Der gemeinsame Betrieb in der Insolvenz eines beteiligten Unternehmens [1 ed.] 9783428523023, 9783428123025

Rüdiger Hopfe behandelt ein Thema aus dem Schnittpunkt von Arbeits-, Insolvenz- und Gesellschaftsrecht. Ausgangspunkt is

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German Pages 303 Year 2007

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Der gemeinsame Betrieb in der Insolvenz eines beteiligten Unternehmens [1 ed.]
 9783428523023, 9783428123025

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Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 256

Der gemeinsame Betrieb in der Insolvenz eines beteiligten Unternehmens Von

Rüdiger Hopfe

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

RÜDIGER HOPFE

Der gemeinsame Betrieb in der Insolvenz eines beteiligten Unternehmens

Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 256

Der gemeinsame Betrieb in der Insolvenz eines beteiligten Unternehmens

Von

Rüdiger Hopfe

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Justus-Liebig-Universität Gießen hat diese Arbeit im Wintersemester 2005 / 2006 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2007 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0227 ISBN 978-3-428-12302-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit ist im Wintersemester 2005/2006 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Justus-Liebig-Universität in Gießen als Dissertation angenommen worden. Die Disputation fand am 9. März 2006 statt. Die Arbeit ist auf dem Stand von August 2006. Für die Hilfe bei der Fertigstellung und Veröffentlichung dieser Dissertation möchte ich all denen danken, die mir diese auch über das erforderliche Maß hinaus stets zuteil werden ließen. Zuvorderst gilt mein Dank meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. WolfDietrich Walker, für die freundliche Betreuung und die stete Diskussionsbereitschaft. Danken möchte ich auch Professor Dr. Jens Adolphsen für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens und die wertvollen Denkanstöße. Weiter möchte ich mich bei Herrn Rechtsanwalt Dr. Mark Lembke, LL.M. bedanken, der mein Interesse für den gemeinsamen Betrieb geweckt hat. Herrn Rechtsanwalt und Notar Detlef Schultheis danke ich dafür, dass er sich den Mühen des Korrekturlesens unterzogen hat. Besonderen Dank für ihre Unterstützung und ihre Geduld während meiner gesamten juristischen Ausbildung schulde ich meinen Eltern, Renate und Rainer Hopfe. Für ihr Verständnis und für ihre Begleitung danke ich meiner Verlobten Katrin Schultheis. Ihnen sei diese Arbeit gewidmet. Wiesbaden, im August 2006

Rüdiger Hopfe

Inhaltsübersicht Kapitel 1 Einleitung und Gang der Untersuchung

19

§1

Gegenstand der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

§2

Erscheinungsformen des gemeinsamen Betriebes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

§3

Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

Kapitel 2 Betriebsbegriff und Voraussetzung des Gemeinschaftsbetriebes

26

§4

Der Begriff des Betriebes und seine Unterscheidung vom Unternehmen . . . .

27

§5

Voraussetzungen des gemeinsamen Betriebes mehrerer Unternehmen . . . . . .

30

§6

Kritik am Erfordernis der Führungsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

§7

Mögliche Änderung der Voraussetzungen des gemeinsamen Betriebes durch die Betriebsverfassungsreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

§8

Unterschiedliche Anforderungen an den gemeinsamen Betrieb im Sinne des BetrVG und des KSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

§9

Rechtsnatur und dogmatische Bedeutung der Führungsvereinbarung . . . . . . .

67

§ 10 Zusammenfassung der Ergebnisse des zweiten Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

Kapitel 3 Die Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den gemeinsamen Betrieb

81

§ 11 Zur Insolvenzfähigkeit des gemeinsamen Betriebes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81

§ 12 Das Verfahren bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

§ 13 Die Auswirkung der Verfahrenseröffnung auf den gemeinsamen Betrieb in der bisherigen Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

§ 14 Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

§ 15 Übertragung der Theorie der sofortigen Auflösung auf die möglichen Verfahrenskonstellationen im Zusammenhang mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125

8

Inhaltsübersicht

§ 16 Konsequenzen für das Verhalten des Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 § 17 Handlungsspielraum des vorläufigen Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 § 18 Zusammenfassung der Ergebnisse des dritten Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148

Kapitel 4 Kündigungsschutz im gemeinsamen Betrieb in der Insolvenz

149

§ 19 Der Kündigungsschutz im gemeinsamen Betrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 § 20 Kündigungsschutz in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 § 21 Probleme des Kündigungsschutzes im gemeinsamen Betrieb in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 § 22 Lösung anhand der beiden Grundmodelle des gemeinsamen Betriebes . . . . . 201 § 23 Exkurs: Betriebsübergang im gemeinsamen Betrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 § 24 Zusammenfassung der Ergebnisse des vierten Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215

Kapitel 5 Die betriebsverfassungsrechtlichen Auswirkungen der Insolvenz auf den gemeinsamen Betrieb

217

§ 25 Betriebsverfassungsrechtliche Probleme des gemeinsamen Betriebes . . . . . . . 217 § 26 Insolvenzrechtliche Sonderregelungen im Bezug auf das Betriebsverfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 § 27 Anwendung des Insolvenzarbeitsrechts auf den gemeinsamen Betrieb in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 § 28 Betriebsverfassungsrechtliche Fragestellungen beim gemeinsamen Betrieb in der Insolvenz – Rechtsfolgen einer Spaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 § 29 Lösungsmöglichkeiten auf Grundlage der dogmatischen Grundmodelle des gemeinsamen Betriebes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 § 30 Zusammenfassung der Ergebnisse des fünften Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282

Kapitel 6 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse der Arbeit und Ausblick

284

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301

Inhaltsverzeichnis Kapitel 1 Einleitung und Gang der Untersuchung

19

§1

Gegenstand der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

§2

Erscheinungsformen des gemeinsamen Betriebes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Konzernangehörige Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. ARGE und sonstige Formen der projektbezogenen Zusammenarbeit . . . . C. Unternehmensreorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21 22 23 23

§3

Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

Kapitel 2 Betriebsbegriff und Voraussetzung des Gemeinschaftsbetriebes

26

§4

Der Begriff des Betriebes und seine Unterscheidung vom Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

§5

Voraussetzungen des gemeinsamen Betriebes mehrerer Unternehmen . . A. Gemeinsame Leitung des Betriebes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einheitliche Leitung als Grundlage des Betriebes eines Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gemeinsame Leitung durch die beteiligten Unternehmen . . . . . . . . 1. Kriterien der einheitlichen Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Indizien für den gemeinsamen Betrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Betriebliche Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Befugnis zur gemeinsamen Betriebsleitung . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Führungsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Inhalt der Führungsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Herleitung der Führungsvereinbarung aus den tatsächlichen Umständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

§6

Kritik am Erfordernis der Führungsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Methodische Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Konzernunternehmen und Personenidentität der Geschäftsführung . . . . . . C. Begründung der Rechtsprechung für das Erfordernis der Führungsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30 31 31 33 35 37 37 38 39 40 42 43 44 46 48

10

Inhaltsverzeichnis D. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Willensabhängigkeit der Betriebsgründung . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

II.

Möglichkeiten der Einflussnahme auf das Verhalten eines anderen Rechtssubjekts im Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

III.

Herleitung des Zwanges aus der Betriebsverfassung selbst . . . . . . .

53

IV.

Zur Gefahr des Missbrauchs der Führungsvereinbarung . . . . . . . . . .

54

V.

Notwendigkeit eines Zwanges zur Einigung aufgrund der verschiedenen Interessen der beteiligten Unternehmen . . . . . . . . . . . . .

54

VI.

§7

Prozessuale Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

VII. Keine Entbehrlichkeit der Führungsvereinbarung im Konzern . . . .

56

VIII. Keine Entbehrlichkeit der Führungsvereinbarung bei Personenidentität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

IX.

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

E. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

Mögliche Änderung der Voraussetzungen des gemeinsamen Betriebes durch die Betriebsverfassungsreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

A. Der Inhalt der Vermutungstatbestände des § 1 Abs. 2 BetrVG . . . . . . . . .

61

I. II. §8 §9

50

I.

Vermutung des gemeinsamen Betriebes bei Unternehmensspaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

Vermutung bei gemeinsamer Betriebsnutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

B. Keine geänderten Voraussetzungen für den gemeinsamen Betrieb . . . . . .

64

Unterschiedliche Anforderungen an den gemeinsamen Betrieb im Sinne des BetrVG und des KSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

Rechtsnatur und dogmatische Bedeutung der Führungsvereinbarung . .

67

A. Abgrenzung des gemeinsamen Betriebes von ähnlichen Erscheinungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

I.

Abgrenzung vom Gemeinschaftsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

II.

Abgrenzung von der Arbeitnehmerüberlassung . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

III.

Abgrenzung von der Betriebsführungsgesellschaft und vom Betriebspachtvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

B. Einordnung der Führungsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

I.

Einordnung als BGB-Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

1. Die gemeinsame Betriebsleitung als tauglicher Gesellschaftszweck im Sinne des § 705 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

2. Qualifizierung der BGB-Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

3. Abweichende Einordnung in Sonderfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

C. Dogmatische Bedeutung der Führungsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

§ 10 Zusammenfassung der Ergebnisse des zweiten Kapitels . . . . . . . . . . . . . . .

80

II.

Inhaltsverzeichnis

11

Kapitel 3 Die Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den gemeinsamen Betrieb

81

§ 11 Zur Insolvenzfähigkeit des gemeinsamen Betriebes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Insolvenzfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . B. Teleologische Reduktion des § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81 81 82 83

§ 12 Das Verfahren bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

§ 13 Die Auswirkung der Verfahrenseröffnung auf den gemeinsamen Betrieb in der bisherigen Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die Grundpositionen der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Position des zweiten Senates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Position des ersten Senates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Stellungnahmen in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Weitere Entwicklung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Rechtsprechung in Kündigungsstreitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die neuere Rechtsprechung des zweiten Senates . . . . . . . . . . . . . 2. Die Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte . . . . . . . . . . . . . . . II. Die neuere Rechtsprechung in betriebsverfassungsrechtlichen Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 14 Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Bei Ablehnung des Erfordernisses einer Führungsvereinbarung . . . . . . . . B. Abstellen auf die tatsächlichen Umstände trotz Anerkennung der Führungsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die These des siebten Senates – Identität des gemeinsamen Betriebes trotz Ausscheiden eines Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Differenzierung zwischen eigenem und gemeinsamen Leitungsapparat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Spaltung des gemeinsamen Betriebes – Auflösung oder Abspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Leitungsapparat und Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Führungsvereinbarung als konstitutives Merkmal des gemeinsamen Betriebes – nur bei der Betriebsgründung . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zur Zuständigkeit des Betriebsrates für die stillgelegten Einheiten VI. Begriff der Identität eines Betriebes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Änderung der Organisationsstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Anwendungsbereich des Übergangsmandats gem. § 21a BetrVG . . . IX. Mangelnde Berücksichtigung der Größenverhältnisse . . . . . . . . . . . . X. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85 86 86 86 87 87 87 88 89 91 92 93 93 95 96 97 98 99 100 100 102 104 104 105

12

Inhaltsverzeichnis D. Bei Einordnung der Führungsvereinbarung als BGB-Gesellschaftsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Mitbestimmungspflichtigkeit der einzelnen Auflösungstatbestände 1. Kündigung der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sonstige Auflösungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Beteiligung des Betriebsrates vor Stellung des Insolvenzantrages . . 1. Notwendigkeit unternehmerischen Handelns . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mitbestimmung bei Auflösung einer BGB-Gesellschaft . . . . . . . 3. Exkurs: Information des Wirtschaftsausschusses . . . . . . . . . . . . . III. Die Rechtsfolgen einer Auflösung gem. § 728 Abs. 2 BGB für die Führungsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Auseinandersetzung ohne Liquidation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zeitweiliger Fortbestand gem. § 728 Abs. 2 S. 2 BGB i.V. m. § 727 Abs. 2 S. 2, 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fortsetzung der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fortsetzung ohne den Schuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fortsetzung mit dem Schuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Kritik und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Lösung bei Vorliegen eines bloßen Kooperationsvertrages . . . . . . . . . . . . .

§ 15 Übertragung der Theorie der sofortigen Auflösung auf die möglichen Verfahrenskonstellationen im Zusammenhang mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Unzulässiger Insolvenzantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Abweisung eines zulässigen Insolvenzantrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Fehlender Eröffnungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Abweisung mangels Masse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesellschaftsrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Arbeitsrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auswirkungen auf den gemeinsamen Betrieb . . . . . . . . . . . . . . . . C. Eröffnung des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Auswirkungen auf Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Arbeitsrechtliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Arbeitgeberstellung des Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fortbestand der Arbeitsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auswirkungen auf den gemeinsamen Betrieb . . . . . . . . . . . . . . . . D. Spätere Einstellung des eröffneten Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . I. Erfolgreiche Beschwerde gegen den Eröffnungsbeschluss . . . . . . . . 1. Wirkungen einer erfolgreichen Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auswirkungen auf den gemeinsamen Betrieb . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einstellung mangels Masse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fehlende Verfahrenskostendeckung gem. § 207 InsO . . . . . . . . .

105 106 106 107 108 108 109 114 115 116 117 118 118 119 121 124

125 126 126 127 127 128 130 131 131 132 133 133 134 135 135 135 136 137 138 138

Inhaltsverzeichnis a) Auswirkung auf das Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auswirkungen auf den gemeinsamen Betrieb . . . . . . . . . . . . . 2. Masseunzulänglichkeit gem. § 208 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Auswirkungen auf den Verfahrensablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auswirkungen auf den gemeinsamen Betrieb . . . . . . . . . . . . .

13 139 140 141 142 143

§ 16 Konsequenzen für das Verhalten des Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . . . . . 143 A. Meinung, welche dem Eröffnungsbeschluss keine Bedeutung zumisst 143 B. Bei Auflösung des gemeinsamen Betriebes durch den Eröffnungsbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 § 17 Handlungsspielraum des vorläufigen Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . . . . . 146 § 18 Zusammenfassung der Ergebnisse des dritten Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . 148

Kapitel 4 Kündigungsschutz im gemeinsamen Betrieb in der Insolvenz § 19 Der Kündigungsschutz im gemeinsamen Betrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Sachliche und persönliche Anwendbarkeit des KSchG . . . . . . . . . . . . . . . . I. Sachliche Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Schwellenwert des § 23 KSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Maßgeblichkeit des gemeinsamen Betriebes . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Persönliche Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Besonderheiten bei den einzelnen Kündigungsgründen . . . . . . . . . . . . . . . . I. Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung gem. § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 1b) KSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz Unternehmensbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erstreckung im gemeinsamen Betrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Weiterbeschäftigung im gemeinsamen Betrieb bei einem anderen Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Weiterbeschäftigung in anderen Betrieben eines vertragsfremden Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Praktische Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Sozialauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz: Betriebsbezug der Sozialauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unternehmensübergreifende Sozialauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Praktische Durchsetzbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Durchführung nach Maßgabe der Rechtsprechung des BAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

149 149 150 150 151 151 152 152 153 154 156 157 157 158 158 160 161 162 162 165 165 167

14

Inhaltsverzeichnis c) Kritik an der gemeinsamen Sozialauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Generelle Ablehnung der einheitlichen Sozialauswahl . . bb) Vergleichbarkeit der einheitlichen Sozialauswahl im gemeinsamen Betrieb mit der konzernbezogenen Sozialauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Lösungsmöglichkeiten und Grenzen der Sozialauswahl . . . . aa) Vertragliche Umsetzung und deren Kosten . . . . . . . . . . . bb) Prozessuale Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Stellung des Betriebsrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Stilllegung des gesamten Betriebes, § 15 Abs. 4 KSchG . . . . . . . . . II. Stilllegung einer Betriebsabteilung, § 15 Abs. 5 KSchG . . . . . . . . . D. Anzeigepflicht nach § 17 KSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

§ 20 Kündigungsschutz in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Grundgedanke des Insolvenzarbeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Anwendungsvoraussetzungen der besonderen arbeitsrechtlichen Bestimmungen der InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Inhalt der kündigungsrechtlichen Regelungen der Insolvenzordnung . . . . I. Kündigung von Dienstverhältnissen, § 113 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kündigungsfrist in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sonstige Rechtsfolgen einer Kündigung in der Insolvenz . . . . . II. Interessensausgleich mit Namensliste, § 125 InsO . . . . . . . . . . . . . . III. Beschlussverfahren zum Kündigungsschutz, § 126 InsO . . . . . . . . . 1. Grundsätzlicher Anwendungsbereich der Vorschrift – Verhältnis zu § 125 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Betriebe mit Betriebsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Betriebsratslose Betriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Möglichkeit einer analogen Anwendung auf Betriebe in Unternehmen, welche den Schwellenwert des § 111 S. 1 BetrVG nicht erreichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendungsreichweite des Beschlussverfahrens . . . . . . . . . . . . . 3. Die Bindungswirkung für den Kündigungsschutzprozess . . . . . . § 21 Probleme des Kündigungsschutzes im gemeinsamen Betrieb in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die gemeinsame Sozialauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Konsequenzen für die Anwendbarkeit des § 113 InsO . . . . . . . . . . . II. Der Interessensausgleich gem. § 125 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das Beschlussverfahren zum Kündigungsschutz gem. § 126 InsO . . IV. Sozialauswahl und Existenzverlust des insolventen Unternehmens B. Die unternehmensübergreifende Weiterbeschäftigung . . . . . . . . . . . . . . . . .

169 169

172 173 173 175 177 177 178 180 181 181 182 182 183 183 184 185 186 186 186 188 188 189

191 192 193 194 194 194 196 198 199 201

Inhaltsverzeichnis § 22 Lösung anhand der beiden Grundmodelle des gemeinsamen Betriebes . . A. Lösung auf Grundlage der Meinung, welche die Auflösung für unbeachtlich hält . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Möglichkeit der Anwendung des Insolvenzarbeitsrechts im gesamten gemeinsamen Betrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vorverlagerung des Auflösungszeitpunktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kritik und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Lösung bei Annahme der Auflösung des gemeinsamen Betriebes durch den Eröffnungsbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vermeidung der Anwendungsprobleme durch die Spaltung des gemeinsamen Betriebes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kritik und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 23 Exkurs: Betriebsübergang im gemeinsamen Betrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Betriebsübergang auf Grundlage des Modells, welches von einer Spaltung des gemeinsamen Betriebes durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Betriebsübergang im fortbestehenden gemeinsamen Betrieb . . . . . . . . . . . I. Möglichkeit des Betriebsübergangs im gemeinsamen Betrieb . . . . . II. Voraussetzungen eines Betriebsübergangs im gemeinsamen Betrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Problemfelder des gemeinsamen Betriebes im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15 201 201 202 202 203 205 206 207 210

211 212 212 213 214

§ 24 Zusammenfassung der Ergebnisse des vierten Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . 215

Kapitel 5 Die betriebsverfassungsrechtlichen Auswirkungen der Insolvenz auf den gemeinsamen Betrieb § 25 Betriebsverfassungsrechtliche Probleme des gemeinsamen Betriebes . . . . A. Die Voraussetzungen des § 111 S. 1 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Betriebsänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Schwellenwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unternehmensbezug des § 111 S. 1 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mögliche Ausnahme: der gemeinsame Betrieb . . . . . . . . . . . . . . . 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Lösung, wenn die am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen nur teilweise den Schwellenwert überschreiten . . . . . . . III. Bestehender Betriebsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Beteiligung des Betriebsrates bei einer Betriebsänderung . . . . . . . . . . I. Der Interessenausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Sozialplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

217 217 217 218 220 221 222 223 226 228 229 230 230

16

Inhaltsverzeichnis 1. Schuldner der Sozialplanansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erzwingbarkeit des Sozialplans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einschränkung beim bloßen Personalabbau . . . . . . . . . . . . . . . b) Einschränkung bei neu gegründeten Unternehmen . . . . . . . . c) Ermessensgrenze der wirtschaftlichen Vertretbarkeit . . . . . . .

231 233 234 235 236

§ 26 Insolvenzrechtliche Sonderregelungen im Bezug auf das Betriebsverfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. § 120 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. § 121 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. § 122 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zweck der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Voraussetzungen eines solchen Antrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Zustimmung des Arbeitsgerichtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtskraft des Beschlusses – Rechtsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. §§ 123, 124 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Grenzen für das Sozialplanvolumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der Widerruf insolvenznaher Sozialpläne und seine Folgen . . . . . .

238 238 239 240 240 241 241 242 243 243 244 245

§ 27 Anwendung des Insolvenzarbeitsrechts auf den gemeinsamen Betrieb in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Kündigung von Betriebsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ohne gesamtschuldnerische Verpflichtung der Unternehmen . . . . . II. Bei Vorliegen einer gesamtschuldnerischen Verpflichtung . . . . . . . . B. Das Beschlussverfahren nach § 122 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Behandlung von Sozialplänen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundsatz: Keine Gesamtschuld zwischen den Unternehmen . . . . . II. Gegenansicht: Es liegt stets eine Gesamtschuld vor . . . . . . . . . . . . . III. Lösung bei Annahme einer freiwilligen Gesamtschuld . . . . . . . . . . .

246 246 246 247 249 250 250 252 253

§ 28 Betriebsverfassungsrechtliche Fragestellungen beim gemeinsamen Betrieb in der Insolvenz – Rechtsfolgen einer Spaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Voraussetzungen der §§ 111 ff. BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Sozialplanpflichtigkeit und Interessenausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Betriebsratsmandat – Schicksal der betrieblichen Einheiten bei einer Spaltung des gemeinsamen Betriebes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Identität des gemeinsamen Betriebes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Übergangs- und Restmandat des Betriebsrates des gemeinsamen Betriebes nach dem Ausscheiden eines der beteiligten Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausscheiden eines Betriebsteiles und Fortführung als eigenständiger Betrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

254 254 255 256 256

258 260

Inhaltsverzeichnis 2. Ausscheiden eines Betriebsteiles und Zusammenlegung mit einem anderem Betrieb/Betriebsteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausscheiden eines Betriebsteiles und Eingliederung in einen anderen Betrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ausscheiden eines Betriebsteiles und anschließende Stilllegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Folgen des Verlustes der Betriebsidentität – Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kollektiver Fortbestand, sofern keine Gegenstandslosigkeit eintritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. § 613a BGB analog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ende der kollektiven Wirkung der Betriebsvereinbarung . . . . . . . . . 1. Nachwirkung gem. § 77 Abs. 6 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen der Nachwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Spaltung führt zu einer betriebsratsfähigen Einheit . . . . . . . . b) Spaltung führt zu einer betriebsratsunfähigen Einheit . . . . . . § 29 Lösungsmöglichkeiten auf Grundlage der dogmatischen Grundmodelle des gemeinsamen Betriebes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Modell I: Keine Spaltung des gemeinsamen Betriebes infolge der Verfahrenseröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Schicksal des Betriebes und des Betriebsratsmandates . . . . . . . . . . . II. Interessenausgleich und Sozialplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Modell II: Spaltung des gemeinsamen Betriebes durch den Eröffnungsbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Schicksal des Betriebes und des Betriebsratsmandates . . . . . . . . . . . II. Interessenausgleich und Sozialplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17 260 262 264 265 266 266 270 271 271 272 273 274 274 275 276 277 277 278 278 281 281

§ 30 Zusammenfassung der Ergebnisse des fünften Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . 282

Kapitel 6 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse der Arbeit und Ausblick

284

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301

Kapitel 1

Einleitung und Gang der Untersuchung § 1 Gegenstand der Untersuchung Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland hat ihren Zenit im Jahre 2003 überschritten, befindet sich aber immer noch auf erschreckend hohem Niveau.1 Ohne einen dauerhaften wirtschaftlichen Aufschwung wird daher die praktische Bedeutung des Unternehmensinsolvenzrechts auf lange Sicht – für die Betroffenen leider – immens bleiben. Sofern man aus der Zunahme von einschlägiger Rechtsprechung auf eine größere Verbreitung in der Praxis schließen kann, ist auch eine Zunahme des Phänomens „Gemeinschaftsbetrieb“ zu beobachten.2 Dennoch besteht trotz einiger monographischer Untersuchungen3 über die dogmatischen Grundlagen und Voraussetzungen des Gemeinschaftsbetriebes noch immer keine Sicherheit. Auch verschiedene Gesetzesänderungen,4 welche den Gemeinschaftsbetrieb ausdrücklich anerkennen, bringen insoweit keine Klarheit. Dies mag in der Tatsache begründet sein, dass der Gemeinschaftsbetrieb sich im Spannungsfeld von zwei Grundbegriffen des Arbeitsrechts bewegt, nämlich „Betrieb“ und „Unternehmen“, über deren Inhalt selbst keineswegs Klarheit besteht. Die vorliegende Arbeit will die Auswirkungen der Insolvenz eines der am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen auf den gemeinsamen Betrieb untersuchen. Dabei werden zunächst die verschiedenen Erklärungsmodelle des gemeinsamen Betriebes dargestellt. Vor dem Hintergrund dieser Erklärungsmodelle erfolgt dann die Untersuchung der insolvenzspezifischen Einzelprobleme, insbesondere im Hinblick darauf, welche Lösungsmöglichkeiten die einzelnen Erklärungsmodelle bieten. Wenn dadurch eine Klärung der Voraussetzungen des gemeinsamen Betriebes über den Untersuchungsgegenstand der Insolvenz hinaus erreicht wird, wäre dies kein unerwünschtes Ergebnis. Dabei verfolgt die Arbeit das Ziel durch Rückführung auf anerkannte zivilrechtliche Grundprinzi1

Vgl. FAZ v. 28. Juni 2006. Vgl. Däubler in FS Zeuner, S. 19. 3 Vgl. nur Herrmann, Gemeinsamer Betrieb; sowie jüngst Bonanni, Gemeinsamer Betrieb. 4 UmwG v. 28. Oktober 1994, BGBl. I S. 3210, ber. 1995 I S. 428; Betriebsverfassungs-Reformgesetz v. 23. Juli 2001, BGBl. I S. 1852. 2

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Kap. 1: Einleitung und Gang der Untersuchung

pien eine dogmatisch stimmige und in sich geschlossene Lösung zu finden. Dieser Ansatz mag manchem Leser auf den ersten Blick als zu formal erscheinen. Gerade die Rechtsprechungspraxis ist oft mehr an materiell gerechten Einzelfalllösungen als an einer Systembildung interessiert. Jedoch ist Arbeitsrecht vor allem das Recht der wirtschaftlichen Betätigung der Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Erfolgreiches wirtschaftliches Handeln setzt zuverlässige rechtliche Rahmenbedingungen voraus. Eine solche Rechtssicherheit lässt sich jedoch nur durch eine dogmatisch geschlossene Systembildung und nicht durch sich widersprechende Einzelfallentscheidungen erreichen. Insoweit erweist sich eine stringente Dogmatik oft als besseres Instrument um Gerechtigkeit zu erreichen. Dabei geht die Arbeit von der Prämisse aus, dass ein Betrieb im arbeitsrechtlichen Sinn5 selbst nicht Beteiligter des Insolvenzverfahrens sein kann. Nach § 11 InsO kann über ein einheitliches sonderungsfähiges Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet werden, um die miteinander verbundenen Vermögensund Haftungsverhältnisse in einem Gesamtverfahren amtlich abzuwickeln.6 Die damit umschriebene Insolvenzfähigkeit ist Zulässigkeitsvoraussetzung für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens.7 Insolvenzfähig sind neben natürlichen und juristischen Personen (§ 11 Abs. 1 InsO) auch bestimmte Formen der Vermögensorganisation, die bestimmten Gläubigern unter Ausschluss anderer Gläubiger haftungsrechtlich zugewiesen sind.8 Die Insolvenzfähigkeit setzt also immer ein abgegrenztes Vermögen voraus.9 Ein solches abgegrenztes Vermögen benötigt aber immer einen zumindest teilrechtsfähigen Träger, dem das Vermögen zugewiesen ist.10 Somit ist für das Insolvenzrecht der Vermögensträger maßgeblich, er allein nimmt als Insolvenzschuldner am Verfahren als Beteiligter teil. Im Arbeitsrecht ist jedoch anerkannt, dass der Betrieb als solcher kein Vermögen hat und auch kein zumindest teilrechtsfähiger Vermögensträger ist.11 Der für das Arbeitsrecht relevante Vermögensträger oder auch Rechtsträger ist vielmehr das Unternehmen. Dieses Unternehmen ist der Vertragspartner der Arbeitnehmer, und dieses Unternehmen trägt beispielsweise nach § 40 BetrVG die Kosten der Betriebsratstätigkeit. Aus alledem folgt, dass ein Betrieb nicht insol5

Zu diesem Begriff vgl. unten § 4. Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn 6.17. 7 Ott in Münchener Kommentar zur InsO, § 11 Rn 9, Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn 6.17. 8 Ott in Münchener Kommentar zur InsO, § 11 Rn 9, Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn 6.20a f. 9 Begr. Zu § 13 RegE, BT-Drucks. 12/7302, S. 156; Ott in Münchener Kommentar zur InsO, § 11 Rn 9. 10 Ott in Münchener Kommentar zur InsO, § 11 Rn 9, 10. 11 Vgl. Fitting, BetrVG, § 1 Rn 59; Schaub in Schaub, AR-HB, § 18 Rn 8; Jacobi in FS Ehrenberg, S. 1, 15; Richardi in FS Wiedemann, S. 493, 501. 6

§ 2 Erscheinungsformen des gemeinsamen Betriebes

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venzfähig ist. Damit ist auch für diese Arbeit die Trennung von Betrieb und Unternehmen maßgeblich. Da jedoch der gemeinsame Betrieb als unternehmensübergreifende Betriebseinheit sich nicht vollständig in diese Unterscheidung einfügt, erscheint eine klare Aussage über dessen Schicksal in der Insolvenz nicht ohne weiteres möglich.12 Diese Betrachtung erscheint reizvoll, weil sich in der extremen Situation der Insolvenz viele der mit dem Gemeinschaftsbetrieb verbundenen Zweifelsfragen verschärft und zugespitzt stellen und somit viele Probleme deutlicher hervortreten. Aus insolvenzrechtlicher Sicht erscheint zunächst eine scharfe Trennung der Vermögensmassen nötig, da nur das Vermögen des Schuldners im Insolvenzverfahren zu verwerten ist (vgl. § 35 InsO). Es ist also zu untersuchen, wie die Trennung der Vermögensmassen mit den arbeitgeberübergreifenden Wirkungen des gemeinsamen Betriebes in Einklang zu bringen ist. Dabei muss ein Ausgleich zwischen dem Zweck des Insolvenzverfahrens, die gemeinsame Befriedigung aller Gläubiger zu gewährleisten, und dem Schutzgedanken des Arbeitsrechts gefunden werden. Auch ist zu berücksichtigen, dass die in der Insolvenz notwendige scharfe Trennung zwischen dem insolventen und den zahlungsfähigen Unternehmen nicht notwendig zu einer sofortigen Stilllegung der Betriebe des insolventen Unternehmens führen muss, da die Fortführung und Sanierung von Unternehmen jetzt neben der Gläubigerbefriedigung durch Liquidation gleichberechtigte Ziele des Insolvenzverfahrens darstellen.13

§ 2 Erscheinungsformen des gemeinsamen Betriebes Um eine genauere Vorstellung des gemeinsamen Betriebes zu vermitteln, sollen zunächst die Erscheinungsformen des gemeinsamen Betriebes in der Praxis dargestellt werden. Der Gemeinschaftsbetrieb ist in erster Linie eine Rechtsfigur, die den Bedürfnissen von Unternehmen entspringt, in verschiedener Art und Weise zusammenzuarbeiten. Dementsprechend mannigfaltig sind auch die in der Praxis gegebenen Erscheinungsformen. Dabei lassen sich nach den bisher durch die Rechtsprechung bekannt gewordenen Fallgestaltungen drei Bereiche unterscheiden.

12 Die Insolvenzfähigkeit des gemeinsamen Betriebes wird im dritten Kapitel eingehend untersucht. 13 Henckel in Jaeger, InsO, Einl. Rn 3; Bork, Insolvenzrecht, Rn 4 f.; Wellensiek WM 1999, 405, 406 ff.

