichen Gerichten zuweist. Von dieser Sonderzuweisung ausgenommen (Rückausnahme an die Verwaltungsgerichte) sind Ansprüche, die „auf einem öffentlich-rechtlichem Vertrag beruhen“. Sie sind vor den Verwaltungsgerichten geltend zu machen. § 40 VwGO liegt demnach ein Regel-Ausnahme-Rückausnahme-Verhältnis zugrunde. Nicht einheitlich bewertet wird nun die Frage, unter welchen Zuweisungstatbestand Ansprüche aus öffentlich-rechtlicher c. i. c. fallen. Für eine Geltend machung der Ansprüche vor den Verwaltungsgerichten wird angeführt190, dass es sich bei der c.i.c. um eine Rechtsfigur des Vertragsrechts handelt. Rechtsgrund der c.i.c. sei eine „spezifische Nähesituation“191 der Vertragsparteien. Als vertragsähnliches Rechtsverhältnis müsse der Anspruch mithin der Ausnahmeklausel unterfallen.192 Zudem sei die Ausnahmeklausel des § 40 Abs. 2 S. 1 Alt. 3 VwGO weit auszulegen, „da sie als Ausnahme von der Ausnahme wieder zur Regel der verwaltungsgerichtlichen Generalklausel zurückführe“.193 Nach anderer Ansicht ist für Ansprüche aus c. i. c. der Zivilrechtsweg eröffnet.194 Ansprüche aus c.i.c. würden nicht auf einem Vertrag basieren. Die c. i. c. stelle vielmehr ein gesetzliches Schuldverhältnis dar. Zunächst spricht gegen die weite Auslegung der Ausnahmeklausel des § 40 Abs. S. 1 Alt. 3 VwGO deren Wortlaut und Entstehungsgeschichte. Die Variante stellt ausdrücklich auf „öffentlich-rechtliche Verträge“ ab. Eine Ausdehnung des Vertragsbegriffs in den vertragsähnlichen Bereich hinein ist ihr nicht zu entnehmen, zumal die Unterscheidung zwischen vertraglichen und vertragsähnlichen Rechtsverhältnissen hinreichend verfestigt ist. Zudem war dem Gesetzgeber bei der Schaffung der Vorschrift das Problem der vertragsähnlichen Schuldverhältnisse bekannt.195 190 BVerwG DÖV 1974, 122, 134; NVwZ 2003, 1383; OVG Weimar NJW 2002, 386, 387; Dötsch NJW 2003, S. 1430; Scherer NVwZ 1986, S. 540; Dickersbach, in: Stober (Hrsg.), Rechtsschutz im Wirtschaftsverwaltungs- und Umweltrecht, 1993, S. 2, 11; Schoch, in: FS Menger, 1985, S. 305 ff., 320; Redeker/von Oertzen, VwGO, 2014, § 40 Rn 15a; Haack, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO, 2013, § 40 Rn 139. 191 Haack, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO, 2013, § 40 Rn 139; Haratsch ThürVBl. 2004, 101, 106. 192 ThürOVG NJW 2002, 386 ff.; Scherer NJW 1986, S. 540 ff., 541; Unruh, in: Fehling/Kastner/Störmer (Hrsg.), Verwaltungsrecht, 2013, § 40 VwGO Rn 213. 193 Unruh, in: Fehling/Kastner/Störmer (Hrsg.), Verwaltungsrecht, 2013, § 40 VwGO Rn 213. 194 Unruh, in: Fehling/Kastner/Störmer (Hrsg.), Verwaltungsrecht, 2013, § 40 VwGO Rn 213; BGH NJW 1986, 1109; NVwZ 1990, 1103; BayVBl. 2007, 115; Ko NJW 2002, S. 3724; Hebeler JA 2002, S. 936 ff. 195 VGH Mannheim DVBl. 1981, 265, 266.
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Gegen die Einordnung als „vertragliches Rechtsverhältnis“ spricht sodann der Charakter der c. i. c. als gesetzliches Schuldverhältnis. Grundlage des sekundären Anspruchs zwischen den Parteien ist eine Sonderverbindung, die qua Gesetz konstruiert wird. Der Sonderverbindung liegt eben keine wirksame, privatautonome Begründung mittels Abgabe und Zugang einzelner Gestaltungserklärungen zugrunde. Zwar ist Anknüpfungspunkt der c. i. c. ein tatsächliches Verhalten der Parteien, welches im Vorfeld, d. h. in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Abschluss eines Vertrags stattfindet. Dies erscheint jedoch für die Einordnung als vertragliches Konstrukt nicht ausreichend. Letztlich erscheint es – mit der Rechtsprechung – vorzugswürdig, für die Beantwortung der aufgeworfenen Frage eine differenzierende Betrachtung nach der Art der Pflichtverletzung vorzunehmen.196 Entscheidend ist der jeweilige Sachzusammenhang im Einzelfall. Soweit Ansprüche aus c. i. c. in einem Sachzusammenhang mit einem Amtshaftungsanspruch stehen, ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten einschlägig.197 Wird der Anspruch hingegen neben Ansprüchen aus einem öffentlich-rechtlichen Vertrag geltend gemacht, so ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet.198 Für den Gesetzgebungsvertrag gilt demnach, dass ein Anspruch aus c. i. c. wegen Verletzung der Aufklärungspflicht vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen ist. Der Anspruch steht seinem Wesen nach dem Amtshaftungsanspruch näher. Denn er entstammt originär dem Zivilrecht und stellt die Konsequenz eines typischen Fehlverhaltens des Vertragsrechts dar, wobei der nur subsidiär relevante Ursprung der Pflichtverletzung dem öffentlichen Recht entstammt. Dagegen spricht auch nicht, dass faktisch eine Willensübereinkunft zwischen den Parteien besteht. Der Anspruch aus c. i. c. ist hiervon unabhängig. c) Amtshaftungsanspruch aus Art. 34 GG i. V. m. § 839 Abs. 1 S. 1 BGB Dem an dem (rechtlich unwirksamen) Gesetzgebungsvertrag beteiligten Privatrechtssubjekt könnten die entstandenen Schäden nach den Grundsätzen des Amtshaftungsanspruchs aus Art. 34 GG i. V. m. § 839 Abs. 1 S. 1 BGB zu ersetzen sein. Der Amtshaftungsanspruch hat seine gesetzliche Grundlage in Art. 34 GG i. V. m. § 839 BGB. Danach übernimmt der Staat – vorbehaltlich eines Haftungsausschlusses oder einer Haftungsbeschränkung199 – die Ersatzpflicht eines Beam 196
BVerwG NJW 2002, 2894, 2895; OVG Koblenz NJW 2002, 3724; BGH NJW 1986, 1109 f. Insbesondere soll dieser Sachzusammenhang gegeben sein, wenn die culpa in contrahendo „typischerweise auch Gegenstand eines Amtshaftungsanspruchs sein könnte“, vgl. BVerwG NJW 2002, 2894. 198 Ausführlich hierzu Unruh, in: Fehling/Kastner/Störmer (Hrsg.), Verwaltungsrecht, 2013, § 40 VwGO Rn 213. 199 Denn der Staat haftet nur soweit, wie der Beamte haften würde, vgl. Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Aufl., S. 13. 197
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ten für diejenigen Schäden, die in Verletzung einer einem Dritten gegenüber obliegenden Amtspflicht diesem schuldhaft zugefügt wurden. Die Haftungsverlagerung nach Art. 34 GG stellt dabei nach h. M. eine – nicht ausnahmslos geltende – befreiende normative Schuldübernahme kraft Gesetzes mit der Folge dar, dass der Beamte, der seine Amtspflicht verletzt hat, dem geschädigten Dritten nicht haftet, soweit die Staatshaftung eintritt.200 Die eigentliche, die Eigenhaftung bestimmende Haftungsnorm stellt § 839 BGB dar. Beide Normen bilden eine einheitliche Anspruchsgrundlage für die Amtshaftung wegen einer Amtspflichtverletzung. aa) Jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes § 839 Abs. 1 BGB setzt zunächst voraus, dass „ein Beamter“ einen Amtspflichtverstoß begeht. Art. 34 Abs. 1 GG stellt diesbezüglich eine Erweiterung des potentiellen Täterkreises dar. Der Vorschrift genügt es, wenn die Schädigung durch eine Person erfolgt, der ein öffentliches Amt im funktionellen Sinne übertragen ist („jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes“). Soweit der pflichtwidrig handelnden Person von einer zuständigen Stelle die Ausübung eines öffentlichen Amtes übertragen worden ist, liegen die Anforderungen an den „funktionellen Beamtenbegriff“ vor. Nicht erforderlich ist, dass der Inhaber öffentlicher Gewalt ein Beamter im statusrechtlichen Sinne ist, d. h. in einem öffentlichen Dienst- oder Treueverhältnis zum Staat oder zu einer anderen, mit Dienstherreneigenschaft versehenen juristischen Person des öffentlichen Rechts steht, in das er unter Aushändigung einer Ernennungsurkunde berufen worden ist.201 Die Bundesregierung ist unter den funktionellen Beamtenbegriff subsumierbar.202 Unstreitig ist den Mitgliedern der Bundesregierung ein öffentliches Amt übertragen. Einzig problematisch könnte sein, dass die Bundesregierung bei dem Abschluss eines Gesetzgebungsvertrags nicht „in Ausübung eines öffentlichen Amtes“ handelt. Die Ausübung eines öffentlichen Amtes bemisst sich grds. nach der Handlungsform. Nimmt der Amtsträger seine Aufgaben in einer Handlungsform des öffentlichen Rechts wahr, d. h. konkret durch Verwaltungsakt, Rechtsnormen, öffentlich-rechtlichen Vertrag oder Verwaltungsvorschriften, so liegt unstrittig ein „Handeln in Ausübung eines öffentlichen Amtes“ vor. Bedient sich der Hoheitsträger einer privatrechtlichen Handlungsform, etwa wenn er privatrechtliche Verträge schließt, so ist das Tatbestandsmerkmal zu verneinen. Im Zweifelsfall gilt aber auch hier folgende Vermutung: Ist der Staat zur Wahrnehmung öffentlich-rechtlich zugewiesener Aufgaben tätig geworden, so liegt ein Handeln „in
200
BGHZ 99, 62 m. w. N. Papier, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 2014, Art. 34 Rn 104 f.; Tremml/Karger/Luber (Hrsg.), Der Amtshaftungsprozess, 4. Aufl., Rn 43. 202 So zutreffend aber ohne Begründung auch Rybak, Rechtsstaat am Verhandlungstisch, 2007, S. 170. 201
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Ausübung eines öffentlichen Amtes“ vor.203 Dies ist beim Abschluss eines Gesetzgebungsvertrags der Fall. Der Abschluss dient der Vorbereitung des bundesstaatlichen Gesetzgebungsverfahrens (Art. 76 ff. GG) und ist Ausdruck funktionaler Staatsleitung. Darüber hinaus ist das Tatbestandsmerkmal auch nicht deshalb zu verneinen, weil dem Abschluss derartiger Rechtsverhältnisse Verfassungsrechtssätze entgegenstehen. Auf die Rechtmäßigkeit der in Rede stehenden Handlung kommt es nicht an. Andernfalls würde der Haftungstatbestand sinnentleert. Darüber hinaus stellt sich der Vertragsschluss deshalb als „Ausübung eines öffentlichen Amtes“ dar, weil die Bundesregierung eben nicht nur „bei Gelegenheit“ tätig wird. Der Abschluss erfolgt nicht aus persönlichen Motiven. Der erforderliche Bezug zur einer staatlicherseits übertragenen Funktion, konkret der Staatsleitung und Gesetzesvorbereitung, ist gegeben.204 Der Abschluss eines Gesetzgebungsvertrags fällt funktionell in den hoheitlichen Tätigkeitsbereich. bb) Amtspflichtverletzung Darüber hinaus ist fraglich, inwieweit eine Amtspflichtverletzung vorliegt. Amtspflichten sind zunächst öffentlich-rechtliche Verhaltenspflichten, die auf ein Tun, Dulden oder Unterlassen gerichtet sind. Sie ergeben sich aus „allen denkbaren Rechtsquellen“, d. h. Verfassungsrecht, Gesetzen, Rechtsverordnungen, Satzungen, Gewohnheitsrecht, allgemeinen Rechtsgrundsätzen205, Verwaltungsvorschriften und auch rechtlichen Sonderverbindungen.206 Dementsprechend können auch vertraglich übernommene Pflichten Grundlage einer Amtspflicht sein.207 Die Annahme einer Amtspflichtverletzung ist zunächst deshalb problematisch, weil – mangels Rechtsverbindlichkeit – der Absprache jederzeit zuwider gehandelt werden kann. Die Möglichkeit einer Amtspflichtverletzung scheidet allerdings nicht bereits deshalb aus, weil der Gesetzgebungsvertrag in der hier relevanten Form rechtlich nicht bindend ist.208 Auch informelle Rechtsverhältnisse sind geeignet, Grundlage einer schadensersatzbewehrten Amtspflicht zu sein.209
203