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Kap. 1: Einleitung und Gang der Untersuchung

A. Konzernangehörige Unternehmen Gemeinsame Betriebe kommen häufig in konzernangehörigen Unternehmen vor. Der gemeinsame Betrieb wird dann von den rechtlich selbständigen Unternehmen genutzt, um Ressourcen zusammenzuführen und zu bündeln.14 Die bestehende wirtschaftliche Abhängigkeit der Konzernunternehmen führt oft zu einer arbeitstechnischen Kooperation, welche sich allein an den Geboten der praktischen Notwendigkeit orientiert. Hintergrund der Kooperation ist oft, dass die Aufteilung in verschiedene selbständige Unternehmen keine arbeitstechnischen, sondern etwa steuer- oder haftungsrechtliche Gründe hat. So ist die Aufspaltung in eine sog. Betriebs- und eine sog. Besitzgesellschaft verbreitet, bei der die Besitzgesellschaft Eigentümerin der sächlichen Produktionsmittel ist und diese an die Betriebsgesellschaft vermietet. Diese Mietzahlungen werden steuerlich berücksichtigt. Haftungsrechtlich stehen die Produktionsanlagen im Eigentum der Besitzgesellschaft und sind damit dem Zugriff von Gläubigern der Betriebsgesellschaft entzogen. Gemeinsame Betriebe sind bisher insbesondere in der Versicherungswirtschaft verbreitet.15 Aufgrund der versicherungsaufsichtsrechtlich gebotenen Trennung der einzelnen Sparten des Versicherungsgeschäftes wurden die einzelnen Versicherungszweige zum Zwecke der Kapitaltrennung in verschiedenen Rechtsträgern organisiert.16 Die dennoch gemeinsam betriebenen Filialen waren dann, sofern die übrigen Voraussetzungen eines Betriebes vorlagen, oft als gemeinsame Betriebe der verschiedenen Rechtsträger organisiert. Diese Fallgestaltung wird jedoch in der Zukunft an Bedeutung verlieren, da der Grundsatz der Spartentrennung aufgrund europarechtlicher Vorgaben gelockert wurde.17 Aus Gründen der Kosteneffizienz sind gemeinsame Betriebe auch in der Verlags- und Druckindustrie weit verbreitet.18 Die gerade in der Zeitungsbranche festzustellende Konzentration mehrerer Zeitungen bei einem Verlagshaus hat dazu geführt, dass die entsprechenden Gesellschaften ihre Druckereien einheitlich als gemeinsamen Betrieb führen.19

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Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 7; Däubler in FS Zeuner, S. 19. Trümner in D/K/K; § 1 Rn 76; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 7; Däubler in FS Zeuner, S. 19, 20. Vgl. BAG AP Nr. 1 zu § 106 BetrVG 1972; AP Nr. 9 zu § 1 BetrVG 1972. 16 Trümner in D/K/K, § 1 Rn 76; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 7; Däubler in FS Zeuner, S. 19, 20. 17 Trümner in D/K/K; § 1 Rn 76; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 7 f.; Küttner in FS Hanau, 465, 469. Zum nunmehr maßgeblichen § 8 Abs. 3 VAG vgl. Kaulbach in Fahr/Kaulbach/Bähr, VAG, § 8 Rn 52 f. 18 Trümner in D/K/K; § 1 Rn 78; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 8. Vgl. BAG AP Nr. 5 zu § 118 BetrVG 1972; BAG DB 2000, 384; LAG Düsseldorf LAGE § 4 BetrVG 1972 Nr. 7. 15

§ 2 Erscheinungsformen des gemeinsamen Betriebes

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Gemeinsame Betriebe kommen ferner in Konzernen vieler Branchen vor, wenn es darum geht, den arbeitstechnischen Einsatz der Betriebsmittel über die Unternehmensgrenzen einheitlich zu gestalten.

B. ARGE und sonstige Formen der projektbezogenen Zusammenarbeit Neben der eher auf Dauer angelegten Organisation in Konzernen kommen gemeinsame Betriebe auch verbreitet im Bereich der projektbezogenen Zusammenarbeit von Unternehmen vor. Grundsätzlich stehen Unternehmen hier stets vor der Wahl, ein Gemeinschaftsunternehmen oder einen gemeinsamen Betrieb zu gründen.20 Soweit kein neuer Rechtsträger geschaffen werden soll, bietet sich der gemeinsame Betrieb als Instrument zur Koordinierung an. Verbreitet wird dabei die im Baugewerbe häufige Arbeitsgemeinschaft (ARGE) als Beispiel für den gemeinsamen Betrieb genannt.21 Jedoch ist in diesen Fällen stets genau zu ermitteln, ob die ARGE nicht insoweit verselbständigt am Rechtsverkehr teilnimmt, als dass sie ein Gemeinschaftsunternehmen bildet.22 Gemeinsame Betriebe sind über den Bereich des Baugewerbes hinaus überall dort denkbar, wo eine kurzfristige projektbezogene Koordinierung der verfolgten arbeitstechnischen Zwecke erforderlich ist.23

C. Unternehmensreorganisation Die weiteste Verbreitung findet der gemeinsame Betrieb im Bereich der Unternehmensumstrukturierung.24 Bestimmte Betriebsabteilungen oder Funktionen werden auf rechtlich eigenständige neu gegründete Gesellschaften übertragen, ohne dass sich die Arbeitsabläufe im Geringsten ändern.25 Solche Umstrukturierungen sind in aller Regel steuer- oder haftungsrechtlich motiviert.26 Insoweit muss beachtet werden, dass arbeitsrechtlich stets genau danach unterschieden wird, ob die Unternehmensspaltung auch eine Betriebsspaltung nach sich 19 In diesem Zusammenhang kann es zu sogenannten Tendenzgemeinschaftsbetrieben kommen, als gemeinsamen Betrieben, an denen ein oder mehrere Tendenzunternehmen i. S. d. § 118 BetrVG beteiligt sind. Vgl. dazu Lunk NZA 2005, 841 ff. 20 Diese Unterscheidung wird im zweiten Kapitel erläutert. 21 Trümner in D/K/K; § 1 Rn 77; Däubler in FS Zeuner, S. 19. Vgl. BAG AP Nr. 1 zu § 24 BetrVG 1972. Siehe zur Unternehmenskooperation allgemein K. Schmidt, GesR, § 58 III, S. 1701 ff. 22 Trümner in D/K/K; § 1 Rn 77. 23 Vgl. Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 8. 24 Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 5; Däubler in FS Zeuner, S. 19. 25 Vgl. Däubler in FS Zeuner, S. 19; Bork BB 1989, 2181, 2184. 26 Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 5 f.; Däubler in FS Zeuner, S. 19, 20.

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Kap. 1: Einleitung und Gang der Untersuchung

zieht.27 Nur wenn die arbeitstechnischen Abläufe durch die Unternehmensspaltung nicht verändert werden, ist für die Annahme eines gemeinsamen Betriebes Raum.28 Aus diesem Grund muss vor einer unkritischen Übernahme des steuerrechtlichen Begriffes der „Betriebsaufspaltung“ gewarnt werden, da diese sich arbeitsrechtlich stets als Unternehmensaufspaltung darstellt, welche nicht unbedingt eine Spaltung der Betriebe nach sich zieht.29 Neben dem Bereich der unternehmensinternen Umstrukturierung kann der gemeinsame Betrieb auch bei Unternehmenstransaktionen vorkommen. So wird in der Praxis oft der betriebliche Arbeitsablauf nicht verändert, um schwierige Tranksaktionsverhandlungen nicht durch das Beteiligungsverfahren nach den §§ 111 ff. BetrVG zu komplizieren.30 In diesem Fall wird also zunächst die Übertragung der Betriebsmittel und Arbeitnehmer auf den Erwerber31 vollzogen, ohne dass sich der arbeitstechnische Ablauf verändert. Erst wenn dieser (Teil)Betriebsübergang vollständig abgewickelt ist, folgt dann in einem zweiten Schritt die Trennung auf der betrieblichen Ebene. In der Zeit bis zum Vollzug der Spaltung auf Betriebsebene besteht zwischen Veräußerer und Erwerber ein gemeinsamer Betrieb.

§ 3 Gang der Untersuchung Da die Voraussetzungen des gemeinsamen Betriebes nicht geklärt sind, sollen diese im zweiten Kapitel dargestellt und geklärt werden. Von diesen Ergebnissen ausgehend wird im dritten Kapitel die Wirkung einer möglichen Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den gemeinsamen Betrieb untersucht. Dabei sollen die existierenden Ansätze in Rechtsprechung und Literatur dogmatisch fundiert und ausgedeutet werden. Auf diesem Weg werden die verschiedenen Grundpositionen herausgearbeitet, welche die Einordnung der einzelnen Probleme der Rechtsanwendung erleichtern sollen. Das vierte und fünfte Kapitel stellen auf dieser Grundlage die Probleme des gemeinsamen Betriebes in der Insolvenz in Bezug auf die Anwendung einzelner Normen dar. Dabei beschäftigt sich das vierte Kapitel mit dem Kündigungsschutz, während das fünfte Kapitel das Betriebsverfassungsrecht untersucht. Beide Kapitel sind dabei in der gleichen Art und Weise aufgebaut. Zunächst 27 Willemsen in W/H/S/S, Umstrukturierung, B Rn 125; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 4 f. 28 Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 5. Vgl. auch § 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG, der einen gemeinsamen Betrieb vermutet, wenn sich in Folge einer Unternehmensspaltung die Organisation des betroffenen Betriebes nicht wesentlich ändert. 29 Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 5; Konzen, Unternehmensaufspaltung, S. 47 ff. 30 Vgl. Willemsen in W/H/S/S, Umstrukturierung, B Rn 121 ff. 31 Oder auf eine neu gegründete Gesellschaft, welche der Erwerber übernimmt.

§ 3 Gang der Untersuchung

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werden die kündigungsschutz- bzw. betriebsverfassungsrechtlichen Problemfelder des gemeinsamen Betriebes untersucht. Dann folgt eine kurze Darstellung der relevanten arbeitsrechtlichen Bestimmungen der InsO. Die in den ersten beiden Schritten gefundenen Ergebnisse werden sodann in einem dritten Schritt zusammengeführt, der die insolvenzspezifischen Probleme des gemeinsamen Betriebes analysiert. Im Anschluss werden die dogmatischen Grundmodelle des dritten Kapitels daraufhin untersucht, wie sie zu einer Lösung dieser Fragestellungen beitragen können. Das sechste und letzte Kapitel fasst schließlich die Ergebnisse der Untersuchung zusammen.

Kapitel 2

Betriebsbegriff und Voraussetzungen des Gemeinschaftsbetriebes Seit der gesetzlichen Anerkennung des gemeinsamen Betriebes in § 322 UmwG im Jahre 19951 besteht kein Zweifel mehr daran, dass es zulässig ist, wenn mehrere Unternehmen einen gemeinsamen Betrieb bilden. Auch vor Erlass des UmwG war die Zulässigkeit des gemeinsamen Betriebes allgemein anerkannt.2 Die Reform der Betriebsverfassung im Jahre 20013 fügte dem BetrVG in § 1 Abs. 2 zwei Vermutungstatbestände für das Vorliegen eines gemeinsamen Betriebes hinzu. Die Voraussetzungen für das Entstehen eines gemeinsamen Betriebes sind aber im Gesetz nicht genannt.4 Da das Gesetz keine besonderen Rechtsfolgen an das Vorliegen eines Gemeinschaftsbetriebes knüpft, sondern diesen wie jeden anderen Betrieb behandelt,5 liegt es nahe, die Voraussetzungen des gemeinsamen Betriebes möglichst im Einklang mit denen des Betriebes eines Unternehmens zu bestimmen.6 Die Voraussetzungen des Gemeinschaftsbetriebes werden daher maßgeblich durch den jeweils verwendeten allgemeinen Betriebsbegriff geprägt. Daher ist es zunächst nötig, die grundlegenden Begriffe des Betriebes und des Unternehmens zu klären. Von diesen Begriffen ausgehend sollen dann die Voraussetzungen und Fallgestaltungen des gemeinsamen Betriebes untersucht werden.

1 Gesetz vom 28. Oktober 1994 (BGBl. I S. 3210, ber. 1995 I S. 428), in Kraft seit 1.1.1995. 2 BAG AP Nr. 1 zu § 21 KSchG 1951; AP Nr. 10 zu § 3 BetrVG 1952, Bl. 381; ähnlich bereits Feig/Sitzler, Betriebsrätegesetz, § 9 Anm. 1. 3 Betriebsverfassungs-Reformgesetz vom 23. Juli 2001, BGBl. I, S. 1852. 4 BAG AP Nr. 21 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, Bl. 1057; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 362; Annuß, Sonderheft NZA 2001, 12, 15; der Gesetzgeber hat insoweit anders lautenden Forderungen während des Gesetzgebungsverfahrens eine Absage erteilt vgl. zu diesen Fischer, NZA 2000, 167, 169. 5 Annuß, Sonderheft NZA 2001, 12, 16; vgl. Fitting, BetrVG, § 1 Rn 94 f.; Richardi in Richardi, BetrVG, § 1 Rn 60, 64. 6 Herrmann S. 51; das BAG spricht von einer Modifizierung des allgemeinen Betriebsbegriffs BAGE 45, 259, 267.

§ 4 Der Begriff des Betriebes

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§ 4 Der Begriff des Betriebes und seine Unterscheidung vom Unternehmen In Anschluss an die Thesen Jacobis aus dem Jahre 19267 hat sich ein Betriebsbegriff entwickelt, der lange Zeit unangefochten galt.8 Nach dieser Auffassung, welcher auch das BAG folgt, gibt es einen allgemeinen dem Gesetz vorgegebenen objektiven Betriebsbegriff, der im Betriebsverfassungs- und Individualarbeitsrecht einheitlich gilt.9 Danach ist ein Betrieb die organisatorische Einheit, in der ein Unternehmer mit sachlichen und immateriellen Mitteln unter Einsatz menschlicher Arbeitskraft bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt.10 Demgegenüber wird unter einem Unternehmen die organisatorische Einheit verstanden, mit der ein Unternehmer entferntere wirtschaftliche oder ideelle Zwecke verfolgt.11 Diese überkommenen Definitionen sind in letzter Zeit vielfach in die Kritik geraten. Vor allem im Anschluss an Joost12 hat sich eine Auffassung gebildet, die einen sogenannten teleologischen Betriebsbegriff vertritt.13 Eine solche Sicht wird vor allem dadurch bestärkt, dass der EuGH im Rahmen seiner Rechtsprechung zu § 613a BGB einen anderen Betriebsbegriff als den allgemeinen vertritt und auf die „wirtschaftliche Einheit“ abstellt.14 Darüber hinaus geht auch das BVerfG in seiner Entscheidung zum Kündigungsschutz in Kleinbetrieben von einer möglichen teleologischen Auslegung des Betriebsbegriffs des KSchG aus.15 Das Gericht nahm eine verfassungskonforme Einschränkung des Betriebsbegriffs dahingehend vor, dass ein Kleinbetrieb i. S. d. § 23 Abs. 1 S. 2

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Jacobi in FS Ehrenberg, S. 1 ff., insb. S. 9. Vgl. Söllner/Waltermann, Grundriss, Rn 68: „im wesentlichen unstreitige und seit langem übliche Definition“. 9 BAG AP Nr. 9 zu § 1 BetrVG 1972, Bl. 707 Rs.; AP Nr. 9 zu § 23 KSchG 1969, Bl. 89 Rs.; vgl. auch Moll in APS, § 23 KSchG Rn 7 f.; entgegen v. HoyningenHuene/Linck, § 23 Rn 3 ist der Entscheidung des BAG AP Nr. 16 zu § 23 KSchG keine anders lautende Aussage zu entnehmen. 10 Vgl. statt vieler: BAG AP Nr. 5 zu 4 BetrVG 1972 Bl. 19 Rs.; AP Nr. 3, 9 zu § 1 BetrVG 1972, Bl. 290, Bl. 707 Rs.; Kraft/Franzen in GK-BetrVG, § 1 Rn 28; Hess in H/S/W/G, § 1 Rn 2; Hueck in Hueck/Nipperdey, Bd. 1, § 16 S. 93; Söllner/ Waltermann, Grundriss, Rn 68. 11 ErfKO-Eisemann, § 1 BetrVG Rn 7; Fitting, BetrVG, § 1 Rn 145; Jacobi in FS Ehrenberg, S. 1, 16; Söllner/Waltermann, Grundriss, Rn 68. 12 Joost, Betrieb und Unternehmen, S. 50 ff., 61. 13 Trümner in D/K/K, § 1 Rn 43; ErfKO-Eisemann, § 1 BetrVG Rn 8; Richardi in Richardi, BetrVG, § 1 Rn 19 ff.; ders. in FS Wiedemann, S. 493, 495; Preis RdA 2000, 257, 259. 14 Vgl. EUGH NZA 1999, 253, 254; BAG AP Nr. 189 zu § 613a BGB, Bl. 1488 Rs.; Willemsen in W/H/S/S, Umstrukturierung G Rn 36; Richardi in FS Wiedemann, S. 493, 509. 15 BVerfGE 97, 169, 184 f. 8

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Kap. 2: Betriebsbegriff und Voraussetzungen des Gemeinschaftsbetriebes

KSchG nur der Betrieb eines kleinen Unternehmens sei. Dadurch werde ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vermieden, den eine Ausweitung auf kleine Betriebe größerer Unternehmen mit sich brächte. Der Begriff des Betriebes sei nicht so eindeutig vorgeprägt, dass er keine einschränkende Auslegung zulasse.16 Die Verwendung des Begriffes im Rahmen des § 23 Abs. 1 KSchG erfolge nur aus historischen Gründen, denn ursprünglich sei der Kündigungsschutz auf Betriebe beschränkt gewesen, in denen ein Betriebsrat bestand.17 Jede verfassungskonforme Auslegung findet aber ihre Grenzen im Wortlaut der Norm und den gesetzgeberischen Grundentscheidungen.18 Sofern der Betriebsbegriff also einen objektiven Sinn hat oder ein einheitlicher Betriebsbegriff im Betriebsverfassungsrecht und Individualarbeitsrecht eine Grundentscheidung des Gesetzgebers darstellt, wäre die einschränkende Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht nicht zulässig gewesen. Demzufolge müsste das Bundesverfassungsgericht ebenfalls von einem teleologischen Betriebsbegriff ausgehen. Ob der Entscheidung tatsächlich so weitreichende Aussagen zu entnehmen sind, kann jedoch nicht mit Sicherheit gesagt werden, da das BVerfG sich nicht immer an die selbst formulierten Grenzen der verfassungskonformen Auslegung hält.19 Festzuhalten bleibt jedoch, dass es den genannten Autoren nicht um eine eigene Definition des Betriebes, sondern um eine Ausrichtung des hergebrachten Betriebsbegriffes an den Zwecken des jeweiligen Gesetzes geht.20 Sie lehnen damit nur einen einheitlichen objektiven Betriebsbegriff ab und gehen davon aus, dass ein Betrieb im Sinne des BetrVG nicht notwendigerweise auch ein Betrieb im Sinne des KSchG ist.21 Einen genuin neuen Betriebsbegriff versucht lediglich Joost zu entwickeln.22 Er versteht den Betrieb zuvorderst als räumliche Einheit. Eine solche Sichtweise entspricht aber weder dem heutigen Wirtschaftsleben, das zunehmend von virtuellen Betrieben und räumlicher Flexibilität geprägt ist, noch verspricht sie eine effektive Mitbestimmung.23 Im Rahmen von geschäftsfeldbezogenen Un16

BVerfGE 97, 169, 184. BVerfGE 97, 169, 184; Joost, Betrieb und Unternehmen, S. 335 ff. 18 BVerfGE 54, 277, 299; 71, 81, 105; Schlaich/Korioth, Bundesverfassungsgericht, Rn 449. 19 Vgl. Schlaich/Korioth, Bundesverfassungsgericht, Rn 450 m.w. N. 20 Trümner in D/K/K, § 1 Rn 43; ErfKO-Eisemann, § 1 BetrVG Rn 8; Richardi in Richardi, BetrVG, § 1 Rn 19 f.; v. Hoyningen-Huene/Linck, § 23 Rn 4; Breitfeld in Praxishandbuch BetrV, Kapitel 1 Rn 4; Preis RdA 2000, 257, 259, 267 ff.; vgl. Moll in APS, § 23 KSchG Rn 7 f. 21 v. Hoyningen-Huene/Linck, § 23 Rn 3; Fitting, BetrVG, § 1 Rn 62; Zöllner in FS Semler, S. 995, 1008 f.; Rieble in FS Wiese, S. 453, 457. 22 Joost, Betrieb und Unternehmen, S. 112 ff., 248 ff. und passim. 23 Hanau ZfA 1990, 115 118; Preis RdA 2000, 257, 259; kritisch auch Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 31. 17

§ 4 Der Begriff des Betriebes

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ternehmensstrukturen fallen die maßgeblichen Entscheidungen nicht mehr vor Ort innerhalb der räumlichen Einheit. Die alte Gleichung „ein Gebäude – ein Betrieb“ gilt heute nicht mehr.24 Daher ist der von Joost vertretene räumliche Betriebsbegriff abzulehnen.25 Somit bleibt es auch für den sogenannten teleologischen Betriebsbegriff im Ausgangspunkt bei der oben aufgeführten Definition. Lediglich im Einzelfall kann sich eine von der herrschenden Meinung abweichende Anwendung der Definition ergeben. Für die Zwecke der vorliegenden Arbeit genügt es, diese Gemeinsamkeiten und Unterschiede festzustellen. Eine abstrakte Bewertung der Ansätze oder gar eine Entscheidung ist nicht erforderlich. Im Rahmen der einzelnen Probleme wird jedoch immer dort auf diese Ansätze einzugehen sein, wo sie zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Der arbeitsrechtliche Begriff des Unternehmens ist von dem des Betriebes zu unterscheiden. Unternehmen ist die organisatorische Einheit, innerhalb derer der Unternehmer seine wirtschaftlichen oder ideellen Ziele verfolgt.26 Dabei obliegt es dem Unternehmer, ob er den übergeordneten wirtschaftlichen Zweck in einem oder mehreren Betrieben verfolgt, also eine oder mehrere arbeitstechnische Teilorganisationen bildet.27 Während der Betrieb keine rechtliche Einheit ist und als solcher auch nicht Rechtssubjekt,28 ist das Unternehmen im vorstehenden Sinn gleichbedeutend mit dem Begriff des Rechtsträgers.29 Das Unternehmen ist die rechtliche Einheit, das Rechtssubjekt, welches als solches Träger von Rechten und Pflichten ist. So ist allein das Unternehmen Vertragspartner der Arbeitnehmer und nicht der Betrieb.30 Da Personengesellschaften31 und juristische Personen nur ein Unternehmen haben können, ist der Begriff des Unternehmens gleichbedeutend mit 24

Däubler in FS Dieterich, S. 63, 68; Preis RdA 2000, 257. So auch Trümner in D/K/K, § 1 Rn 72; Fitting, BetrVG, § 1 Rn 74; Moll in APS, § 23 KSchG Rn 8; Richardi in Richardi, BetrVG, § 1 Rn 32 ff.; v. HoyningenHuene/Linck, § 23 Rn 4; Hanau ZfA 1990, 115 118; Preis RdA 2000, 257, 259. 26 ErfKO-Eisemann, § 1 BetrVG Rn. 7; Fitting, BetrVG, § 1 Rn 145; Junker, Grundkurs AR, Rn 126; Schneider, Vertragliche Zuordnung, S. 6 f. 27 Fitting, BetrVG, § 1 Rn 146 f.; Schneider, Vertragliche Zuordnung, S. 7. 28 Schaub in Schaub, AR-HB, § 18 Rn 8. 29 Fitting, BetrVG, § 1 Rn 146; Junker, Grundkurs AR, Rn 126; Schneider, Vertragliche Zuordnung, S. 7 f. 30 Schneider, Vertragliche Zuordnung, S. 7; vgl. Richardi in Staudinger, BGB, Vorbem zu §§ 611 ff Rn 417. 31 Die Rechtsfähigkeit von Personengesellschaften ist lediglich für die BGB-Gesellschaft umstritten. Diese Auseinandersetzung ist jedoch nicht Gegenstand dieser Arbeit. Es genügt daher festzuhalten, dass der BGH die Rechtsfähigkeit der Außen-GbR in BGHZ 146, 341 ff. anerkannt hat. Dies gilt umso mehr, als die Insolvenzfähigkeit der Außen-GbR in § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO geregelt ist, vgl. dazu Schmerbach in Frankfurter Kommentar InsO, § 11 Rn 14. 25

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Kap. 2: Betriebsbegriff und Voraussetzungen des Gemeinschaftsbetriebes

dem des Rechtsträgers.32 Etwas anderes gilt bei natürlichen Personen, welche grundsätzlich mehrere Unternehmen haben können.33 Zwar ist dieser Unternehmensbegriff nicht unumstritten und gilt nicht für alle Rechtsgebiete universell. So wird beispielsweise im Gesellschaftsrecht zwischen Verbandszweck und Gegenstand des Unternehmens unterschieden.34 Für die Zwecke der vorliegenden Arbeit ist eine vertiefte Auseinandersetzung mit den verschiedenen Unternehmensbegriffen jedoch nicht erforderlich. Der Zweck des arbeitsrechtlichen Unternehmensbegriffs ist es den Rechtsträger zu kennzeichnen, der Vertragspartner der Arbeitnehmer ist und im Insolvenzverfahren die Rolle des Beteiligten einnimmt. Die Rechtsträgereigenschaft, also die Frage der Rechtsfähigkeit, ist jedoch allein von der gewählten Rechtsform abhängig. Zu dieser „Grobeinteilung“ ist der arbeitsrechtliche Unternehmensbegriff ausreichend. Der Betrieb ist demgegenüber eine arbeitstechnische Untergliederung des Unternehmens, welche für sich nicht Träger von Rechten und Pflichten ist.

§ 5 Voraussetzungen des gemeinsamen Betriebes mehrerer Unternehmen Auf der Grundlage dieses allgemeinen Betriebsbegriffs sollen nun die Voraussetzungen des gemeinsamen Betriebes mehrerer Unternehmen herausgearbeitet werden. Nach der als ständig zu bezeichnenden Rechtsprechung des BAG sind im Bereich des Betriebsverfassungsrechts und des KSchG die folgenden Anforderungen an das Vorliegen eines gemeinsamen Betriebes zu stellen: „Ein gemeinsamer Betrieb liegt vor, wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel für einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird. Dazu müssen sich die beteiligten Unternehmen zumindest stillschweigend zu einer gemeinsamen Führung rechtlich verbunden haben. Diese einheitliche Leitung muss sich auf die wesentlichen Funktionen eines Arbeitgebers in sozialen und personellen Angelegenheiten erstrecken.“35

32 BAG AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969, Bl. 1482 Rs.; Schneider, Vertragliche Zuordnung, S. 7. 33 Vgl. K. Schmidt, Handelsrecht, § 4 IV, S. 82; Richardi in Staudinger, BGB, Vorbem zu §§ 611 ff Rn 425; a. A. Joost, Betrieb und Unternehmen, S. 218 ff. 34 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 II 3, S. 64 ff. m.w. N. 35 BAG AP Nr. 3 zu § 5 BetrVG 1972 Rotes Kreuz, Bl. 1294; BAG AP Nr. 8 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, Bl. 1814 Rs.; BAG AP Nr. 9 zu § 23 KSchG 1969, Bl. 89 Rs.; BAG AP Nr. 21 zu § 23 KSchG, Bl. 1660 Rs., 1661; BAG AP

§ 5 Voraussetzungen des gemeinsamen Betriebes

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Nach dieser Rechtsprechung setzt ein gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen zweierlei voraus: einen einheitlichen Leitungsapparat und eine sog. Führungsvereinbarung.

A. Gemeinsame Leitung des Betriebes Das Erfordernis eines einheitlichen Leitungsapparats auf betrieblicher Ebene, welches das BAG seit der Anerkennung des gemeinsamen Betriebes verlangt,36 ist selbstverständlich und deshalb im Wesentlichen unstreitig. I. Einheitliche Leitung als Grundlage des Betriebes eines Unternehmens Auch beim Betrieb eines einzelnen Unternehmens ist nach allgemeiner Ansicht die organisatorische Einheit, innerhalb derer der Betriebszweck verfolgt wird, das maßgebliche Kriterium für die Bestimmung des Betriebes.37 Die Einheitlichkeit der Organisation wird dabei aus einem vorhandenen einheitlichen Leitungsapparat abgeleitet.38 Entscheidend soll dabei sein, dass der Kern der Arbeitgeberfunktionen im personellen und sozialen Bereich von derselben institutionellen Leitung ausgeübt wird.39 Dies wird mit dem Zweck des BetrVG begründet. Dieses soll eine effektive Beteiligung der Arbeitnehmer an den sie betreffenden Entscheidungen ermöglichen, deshalb ist erforderlich, dass der Betriebsrat dort errichtet wird, wo die maßgeblichen mitbestimmungspflichtigen Entscheidungen getroffen werden.40 Aus diesem Grund knüpft das BetrVG an den Begriff des Betriebes an, der enger als der Unternehmensbegriff ist und daher eine arbeitnehmernahe Repräsentation gewährleistet.41 Dies ergibt sich schon daraus, dass ein Unternehmen sich in mehrere Betriebe untergliedern Nr. 29 zu § 23 KSchG, Bl. 1704, 1704 Rs.; BAG NZA 1998, 876, 877; BAG ZInSO 2004, 1095, 1096. 36 BAG AP Nr. 21 zu § 1 KSchG 1951. 37 BAGE 53, 119, 127; BAG AP Nr. 9 zu § 1 BetrVG 1972, Bl. 707 Rs.; ErfKOEisemann, § 1 BetrVG Rn 14; Breitfeld in Praxishandbuch BetrV, Kapitel 1, Rn 8; Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 40; Richardi, Grundriss, § 2 Rn 9. 38 BAGE 40, 163, 166; 41, 403, 406; 68, 67, 72; Moll in APS, § 23 KSchG Rn 15; Richardi in Staudinger, BGB, Vorbem zu §§ 611 ff Rn 415, 417. 39 BAGE 59, 319, 325; BAG AP Nr. 6 zu § 1 BetrVG 1972, Bl. 743 Rs.; Fitting, BetrVG, § 1 Rn 71; Richardi in Staudinger, BGB, Vorbem zu §§ 611 ff Rn 421; Peter DB 1990, 424, 425. 40 Kraft/Franzen in GK-BetrVG, § 1 Rn 36, 41; Breitfeld in Praxishandbuch BetrV, Kapitel 1, Rn 9; Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 30; Franzen, ZfA 2000, 285, 288. 41 Joost, Betrieb und Unternehmen, S. 239; Richardi in FS Wiedemann, S. 493, 501.

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Kap. 2: Betriebsbegriff und Voraussetzungen des Gemeinschaftsbetriebes

kann und die Betriebsleitung nicht mit der Unternehmensleitung identisch sein muss.42 Etwas anderes gilt nur, wenn die Unternehmensleitung selbst die Leitung zur Erreichung des arbeitstechnischen Zweckes ausübt. In diesem Fall sind Betrieb und Unternehmen deckungsgleich.43 Durch die Anknüpfung an den Betrieb soll weiter gewährleistet werden, dass die Vertretung der Arbeitnehmer möglichst ortsnah erfolgt und die Arbeitnehmer zu homogenen Gruppen zusammengefasst werden.44 Es ist offensichtlich, dass diese Zwecke mit dem der effektiven Mitbestimmung in einem Spannungsverhältnis stehen, wenn die relevanten Entscheidungen nicht ortsnah, sondern etwa auf Unternehmensebene getroffen werden.45 Auch wenn in solchen Fällen eine Anknüpfung an die Entscheidungsebene dazu führt, dass die Betriebsangehörigen keine homogene Gruppe bilden und ihre Vertretung nicht ortsnah erfolgt, ist im Zweifel einer effektiven Mitbestimmung der Vorrang zu geben.46 Maßgeblich für den Betrieb ist daher der arbeitgeberische Leitungsapparat, der den Einsatz der menschlichen Arbeitskraft zur Verfolgung des arbeitstechnischen Zweckes steuert.47 Ein solcher Leitungsapparat setzt voraus, dass die wesentlichen Entscheidungen eigenständig, wenn auch im Rahmen vorgegebener allgemeiner Richtlinien, getroffen werden.48 Es muss genügen, wenn der Entscheidungsspielraum den wesentlichen Teil der Belegschaft und die Mehrzahl der arbeitsrechtlich relevanten Maßnahmen umfasst, anderenfalls würde eine ortsnahe Vertretung der Arbeitnehmer unmöglich.49 Zu den erforderlichen Kompetenzen für eine eigenständige Leitungsmacht sind zu rechnen:50

42 Kraft/Franzen in GK-BetrVG, § 1 Rn 33; Richardi in Staudinger, BGB, Vorbem zu §§ 611 ff Rn 415, 417. 43 Vgl. Kraft/Franzen in GK-BetrVG, § 1 Rn 32; Richardi in Richardi § 1 Rn 11; Peter DB 1990, 424, 426. 44 Joost, Betrieb und Unternehmen, S. 93, 399; Säcker, Wahlordnungen, S. 102 f.; Franzen ZfA 2000, 285, 288; Gamillscheg, AuR 1989, 33 f. 45 Fitting, BetrVG, BetrVG, § 1 Rn 72; Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 1 Rn 4; Franzen ZfA 2000, 285, 288; kritisch Gamillscheg AuR 2001, 411, 413; Kittner AuR 1995, 385; 394. 46 Konzen, Unternehmensaufspaltung; S. 87; Säcker, Wahlordnungen, S. 102 f.; Franzen ZfA 2000, 285, 288. 47 BAG NZA 1989, 190 f.; NZA 1992, 74 f.; Breitfeld in Praxishandbuch BetrV, Kapitel 1, Rn 9; Koch in Schaub § 214 Rn 3; Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 40. 48 Fitting, BetrVG, § 1 Rn 71; Kraft/Franzen in GK-BetrVG, § 1 Rn 43; Richardi in Richardi, BetrVG, § 1 Rn 27; Breitfeld in Praxishandbuch BetrV, Kapitel 1, Rn 10; Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 41 f.; Peter DB 1990, 424, 426. 49 BAG AP Nr. 3 zu § 4 BetrVG 1972, Bl. 981; Breitfeld in Praxishandbuch BetrV, Kapitel 1, Rn 10. 50 BAG v. 15.5.1997, 7 ABR 52/96 (n. v.), unter B.2. der Gründe; Breitfeld in Praxishandbuch BetrV, Kapitel 1, Rn 10.

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– Selbständige Einstellung und Entlassung – Weisungs- und Entscheidungsbefugnisse auf die Arbeitnehmer des jeweils eigenen Bereichs – Eigene Erstellung von Dienst- und Schichtplänen – Eigene Urlaubsgewährung – Eigene Berechtigung zur Anordnung von Überstunden Nicht ausschlaggebend für die betriebliche Organisation ist hingegen die Ausübung wirtschaftlicher Entscheidungsbefugnisse, denn diese sind der Mitbestimmung des Betriebsrates weitgehend entzogen.51 Darüber hinaus ergibt sich eine institutionalisierte und einheitliche Betriebsführung nicht schon aus der gemeinsamen räumlichen Unterbringung. Hierbei handelt es sich allenfalls um ein Indiz für die Annahme eines von einer einheitlichen Organisation getragenen Betriebes.52 Diese vornehmlich auf die Mitbestimmung des BetrVG abstellenden Kriterien können im Grundsatz auch auf das KSchG übertragen werden. Es wurde zwar bereits festgestellt, dass diese Sicht der Dinge nicht unumstritten ist, jedoch muss darauf nur insoweit Rücksicht genommen werden, wie der sog. teleologische Betriebsbegriff zu anderen Ergebnissen kommt. An dieser Stelle sollen die Kriterien einheitlich verstanden werden, da der Betriebsbegriff des KSchG zum einen über § 102 BetrVG mit dem Betriebsverfassungsrecht verknüpft und zum anderen auch für das KSchG vor allem die Kompetenz zur Einstellung und Entlassung, welche der Betriebsleitung zustehen muss, ausschlaggebend ist.53 Für die Bestimmung des Betriebes ist also die einheitliche Organisation, welche durch den eigenständigen Leitungsapparat gebildet wird, ausschlaggebend. II. Gemeinsame Leitung durch die beteiligten Unternehmen Wenn ein solcher eigenständiger Leitungsapparat konstitutiv für den Betrieb eines Unternehmens ist, dann kann für den Betrieb mehrerer Unternehmen nichts anderes gelten.54 In dem gemeinsamen Betrieb muss also eine Leitungs51 BAG AP Nr. zu § 4 BetrVG 1972, Bl. 981; Breitfeld in Praxishandbuch BetrV, Kapitel 1, Rn 11; Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 31 f. 52 BAG AP Nr. 8 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb; LAG Hamm AP Nr. 10 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb; Fitting § 1 Rn 74; Kraft/Franzen in GK-BetrVG, § 1 Rn 40. 53 Vgl. BAG AP Nr. 3 zu § 14 KSchG 1969, Bl. 1563; v. Hoyningen-Huene/Linck, § 23 Rn 5; Hanau ZfA 1990, 115, 117. 54 Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 40; Hanau ZfA 1990, 115, 120 f.; Peter DB 1990, 424, 426; Sick BB 1992, 1129; vgl. auch Windbichler, Konzern, S. 288 f.

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ebene vorhanden sein, welche die oben aufgeführten Entscheidungskompetenzen besitzt und eigenverantwortlich wahrnimmt. Die Besonderheit ist nur, dass diese Leitung durch die am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen installiert worden sein muss. Die Trennung der Unternehmen auf der rechtlichen Ebene muss auf betrieblicher Ebene überwunden werden, wenn es nicht bei einer bloß unternehmerischen Zusammenarbeit bleiben soll. Diese rechtliche Trennung zeigt sich aus arbeitsrechtlicher Sicht vor allem darin, dass die beteiligten Unternehmer jeweils Vertragsarbeitgeber ihrer Arbeitnehmer sind. Diese vertragliche Zuordnung zu den einzelnen Unternehmen bleibt auch im gemeinsamen Betrieb erhalten.55 Auf betrieblicher Ebene wird diese Trennung jedoch aufgegeben. Der im gemeinsamen Betrieb installierte Leitungsapparat muss also für die Arbeitnehmer aller beteiligten Unternehmen zuständig sein.56 Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch das Betriebsverfassungsgesetz von einem zweipoligen Modell mit dem Betriebsrat auf der einen und dem Arbeitgeber auf der anderen Seite ausgeht.57 Anders als im Individualarbeitsrecht, wo „Arbeitgeber“ immer der Vertragspartner des Arbeitnehmers ist, wird die Bestimmung des „Arbeitgebers“ in der Betriebsverfassung durch die Anknüpfung an den Betrieb und nicht an das Unternehmen als Rechtsträger erschwert.58 Der Betrieb ist jedoch gegenüber dem Unternehmen als Repräsentationsbereich zu verstehen, was bedeutet, dass der Betrieb grundsätzlich eine Untereinheit des Unternehmens darstellt.59 Daraus ergibt sich für das Betriebsverfassungsrecht der Grundsatz der Betriebsinhaberidentität, da der Betrieb als Grundeinheit innerhalb eines Unternehmens nur einem Inhaber, nämlich dem betreibenden Unternehmen, zugeordnet sein kann.60 Dieser Grundsatz, der auf Jacobis Überlegungen zum Betriebsbegriff zurückgeht,61 wird durch den gemeinsamen Betrieb relativiert, da hier der Betrieb als Untereinheit mehrerer Unternehmen einzuordnen ist. Maßgeblich für die Betriebsverfassung muss letztlich sein, wer Arbeitgeberfunktionen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes ausübt. Dies ist im gemeinsamen Betrieb der einheitliche Leitungsapparat. Durch die gemeinsame Betriebsleitung wird ein ein55 BAGE 55, 117, 131 ff.; BAG AP Nr. 8 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, Bl. 1814 Rs.; BAG NZA 2006, 592, 594; LAG Frankfurt BB 2002, 1421, 1423. 56 BAG AP Nr. 8 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, Bl. 1815; Trümner in D/K/K, § 1 Rn 74a; Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 41. 57 Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 81; Wißmann NZA 2001, 409; vgl. Windbichler, Konzern, S. 349 f. 58 Wißmann NZA 2001, 409; vgl. Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 82; Windbichler, Konzern, S. 288. 59 Richardi in Richardi, BetrVG, § 1 Rn 12, 55; Annuß, NZA-Sonderheft 2001, 12, 15. 60 Trümner in D/K/K, BetrVG, § 1 Rn 51; Fitting, BetrVG, § 1 Rn 68; Kraft/Franzen in GK-BetrVG, § 1 Rn 37; Konzen RdA 2001, 76, 80. 61 Jacobi in FS Ehrenberg, S. 1, 11.

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heitlicher Betriebsinhaber gebildet, der als „Arbeitgeber“ im Sinne der Betriebsverfassung dem Betriebsrat gegenüber steht.62 Nur insoweit kann für den gemeinsamen Betrieb von einem einheitlichen „Betriebsarbeitgeber“ gesprochen werden.63 Der betriebliche Leitungsapparat muss seine oben aufgeführten Kompetenzen also ggü. allen Arbeitnehmern des gemeinsamen Betriebes einheitlich und unabhängig von der arbeitsvertraglichen Zuordnung wahrnehmen. Anders gewendet muss die Betriebsleitung nur nach fachlichen und funktionalen Kriterien organisiert sein und nicht nach Unternehmenszugehörigkeit gegliedert.64 Sowohl die vertragliche Zuordnung des Arbeitnehmers als auch die derjenigen Person, welche die Leitungsmacht ausübt, darf auf betrieblicher Ebene im gemeinsamen Betrieb keine Rolle spielen. Dies kann in der Praxis durch die Bevollmächtigung derselben Person oder durch die Bestimmung eines neuen Leistungsgremiums erfolgen. Die Unternehmenszugehörigkeit der Personalleitung ist dabei nicht von Bedeutung, sofern sie ermächtigt ist, für alle beteiligten Unternehmen zu handeln. 1. Kriterien der einheitlichen Organisation Nach dem vorstehend Gesagten sind die Kriterien für eine einheitliche Organisation im gemeinsamen Betrieb die gleichen wie im Betrieb eines Unternehmens. Dem installierten Leitungsapparat muss also die Entscheidungskompetenz für den Kern der personellen und sozialen Angelegenheiten zustehen. Sie muss gerade für diejenigen Aufgaben bestehen, die vollzogen werden müssen, um die in der organisatorischen Einheit verfolgten arbeitstechnischen Zwecke erfüllen zu können.65 Im Rahmen der Organisationseinheit, welche den gemeinsamen Betrieb bilden soll, muss der Kern der Arbeitgeberfunktionen in den sozialen und personellen Angelegenheiten institutionell einheitlich für die beteiligten Unternehmen wahrgenommen werden.66

62 Vgl. Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 41; Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 90. 63 Wißmann NZA 2001, 409, 410; vgl. Windbichler, Konzern, S. 288, 349 f.; Konzen, ZIAS 1995, 588, 597; anders noch Kraft in FS Hilger/Stumpf, S. 395, 405 f., der einen Übergang der Arbeitsverhältnisse auf die durch die Führungsvereinbarung entstehende GbR fordert und so eine Identität zwischen Betriebs- und Vertragsarbeitgeber erreichen will. Diese Ansicht hat Kraft mittlerweile aufgegeben, vgl. Kraft7 in GKBetrVG, § 4 Rn 25. 64 Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 41; Konzen ZIAS 1995, 588, 595 f. 65 BAG AP Nr. 21 zu § 23 KSchG 1969, Bl. 1661; Moll in APS, § 23 Rn 15; Kraft/Franzen in GK-BetrVG, § 1 Rn 43; Richardi in Richardi, BetrVG, § 1 Rn 28, 70.

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Die Entscheidungen müssen im gemeinsamen Betrieb durch die von den Unternehmen installierte Betriebsleitung eigenständig wahrgenommen werden.67 Daran fehlt es, wenn die Betriebsleitung auf die bloße Ausführung von Arbeitgeberentscheidungen beschränkt wird.68 Die Betriebsleitung muss vielmehr auch auf den Inhalt der Entscheidung Einfluss nehmen können. Ebenso wie im Betrieb eines Unternehmens steht es der Eigenständigkeit der Betriebsleitung nicht entgegen, wenn diese nach zentralen Richtlinien der Unternehmen handelt, sofern ein gewisser Entscheidungsspielraum bleibt.69 Darüber hinaus ist es nicht erforderlich, dass der Betriebleitung sämtliche Arbeitgeberfunktionen in personeller und sozialer Hinsicht übertragen wurden. Auch schließt eine fehlende Kompetenz gegenüber einzelnen Arbeitnehmern, etwa leitenden Angestellten, die Eigenständigkeit der Betriebsleitung nicht aus. Da die arbeitsvertragliche Zuordnung im gemeinsamen Betrieb erhalten bleibt, ist es möglich, dass der Betriebsrat sich für einzelne Mitbestimmungsrechte, welche an die individualvertragliche Beziehung anknüpfen, an den Vertragsarbeitgeber als „Arbeitgeber“ i. S. d. Betriebsverfassung halten muss.70 Die Grenze ist jedoch dann erreicht, wenn dem einheitlichen Leitungsapparat keine Entscheidungskompetenz in den wesentlichen personellen und sozialen Angelegenheiten zusteht, also insbesondere bei Mitbestimmungsrechten, welche an die betrieblichen Verhältnisse anknüpfen.71 Es spricht nicht gegen einen einheitlichen gemeinsamen Betrieb, wenn die beteiligten Unternehmen unterschiedliche arbeitstechnische Zwecke verfolgen. Für den Betrieb eines Unternehmens ist anerkannt, dass dort verschiedene arbeitstechnische Zwecke verfolgt werden können, ohne dass dies die Einheitlichkeit der Organisation berührt.72 Dies muss ebenfalls für den gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmen gelten.73 66 BAG AP Nr. 5 zu § 1 BetrVG 1972, Bl. 737 Rs.; BAG AP Nr. 8 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, Bl. 1815; BAG AP Nr. 42 zu § 111 BetrVG 1972, Bl. 1126 Rs.; BAG AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969, Bl. 1483 Rs.; BAG AP Nr. 21 zu § 23 KSchG 1969, Bl. 1660 Rs.; Kraft/Franzen in GK-BetrVG, § 1 Rn 46. 67 BAG AP Nr. 3 zu § 5 BetrVG 1972 Rotes Kreuz, Bl. 1294 f.; Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 1 Rn 4; Konzen, Unternehmensaufspaltung, S. 81; Hermann, Gemeinsamer Betrieb, S. 42. 68 Vgl. Richardi in Münchener Handbuch, § 31 Rn 42; Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 42. 69 Kraft/Franzen in GK-BetrVG, § 1 Rn 43; Richardi in Richardi, BetrVG, § 1 Rn 28; Breitfeld in Praxishandbuch BetrV, Kap. 1 Rn 10; Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 42. 70 Wißmann NZA 2003, 1, 2 f.; ders. NZA 2001, 409, 410 ff. 71 Vgl. Konzen ZIAS 1995, 588, 597 f.; Wißmann NZA 2003, 1, 3. 72 BAG AP Nr. 9 zu § 1 BetrVG 1972, Bl. 707 Rs.; Fitting, BetrVG, § 1 Rn 69; Wedde in D/K/K, Einl. Rn 100. 73 BAG AP Nr. 21 zu § 23 KSchG 1969, Bl. 1662; BAG AP Nr. 42 zu § 111 BetrVG 1972, Bl. 1127; Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 43.

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Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass auch bei einem gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmen ein arbeitgeberischer Leitungsapparat, der den Einsatz der menschlichen Arbeitskraft zur Verfolgung des arbeitstechnischen Zweckes steuert, für die Einheitlichkeit der Organisation maßgeblich ist. 2. Indizien für den gemeinsamen Betrieb Ob ein solcher Leitungsapparat eingerichtet wurde, ist schon im Falle des Betriebes eines Unternehmens mitunter schwer zu bestimmen.74 Im Rahmen des gemeinsamen Betriebes behilft sich die Rechtsprechung daher mit einer Reihe von Indizien, die in einer wertenden Gesamtschau abgewogen werden müssen, um den einheitlichen Leitungsapparat festzustellen.75 Maßgeblich soll die betriebliche Entscheidungsfindung und nicht die lediglich formale Ausübung von Arbeitgeberbefugnissen durch den jeweiligen Vertragsarbeitgeber sein.76 a) Betriebliche Zusammenarbeit Vorrangig stellt das BAG dabei auf Art und Ausmaß der Zusammenarbeit ab. Da sich der Leitungsapparat auf die Funktionen erstrecken muss, welche zur Erreichung der gesetzten arbeitstechnischen Zwecke erforderlich sind, sprechen gemeinsame Aktivitäten in diesem Bereich für einen gemeinsamen Betrieb. Vor allem die Stellung von Arbeitnehmern für Aufgaben des jeweils anderen Unternehmens hat in diesem Zusammenhang große Bedeutung. Ein arbeitgeberübergreifender Arbeitsansatz, der nicht nur ausnahmsweise erfolgt, sondern charakteristisch für den Betriebsablauf ist, deutet auf eine gemeinsame Leitung hin.77 Dies ergibt sich schon daraus, dass ein solcher Arbeitseinsatz dafür spricht, dass die Unternehmen bei der Erreichung der gesetzten Arbeitszwecke auf die vertragliche Zuordnung der Arbeitnehmer keine Rücksicht nehmen. Daher ist auch zu berücksichtigen, ob Arbeitsabläufe und Aufsichtsrechte getrennt oder verknüpft werden.78 Ein weiteres Indiz ist in diesem Zusammenhang die ge-

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Zöllner in FS Semler, S. 995, 1004. Trümner in D/K/K, § 1 Rn 75; Breitfeld in Praxishandbuch BetrV, Kapitel 1, Rn 25; Peter DB 1990, 424, 426. 76 BAG AP Nr. 8 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, Bl. 1816; Breitfeld in Praxishandbuch BetrV, Kapitel 1, Rn 24. 77 BAGE 55, 117, 130; BAG AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969, Bl. 1483 Rs.; BAG AP Nr. 8 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, Bl. 1815; Breitfeld in Praxishandbuch BetrV, Kapitel 1, Rn 23; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 46 dabei steht eine interne Kostenverrechnung für Sachmittel und Personal einem gemeinsamen Betrieb nicht entgegen BAG AP Nr. 8 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, Bl. 1814 Rs.; Breitfeld in Praxishandbuch BetrV, Kapitel 1, Rn 24. 75

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meinsame Nutzung der Betriebsmittel durch die beteiligten Unternehmen.79 Wie gezeigt, ist es nicht erforderlich, dass die an einem gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen einen einheitlichen Betriebszweck verfolgen. Sofern dennoch Unternehmen zusammenarbeiten, um einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck zu verfolgen, spricht dies verstärkt für einen gemeinsamen Betrieb.80 Schließlich kann sich eine Zusammenarbeit auf betrieblicher Ebene auch in der gemeinsamen Wahrnehmung betrieblicher Funktionen wie etwa Hausmeister, Sekretariat, zentrales Lohnbüro oder Kantine zeigen.81 Dabei genügt jedoch nicht die bloße Übernahme solcher Servicefunktionen aufgrund von Dienstleistungsverträgen.82 Als Faustregel kann man hier danach unterscheiden, ob die Funktionen ohne weiteres wie Dienstleistungen von externen Dritten erbracht werden oder werden könnten oder ob die Funktion eher zum internen Betriebsablauf zu zählen ist. Ebenso wie beim Betrieb eines Unternehmens kommt aber einer gemeinsamen räumlichen Unterbringung nur untergeordnete Bedeutung zu.83 b) Befugnis zur gemeinsamen Betriebsleitung Eine gemeinsame Betriebsleitung ist nur denkbar, wenn die Inhaber der Leitungsmacht von den beteiligten Unternehmen ermächtigt wurden, für sie zu handeln. Dies zeigt sich insbesondere, wenn im Rahmen der Betriebsleitung rechtsgeschäftliche Handlungen, wie etwa eine Kündigung, vorgenommen werden müssen. Eine solche Handlung wirkt nach § 164 I BGB nur dann für und gegen das betroffene Unternehmen, wenn der Betriebsleiter dieses wirksam vertreten kann. Das gleiche gilt für den Abschluss von Betriebsvereinbarungen im gemeinsamen Betrieb.84 Die Betriebsleitung benötigt also die Befugnis, für alle beteiligten Unternehmen zu handeln. Dieses Erfordernis wird im Übrigen nicht dadurch erfüllt, dass jedes Unternehmen einen eigenen Vertreter in den Lei78 BAG AP Nr. 8 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb; Breitfeld in Praxishandbuch BetrV, Kapitel 1, Rn 23; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 47; Sick BB 1992, 1129, 1130. 79 BAG AP Nr. 8 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, Bl. 1815 Rs.; Trümner in D/K/K, § 1 Rn 74c; Breitfeld in Praxishandbuch BetrV, Kapitel 1, Rn 23. 80 BAG AP Nr. 8 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, Bl. 1814 Rs.; Breitfeld in Praxishandbuch BetrV, Kapitel 1, Rn 23. 81 BAG AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969, Bl. 1485; Trümner in D/K/K, § 1 Rn 74c; Breitfeld in Praxishandbuch BetrV, Kapitel 1, Rn 23. 82 BAGE 55, 154, 163; Breitfeld in Praxishandbuch BetrV, Kapitel 1, Rn 24. 83 BAG AP Nr. 8 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, Bl. 1815; Breitfeld in Praxishandbuch BetrV, Kapitel 1, Rn 23; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 47. 84 Küttner in FS für Hanau, S. 465, 467; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 41.

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tungsapparat entsendet. In einem solchen Fall bliebe nämlich gerade die vertragliche Zuordnung der Arbeitnehmer und damit die Trennung der Unternehmen auf betrieblicher Ebene erhalten. Anders verhält es sich im Falle einer (teilweisen) personellen Identität der Geschäftsführung und weiterer leitender Mitarbeiter. Aufgrund ihrer vertraglichen Beziehung zu allen beteiligten Unternehmen sind solche Personen in der Regel befugt, für jedes der beteiligten Unternehmen zu handeln. Diese mit der personellen Identität einhergehende Befugnis85 spricht daher für eine einheitliche Leitung.86 Eine solche Befugnis besteht auch, wenn eine gesellschaftsrechtliche Verflechtung Einfluss auf die anderen beteiligten Unternehmen ermöglicht. Eine solche Verflechtung stellt daher ebenfalls ein Indiz für einen gemeinsamen Betrieb dar.87 Nicht ausreichend ist demgegenüber lediglich unternehmerische Zusammenarbeit, auch wenn diese auf der Grundlage von Organ- und Beherrschungsverträgen beruht.88 In diesem Zusammenhang ist relativ unstreitig, dass ein bloßes „Joint Venture“, welches die Betriebsstruktur unberührt lässt und zu keinerlei Vermengung der arbeitstechnischen Abläufe führt, kein gemeinsamer Betrieb ist. Umstritten ist jedoch die Zusammenarbeit von Konzernunternehmen aufgrund von Weisungen der Konzernmutter.89

B. Die Führungsvereinbarung Als Grundlage für diesen einheitlichen Leitungsapparat verlangt das BAG seit der Entscheidung des ersten Senats vom 5. 12. 1975,90 dass sich die Unternehmen zu gemeinsamer Führung rechtlich verbunden haben.91 Dieses Kriterium ist seit seiner Einführung umstritten. Während Teile der Literatur die Führungsvereinbarung im Einklang mit der Rechtsprechung für unabdingbar hal85

Zur Problematik des Insichgeschäftes siehe unten § 6 D.VIII. BAG AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969, Bl. 1485; BAG SAE 2001, 287; LAG Köln NZA-RR 2002, 422; Breitfeld in Praxishandbuch BetrV, Kapitel 1, Rn 23; Sick BB 1992, 1129, 1130. 87 BAG AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969, Bl. 1485; BAG AP Nr. 6 zu § 1 BetrVG 1972, 743 Rs.; Trümner in D/K/K, § 1 Rn 74c; Breitfeld in Praxishandbuch BetrV, Kapitel 1, Rn 23. 88 BAG AP Nr. 9 zu § 23 KSchG 1969, Bl. 89 Rs.; BAG SAE 2001, 287; Breitfeld in Praxishandbuch BetrV, Kapitel 1, Rn 24; Schmädicke/Glaser/Altmüller NZA-RR 2005, 393, 395; vgl. zu weiteren Umständen, welche keinen Schluss auf eine Führungsvereinbarung zulassen Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 48 ff. 89 Vgl. dazu sogleich unten § 6 D.VII. 90 BAG AP Nr. 1 zu § 47 BetrVG = NJW 1976, 870. 91 BAG AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969, Bl. 1483 f.; BAG AP Nr. 21 zu § 23 KSchG 1969, Bl. 1660 Rs.; BAG AP Nr. 9 zu § 1 BetrVG 1972, Bl. 707; BAG AP Nr. 8 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, Bl. 1814 Rs.; BAG SAE 2001, 334. 86

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ten,92 lehnt eine starke Gegenmeinung die Führungsvereinbarung ab. Sie stelle ein systemfremdes Element in der Betriebsverfassung dar, das die tatsächliche Erscheinungsform des Betriebes mit vertraglichen (rechtlichen) Elementen vermenge.93 Im Folgenden sollen zunächst die Anforderungen, welche die Rechtsprechung an eine Führungsvereinbarung stellt, erläutert werden. I. Inhalt der Führungsvereinbarung Nach der Rechtsprechung des BAG muss der einheitliche Leitungsapparat auf einer rechtlichen Vereinbarung der Beteiligten beruhen. Mit diesem Erfordernis will die Rechtsprechung sicherstellen, dass dem Betriebsrat in Fragen der personellen und sozialen Mitbestimmung ein zu einer einheitlichen Willensbildung für alle beteiligten Unternehmen fähiger Ansprechpartner gegenüber steht.94 Anders als bei einem Betrieb eines Unternehmens reicht nach dem BAG jedoch die bloße Einrichtung eines Leitungsapparates nicht aus. Die Vereinbarung soll den einheitlichen Leitungsapparat rechtlich absichern und die beteiligten Unternehmen auch in Konfliktfällen zu einem einheitlichen Verhalten veranlassen.95 Als Begründung führt das BAG letztlich den oben erläuterten Zweck des BetrVG an, eine effektive Mitbestimmung dadurch zu ermöglichen, dass die Betriebsräte dort errichtet werden, wo die mitbestimmungspflichtigen Entscheidungen getroffen werden.96 Dementsprechend muss sich die Führungsvereinbarung gerade auf die Umstände beziehen, welche konstitutiv für eine einheitliche Leitung des Betriebes sind. Daher genügt eine unternehmerische Zusammenarbeit, etwa auf Grundlage von Organ- oder Beherrschungsverträgen, den Anforderungen an eine Führungsvereinbarung nicht,97 da diese in der Regel lediglich mitbestimmungsfreie wirtschaftliche Angelegenheiten betreffen. Vielmehr ist erforderlich, dass sich die Vereinbarung auf eine einheitliche Leitung für die Aufgaben bezieht, die vollzogen werden müssen, um die in der organisatorischen Einheit verfolgten arbeitstechnischen Zwecke erreichen zu können.98 Kenn92 Hess in H/S/W/G, § 1 Rn 7b; Richardi in Richardi, BetrVG, § 1 Rn 69; Windbichler, Konzern, S. 289; Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 89 ff. 93 Trümner in D/K/K, § 1 Rn 74b; Joost, Betrieb und Unternehmen, S. 261; Konzen, Unternehmensaufspaltung, S. 114 ff.; Däubler in Anm. zu BAG AP Nr. 8 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, Bl. 741 Rs.; Kohte RdA 1992, 302, 309. 94 BAG AP Nr. 9 zu § 1 BetrVG 1972, Bl. 708; BAG SAE 2001, 334. 95 Vgl. Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 100; Löwisch RdA 1976, 35, 38. 96 Vgl. oben § 5 A.I. 97 BAG AP Nr. 9 zu § 1 BetrVG 1972, Bl. 708; BAG AP Nr. 5 zu § 1 BetrVG 1972, Bl. 739. 98 BAG AP Nr. 9 zu § 23 KSchG 1969, Bl. 89 Rs.; AP Nr. 9 zu § 1 BetrVG 1972, Bl. 704 Rs.; BAG AP Nr. 21 zu § 23 KSchG 1969, Bl. 1661.

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zeichnend für eine Führungsvereinbarung ist danach, dass der Kern der Arbeitgeberfunktionen in sozialen und personellen Angelegenheiten von derselben institutionalisierten Leitung ausgeübt wird. Dafür ist vor allem entscheidend, ob ein arbeitgeberübergreifender Personaleinsatz praktiziert wird, der charakteristisch für den normalen Betriebsablauf ist.99 Der Inhalt der von der Rechtsprechung geforderten Führungsvereinbarung lässt sich also kurz dahingehend zusammenfassen, dass die Unternehmen eine Einigung über die Errichtung eines Leitungsapparates erzielen, dem der Kern der Arbeitgeberfunktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten zur gemeinsamen selbständigen Ausübung für alle beteiligten Unternehmen innerhalb der Einheit, welche den gemeinsamen Betrieb bilden soll, übertragen wird. In der Praxis wird dies dadurch geschehen, dass die beteiligten Unternehmen eine oder mehrere Personen bestimmen, welche die erforderlichen Arbeitgeberfunktionen mit verbindlicher Außenwirkung gegenüber allen Arbeitnehmern unabhängig von deren vertragsrechtlicher Zuordnung für alle beteiligten Unternehmen wahrnehmen können.100 Ob die Befugnis, für alle beteiligten Unternehmen zu handeln, dabei auf einer speziellen Ermächtigung, auf einer personenidentischen Funktion für alle Unternehmen oder auf einer gesellschaftsrechtlichen Verbindung beruht, ist unerheblich, solange die Befugnis besteht.101 Durch eine Vereinbarung, welche eine einheitliche und damit auch gemeinsame Betriebsleitung installiert, wird gewährleistet, dass alle Unternehmen an den mitbestimmungsrelevanten Entscheidungen im Betrieb beteiligt sind.102 Dies ist auch erforderlich, da Kennzeichen des gemeinsamen Betriebes gerade die einheitliche Behandlung aller Betriebsangehörigen ohne Rücksicht auf ihre arbeitsvertragliche Zuordnung ist. Aufgrund dieser einheitlichen Behandlung besteht mit der Betriebsleitung auch der erforderliche einheitliche Ansprechpartner des Betriebsrates. Die Betriebsleitung nimmt die betrieblich relevanten Arbeitgeberfunktionen einheitlich für alle Unternehmen wahr und ist somit „Betriebsarbeitgeber“ aller Arbeitnehmer im oben ausgeführten Sinne.103 Zusammengefasst muss die Führungsvereinbarung also darauf gerichtet sein, eine einheitliche Betriebsleitung zu installieren und aufrechtzuerhalten und dabei insbesondere die Verpflichtung enthalten, sich in allen betrieblichen Angelegenheiten auf eine einheitliche Linie zu einigen. 99 BAG AP Nr. 8 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, Bl. 1815; BAG AP Nr. 12 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, Bl. 189; vgl. BAG AP Nr. 6 zu § 1 BetrVG 1972, Bl. 744. 100 Vgl. Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 95; Kraft in Anm. zu BAG AP Nr. 2 zu § 1 BetrVG 1972, Bl. 737 Rs. 101 Vgl. zu möglichen Gestaltungen in der Praxis Sick BB 1992, 1129, 1130 ff. 102 Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 95; Wiedemann/Strohm Anm. zu BAG AP Nr. 1 zu § 47 BetrVG 1972, Bl. 219. 103 Vgl. oben § 5 A.II.

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II. Herleitung der Führungsvereinbarung aus den tatsächlichen Umständen Ausdrückliche Führungsvereinbarungen im vorstehenden Sinne sind in der Praxis nur selten anzutreffen.104 Die Rechtsprechung hat jedoch schon früh anerkannt, dass die einheitliche Leitung nicht in einer ausdrücklichen vertraglichen Vereinbarung geregelt sein muss. Vielmehr genüge es, dass eine solche Vereinbarung stillschweigend geschlossen worden ist und sich ihre Existenz aus den tatsächlichen Umständen herleiten lässt.105 Ergeben die Umstände des Einzelfalles, dass der Kern der Arbeitgeberfunktionen im personellen und sozialen Bereich von derselben institutionellen Leitung ausgeübt wird, führt dies regelmäßig zu dem Schluss, dass eine konkludente Führungsvereinbarung vorliegt.106 Auf die im Wesentlichen mitbestimmungsfreien wirtschaftlichen Angelegenheiten soll es demgegenüber nicht ankommen.107 Der Annahme einer konkludenten Führungsvereinbarung steht dabei die formale Ausübung von Arbeitgeberbefugnissen durch den jeweiligen Vertragsarbeitgeber nicht entgegen. Ob eine einheitliche Leitung hinsichtlich wesentlicher Arbeitgeberfunktionen vorliegt, beurteilt sich nach der innerbetrieblichen Entscheidungsfindung und deren Umsetzung.108 Ebenso sollen bloße vertragliche Absprachen der Unternehmen, welche darauf abzielen einen gemeinsamen Betrieb zu verhindern, ohne Bedeutung sein, wenn tatsächlich die Leitung gemeinsam ausgeübt wird.109 So verweigert die Rechtsprechung sowohl einer negativen Führungsvereinbarung mit dem Inhalt, dass gerade keine gemeinsame Betriebsleitung erfolgt, als auch einer Kündigung der Führungsvereinbarung ohne Änderung der tatsächlichen Verhältnisse die Anerkennung. Die Rechtsprechung nimmt also einen Schluss von dem tatsächlich gegebenen einheitlichen Leitungsapparat auf die diesen stützende Führungsvereinbarung vor. Das BAG geht dabei von folgenden Überlegungen aus. Ein einheitlicher Leitungsapparat, der die Arbeitgeberfunktionen in personeller und sozialer Hinsicht für alle Arbeitgeber einheitlich wahrnimmt, setzt ein hohes Maß an

104 Trümner in D/K/K, § 1 Rn 74b; Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 102; Sick BB 1992, 1129. 105 BAG AP Nr. 5 zu § 1 BetrVG 1972, Bl. 126 Rs.; BAG AP Nr. 9 zu § 1 BetrVG 1972, Bl. 708; BAG AP Nr. 9 zu § 23 KSchG, Bl. 89; vgl. Fitting, BetrVG, § 1 Rn 84. 106 BAG AP Nr. 6 zu § 1 BetrVG 1972, Bl. 743 Rs.; BAG AP Nr. 9 zu § 1 BetrVG 1972, Bl. 708; Hess in HSGW, § 1 Rn 7c. 107 BAG AP Nr. 6 zu § 1 BetrVG 1972, Bl. 743 Rs.; Moll in APS, § 23 KSchG Rn 15 f.; Breitfeld in Praxishandbuch BetrV, Kap. 1 Rn 20. 108 BAG AP Nr. 8 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, Bl. 1816; Fitting, BetrVG, § 1 Rn 82; Hess in H/S/W/G, § 1 Rn 7e. 109 BAG NZA 1990, 977; 1999, 932; NZA 2001, 321; Breitfeld in Praxishandbuch BetrV, Kap. 1 Rn 19; Löwisch RdA 1976, 35, 38.