Tremml/Karger/Luber (Hrsg.), Der Amtshaftungsprozess, 4. Aufl., Rn 69 m. w. N. Ebenso BGH BeckRS 1967, 31170176. Würde die Ausübung eines öffentlichen Amtes verneint werden, so würde die Bundesregierung selbst haften. Dieses Ergebnis kann aber nicht überzeugen. 205 Hier ist insbesondere dem Verbot widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) besondere Aufmerksamkeit zu widmen, vgl. dazu etwa BGH NVwZ 2006, 1207 (Abbruch der Bauleitplanung). 206 Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Aufl., S. 44. 207 Papier, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 2014, Art. 34 Rn 162. 208 Rybak, Rechtsstaat am Verhandlungstisch, 2007, S. 171. 209 Rybak, Rechtsstaat am Verhandlungstisch, 2007, S. 171; Bulling DÖV 1989, S. 277 ff., 280; Eberle Die Verwaltung 17 (1984), 439, 449. A. A. Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 160. 204
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In Bezug auf den hier relevanten Fall eines Gesetzgebungsvertrags ist nach einem tauglichen Anknüpfungspunkt für eine Amtspflichtverletzung zu suchen, d. h. dem haftungsrechtlich relevanten Verhalten der Bundesregierung. Dieses könnte zunächst darin liegen, dass – entgegen der Zusage, ein Gesetz werde nicht beschlossen – eine Gesetzesinitiative nach Art. 76 Abs. 1 GG von der Bundesregierung eingebracht wird. Würde diese Initiative in der Folge vom Bundestag gem. Art. 77 Abs. 1 GG beschlossen, so erfolgte die konkrete Verletzungshandlung zwar durch eine Verhaltensweise des Bundestags. Die Bundesregierung müsste sich den Gesetzesbeschluss aber zurechnen lassen, da sie den entsprechenden Gesetzentwurf selbst eingebracht und so den Vertragsbruch im Wesentlichen veranlasst hat.210 Entsprechendes gilt dann, wenn die Bundesregierung – entgegen der Zusage, ein Gesetz werde beschlossen – einen Gesetzentwurf nicht in den Bundestag einleitet. Das Gesetz kann (abredewidrig) nicht beschlossen werden. Bei der Ermittlung der zurechenbaren Amtspflichtverletzung muss sich jedoch an den von der Rechtsprechung entwickelten Fallgruppen orientiert werden. Konkret kommt vorliegend die Verletzung folgender Amtspflichten in Betracht: Die Amtspflicht zur Einhaltung von Zusagen, die Amtspflicht zur Erteilung richtiger Auskünfte, Belehrungen, Hinweise und Warnungen sowie die Amtspflicht zu konsequentem Verhalten.211 (1) Amtspflicht zur Einhaltung von Zusagen Die handelnde Behörde ist verpflichtet, die gegenüber einem Bürger abgegeben Zusagen einzuhalten. Dies gilt gem. § 38 Abs. 1 S. 1 VwVfG etwa für die Zusage der Verwaltung, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen, soweit die entsprechenden Wirksamkeitsvoraussetzungen vorliegen. Da sich diese Bindung im Grundsatz – ähnlich wie die Amtspflicht zu rechtmäßigem Handeln – auf Art. 20 Abs. 3 GG stützt, ist die Behörde nur an rechtmäßige Zusagen gebunden.212 Es besteht keine Amtspflicht, rechtswidrige Zusagen einzuhalten. Andernfalls käme die rechtswidrige Absprache einer rechtmäßigen gleich. Die in der vorliegenden Gestaltung eines Gesetzgebungsvertrags übernommene Verpflichtung der Bundesregierung zum Beschluss oder Nichtbeschluss eines Gesetzes ist als verfassungsrechtswidrige Zusage mithin nicht geeignet, Anknüpfungspunkt einer amtspflichtwidrigen Verhaltensweise zu sein. 210 Wird ein entsprechender Gesetzentwurf hingegen vom Bundestag oder aus der Mitte des Bundestages eingebracht, kann der Bundesregierung ein Vertragsbruch mangels zurechenbarer Verhaltenspflichtverletzung nicht angelastet werden. 211 Daneben käme noch eine Prüfung der Amtspflicht zu zuständigkeitsgemäßem und verfahrensgemäßem Handeln in Betracht. Wegen der (jedenfalls) offensichtlich fehlenden Drittgerichtetheit der Zuständigkeits- und Verfahrensvorschriften wird auf diese allerdings nicht eingegangen. 212 Tremml/Karger/Luber (Hrsg.), Der Amtshaftungsprozess, 4. Aufl., Rn 94.
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(2) Amtspflicht zur Erteilung richtiger Auskünfte, Belehrungen, Hinweise und Warnungen Den Hoheitsträger treffen – auch ohne dass eine vorherige Anfrage des Bürgers den Anstoß hierzu gegeben hat – im Vorfeld oder im Zusammenhang (d. h. etwa im Falle einer Nichteinhaltung) mit dem Abschluss eines Vertrags aktive Aufklärungs-, Beratungs-, Betreuungs- und Auskunftspflichten.213 So muss ein Beamter den Bürger ungefragt auf die geltende Sach- und Rechtslage aufmerksam machen, wenn er erkennen kann, dass der Bürger durch das behördliche Verhalten zu für ihn nachteiligen Maßnahmen veranlasst wird.214 Konkret führt der Bundesgerichtshof in st. Rspr.215 aus, dass „ein Beamter im Einzelfall über die sachgerechte Prüfung und Entscheidung eines Gesuchs hinaus verpflichtet sein [kann], einen Gesuchsteller über die Rechtslage und sonstige Umstände zu belehren. Insbesondere hat ein Beamter die Pflicht zur Aufklärung, wenn er erkennen kann, daß jemand aufgrund des behördlichen Verhaltens veranlasst wird, Maßnahmen zu treffen, die für ihn nachteilige Folgen haben oder zumindest mit dem Risiko des Eintritts solcher Folgen behaftet sind. Erscheint der Gesuchsteller insoweit ‚belehrungsbedürftig‘, dann hat der Beamte, der auch Helfer des Bürgers sein soll, den Gesuchsteller über die Sach- oder Rechtslage aufzuklären bzw. zu belehren.“216 Hieraus kann nicht der Schluss gezogen werden, „daß der Beamte schlechthin zur Erteilung von Rechtsauskünften, zur Berichtigung von Rechtsirrtümern oder zur Aufklärung über mögliche künftige Veränderungen der Sach- oder Rechtslage verpflichtet“ ist.217 Ein entsprechendes Informationsdefizit muss aber dann behoben werden, wenn der behördlicherseits vorhandene Kenntnisstand von einem durchschnittlichen Bürger – unter Berücksichtigung der im Einzelfall bestehenden branchentypischen Fachkenntnis218 – nicht erwartet werden kann. Bei dem Abschluss eines Gesetzgebungsvertrags vertrauen die Parteien in gesteigertem Umfang auf die Einhaltung der Absprache. Dies gilt umso mehr, als es sich bei einem derartigen Konstrukt um ein „Gentlemen’s Agreement“ handelt. Die Bundesregierung trifft aufgrund der berechtigten Erwartung des beteiligten Privatrechtssubjekts in die Leistungserbringung somit in zweierlei Hinsicht eine Amtspflicht: Zunächst muss die Bundesregierung bereits vor Abschluss des Gesetzgebungsvertrags darauf hinweisen, dass der rechtlichen Verbindlichkeit der Vereinbarung verfassungsrechtliche, konkret kompetenzielle Hürden entgegenstehen.219 Daneben ist die Bundesregierung verpflichtet, den anderen Teil frühzeitig 213
Tremml/Karger/Luber (Hrsg.), Der Amtshaftungsprozess, 4. Aufl., Rn 89 f. BGH VersR 2006, 76; BGHZ 45, 23, 28 f.; OLG München BeckRS 2010, 30583. 215 BGHZ 45, 23; BGH NJW 1960, 1244 f.; NJW 1965, 1227; VersR 1970, 1104, 1106; WM 1978, 37 f.; NJW 1980, 2573 f.; vgl. auch Krohn ZfBR 1978, S. 3. 216 BGH NJW 1985, 1335. 217 BGH NJW 1985, 1335; NJW 1965, 1227; WM 1978, 38; NJW 1980, 2574. 218 So kann von einem Architekten etwa erwartet werden, dass er über Grundkenntnisse im Baurecht verfügt, vgl. Tremml/Karger/Luber, Der Amtshaftungsprozess, 4. Aufl., Rn 91 m. w. N. 219 Rybak, Rechtsstaat am Verhandlungstisch, 2007, S. 174. 214
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D. Rechtsfolgen auf Primär- und Sekundärebene
über die Absicht der Nichteinhaltung zu informieren. Letztere Pflicht trifft darüber hinaus auch das beteiligte Privatrechtssubjekt. Nur so können die Vertragsparteien vermögensgefährdende Dispositionen vermeiden. Hat die Bundesregierung mithin die Absicht, die im Gesetzgebungsvertrag zugesagte Leistungspflicht nicht mehr zu erfüllen, kann das Privatrechtssubjekt den infolge der unterlassenen Aufklärung entstandenen Schaden im Wege des Amtshaftungsanspruchs geltend machen.220 Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Privatrechtssubjekt im Hinblick auf die verletzte Amtspflicht nicht mehr schutzwürdig erscheint, etwa weil es positive Kenntnis von den aufklärungserheblichen Tatsachen hat. (3) Amtspflicht zu konsequentem Verhalten Grundlage der Amtspflicht zu konsequentem Verhalten ist der Grundsatz von Treu und Glauben, konkret dessen Ausprägung als Verbot des widersprüchlichen Verhaltens (sog. venire contra factum proprium).221 Die Amtspflicht verbietet es der Behörde, Maßnahmen zu treffen, die im Widerspruch zu ihrem früheren Verhalten in dieser Angelegenheit stehen. Denn durch eine behördliche Maßnahme wird grds. ein Vertrauenstatbestand geschaffen, aufgrund dessen der von der Maßnahme Betroffene damit rechnen darf, dass die Behörde in ihrem künftigen Verhalten darauf Rücksicht nimmt. So formuliert der Bundesgerichtshof, dass die Behörde, „falls nicht ausnahmsweise besondere aus der Sache sich ergebende Gründe etwas anderes rechtfertigen, alle im Widerspruch zu dem früheren Verhalten stehenden Maßnahmen unterlassen [muss], wenn ein Betroffener auf der Grundlage des früher geschaffenen Tatbestandes im Rahmen vernünftiger Erwägungen bestimmte Dispositionen getroffen hat und Treu und Glauben den Schutz des Vertrauens erheischen, dass der betroffene Bürger in die Beständigkeit der behördlichen Maßnahme gesetzt hat“.222 Wie bereits erläutert223, ist auch der rechtlich unwirksame, lediglich faktische Bindungswirkung erzeugende Gesetzgebungsvertrag geeignet, eine derartige „Maßnahme“ darzustellen.224 Allerdings gilt auch hier, dass das Gesetzgebungsermessen einen „sachlichen Grund“ darstellt, der ein widersprüchliches Verhalten rechtfertigt.225
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Ebenso Rybak, Rechtsstaat am Verhandlungstisch, 2007, S. 174. Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Aufl., S. 52; BVerwGE 35, 159, 163; BGH NJW 1963, 644, 645. 222 BGH NVwZ 1986, 245, 246. 223 Vgl. hierzu oben unter D. I. 2. b) aa) (4) (a). 224 A. A. Rybak, Rechtsstaat am Verhandlungstisch, 2007, S. 173. 225 Vgl. hierzu im Ganzen unter D. I. 2. b) cc) (3) (b). 221
I. Echter Gesetzgebungsvertrag und unechter Gesetzgebungsvertrag
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cc) Drittgerichtetheit der Amtspflicht Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestimmt es sich danach, ob der durch die Amtspflichtverletzung Geschädigte „Dritter“ i. S. d. § 839 BGB ist, „ob die Amtspflicht – wenn auch nicht notwendig allein, so doch auch – den Zweck hat, gerade sein Interesse wahrzunehmen. Nur wenn sich aus den die Amtspflicht begründenden und sie umreißenden Bestimmungen sowie aus der besonderen Natur des Amtsgeschäfts ergibt, dass der Geschädigte zu dem Personenkreis zählt, dessen Belange nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt und gefördert werden sollen, besteht ihm gegenüber bei schuldhafter Pflichtverletzung eine Schadensersatzpflicht. […] Es muss mithin eine besondere Beziehung zwischen der verletzten Amtspflicht und dem geschädigten ‚Dritten‘ bestehen.“226 Dies ist bei einem Gesetzgebungsvertrag der Fall. Nach unbestrittener Auffassung sind „Dritte“ im Sinne der Amtshaftung vor allem diejenigen Personen, die aufgrund einer „besonderen Beziehung“ oder „Sonderbeziehung“ in einen engen Kontakt zu einem Hoheitsträger getreten sind. Die sich aus einem öffentlich-rechtlichen Vertrag ergebenen Schutz- und Nebenpflichten sind drittgerichtet.227 Denn die Sonderverbindung hat – im Unterschied zum sog. legislativen Unrecht – einen konkret-individuellen Einschlag.228 Entsprechendes gilt im Rahmen eines Gesetzgebungsvertrags. dd) Verschulden, Kausalität, Anspruchskürzung und Verjährung Bei dem Amtshaftungsanspruch aus § 839 Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. Art. 34 S. 1 GG handelt es sich um eine Verschuldenshaftung. Folglich muss die Bundesregierung ihre Amtspflicht vorsätzlich oder fahrlässig verletzt haben, damit das beteiligte Privatrechtssubjekt einen entsprechenden Anspruch aus Amtshaftung geltend machen kann. Eine vorsätzliche Amtspflichtverletzung liegt dabei vor, wenn der Amtsträger die Amtspflicht willentlich und in Kenntnis der Tatsachen, die eine Amtspflichtwidrigkeit objektiv begründen, vornimmt oder unterlässt. Hierbei genügt dolus eventualis, d. h. der Amtsträger muss die Möglichkeit einer Pflichtverletzung zumindest billigend in Kauf nehmen und damit rechnen.229 Demgegenüber liegt eine fahrlässige Amtspflichtverletzung immer dann vor, wenn der Amtsträger die im amtlichen Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat.230 Im Rahmen dieser Bewertung ist nach dem Bundesgerichtshof ein objektiv-abstrakter