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Abstimmung voraus. Solche Abstimmungen sind nur möglich, wenn sie vom Willen aller beteiligten Unternehmen getragen werden. Eine solche willentliche Abstimmung erfolge jedoch stets nur auf der Grundlage einer Vereinbarung. Sofern die Zusammenarbeit daher ein entsprechendes Ausmaß erreiche, soll der Schluss auf eine entsprechende Führungsvereinbarung gerechtfertigt sein. Für die Praxis läuft diese Sichtweise darauf hinaus, dass zunächst die Kriterien für einen einheitlichen Leitungsapparat geprüft werden müssen.110 Sofern diese anhand der wertenden Gesamtbetrachtung der durch die Rechtsprechung anerkannten Indizien festgestellt werden können, wird die Rechtsprechung von einer entsprechenden Führungsvereinbarung ausgehen. Dabei stellt sich hier oft für die Praxis das Dilemma, dass die Rechtsprechung mitunter auf diese Indizien abstellt und sie der tatsächlichen Leitungsaufteilung vorzieht. Die Rechtsprechung geht also auch dann von einem gemeinsamen Betrieb aus, wenn eigentlich zwei getrennte Leitungsapparate vorliegen. Dies ist immer dann der Fall, wenn das erkennende Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass die Trennung der Leitungsebenen nur formal existiert oder vorgeschoben ist. Zwar ist es grundsätzlich sachgerecht, rein vorgeschobenen Trennungen die Anerkennung zu verweigern, dennoch muss die durch die Unternehmen vorgenommene Betriebsorganisation beachtet werden. Als Beispiel aus der Praxis sei das Urteil des ArbG Berlin vom 21. Januar 2005 (Az.: 28 Ca 25419/04) genannt. Das ArbG geht von einem auf einen Betriebsteil beschränkten gemeinsamen Betrieb aus, indem es von den Indizien ausgehend einen gemeinsamen Betrieb annimmt, obwohl getrennte Leitungsapparate existieren. Einen solchen gemeinsamen Betriebsteil kann es nach den gesetzlichen Regelungen des KSchG und des BetrVG jedoch nicht geben. Der gemeinsame Betrieb muss vielmehr selbst Betrieb im Sinne der Gesetze sein. Im Übrigen kann das eigentlich verfolgte Ziel einer gemeinsamen Sozialauswahl durch einen angenommenen gemeinsamen Betriebsteil nicht erreicht werden. Die Entscheidung verkennt insoweit, dass für das KSchG der Betrieb und nicht der Betriebsteil die maßgebliche Einheit ist. Ein gemeinsamer Betriebsteil führt daher nicht zu einer gemeinsamen Sozialauswahl, da diese nicht auf den Betriebsteil zu beschränken wäre, vgl. ErfKO-Ascheid, § 1 KSchG Rn 476 m.w. N.

§ 6 Kritik am Erfordernis der Führungsvereinbarung Vor diesem Hintergrund wird vielfach Kritik am Erfordernis der Führungsvereinbarung geäußert. Auch Autoren, die grundsätzlich vom Erfordernis einer solchen Führungsvereinbarung ausgehen, sprechen dieser eine eigene Bedeutung als Voraussetzung des gemeinsamen Betriebes ab und ziehen die Vereinbarung lediglich zur Rechtfertigung der mit dem gemeinsamen Betrieb verbundenen Rechtsfolgen heran.111 110

Vgl. etwa Hohenstatt in W/H/S/S, Umstrukturierung, D Rn 21.

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Die vorgebrachte Kritik lässt sich wie folgt systematisieren. Neben allgemeinen methodischen Vorbehalten gegen das Vorgehen der Rechtsprechung halten die Kritiker die Führungsvereinbarung vor allem zwischen Konzernunternehmen und bei personeller Identität der Geschäftsführung für überflüssig.112

A. Methodische Kritik Gegen die Rechtsprechung wird zunächst vorgebracht, dass die rechtliche Vereinbarung keine echte Voraussetzung darstelle, da jedenfalls bei der Suche nach der konkludenten Führungsvereinbarung regelmäßig aus den tatsächlichen Umständen, die für den einheitlichen Leitungsapparat maßgebend sind, auf das Vorliegen einer Führungsvereinbarung geschlossen werde.113 Insofern habe die Führungsvereinbarung keine eigenständige Bedeutung. Für eine solche Sicht spricht, dass aus der Praxis der Rechtsprechung keine Gestaltung nachweisbar ist, in der eine ausdrücklich geschlossene Führungsvereinbarung vorlag.114 Selbst wenn ausdrückliche Vereinbarungen vorlagen, die gegen einen gemeinsamen Betrieb sprachen, verweigerte die Rechtsprechung diesen die Anerkennung.115 Auch wird dem Wegfall der Führungsvereinbarung allein teilweise keine Bedeutung zugemessen.116 Im Ergebnis knüpfe die Rechtsprechung damit allein an das Ins-Leben-Rufen einer Organisation an.117 Sie greife zu dem Mittel, ein als billig empfundenes Ergebnis mit einem stillschweigend geschlossenen Vertrag zu begründen, obwohl der Sachverhalt nicht den geringsten Hinweis auf eine Willenserklärung enthalten habe.118 Der eigentlich erforderliche

111 Breitfeld in Praxishandbuch BetrV, Kap. 1 Rn 22, Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 65 f., der die Bedeutung des Meinungsstreites bei richtigem Verständnis der Rechtsprechung für gering erachtet. Diese Sicht beruht jedoch darauf, dass Herrmann dem gemeinsamen Betrieb sämtliche Besonderheiten bei der Entstehung abspricht. 112 Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 106, erkennt beispielsweise außerhalb des Konzernes und bei fehlender Personenidentität die Notwendigkeit einer Führungsvereinbarung an. 113 Trümner in D/K/K, § 1 Rn 74b; Joost, Betrieb und Unternehmen, S. 259; Däubler in Anm. zu BAG AP Nr. 8 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, Bl. 741 Rs.; in diesem Sinne auch Wiedemann Anm. zu BAG AP Br. 10 zu § 1 KSchG 1969, Bl. 1488. 114 Trümner in D/K/K, § 1 Rn 74b; Sick BB 1992, 1129. 115 Däubler Anm. zu BAG AP Nr. 8 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, Bl. 741 Rs. 116 Vgl. BAG AP Nr. 42 zu § 111 BetrVG, Bl. 1127 Rs. 117 Däubler Anm. zu BAG AP Nr. 8 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, Bl. 741 Rs. 118 Kohte RdA 1992, 302, 308. Allgemein wird dieses Problem im Rahmen konkludenter Haftungsausschlüsse bei Gefälligkeitsverhältnissen diskutiert, vgl. dazu Larenz, Methodenlehre, S. 264; Medicus AT, Rn 187 ff.

§ 6 Kritik am Erfordernis der Führungsvereinbarung

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Rechtsbindungswille werde durch Tatsachen ersetzt. Im Ergebnis verzichte die Rechtsprechung so auf das Erfordernis einer rechtlichen Vereinbarung.119 Dieser Befund wird von den Kritikern darauf zurückgeführt, dass das Erfordernis der Führungsvereinbarung ein systemfremdes Element in die Betriebsverfassung einführe, welches nicht durchzuhalten sei. Daher sei das Erfordernis der Führungsvereinbarung auch methodisch nicht haltbar. Der Betrieb sei keine wirtschaftliche und auch keine gesellschaftsrechtliche, sondern eine organisatorische und rechtstatsächliche Einheit.120 Von dieser Basis ausgehend, sei es widersprüchlich, für eine rein tatsächliche Erscheinung eine vertragliche Grundlage zu verlangen.121 Auch werde so der Unterschied zum Unternehmen als rechtlich verfasster Einheit verwischt.122 Des Weiteren soll der Betriebsbegriff nicht zur Disposition des Arbeitgebers stehen, genau dies drohe aber, wenn der Arbeitgeber über die Führungsvereinbarung Einfluss auf die Organisationsstruktur nehmen kann.123 Auch könne die Führungsvereinbarung, ihre Erforderlichkeit unterstellt, einen einheitlichen Ansprechpartner nicht in der von der Rechtsprechung beabsichtigten Weise garantieren. Als lediglich schuldrechtliche Abrede hinsichtlich der gemeinsamen Betriebsnutzung wirke die Führungsvereinbarung nur intern und gewähre dem Betriebsrat keine verlässlichen Rechte.124 Einem außenstehenden Dritten könne ein Gesellschaftsvertrag nur dann die gewünschte Rechtssicherheit vermitteln, wenn die Gesellschaft als Außengesellschaft mit eigenständiger Vertretungsordnung und dazugehöriger Organisation konstituiert sei. Bei einer Innengesellschaft könne der Dritte sich jedoch nicht auf die Einhaltung der ausschließlich intern geltenden schuldrechtlichen Absprachen verlassen, da ihm kein Anspruch auf deren Einhaltung zur Verfügung stehe.125 Die von der Rechtsprechung verlangte Führungsvereinbarung sei jedoch als bloße Innengesellschaft zu qualifizieren.126 Der Betriebrat habe somit keinen Einfluss auf den Inhalt oder die Einhaltung der Führungsvereinbarung.127 Das von der Recht119

Joost, Betrieb und Unternehmen, S. 259. Junker in Recht und Praxis der Betriebsverfassung, S. 99, 114; Kohte RdA 1992, 302, 307; vgl. dazu auch Joost, Betrieb und Unternehmen, S. 259. 121 Däubler in FS Zeuner, S. 19, 23; Kohte RdA 1992, 302, 307. 122 Kohte RdA 1992, 302, 307; zu dieser Unterscheidung bereits Flatow/KahnFreund, § 9 Anm. 4a),b) (S. 79); Jacobi in FS Ehrenberg, S. 1, 15 f. 123 Konzen, Unternehmensaufspaltung, S. 114; Däubler in FS Zeuner, S. 19, 23 f.; Kohte RdA 1992, 302, 308; Gamillscheg ZfA 1975, 357, 377; vgl. auch Däubler Anm. zu BAG AP Nr. 8 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, Bl. 741 Rs. 124 Kohte RdA 1992, 302, 304; Wiedemann Anm. zu BAG AP Nr. 5 zu § 1 BetrVG 1972, Bl. 740. 125 Kohte RdA 1992, 302, 304 m.w. N. 126 Zöllner in FS Semler, 995, 1004; Kohte RdA 1992, 302, 304 m.w. N.; zur Einordnung der Führungsvereinbarung siehe unten § 9. 127 Wiedemann Anm. zu BAG AP Nr. 5 zu § 1 BetrVG 1972. 120

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sprechung behauptete Primat des Gesellschaftsrechtes führe also gerade dazu, auf eine solche Vereinbarung zu verzichten, da diese zur Erreichung der verfolgten Zwecke ungeeignet sei. Darüber hinaus sei ein rechtlicher Rahmen, der eine Einigung erzwingt, nicht erforderlich. Können sich die verschiedenen Vertragsarbeitgeber im gemeinsamen Betrieb nicht einigen, so habe der Betriebsrat die gleichen Zwangsmittel wie gegenüber einem einzelnen Arbeitgeber, der zu keiner Willensbildung bereit ist.128 Dies genüge, um die Einheitlichkeit der Mitbestimmung im gemeinsamen Betrieb zu gewährleisten. Allein aufgrund ihrer gemeinsamen betriebsverfassungsrechtlichen Schuld seien die beteiligten Unternehmen auch zur (ad hoc) Einigung verpflichtet.129 Notfalls müsse diese Verpflichtung durch einen Spruch der Einigungsstelle oder einen Beschluss des Arbeitsgerichtes erzwungen werden.130

B. Konzernunternehmen und Personenidentität der Geschäftsführung Neben dieser allgemeinen Kritik wird die Führungsvereinbarung als „Förmelei“ oder „Fiktion“ vor allem bei gemeinsamen Betrieben zwischen Konzernunternehmen oder bei personeller Identität der Geschäftsführung abgelehnt. Konzernunternehmen pflegten zur Gründung eines gemeinsamen Betriebes keine Verträge abzuschließen. Die einheitliche Leitung nach § 18 Abs. 1 AktG sorge für ein abgestimmtes Verhalten in personeller wie wirtschaftlicher Hinsicht.131 Die Personalunion sei gleichzeitig ein wichtiges Indiz und ein wirksames Instrument für die Gleichschaltung der Unternehmensgruppe.132 Selbstverständlich schließe ein mehrere Organstellungen übernehmender Geschäftsführer keine Vereinbarungen zur gemeinsamen Organisation mit sich selbst ab; die Personalunion verbürge die Einheitlichkeit.133 Insoweit müsse die Suche nach konkludent abgeschlossenen Verträgen in Fiktionen enden.134 128

Zöllner in FS Semler, S. 995, 1005. Joost, Betrieb und Unternehmen, S. 262; Konzen, Unternehmensaufspaltung, S. 115. 130 Joost, Betrieb und Unternehmen, S. 262; Fromen in FS Gaul, S. 151, 171; Zöllner in FS Semler, S. 995, 1011. 131 Joost, Betrieb und Unternehmen, S. 284 f.; Wiedemann Anm. zu BAG AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969, Bl. 1488. 132 LAG Hamm BB 1985, 1792; LAG Berlin BB 1986, 593; Fitting, BetrVG, § 1 Rn 90; Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 106; ders. Anm. zu BAG AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969, Bl. 1488. 133 Gamillscheg Anm. zu BAG EzA § 4 BetrVG 1972 Nr. 4 und 5, S. 36; Wiedemann, Unternehmensgruppe S. 120; ders. Anm. zu BAG AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969. 129

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Gerade im Bereich des Konzerns bestehe auch keineswegs die Notwendigkeit einer solchen Führungsvereinbarung. Zwar werden in Unternehmensverträgen nur selten Fragen der betrieblichen Leitung geregelt135, die einheitliche Leitung i. S. d. § 18 AktG sei jedoch nicht auf den Inhalt von Unternehmensverträgen beschränkt.136 Die einheitliche Leitung nach § 18 AktG bestehe vielmehr darin, dem herrschenden Unternehmen die geeigneten Instrumente zur Verfügung zu stellen, die Entscheidungen im abhängigen Unternehmen umfassend zu beeinflussen und zu bestimmen.137 Dabei beschränken sich die Möglichkeiten der Einflussnahme nicht auf Fragen der Finanz- und Produktionspolitik, sondern können auch das gesamte Feld der Personalpolitik erfassen.138 Daher sei es mittels der einheitlichen Leitung im Konzern auch möglich, gemeinsame Betriebe einzurichten. Dies gelte umso mehr, als die Ausübung dieser einheitlichen Leitung sich gerade nicht in Form von Absprachen vollziehe, vielmehr herrschten in der Praxis Weisung, Koordination und Kontrolle vor.139 Dementsprechend habe der Gesetzgeber bewusst auf eine normative Eingrenzung der Leitungsmacht in § 18 AktG verzichtet.140 Es sei daher nicht nachvollziehbar, wieso das Arbeitsrecht unter Berufung auf den Vorrang des Gesellschaftsrechts eine Gestaltungsform für die Binnenstruktur des Konzerns verlangen soll, die in der Konzernwirklichkeit und im Konzernrecht ohne Bedeutung sei.141 Dass der Verzicht auf eine Führungsvereinbarung nicht zu Rechtsunsicherheit führe, zeige sich bei der Beurteilung des Gemeinschaftsunternehmens im Kartellrecht gem. § 36 Abs. 2 S. 2 GWB, welches eine GbR zwischen den beteiligten Unternehmen gerade nicht voraussetze.142 Die rechtsdogmatische Unterscheidung des BAG zwischen konzernrechtlicher Weisung, welche allein an den Vorstand der beherrschten Gesellschaft gerichtet ist, und betriebsbezogenem arbeitstechnisch-organisatorisch geprägten Leitungsapparat erscheine zunächst nicht unplausibel.143 Jedoch seien solche Weisungen

134

Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 120; Kohte RdA 1992, 302, 308. Kohte RdA 1992, 302, 305 m.w. N. 136 Kohte RdA 1992, 302, 305; vgl. zum Begriff der einheitlichen Leitung Emmerich in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 18 Rn 9 ff. 137 Kohte RdA 1992, 302, 305; vgl. Trümner in D/K/K, § 1 Rn 75d. 138 Kohte RdA 1992, 302, 305 m.w. N.; vgl. Emmerich in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 18 Rn 14. 139 Kohte RdA 1992, 302, 305 m.w. N.; vgl. Konzen, Unternehmensaufspaltung, S. 62. 140 Emmerich in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 18 Rn 9. 141 Kohte RdA 1992, 302, 305; vgl. Trümner in D/K/K, § 1 Rn 75d. 142 Mestmäcker/Veelken in Immenga/Mestmäcker, GWB, § 36 Rn 65; Kohte RdA 1992, 302, 306 f. zu § 23 GWB a. F. Im Steuerrecht war für die Anerkennung einer Mehrmütterorganschaft eine GbR zwischen den am Gemeinschaftsunternehmen beteiligten Unternehmen nötig. Dieses Erfordernis wurde zum 1.1.2003 jedoch aufgehoben, vgl. Olbing in Streck, KStG, § 14 Rn 38, 41. 135

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entbehrlich, wenn – was in der Praxis häufig vorkomme – die Konzernspitze die wesentlichen Arbeitgeberfunktionen in den sozialen und personellen Mitbestimmungsangelegenheiten selbst wahrnimmt. Insofern müsse es genügen, dass die objektive Fähigkeit zur einheitlichen Willensbildung besteht.144 Es sei wohl möglich, dass die einer Unternehmenskooperation zugrunde liegenden Vereinbarungen Elemente enthalten, die sich ggf. in ihrer Gesamtschau als rechtliche Vereinbarung erweisen,145 der gehorsame Vollzug von Konzernweisungen stelle aber kein Rechtsgeschäft dar.146 Auch im Konzernrecht werden die Rechtsfolgen nicht nur an eine Vereinbarung geknüpft, sondern an eine tatsächliche konzernmäßige Verbindung.147 Daher sei eine Führungsvereinbarung nicht erforderlich.

C. Begründung der Rechtsprechung für das Erfordernis der Führungsvereinbarung Vor dem Hintergrund dieser beachtlichen Kritik stellt sich die Frage, warum die Rechtsprechung am Erfordernis der Führungsvereinbarung festhält. Dabei ist zunächst zu konstatieren, dass dieses Erfordernis zwar in ständiger Rechtsprechung verlangt, jedoch kaum begründet wird. Statt dessen ist sogar eine gewisse Inkonsequenz zu beobachten, da Teile der Rechtsprechung dem Wegfall der Führungsvereinbarung keine Bedeutung für die Auflösung des gemeinsamen Betriebes zumessen.148 Das Erfordernis einer Führungsvereinbarung wird im Wesentlichen damit begründet, dass dem Betriebsrat ein zu einheitlicher Willensbildung fähiger Ansprechpartner gegenüberstehen müsse.149 Adressat der Mitbestimmungsrechte nach dem BetrVG sei nämlich nicht eine irgendwie geartete Betriebsleitung, sondern der Arbeitgeber und Betriebsinhaber. Sofern man als Arbeitgeber in diesem Sinne den Vertragsarbeitgeber ansähe, gäbe es im gemeinsamen Betrieb mehrere Arbeitgeber, was, wie bereits gezeigt, einem einheitlichen Betrieb im Wege steht. Daher muss ein einheitlicher betriebsverfassungsrechtlicher Arbeitgeber vorhanden sein, der ebenso wie der Betriebsrat zu einheitlicher Willensbildung fähig ist.150 Die Führungsvereinbarung soll also gewährleisten, dass die verschiedenen Unternehmen zu einem einheitlichen Betriebsinhaber zumindest 143 Trümner in D/K/K, § 1 Rn 75b; ähnlich Wiedemann Anm. zu BAG AP Nr. 5 zu § 1 BetrVG 1972, Bl. 739 Rs. 144 Trümner in D/K/K; § 1 Rn 75d; Kohte RdA 1992, 302, 305; Konzen S. 58, 62; ders. AuR 1985, 345. 145 Trümner in D/K/K, § 1 Rn 75b. 146 Zöllner in FS Semler, S. 995, 1010, in Fußnote 48. 147 Kohte RdA 1992, 303, 309; vgl. Fitting, BetrVG, § 1 Rn 90. 148 Vgl. BAG AP Nr. 42 zu § 111 BetrVG 1972, Bl. 1127 Rs. 149 Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 1 Rn 25; Löwisch RdA 1976, 35, 37.

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dergestalt zusammengefasst werden, dass sie die mitbestimmungsrelevanten Entscheidungen im gemeinsamen Betrieb einheitlich treffen.151 Ein Verfahren zu einer einheitlichen Willensbildung zwischen verschiedenen selbständigen Personen halte nach der Privatrechtsordnung nur das Gesellschaftsrecht bereit.152 Ohne eine solche Vereinbarung müsse man annehmen, das Betriebsverfassungsrecht zwinge die Unternehmen zu einer solchen Einigung.153 Ein solcher Eingriff in die Gestaltungsfreiheit der Unternehmen sei dem Betriebsverfassungsrecht jedoch nicht zu entnehmen, vielmehr knüpfe das BetrVG an die vorgefundene gesellschaftsrechtliche Organisationssituation an.154 Dabei genüge dem BetrVG nicht allein die faktische Grundlage, da die Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers ein Arbeitsverhältnis mit dem Betriebsinhaber voraussetzte.155 Daher sei eine rechtliche Verbindung nötig, welche die fehlende arbeitsvertragliche Beziehung zu den übrigen am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen überwinde.156 Nur durch diese rechtliche Ausformung der Betriebsinhaberschaft lasse sich die Einheitlichkeit der Belegschaft im gemeinsamen Betrieb begründen.157 Dass die Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht zu einer solchen Koordinierung fähig sei, könne nicht überzeugen, was sich bereits an der unstreitigen Fähigkeit von ARGEn zur Betriebsbildung zeige.158 Adressat von konzernrechtlichen Weisungen sei allein der Vorstand159 der abhängigen Tochter und nicht die nachgeordneten Mitarbeiter.160 Konzernrechtliche Weisungsmacht könne zwar bis zur Betriebsebene durchschlagen. Sie erzeuge jedoch für sich gesehen noch keinen betriebsbezoge150 Löwisch RdA 1976, 35, 37; dies wird auch von der Gegenansicht als Ausgangspunkt akzeptiert. 151 Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 89 f.; Säcker, Wahlordnungen, S. 106; Löwisch RdA 1976, 35, 37; vgl. Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 41 f. 152 Löwisch RdA 1976, 35, 37; vgl. Richardi in Richardi, BetrVG, § 1 Rn 71; K. Schmidt, GesR, § 4 I 2. a), S. 59. 153 Löwisch RdA 1976, 35, 37; so in der Tat Joost, Betrieb und Unternehmen, S. 261; Konzen, Unternehmensaufspaltung, S. 115. 154 Löwisch RdA 1976, 35, 37; vgl. Richardi in Richardi, BetrVG, § 1 Rn 9; Windbichler, Konzern, S. 285 f.; zum Gestaltungsspielraum des Arbeitgebers bei der Betriebsbildung Breitfeld in Praxishandbuch BetrV, Kap. 1 Rn 14; ähnlich bereits Jacobi in FS Ehrenberg, S. 1, 10. 155 Windbichler, Konzern, S. 289; vgl. Raab in GK-BetrVG, § 5 Rn 12; Richardi in Richardi, BetrVG, § 1 Rn 9. 156 ErfKO-Eisemann, § 1 BetrVG Rn 14; Windbichler, Konzern, S. 289. 157 Hess in H/S/W/G, § 1 Rn 7a f.; Windbichler, Konzern, S. 289. 158 Windbichler, Konzern, S. 289 in FN 116; vgl. auch Fitting, BetrVG, § 1 Rn 77; ErfKO-Eisemann, § 1 BetrVG Rn 13. 159 Im Falle einer GmbH der Geschäftsführer vgl. Altmeppen in MünchKomm AktG, § 308 Rn 5. 160 BAG AP Nr. 21 zu § 23 KSchG 1969, Bl. 1661; Emmerich in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 308 Rn 17; Hüffer, § 308 Rn 7; Altmeppen in MünchKomm AktG, § 308 Rn 72.

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nen Leitungsapparat.161 Es müsse daher zwischen der einheitlichen Unternehmensführung und der Führung eines gemeinsamen Betriebes unterschieden werden.162 Im Übrigen betreffe die Konzernleitung in der Regel nur die unternehmerische Ebene.163 Das Bestehen einer einheitlichen Leitung nach § 18 AktG bedeute nicht, dass die Geschäftsleitung des abhängigen Unternehmens ohne eigenen Handlungsspielraum ist.164 Dies könne in einzelnen Fällen so sein, sei aber nicht die Regel. Es sei auch nicht methodisch widersprüchlich, beim gemeinsamen Betrieb eine Führungsvereinbarung zu verlangen. Dies zeige schon ein Vergleich zum Gemeinschaftsunternehmen, welches, anders als das Einzelunternehmen, ebenfalls ohne rechtsgeschäftliche Abrede nicht zustande komme.165

D. Stellungnahme Eine Stellungnahme zu diesem Streit muss bei den grundlegenden Voraussetzungen des Betriebes, also beim Betriebsbegriff, ansetzen.166 I. Die Willensabhängigkeit der Betriebsgründung Insoweit ist zunächst festzuhalten, dass der Zuschnitt und die Gründung eines Betriebes auf dem Willen des Unternehmers allein beruht.167 Ebenso besteht seit Jacobi Einigkeit, dass der Unternehmer sich grundsätzlich an den von ihm einmal geschaffenen tatsächlichen Umständen bis zu ihrer Änderung festhalten lassen muss.168 Allein aus diesem Grund verweigert die Rechtsprechung einer bloßen Kündigung oder einer negativen Führungsvereinbarung die Anerken-

161 BAG AP Nr. 21 zu § 23 KSchG 1969, Bl. 1661; Wackerbarth in Holding Handbuch, § 9 Rn 198; Martens in 25 Jahre BAG, S. 367; 373. 162 BAG AP Nr. 6 zu § 1 BetrVG 1972, Bl. 743 Rs.; Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 65. 163 Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 63. 164 BAGE 55, 154, 164; Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 63. 165 Zöllner in FS Semler, S. 995, 1003. 166 a. A. Joost, Betrieb und Unternehmen, S. 260, der davon ausgeht, dass die Lösung über den Begriff des Arbeitgebers in der Betriebsverfassung zu suchen ist. Wenn man aber den gemeinsamen Betrieb vom Gemeinschaftsunternehmen unterscheiden will, führt dies nicht weiter. Bei einem gemeinsamen Betrieb entsteht gerade kein neuer Rechtsträger, der als Unternehmer den Betrieb leitet. Auch für Joost stellt sich damit die Frage wann von einer einheitlichen Betriebsarbeitgeberstellung auszugehen ist. Im Ergebnis geht es daher wieder um die Frage des einheitlichen betrieblichen Leitungsapparats. 167 Kraft/Franzen in GK-BetrVG, § 1 Rn 43; Breitfeld in Praxishandbuch BetrV, Kap. 1, Rn 14; Schaub in Schaub, AR-HB, § 18 Rn 3; dies stellt bereits Jacobi in FS Ehrenberg, S. 1, 10 fest; vgl. auch Flatow/Kahn-Freund, § 9 Anm. 4a) (S. 79).

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nung.169 Dies ist auch folgerichtig: wenn eine Vereinbarung der Gründung der Organisationseinheit zugrunde liegt, muss diese auch bis zur Änderung oder Aufhebung der Organisationseinheit fortbestehen. Allein die Kündigung der Führungsvereinbarung ohne Änderung der Umstände vermag den gemeinsamen Betrieb nicht zu beseitigen. Denn wenn die Unternehmen die tatsächlichen Umstände unverändert lassen, hat sich der Wille, eine einheitliche Organisation zu bilden und aufrechtzuerhalten, in Wirklichkeit nicht geändert. Dabei ist es in der Tat ein wenig gekünstelt, von einer protestatio facto contraria auszugehen.170 Bleibt auch nach der Kündigung der Führungsvereinbarung eine gemeinsame Betriebsleitung bestehen, so beabsichtigt das kündigende Unternehmen nur den äußeren Schein einer Willenserklärung, will aber die damit verbundenen Rechtswirkungen, also die Auflösung des gemeinsamen Betriebes, nicht eintreten lassen. Sofern dies im zumindest faktischen Einverständnis mit dem Erklärungsempfänger geschieht, liegt ein Scheingeschäft i. S. d. § 117 Abs. 1 BGB vor.171 Empfänger der Kündigungserklärung sind im Fall der Kündigung der Führungsvereinbarung alle am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen. Demzufolge müsste zwischen sämtlichen am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen Einverständnis darüber herrschen, dass die Kündigung keine Rechtswirkungen entfaltet.172 Da eine fortgesetzte gemeinsame Ausübung der betrieblichen Leitungsmacht nach den oben erläuterten Voraussetzungen des gemeinsamen Betriebes nur auf der Grundlage eines gemeinsamen Willens aller beteiligten Unternehmen möglich ist, müssen auch alle am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen der Kündigung keine Bedeutung zumessen wollen. Dies bedeutet, dass die bloße Kenntnis von der fehlenden Rechtswirkung nicht genügt. Die Unternehmen müssen vielmehr willentlich auch nach der Kündigung die bisherige Organisation fortsetzen. Aufgrund dieses faktischen Einverständnisses aller Erklärungsempfänger ist eine bloße Kündigung ohne beabsichtige Änderung als Scheinerklärung nach § 117 Abs. 1 BGB nichtig.

168 Jacobi in FS Ehrenberg, S. 1, 10; dies zeigt sich schon daran, dass eine Änderung dieser Umstände nach den §§ 111 ff. BetrVG mitbestimmungspflichtig ist. Eine weitere Verfestigung ergibt sich aus §§ 21a, 21b BetrVG. 169 Vgl. Windbichler, Konzern, S. 289 in Fußnote 114; Löwisch RdA 1976, 35, 38; Reuter Anm. zu BAG AP Nr. 9 zu § 1 BetrVG 1972, Bl. 710. 170 So jedoch Reuter Anm. zu BAG AP Nr. 9 zu § 1 BetrVG, Bl. 710. 171 Vgl. BGH NJW 1999, 351; NJW 1999, 2882; Jauernig in Jauernig, BGB, § 117 Rn 2; Hefermehl in Soergel, BGB, § 117 Rn 3. 172 Vgl. RGZ 134, 33, 37; Jauernig in Jauernig, BGB, § 117 Rn 2; Hefermehl in Soergel, BGB, § 117 Rn 3; enger Kramer in MünchKomm BGB, § 117 Rn 7, der eine Einigung verlangt.

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Kap. 2: Betriebsbegriff und Voraussetzungen des Gemeinschaftsbetriebes

Wenn jedoch auch beim Betrieb eines Unternehmens der Wille des Unternehmens für die Gründung und den Zuschnitt des Betriebes maßgeblich ist, muss dies auch für den gemeinsamen Betrieb gelten. Der gemeinsame Betrieb setzt damit den übereinstimmenden Willen der beteiligten Unternehmen zur Gründung und Aufrechterhaltung einer entsprechenden Betriebsorganisation voraus. Dies wird von beiden Ansichten anerkannt. Umstritten ist insoweit nur, ob dieser Wille einer rechtlichen Absicherung bedarf. II. Möglichkeiten der Einflussnahme auf das Verhalten eines anderen Rechtssubjekts im Zivilrecht Der Kritik am Erfordernis einer Führungsvereinbarung ist dabei zuzugeben, dass eine Zusammenarbeit von Privatrechtssubjekten nicht stets der rechtlichen Grundlage bedarf. Insbesondere im Bereich der sog. „Gefälligkeiten“ ist dies offenkundig. Jedoch ist ebenso offenkundig, dass eine solche außerrechtliche Zusammenarbeit keinen durchsetzbaren Anspruch begründet.173 Dies zeigt sich bereits an § 241 Abs. 1 BGB, nach dessen Maßgabe der Gläubiger nur Kraft des Schuldverhältnisses befugt sein soll, die Leistung zu fordern. Nach der Privatrechtsordnung kann ein Rechtssubjekt also nur dann in durchsetzbarer Weise Einfluss auf das Verhalten eines anderen Rechtssubjektes nehmen, wenn es dazu berechtigt ist. Dies setzt die Verwirklichung eines Tatbestandes, an den die Rechtsordnung als Rechtsfolge die Entstehung eines solchen subjektiven Rechts knüpft, voraus.174 Das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu fordern, wird gem. § 194 BGB als Anspruch bezeichnet.175 Ansprüche entstehen aus Schuldverhältnissen und absoluten, insbesondere dinglichen Rechten.176 Auch bei einem Handeln aus Gefälligkeit entstehen Ansprüche nur, wenn und soweit ein Rechtsbindungswille der Parteien gegeben ist.177 Da der unternehmerischen Zusammenarbeit in einem gemeinsamen Betrieb der Entschluss der beteiligten Unternehmen zur Zusammenarbeit zugrunde liegt, kommt als Grundlage für einen Anspruch vor allem ein Schuldverhältnis in Betracht. Ein solches Schuldverhältnis ist in der Führungsvereinbarung zu sehen. Die Vereinbarung, einen gemeinsamen Zweck zu fördern, entspricht zumindest auf den ersten Blick einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts gem. § 705 BGB.178 Kraft dieser Vereinbarung wären die beteiligten Unternehmen zu einem einheitlichen Handeln auf betrieblicher Ebene verpflichtet. Eine rechtliche 173 174 175 176 177 178

Vgl. Bork, BGB AT, Rn 675; Medicus AT, Rn 185. Vgl. Bork, BGB AT, Rn 300; vgl. v. Tuhr, BGB-AT, Bd. I, § 15 S. 54 f. Medicus AT, Rn 74; v. Tuhr, BGB-AT, Bd. I, § 15 S. 240 f. Medicus AT, Rn 75; v. Tuhr, BGB-AT, Bd. I, § 15 S. 242. Bork, BGB AT, Rn 676; Medicus AT, Rn 191 ff. Zur dogmatischen Einordnung der Führungsvereinbarung sogleich unten § 9.

§ 6 Kritik am Erfordernis der Führungsvereinbarung

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Absicherung allein könnte daher nach der Privatrechtsordnung einen Zwang zur Einigung begründen. III. Herleitung des Zwanges aus der Betriebsverfassung selbst Die Gegner der Führungsvereinbarung gehen ebenfalls von einer gemeinschaftlichen Schuld der beteiligten Unternehmen aus, die jedoch nicht vertraglich, sondern aus der Betriebsverfassung selbst begründet wird.179 Für eine solche Abweichung von den allgemeinen Regelungen des Zivilrechts besteht jedoch weder ein Bedarf, noch ist eine solche Abweichung aus dem Betriebsverfassungsgesetz abzuleiten. Die Betriebsverfassung greift gerade nicht in die interne Willensbildung auf Unternehmensseite ein.180 Vielmehr will die Betriebsverfassung lediglich einen Ausgleich zwischen den autonom gefassten Entschlüssen des Arbeitgebers und den Interessen der Arbeitnehmer schaffen. Die Betriebsverfassung verpflichtet den Arbeitgeber dabei also keineswegs zu einer bestimmten Organisation seines Unternehmens.181 Eine Verpflichtung zur Einigung allein aus der Betriebsverfassung herzuleiten gleicht einer petitio principi. Die Unternehmen sollen zur Einigung verpflichtet sein, weil sie eine gemeinsame Organisationseinheit geschaffen haben.182 Der Willensentschluss, auf dem diese Gründung beruht, soll dabei jedoch unbeachtlich sein. An diesem Widerspruch allein schon zeigt sich, dass auch die Kritiker der Führungsvereinbarung nicht umhin kommen, den in der Einrichtung des gemeinsamen Betriebes zum Ausdruck gekommenen Organisationswillen der Unternehmen zu akzeptieren. Wenn dieser Wille einen Zwang zur gemeinsamen Leitung begründen soll, muss er eine mit Rechtsbindungswillen getroffene Vereinbarung zur Folge haben. Demgegenüber eine ad hoc Regelung der beteiligten Unternehmen für ausreichend zu halten,183 würde den Unternehmen eine noch größere Dispositionsbefugnis über den Betriebsbegriff einräumen, als sie im Rahmen einer dauerhaften Führungsvereinbarung bestünde. Eine solche Schuld bedarf jedoch stets eines schuldbegründenden Tatbestandes. Verpflichtungen entstehen jedoch, wie gezeigt, nur auf der Grundlage von Verträgen oder in den vom Gesetz bestimmten Fällen.

179

Konzen, Unternehmensaufspaltung, S. 115. Fitting, BetrVG, BetrVG, § 47 Rn 9 f.; Richardi in Richardi, BetrVG, § 1 Rn 8, 11; Windbichler, Konzern, S. 285 f.; Löwisch RdA 1976, 35, 37. 181 Löwisch RdA 1976, 33, 37. 182 So Konzen, Unternehmensaufspaltung, S. 115; Däubler Anm. zu BAG AP Nr. 8 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, Bl. 741 Rs. 183 So Joost, Betrieb und Unternehmen, S. 262; Konzen, Unternehmensaufspaltung, S. 115; Zöllner in FS Semler, S. 995, 1011. 180

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IV. Zur Gefahr des Missbrauchs der Führungsvereinbarung Vor diesem Hintergrund erweisen sich die Befürchtungen bzgl. eines Missbrauchs der Führungsvereinbarung als unbegründet.184 Zum einen sind die Arbeitnehmer über die Vermutung des § 1 Abs. 2 BetrVG sowie das Übergangsund Restmandat der §§ 21a, 21b BetrVG geschützt, zum anderen soll die Betriebsverfassung keinesfalls eine bestimmte Betriebsgröße für die Zukunft garantieren. Der Betriebsinhaber hat vielmehr immer das Recht, den Betrieb umzuorganisieren. Dies zeigt sich allein an den Beteiligungsrechten der §§ 111 ff. BetrVG. Die Führungsvereinbarung selbst gibt den am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen also keine weitergehenden Rechte, als sie im Betrieb eines Unternehmens bestehen. Eine besondere Missbrauchsgefahr wird auch vom Gesetzgeber nicht gesehen. Der Entwurf des DGB zur Reform des BetrVG sah vor, den Betriebsbegriff von der Organisationsform abzukoppeln, um so den Gestaltungsspielraum der Unternehmen bei der Bildung von Betriebseinheiten zu begrenzen.185 Dieser Forderung nach einer Definition des Betriebsbegriffes ist der Gesetzgeber jedoch bei der BetrVG-Reform nicht gefolgt. Er hielt vielmehr bei der Regelung des gemeinsamen Betriebes an dem durch Rechtsprechung und Literatur entwickelten Betriebsbegriff fest. V. Notwendigkeit eines Zwanges zur Einigung aufgrund der verschiedenen Interessen der beteiligten Unternehmen An einem gemeinsamen Betrieb sind mehrere Unternehmen und damit auch mehrere Rechtssubjekte186 beteiligt. Während innerhalb eines Rechtssubjektes187 durch den Gesellschaftsvertrag und das Gesellschaftsrecht die notwendigen Voraussetzungen zur Erreichung und Durchsetzung eines einheitlichen Handelns der Beteiligten gegeben sind, fehlen solche Vorkehrungen zwischen zwei Rechtssubjekten. Da es aber zwischen den beteiligten Rechtssubjekten zu Interessengegensätzen und -konflikten kommen kann, muss ein wirksamer Konfliktregelungsmechanismus vorhanden sein, der dafür Sorge trägt, dass dem Betriebsrat der einheitliche Ansprechpartner gegenüber steht. Dieses Erfordernis 184 So auch Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 77; Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 59 f. 185 Vgl. Breitfeld in Praxishandbuch BetrV, Kapitel 1 Rn 15. 186 Sofern Personengesellschaften beteiligt sein sollten, handelt es sich um verschiedene teilrechtsfähige Gesamthandsgemeinschaften. Dies ist vorliegend jedoch unerheblich. Gesellschaftsrechtliche Konfliktregelungs- und Entscheidungsmechanismen wirken stets nur innerhalb einer juristischen Person oder einer Personengesellschaft. Insoweit sind mehrere Personengesellschaften nicht anders zu behandeln als mehrere juristische Personen. 187 Bei natürlichen Personen sind solche Interessenkonflikte natürlich ausgeschlossen, da nur ein Willen vorhanden ist.

§ 6 Kritik am Erfordernis der Führungsvereinbarung

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ergibt sich schon daraus, dass der gemeinsame Betrieb einem Betrieb eines Unternehmens im Rahmen der Betriebsverfassung gleichgestellt ist. Den Betriebsrat dabei allein auf die Möglichkeiten zu verweisen, welche ihm die Betriebsverfassung zur Durchsetzung gegenüber einem zur Willensbildung unfähigen Arbeitgeber zustehen, geht an den Bedürfnissen der Praxis vorbei. Auch die von Kothe gezogene Parallele zum Gemeinschaftsunternehmen kann in diesem Zusammenhang nicht überzeugen. Mit dem Gemeinschaftsunternehmen entsteht ein neuer Rechtsträger. Wie die Willensbildung innerhalb dieses Rechtsträgers zu erfolgen hat, richtet sich nach dem Gesellschaftsrecht. Die Situation der Zusammenarbeit getrennter Rechtssubjekte, welche für den gemeinsamen Betrieb prägend ist, stellt sich im Gemeinschaftsunternehmen gerade nicht. Die beteiligten Unternehmen sind hier auch ohne Führungsvereinbarung als Gesellschafter des Gemeinschaftsunternehmens zu einer Einigung verpflichtet. Die Führungsvereinbarung stellt sich somit nicht als fehlerhafte Übernahme gesellschaftsrechtlich nicht zutreffender Vorgaben dar, sondern als Betonung der arbeitsrechtlichen Unterscheidung zwischen Betrieb und Unternehmen. Im Betrieb eines Unternehmens besteht nur eine Unternehmensleitung, welche der Betriebsleitung grundsätzliche Weisungen und insbesondere den wirtschaftlichen Rahmen vorgeben kann. Im gemeinsamen Betrieb ist die Situation aufgrund der Beteiligung vieler Unternehmen eine völlig andere. Hier treffen die personellen und sozialen Grundsätze, sowie die wirtschaftlichen Verhältnisse der beteiligten Unternehmen aufeinander und müssen in Einklang gebracht werden. Die daraus entstehenden Konflikte dürfen jedoch nicht zu einer Beeinträchtigung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates führen. Es muss also eine Verpflichtung für die beteiligten Unternehmen bestehen, für einen einheitlichen Ansprechpartner des Betriebsrates zu sorgen. Insoweit wird durch die Führungsvereinbarung Klarheit geschaffen, wer der Ansprechpartner des Betriebsrates ist.188 VI. Prozessuale Gesichtspunkte Aus prozessualer Sicht ist hervorzuheben, dass die Beweislast für das Vorliegen eines gemeinsamen Betriebes den Wahlvorstand, Betriebsrat oder Arbeitnehmer trifft, der sich auf einen gemeinsamen Betrieb berufen will.189 In der Praxis ist es jedoch äußerst schwierig, formlose Absprachen zwischen Dritten zu beweisen. Die Herleitung der Führungsvereinbarung aus den tatsächlichen Umständen bedeutet daher keinen Verzicht auf das Erfordernis einer Vereinbarung, sondern soll zu einer Darlegungs- und Beweiserleichterung für Arbeitneh188

Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 76. BAG AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969, Bl. 1484 Rs.; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 81. 189

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mer und ihre Vertreter führen.190 Für den Nachweis einer Führungsvereinbarung lässt es das BAG genügen, dass der Arbeitnehmer Umstände vorträgt und beweist, welche eine einheitliche Leitung belegen.191 Diese Darlegungs- und Beweisschwierigkeiten haben den Gesetzgeber dazu veranlasst, den Vermutungstatbestand des § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG zu schaffen.192 VII. Keine Entbehrlichkeit der Führungsvereinbarung im Konzern Das Erfordernis einer vertraglichen Einigung besteht auch bei Konzernunternehmen. Zwar ist richtig, dass konzerninterne Weisungen in aller Regel keiner vertraglichen Grundlage bedürfen. Es muss jedoch beachtet werden, dass diese Weisungen zumindest durch das Gesellschaftsrecht legitimiert sind. Unabhängig von der Grundlage des Konzerns ist dabei festzuhalten, dass das beherrschende Unternehmen lediglich auf die interne Willensbildung der beherrschten Gesellschaft Einfluss nehmen kann. Auch das beherrschte Unternehmen wird nach außen allein durch seine Organe und nicht durch die der Konzernmutter vertreten. Die Konzernmutter kann damit in der Weise Einfluss auf beherrschte Unternehmen ausüben, dass diese untereinander oder mit der Konzermutter einen gemeinsamen Betrieb bilden. Bei einem Vollzug dieser Weisung ist dann aber dennoch Raum für vertragliche Absprachen zwischen den Konzernunternehmen.193 Die Weisung allein ersetzt noch nicht das Handeln der einzelnen Gesellschaften.194 Dies zeigt sich schon allein daran, dass auch die Übertragung von Vermögenswerten im Konzern nie ohne vertragliche Grundlage möglich ist.195 Bildlich gesprochen kann die Konzernmutter die Tochtergesellschaft zwar zum Verkauf ihrer Immobilien zwingen, ein Kaufvertrag und die Übereignung müssen aber dennoch erfolgen. Auch besteht für die Konzernmutter keine Pflicht, ihre Leitungsmacht auszuüben.196 Selbst wenn die Gründung des gemeinsamen Betriebes auf einer Weisung der Konzernmutter beruht, ist daher nicht in allen Fällen gewährleistet, dass ein Zwang zur Einigung bei betrieb190 BAG AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969, Bl. 1484 Rs.; BAG AP Nr. 4 zu § 23 KSchG 1969, 925 Rs.; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 77. 191 BAG AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969, Bl. 1484 Rs.; BAG AP Nr. 4 zu § 23 KSchG 1969, Bl. 925; Bork BB 1989, 2181, 2184. 192 Vgl. BT-Drucks. 14/5741, S. 33. 193 So auch Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 63; Windbichler, Konzern, S. 291. 194 Windbichler, Konzern, S. 291; vgl. Hüffer, § 308 Rn 10; Emmerich in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 308 Rn 67; Altmeppen in MünchKomm AktG, § 308 Rn 64. 195 Vgl. § 308 Abs. 3 S. 1 AktG, der keinen Anwendungsbereich hätte, wenn keine Umsetzung der Weisungen notwendig wäre. 196 Emmerich in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 308 Rn 34; Altmeppen in MünchKomm AktG, § 309 Rn 52; Windbichler, Konzern, S. 291.

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lichen Streitfragen besteht. Aus diesem Grund trägt auch der Verweis auf § 36 Abs. 2 S. 2 GWB nicht. Da die Unternehmen entweder durch einen Beherrschungsvertrag oder aufgrund einer Beteiligung Einfluss auf das abhängige Unternehmen nehmen können, hält das Gesellschaftsrecht eigene Regelungen für die Willensbildung bereit. Eine weitere Vereinbarung ist daher nicht nötig. Im Übrigen ist ein Zwang zur Einigung, wie er gerade im Interesse der Arbeitnehmer erforderlich ist, gerade nicht nötig, da die Unternehmen selbst ein Interesse an der wirtschaftlichen Koordination haben. Aus dem Blickwinkel der vorliegenden Untersuchung ist zu ergänzen, dass nach bisher überwiegender Ansicht das Konzernverhältnis im Vertragskonzern mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer konzernangehörigen Gesellschaft enden soll.197 Das Konzernverhältnis beruhe darauf, dass das herrschende Unternehmen eine das Konzernganze umfassende unternehmerische Zielkonzeption entwickle und verfolge, welche es auch in den beherrschten Gesellschaften durchsetze.198 Dazu sei infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens weder das Unternehmen, noch der Insolvenzverwalter in der Lage. Diese Ausübung der Leitungsmacht gehe über die Kompetenz des Verwalters hinaus, während das Unternehmen keine Konzernpolitik mehr betreiben könne.199 Dieser Ansicht ist zu folgen. Für die Beendigung des Konzernverhältnisses im faktischen Konzern durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer konzernangehörigen Gesellschaft kann nichts anderes gelten.200 Die von den Kritikern der Führungsvereinbarung als ausreichend angesehene Klammer des Konzernverhältnisses entfällt damit in der Insolvenz. Des Weiteren ist die Begründung und die Beendigung eines Konzernverhältnisses als rein gesellschaftsrechtlicher Vorgang der Mitbestimmung des Betriebsrates entzogen.201 Die Möglichkeit eines Missbrauches ist hier also eher größer, als dies für die Führungsvereinbarung befürchtet wird. 197 BGHZ 103, 1, 6 f.; BAG BB 1994, 2350, 2352; LAG Frankfurt BB 2002, 1421, 1423; Emmerich in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 297 Rn 52c; vgl. Depré/ Büteröwe in Beck/Depré, Insolvenzpraxis, § 25 Rn 114; a. A. Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn 32.09; K. Schmidt, GesR, § 31 III 5, S. 957; Zeidler NZG 1999, 692, 697, die davon ausgehen, dass die Beschränkung der Leitungsmacht durch die Kompetenzzuweisung an die jeweiligen Insolvenzverwalter nicht zu einer Auflösung des Unternehmensverbandes führt. Dem Insolvenzverwalter soll dann das Wahlrecht nach § 103 InsO zustehen, vgl. Marotzke in HK-InsO, § 115 Rn 9. 198 BGHZ 103, 1, 6 f.; LAG Frankfurt BB 2002, 1421, 1423; vgl. BAG BB 1994, 2350, 2352. 199 Vgl. BGHZ 103, 1, 6 f.; LAG Frankfurt BB 2002, 1421, 1423; vgl. BAG BB 1994, 2350, 2352. 200 Depré/Büteröwe in Beck/Depré, Insolvenzpraxis, § 25 Rn 116; vgl. Haas in Gottwald, Insolvenzhandbuch, § 95 Rn 18 ff., der allerdings die Gegenauffassung vertritt. 201 Willemsen in W/H/S/S, Umstrukturierung, B Rn 31 ff.

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Kap. 2: Betriebsbegriff und Voraussetzungen des Gemeinschaftsbetriebes

VIII. Keine Entbehrlichkeit der Führungsvereinbarung bei Personenidentität Die Identität verschiedener oder aller Personen der Geschäftsführung kann für sich genommen die Schaffung einheitlicher Leitungsstrukturen nicht begründen. Installieren verschiedene Unternehmen einen einheitlichen Leitungsapparat oder halten sie einen solchen nach einer Unternehmensspaltung aufrecht, so beruht dies auf einem übereinstimmenden Willen der Unternehmen.202 Die Kritik an der Führungsvereinbarung übersieht auch, dass in Bezug auf die Beteiligung am gemeinsamen Betrieb keine Personenidentität gegeben ist. Beteiligt am gemeinsamen Betrieb sind die Unternehmen, also die unternehmenstragenden Gesellschaften selbst, welche auch die Arbeitgeberstellung innehaben.203 Insoweit besteht gar keine Personenidentität im Hinblick auf die beteiligten Arbeitgeber. Die beteiligten Unternehmen bedienen sich nur einer identischen Person zur Ausübung von Organbefugnissen. Diese Unterscheidung mag auf den ersten Blick formalistisch erscheinen, jedoch hat eine eventuelle Unternehmensspaltung oder Konzernstruktur in der Regel auch formale, oftmals steuer- oder haftungsrechtliche Gründe. Wenn aber die Rechtsordnung die Existenz zweier unterschiedlicher Rechtssubjekte anerkennt, dann muss diese, wenn auch formale Trennung, auch im Arbeitsrecht Berücksichtigung finden. Es kann dann nicht allein darauf abgestellt werden, dass auf beiden Seiten die gleiche Person handelt. Diese Person wird nur in ihrer jeweiligen Organstellung für die vertretenen Unternehmen tätig. Es lässt sich sogar argumentieren, dass der Geschäftsführer aufgrund seiner Treuepflicht rechtlich verpflichtet ist, nur die Interessen des jeweiligen vertretenen Unternehmens wahrzunehmen.204 Ohne deren Willen ist er daher zu einem abgestimmten Verhalten nicht befugt. Eine solche Konstellation ist keine arbeitsrechtliche Besonderheit, sondern als Insichgeschäft allgemein bekannt. Ein solches Insichgeschäft liegt vor, wenn sich der Tatbestand eines Rechtsgeschäftes allein in einer Person verwirklicht, die Rechtsfolgen jedoch verschiedene Rechtssubjekte treffen.205 Wenn der Geschäftsführer in diesem Fall allein aufgrund seiner Organstellung für beide Gesellschaften deren Verhalten abstimmt, so ist er gleichzeitig Erklärender und Erklärungsempfänger. Der Tatbestand des Rechtsgeschäftes verwirklicht sich also allein in seiner Per202 BAG AP Nr. 5 zu § 1 BetrVG 1972, Bl. 739; Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 58; Kamphausen, NZA Beil. 4/1988, 10, 12. 203 Dies ist für juristische Personen offensichtlich. Für die OHG und die KG gilt aufgrund der gesetzlichen Gleichstellung in §§ 124 Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB. Da die Rechtsfähigkeit der Außen-GbR nunmehr anerkannt ist, vgl. BGHZ 146, 341 ff., ist auch diese selbst als Arbeitgeber und Unternehmen anzusehen. 204 Rieble in FS Wiese, S. 453, 460; zur Interessenkollision vgl. RGZ 103, 417, 418; Schramm in MünchKomm BGB, § 181 Rn 1; Koppensteiner in Rowedder/ Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 35 Rn 34; Medicus AT, Rn 955 f. 205 Medicus, AT, Rn 954; Wittinghofer, Insolvenzverwaltungsvertrag, S. 387 in Fn 1196.

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son, wenn auch ohne ausdrückliche Erklärung. Da die Rechtsfolgen die jeweilige Gesellschaft und damit verschiedene Rechtssubjekte treffen, liegt ein Insichgeschäft vor. Dass in solchen Fällen Vereinbarungen geschlossen werden können und auch tatsächlich geschlossen werden, zeigt bereits die Regelung des § 181 BGB, der genau solche Fälle im Blick hat. Auch die Führungsvereinbarung stellt eine solches Insichgeschäft dar, sofern dieselbe Person für beide Unternehmen handelt.206 Das Organ muss daher entweder vom Verbot der Mehrfachvertretung befreit207 oder das Insichgeschäft von den Gesellschaftern genehmigt worden sein, wobei eine solche Genehmigung auch konkludent erfolgen kann.208 Allein diese allgemeine Problematik zeigt, dass es sich beim Erfordernis einer Führungsvereinbarung auch bei Personenidentität nicht um einen bloßen Formalismus handelt. Ein solcher wäre nur gegeben, wenn stets ausdrückliche Vereinbarungen verlangt würden.209 Ebenfalls zeigt sich, dass vertragliche Absprachen auch bei Personenidentität möglich und auch nötig sind. Des Weiteren ist es keinesfalls ungewöhnlich, wenn die Rechtsanwendung an das faktische Verhalten von Personen Rechtsfolgen knüpft, die diesen als Laien oftmals nicht bewusst waren.210 Entscheidend ist, dass ein bestimmter von den Beteiligten gewünschter wirtschaftlicher Erfolg in entsprechende rechtliche Bahnen gelenkt wird. Nichts anderes will die Rechtsprechung mit der Führungsvereinbarung erreichen. Auch bei der Personenidentität ist im Übrigen weder eine gewisse Kontinuität gewährleistet noch ein Missbrauch ausgeschlossen. Nimmt man die Kritiker der Führungsvereinbarung beim Wort, so müsste jede personelle Veränderung der Geschäftsführung in einem Unternehmen die einheitliche Leitung beseitigen. Überspitzt stellt sich dann die Frage, ob der Wechsel des Geschäftsführers als Spaltung des gemeinsamen Betriebes nach § 111 BetrVG mitbestimmungspflichtig sein soll. IX. Zusammenfassung Wenn man die Trennung der verschiedenen Rechtssubjekte auch bei Konzernunternehmen und Personenidentität als Fakt akzeptiert, ist zwischen diesen 206

Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 58; Windbichler, Konzern, S. 291. Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 58; Windbichler, Konzern, S. 291; Rieble in FS Wiese, S. 453, 460. 208 Schramm in MünchKomm BGB, § 181 Rn 41, § 177 Rn 26; Koppensteiner in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 35 Rn 35; vgl. Medicus AT, Rn 977. 209 So auch Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 58. 210 Vgl. die Beispiele bei Ulmer in MünchKomm BGB, § 705 Rn 17; Habermeier in Staudinger, BGB, § 705 Rn 3; Herrmann S. 59 m.w. N. Als weitere Beispiele seien der konkludente Haftungsausschluss im Rahmen von Gefälligkeitsverhältnissen, vgl. dazu BGH NJW 1993, 3067, 3068; Wagner in MünchKomm BGB, Vor § 823 Rn 68, sowie der stillschweigende Auskunftsvertrag bei Bankauskünften, BGH WM 1998, 1771 f.; Wagner in MünchKomm BGB, § 823 Rn 218, genannt. 207

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Kap. 2: Betriebsbegriff und Voraussetzungen des Gemeinschaftsbetriebes

verschiedenen Rechtssubjekten auch Raum für eine Führungsvereinbarung. Geht man von verschiedenen Rechtssubjekten aus, muss eine Vereinbarung zwischen diesen bestehen, die sie zu einem einheitlichen Handeln in personellen und sozialen Angelegenheiten veranlasst und in Konfliktfällen auch zwingt. Anderenfalls würde in solchen Konfliktfällen die rechtliche Trennung der Unternehmen auf der Betriebsebene doch wieder durchschlagen. Damit wäre dann aber die gemeinsame Betriebsleitung hinfällig und die Vertretung aller Betriebsangehörigen durch den Betriebsrat unmöglich. Auf anderem Wege lässt sich eine fortgesetzte Verpflichtung der Unternehmen zu einem abgestimmten Verhalten zumindest nur schwer begründen.

D. Ergebnis Insgesamt zeigt sich daher, dass eine Führungsvereinbarung auch in den von der ablehnenden Literatur diskutierten Fällen denkbar ist. Zwar ist der Kritik zuzugeben, dass es für die Praxis keinen großen Unterschied macht, ob die Indizien auf einen gemeinsamen Betrieb oder auf eine Führungsvereinbarung hindeuten. Es ist jedoch überzeugender, die Rechtsfolgen, welche an den gemeinsamen Betrieb geknüpft werden, auf ein rechtserhebliches Verhalten der Parteien und nicht allein auf die tatsächlichen Umstände zu stützen.211 Die Parallele zum Rechtsbindungswillen im Rahmen von sogenannten Gefälligkeitsverhältnissen ist augenscheinlich.212 Soweit hier vorgebracht wird, die Suche nach einem solchen Willen der Parteien müsse in Fiktionen enden, da es letztlich allein um das Problem der Haftung gehe, entspricht diese Kritik derjenigen an der Führungsvereinbarung. Jedoch entbindet auch in diesem Zusammenhang das richtige Ergebnis nicht von einer zutreffenden Begründung. Die Ermittlung des Parteiwillens mag im Einzelfall schwierig sein, ist jedoch im Interesse der Beteiligten unabdingbar.213 Allein durch die Ermittlung des Parteiwillens ist dem in jeder Organisation zum Ausdruck kommenden Entschluss der beteiligten Unternehmen Rechnung zu tragen. Eine konsequente Gegenposition ließe sich nur dadurch erreichen, dass man diesen Willen nicht mehr berücksichtigt, sondern allein auf die äußeren Umstände abstellt. In diese Richtung lassen sich der Vorschlag von Joost214 und die Definition im Entwurf des DGB215 verstehen, die allein die räumliche Verbindung für maßgeblich halten. Auf der Grund211 Insoweit ist Breitfeld in Praxishandbuch BetrV, Kap. 1 Rn 22; Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 66 zuzustimmen. 212 Vgl. hierzu Bork, BGB AT, Rn 675 f. 213 So auch Bork, BGB AT, Rn 677. 214 Der allein auf die räumliche Gemeinsamkeit abstellt Joost, Betrieb und Unternehmen, S. 241 ff. 215 Vgl. Breitfeld in Praxishandbuch BetrV, Kapitel 1 Rn 15; Fischer NZA 2000, 167 ff.

§ 7 Änderung der Voraussetzungen durch die Betriebsverfassungsreform

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lage des herrschenden Betriebsverständnisses sprechen die besseren Argumente jedoch für eine Führungsvereinbarung. Für die Praxis ist zu erwarten, dass aufgrund der neu geschaffenen Vermutungstatbestände in § 1 Abs. 2 BetrVG die Diskussion verlagert wird. In anhängigen Gerichtsverfahren wird es darum gehen, die Voraussetzungen der Vermutung zu beweisen oder diese zu widerlegen. Nach dem jeweiligen Vorverständnis erstreckt sich die Vermutungswirkung dabei auf die einheitliche Leitung und die Führungsvereinbarung oder nur auf erstere. Dennoch sind die dargestellten unterschiedlichen Ansätze auch weiter von Bedeutung. Sie spiegeln sich nämlich in der Frage wider, ob der gemeinsame Betrieb ein rein tatsächliches oder auch rechtliches Gebilde ist. Diese Frage nach der dogmatischen Bedeutung der Führungsvereinbarung soll im Dritten Kapitel vertieft werden. Dabei wird auf die Kritik an der Führungsvereinbarung zurückzukommen sein.

§ 7 Mögliche Änderung der Voraussetzungen des gemeinsamen Betriebes durch die Betriebsverfassungsreform Die eben erläuterten Voraussetzungen stellen das Ergebnis einer längeren Diskussion in Rechtsprechung und Literatur dar. An diese Rechtsprechung wollte der Gesetzgeber bei der Einführung der Vermutungstatbestände anknüpfen.216 Dennoch wird vielfach eine Änderung der Voraussetzungen des gemeinsamen Betriebs durch die Neuregelungen diskutiert.

A. Der Inhalt der Vermutungstatbestände des § 1 Abs. 2 BetrVG Zunächst ist auf den Inhalt der widerlegbaren217 Vermutungstatbestände einzugehen. I. Vermutung des gemeinsamen Betriebes bei Unternehmensspaltungen Nach § 1 Abs. 2 BetrVG wird ein gemeinsamer Betrieb vermutet, wenn nach einer Unternehmensspaltung sich zwar die Zuordnung von Betriebsteilen zu den Unternehmen ändert, die betriebliche Organisation jedoch im Wesentlichen unverändert bleibt.218 Die Regelung übernimmt den durch die BetrVG-Reform 216

BT-Drucks. 14/5741, S. 33. Kraft/Franzen in GK-BetrVG, § 1 Rn 51; BT-Drucks. 14/5741 S. 33. 218 Vgl. Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 1 Rn 29; Breitfeld in Praxishandbuch BetrV, Kap. 1, Rn 34. 217

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Kap. 2: Betriebsbegriff und Voraussetzungen des Gemeinschaftsbetriebes

aufgehobenen § 322 UmwG mit der Einschränkung, dass dieser seinem Wortlaut nach auch nicht wesentliche Änderungen genügen ließ.219 Aus der Einfügung in das BetrVG ergeben sich jedoch zwei weitere Änderungen. Zum einen erfasst § 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG auch Spaltungen außerhalb des UmwG,220 zum anderen gilt die Vermutung in § 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG nicht für das Kündigungsschutzgesetz, da § 322 Abs. 2 UmwG a. F. insoweit unverändert blieb.221 Eine gewisse Indizwirkung kommt zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber nur in Betracht, wenn ein Beschlussverfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG durchgeführt wurde und sich die tatsächlichen Verhältnisse seit dem Beschluss nicht geändert haben.222 In dem Beschlussverfahren greift die Vermutungsregelung selbstverständlich. Widerlegt ist die Vermutung dann, wenn die Unternehmen nachweisen, dass sie für jeden Betriebsteil eine eigene Leitung installiert haben, also die Voraussetzungen der Vermutung nicht vorliegen.223 Der Abschluss einer negativen Führungsvereinbarung allein reicht dazu nach den oben erläuterten Grundsätzen nicht aus. II. Vermutung bei gemeinsamer Betriebsnutzung Neben der speziell auf Unternehmensspaltungen zugeschnittenen Vermutungsregel enthält § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG eine allgemeine Vermutung für das Vorliegen eines gemeinsamen Betriebes. Danach wird ein gemeinsamer Betrieb vermutet, wenn zur Verfolgung arbeitstechnischer Zwecke die Betriebsmittel sowie die Arbeitnehmer von den Unternehmen gemeinsam eingesetzt werden. Der Inhalt der Vermutung ist aufgrund des unklaren Wortlauts umstritten. Teilweise wird verlangt, dass die Betriebsmittel von mehreren Unternehmen gemeinsam eingesetzt werden.224 Dies setzt jedoch ein gemeinsames Leitungsgremium der Unternehmen voraus, da sonst eine dauerhafte Abstimmung nicht gewährleistet ist.225 Im Ergebnis ist die Vermutung damit nichtssagend, da die 219 Kraft/Franzen in GK-BetrVG, § 1 Rn 55; Hess in H/S/W/G, § 1 Rn 7d; Breitfeld in Praxishandbuch BetrV, Kap. 1, Rn 35. 220 Trümner in D/K/K, § 1 Rn 98; Kraft/Franzen in GK-BetrVG, § 1 Rn 55; Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 1 Rn 29. 221 Trümner in D/K/K, § 1 Rn 123; Kraft/Franzen in GK-BetrVG, § 1 Rn 55. 222 BAG AP Nr. 8 zu § 18 BetrVG 1972, Bl. 1522 Rs.; Trümner in D/K/K, § 1 Rn 124; Kreutz in GK-BetrVG, § 18 Rn 63; Thüsing in Richardi, BetrVG, § 18 Rn 30. 223 Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 1 Rn 29; Breitfeld in Praxishandbuch BetrV, Kap. 1 Rn 38; Hohenstatt in W/H/S/S, Umstrukturierung, D Rn 36; Rieble in FS Wiese, S. 453, 476. 224 Däubler AuR 2001, 1, 2; Richardi NZA 2001, 346, 349. 225 Breitfeld in Praxishandbuch BetrV, Kap. 1 Rn 29; vgl. Richardi in Richardi, BetrVG, § 1 Rn 74.