226
BGHZ 134, 268, 276 m. w. N.; ebenso BGHZ 162, 49. Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Aufl., S. 63 m. w. N. 228 Bejahend Tremml/Karger/Luber (Hrsg.), Der Amtshaftungsprozess, 4. Aufl., Rn 120 f. 229 BGH VersR 2001, 1524; BGH NVwZ 1992, 911, 912; BGH NJW 1988, 129, 130. Umfassend hierzu Tremml/Karger/Luber (Hrsg.) Der Amtshaftungsprozess, 4. Aufl., Rn 147 ff. sowie Ossenbühl/Cornils (Hrsg.), Staatshaftungsrecht, 6. Aufl., S. 74 ff. 230 Tremml/Karger/Luber (Hrsg.) Der Amtshaftungsprozess, 4. Aufl., Rn 150 m. w. N. 227
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Sorgfaltsmaßstab anzulegen.231 Demnach ist stets auf die Kenntnis und die Sorgfalt abzustellen, die für die Amtsführung durchschnittlich erforderlich sind. Unerheblich ist mithin, ob der konkret handelnde Beamte über die notwendigen Fähigkeiten verfügt. Dabei hebt der Bundesgerichtshof in seiner st. Rspr. hervor, dass jeder Beamte die zur Führung seines Amtes notwendigen Rechtskenntnisse besitzen oder sich verschaffen muss.232 Darüber hinaus setzt der Amtshaftungsanspruch voraus, dass die Amtspflichtverletzung für den eingetretenen Schaden kausal ist. Maßgeblich ist hierbei die Beantwortung der Frage, ob der Vermögensschaden bei pflichtgemäßem Verhalten des Amtsträgers ausgeblieben wäre. Dabei kommt der Adäquanztheorie eine wesentliche Bedeutung zu. Soweit die Amtspflichtverletzung „im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen und nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen ge eignet ist, das eingetretene schädigende Ereignis herbeizuführen“ ist von der Kausalität auszugehen. Liegt die konkrete Amtspflichtverletzung – wie vorliegend – in einem Unterlassen, so ist der relevante Kausalzusammenhang erst dann zu bejahen, wenn das amtspflichtgemäße Verhalten den Schadenseintritt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert hätte.233 Die bloße Möglichkeit der Verhinderung genügt nicht.234 An der notwendigen Kausalität kann es beispielsweise fehlen, wenn der Anspruchssteller bereits vor dem Zeitpunkt des pflichtwidrigen Unterlassens Dispositionen getätigt hat. In Bezug auf einen etwaigen Haftungsausschluss, eine Haftungsbegrenzung und die Verjährung gelten die allgemeinen Grundsätze.235 Hinzuzufügen ist lediglich, dass der Schadensersatzanspruch des beteiligten Privatrechtssubjekts nicht allein deshalb über § 254 BGB unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens gekürzt werden kann, weil er den Gesetzgebungsvertrag freiwillig abgeschlossen hat. Hierin ist keine Obliegenheitsverletzung zu sehen.236 d) Öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch aa) Allgemeines Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch dient der Rückabwicklung von Vermögensverschiebungen, die im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses ohne rechtliche Grundlage geleistet oder in sonstiger Weise erbracht
231
Ossenbühl/Cornils (Hrsg.), Staatshaftungsrecht, 6. Aufl., S. 78 f. BGHZ 106, 323, 330; BGH NJW 1986, 2829, 2831. 233 Tremml/Karger/Luber (Hrsg.), Der Amtshaftungsprozess, 4. Aufl., Rn 167 ff. 234 BGH NVwZ 1994, 823, 825. 235 Vgl. hierzu Ossenbühl/Cornils (Hrsg.), Staatshaftungsrecht, 6. Aufl., S. 80 ff., 109. 236 Rybak, Rechtsstaat am Verhandlungstisch, 2006, S. 174. 232
I. Echter Gesetzgebungsvertrag und unechter Gesetzgebungsvertrag
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worden sind.237 Schadensersatz oder eine Entschädigung für einen hoheitlichen Eingriff wird nicht gewährt. Insbesondere in Vorleistungsfällen, d. h. wenn und soweit eine Partei ihre im Gesetzgebungsvertrag versprochene Leistung erbracht hat, die andere Partei das ihrerseits Versprochene aber nicht erfüllt (und wegen der Nichtigkeit der Vereinbarung auch nicht erfüllen muss), wird dem Leistungserbringer daran gelegen sein, seine Leistung zurückzufordern.238 Diesbezüglich ist an einen öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch zu denken. Nachfolgend wird schwerpunktmäßig auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch zugunsten des Privatrechtssubjekts eingegangen. Zwar kann der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch in beide Richtungen geltend gemacht werden, d. h. er ist nicht lediglich im BürgerStaat, sondern vielmehr auch im Staat-Bürger Verhältnis möglich.239 Praktische Relevanz hat aber nur die erstgenannte Anspruchsrichtung, da sich die versprochene Leistung des Staates regelmäßig in einer gesetzgeberischen Verhaltensweise ausdrückt und nicht in einer vermögenswerten (Geld-) Leistung. Letztere wird in der Regel – wie der Fall des Solidarbeitrags der forschenden Arzneimittelhersteller240 belegt – von dem beteiligten Privatrechtsubjekt versprochen. Leistungen, die ohne einen Rechtsgrund erbracht werden, müssen rückabgewickelt werden. Dieser Rechtsgrundsatz, welcher Ausdruck eines allgemeinen Billigkeitsempfindens bzw. der „Forderung nach wiederherstellender Gerechtigkeit“241 ist, hat im Zivilrecht eine besondere Ausprägung in den §§ 812 ff. BGB gefunden. Im öffentlichen Recht finden sich vereinzelt sondergesetzliche Erstattungsregeln (vgl. etwa § 49a VwVfG, § 50 SGB X, § 20 BAföG, § 12 Abs. 2 BbesG, § 52 Abs. 2 BeamtVG und § 37 Abs. 2 AO), welche die Rückgewähr des rechtsgrundlos Erlangten regeln. Darüber hinaus ist ein allgemeiner öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch gemeinhin anerkannt. Umstritten ist einzig seine Rechtsgrundlage.242 Teilweise werden die zivilrechtlichen Bereicherungsvorschriften (§§ 812 ff. BGB) analog herangezogen.243 Die h. M. erblickt in dem Anspruch ein eigenständiges Institut sui generis und stellt auf den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ab (Art. 20 Abs. 3 GG), welcher den Ausgleich einer mit dem Recht
237 BSGE 61, 19, 21; OVG Koblenz BeckRS 2010, 46845; in der Literatur wird z. T. die Auffassung vertreten, es sei irrelevant, ob die Vermögensmehrung durch Leistung oder in sonstiger Weise erfolgt ist, vgl. Windthorst JuS 1994, S. 894 ff., 895. 238 So beispielsweise im Falle des Solidarbeitrags der forschenden Arzneimittelhersteller, vgl. oben unter A. III. 5. 239 Tremml/Karger/Luber (Hrsg.), Der Amtshaftungsprozess, 4. Aufl., Rn 447; Ossenbühl/ Cornils (Hrsg.), Staatshaftungsrecht, 6. Aufl., S. 533. 240 Hierzu oben unter A. III. 5. 241 Neumann SRA 2012, S. 1 ff., 2. 242 Überblick bei Ossenbühl/Cornils (Hrsg.), Staatshaftungsrecht, 6. Aufl., S. 537. 243 OVG NRW DÖV 1967, 271, 272; OVG Lüneburg NJW 1953, 839, 840; VGH München BayVBl. 1991, 114; Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 3. Aufl., § 28 Rn 6.
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nicht mehr übereinstimmenden Vermögenslage fordert.244 Aufgrund der Tatsache, dass die Interessenlage im bürgerlichen Kondiktionsverhältnis – insbesondere mit Blick auf Art. 20 Abs. 3 GG – nicht mit derjenigen identisch ist, wenn sich Bürger und Staat gegenüberstehen, ist der h. M. zu folgen. Nur so können die Wertungen des öffentlichen Rechts hinreichende Berücksichtigung erfahren. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch ist somit als eigenständiges Rechtsinstitut des öffentlichen Rechts Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens. Seine Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen orientierten sich, soweit sie nicht spezialgesetzlich geregelt sind (etwa § 12 BBesG) oder der mit der bürgerlich-rechtlichen Regelung vorgenommene Interessenausgleich nicht im Verhältnis zwischen Bürger und öffentlicher Hand zutrifft, an den §§ 812 ff. BGB („Denkleitlinie“245).246 Auch deshalb stellt der Anspruch das öffentlich-rechtliche Pendent zum zivilrechtlichen Bereicherungsanspruch nach den §§ 812 ff. BGB dar.247 bb) Anspruchsvoraussetzungen Mangels einer spezialgesetzlichen Regelung gilt für die Rückabwicklung eines Gesetzgebungsvertrags der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch. Anspruchsvoraussetzung ist zunächst, dass Grundlage der Vermögensverschiebung eine öffentlich-rechtliche Rechtsbeziehung zwischen dem Bereicherungsgläubiger und dem Bereicherungsschuldner ist.248 Der Gesetzgebungsvertrag stellt – trotz seiner Nichtigkeit – eine hinreichende öffentlich-rechtliche Rechtsbeziehung dar. Dies folgt zunächst daraus, dass auch nichtige Verwaltungsakte oder öffentlichrechtliche Verträge eine hinreichende öffentlich-rechtliche Rechtsbeziehung begründen können.249 Mit der Rechtsfolge der Nichtigkeit bereitet der Gesetzgeber die einseitige Rückabwicklung einer fehlgeschlagenen Vereinbarung vor,250 sodass
244 BVerwGE 107, 304; NVwZ 2008, 212; BVerwGE 20, 295, 297; 71, 85, 88; 100, 56, 59; OVG Münster, NJW 1992, 2245; VG Minden, NVwZ 1985, 679; Weber JuS 1986, S. 29 ff., 33; Schoch JURA 1994, S. 82 ff., 84; BSGE 38, 46, 47; Baldus/Grzeszick/Wienhues (Hrsg.), Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., Rn 516; Detterbeck/Windthorst/Sproll (Hrsg.), Staatshaftungsrecht, 2000, § 23 Rn 3 stellen darüber hinaus auf die Grundrechte, insbesondere Art. 2 Abs. 1 GG ab. 245 Begriff bei Neumann SRA 2012, S. 1 ff., 2. 246 Baldus/Grzeszick/Wienhues (Hrsg.), Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., Rn 517; Detterbeck/ Dindthorst/Sproll (Hrsg.) Staatshaftungsrecht, 2000, § 23 Rn 2; OVG Koblenz, BeckRS 2010, 46845; Ausnahmen davon hat das BVerwG dann anerkannt, wenn und soweit den §§ 812 ff. BGB eine abweichende Interessenwertung zu Grunde liegt, die in das öffentliche Recht nicht übertragbar ist, vgl. etwa für den Wegfall der Bereicherung BVerwGE 71, 85. 247 Grundlegend BVerwGE 25, 72, 81. 248 Sofern ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis nicht vorliegt, finden die §§ 812 ff. BGB Anwendung, sodass sich in Bezug auf die nachfolgenden Ausführungen keine Änderungen ergeben. 249 Neumann SRA 2012, S. 1 ff., 4; Detterbeck/Windthorst/Sproll (Hrsg.), Staatshaftungsrecht, 2000, § 24 Rn 9 ff. 250 BVerwGE 111, 162.