§ 7 Änderung der Voraussetzungen durch die Betriebsverfassungsreform

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Voraussetzungen der Vermutungswirkung denen der einheitlichen Leitung im gemeinsamen Betrieb entsprechen.226 Richardi schlägt daher vor, dass sich die Vermutung auf das Vorliegen einer Führungsvereinbarung beziehen soll.227 In diesem Fall wäre die Vermutung allerdings nichts anderes als die Definition des gemeinsamen Betriebes im Sinne der Rechtsprechung. Demgegenüber geht die Auffassung, welche sich im Anschluss an Löwisch228 gebildet hat, davon aus, dass eine gemeinsame Nutzung von Betriebsmitteln und Arbeitnehmern nötig ist. Die Vermutung greift also, wenn die Unternehmen zur Verfolgung arbeitstechnischer Zwecke Betriebsmittel und Arbeitnehmer geplant gemeinsam einsetzen.229 Der Nachweis eines einheitlichen Leitungsapparates ist nach diesem Verständnis nicht erforderlich.230 Der Gesetzgeber wollte mit der Einführung der Vermutungstatbestände eine Beweiserleichterung für Betriebsräte und Wahlvorstände erreichen, welche die Voraussetzungen eines gemeinsamen Betriebes darzulegen haben.231 Da beide Auslegungen vom Wortlaut gedeckt sind, muss die Ansicht den Vorrang verdienen, welche dem Normzweck am ehesten gerecht wird.232 Dem Normzweck der Beweiserleichterung wird die wortlautgetreue Auslegung der ersten Ansicht nicht gerecht.233 Der Gesetzgeber wollte gegenüber der von ihm zugrunde gelegten Rechtsprechung Beweiserleichterungen für das Vorliegen eines gemeinsamen Betriebes erreichen. Eine Auslegung, welche als Voraussetzung für die Vermutungsfolge die gleichen Anforderungen stellt, welche auch die Rechtsprechung bisher verlangte, widerspricht eindeutig der Intention des Gesetzgebers. Der auf einer Führungsvereinbarung beruhende einheitliche Leitungsapparat spielt daher erst bei der Widerlegung der Vermutung eine Rolle.234 Die Vermutung ist widerlegt, wenn die Unternehmen nachweisen, dass kein einheitlicher 226

Richardi in Richardi, BetrVG, § 1 Rn 73; ders., Grundriss, § 2 Rn 30. Richardi, Grundriss, § 2 Rn 30; ders. NZA 2001, 346, 349. 228 BB 2001, 1734. Es ist allerdings nicht klar ob Löwisch einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck verlangt. Ein solches Erfordernis stünde im Widerspruch zu den anerkannten Voraussetzungen des gemeinsamen Betriebes und ist daher abzulehnen, so auch Hohenstatt in W/H/S/S, Umstrukturierung, D Rn 25. 229 Trümner in D/K/K, § 1 Rn 85 ff.; Fitting, BetrVG, § 1 Rn 85 f.; Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 1 Rn 27; Hohenstatt in W/H/S/S, Umstrukturierung, D Rn 25; Engels/ Trebinger/Löhr-Steinhaus, DB 2001, 532. 230 Trümner in D/K/K, § 1 Rn 88; Fitting, BetrVG, § 1 Rn 86; Breitfeld in Praxishandbuch BetrV, Kap. 1 Rn 31; Schiefer/Korte NZA 2001, 71, 72. 231 BT-Drucks. 14/5741, S. 33. 232 Dabei kommt dem Willen des Gesetzgebers bei neu erlassenden Gesetzen eine besondere Bedeutung zu, vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 315 ff., 319; Willemsen, Arbeitnehmerschutz, S. 69. 233 So auch Hohenstatt in W/H/S/S, Umstrukturierung, D Rn 24. 234 Breitfeld in Praxishandbuch BetrV, Kap. 1 Rn 31; Engels/Trebinger/Löhr-Steinhaus, DB 2001, 532; Reichold NZA 2001, 857, 858. 227

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Kap. 2: Betriebsbegriff und Voraussetzungen des Gemeinschaftsbetriebes

Leitungsapparat vorhanden ist, sondern jedes Unternehmen seine Arbeitnehmer selbst einsetzt, also lediglich unternehmerische Zusammenarbeit gegeben ist.235

B. Keine geänderten Voraussetzungen für den gemeinsamen Betrieb Fraglich ist somit, ob diesen Änderungen andere Voraussetzungen für den gemeinsamen Betrieb zu entnehmen sind. In die Richtung eines Verzichtes auf die Führungsvereinbarung soll die neue Vermutungsregelung nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG deuten, die offenbar bewusst auf das Kriterium der Führungsvereinbarung verzichtet.236 Dagegen spricht jedoch, dass der Gesetzgeber lediglich eine Beweiserleichterung schaffen wollte, sich im übrigen jedoch auf die ständige Rechtsprechung des BAG bezieht.237 Eine solche Beweiserleichterung setzt zwingend voraus, dass die Vermutungswirkung an geringere Voraussetzungen geknüpft wird als der vollständige Nachweis. Die Vermutung erlässt dem Begünstigten den Nachweis einzelner Tatbestandsmerkmale. Daraus ist jedoch nicht zu schließen, dass diese nicht mehr erforderlich sind. Denn anderenfalls wäre die Beweiserleichterung, welche mit der Vermutung einhergeht, praktisch wertlos, da der erlassene Beweis sich auf überflüssige Tatbestandsmerkmale bezöge. Im Übrigen entspricht es der ständigen Rechtsprechung, dass allein der Nachweis einer fehlenden Führungsvereinbarung dem gemeinsamen Betrieb nicht entgegensteht.238 Allein die eingeführten Vermutungstatbestände führen daher nicht zu geänderten Voraussetzungen für den gemeinsamen Betrieb. Demgegenüber geht Annuß239 davon aus, dass das Erfordernis der Führungsvereinbarung nach der BetrVG-Reform nicht mehr zu begründen sei. Insbesondere aus § 47 Abs. 9 BetrVG, der voraussetze, dass Mitglieder aus dem Betriebsrat des gemeinsamen Betriebes in die Gesamtbetriebsräte aller beteiligten Unternehmen entsendet werden können, leitet er die Aufgabe des Grundsatzes der Betriebsinhaberidentität ab. Allein dieser Grundsatz rechtfertige aber das Erfordernis einer Führungsvereinbarung.240 Dazu ist anzumerken, dass ein solch weitreichender Änderungswille den Gesetzesmaterialien nicht entnommen wer235 Fitting, BetrVG, § 1 Rn 89; Breitfeld in Praxishandbuch BetrV, Kap. 1, Rn 31; Löwisch BB 2001, 1734. 236 So Trümner in D/K/K, § 1 Rn 74b unter Verweis auf Engels/Trebinger/LöhrSteinhaus, DB 2001, 532. 237 BT-Drucks. 14/5741, S. 33. 238 BAG NZA 1990, 977; 1999, 932; 2001, 321; vgl. Breitfeld in Praxishandbuch BetrV, Kapitel 1 Rn 19; Hohenstatt in W/H/S/S, Umstrukturierung, D Rn 21. 239 NZA Sonderheft 2001, 12, 17. 240 Annuß NZA Sonderheft 2001, 12, 15.

§ 8 Unterschiedliche Anforderungen an den gemeinsamen Betrieb

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den kann. Der Gesetzgeber wollte die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates stärken.241 Dies erklärt auch, warum er von einem weitreichenden Entsendungsrecht des Betriebsrates im gemeinsamen Betrieb ausging. Eine Änderung der Voraussetzungen des gemeinsamen Betriebes war dabei nicht beabsichtigt. Aus einer, wie Annuß242 zugibt, unscheinbaren Vorschrift wie § 47 Abs. 9 BetrVG eine so grundsätzliche Änderung ableiten zu wollen, vernachlässigt den gesetzgeberischen Willen. Eine Änderung der Voraussetzungen des gemeinsamen Betriebes hat daher durch das Betriebsverfassungsreformgesetz nicht stattgefunden.243 Dies hat auch das Bundesarbeitsgericht in mehreren Urteilen bestätigt. In seinem Beschluss vom 22.10.2003244 hat das Gericht betont, dass § 1 Abs. 2 BetrVG keine eigenständige Begriffsbestimmung des gemeinsamen Betriebes enthalte, sondern eine widerlegbare Vermutungsregelung auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung bilde. Daneben hat es am 11.02.2004 klargestellt, dass neben den Vermutungstatbeständen auch die allgemeinen Voraussetzungen des gemeinsamen Betriebes weiter anwendbar sind, so dass auch außerhalb des Anwendungsbereiches der Vermutungsregelung weiter gemeinsame Betriebe existieren können.245

§ 8 Unterschiedliche Anforderungen an den gemeinsamen Betrieb im Sinne des BetrVG und des KSchG Teilweise wird vertreten, dass die Voraussetzungen eines gemeinsamen Betriebes im Sinne des BetrVG und des KSchG unterschiedlich seien.246 Auch in der bisherigen Darstellung überwogen bei der Einheitlichkeit des betrieblichen Leitungsapparates betriebsverfassungsrechtliche Argumente. Die Rechtsprechung des BAG stellt die gleichen materiellen Anforderungen an das Vorliegen eines gemeinsamen Betriebes im Sinne des KSchG und des BetrVG.247 Dies lässt sich damit erklären, dass die Rechtsprechung von einem einheitlichen Betriebsbegriff für das gesamte Arbeitsrecht ausgeht. Diese These wird in neuerer Zeit von dem so genannten teleologischen Betriebsbegriff angegriffen.248 Es 241

BT-Drucks. 14/5741, S. 25 f. NZA Sonderheft 2001, 12, 17. 243 Im Ergebnis ebenso Hohenstatt in W/H/S/S, Umstrukturierung, D Rn 36; Richardi, Grundriss, § 2 Rn 29; ders. NZA 2001, 857, 858; Schmädicke/Glaser/Altmüller NZA-RR 2005, 393, 395. 244 AP Nr. 21 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, Bl. 1057. 245 BAG NZA 2004, 618, 619. 246 Zöllner in FS Semler, S. 995, 1008 f.; Rieble in FS Wiese, S. 453, 457. 247 BAG AP Nr. 9 zu § 23 KSchG 1969; AP Nr. 21 zu § 23 KSchG; Willemsen in Kallmeyer, § 322 Rn 24; Hohenstatt in W/H/S/S, Umstrukturierung, D Rn 19. 242

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Kap. 2: Betriebsbegriff und Voraussetzungen des Gemeinschaftsbetriebes

stellt sich daher die Frage, ob eine Übernahme der bisher dargestellten Voraussetzungen auf das KSchG nur auf der Grundlage eines für beide Rechtsgebiete gleichen Betriebsbegriffes möglich ist. In diesem Zusammenhang ist zunächst festzuhalten, dass die Diskussion im Wesentlichen nicht um die Voraussetzungen des gemeinsamen Betriebes, sondern um den Betriebsbegriff allgemein geführt wird. Von daher kann es nicht überraschen, dass vor allem Joost auf der Grundlage seines neuen Betriebsbegriffes vertritt, dass die Voraussetzungen eines gemeinsamen Betriebes im Kündigungsschutzrecht anders zu bestimmen sind als im Betriebsverfassungsrecht.249 Er geht dabei davon aus, dass die Normzwecke des § 23 KSchG es erfordern, unter einem Betrieb im Sinne des KSchG das Unternehmen zu verstehen.250 Dies ist jedoch de lega lata nicht möglich, da der Gesetzgeber auch bei der jüngsten Reform des Kündigungsschutzes, welche § 23 KSchG umfassend änderte, am Betriebsbezug des KSchG festgehalten hat.251 Im Übrigen ist festzustellen, dass auch die Autoren, welche einen unterschiedlichen Betriebsbegriff für Betriebsverfassung und Kündigungsschutzrecht vertreten, die Voraussetzungen des gemeinsamen Betriebes für beide Rechtsgebiete einheitlich bestimmen.252 Eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem einheitlichen und dem teleologischen Betriebsbegriff kann an dieser Stelle daher unterbleiben.253 Nur vereinzelt ist eine differenzierte Betrachtung anzutreffen, die verlangt, dass die Kündigungsentscheidungen im gemeinsamen Betrieb einheitlich getroffen werden.254 Dazu müsse sich die erzwingbare Verhaltensabstimmung auf die Kündigung von Arbeitnehmern erstrecken. Eine einheitliche unternehmensübergreifende Sozialauswahl sei nur möglich, wenn dasjenige Unternehmen, dem die Kündigung des sozial schwächeren Arbeitnehmers untersagt wird, von seinem Partner verlangen kann, dass dessen sozial stärkerer Arbeitnehmer gekündigt und so die Weiterbeschäftigung auf dessen Arbeitsplatz möglich wird. Fehle der Führungsvereinbarung dieser Aspekt, so liege kein gemeinsamer Betrieb im kündigungsschutzrechtlichen Sinne vor.255 Es handelt sich dabei jedoch nicht um selbständige Voraussetzungen an den gemeinsamen Betrieb. Vielmehr 248 Vgl. oben § 4. Zu den vorgeschlagenen Lösungen siehe Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 217 f. 249 Joost, Betrieb und Unternehmen, S. 350 f. 250 Joost, Betrieb und Unternehmen, S. 343. 251 BT-Drucks. 15/1204, S. 13 f. 252 Vgl. Bram in Bader/Bram/Dörner/Wetzel, KSchG, § 1 Rn 98 einerseits und Rn 100a anderseits; sowie Berscheid in Uhlenbruck, InsO, Vor § 113 Rn 31 und Rn 36. 253 Vgl. dazu Moll in A/P/S, § 23 KSchG Rn 7 f.; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 215 ff. 254 Zöllner in FS Semler, S. 1005, 1008; Rieble in FS Wiese, S. 453, 457.

§ 9 Rechtsnatur der Führungsvereinbarung

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wird dadurch nur betont bzw. klargestellt, dass sich die Führungsvereinbarung auch auf den Kündigungsschutz erstrecken muss. Ist dies nicht der Fall, so wird man in der Tat nicht von einem gemeinsamen Betrieb im kündigungsschutzrechtlichen Sinne sprechen können. Auffällig ist jedoch, dass diese Voraussetzung in den Entscheidungen, in denen ein gemeinsamer Betrieb im Sinne des KSchG angenommen wurde, stets gegeben war. Trotz des einheitlichen Betriebsbegriffes des BAG muss daher, wenn man nicht nur von zufällig richtigen Ergebnissen ausgehen will, ein gewisser Gleichklang zwischen Betriebverfassungsrecht und KSchG gegeben sein. Ein solcher wird dadurch gewährleistet, dass die einheitliche Leitung die wesentlichen Arbeitgeberfunktionen in sozialen und personellen Angelegenheiten wahrnimmt. Zu den wesentlichen personellen Angelegenheiten ist die Kündigung von Arbeitsverhältnissen zu rechnen, welche nach § 102 BetrVG mitbestimmungspflichtig ist. Daneben bezieht sich das KSchG in § 1 Abs. 2 Nr. 1b und § 1 Abs. 4 ausdrücklich auf den Betrieb im Sinne des BetrVG.256 Dementsprechend ist stets sorgfältig zu prüfen, ob einem Leitungsapparat, dem die Kompetenz zur selbständigen Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern entzogen ist, insgesamt ausreichende Kompetenzen zustehen, um die Anforderungen an einen Betrieb zu erfüllen. Für einen gemeinsamen Betrieb i. S. d. KSchG sind also grundsätzlich keine anderen Voraussetzungen zu verlangen als im Rahmen des BetrVG. Die Auswertung der ergangenen Rechtsprechung hat gezeigt, dass in der Praxis betriebsverfassungsrechtliche Leitungsmacht und Kündigungskompetenz parallel laufen. Es ist daher grundsätzlich nicht erforderlich, unterschiedliche Kriterien für einen gemeinsamen Betrieb im Sinne des KSchG und des BetrVG zu verlangen. Dies gilt unabhängig davon, ob man einen einheitlichen oder den sog. teleologischen Betriebsbegriff verwendet. Soweit der teleologische Betriebsbegriff zu anderen Ergebnissen führt, wird darauf an der jeweils einschlägigen Stelle eingegangen.

§ 9 Rechtsnatur und dogmatische Bedeutung der Führungsvereinbarung Bildet demnach die Führungsvereinbarung eine konstitutive Voraussetzung des gemeinsamen Betriebes, so ist damit die Frage nach ihrer Rechtsnatur gestellt. Insbesondere kann die vorstehende Kritik, dass der gemeinsame Betrieb

255 Rieble in FS Wiese, S. 453, 457; ähnlich jedoch auch BAG AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969, Bl. 1484. 256 Moll in APS, § 23 KSchG Rn 7 f.; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 216; Kamphausen NZA Beilage 4/1988, 10, 12.

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Kap. 2: Betriebsbegriff und Voraussetzungen des Gemeinschaftsbetriebes

durch die rechtliche Komponente „anfälliger“ werde nur nachvollzogen werden, wenn die Rechtsnatur der Führungsvereinbarung geklärt ist. Dies gilt etwa für die Auswirkungen einer Kündigung und vor dem Hintergrund der Untersuchung, die Wirkungen einer Insolvenz. Sofern in der Literatur zu dieser Frage Stellung genommen wird, wird die Führungsvereinbarung überwiegend als Gesellschaftsvertrag qualifiziert.257 Nachdem die Rechtsprechung zunächst – zumindest mehrheitlich – ebenfalls von einer BGB-Gesellschaft ausging,258 soll eine solche nunmehr nur in der Regel vorliegen. Daneben sollen auch andere schuldrechtliche Vereinbarungen denkbar sein.259 Bei einer Bestimmung der Rechtsnatur der Führungsvereinbarung ist von ihrem vorstehend herausgearbeiteten Inhalt auszugehen. Inhalt der Führungsvereinbarung ist die Verpflichtung zur Schaffung und Aufrechterhaltung eines gemeinsamen Leitungsapparates auf betrieblicher Ebene. Dies beinhaltet, dass beide Unternehmen ihre in den gemeinsamen Betrieb eingebrachten Betriebsteile dieser Leitung unterstellen und deren Entscheidungen für und gegen die Unternehmen wirken.

A. Abgrenzung des gemeinsamen Betriebes von ähnlichen Erscheinungsformen Um die Rechtsnatur der so umschriebenen Führungsvereinbarung zu verdeutlichen, sollen zunächst einige ähnliche Erscheinungsformen, welche von der Führungsvereinbarung zu trennen sind, abgegrenzt werden. Durch diese auch von der Rechtsprechung vorgenommene Abgrenzung sollen die besonderen Eigenschaften der Führungsvereinbarung verdeutlicht werden.260 I. Abgrenzung vom Gemeinschaftsunternehmen Ein Gemeinschaftsunternehmen liegt vor, wenn mehrere bestehende Unternehmen einen neuen Rechtsträger gründen, an dem sie gemeinschaftlich als Gesellschafter beteiligt sind.261 Aus arbeitsrechtlicher Sicht ist dieser neue Rechts257 BAGE 55, 117, 134; Richardi in Münchener Handbuch, § 31 Rn 43; Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 68; Windbichler, Konzern, S. 289 ff.; vgl. auch Koch in Schaub, AR-HB, § 214 Rn 6a. 258 BAGE 55, 117, 130 f.; AP Nr. 8 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, Bl. 1816 Rs.; vgl. Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 50. 259 BAG AP Nr. 42 zu § 111 BetrVG 1972, Bl. 1127 Rs.; vgl. AP Nr. 12 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, Bl. 189; AP Nr. 9 zu § 1 BetrVG 1972, Bl. 707 Rs., jeweils ohne Angabe zur Rechtsform. 260 Vgl. zu weiteren ähnlichen Erscheinungsformen Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 83 ff. 261 Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 89.

§ 9 Rechtsnatur der Führungsvereinbarung

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träger Vertragsarbeitgeber und Unternehmen i. S. d. BetrVG. Im Außenverhältnis wird folglich nur das Gemeinschaftsunternehmen selbst berechtigt und verpflichtet. Der Charakter als Gemeinschaftsunternehmens tritt nur bei der internen Willensbildung zu Tage, welche nach den Regeln des jeweiligen gewählten Gesellschaftstyps zu erfolgen hat. Nur in diesem Innenverhältnis treten die verschiedenen am Gemeinschaftsunternehmen beteiligten Unternehmen eigenständig in Erscheinung. Demgegenüber verlangt ein gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen nicht stets die Zuordnung zu einem einheitlichen Rechtsträger, kennzeichnend ist vielmehr die Einheitlichkeit einer Organisationsstruktur zum Erreichen arbeitstechnischer Zwecke.262 Dafür bedarf es nicht der Schaffung eines neuen einheitlichen Rechtsträgers, also eines neuen Unternehmens i. S. d. Betriebsverfassungsrechts.263 Die Führungsvereinbarung führt auch nicht zur Schaffung eines neuen und einheitlichen Rechtsträgers,264 sondern lediglich zu einer schuldrechtlichen Verpflichtung der Unternehmen untereinander. Nach außen tritt diese Verbindung nicht in Erscheinung und tritt vor allem nicht in die Arbeitgeberstellung der am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen ein.265 Der Unterschied zwischen Gemeinschaftsunternehmen und Gemeinschaftsbetrieb lässt sich also daran festmachen, ob durch die Vereinbarung der an der Gründung beteiligten Unternehmen ein neuer Rechtsträger im Außenverhältnis entstehen soll, der selbst die Stellung des Arbeitgebers innehat. Gesellschaftsrechtlich gesprochen liegt bei der Gründung einer BGB-Außengesellschaft, OHG, KG oder einer juristischen Person stets ein Gemeinschaftsunternehmen vor.266 Demgegenüber liegt bei einem Gemeinschaftsbetrieb eine nur intern wirkende schuldrechtliche Verbindung wie ein Kooperationsvertrags nach § 311 Abs. 1 BGB oder eine BGB-Innengesellschaft vor.267 Bei einem Gemeinschaftsunternehmen ist der Betrieb einheitlich dem neu entstehenden Rechtsträger zugeordnet. Bei einem gemeinsamen Betrieb hingegen ist der Betrieb mehreren Unternehmen gemeinsam zuzuordnen. 262 BAG AP Nr. 3 zu § 5 BetrVG 1972 Rotes Kreuz, Bl. 1293 Rs., BAG AP Nr. 8 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, Bl. 1814 Rs. 263 BAGE 65, 304, 309; BAG AP Nr. 8 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, Bl. 1816 Rs. 264 BAGE 55, 117, 131 f.; BAG AP Nr. 8 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, Bl. 1816 Rs. 265 Vgl. BAG NZA 2006, 592, 594; Schmädicke/Glaser/Altmüller NZA-RR 2005, 393, 397 f. 266 So auch Fitting, BetrVG § 1 Rn 83. Aus diesem Grund hat die neuere Rechtsprechung des BGH (BGHZ 146, 341 ff.) zur Rechtsfähigkeit der Außen-GbR auch keine Bedeutung für den gemeinsamen Betrieb. 267 Sofern man auf das Erfordernis einer Führungsvereinbarung verzichtet, vereinfacht sich die Abgrenzung vom Gemeinschaftsunternehmen, da nur dieses eine Vereinbarung voraussetzt.

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Kap. 2: Betriebsbegriff und Voraussetzungen des Gemeinschaftsbetriebes

Es zeigt sich also, dass der gemeinsame Betrieb nicht die Entstehung eines neuen Rechtsträgers nach sich zieht, da anderenfalls kein gemeinsamer Betrieb beider Unternehmen, sondern ein einheitlicher Betrieb dieses neuen Rechtsträgers vorläge. Die beteiligten Unternehmen wären lediglich Gesellschafter des neu geschaffenen Rechtsträgers, der sich als Gemeinschaftsunternehmen darstellt. Sofern also die Führungsvereinbarung ein Gemeinschaftsunternehmen schaffen soll, spielt die Rechtsfigur des gemeinsamen Betriebes keine Rolle.268 II. Abgrenzung von der Arbeitnehmerüberlassung Die einheitliche Betriebsleitung, welche konstitutiv für den gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmen ist, bildet zugleich das Unterscheidungskriterium für die Abgrenzung zur Arbeitnehmerüberlassung.269 Eine einheitliche Leitung im vorstehend beschriebenen Sinn muss stets von allen beteiligten Unternehmen gemeinsam ausgeübt werden.270 Zwar ist nicht erforderlich, dass die Betriebsleitung von Vertretern aller beteiligten Unternehmen gebildet wird, jedoch muss die Betriebsleitung alle beteiligten Unternehmen vertreten. Zum Kern der personellen und sozialen Kompetenzen, die der Betriebsleitung zustehen müssen, gehören die Direktions- oder Weisungsbefugnisse, die nötig sind, den Einsatz der Arbeitnehmer innerhalb der organisatorischen Einheit zur Erreichung der gesetzten arbeitstechnischen Zwecke zu steuern. Diese Weisungsrechte müssen also gemeinsam für alle beteiligten Unternehmen wahrgenommen werden. Demgegenüber ist für die Arbeitnehmerüberlassung charakteristisch, dass der Verleiher dem Entleiher seine Weisungsbefugnisse über die zu entleihenden Arbeitnehmer überträgt. Diese Leiharbeitnehmer unterwerfen sich dem Direktionsrecht des Entleihers und werden in der Regel vollständig in dessen Betrieb eingegliedert und dort wie eigene Arbeitnehmer eingesetzt.271 Für die Dauer der Überlassung ist demnach nur mehr der Entleiher und nicht mehr der Verleiher weisungsbefugt.272 Die Weisungsbefugnis der Vertragsparteien schließt sich also gegenseitig aus. Auch ist erforderlich, dass der Entleiher über eine eigenständige Betriebsorganisation verfügt, in welche die entliehenen Arbeitnehmer ein-

268 BAG AP Nr. 8 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, Bl. 739 Rs.; Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 73. 269 Breitfeld in Praxishandbuch BetrV, Kapitel 1, Rn 26; vgl. Richardi in Richardi, BetrVG, § 1 Rn 70; Däubler in FS Zeuner, S. 19, 25. 270 Vgl. BAG AP Nr. 3 zu § 5 BetrVG 1972 Rotes Kreuz, Bl. 1294 Rs.; Breitfeld in Praxishandbuch BetrV, Kapitel 1, Rn 26. 271 BAG NZA 1998, 876, 877; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 84; vgl. ErfKOEisemann, § 7 BetrVG Rn 6; Schüren in Schüren, AÜG, Einleitung Rn 260; Junker, Grundkurs AR, Rn 116. 272 Vgl. Walker AcP 194 (1994), 295, 297.

§ 9 Rechtsnatur der Führungsvereinbarung

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gebracht werden.273 An einer solchen eigenständigen Organisation fehlt es jedoch, wenn ein gemeinsamer Betrieb vorliegt.274 Die Einbringung von Arbeitnehmern in eine fremde Arbeitsorganisation stellt daher eine Arbeitnehmerüberlassung dar, wenn die Leitung der einzubringenden Arbeitnehmer ausschließlich einem Unternehmen übertragen würde.275 Erforderlich für einen gemeinsamen Betrieb ist aber, dass die Leitung im Namen aller beteiligten Unternehmen erfolgt. Sofern ein Unternehmen sich komplett von der Leitung zurückzieht und diese allein dem anderen Unternehmen überlässt, liegt folglich kein gemeinsamer Betrieb, sondern möglicherweise Arbeitnehmerüberlassung vor. III. Abgrenzung von der Betriebsführungsgesellschaft und vom Betriebspachtvertrag Eine Betriebsführungsgesellschaft liegt vor, wenn einem Dritten die Führung eines Unternehmens im fremden Namen und auf fremde Rechnung übertragen wird.276 Die Übertragung kann dabei für einzelne Unternehmensteile, z. B. Betriebe oder für das gesamte Unternehmen erfolgen.277 Die Betriebsführungsgesellschaft übernimmt dabei, da sie in fremden Namen und auf fremde Rechnung handelt, die Aufgaben des Eigentümerunternehmens. Dieses ist von der Betriebsführung ausgeschlossen, so dass es zu keiner Vermischung auf betrieblicher Ebene kommt. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Betriebsführungsgesellschaft keine eigenen Betriebsteile einbringt, sondern nur die Betriebe des Eigentümerunternehmens leitet. Aus diesem Grund ist auch kein gemeinsamer Betrieb denkbar, wenn mehrere Unternehmen ihre Betriebe einer Betriebsführungsgesellschaft übertragen. Diese Übertragung ändert wiederum nichts an dem ursprünglichen betrieblichen Zuschnitt, da die Betriebsführungsgesellschaft jeweils getrennt im Namen und für Rechnung der beteiligten Unternehmen handelt. Sofern die vertragliche Ausgestaltung zu einer Übertragung der Arbeitgeberstellung auf die Betriebsführungsgesellschaft führt,278 ist ebenso wie bei einem Gemeinschaftsunternehmen eine Vermischung auf Betriebsebene nicht möglich.

273

Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 84. BAG NZA 1998, 876, 877; Trümner in D/K/K, BetrVG, § 1 Rn 171. 275 BAG NZA 1998, 876, 877; Breitfeld in Praxishandbuch BetrV, Kapitel 1, Rn 26. 276 Rüthers BB 1977, 605; vgl. Fitting, BetrVG, § 47 Rn 14; Annuß in Richardi, BetrVG, § 47 Rn 10. 277 Rüthers BB 1977, 605; vgl. Fitting, BetrVG, § 47 Rn 14; Annuß in Richardi, BetrVG, § 47 Rn 10. 278 Vgl. dazu Trittin in D/K/K, § 47 Rn 18; Fitting, BetrVG, § 47 Rn 14; Annuß in Richardi, BetrVG, § 47 Rn 10. 274

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Kap. 2: Betriebsbegriff und Voraussetzungen des Gemeinschaftsbetriebes

Noch deutlicher wird die fehlende gemeinsame Betriebsnutzung bei einem Betriebspachtvertrag. In diesem Fall ist allein der Pächter berechtigt, die betriebliche Leitungsmacht auszuüben und die arbeitstechnischen Zwecke im Betrieb zu verfolgen, vgl. § 581 Abs. 1 S. 1 BGB. Der Verpächter kann gem. § 581 Abs. 1 S. 2 BGB während der Pachtdauer nur die Entrichtung des Pachtzinses verlangen, sofern die Betriebsnutzung den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft entspricht.

B. Einordnung der Führungsvereinbarung Demzufolge muss die Führungsvereinbarung nach den Anforderungen der Rechtsprechung des BAG lediglich zwischen den Unternehmen wirken und nicht zur Bildung eines neuen Rechtsträgers führen. Sie muss die Unternehmen zur Errichtung und Aufrechterhaltung eines gemeinsamen betrieblichen Leitungsapparates verpflichten und darüber hinaus konkludent abgeschlossen werden können, also nicht formgebunden sein. Man könnte die so beschriebene Vereinbarung als Kooperationsvertrag sui generis i. S. d. § 311 Abs. 1 BGB einordnen. Jedoch wäre mit einer solchen Qualifizierung keine Klarheit gewonnen. Es fragt sich vielmehr, ob die Führungsvereinbarung nicht einem der Vertragstypen des besonderen Schuldrechts zugeordnet werden kann, um insoweit die Klärung vorhandener Zweifelsfragen auf einer normativen Grundlage vollziehen zu können. I. Einordnung als BGB-Gesellschaft In diesem Zusammenhang drängt sich zunächst die von Rechtsprechung und Literatur erwogene Einordnung als BGB-Gesellschaftsvertrag auf. Eine solche Einordnung setzt gem. § 705 BGB voraus, dass sich mehrere Personen vertraglich zur Förderung eines gemeinsamen Zweckes verbunden haben, wobei ein konkludenter Vertragsschluss ausreicht.279 Wenn man die These der Rechtsprechung über die notwendige konkludente Vereinbarung zwischen den beteiligten Unternehmen akzeptiert, ist vor allem problematisch, ob die gemeinsame Führung eines Betriebes einen tauglichen Gesellschaftszweck i. S. d. § 705 BGB darstellt.

279 Stürner in Jauernig, BGB, § 705 Rn 17; K. Schmidt, GesR, § 58 I 1. a); S. 1689 f.

§ 9 Rechtsnatur der Führungsvereinbarung

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1. Die gemeinsame Betriebsleitung als tauglicher Gesellschaftszweck im Sinne des § 705 BGB Konstitutiv für einen zwischen mehreren Personen abgeschlossenen Gesellschaftsvertrag ist eine gemeinsame, überindividuelle Zwecksetzung, zu deren Realisierung sich die Parteien zusammenschließen. Dabei müssen weder ausschließlich gemeinsame Zwecke verfolgt werden, noch eine gemeinsame Motivlage bestehen, so lange der gemeinsame Zweck der Hauptzweck ist.280 Das Ziel der Gesellschafter muss dabei nicht identisch sein, auch ist nicht erforderlich, dass alle Gesellschafter in gleicher Weise zum Gesellschaftszweck beitragen.281 Als Zweck kommt grundsätzlich jede erlaubte Zielsetzung in Betracht.282 Ausreichend sind dabei auch einmalige Zwecke.283 Die Vertragspartner müssen sich zur Förderung des gemeinsamen Zweckes verpflichten. Ohne eine solche Förderungspflicht besteht keine Gesellschaft.284 Eine GbR scheidet damit auch dann aus, wenn die Vertragspartner bereits aufgrund einer anderweitigen Verpflichtung zu einem entsprechenden Tun oder Unterlassen verpflichtet sind.285 Dabei genügt für die Förderung aber bereits ein Unterlassen, wie etwa bei einem Wettbewerbsverbot.286 Nach diesen allgemeinen Anforderungen scheidet die Führung eines gemeinsamen Betriebes als Gesellschaftszweck zumindest nicht grundsätzlich aus. Es wird aber teilweise geltend gemacht, dass ein über die bloße Organisation hinausgehender Zweck erforderlich sei.287 Zweck der Gesellschaft könne daher niemals allein die Bildung der Gesellschaft selbst sein. Als Zweck komme nur das gemeinsame „Halten und Verwalten“ der Betriebsmittel in Betracht, dieser 280 RGZ 95, 147, 149 f.; Timm/Schöne in Bamberger/Roth, BGB, § 705 Rn 64; Habermeier in Staudinger, BGB, § 705 Rn 17; Ulmer in MünchKomm BGB, § 705 Rn 114; Hadding in Soergel, BGB, § 705 Rn 36. 281 K. Schmidt, GesR, § 59 I 3 b), S. 1735. 282 Habermeier in Staudinger, BGB, § 705 Rn 17; Ulmer in MünchKomm BGB, § 705 Rn 111; Hadding in Soergel, BGB, § 705 Rn 35; K. Schmidt, GesR, § 59 I 3 a), S. 1733 f. 283 Timm/Schöne in Bamberger/Roth, BGB, § 705 Rn 63; Sprau in Palandt, BGB, § 705 Rn 20. 284 Habermeier in Staudinger, BGB, § 705 Rn 19; Ulmer in MünchKomm BGB, § 705 Rn 120. 285 BGH WM 1972, 1122, 1123; Timm/Schöne in Bamberger/Roth, BGB, § 705 Rn 65; Habermeier in Staudinger, BGB, § 705 Rn 19; K. Schmidt, GesR, § 59 I 3 a), S. 1734. 286 Timm/Schöne in Bamberger/Roth, BGB, § 705 Rn 65. Habermeier in Staudinger, BGB, § 705 Rn 19; Ulmer in MünchKomm BGB, § 705 Rn 121. Umstritten ist, ob allein die Vereinbarung einer Treuepflicht genügt. Dagegen spricht, dass eine solche Ausfluss des Gesellschaftsvertrages ist, vgl. dazu Ulmer in MünchKomm BGB, § 705 Rn 121 m.w. N. 287 Zöllner in FS Semler, S. 995, 1004, in Fußnote 38; vgl. auch Konzen, Unternehmensaufspaltung, S. 98.