I. Echter Gesetzgebungsvertrag und unechter Gesetzgebungsvertrag
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der Erstattungsanspruch bereits in der Nichtigkeitsfolge angelegt ist.251 Andernfalls würde die Sanktion der Nichtigkeit des Vertrags rechtlich wirkungslos bleiben.252 Darüber hinaus gilt, dass ein Rechtsverhältnis dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist, wenn sein Gegenstand öffentlich-rechtlicher Natur ist.253 Zweck und Gesamtcharakter des Vertrags zielen auf ein bestimmtes Gesetzgebungsverhalten eines Bundesorgans ab. Die von der Bundesregierung vertraglich übernommene Verpflichtung bildet regelmäßig den Schwerpunkt eines Gesetzgebungsvertrags. Eine öffentlich-rechtliche Rechtsbeziehung ist anzunehmen.254 Sodann muss auf der Seite des Anspruchstellers eine Verschlechterung der Vermögenslage vorliegen und (spiegelbildlich) auf der Seite des Anspruchsgegners eine Verbesserung der Vermögenslage (sog. Vermögensverschiebung).255 Auch wenn hier die Geldleistung wohl im Vordergrund steht, können auch andere Vermögenswerte Gegenstand der Vermögensverschiebung sein. Dieser Vermögensvorteil des Hoheitsträgers (Bereicherungsschuldner) muss durch eine Leistung des Bereicherungsgläubigers eingetreten sein.256 Der Leistungsbegriff aus § 812 Abs. 1 S. 1, Alt. 1 BGB erfordert dabei eine bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens.257 Hiernach scheidet eine Leistungskondiktion regelmäßig dann aus, wenn der Bereicherungsgläubiger das Vermögen des anderen unbewusst vermehrt hat. Darüber hinaus ist das zentrale Element des Leistungsbegriffs die Zweckrichtung der Vermögensmehrung.258 Entscheidend ist, welchen Zweck der Leistende (d. h. der Bereicherungsgläubiger) mit der Zuwendung gegenüber dem Empfänger verfolgt hat.259 Charakteristisch für die allgemeine Leistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 S. 1, Alt. 1 BGB ist, dass der Bereicherungsgläubiger eine vertragliche Verpflichtung erfüllen möchte. Es geht ihm gerade darum, eine
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BVerwG NVwZ-RR 2003, 874. Baldus/Grzeszick/Wienhues (Hrsg.), Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., Rn 536. 253 Baldus/Grzeszick/Wienhues (Hrsg.), Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., Rn 524. 254 Dies gilt insbesondere auch aufgrund der weiten Anwendung der Anspruchsvoraussetzung. Denn nach BVerwGE 84, 274, 278 genügt es für die Annahme einer öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehung bereits, wenn eine Leistung in der irrigen Annahme erbracht wird, dem Leistungsempfänger hierzu aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Grundlage verpflichtet zu sein, vgl. ebenso Detterbeck/Windthorst/Sproll (Hrsg.), Staatshaftungsrecht, 2000, § 24 Rn 10. 255 Detterbeck/Windthorst/Sproll (Hrsg.), Staatshaftungsrecht, 2000, § 24 Rn 1. 256 Hierin liegt der entscheidende Unterschied zur Nichtleistungskondiktion. 257 In Bezug auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch OVG Koblenz BeckRS 2010, 46845; OVG Sachsen-Anhalt BeckRS 2003, 18373; VG Minden BeckRS 2013, 48372; Baldus/Grzeszick/Wienhues (Hrsg.), Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., Rn 522; Detterbeck/Windthorst/ Sproll (Hrsg.), Staatshaftungsrecht, 2000, § 24 Rn 6; aus der zivilgerichtlichen Rechtsprechung BGHZ 58, 184, 188; BGH NJW 2004, 1169; zudem Sprau, in: Palandt (Hrsg.), BGB, 2014, § 812 Rn 3. 258 Erfolgt die Vermögensmehrung nicht bewusst und zweckgerichtet, liegt eine Vermögensverschiebung auf sonstige Weise vor. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch erfasst auch Vermögensverschiebungen „auf sonstige Weise“ als durch Leistung, vgl. Detterbeck/ Windthorst/Sproll (Hrsg.), Staatshaftungsrecht, 2000, § 24 Rn 7. 259 BGH NJW 2004, 1169. 252
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Verbindlichkeit zu erfüllen. In diesen Fällen spricht man von einer Leistung solvendi causa.260 Leistet das Privatrechtssubjekt aufgrund eines Gesetzgebungsvertrags, stellt sich in Bezug auf die Zweckrichtung der Zuwendung die Frage, ob eine Leistung zur Erfüllung einer Verbindlichkeit erfolgt. Die Beantwortung dieser Frage hängt maßgeblich davon ab, auf welche Perspektive abzustellen ist. Darüber hinaus ist von essentieller Anspruchsrelevanz, ob das maßgebliche Rechtssubjekt (d. h. die Bundesregierung oder das Privatrechtssubjekt) hinreichende Kenntnis von der lediglich faktischen Wirksamkeit des Rechtsverhältnisses hat. Nach h. M. handelt es sich bei der Zweckbestimmung der Leistung um eine Willenserklärung261 oder zumindest eine geschäftsähnliche Handlung262, auf die die Regeln über Willenserklärungen (direkt oder entsprechend) Anwendung finden. Die Gegenauffassung verlangt lediglich einen natürlichen Leistungswillen.263 Mit der h. M. ist vordergründig nicht auf den subjektiven Willen des Leistenden hinsichtlich der Kenntnis oder Unkenntnis der rechtlichen Unwirksamkeit des Gesetzgebungsvertrags abzustellen, sondern es kommt zur Auslegung der Tilgungsbestimmung gem. der §§ 133, 157 BGB auf den objektiven Empfängerhorizont, d. h. das Verständnis des Hoheitsträgers, an.264 Diesem wird – wie bereits erwähnt – die Nichtigkeit des Gesetzgebungsvertrags regelmäßig positiv bekannt sein. Aus Sicht des Hoheitsträgers leistet der Bereicherungsgläubiger dann aber nicht in Erfüllung einer Verbindlichkeit bzw. auf eine bestehende Schuld. Ein öffentlichrechtlicher Erstattungsanspruch in Form der condictio indebiti scheidet aus. Stellt man mit der Gegenauffassung auf den natürlichen Leistungswillen des Bereicherungsgläubigers ab, so ist einzig maßgeblich, ob dieser die lediglich faktische Wirksamkeit des Geschäfts kannte. Bejahendenfalls ist auch hier ein solcher öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch in Anlehnung an § 812 Abs. 1 S. 1, Alt. 1 BGB abzulehnen. Ist dem Bereicherungsgläubiger die rechtliche Unwirksamkeit des Rechtsverhältnisses nicht positiv bekannt, so liegt eine Leistung auf eine bestehende Schuld vor. In den vorbeschriebenen Fällen, in denen der Bereicherungsschuldner, der Bereicherungsgläubiger oder beide Parteien Kenntnis von der Unwirksamkeit des Ge 260 Wenderhorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.) BeckOK-BGB, 2015, § 812 Rn 47 ff.; Looschelders, Schuldrecht BT, 2015, § 52 Rn 1023; Staake, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 2013, § 3 Rn 24 m. w. N. 261 Schwab, in: MüKo BGB, §§ 705 – 853, 2013, § 812 Rn 49 f.; Martinek, in: Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts, 2014, Ungerechtfertigte Bereicherung und GoA, Rn 22.; Reuter/ Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, § 4 II 3 d, S. 99 ff.; Wieling, Bereicherungsrecht, 2006, § 3 I 3 a, S. 19; Canaris, in: FS Larenz, 1973, S. 799 ff., 827. 262 Beuthien, Zweckerreichung und Zweckstörung im Schuldverhältnis, 1969, S. 292 ff.; Berg NJW 1964, S. 720 f. 263 Buck-Heeb, in: Erman (Hrsg.), BGB, 2011, § 812 Rn 13. 264 BGHZ 105, 365, 369; 122, 46, 50 f.; BGH NJW 2004, 1169.
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setzgebungsvertrags haben, scheidet ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch aber nicht per se aus. Vielmehr ist an einen Erstattungsanspruch nach den Grundsätzen der Zweckverfehlungskondiktion zu denken. Fraglich ist aber zunächst, ob die Zweckverfehlungskondiktion – in Anlehnung an den zivilrechtlichen Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 2, Alt. 2 BGB – im öffentlichen Recht überhaupt anzuerkennen ist. Teilweise wird dies unter Hinweis auf § 49 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 VwVfG i. V. m. § 49a VwVfG abgelehnt. Die Fälle der Zweckverfehlung seien von dieser Vorschrift abschließend erfasst, sodass es einer allgemeinen Anerkennung nicht bedürfe.265 Der abschließende Charakter der Vorschrift ist allerdings abzulehnen. Die Diskussion um die Anwendbarkeit entspringt dem Subventionsrecht, in concreto geht es um die Rückabwicklung derjenigen Fallgestaltungen, in denen der Subventionszweck, welcher in dem der Leistung zugrunde liegenden Gewährungsakt ausdrücklich festgeschrieben ist, nicht erreicht wird. Hier wird ein selbständiger öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch unter Verweis auf die benannten Vorschriften des VwVfG und eines damit verbundenen, nicht vorhandenen eigenen Anwendungsbereichs abgelehnt. § 49 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 VwVfG i. V. m. § 49a VwVfG ist streng auf die Handlungsform des Verwaltungsakts begrenzt. Auf andere Handlungsformen ist die Vorschrift nicht übertragbar.266 Im Rahmen eines Gesetzgebungsvertrags ist dem Leistungsaustausch aber kein Verwaltungsakt vorgeschaltet. Dies gilt insbesondere für die Leistung des Privatrechtssubjekts. § 49 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 VwVfG i. V. m. § 49a VwVfG ist nicht einschlägig, sodass nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Rechtsordnung in § 49 Abs. 3 S. 1 N. 1 VwVfG eine abschließende Regelung hinsichtlich der Rückabwicklung von Leistungen bei Zweckverfehlung beinhaltet.267 Bereits aus rechtsstaatlicher Sicht muss es dem Betroffenen möglich sein, in denjenigen Fällen, in denen eine ausdrückliche Anspruchsgrundlage nicht normiert ist, auf die allgemeinen Grundsätze zurückzugreifen.268 Nachdem ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch auf Grundlage der zivilrechtlichen Zweckverfehlungskondiktion gem. § 812 Abs. 1 S. 2, Alt. 2 BGB anzuerkennen ist, ist in einem zweiten Schritt zu klären, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des Kondiktionsanspruchs im Falle nichtiger Gesetzgebungsverträge gegeben sind. Nach § 812 Abs. 1 S. 2, Alt. 2 BGB kann das Geleistete auch dann kondiziert werden, wenn „der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt“. Dem Bereicherungsgläubiger wird ein Kondiktionsanspruch 265 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 1998, S. 430. Überblick bei Nöll, Die Rückforderung fehlgeschlagener Subventionen, 1987, S. 181 ff. 266 Falkenbach, in: Bader/Ronellenfitsch (Hrsg.), BeckOK-VwVfG, 2015, § 49a Rn 3; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, 2014, § 49a Rn; Kopp/Ramsauer (Hrsg.), VwVfG, 2014, § 49a Rn 4. 267 Rybak, Rechtsstaat am Verhandlungstisch, 2006, S. 182. 268 Rybak, Rechtsstaat am Verhandlungstisch, 2006, S. 182; Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 142 der für eine analoge Anwendung des § 812 Abs. 1 S. 2, Alt. 2 BGB plädiert.
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zugestanden, da sich die Erwartung, seine Leistung werde einen bestimmten Erfolg herbeiführen, endgültig nicht erfüllt hat.269 In diesen sog. „Veranlassungsfällen“ erbringt eine Partei eine Leistung in der Erwartung, dass sich der Empfänger durch die Leistung zu einem bestimmten Verhalten veranlasst sieht, zu welchem er rechtlich nicht verpflichtet ist (oder werden kann).270 Unbestritten gilt der Veranlassungsgedanke auch für den Fall, dass der eine Teil bei einem nichtigen Vertrag trotz Kenntnis der Nichtigkeit die übernommene Leistung erbringt. Denn die Leistung hat im Allgemeinen den Zweck, den Empfänger zur Erbringung einer Gegenleistung zu veranlassen.271 Im Falle eines Gesetzgebungsvertrags bestehen – wie gezeigt – keine primären Leistungspflichten. Die Parteien sind einzig über das Element der Faktizität an die Vereinbarung, insbesondere das ihrerseits getätigte Leistungsversprechen, gebunden. Sie erbringen eine Leistung, um den anderen Teil zur Einhaltung seines Versprechens zu veranlassen („do ut des“). Voraussetzung ist allerdings stets, dass dieser Zweck „zum Inhalt des Rechtsgeschäfts“ geworden ist. Eine einseitige Zwecksetzung des Leistenden genügt für die Anwendung der Zweckkondiktion nicht. Erforderlich ist, dass die Beteiligten sich ausdrücklich oder stillschweigend hinsichtlich des bezweckten Erfolgs geeinigt haben, wobei die Einigung nicht rechtsgeschäftlich bindend sein darf, da andernfalls die Leistung „zur Erfüllung einer Verbindlichkeit“ (i. S. d. condictio indebiti) erbracht werden würde.272 An dieser Stelle ist insbesondere eine Abgrenzung zum Wegfall der Geschäftsgrundlage notwendig. Die gegenseitige Erwartung einer Gegenleistung darf nicht zur Geschäftsgrundlage der Absprache geworden sein. Unter einer Geschäftsgrundlage werden im allgemeinen „die bei Abschluss des Vertrags zutage getretenen, dem anderen Teil erkennbar gewordenen und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Partei oder die gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt bestimmter Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf diesen Vorstellungen aufbaut“ verstanden.273 Der Unterschied im Anwendungsbereich liegt darin, dass bei der condictio ob rem eine Zweckvereinbarung vorliegt, wohingegen bei der Geschäftsgrundlage der bezweckte Erfolg von den Parteien lediglich vorausgesetzt, aber eben nicht vereinbart wurde. In einem Gesetzgebungsvertrag versprechen sich die Parteien regelmäßig die Erbringung einer bestimmten Leistung. Die vertraglich konkretisierten Leistungspflichten sprechen dafür, dass es sich bei der Erbringung einer Gegen 269
Die Zweckverfehlung muss endgültig feststehen. Im Zweifelsfall muss der Kondiktionsgläubiger eine Erklärungsfrist mit Rückforderungsandrohung setzen. 270 Staake, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 2013, § 3 Rn 57; Looschelders, Schuldrecht BT, 2014, § 52 Rn 1041. 271 Looschelders, Schuldrecht BT, 2014, § 52 Rn 1044. Die condictio indebiti würde in diesen Fällen regelmäßig an § 814 Abs. 1 BGB scheitern, da der Leistende weiß, dass er zur Leistung nicht verpflichtet ist. 272 BGHZ 183, 242, 252 f. m. w. N. 273 RGZ 103, 328, 332; BGH NJW 1958, 297; BGHZ 133, 281.
I. Echter Gesetzgebungsvertrag und unechter Gesetzgebungsvertrag
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leistung gerade nicht um einen bloßen Umstand handelt, dessen künftiger Eintritt beiderseitig erwartet wird. Vielmehr ist mit zunehmendem Konkretisierungsgrad davon auszugehen, dass eine hinreichende Zweckvereinbarung vorliegt.274 cc) Rechtsfolge Auf der Rechtsfolgenseite richtet sich der öffentlich-rechtliche Erstattungsan spruch auf die Herausgabe des tatsächlich Erlangten. Nach dem – auch im öffentlichen Recht geltenden – Rechtsgedanken des § 818 Abs. 1 BGB, sind die gezogenen Nutzungen sowie erlangte Surrogate herauszugeben.275 Ist die Herausgabe nicht möglich, ist Wertersatz zu leisten. Stellt das Erlangte eine sog. „aufgedrängte Bereicherung“ dar, d. h. ist die von dem Privatrechtssubjekt getätigte Leistung für den Hoheitsträger ohne subjektives Interesse, fehlt es an einer Bereicherung.276 Dieser Fall wird allerdings kaum bedeutsam sein, da die erbrachte Leistung Gegenstand einer vertraglichen Vereinbarung war. Hieraus folgt eine Vermutung für das subjektive Interesse zumindest im Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Insbesondere dann, wenn das Privatrechtssubjekt eine Geldleistung erbracht hat, stellt sich regelmäßig die Frage, ob die Erstattungsforderung gegen den Hoheitsträger zu verzinsen ist. Grundsätzlich ist der Hoheitsträger verpflichtet, den tatsächlich gezogenen Zinsgewinn herauszugeben.277 Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts gibt es darüber hinaus im öffentlichen Recht aber keinen allgemeinen Grundsatz, aufgrund dessen Geldschulden oder Erstattungsbeiträge vom Schuldner zu verzinsen sind.278 Hierzu ist der Schuldner nur dann verpflichtet, wenn ein ausdrücklicher Rechtssatz besteht.279 Für die Zeit ab Rechtshängigkeit stehen dem Gläubiger des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs bei Geldschulden Prozesszinsen gem. der §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2, 247 BGB zu.280 Die Tatsache, dass der Leistende in Kenntnis der Nichtschuld handelt, schließt den Anspruch nicht aus. § 814 BGB findet im Rahmen der Zweckverfehlungskondiktion keine Anwendung.281 274
So i.E. auch Rybak, Rechtsstaat am Verhandlungstisch, 2006, S. 183. Baldus/Grzeszick/Wienhues (Hrsg.), Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., Rn 528. 276 OVG Münster DÖV 1971, 350, 351. 277 Baldus/Grzeszick/Wienhues (Hrsg.), Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., Rn 529. 278 BVerwG 14, 1, 3; 15, 78, 81; 21, 44, 45; 38, 49, 50; 48, 133, 136; 71, 48, 53; 115, 141; 135, 238; Detterbeck/Windthorst/Sproll (Hrsg.), Staatshaftungsrecht, 2000, § 25 Rn 4. 279 Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Aufl., S. 547. 280 BVerwG 71, 85, 93; Detterbeck/Windthorst/Sproll (Hrsg.), Staatshaftungsrecht, 2000, § 25 Rn 5. Auf § 288 Abs. 1 BGB (Verzugszinsen) darf darüber hinaus – ohne ausdrücklichen Verweis – nicht zurückgegriffen werden. 281 OLG Köln NJW-RR 1994, 1026, 1027. Denn § 814 BGB beruht auf dem Rechtsgedanken, dass derjenige, der weiß, dass er zur Leistung nicht verpflichtet ist und dennoch leistet, sich widersprüchlich verhält, wenn er das Geleistete später zurückverlangt. Die Vorschrift bezweckt mithin den Schutz des Leistungsempfängers. Dieser kann darauf vertrauen, dass er die Leistung 275
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D. Rechtsfolgen auf Primär- und Sekundärebene
Der Staat kann sich im Falle eines Erstattungsanspruchs des Bürgers gegen den Staat grds. nicht auf den Wegfall der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) berufen.282 Zunächst wird es dem Hoheitsträger schwer nachweisbar sein, den Wegfall der Bereicherung darzulegen. Eine hohe Rückerstattungsverpflichtung ist zudem nicht geeignet, den Hoheitsträger in seiner wirtschaftlichen Existenz oder der wirtschaftlichen Fähigkeit zur Aufgabenerfüllung ernsthaft zu gefährden. Hierin liegt aber gerade der Rechtsgrund für die Schaffung des § 818 Abs. 3 BGB. Darüber hinaus ist der Hoheitsträger über Art. 20 Abs. 3 GG gehindert, sich auf den Entreicherungseinwand zu berufen. Denn dieser, im bürgerlichen Recht in § 818 BGB verkörperte Grundsatz, sieht vor, dass von dem erlangten Vermögenswert nur das noch Vorhandene herauszugeben ist. Im bürgerlichen Recht findet er auf beiden Seiten des Kondiktionsverhältnisses gleichermaßen Anwendung, wer immer auch der Bereicherte und wer der Entreicherte ist. Für ein öffentlich-rechtliches Erstattungsverhältnis, in dem sich Bürger und Hoheitsträger gegenüberstehen, muss dieser Grundsatz eine Modifikation erfahren. Denn anders als im Zivilrecht werden hier die Interessen beider Seiten von der Rechtsordnung gerade nicht gleich, sondern unterschiedlich bewertet. Die öffentliche Hand ist dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung aus Art. 20 Abs. 3 GG verpflichtet. Ihr Interesse muss darauf gerichtet sein, den rechtmäßigen Zustand wiederherzustellen, d. h. eine ohne Rechtsgrund eingetretene Vermögensverschiebung zu beseitigen. Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit gilt für sie auch dann, wenn sie selbst etwas ohne rechtlichen Grund erlangt hat. Deshalb ist es einem Hoheitsträger grundsätzlich versagt, sich auf eine Entreicherung zu berufen.283 Prozessual ist das Privatrechtssubjekt auf eine Leistungsklage verwiesen. Es gilt die dreijährige Verjährungsfrist gem. § 195 BGB. Diese beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruchsberechtigte Kenntnis von den seinen Anspruch begründenden Umständen erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.284
behalten darf, vgl. Baldus/Grzeszick/Wienhues, Staatshaftungsrecht, Rn 536. Ein Hoheits träger, der über Art. 20 Abs. 3 GG dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung unterworfen ist, bedarf eines solchen Schutzes nicht. 282 BVerwGE 36, 108, 113 f.; Baldus/Grzeszick/Wienhues (Hrsg.), Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., Rn 533 ff.; im Falle eines Erstattungsanspruchs des Staates gegen den Bürger kann der Entreicherungsgedanke des § 818 Abs. 3 BGB hingegen zur Anwendung gelangen. Die Schutzfunktion des § 818 Abs. 3 BGB wird im öffentlichen Recht durch das Institut des Vertrauensschutzes wahrgenommen. Soweit das Vertrauen des Bürgers auf die Beständigkeit des staatlicherseits gewährten Vorteils schutzwürdig ist, streitet das gegen die Rückgewährt, vgl. Baldus/Grzeszick/Wienhues (Hrsg.), Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., Rn 535; umfassend zur Geltung des Vertrauensschutzprinzips, soweit der Bürger Kondiktionsschuldner ist s. Detterbeck/Windthorst/ Sproll (Hrsg.), Staatshaftungsrecht, 2000, § 25 Rn 14 ff. 283 BVerwGE 71, 85. 284 Baldus/Grzeszick/Wienhues (Hrsg.), Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., Rn 538; Stein/Itzel/ Schwall, Praxishandbuch des Amts- und Staatshaftungsrechts, 2005, Rn 809.
I. Echter Gesetzgebungsvertrag und unechter Gesetzgebungsvertrag
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e) Enteignungsgleicher bzw. enteignender Eingriff Der enteignungsgleiche Eingriff hat seine Rechtsgrundlage im allgemeinen Aufopferungsgedanken der §§ 74, 75 Einl. Preußisches ALR in seiner richterrechtlichen Ausformung.285 Voraussetzung für eine Entschädigung ist, dass durch einen hoheitlichen Eingriff eine Eigentumsposition unmittelbar rechtswidrig beeinträchtigt wird. Anknüpfungspunkt für einen Eingriff kann zunächst der Vertragsbruch, d. h. die absprachewidrige Gesetzgebung sein. Hiergegen lässt sich allerdings anführen, dass es sich bei dem absprachewidrigen Gesetzgebungsverhalten nicht um ein „rechtswidriges“ Verhalten handelt. Es fehlt – mangels Rechtsverbindlichkeit des Gesetzgebungsvertrags – an einem verbindlichen Rechtssatz, der dem Gesetzgebungsverhalten entgegensteht. Der Vertragsbruch kommt mithin nicht als entschädigungspflichtiger Eingriff in Betracht. Als die den Eingriff begründende hoheitliche Maßnahme kommt nach Auffassung des Bundesgerichtshofs286 grds. auch ein (qualifiziertes) Unterlassen des Hoheitsträgers in Betracht. Ein qualifiziertes Unterlassen liegt vor, wenn sich die Untätigkeit der Behörde ausnahmsweise als ein in den Rechtskreis des Betroffenen eingreifendes Handeln qualifizieren lässt und offen zutage liegt, zu welchem Verhalten die öffentliche Hand verpflichtet ist.287 In Bezug auf den Gesetzgebungsvertrag kommt an dieser Stelle erneut die Verletzung von Aufklärungspflichten seitens des Hoheitsträgers in Betracht. Unabhängig von der Frage, ob es sich hierbei um bloß einfaches oder ein qualifiziertes Unterlassen handelt, fehlt es aber zumindest an dem Merkmal der Unmittelbarkeit. Demnach gilt nur dasjenige hoheitliche Handeln als kausaler Eingriff, dass ohne Hinzutreten einer weiteren Ursache den Schaden herbeigeführt hat.288 Die Leistung des Privatrechtssubjekts wird erst durch die endgültige Aufgabe der Absprache entwertet und nicht bereits durch die Verletzung der Aufklärungspflicht.289 Sie stellt sich – bei wertender Betrachtung – nicht als Nachteil dar, der „aus der Eigenart der hoheitlichen Maßnahme“ folgt.290
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BGHZ 90, 17, 31; 91, 243, 253; ausführlich zur Entwicklung der Rechtsprechung Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., S. 259 ff.; Baldus/Grzeszick/Wienhues, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., Rn 424. Spezialgesetzliche – hier nicht einschlägige – Ausformungen des Anspruchs finden sich in bspw. in §§ 39 Abs. 1b OBG NRW, 67 PolG NRW. 286 Der BGH unterscheidet zwischen schlichtem und qualifiziertem Unterlassen. Lediglich das qualifizierte Unterlassen begründet s.E. einen Eingriff, vgl. BGHZ 32, 208, 211; 56, 40, 42; 102, 350, 364; 120, 124, 132. In der Literatur wird darüber hinaus vertreten, dass sich beide Begriffe nicht eindeutig voneinander abgrenzen ließen. Hieran anknüpfend wird von einem rechtserheblichen Eingriff durch Unterlassen bereits dann gesprochen, wenn für den Hoheitsträger eine Rechtspflicht zum Tun besteht, s. Ossenbühl/Cornils (Hrsg.), Staatshaftungsrecht, 4. Aufl. S. 310. 287 Tremml/Karger/Luber (Hrsg.), Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., Rn 322 m. w. N. 288 S. BGHZ 55, 229, 231 f.;54, 332, 338; Tremml/Karger/Luber (Hrsg.), Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., Rn 328. 289 Rybak, Rechtsstaat am Verhandlungstisch, 2006, S. 187. 290 Tremml/Karger/Luber (Hrsg.), Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., Rn 329.