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Kap. 2: Betriebsbegriff und Voraussetzungen des Gemeinschaftsbetriebes

Zweck reiche aber nicht aus.288 Es sei folglich nur eine Gemeinschaft gem. § 741 ff. BGB gegeben. Diese Sichtweise kann jedoch selbst bei Übernahme der zugrundeliegenden Prämisse nicht überzeugen. Zweck der Vereinbarung ist nach dem BAG die gemeinsame Führung des Betriebes durch die Unternehmen. Die Vereinbarung zielt damit nicht nur auf die Schaffung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ab, sondern auf die gemeinsame Wahrnehmung der wesentlichen betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitgeberfunktionen in dem gemeinsamen Betrieb. Zwar ist der Gegenansicht zuzugeben, dass der Abschluss des Gesellschaftsvertrages und das Entstehen des gemeinsamen Betriebes nach dieser Konzeption sich einander bedingen. Dies führt jedoch nicht zu einer Gleichsetzung von Betrieb und Gesellschaft. Die Gesellschaft hat vielmehr zum Ziel den Betrieb, der neben der Vereinbarung die Installation eines einheitlichen Leitungsapparates erfordert, einheitlich zu führen. Dieser Zweck ist von der Gründung der Gesellschaft und von der Gründung des gemeinsamen Betriebes zu unterscheiden. Die Führung des Betriebes erfordert nämlich, dass sich die betroffenen Unternehmen über die laufenden Geschäfte einigen und diese in gemeinsame Produktionsabläufe umsetzen.289 Eine solche Abstimmung geht auch über das bloße „Halten und Verwalten“ der Betriebsmittel hinaus, da mit den eingesetzten Betriebsmitteln weitere Waren und/oder Dienstleistungen erzeugt werden sollen.290 Die umfassenden betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben bestehen gerade in Bezug auf die Arbeitnehmer des gemeinsamen Betriebes. Die Nutzung der sachlichen Betriebsmittel macht demgegenüber nur einen geringen Teil der Aufgaben des betrieblichen Leitungsapparates aus. Selbst wenn man in Hinblick auf die Arbeitnehmer von einem „Halten und Verwalten“ sprechen möchte, geht der im Betrieb verfolgte arbeitstechnische Zweck, insbesondere aufgrund der produktiven Tätigkeiten, über eine bloße statische Verwaltung hinaus. Die Gegenansicht vernachlässigt demgegenüber die Stellung der Arbeitnehmer und stellt einseitig auf die gemeinsame Betriebsmittelnutzung ab. Darüber hinaus wird selbst das bloße „Halten und Verwalten“ von beweglichen oder unbeweglichen Sachen von der überwiegenden Ansicht im Gesellschaftsrecht als ausreichender Zweck für eine BGB-Gesellschaft akzeptiert.291 Selbst wenn man also die Stellung der Arbeitnehmer und die Produktion aus-

288

Zöllner in FS Semler, S. 995, 1004. Kraft Anm. zu BAG AP Nr. 2 zu § 1 BetrVG 1972, Bl. 737. 290 Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 68 f.; Kraft Anm. zu BAG AP Nr. 2 zu § 1 BetrVG 1972, Bl. 737. 291 BGH NJW 1982, 170, 171; BGH NJW-RR 1991, 422, 423; Habermeier in Staudinger, BGB, § 705 Rn 18; a. A. OLG Düsseldorf BB 1973, 1325 f.; Timm/Schöne in Bamberger/Roth, BGB, § 705 Rn 63, die einen über das bloße Halten hinausgehenden Zweck verlangen. 289

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blendet, wäre die gemeinsame Betriebsmittelnutzung ein tauglicher Gesellschaftszweck i. S. d. § 705 BGB. Die Unternehmen sind auch aufgrund der Führungsvereinbarung verpflichtet, den gemeinsamen Zweck, namentlich die gemeinsame Leitung des Betriebes, zu fördern. Die Führungsvereinbarung soll die Unternehmen zwingen, betriebsverfassungsrechtliche Kompetenzen einheitlich wahrzunehmen und eine gemeinsame Sozialauswahl bei Kündigungen durchzuführen. Die Unternehmen sind sowohl zu einer Einigung über ihr Handeln, insbesondere über etwaige Anweisungen an die Betriebsleitung, als auch dazu verpflichtet, die Handlungen der gemeinsamen Betriebsleitung gegen sich gelten zu lassen. Diese Verpflichtungen bilden taugliche Beiträge zur Förderung des gemeinsamen Zweckes, da bereits ein Unterlassen als Beitrag genügt. Mit der Führungsvereinbarung schließen die Unternehmen sich demnach zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks i. S. d. § 705 BGB, der Führung des gemeinsamen Betriebes, zusammen.292 Die Voraussetzungen eines Gesellschaftsvertrages über eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts sind damit gegeben. 2. Qualifizierung der BGB-Gesellschaft Fraglich ist, ob die Führungsvereinbarung in der Ausformung durch die Rechtsprechung auch inhaltlich den Anforderungen an einen Gesellschaftsvertrag entspricht. Nach der Rechtsprechung muss eine solche Gesellschaft weder Gesamthandsnoch wenigstens wirtschaftlich gemeinsames Vermögen besitzen.293 Auch soll es durch die Gründung der BGB-Gesellschaft nicht zu einem Arbeitgeberwechsel im Verhältnis zu den Arbeitnehmern, etwa durch einen Betriebsübergang gem. § 613a BGB, kommen.294 Vielmehr bleiben auf der Ebene der arbeitsvertraglichen Beziehungen die Arbeitsverhältnisse im gemeinsamen Betrieb zu dem Unternehmen als „Vertragsarbeitgeber“ bestehen, zu dem individualrechtliche Beziehungen aufgrund des Arbeitsvertrages gegeben sind. Selbst bei Bildung einer BGB-Gesellschaft zur einheitlichen Leitung des gemeinsamen Betriebes werden die beteiligten Unternehmen nicht Arbeitgeber aller in diesem 292 BAGE 55, 117, 131; BAG AP Nr. 6 zu § 1 BetrVG 1972, Bl. 743; BAG AP Nr. 8 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, Bl. 739 Rs.; Richardi in Richardi, BetrVG, § 1 Rn 71; Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 68 f.; Reuter Anm. zu BAG AP Nr. 9 zu § 1 BetrVG 1972, Bl. 710 Rs. 293 BAGE 55, 117, 133; BAG AP Nr. 8 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, Bl. 739 Rs.; Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 69. 294 BAGE 55, 117, 131 ff.; BAG AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969, Bl. 1486 Rs.; BAG AP Nr. 8 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, Bl. 739 Rs.; die AG NZA 2006, 592, 594.

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Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer.295 Dasselbe gilt für die Rechtsstellung gegenüber dem Betriebsrat. Zwar nimmt die einheitliche Betriebsleitung die vorstehend beschriebenen betriebsverfassungsrechtlichen Kompetenzen in eigener Befugnis wahr, jedoch geschieht dies nicht im Namen der BGB-Gesellschaft. Vielmehr ist den Beteiligten klar, dass der durch die Führungsvereinbarung gebildete „Betriebsarbeitgeber“ gemeinsam im Namen der beteiligten Unternehmen handelt. Dies ergibt sich bereits daraus, dass allein diese Unternehmen, die Kosten der Betriebsratstätigkeit nach § 40 BetrVG tragen können. Die BGB-Gesellschaft wird also gegenüber dem Betriebsrat nicht tätig, sondern die Gemeinschaft der am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen. Aus diesen Vorgaben lassen sich folgende gesellschaftsrechtliche Anforderungen ableiten. Die Gesellschaft muss ohne Gesellschaftsvermögen gebildet werden können und tritt gegenüber Dritten im Rechtsverkehr nicht nach außen in Erscheinung, sondern wirkt allein zwischen den beteiligten Unternehmen. Im Rahmen der GbR wird allgemein zwischen Innen- und Außengesellschaften unterschieden. Als Außengesellschaften bezeichnet man diejenigen, die nach den unter den Gesellschaftern getroffenen Vereinbarungen als solche am Rechtsverkehr teilnehmen, also nach außen in Erscheinung treten sollen.296 Innengesellschaften bleiben dagegen auf die interne Vereinbarung beschränkt und nehmen als Gesellschaft nicht am Rechtsverkehr teil.297 Ob Innengesellschaften Gesellschaftsvermögen bilden können, ist umstritten,298 in jedem Fall ist aber anerkannt, dass ein solches nicht zu ihrer Gründung erforderlich ist. Dies zeigt sich insbesondere daran, dass der Zusammenschluss keine eigenen wirtschaftlichen Ziele verfolgt, sondern sich allein auf die Führung des Betriebes beschränkt. Ein anderer Zweck, etwa der Betrieb eines Handelsgewerbes, scheidet somit aus.299 Die Führungsvereinbarung verpflichtet allein die beteiligten Unternehmen untereinander zur Einrichtung und Aufrechterhaltung eines einheitlichen betrieblichen Leitungsapparates. Dieser Leitungsapparat nimmt gegenüber den Arbeitnehmern die wesentlichen Arbeitgeberfunktionen in personellen und sozialen Belangen wahr. Er wird dabei als Vertreter der am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen und nicht als Vertreter der gebildeten Innengesellschaft bürgerlichen Rechts tätig. Demnach tritt diese Gesellschaft im Rechtsver295 BAGE 55, 117, 131 ff.; BAG AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969, Bl. 1486 Rs.; BAG AP Nr. 8 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, Bl. 739 Rs.; LAG Frankfurt BB 2002, 1421, 1423. 296 Ulmer in MünchKomm BGB, vor § 705 Rn 69; K. Schmidt, GesR, § 58 II 2 a), S. 1696. 297 RGZ 166, 160, 163; BGHZ 12, 308, 314 f.; Stürner in Jauernig, BGB, § 705 Rn 24; K. Schmidt, GesR, § 58 II 2 a), S. 1696. 298 Vgl. dazu K. Schmidt, GesR, § 58 II 2 b), S. 1697 m.w. N. 299 Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 69; vgl. Kraft Anm. Zu BAG AP Nr. 2 zu § 1 BetrVG 1972, Bl. 736 Rs.

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kehr und insbesondere gegenüber den Arbeitnehmern und dem Betriebsrat nicht in Erscheinung. Nach außen tätig wird allein der Leitungsapparat, welcher nicht die Gesellschaft, sondern die einzelnen Gesellschafter vertritt. Die Führungsvereinbarung zeigt somit keine Außenwirkung im Rechtsverkehr. Nach alledem ist die Führungsvereinbarung, wie sie von der Rechtsprechung konzipiert wird, als BGB-Innengesellschaft einzuordnen.300 3. Abweichende Einordnung in Sonderfällen Die neuere Rechtsprechung lässt die genaue rechtliche Qualifizierung der Führungsvereinbarung offen und hält auch andere rechtliche Absprachen über die Führung des gemeinsamen Betriebes für möglich, eine BGB-Gesellschaft liege in der Regel vor.301 Ob das BAG damit wirklich von der Einordnung der Führungsvereinbarung als BGB-Gesellschaftsvertrag abrücken will, erscheint fraglich. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass das BAG Sonderfälle für denkbar hält, in denen die Voraussetzungen einer BGB-Gesellschaft ausgeschlossen sind, obwohl eine Führungsvereinbarung mit dem vorstehenden Inhalt festgestellt werden kann. Wie solche Sonderfälle aussehen sollen, ist nicht ersichtlich. Es kann daher auch nicht verwundern, dass die Rechtsprechung keine Beispiele für sonstige Führungsvereinbarungen nennt.302 Nach meinem Dafürhalten kämen in solchen Konstellationen nur Kooperationsverträge sui generis gem. § 311 Abs. 1 BGB in Betracht. Insoweit ist festzuhalten, dass eine Innengesellschaft keine über die schuldrechtlichen Beziehungen der Gesellschafter hinausgehende Organisation aufweist.303 Dennoch ist nicht davon auszugehen, dass die Innengesellschaft ein reines Schuldverhältnis darstellt.304 Auch bei einer Innengesellschaft ist ein gemeinsamer Zweck festzustellen, zwar ist dieser, anders als bei einer juristischen Person, nicht überindividuell, sondern durch die Gesellschafter festgelegt. Dennoch unterscheidet dieser Gesellschaftszweck die Innengesellschaft von einem reien Schuldverhältnis. Stellt man sich die möglichen Fallgestaltungen anhand des Modells der Typenreihen vor,305 so ergibt sich eine Bandbreite, die von organisierten Innenge300 Zöllner in FS Semler, S. 995, 1004; Reuter Anm. zu BAG AP Nr. 9 zu § 1 BetrVG 1972, Bl. 710 Rs.; Kohte RdA 1992, 302, 304; Konzen ZIAS 1995, 588, 594; vgl. auch Fitting, BetrVG, § 1 Rn 83. 301 Vgl. BAG AP Nr. 42 zu § 111 BetrVG 1972, Bl. 1127 Rs.; BAG AP Nr. 12 zu § 1 BetrVG 1972, Bl. 189; AP Nr. 9 zu § 1 BetrVG 1972, Bl. 707 Rs.; Moll in APS § 23 KSchG Rn 15. 302 Es wird vielmehr formuliert, dass es sich regelmäßig um eine GbR handele BAG AP Nr. 8 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, Bl. 1816 Rs.; BAG AP Nr. 6 zu § 1 BetrVG, Bl. 743. 303 Ulmer in MünchKomm BGB, § 705 Rn 276. 304 Ulmer in MünchKomm BGB, § 705 Rn 277 m.w. N. auch zur Gegenansicht. 305 Vgl. dazu allgemein Larenz, Methodenlehre, S. 469 ff.

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Kap. 2: Betriebsbegriff und Voraussetzungen des Gemeinschaftsbetriebes

sellschaften an der Grenze zur Außengesellschaften bis hin zur beinahe auf ein reines Schuldverhältnis beschränkten Zusammenarbeit reicht. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass am Ende dieser Typenreihe der gemeinsame Zweck, welcher für eine BGB-Gesellschaft konstitutiv ist, nicht mehr festgestellt werden kann. In diesem Fall wäre keine Gesellschaft, sondern ein Kooperationsvertrag gegeben. Letzlich können solche Sonderkonstellationen jedoch für die vorliegende Arbeit vernachlässigt werden. Zum einem sind die Voraussetzungen einer BGBGesellschaft in der Regel gegeben. Andersartige Konstellationen sind zwar theoretisch denkbar, aber praktisch wenig wahrscheinlich. Zum anderen ist Gegenstand der Führungsvereinbarung die Kooperation der beteiligten Unternehmen. Insoweit bildet der Gesellschaftsvertrag jedoch einen typischen Gegensatz zu allen anderen, auf Austausch gerichteten Verträgen. Gegenstand des Gesellschaftsvertrages ist gerade nicht der Leistungsaustausch, sondern die Kooperation.306 Die BGB-Gesellschaft ist damit anders als andere Verträge nicht von gegenläufigen Interessen, sondern von einem Gleichlauf derselben geprägt.307 Inhaltlich entspricht daher der Gesellschaftsvertrag am ehesten den Interessen der beteiligten Unternehmen. Da aber gerade Konzernweisungen oder Unternehmenskooperationsverträge nicht ausreichen sollen,308 sind trotz der vertraglichen Gestaltungsfreiheit die Regeln der BGB-Gesellschaft vorrangig einschlägig.309 II. Ergebnis Für die vorliegende Arbeit ist daher mit der Rechtsprechung des BAG davon auszugehen, dass die Führungsvereinbarung als BGB-Gesellschaftsvertrag zu qualifizieren ist. Zwar mag diese Einordnung nicht in allen Sonderfällen zutreffen, jedoch sind solche Konstellationen aufgrund mangelnder Praxisrelevanz zu vernachlässigen. Für die weitere Untersuchung ist daher von einer BGB-Innengesellschaft auszugehen.

C. Dogmatische Bedeutung der Führungsvereinbarung Die dogmatische Bedeutung der Führungsvereinbarung ist unklar. Während die Befürworter einer solchen Vereinbarung deren Bedeutung teilweise reduzie306

Ulmer in MünchKomm BGB, vor § 705 Rn 5; K. Schmidt, GesR, § 4 I 2. a),

S. 59. 307

Ballerstedt JuS 1963, 253, 255; vgl. auch Ulmer in MünchKomm BGB, § 705

Rn 6. 308 BAG AP Nr. 9 zu § 1 BetrVG 1972, Bl. 708; BAG AP Nr. 9 zu § 23 KSchG 1969, Bl. 89 Rs. 309 So auch Richardi in Richardi, BetrVG, § 1 Rn 71.

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ren310 oder auf die Rechtfertigung der Rechtsfolgen eines gemeinsamen Betriebes beschränken,311 leugnen die Kritiker jede praktische Bedeutung.312 Festzuhalten ist, dass das BAG in ständiger Rechtsprechung die Führungsvereinbarung als selbständige Voraussetzung neben dem einheitlichen Leitungsapparat verlangt.313 Dabei scheint bei genauerer Durchsicht der Rechtsprechung aber keineswegs klar, welche dogmatischen Konsequenzen an dieses Merkmal zu knüpfen sind. So vermisst man beispielsweise eine klare Aussage des BAG zu der Frage, ob der gemeinsame Betrieb eine rechtliche Komponente aufweise, welche es zulasse, dass rechtliche Veränderungen auf den gemeinsamen Betrieb durchschlagen. Diese Unklarheit zeigt sich insbesondere im Rahmen der Auflösung des gemeinsamen Betriebes. Teilweise wird dort eine rechtliche Veränderung für ausreichend gehalten, um den gemeinsamen Betrieb aufzulösen.314 An anderer Stelle wird das gleiche rechtliche Ereignis für unbeachtlich erklärt, solange sich die tatsächlichen Umstände nicht geändert hätten.315 Diese unterschiedliche Bewertung zeigt, dass eine dogmatisch konsequente Linie der Rechtsprechung nicht ersichtlich ist.316 Auf diese Probleme wird im dritten Kapitel ausführlich zurückzukommen sein. An dieser Stelle kann jedoch bereits festgehalten werden, dass eine eigenständige dogmatische Bedeutung der Führungsvereinbarung ausscheidet, wenn diese stets den tatsächlichen Umständen untergeordnet wird. In einem solchen Fall wäre es in der Tat konsequenter, auf dieses Kriterium vollständig zu verzichten. Diese Konsequenz kann der Rechtsprechung des BAG jedoch nicht entnommen werden. Zum einen wird die Führungsvereinbarung lediglich aus den tatsächlichen Umständen hergeleitet und ist von diesen nicht vollständig abhängig. So ist insbesondere aus der Tatsache, dass die Rechtsprechung der bloßen Kündigung der Führungsvereinbarung ohne Änderung der tatsächlichen Umstände die Anerkennung verweigert, nicht auf deren Bedeutungslosigkeit zu schließen. Zum anderen entspricht es der Linie des BAG und der richterlichen 310

Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 66. Breitfeld in Praxishandbuch BetrV, Kap. 1 Rn 22. 312 Trümner in D/K/K, § 1 Rn 74b, 159; Joost, Betrieb und Unternehmen, S. 261; Konzen, Unternehmensaufspaltung, S. 114 ff.; Kohte RdA 1992, 302, 309; im Ergebnis auch Fitting, BetrVG, § 1 Rn 95. 313 BAG AP Nr. 6 zu § 1 BetrVG 1972, Bl. 743; BAG AP Nr. 9 zu § 1 BetrVG 1972, Bl. 707; BAG AP Nr. 8 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, Bl. 1814 Rs.; BAG AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969, Bl. 1483 f.; BAG AP Nr. 21 zu § 23 KSchG 1969, Bl. 1660 Rs.; BAG ZInsO 2004, 1095, 1096. 314 BAGE 55, 117, 134, Urteil des zweiten Senats zu einer Kündigungsschutzklage: die Eröffnung des Konkursverfahrens löse den gemeinsamen Betrieb auf. 315 BAG AP Nr. 42 zu § 111 BetrVG 1972; Beschluss des ersten Senates zur Frage der Mitbestimmung des Betriebsrates nach § 111 BetrVG. 316 Einen Vorlagebeschluss hielt der erste Senat des BAG in AP Nr. 42 zu § 111 BetrVG trotz ausdrücklicher Erwähnung der anders lautenden Rechtsprechung des zweiten Senats nicht für erforderlich. 311

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Kap. 2: Betriebsbegriff und Voraussetzungen des Gemeinschaftsbetriebes

Selbstbeschränkung (judicial self restraint), eine dogmatische Festlegung zu vermeiden, wo dies nicht zur Entscheidung des Einzelfalles unabdingbar ist.

§ 10 Zusammenfassung der Ergebnisse des zweiten Kapitels Der Betrieb ist als nichtrechtliche Einheit vom Rechtsträger Unternehmen abzugrenzen. Wesentliches Merkmal des Betriebsbegriffes ist die einheitliche Leitungsmacht in sozialen und personellen Angelegenheiten. Dies gilt auch im gemeinsamen Betrieb. Diese Leitungsmacht muss zur Gründung eines gemeinsamen Betriebes von allen beteiligten Unternehmen gemeinsam ausgeübt werden. Ob zur Absicherung des gemeinsamen betrieblichen Leitungsapparates eine rechtliche Absicherung notwendig ist, ist umstritten. Die besseren Argumente sprechen für das Erfordernis einer sog. Führungsvereinbarung. Diese ist auch bei Personenidentität der Geschäftsleitung und in Konzernunternehmen nicht überflüssig. Bei Annnahme einer Führungsvereinbarung ist diese als BGB-Innengesellschaft zu qualifizieren. Eine abweichende Qualifizierung in Sonderfällen ist theoretisch denkbar, hat aber kaum praktische Relevanz. Der gemeinsame Betrieb ist demzufolge kein eigener Rechtsträger. Er wird folglich nicht Arbeitgeber der im gemeinsamen Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer.

Kapitel 3

Die Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den gemeinsamen Betrieb Nachdem die Grundlagen und Voraussetzungen des gemeinsamen Betriebes untersucht worden sind, stellt sich nun die Frage, wie sich die Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den gemeinsamen Betrieb auswirkt. Dabei ist zunächst zu klären, wer als Schuldner eines möglichen Insolvenzverfahrens in Betracht kommt. Im Anschluss werden zur besseren Einordnung der Problematik die Voraussetzungen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens erörtert werden. Anschließend sollen die bisher vorhandenen Ansätze in Literatur und Rechtsprechung zur Auswirkung der Insolvenz auf den gemeinsamen Betrieb erläutert und nach Möglichkeit auf eine gesicherte dogmatische Grundlage zurückgeführt werden. Dabei werden die verschiedenen Verfahrenskonstellationen zu berücksichtigen sein.

§ 11 Zur Insolvenzfähigkeit des gemeinsamen Betriebes Es wurde bereits mehrfach festgestellt, dass der Betrieb als solcher nicht Vermögensträger und somit auch nicht insolvenzfähig ist. Nach der im zweiten Kapitel erläuterten Ansicht, die auf eine Führungsvereinbarung verzichtet, kann für den gemeinsamen Betrieb nichts anderes gelten. Ebenso wie der Betrieb eines Unternehmens ist der gemeinsame Betrieb nach dieser Ansicht eine rein tatsächliche Organisationseinheit, die nicht vermögensfähig ist. Verlangt man mit dem BAG demgegenüber eine Führungsvereinbarung als Voraussetzung des gemeinsamen Betriebes, so liegt mit dieser Vereinbarung nach der hier vertretenen Ansicht in nahezu allen Fällen eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts vor. Es stellt sich nun die Frage, ob diese Gesellschaft als Schuldner des Insolvenzverfahrens in Betracht kommt.

A. Insolvenzfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts Voraussetzung für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ist die Insolvenzfähigkeit des Schuldners.1 Der Begriff der Insolvenzfähigkeit wird im Gesetz 1 Mönning in Nerlich/Römermann, InsO, § 11 Rn 5, 7; Hirte in Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn 5.

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Kap. 3: Die Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens

nicht definiert, sondern wird mit der Fähigkeit, Schuldner eines Insolvenzverfahrens zu sein, vorausgesetzt.2 Dieser Begriff ist nicht gleichbedeutend mit der Geschäfts- und Prozessfähigkeit des Schuldners, sondern stellt sich als weitergehender Sonderfall der passiven Parteifähigkeit dar.3 Auszugehen ist dabei von § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO. Die Norm enthält gegenüber der Rechtslage im Rahmen der KO zwei Neuerungen. Zum einem wird der neugeschaffene Begriff der Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit legaldefiniert,4 zum anderen wird die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ausdrücklich für insolvenzfähig erklärt. Eine Einschränkung auf BGB-Außengesellschaften oder unternehmenstragende GbR ist dem Wortlaut der Norm nicht zu entnehmen. Demzufolge wäre auch eine BGB-Innengesellschaft als Gesellschaft Bürgerlichen Rechts insolvenzfähig. Es besteht jedoch Einigkeit darüber, dass die Eröffnung eines Insolvenzverfahren über eine BGB-Innengesellschaft ausgeschlossen ist.5

B. Teleologische Reduktion des § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO Begründen lässt sich dies mit einer teleologischen Reduktion des § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO. Eine solche Reduktion liegt vor, wenn eine gesetzliche Regel entgegen dem Wortsinn aber gemäß des erkennbaren Normzwecks einer Einschränkung bedarf, die im Gesetzestext nicht enthalten ist.6 Der Zweck des § 11 InsO ist es, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf diejenigen Schuldner zu begrenzen, bei denen die Durchführung eines solchen Verfahrens sinnvoll ist.7 Da mit dem Insolvenzverfahren nach § 1 S. 1 InsO die gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger des Schuldners erreicht werden soll, ist ein solches Verfahren nur sinnvoll, wenn der Schuldner – zumindest theoretisch – über Vermögen verfügt, welches der Befriedigung dienen kann.8 Eine BGB-Innengesellschaft tritt jedoch im Rechtsverkehr nicht in Erscheinung und besitzt auch kein Gesellschaftsvermögen. Aufgrund dieser Vermögenslosigkeit ist eine Durchführung eines Insolvenzverfahrens über das „Vermögen“ einer BGB-Innengesellschaft 2 Mönning in Nerlich/Römermann, InsO, § 11 Rn 5; Hirte in Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn 5. 3 Hirte in Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn 5; vgl. Mönning in Nerlich/Römermann, InsO, § 11 Rn 8. 4 Zur Kritik an diesem Begriff vgl. Hirte in Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn 3. 5 Schmerbach in Frankfurter Kommentar InsO, § 11 Rn 14; Mönning in Nerlich/ Römermann, InsO, § 11 Rn 72, Hirte in Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn 374. 6 Larenz, Methodenlehre, S. 391; Rüthers, Rechtstheorie, Rn 903. 7 Schmerbach in Frankfurter Kommentar InsO, § 11 Rn 1; Mönning in Nerlich/Römermann, InsO, § 11 Rn 3 f.; Hirte in Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn 1. 8 Mönning in Nerlich/Römermann, InsO, § 11 Rn 52; Hirte in Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn 374.

§ 12 Eröffnung des Insolvenzverfahrens

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a priori aussichtslos. Der Zweck des § 11 InsO erfordert es daher, der BGB-Innengesellschaft als ungeeignetem Schuldner die Insolvenzfähigkeit zu versagen. Da der Wortlaut der Norm diesem Zweck entgegensteht, ist er entsprechend teleologisch zu reduzieren.

C. Zwischenergebnis Da die Führungsvereinbarung zu einer BGB-Innengesellschaft führt und diese nicht insolvenzfähig ist, scheidet die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über den gemeinsamen Betrieb als solchen aus. Möglich ist daher allein, dass eines oder mehrere der am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen und damit ein insolvenzfähiger Rechtsträger i. S. d. § 11 InsO insolvent wird.

§ 12 Das Verfahren bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens Um die möglichen Verfahrenskonstellationen, welche sich im Rahmen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ergeben und deren Auswirkungen auf den gemeinsamen Betrieb richtig einordnen zu können, sollen zunächst die Voraussetzungen der Eröffnung und das betreffende Verfahren erläutert werden. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens setzt zunächst einen insolvenzfähigen Schuldner voraus. Nach § 11 InsO ist jede natürliche oder juristische Person sowie Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit9 insolvenzfähig. Wie bereits dargelegt, sind allein die Unternehmen nach dem hiesigen Verständnis des gemeinsamen Betriebes Rechtsträger und Vertragspartner der Arbeitnehmer. Unabhängig von der rechtlichen Ausgestaltung im Einzelnen ist damit stets von der Insolvenzfähigkeit der an einem gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen auszugehen. Da das Insolvenzverfahren gem. § 13 Abs. 1 S. 1 InsO nur auf Antrag eröffnet wird, ist darüber hinaus ein entsprechender Antrag nötig. Antragsberechtigt sind der Schuldner und die Gläubiger desselben, § 13 Abs. 1 S. 2 InsO. Während der Antrag des Schuldners ohne Weiteres zulässig ist,10 muss der Gläubiger nach § 14 Abs. 1 InsO eine rechtliches Interesse an der Eröffnung sowie seine Forderung gegen den Schuldner und den Eröffnungsgrund glaubhaft machen.11 9 Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts wird ausdrücklich als insolvenzfähig genannt. Der Streit um die Rechtsfähigkeit der BGB-Gesellschaft kann damit dahinstehen. 10 Beck in Beck/Depré, Insolvenzpraxis, § 1 Rn 14, es müssen lediglich die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen gegeben sein vgl. dazu Schmerbach in Frankfurter Kommentar InsO, § 14 Rn 5 ff.; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn 7.12.

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Kap. 3: Die Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Ist ein solchermaßen zulässiger Antrag beim Insolvenzgericht eingegangen, prüft dieses, ob ein Eröffnungsgrund gem. § 16 ff. InsO vorliegt.12 Diese Prüfung kann mitunter einige Zeit in Anspruch nehmen. Daher kann das Insolvenzgericht bereits im Eröffnungsverfahren Sicherungsmaßnahmen nach § 21 InsO anordnen, insbesondere einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen.13 Gelangt das Gericht zu der Überzeugung, dass ein Eröffnungsgrund vorliegt, wird das Verfahren durch Beschluss eröffnet, § 27 InsO. Etwas anderes gilt, wenn das Vermögen des Schuldners voraussichtlich nicht ausreicht, um die Kosten des Verfahrens zu decken, § 26 Abs. 1 S. 1 InsO. In einem solchen Fall wird das Verfahren nach § 26 Abs. 1 S. 2 InsO nur eröffnet, wenn ein ausreichender Betrag vorgeschossen wird14 oder die Verfahrenskosten nach § 4a InsO gestundet werden. Eine solche Stundung kommt jedoch nur in Betracht, wenn der Schuldner eine natürlich Person ist und einen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt hat. Wird das Verfahren eröffnet, so bestimmt das Insolvenzgericht nach § 27 Abs. 1 S. 1 InsO einen Insolvenzverwalter. Da der Schuldner mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens von der Verwaltung des massezugehörigen Vermögens ausgeschlossen wird, geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nach § 80 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter über.15 Die Eigentums- und Gläubigerrechte des Schuldners an den Massegegenständen bleiben durch die Eröffnung unberührt,16 der Schuldner ist jedoch nicht in der Lage über diese Rechte zu verfügen. Daraus folgt, dass der Schuldner nicht mehr in der Lage ist, die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis wahrzunehmen.17 Die Arbeitgeberfunktionen gehen insoweit auf den Insolvenzverwalter über.18 Die Eröffnung führt also zu einem umfassenden Wechsel der Verwaltungszuständigkeit über das Vermögen des Schuldners und zur Einleitung eines Ver11 Vgl. zu den Einzelheiten Schmal in MünchKomm InsO, § 14 Rn 8 ff.; Beck in Beck/Depré, Insolvenzpraxis, § 1 Rn 18 ff. 12 Die einzelnen Voraussetzungen der Eröffnungsgründe sind im Rahmen dieser Arbeit nicht zu thematisieren, da die Insolvenz eines Unternehmens vorausgesetzt wird. Daher muss in diesem Zusammenhang auf die einschlägigen Kommentare verwiesen werden. Eine gute Übersicht bietet Beck in Beck/Depré, Insolvenzpraxis, § 1 Rn 24 ff. 13 Auf das Eröffnungsverfahren wird unten in § 12 eingegangen. Vgl. hierzu Beck in Beck/Depré, Insolvenzpraxis, § 1 Rn 35 ff. 14 Was ein erhebliches wirtschaftliches Risiko für den Vorschießenden bedeuten kann, vgl. Beck in Beck/Depré, Insolvenzpraxis, § 1 Rn 23. 15 Etwas anderes gilt für den Fall, dass das Insolvenzgericht gem. § 270 Abs. 1 S. 1 InsO die Eigenverwaltung angeordnet hat. 16 RGZ 105, 313, 314; BGHZ 49, 11, 13; Eickmann in HK-InsO, § 80 Rn 3. 17 Regh in Steindorf/Regh, Mandatshandbuch, § 3 Rn 17. 18 Hamacher in Nerlich/Römermann, InsO vor § 113 Rn 15; Heinze/Bertram in Gottwald, Insolvenzhandbuch, § 103 Rn 21; Regh in Steindorf/Regh, Mandatshandbuch, § 3 Rn 17.