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D. Rechtsfolgen auf Primär- und Sekundärebene
Darüber hinaus wird ein Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff regelmäßig daran scheitern, dass kein relevantes Schutzgut beeinträchtigt ist. Als Schutzgut kommt jede konkrete, in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG fallende Rechtsposition in Betracht, wobei Innehabung, Nutzung und Verfügung geschützt werden. Soweit es sich um ein vom Gesetzgeber anerkanntes vermögenswertes Recht handelt, ist es Eigentumsfähig und somit vom Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG erfasst. Somit werden zunächst alle Rechtspositionen, die das bürgerliche Recht einem Rechtssubjekt des Privatrechts als Eigentum zuordnet, geschützt.291 Konkret werden „alle dinglichen Rechte sowie alle Forderungen und Ansprüche“ geschützt.292 Nicht geschützt sind jedoch das bloße Vermögen als solches293 sowie Vorteile, die sich aus dem Fortbestand einer günstigen Gesetzeslage ergeben.294 Insbesondere in ersterem Fall, wenn das Privatrechtssubjekt eine Geldleistung versprochen hat und in Vorleistung gegangen ist, wird demgemäß ein Anspruch mangels geschützter Rechtsposition regelmäßig ausscheiden. Ein Unterlassen des Hoheitsträgers kommt nicht als enteignender Eingriff in Betracht.295 Die unterlassene Aufklärung kommt demgemäß nicht als Anknüpfungspunkt in Betracht. An dieser Stelle könnte aber in Bezug auf den Eingriff auf das absprachewidrige Gesetzgebungsverhalten als rechtmäßige hoheitliche Verhaltensweise abgestellt werden. Dabei wird teilweise eingewendet, das Vertrauen des Privatrechtssubjekts dahingehend, dass der Hoheitsträger die Absprache einhalte, sei nicht schutzwürdig.296 Diese pauschale Wertung ist abzulehnen. Vielmehr ist der Gesetzgebungsvertrag grds. geeignet, eine hinreichende Vertrauensgrundlage darzustellen.297 Ist aber davon auszugehen, dass ein hinreichender Vertrauenstatbestand vorliegt, so kann auch das Vertrauen des Privatrechtssubjekts schutzwürdig sein. Allerdings ist im Einzelfall zu bewerten, ob die Opfergrenze überschritten ist, d. h. inwieweit eine Eigentumsposition des Privatrechtssubjekts nach Dauer, Art und Intensität derart erheblich beeinträchtigt ist, dass eine entschädigungslose Hinnahme nicht mehr zumutbar ist.298 Zur genaueren Bestimmung, ob die Schwelle des enteignungsrechtlich Zumutbaren überschritten ist, stellt die Recht-
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Tremml/Karger/Luber (Hrsg.), Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., Rn 313 f. Schutzfähig sind mithin das Sacheigentum, Anwartschaftsrechte, Nießbrauchs- und Erbbaurechte, vermögenswerte Mitgliedschafts- und Gesellschaftsrechte, privatrechtliche Forderungsrechte, das Urheberrecht, die eingetragene Marke und das Erfinderrecht, vgl. die Aufzählung bei Tremml/Karger/Luber (Hrsg.), Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., Rn 314. 293 OLG Karlsruhe BeckRS 2010, 08500. 294 Letzteres gilt deswegen, weil Art. 14 GG nur eigentumsfähige Rechtspositionen in ihrem konkreten Bestand schützt, d. h. im Zeitpunkt des Eingriffs bestehende Rechtspositionen, nicht hingegen künftige Rechtspositionen, vgl. hierzu Tremml/Karger/Luber (Hrsg.), Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., Rn 317. 295 BGHZ 102, 350, 364. 296 Rybak, Rechtsstaat am Verhandlungstisch, 2006, S. 188. 297 Hierzu oben unter D. I. 2. b) aa) (4). 298 BGHZ 57, 359, 366; Baldus/Grzeszick/Wienhues (Hrsg.), Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., Rn 457. 292
I. Echter Gesetzgebungsvertrag und unechter Gesetzgebungsvertrag
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sprechung auf § 906 Abs. 2 S. 2 BGB, den Grundsatz der Lastengleichheit sowie die Zumutbarkeitsgrenze im Sinne der Verhältnismäßigkeit ab.299 f) Öffentlich-rechtlicher Folgenbeseitigungsanspruch Der öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch ist darauf gerichtet, die Folgen ungerechtfertigter Grundrechtseingriffe zu beseitigen. Die öffentliche Gewalt wird verpflichtet, die Fortdauer des durch den ungerechtfertigten Eingriff geschaffenen Zustands zu beenden und denjenigen tatsächlichen Zustand widerherzustellen, der vor dem Eingriff bestand. Ist dies nicht möglich, so muss ein gleichwertiger Zustand hergestellt werden.300 Der öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch umfasst mithin grds. nicht die Entschädigung in Form einer Geldleistung.301 Geschuldet wird lediglich die Widerherstellung desjenigen früheren Zustands, der unmittelbare Folge eines hoheitlichen Eingriffs ist. Dieser Anspruchsinhalt nützt dem Privatrechtssubjekt nicht, wenn es um die Rückgewähr der selbst erbrachten Leistung geht, wie sie im Gesetzgebungsvertrag versprochen ist. Das Privatrechtssubjekt begehrt die Rückgängigmachung der selbst erbrachten Leistung. Diese erfasst der öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch nicht.302 g) Die Haftung der Bundesregierung wegen vertraglicher Risikoübernahme Der Bundesgerichtshof hatte in der Vergangenheit über eine Vielzahl von Fallgestaltungen zu entscheiden, in denen eine Gemeinde im Vorfeld der Bauleitplanung mit einem Privatrechtssubjekt zusammenarbeitete und sich später die Aufwendungen des privaten Partners infolge einer Änderung der Planung durch die Gemeinde als nutzlos erwiesen.303 In all diesen Entscheidungen ging der Bundesgerichtshof davon aus, dass im Interesse des redlichen Rechts- bzw. Grundstücksverkehrs und der Förderung der für die bauliche Entwicklung der Gemeinden notwendigen Privatinitiative ein anzuerkennendes Bedürfnis dafür bestehe, der gemeindlichen Freiheit bei der Bauleitplanung einen vermögensrechtlichen Ausgleich zugunsten des Privatrechtssubjekts gegenüberzustellen, soweit es nicht zu der Verwirklichung der gemeinsam ausgearbeiteten Planungskonzeption komme.304 Die 299
Hierzu Baldus/Grzeszick/Wienhues (Hrsg.), Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., Rn 476. BVerwGE 38, 336, 346. 301 Baldus/Grzeszick/Wienhues (Hrsg.), Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., Rn 20; Tremml/Karger/ Luber (Hrsg.), Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., Rn 425 f. 302 Ebenso Rybak, Rechtsstaat am Verhandlungstisch, 2006, S. 188. 303 BGHHhZ 71, 386 ( Folgelastenvertrag); BGHZ 76, 16 (Grunderwerbsvertrag mit Baupla nungsabrede); BGHZ 76, 343 (Erschließungsvertrag); BGH NVwZ 1982, 145 (Zusammenarbeit bei der Errichtung eines Altenheims); BGH ZfBR 1984, 146 (Bau eines Gesundheitszentrums). 304 BGHZ 71, 386; 76, 16, 27; 76, 343, 348. 300
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D. Rechtsfolgen auf Primär- und Sekundärebene
grundsätzlich bestehende Notwendigkeit eines dem entsprechenden Kompensa tionsanspruchs wurde auch von der Literatur anerkannt.305 Gerechtfertigt wird ein solches Bedürfnis mit der besonders engen Zusammenarbeit zwischen dem Hoheitsträger und dem Privatrechtssubjekt. Das Verhältnis sei geprägt von „gegenseitiger Fühlungnahme“, „Unterrichtung und Abstimmung“ sowie von „Wissens- und Absichtserklärungen“.306 Zwar ist die Gemeinde in ihrer Bauleitplanung nicht daran gebunden, eine derartig konzipierte und koordinierte Planung zu verwirklichen. Sie kann die Bauleit planung in eine völlig andere Richtung betreiben.307 Ihr vorheriges Verhalten ist jedoch dazu in der Lage einen Tatbestand zu setzen, „aus dem sich […] die Verpflichtung ergeben kann, dem privaten Partner für den Fall des späteren Fehlschlags der Planung aus Gründen, die in der Sphäre der Gemeinde liegen, einen finanziellen Ausgleich für nutzlos erbrachte Aufwendungen zu gewähren.“ Im Einzelfall kann in dem Verhalten der Gemeinde dann eine sog. „vertragliche Risikoübernahme“ liegen, welche zu einem verschuldensunabhängigen Kompensationsanspruch des Geschädigten führt.308 Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass aufgrund der engen Koordinierung und Abstimmung zwischen Gemeinde und Privatrechtssubjekt das Risiko einer nachträglichen Änderung der Planungskonzeption nicht einseitig einem Beteiligten auferlegt werden soll (keine Abwälzung). Die Risikoübernahme kann dabei ausdrücklich erklärt worden sein oder sich aus dem Gesamtverhalten der Gemeinde ergeben. Ob und in welchem Umfang eine solche, den Kompensationsanspruch begründende vertragliche Risikoübernahme vorliegt, ist durch Auslegung der Willenserklärungen der Beteiligten unter Würdigung der Gesamtsituation (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln.309 Der Anspruch ist in seinem Umfang jedoch begrenzt. So sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur diejenigen Aufwendungen des privaten Vertragspartners in Geld zu kompensieren, die von der Gemeinde bei einer später aufgegebenen Planung sonst selbst zu tragen gewesen wären und die im Zusammenhang mit einem Verhalten der Gemeinde vorgenommen wurden, welches den Privaten mit erkennbarem Rechtsbindungswillen dazu anhält, solche Kosten verursachenden Vorarbeiten für ein als den beiderseitigen Interessen dienlich erachtetes Projekt auszuführen.310 Das Konstrukt der „vertraglichen Risikoübernahme“ kann auch im Rahmen der sekundären Abwicklung eines Gesetzgebungsvertrags herangezogen werden, wenn und soweit der Private schon versprochene Aufwendungen erbracht hat. Die 305
Dolde NJW 1979, S. 889 ff., 891; Papier JuS 1981, S. 498 ff., 502; Krebs VerwArch 1981, S. 49 ff., 59 ff.; Bullinger DÖV 1977, S. 812 ff., 819. 306 BGH ZfBR 1984, 146. 307 Zu den Gründen hierfür bereits unter D. I. 2. b) cc) (3) (b). 308 BGH ZfBR 1984, 146. 309 BGH ZfBR 1984, 146. 310 BGH ZfBR 1984, 146.
II. Gesetzgebungsvertrag mit Anreizfunktion
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Parallelität des Bauleitplanungsverfahrens auf der einen sowie des Gesetzgebungsverfahrens auf der anderen Seite wurden bereits an anderer Stelle dargelegt.311 Unabhängig von der Frage, ob die verfassungsrechtlichen Einwände gegen den Gesetzgebungsvertrag aus der (begrifflich bereits weit zu fassenden) „Sphäre“ des hoheitlichen Vertragspartners stammen, wird der Anspruch jedoch nur schwer zu realisieren sein. Denn bei den getätigten Aufwendungen des Privatrechtssubjekts handelt es sich in der Mehrzahl der Fälle wohl nicht um Maßnahmen, welche den beiderseitigen Interessen der Beteiligten dienlich sind. Vielmehr handelt es sich um die einseitig versprochene Leistungspflicht, welche in Vorleistung erbracht wurde.
II. Echter Gesetzgebungsvertrag (Einbringung), unechter Gesetzgebungsvertrag (Nichteinbringung und Rücknahme) und Gesetzgebungsvertrag mit Anreizfunktion 1. Primärebene: Erfüllungspflichten Aus einem wirksamen Gesetzgebungsvertrag erwachsen Leistungspflichten.312 Die Parteien sind verpflichtet, die gegenseitig versprochenen Hauptleistungspflichten zu erfüllen. Demgemäß muss die Bundesregierung einen Gesetzentwurf (nicht) einbringen bzw. zurücknehmen. Problematisch ist diesbezüglich, ob das beteiligte Privatrechtssubjekt diese Verpflichtung einklagen kann. Die Einklagbarkeit der Verpflichtung ist vor allem hinsichtlich des Grundsatzes der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 GG) kritisch zu hinterfragen. Denn die richterliche Entscheidung würde unmittelbar die Befugnisse eines Verfassungsorgans, konkret das Gesetzesinitiativrecht der Bundesregierung aus Art. 76 Abs. 1 GG, betreffen. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es für das Privatrechtssubjekt wenig sinnvoll sein dürfte, die Erfüllungspflicht einzuklagen. Denn der Bundesregierung steht im Falle der Verpflichtung zur Einbringung eines Gesetzentwurfs nach h. M. ein Rücknahmerecht zu.313 Davon unabhängig ist davon auszugehen, dass – soweit die Bundesregierung von einer parlamentarischen Mehrheit getragen wird – der Bundestag aufgrund der faktischen Rückbindung der Abgeordneten den Gesetzentwurf nicht abweichend von dem gubernativen Willensentschluss behandeln wird. Die Rechte des Bundestags bleiben nämlich von der gerichtlichen Entscheidung unbetroffen. Dem Interesse des Privaten wäre dann nicht entsprochen. Ihm würde ein „nudum ius“ zugestanden. Aber selbst soweit die Bundesregierung nicht von einer parlamentarischen Mehrheit getragen wird, ist die Möglichkeit der Einklagbarkeit der primären Leistungspflicht – insbesondere in Bezug auf Art. 20 Abs. 2 GG – nicht zu verneinen. 311
Vgl. oben unter D. I. 2. b) cc) (1) (b). In diese Richtung auch Rybak, Rechtsstaat am Verhandlungstisch, 2006, S. 153. 313 Hierzu oben unter C. III. 2. b) aa) (4). 312
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D. Rechtsfolgen auf Primär- und Sekundärebene
Die Gründe, weshalb die Bundesregierung es ablehnt, ihrer vertraglich zugesagten Verpflichtung nachzukommen, können vielfältiger Natur sein, so beispielsweise politischer oder rechtlicher. Die richterliche Anordnung, dass – entgegen der Auffassung der Bundesregierung – ein Gesetzentwurf in den Bundestag (nicht) eingebracht werden muss, stellt dabei keinen unzulässigen Eingriff in den Funktionsbereich der Legislative oder deren Einschätzungsprärogative dar. Es erfolgt lediglich ein Eingriff in den Aufgabenbestand der Bundesregierung. Diese hat ihren Aufgabenbestand mit dem Abschluss des Gesetzgebungsvertrags – freilich nur in dem Umfang, in dem eine vertragliche Verpflichtung erfolgte – der judikativen Korrektur zugänglich gemacht. Das gebietet bereits das Rechtsstaatsprinzip. Der Wirkungsbereich der Legislative wird hierdurch nicht in unzulässiger oder gar verfassungswidriger Weise tangiert. Denn das Gesetzgebungsverfahren sieht hinreichende Mechanismen vor, um den legistischen Kreationsprozess – auch entgegen der richterlichen Anordnung – inhaltlich zu gestalten. Dies liegt vornehmlich daran, dass die Rechte des Bundestags von der richterlichen Verfügung unangetastet bleiben. Durch die Verfügung wird vielmehr die Entscheidung im Ganzen in die Hände des Bundestags gelegt. Es steht vollumfänglich in seiner Macht, entgegen der Auffassung der Bundesregierung und mit der richterlichen Anordnung, einen Gesetzentwurf anzunehmen. Auf der anderen Seite kann er auch, mit der Auffassung der Bundesregierung und entgegen der richterlichen Anordnung, ein Gesetz erneut „aus der Mitte des Bundestages“ (Art. 76 Abs. 1 GG) einbringen und so einer parlamentarischen Diskussion zugänglich machen. Das Exklusivitätsverhältnis von richterlicher Verfügung und parlamentarischem Votum spricht also maßgeblich dafür, die Einklagbarkeit der Verpflichtung nicht abzulehnen. Praktisch gesehen wird dem Privatrechtssubjekt ohnehin eher daran gelegen sein, sekundäre Anspruchsziele zu verfolgen. 2. Sekundärebene: Schadensersatzpflichten a) Schadensersatz statt der Leistung Schadensersatz statt der Leistung kann eine Partei – etwa nach § 62 S. 2 VwVfG analog i. V. m. § 280 Abs. 1, 3, 283 BGB bzw. § 62 S. 2 VwVfG analog i. V. m. § 311a Abs. 2 BGB – verlangen. Der Gesetzgebungsvertrag stellt ein wirksames Schuldverhältnis dar. Verhält sich die Bundesregierung entgegen ihrer zugesagten Verpflichtung, d. h. bringt Sie absprachewidrig einen Gesetzentwurf (nicht) ein oder nimmt ihn nicht zurück, so liegt hierin eine Pflichtverletzung. Diesbezüglich wird nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet, dass die Bundesregierung die Pflichtverletzung zu vertreten hat, wobei sich die Verantwortlichkeit nach § 276 BGB richtet. Art und Umfang des Schadensersatzes richten sich nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 249 ff. BGB. Etwaige Besonderheiten sind nicht ersichtlich.
III. Zusammenfassung
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b) Amtshaftungsanspruch aus Art. 34 GG i. V. m. § 839 Abs. 1 S. 1 BGB An dieser Stelle kommt insbesondere ein Anspruch wegen der Nichteinhaltung von Zusagen in Betracht. Ein Hoheitsträger – d. h. auch die Bundesregierung – ist an rechtswirksame Zusagen gebunden. Verletzt er diese Bindung, besteht – vorbehaltlich der anderen Voraussetzungen314 – ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung. c) Enteignungsgleicher Eingriff Anknüpfungspunkt für einen Eingriff ist der Vertragsbruch, d. h. die absprachewidrige Gesetzgebung der Bundesregierung. Bei dem absprachewidrigen Gesetzgebungsverhalten handelt es sich um ein „rechtswidriges“ Verhalten. Der Vertragsbruch ist der entschädigungspflichtige Eingriff. Vorbehaltlich der weiteren Voraussetzungen,315 steht dem Privatrechtssubjekt somit ein Ersatzanspruch zu.
III. Zusammenfassung Aus einem Gesetzgebungsvertrag, in dem die Bundesregierung einem Privatrechtssubjekt den Beschluss oder Nichtbeschluss eines bestimmten Gesetzes verspricht, erwachsen keine Erfüllungsansprüche. Mangels einer wirksamen Begründung eines auf Erfüllung gerichteten Schuldverhältnisses, kann auch eine Nichterfüllung des Vertrags keine Pflichtverletzung derart darstellen, dass ein Schadensersatzanspruch statt der Leistung entsteht. Denkbar ist allerdings eine sekundäre Haftung nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes, konkret ausgestaltet durch die Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss (culpa in contrahendo). Der nichtige Gesetzgebungsvertrag kann eine taugliche Vertrauensgrundlage darstellen und bietet einen hinreichenden Anknüpfungspunkt für eine Haftung des Hoheitsträgers aus c. i. c. Die haftungsbegründende Pflichtverletzung folgt insoweit aus der Verletzung von Informations- und Aufklärungspflichten seitens der Bundesregierung. Darüber hinaus sind auch Schadensersatzansprüche aus Amtshaftung (Art. 34 GG i. V. m. § 839 Abs. 1 S. 1 BGB), allgemeinem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch, enteignungsgleichem bzw. enteignendem Eingriff sowie vertraglicher Risikoübernahme möglich. Demgegenüber folgen aus einem Gesetzgebungsvertrag, in dem die Bundesregierung dem Privatrechtssubjekt die Einbringung, Nichteinbringung oder Rücknahme eines Gesetzentwurfs verspricht, Erfüllungsansprüche. Die Verletzung 314
Vgl. hierzu bereits oben unter D. I. 2. c). Vgl. hierzu bereits oben unter D. I. 2. e).
315
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D. Rechtsfolgen auf Primär- und Sekundärebene
einer vertraglich übernommenen Primärpflicht führt unweigerlich zu einem Schadensersatzanspruch statt der Leistung. Zudem kann ein Anspruch aus Amtshaftung (Art. 34 GG i. V. m. § 839 Abs. 1 S. 1 BGB) sowie enteignungsgleichem Eingriff dem Grunde nach bestehen.
E. Ergebnisse und Ausblick I. Gesetzgebungsverträge zwischen der Bundesregierung und einem Privatrechtssubjekt sind in vielfältigen Gestaltungsformen möglich. Zu unterscheiden sind zunächst diejenigen Gesetzgebungsverträge, die sich auf das Gesetzesbeschlussrecht des Bundestages aus Art. 77 Abs. 1 GG beziehen, von Gesetzgebungsverträgen, welche gegenständlich bloß das dem Gesetzesbeschluss vorgeschaltete Gesetzesinitiativrecht (Art. 76 Abs. 1 GG) betreffen. Beide Formen können sowohl eine positive Verpflichtung zum Tun (echter Gesetzgebungsvertrag), als auch eine negative Verpflichtung zum Unterlassen (unechter Gesetzgebungsvertrag) beinhalten. Als Sonderform des unechten Gesetzgebungsvertrags, der sich auf das Gesetzesinitiativrecht bezieht, ist darüber hinaus die Rücknahme einer bereits vollzogenen Initiativentscheidung denkbar. Letztlich existieren auch Gesetzgebungsverträge mit Anreizfunktion. Hierunter sind solche Gesetzgebungsverträge zu verstehen, in denen der (Nicht-) Erlass oder die (Nicht-) Einbringung eines Gesetz(-entwurfs) Wirksamkeitsbedingung des Vertragsverhältnisses ist. In diesen Fällen steht und fällt die seitens des Privatrechtssubjekts übernommene Leistungspflicht mit dem Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens, wobei keine synallagmatische Beziehung zwischen der hoheitlichen Verhaltensweise und der von dem Privatrechtssubjekt übernommenen Verpflichtung besteht. Die vorbenannten Erscheinungsformen eines Gesetzesgebungsvertrags werden nicht allesamt von der Verfassung gebilligt. So kann die Bundesregierung nicht in rechtlich wirksamer Weise das Gesetzesbeschlussrecht des Bundestages aus Art. 77 Abs. 1 GG binden. Aus dem Versuch, dennoch eine vertragliche Bindung zu erwirken, können dem Privatrechtssubjekt im Einzelfall sekundäre Schadensersatzansprüche erwachsen – insbesondere unter dem Aspekt des Vertrauensschutzes, konkret ausgeformt in dem Anspruch aus culpa in contrahendo (c. i. c.). Hingegen ist es der Bundesregierung möglich, sowohl den formellen als auch den materiellen Aspekt ihres Gesetzesinitiativrechts aus Art. 76 Abs. 1 GG in einem Gesetzgebungsvertrag wirksam zu binden. Derartige Gesetzgebungsverträge unterliegen jedoch verfassungsrechtlichen Restriktionen. So gebietet das Prinzip der Verfassungsorgantreue die Einhaltung bestimmter Informations- und Offenlegungspflichten gegenüber dem Bundestag. Sekundär ist auch dieses Vertragsverhältnis geeignet, Schadensersatzansprüche zu begründen. Diese können sich vor allem als Schadensersatz statt der Leistung darstellen.
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E. Ergebnisse und Ausblick
II. Die nationalstaatliche Gesetzgebungslehre verwirklicht sich maßgeblich in den Regelungsklassikern Gesetz, Verordnung und Satzung. Diesen traditionellen Rechtsnormen kommt trotz aller moderner Entrechtlichungstendenzen eine essentielle Bedeutung als Steuerungsinstrument im demokratischen Rechtsstaat zu. Dabei stellt sich – mindestens auf bundesstaatlicher und damit der im Rahmen dieser Arbeit vorrangig beachtlichen Ebene – das Gesetz als steuerungsintensivstes Instrument dar. Als wesentliches rechtsstaatliches Steuerungsmedium ist es die normologische Fortwirkung demokratischer Legitimation. In dieser Eigenschaft konkretisiert es abstrakt-generell soziale und materielle Gerechtigkeitsmaßstäbe der Verfassung nach Maßgabe der politischen und parlamentarischen Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers. Idealiter verkörpern Rechtsnormen Handlungs- und Entscheidungsmaßstäbe für sämtliche Regelungsadressaten. Diesem Leitbild entsprechend regeln Rechtsnormen einen Lebenssachverhalt abstrakt-generell. Zur Wahrung des abstrakt- generellen Regelungscharakter eines Gesetzes wird dem Prozess der Gesetzesproduktion traditionell das Dogma vom Über-/Unterordnungsverhältnis zwischen Staat und Bürger auferlegt. Dies rechtfertigt sich grundsätzlich aus dem (nicht zu unterschätzenden) Risiko defizitärer Interessenberücksichtigung bzw. Interessenverwirklichung zulasten der Rechtsgemeinschaft im Verhältnis zu legistischprozeduraler Gleichordnung. Das rechtstheoretische Leitbild vom omniszienten Gesetzgeber, der einen regelungsbedürftigen Sachverhalt frei von bürgerlichen Einflüssen erfassen und regulieren kann ist jedoch fern ministerieller Praxis und insbesondere unter rechtsstaatstheoretischen Gesichtspunkten zu hinterfragen. In modernen Zeiten sieht sich das staatliche Steuerungsmonopol in quantitativer wie qualitativer Weise immer komplexer werdenden Lebenssachverhalten gegenüberstehen. Die hierfür verantwortlichen Faktoren wurden einleitend dargestellt. Die Schwierigkeit der Ausübung rechtsstaatstauglicher Staatsgewalt steigt daneben aufgrund des zunehmenden Anspruchs der Öffentlichkeit an die „Richtigkeit“ staatlicher Entscheidungen. Zukünftig wird dies nicht abklingen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass regelungsbedürftige Lebenssachverhalte an Komplexität gewinnen und staatliche Entscheidungen vermehrt einer (öffentlichen, gerichtlichen und politischen) Würdigung sowie Wertung unterzogen werden. Um dem Gesetzgebungsverfahren seine bedeutsame Funktion im demokratischen Rechtsstaat zu erhalten, bedarf es im Einzelfall legistischer Begleitinstrumente. Sie sind geeignet (und zum Teil sogar erforderlich, um), die Steuerungsfunktion des Legislativakts und die Rationalität des Gesetzgebungsverfahrens zu optimieren. Die im Rahmen dieser Arbeit behandelten Gesetzgebungsverträge stellen – freilich innerhalb der aufgezeigten Grenzen – ein solches Instrument dar. Die Notwendigkeit dieses Rechtsinstituts zeigt die politisch-parlamentarische Praxis.
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III. Gesetzgebungsverträge effektuieren die Rechtserzeugung und gewährleisten hierdurch eine nachhaltige Geltungskraft der Rechtsnormen. Eine jede Rechtsnorm benötigt Geltungskraft. Diese Geltungskraft erschöpft sich nicht schon in einer faktischen Geltung, d. h. dem normkonformen Verhalten der Regelungsadressaten. Die Anerkennung einer Norm als „inhaltlich richtig“ (materielle Akzeptanz) ist in einer pluralistischen Gesellschaft mangels universeller Richtigkeitsvorstellungen kein allgemeinverbindlicher Verhaltensmaßstab. In größerem Umfang speist sich die Geltungskraft der Rechtsnorm vielmehr aus der formalen Akzeptanz, d. h. der freiwilligen Unterwerfung der Normadressaten unter das Normsetzungsverfahren. Gesetzgebungsverträge als Instrument legistischer Kreation stärken das Normsetzungsverfahren und wirken so letztlich dem Geltungsverlust einer Rechtsnorm entgegen – bzw. Verhelfen zur Geltungserlangung. Dies auch (und vielfach wohl gerade) aufgrund der vertraglichen Verknüpfung von normkonformer Verhaltensweise und Vertragspflicht. Daneben sind Gesetzgebungsverträge nicht als Funktionseinschränkung staatlicher Gewalt zu begreifen, sondern vielmehr als zusätzliche Steuerungsmöglichkeit. Dies gilt insbesondere für die grundrechtlich relevanten staatlichen Steuerungsakte. Spiegelbildlich zur Erweiterung staatlicher Steuerungsmöglichkeiten durch Vertrag muss aber auch der Gedanke der Haftung weiterentwickelt werden. Diese dualistische Fortentwicklung gebietet nicht zuletzt das Rechtsstaatsprinzip. Denn eine Erweiterung von Handlungsspielräumen muss zwingend mit der proportionalen Erweiterung von Verantwortung verbunden werden.
IV. Das wesentliche Hindernis für eine erfolgreiche staatliche Steuerung ist die defizitäre Sachkenntnis des Rechtsetzers über den regelungsbedürftigen Sachverhalt. Normsetzung wird deshalb zunehmend von privater Tätigkeit flankiert, um den Staat bei der Bewältigung gesellschaftlicher Problemlagen zu unterstützen. Die Beteiligung Dritter dient also der Kompensation bestehender Informationsasymetrien. Der Beteiligungsumfang privater Dritter ist dabei von der Informationsvermittlung bis hin zur Mitentscheidung denkbar. Die Beteiligung kann formell wie informell erfolgen. Die verbundweise Bewältigung staatlicher Aufgabenwahrnehmung kann von der teilweisen Einbeziehung bis zur vollständigen Auslagerung reichen. Der Grad der Beteiligung steht aber immer im Spannungsfeld zu verfassungsrechtlichen Vorgaben. Staatliche Rechtsetzungsverfahren unterliegen fundamentalen Verfassungsrechtssätzen, deren Konterkarierung es bei der Entwicklung steuerungstheoretischer Beteiligungsinstrumente zu verhindern gilt. Vor diesem Hintergrund ist der Gesetzgebungsvertrag in Bezug auf den staatlichen Machtverlust Symptom und kompensatorisches Modell zugleich.
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E. Ergebnisse und Ausblick
Seine Implementierung in den Gesetzgebungsalltag steht jedoch unverkennbar im Spannungsverhältnis zwischen Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip. Kooperative Rechtsetzungsmodelle verfügen über das Gefahrpotential einzelne Interessenträger zu priviligieren. Die Legitimität staatlicher Rechtsetzungstätigkeit ist hingegen ein Wesensmerkmal des demokratischen Rechtsstaats, dessen Aushölung es zu verhindern gilt. Allein aus dem Umstand, dass in normbezogenen Verhandlungen eine Ungleichverteilung privater Einflussnahme auf staatliche Gesetzgebung angelegt ist, kann indes nicht per se ein Verstoß gegen das grundgesetzlich verankerte Demokratieprinzip erblickt werden. Solange die gesetzgeberische Selbstbindung der Überwindung steuerungstheoretischer Wirksamkeitshindernisse der staatlichen Gesetzgebung (oder positivistisch: staatlicher Steuerungsfähigkeit) dient, lässt das Rechtsstaatsprinzip – unter Wahrung gewisser Voraussetzungen und Grenzen – im Bereich der Rechtserzeugung eine Verbindung von staatlicher Autorität und privater Rationalität zu.
V. Der Abschluss eines Gesetzgebungsvertrags ist als Aspekt staatsleitender Regierungstätigkeit grds. von Art. 65 S. 2 GG umfasst. Dies gilt jedoch nur insoweit, als das Vertragsverhältnis lediglich das Initiativrecht der Bundesregierung aus Art. 76 Abs. 1 GG betrifft. Wird über das Gesetzesbeschlussrecht des Bundestages aus Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG verfügt, so wird zuvorderst der Anwendungsbereich des Art. 65 S. 2 GG überschritten; unabhängig von der Vereinbarkeit eines solchen Gesetzgebungsvertrags mit sonstigem Verfassungsrecht existiert ein verfassungsrechtlicher Freigabeakt zum Abschluss eines entsprechenden Vertrags schlichtweg nicht. Hiervon ist zur Wahrung staatlicher Souveränität auch unter dem Gesichtspunk rechtsstaatlicher Steuerungsfähigkeit bzw- Steuerungsbedürftigkeit keine Ausnahme zu machen. Vornehmlich die kompetenzielle Feinschichtigkeit der Verfassung steht mithin einer Ausdehnung des Anwendungsbereichs rechtswirksamer Gesetzgebungsverträge über die in dieser Arbeit dargestellten Grenzen hinaus entgegen. Staatliche Souveränität ist unveräußerlich. Dieser Verfassungsvoraussetzung ist Genüge getan, solange sich der Staat seiner Befugnis, normativen Regelungen ihren steuernden Charakter zu- oder abzuerkennen, nicht letztverbindlich entäußert.
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Sachwortverzeichnis Administrative Rechtsetzung 32 Allzuständigkeit 57 –– Abgrenzung zu Kompetenzen 104 –– Bedeutung 104 Amtshaftung 245 –– Amtspflichtverletzung 247 –– Anreizfunktion 267 –– Drittgerichtetheit 251 –– Echter Gesetzgebungsvertrag 245, 267 –– Kausalität 251 –– Unechter Gesetzgebungsvertrag 245, 267 –– Verjährung 251 –– Verschulden 251 Atomkonsens 19, 151 –– Inhalt 19 –– Parteien 19 Äußeres Gesetzgebungsverfahren 84, 87 Bundestag –– Kontrollfunktion 47 –– Kreationsfunktion 45 –– Rechtsetzungsfunktion 46 Clausula rebus 194 Culpa in contrahendo 221 –– Abbruch der Vertragsverhandlungen 228 –– Aufklärungspflichten 230 –– Beweislast 242 –– Einschränkung 237 –– Faktizität 224 –– Kausalität 242 –– Kompetenzen 223 –– öffentlich-rechtliche 221 –– Pflichtverletzung 227 –– Rechtsfolgen 240 –– Rechtsweg 243 –– Risikoverteilung 232 –– Schaden 240 –– Schuldverhältnis 225 –– Verjährung 243 –– Verschulden 239
Demokratieprinzip 127 –– Allgemeines 127 –– Anreizfunktion 139 –– Echter Gesetzgebungsvertrag 134 –– Rücknahme 147 –– Unechter Gesetzgebungsvertrag 134 Demokratische Legitimation 128 –– Formen 129 –– Funktionell-institutionell 130 –– Sachlich-inhaltliche 130 Echter Gesetzgebungsvertrag 18 –– Amtshaftung 245, 267 –– Culpa in contrahendo 221 –– Enteignungsgleicher Eingriff 261 –– Formen 18 –– Normergänzend 18 –– Normverändernd 18 –– Normvorbereitend 18 –– Risikoübernahme 263 –– Schadensersatz 198, 265 –– Schadensersatz statt der Leistung 200, 266 –– Vertrauensschutz 201 Eingliederungsverträge 44 Energiekonsensgespräche 19 Energiewende 21 Enteignungsgleicher Eingriff 261, 267 Finanzmarktstabilisierungsgesetz 34 Fiskusprivileg 145 Förderfondsvertrag 21 –– Inhalt 21 –– Parteien 21 Freies Mandat –– Anreizfunktion 171 –– Echter Gesetzgebungsvertrag 170 –– Unechter Gesetzgebungsvertrag 170 Freigabeakt 40 Gegenstandstheorie 30
296
Sachwortverzeichnis
Gesetzesbeschlussrecht –– Bindung 178 Gesetzesinitiativrecht 185 –– Bindung 185 Gesetzgebungspflichten 154 Gesetzgebungsverfahren –– Äußeres 84 –– Direktiven 85 –– Gesetzgebungsmethodik 88 –– Handlungsanweisungen 86 –– Inhaltskontrolle 89 –– Inneres 84 –– Optimales 86 –– Rationalitätsanforderungen 88 Gesetzgebungsvertrag 100 –– Abgrenzung 29 –– Abgrenzung Outsourcing 33 –– Abschlussgebot 90 –– Administrative Rechtsetzung 32 –– Anreizfunktion 17, 22 –– Begriff 16 –– Demokratieprinzip 127 –– Echt 17 –– Enteignungsgleicher Eingriff 261 –– Erforderlichkeit 91 –– Ermächtigung 109 –– Europarecht 117 –– Freies Mandat 170 –– Freigabeakt 42 –– Gegenstand 16 –– Geltungsgrund 103 –– Gesetzgebungskompetenzen 139 –– Gesetzgebungspflichten 154 –– Gestaltungsfunktion 17 –– Gewaltenteilung 172 –– Gremienentscheid 180 –– Grenzen 117, 127 –– Grundrechtseingriffs 158 –– Informationspflichten 189 –– Legitimation 128 –– Notstandsgesetzgebung 183 –– Offenlegungs- und Informationspflichten 175 –– Organkompetenz 139 –– Parteien 16 –– Qualifikation 29 –– Rechtsmittelverzicht 166 –– Rücknahme 147
–– Sachlichkeitsprüfung 144 –– Schadensersatz 198 –– Unecht 17 –– Unwesentlichkeitstheorie 183 –– Verbandskompetenz 149 –– Verfassungsorgantreue 173 –– Verfassungsrechtliche Grundlage 79, 83 –– Vertragsschlussfähigkeit 40 –– Vertragsschlusskompetenz 106 –– Vertrauensschutz 205, 216 –– Verwaltungsvollzug 149 –– Vorbehalt der Verfassung 103 –– Wahlrecht 170 –– Wirksamkeitsvoraussetzungen 176 –– Zeitliche Grenzen 194 Gewaltenteilung 172 Gremienentscheid 180 Grundrechte 158 –– Echter Gesetzgebungsvertrag 169 –– Unechter Gesetzgebungsvertrag 158 Inhaltliche Transparenz –– Begriff 51 –– Grundlage 52 –– Publizität 52 Inneres Gesetzgebungsverfahren 58, 85 Interessentheorie 29 Kernbrennstoffsteuer 23 Kernbrennstoffsteuergesetz 23 Klimavereinbarung 25 Koalitionsvertrag 19 Konsensvereinbarungen –– Anliegen 59 –– LER-Verfahren 68 –– Nutzen 62 –– Risiken 65 –– Verfassungsprozessualer Vergleich 68 Kooperationsformen 29 –– Abgrenzung 29 Kooperationsprinzip 36 Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz 25 Laufzeitverlängerung 20 Legistische Transparenz 50 –– Ergebnistransparenz 50 –– Rechtsetzungserfordernis 50 –– Verfahrenstransparenz 50
Sachwortverzeichnis LER-Verfahren 68 Ministerielle Präparationsphase 101 Morodifizierte Subjektstheorie 30 Notstandsgesetzgebung 183 Öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch 252 –– Allgemeines 252 –– Anspruchsvoraussetzungen 254 –– Rechtsfolge 259 Öffentlich-rechtlicher Folgenbeseitigungsanspruch 263 Organkompetenz –– Echter Gesetzgebungsvertrag 140 –– Unechter Gesetzgebungsvertrag 140 Outsourcing 33 Pacta sunt servanda 113 Rechtsfähigkeit 39 Rechtsmittelverzicht 166 Regierungsfunktion 115 Regierungskooperationsrecht 186 Reststrommengen 21 Risikoübernahme 263 Rückbindung 102 Sachlichkeitsprüfung 143 Satzungsvertrag 31 Schadensersatz statt der Leistung 266 Solidarbeitrag 26 Staatsaufgaben 57, 104 Stabilisierungsmechanismusgesetz 182 Subordinationstheorie 29 Teilrechtsfähigkeit 39 Umweltabsprachen 37 –– Informale 37 –– Inhalt 38 Unechte Rückwirkung 218 Unechter Gesetzgebungsvertrag 18 –– Amtshaftung 267
–– –– –– ––
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Culpa in Contrahendo 221 Normabwendend 18 Normvermeidend 18 Öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch 252 –– Öffentlich-rechtlicher Folgenbeseitigungsanspruch 263 –– Risikoübernahme 263 –– Schadensersatz 198, 265 –– Schadensersatz statt der Leistung 200, 266 –– Vertrauensschutz 201 Unwesentlichkeitstheorie 183 Verantwortung –– Formell 108 –– Materiell 108 Verbandskompetenz 149 –– Echter Gesetzgebungsvertrag 149 –– Sachkompetenz 151 –– Unechter Gesetzgebungsvertrag 153 –– Verwaltungsvollzug 149 –– Weisungsrecht 150 Verfahrenstransparenz –– Inhaltliche Transparenz 50 Verfassungsorgantreue 173 Verfassungsrechtlicher Vertrag 41 –– Föderative Verträge 43 Verhältnismäßigkeitsprinzip –– Handlungsanweisung 90 Verordnungsvertrag 31 Vertragsschlussfähigkeit 39, 40 Vertrauensschutz 201 –– Abwägung 215 –– Gesetzgebungsvertrag 216 –– Rechtsgrundlage 202 –– Schutzwürdigkeit 213 –– Vertrauensbetätigung 210 –– Vertrauensdichte 213 –– Vertrauensgrundlage 206 Vollrechtsfähigkeit 39 Wahlrecht –– Anreizfunktion 171 –– Unechter Gesetzgebungsvertrag 170