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fahrens zur gemeinschaftlichen Haftungsverwirklichung. Dabei obliegt es gem. § 157 InsO der Gläubigerversammlung, im Berichtstermin das genaue Verfahrensziel zu bestimmen. Nach § 1 InsO ist das grundsätzliche Ziel die gemeinsame Befriedigung der Gläubiger des Insolvenzschuldners. Wie dieses Ziel erreicht werden soll, durch Liquidation oder Fortführung des Unternehmens, sollen die Gläubiger selbst entscheiden. Der Schuldner verliert also die Entscheidungsmacht über die Zukunft seines Unternehmens.

§ 13 Die Auswirkung der Verfahrenseröffnung auf den gemeinsamen Betrieb in der bisherigen Diskussion Die zuvor erwähnten zum Teil gravierenden Auswirkungen treten aus arbeitsrechtlicher Sicht nur auf der Unternehmensebene ein. Es stellt sich daher die Frage, ob und gegebenenfalls wie diese Veränderungen auf die Betriebsebene durchschlagen. Dabei ist zunächst vom dem Grundsatz auszugehen, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Geltung des allgemeinen Arbeitsrechtes nicht aufhebt.19 Das Insolvenzrecht als Haftungsrecht schränkt die privatautonome Gestaltung im Interesse der Verwertung des Schuldnervermögens ein. Dementsprechend wird das allgemeine Arbeitsrecht insoweit verdrängt, wie die spezifischen arbeitsrechtlichen Vorschriften der InsO Abweichungen vorsehen. So bleiben die Arbeitsverhältnisse von der Verfahrenseröffnung unberührt und der Insolvenzverwalter rückt vollständig, auch kollektivrechtlich,20 in die Stellung des Arbeitgebers ein.21 Dennoch lässt die Insolvenz eines Unternehmens die Arbeitsverhältnisse und die betriebliche Struktur selten unberührt. Denn die Insolvenz ist nicht nur ein rechtlicher, sondern auch ein tatsächlicher Umstand, der auch im Arbeitsrecht Relevanz hat. Dies ist spätestens dann offensichtlich, wenn der Insolvenzverwalter im Rahmen der Liquidation des Unternehmens sämtliche Betriebe stilllegt und die Arbeitnehmer entlässt. Sofern der Insolvenzverwalter Betriebsänderungen i. S. d. § 111 BetrVG vornimmt, hat er das dort vorgeschriebene Verfahren unter Berücksichtigungen der besonderen Vorschriften der InsO einzuhalten.22 Vorliegend geht es jedoch nicht um vom Insolvenzverwalter

19 BAG AP Nr. 1 zu § 113 BetrVG 1972, Bl. 31 Rs.; BAG AP Nr. 34 zu § 613a BGB 1315 Rs.; Löwisch/Caspers in MünchKomm InsO, vor §§ 113 bis 128 Rn 2; Heinze/Bertram in Gottwald Insolvenzhandbuch, § 103 Rn 6, 13. 20 Löwisch/Caspers in MünchKomm InsO, vor §§ 113 bis 128 Rn 12 ff.; Regh in Steindorf/Regh, Mandatshandbuch, § 3 Rn 45. 21 Ott in MünchKomm InsO, § 80 Rn 122 ff.; Uhlenbruck in Uhlenbruck, InsO, § 80 Rn 63; Heinze/Bertram in Gottwald, Insolvenzhandbuch, § 103 Rn 21 ff.; Regh in Steindorf/Regh, Mandatshandbuch, § 3 Rn 16 f. 22 Fitting, BetrVG, § 111 Rn 37; Oetker in GK-BetrVG, § 111 Rn 27.

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selbst vorgenommene Betriebsänderungen, sondern um die Frage, ob die Insolvenz als solche Auswirkungen auf den gemeinsamen Betrieb hat. Zur Klärung dieser Frage sollen zunächst die bisherigen Ansätze in Literatur und Rechtsprechung dargestellt werden. Anschließend sollen diese Ansätze von allgemeinen Grundsätzen ausgehend dogmatisch weiterentwickelt werden.

A. Die Grundpositionen der Rechtsprechung Das Bundesarbeitsgericht hat sich mit der Auswirkung der Eröffnung eines Konkursverfahrens auf den gemeinsamen Betrieb bisher nur in zwei Entscheidungen ausdrücklich beschäftigt. In diesen Entscheidungen nehmen die einzelnen Senate abweichende Positionen ein, ohne den Großen Senat anzurufen. I. Die Position des zweiten Senates In seinem Urteil vom 5. März 198723 hat der zweite Senat des BAG entschieden, dass die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen eines der am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen diesen auflöse. Es wird dabei davon ausgegangen, dass die Führungsvereinbarung als BGB-Innengesellschaft nach § 728 Abs. 2 BGB durch die Eröffnung eines Konkursverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters aufgelöst werde.24 Da nach § 730 BGB eine Abwicklung nur in Ansehung des Gesellschaftsvermögens stattfinde und ein solches bei einer Innengesellschaft nicht vorhanden sei, führe die Auflösung zur sofortigen Vollbeendigung.25 Mit dem Wegfall der Führungsvereinbarung fehle jedoch eines der für den gemeinsamen Betrieb konstitutiven Merkmale, so dass dieser aufgelöst sei und wieder zwei selbständige Betriebe vorlägen.26 II. Die Position des ersten Senates Demgegenüber hält der erste Senat des BAG in seinem Beschluss vom 11.11.199727 die Eröffnung des Konkursverfahrens für unbeachtlich. Zur Begründung lässt das Gericht zunächst die Rechtsnatur der Führungsvereinbarung offen, wendet jedoch auch bei unterstellter BGB-Gesellschaft § 728 BGB nicht an.28 Denn jedenfalls für die Frage der Betriebsänderung i. S. des § 111 BetrVG 23 24 25 26 27

Az. 2 AZR 623/85, BAGE 55, 117. BAGE 55, 117, 134. BAGE 55, 117, 134 m. N. zum gesellschaftsrechtlichen Schrifttum. BAGE 55, 117, 134 f. Az. 1 ABR 6/97, AP Nr. 42 zu § 111 BetrVG 1972.

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komme es nicht allein auf den Wegfall der Rechtsgrundlage des gemeinsamen Betriebes an.29 Auch in diesem Fall sei erst die faktische Umsetzung der neuen Rechtslage, also die Änderung der betrieblichen Organisation maßgeblich.30

B. Stellungnahmen in der Literatur Die Stellungnahmen in der Literatur zu dieser Rechtsprechung sind spärlich. Teilweise wird der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ohne Begründung jede Bedeutung abgesprochen.31 Andere wiederum halten bei der Führungsvereinbarung stets eine Abwicklung im Sinne einer Änderung der betrieblichen Organisation, also eine Betriebsänderung i. S. d. § 111 BetrVG für nötig.32 Begründet wird diese Abweichung vom Gesellschaftsrecht allein von Trümner,33 der die Abwicklung der Führungsvereinbarung spezifisch arbeitsrechtlich verstehen will. Die Gesellschaft habe zwar kein Vermögen, jedoch nehme Sie Dritten gegenüber Aufgaben wahr und trete so in Erscheinung. Eine Beendigung der Gesellschaft könne daher erst mit der Abwicklung dieser Aufgaben eintreten.34 Insoweit sei § 111 BetrVG lex specialis zu § 730 BGB.35

C. Weitere Entwicklung der Rechtsprechung Der in der zeitlich späteren Entscheidung des ersten Senates dokumentierte Widerspruch hat die weitere Rechtsprechung der Arbeitsgerichte beeinflusst. Da der erste Senat des BAG eine Klärung durch den Großen Senat nicht für erforderlich hielt, besteht eine gewisse Unsicherheit, welche sich auch in den veröffentlichen Urteilen niederschlägt. I. Die Rechtsprechung in Kündigungsstreitigkeiten Die Entwicklung der Rechtsprechung lässt sich besser nachvollziehen, wenn zwischen den ergangenen Urteilen in Bestandsschutzstreitigkeiten und Entscheidungen zu betriebsverfassungsrechtlichen Fragen differenziert wird. Die Rechtsprechung in Bestandsschutzstreitigkeiten ist vor allem durch die Bemühung ge28

BAG AP Nr. 42 zu § 111 BetrVG 1972, Bl. 1127 Rs. BAG ebenda. 30 BAG ebenda. 31 Fitting, BetrVG, § 1 Rn 95. 32 Trümner in D/K/K, BetrVG, § 1 Rn 151, 159; ders. BB 2002, 1425, 1426; Richardi in Richardi, BetrVG, § 1 Rn 90. 33 BB 2002, 1425, 1426. 34 Trümner BB 2002, 1425, 1426; ähnlich Däubler in FS Zeuner, S. 19, 24. 35 Trümner ebenda. 29

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kennzeichnet, eine gemeinsame Sozialauswahl zwischen dem solventen und dem insolventen Unternehmen im gemeinsamen Betrieb zu vermeiden.36 Dem liegt die Wertung zugrunde, dass eine gemeinsame Sozialauswahl zwischen einem fortbestehenden und einem zu liquidierenden Unternehmen, sei es im Rahmen eines Insolvenzverfahrens oder außerhalb, zu ungerechten Ergebnissen führt. 1. Die neuere Rechtsprechung des zweiten Senates Der zweite Senat hat seine Rechtsprechung zunächst in seinem Urteil vom 13.09.1995 präzisieren können.37 Hintergrund der Entscheidung war die Liquidation eines an einem gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmens außerhalb eines Insolvenzverfahrens. Der zweite Senat ging davon aus, dass die Notwendigkeit einer gemeinsamen Sozialauswahl entfiele, wenn ein Unternehmen nach Aufkündigung der Führungsvereinbarung sich dazu entschließe, die gesamte ihm zuzuordnende Organisation stillzulegen.38 Der gemeinsame Betrieb sei aufgelöst und eine fortwirkende Verpflichtung des Unternehmens zu einer gemeinsamen Sozialauswahl bestehe nicht und lasse sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Bedingungsvereitelung aus §§ 162, 242 BGB herleiten.39 Der zweite Senat geht damit auch für Fälle außerhalb des Insolvenzverfahrens davon aus, dass die Beendigung der Führungsvereinbarung und der gemeinsamen Leitung zur Spaltung des gemeinsamen Betriebes und zur Entstehung zweier getrennter Betriebe führe. In seiner Entscheidung vom 17.01.200240 hat der zweite Senat auf die abweichende Rechtsprechung des ersten Senates reagiert und ausgeführt, dass „ein etwaiger Gemeinschaftsbetrieb zwischen der Gemeinschuldnerin und einem anderem Unternehmen (. . .) durch die in Abstimmung mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter getroffene Entscheidung, den Betrieb stillzulegen, und die nachfolgend durchgeführte Suspendierung aller Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin aufgelöst“ wird. Der Senat gibt mit dieser Entscheidung seine bisherige Rechtsprechung jedoch nicht auf.41 Vielmehr konnte die zwischen den Senaten strittige Frage aufgrund der Umstände des zu entscheidenden Falles dahinstehen. Da der gemeinsame Betrieb bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst worden war, bestand im Zeitpunkt des Eröffnungsbeschlusses

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Vgl. zur gemeinsamen Sozialauswahl ausführlich das vierte Kapitel, S. 161 ff. BAG AP Nr. 72 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; bestätigt durch BAG ZInsO 2004, 1095, 1096; BAG NZA 2004, 477, 478. 38 BAG AP Nr. 72 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, Bl. 930. 39 BAG AP Nr. 72 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, Bl. 929 Rs. 40 BB 2003, 209; bestätigt in BAG NZA 2005, 867. 41 So ausdrücklich BAG NZA 2005, 867, 868. 37

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keine nach § 728 Abs. 2 BGB aufzulösende BGB-Gesellschaft mehr. Die Entscheidung kann auch nicht dahingehend verstanden werden, dass eine solche Auflösung stets vor der Eröffnung des Verfahrens möglich ist und auch stets erfolgt. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Stilllegung eines Betriebes aufgrund der Mitbestimmung gem. § 111 f. BetrVG einige Zeit in Anspruch nimmt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn man die Suspendierung aller Arbeitnehmer als Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG auffasst. Dies ist deswegen geboten, da sie nach der Rechtsprechung des zweiten Senates42 den gemeinsamen Betrieb auflöst. Aber selbst in betriebsratslosen Betrieben ist nicht gewährleistet, dass die Prüfung der Voraussetzungen der Verfahrenseröffnung durch das Insolvenzgericht eine so lange Zeit in Anspruch nimmt, dass die Betriebe des Unternehmens im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung bereits stillgelegt sind. Entscheidend kommt hinzu, dass im Eröffnungsverfahren keine endgültigen Maßnahmen getroffen werden sollen, da dieser Abschnitt nur zur Sicherung der Verfahrenseröffnung durch die Erhaltung des Schuldnervermögens dient.43 Dementsprechend ist das Unternehmen des Schuldners durch den vorläufigen Insolvenzverwalter fortzuführen, soweit nicht die Fortführung zu einer erheblichen Verminderung des Vermögens führt, § 22 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Eine solche Stilllegung des Schuldnerunternehmens vor der Eröffnung des Verfahrens bedarf der Zustimmung des Insolvenzgerichts und ist nur in Ausnahmefällen zulässig, da die Entscheidung über die Fortführung des Schuldnerunternehmens gem. § 157 S. 1 InsO der Gläubigerversammlung zugewiesen ist. Demzufolge ist in der Regel davon auszugehen, dass die Betriebe des Schuldnerunternehmens im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht stillgelegt sind. Folglich sind etwaig bestehende gemeinsame Betriebe, an denen das Schuldnerunternehmen beteiligt ist, nicht aufgelöst, so dass es auf die Wirkung der Verfahrenseröffnung ankommt. Entscheidend war in diesem Urteil allein, dass durch die bereits vor der Verfahrenseröffnung erfolgte Spaltung des gemeinsamen Betriebes keine gemeinsame Sozialauswahl durchzuführen war. 2. Die Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte Die unterschiedliche Rechtsprechung des ersten und zweiten Senats des BAG ist nicht ohne Auswirkungen auf die Rechtsprechung der Untergerichte geblieben. Während sich das LAG Frankfurt klar für den ersten Senat entscheidet,44 versuchen andere mit einer Kompromisslösung beiden Senaten gerecht zu wer42 BAG AP Nr. 72 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, Bl. 930; BAG BB 2003, 209, 212; BAG NZA 2005, 867, 868. 43 Gerhardt in Jaeger, InsO, § 22 Rn 17; Uhlenbruck in Gottwald, Insolvenzhandbuch, § 14 Rn 1; Hess in Obermüller/Hess, InsO, Rn 186. 44 LAG Frankfurt BB 2002, 1421, 1424.

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den.45 Das LAG Berlin46 und das LAG Bremen47 gehen davon aus, dass eine gemeinsame Sozialauswahl entfällt, wenn zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung die Auflösung des gemeinsamen Betriebes bereits greifbare Formen angenommen hat. Damit wird erkennbar auf die Rechtsprechung des BAG zur Kündigung im Zusammenhang mit einer Betriebstilllegung abgestellt. Nach dem BAG ist ausreichend, dass im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung die unternehmerische Entscheidung zur Stilllegung des Betriebes bereits greifbare Formen angenommen hat und eine vernünftige betriebswirtschaftliche Betrachtung die Prognose rechtfertigt, dass der Arbeitnehmer bis zum Ablaufen der Kündigungsfrist entbehrt werden kann.48 Es ist also nicht erforderlich, dass die Stilllegung im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung bereits erfolgt ist. Ebenso wollen die genannten Landesarbeitsgerichte es genügen lassen, dass die Auflösung des gemeinsamen Betriebes durch die bevorstehende Stilllegung des von einem Unternehmen eingebrachten Betriebsteils bereits greifbare Formen angenommen hat.49 Zu dieser Rechtsprechung ist zunächst anzumerken, dass beide Urteile allein eine Lösung für das gerade in der Insolvenz dringende Problem bieten wollen, wie eine gemeinsame Sozialauswahl durchgeführt werden kann, wenn sich ein Unternehmen in der Liquidationsphase befindet. Die LAGe sind bemüht, durch die „Vorverlagerung“ der Auflösung des gemeinsamen Betriebes eine gemeinsame Sozialauswahl zu vermeiden. Die Gerichte argumentieren dabei jedoch rein ergebnisbezogen. Auf die Rechtsnatur der Führungsvereinbarung und Fragen der Auflösung und Abwicklung der BGB-Gesellschaft gehen die LAG mit keinem Wort ein. Die Urteile sind daher nur unter dem Aspekt zu berücksichtigen, dass eine uneingeschränkte Fortsetzung der gemeinsamen Sozialauswahl im Rahmen der Liquidation eines der am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmens nach Ansicht des LAG Berlin und des LAG Bremen zu untragbaren Ergebnissen führt. Diese Problematik soll im vierten Kapitel näher untersucht werden. Der zweite Senat des BAG hat das Urteil des LAG Berlin im einschlägigen Revisionsverfahren ausdrücklich bestätigt. Es genüge, wenn im Zeitpunkt der Kündigung feststeht, dass eines der am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen seinen in den gemeinsamen Betrieb eingebrachten Betriebsteil bis zum Ablauf der Kündigungsfrist stilllegen wird.50 Ab diesem Zeitpunkt sei es diesen 45 Das LAG Hamm DB 1990, 2530, 2531 argumentiert dagegen auf der Linie des zweiten Senates. 46 in ZIP 2003, 546, 547. 47 in AP Nr. 15 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, Bl. 179 Rs. 48 BAG AP Nr. 41 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, Bl. 146 Rs.; BAG NJW 2001, 2116, 2117; v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn 415 ff. 49 LAG Berlin ZIP 2003, 546, 547; LAG Bremen AP Nr. 15 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, Bl. 179 Rs.

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Unternehmen nicht mehr möglich, eine Weiterbeschäftigung seiner Arbeitnehmer in dem fortgesetzten Betrieb des anderen Unternehmens durchzusetzen, so dass die gemeinsame Sozialauswahl entfalle.51 Auch dieses Urteil enthält keinerlei Aussagen über die Führungsvereinbarung oder die Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Aus diesem Urteil lässt sich daher keine Abkehr des zweiten Senates von der früheren Rechtsprechung herauslesen. Es ist jedoch offenkundig, dass der zweite Senat bemüht ist, unabhängig von der Wirkung des Eröffnungsbeschlusses eine gemeinsame Sozialauswahl im gemeinsamen Betrieb zu vermeiden. Um dieses Ziel zu erreichen, wird der Zeitpunkt, ab dem die gemeinsame Sozialauswahl entfallen soll, so weit vorverlegt, dass es auf die tatsächliche Änderung der Betriebsorganisation, welche der erste Senat verlangt, nicht ankommt. II. Die neuere Rechtsprechung in betriebsverfassungsrechtlichen Fragen Die vornehmlich mit betriebsverfassungsrechtlichen Fragen befassten Entscheidungen liegen demgegenüber eher auf der Linie des ersten Senates. So hat sich das LAG Frankfurt in seinem Urteil vom 17.07.2001 ausdrücklich dem ersten Senat angeschlossen.52 Die Entscheidung betraf die Frage, ob im gemeinsamen Betrieb die Unternehmen für Sozialplanansprüche als Gesamtschuldner haften. Das LAG Frankfurt ging dabei davon aus, dass die Eröffnung des Konkursverfahrens keine Auswirkungen auf den Bestand des gemeinsamen Betriebes habe, verneinte eine gesamtschuldnerische Haftung jedoch aus anderen Gründen.53 Die Entscheidung des LAG Frankfurt ist in der Revisionsinstanz vom ersten Senat des BAG bestätigt worden, ohne dass der Senat auf das Problem der Auflösung des gemeinsamen Betriebs eingegangen ist.54 Weniger deutlich ist das Urteil des siebten Senates vom 19.11.200355. Der siebte Senat geht trotz der erfolgten Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögens eines der am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen und der Einstellung des Geschäftsbetriebes des Unternehmens von einer Identi50 BAG NZA 2004, 477, 478 = ZIP 2004, 966, 967; ebenso BAG ZInsO 2004, 1095, 1096 f. 51 BAG ZInsO 2004, 1095, 1097; BAG NZA 2004, 477, 479 = ZIP 2004, 966, 967. 52 LAG Frankfurt BB 2002, 1421, 1424. 53 LAG Frankfurt BB 2002, 1421, 1424. 54 BAG Urteil v. 12.11.2002, AP Nr. 155 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 881. 55 BAG NZA 2004, 435 = NJW 2004, 1613, dem Urteil lag zwar eine Kündigungsschutzklage zugrunde, es beschäftigt sich jedoch mehr mit der Kontinuität des Betriebsratsamtes aufgrund fortbestehender Betriebsidentität als mit individualrechtlichen Fragen. Insbesondere spielt die Sozialauswahl keine Rolle. Deshalb wird die Entscheidung dem Betriebsverfassungsrecht zugeordnet.

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tät des gemeinsamen Betriebes aus.56 Aufgrund dieser Identität sei auch der für den gemeinsamen Betrieb gewählte Betriebsrat weiterhin im Amt und für die Arbeitnehmer des verbleibenden Unternehmens zuständig.57 Diesen Aussagen liegt die Prämisse zugrunde, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines der am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen keineswegs zu einer Auflösung des gemeinsamen Betriebes und zur Entstehung zweier neuer getrennter Betriebe führe.58 Der siebte Senat legt dabei eine völlig neue Sichtweise zugrunde. Einerseits wird das Ausscheiden des Unternehmens, welches seinen eingebrachten Betriebsteil stilllegt, aus dem gemeinsamen Betrieb akzeptiert. Der gemeinsame Betrieb werde dann nur von einem Unternehmen geführt. Andererseits soll das Ausscheiden des einen Unternehmens durch die Betriebsteilstilllegung die Identität des Betriebes und damit das Amt des Betriebsrates unberührt lassen. Er steht damit im Widerspruch zur Rechtsprechung des zweiten Senates, welcher sowohl in der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, als auch in der Stilllegung des einem Unternehmen zuzuordnenden Teils der Betriebsorganisation eine Auflösung des gemeinsamen Betriebes mit der Folge sieht, dass zwei neue Betriebe entstehen.59 Jedoch geht der siebte Senat auch über die Anforderungen hinaus, welche der erste Senat in seinem Beschluss vom 11.11.1997 aufgestellt hat. Der erste Senat geht dort von einer faktischen Änderung der Organisation durch den Stilllegungsentschluss des Konkursverwalters aus.60 Diese Stilllegung soll nach dem Verständnis des ersten Senates jedoch nach ihrem Vollzug zwei neue Betriebe entstehen lassen, welche nicht mit dem gemeinsamen Betrieb identisch sind.

§ 14 Stellungnahme Eine Auseinandersetzung mit den verschiedenen Ansätzen muss bei den Voraussetzungen des gemeinsamen Betriebes und damit bei dem Streit um das Erfordernis der Führungsvereinbarung ansetzen. So erscheint es nur konsequent, dass Trümner, der die Führungsvereinbarung grundsätzlich ablehnt, derselben jegliche Bedeutung im Zusammenhang mit der Auflösung des gemeinsamen Betriebes verweigern will. Andererseits gehen sowohl der erste Senat des BAG als auch Richardi vom Erfordernis der Führungsvereinbarung aus, wenden §§ 728 Abs. 2 S. 1, 730 Abs. 1 BGB aber dennoch nicht an. 56

BAG NZA 2004, 435, 436 f. BAG NZA 2004, 435, 437. 58 So auch die Bewertung von Annuß/Hohenstatt NZA 2004, 420; Schmädicke/Glaser/Altmüller NZA-RR 2005, 393, 399. 59 BAGE 55, 117, 134 f.; BAG AP Nr. 72 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung, Bl. 929 Rs.; BAG ZInsO 2004, 1095, 1097; BAG NZA 2004, 477, 479. 60 BAG AP Nr. 42 zu § 111 BetrVG 1972, B. 1127 Rs. 57

§ 14 Stellungnahme

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A. Bei Ablehnung des Erfordernisses einer Führungsvereinbarung Sofern man die Führungsvereinbarung als Voraussetzung des gemeinsamen Betriebes ablehnt, ist die dogmatische Ausgangslage klar. Mangels rechtlicher Vereinbarung ist kein Raum für die Bildung einer BGB-Gesellschaft und folglich sind die §§ 728 Abs. 2 S. 1, 730 Abs. 1 BGB nicht anwendbar. Diese Meinung nimmt weiter für sich in Anspruch, die betriebliche Mitbestimmung und die Arbeitnehmerinteressen besser zu schützen. Eine solche Sicht der Dinge hat zunächst einmal den Vorteil, dass der Betrieb eines Unternehmens und der gemeinsame Betrieb in der Insolvenz absolut gleichbehandelt werden. Diese Gleichbehandlung erfolgt jedoch auf Kosten der unterschiedlichen Interessen der Unternehmen und, wie im vierten und fünften Kapitel zu zeigen sein wird, eines Teils der Arbeitnehmer. Daneben ist schon die Prämisse dieser Meinung stark angreifbar, da viel dafür spricht, dass das Erfordernis der Führungsvereinbarung unverzichtbar ist.61 Hier zeigt sich wiederum, dass die verschiedenen Grundmodelle des gemeinsamen Betriebes auch im Rahmen der Auflösung maßgeblich sind. Eine abschließende Bewertung dieses Ansatzes wird daher erst möglich sein, wenn die insolvenzspezifischen Einzelprobleme erörtert wurden.

B. Abstellen auf die tatsächlichen Umstände trotz Anerkennung der Führungsvereinbarung Der erste Senat des BAG62 und Richardi63 gehen ohne nähere Begründung davon aus, dass trotz des Erfordernisses einer Führungsvereinbarung die Insolvenz eines der am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen keine Auswirkung auf diesen habe. Während das BAG jedoch die Rechtsnatur der Führungsvereinbarung ausdrücklich offenlässt,64 gehört Richardi zu den entschiedensten Vertretern der Einordnung als BGB-Gesellschaft.65 Wie bereits ausgeführt will das BAG mit der Vermeidung einer Festlegung auf die Rechtsnatur nur potentielle Ausnahmefälle erfassen, rein praktisch ist von einer BGB-Innengesellschaft auszugehen. Dies gilt umso mehr, als der ers-

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Vgl. insoweit die Stellungnahme zu diesem Streit im zweiten Kapitel, S. 50 ff. AP Nr. 42 zu § 111 BetrVG 1972, Bl. 1127 Rs. 63 in Richardi, BetrVG, § 1 Rn 90, wobei Richardi die Insolvenz nicht einmal erwähnt, sondern von der Auflösung der BGB-Gesellschaft allgemein spricht. 64 BAG AP Nr. 42 zu § 111 BetrVG 1972, Bl. 1127 Rs. 65 Vgl. Richardi in Richardi, BetrVG, § 1 Rn 71. 62

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te Senat auch bei Zugrundelegung dieser Rechtsnatur der Führungsvereinbarung zum gleichen Ergebnis gelangt wäre.66 Ob eine dogmatisch tragfähige Begründung dieses Ansatzes möglich ist, erscheint zweifelhaft. Es überzeugt jedenfalls nicht, von einem Vorrang der §§ 111 ff. BetrVG gegenüber § 730 Abs. 1 BGB auszugehen, wie Trümner dies in seinem Kommentar zur Entscheidung des LAG Frankfurt67 vorschlägt.68 Gegen den Gedanken eines lex specialis Charakters der §§ 111 f. BetrVG gegenüber den § 730 Abs. 1 BGB spricht zunächst, dass ein entsprechender gesetzgeberischer Wille nicht erkennbar ist.69 Dies gilt umso mehr, als das Betriebsverfassungsrecht im Übrigen die gesellschaftsrechtlichen Vorgaben übernimmt.70 Das BetrVG ändert die Vermögensordnung nicht. Im Gegenteil sind die für die unternehmerische Betätigung zwingend festgelegten Rechts- und Organisationsformen auch für das BetrVG maßgeblich.71 Aufgrund der einschlägigen Regelungen des BGB fehlt es auch an der für eine richterliche Rechtsfortbildung erforderlichen Gesetzeslücke.72 Dabei verkennt die vorliegende Arbeit nicht, dass die Feststellung einer Gesetzeslücke kein kognitiver Akt ist, sondern eine Wertung des Feststellenden bedeutet.73 Jedoch bildet der insoweit eindeutige Wortlaut des § 730 Abs. 1 BGB „Nach der Auflösung der Gesellschaft findet in Ansehung des Gesellschaftsvermögens die Auseinandersetzung unter den Gesellschaftern statt [. . .]“ in jedem Fall die Grenze der gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung (praeter legem). Daneben ist anzumerken, dass diese Ansicht die praktische Relevanz der Führungsvereinbarung in Frage stellt. Diese soll bei der Entstehung des gemeinsamen Betriebes aus den tatsächlichen Umständen hergeleitet werden können. 66

BAG AP Nr. 42 zu § 111 BetrVG 1972, Bl. 1127 Rs. Urteil v. 17.07.2001, Az 4 Sa 491/00, BB 2002, 1422. 68 Trümner BB 2002, 1425, 1426. 69 So fehlen in der Begründung des Regierungsentwurfes zum BetrVG 1972 Ausführungen zur Betriebsänderung im gemeinsamen Betrieb, vgl. BT-Drucks. VI/1786, S. 54 f. Aber auch der Regierungsentwurf zur Reform des Betriebsverfassungsrechtes, der den gemeinsamen Betrieb in § 1 BetrVG den gemeinsamen Betrieb gesetzlich verankert hat, ist keine gesetzgeberische Entscheidung zu der Frage zu entnehmen, wie die Mitbestimmung nach § 111 BetrVG im Falle der Spaltung eines gemeinsamen Betriebes zu erfolgen hat, vgl. BT-Drucks. 14/5741, S. 33, 51 f. 70 Fitting, BetrVG, BetrVG, § 47 Rn 9 f.; Richardi in Richardi, BetrVG, § 1 Rn 8; Windbichler, Konzern, S. 285 f.; Löwisch RdA 1976, 35, 37. 71 BAGE 27, 359, 362; Richardi in Richardi, BetrVG, § 1 Rn 52; vgl. Fitting, BetrVG, § 1 Rn 144 ff.; allgemein zum sog. numerus clausus der Gesellschaftsformen K. Schmidt, GesR, § 5 II 1. a), S. 96 f. 72 Zu den Voraussetzungen der richterlichen Rechtsfortbildung vgl. BVerfGE 34, 269, 287 ff. (Soraya); Larenz, Methodenlehre, S. 370; Rüthers, Rechtstheorie, Rn 832 f. 73 Vgl. Canaris, Lücken, S. 17; Engisch, Einführung, S. 180 ff.; Rüthers, Rechtstheorie, Rn 834; Heck, AcP 112 (1914), 1, 161 ff. 67

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Auch bei der Auflösung des gemeinsamen Betriebes sollen allein die tatsächlichen Umstände entscheidend sein. Damit soll das für die Gründung des gemeinsamen Betriebes konstitutive Merkmal keine eigenständige Bedeutung für die Auflösung haben. Bei einem solchen Verständnis kommt der Führungsvereinbarung keinerlei praktische Bedeutung zu. Es wäre daher konsequenter, auf dieses Erfordernis völlig zu verzichten.74 Dies ließe sich zum Beispiel dadurch erreichen, dass man für den Bereich des Betriebsverfassungsgesetzes einen vom KSchG abweichenden Betriebsbegriff annimmt. Daran anknüpfend wäre es dann möglich, für das BetrVG auf die Führungsvereinbarung zu verzichten. Jedoch lässt sich der Entscheidung des ersten Senates v. 11.11.199775 kein so weitreichender Bruch mit der ständigen Rechtsprechung des BAG entnehmen.76 Da dieser Ansatz im Übrigen zu den gleichen Ergebnissen wie die erste Ansicht führt, wird er in der weiteren Darstellung außer Betracht gelassen.

C. Die These des siebten Senates – Identität des gemeinsamen Betriebes trotz Ausscheiden eines Unternehmens Einen völlig neuen Ansatz bildet demgegenüber die Entscheidung des siebten Senates vom 19.11.2003.77 Dieser spricht dem Ausscheiden eines der am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen jede Auswirkung auf den gemeinsamen Betrieb ab. Dies bedeutet in letzter Konsequenz, dass nur eine ausdrückliche Auflösung des gemeinsamen Betriebes im Sinne der §§ 111 ff. BetrVG diesen beenden kann. Der siebte Senat des BAG geht daher davon aus, dass die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines der zwei am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen und die darauf folgende vollständige Einstellung des Geschäftsbetriebes des Unternehmens die Identität des gemeinsamen Betriebes nicht berührt.78 Aufgrund dieser Identität sei auch der für den gemeinsamen Betrieb gewählte Betriebsrat weiterhin im Amt und für die Arbeitnehmer des verbleibenden Unternehmens zuständig.79 Der Senat begründet seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die Identität erhalten bleibe, wenn ein oder mehrere Unternehmen ihre bisherige betriebliche Tätigkeit unverändert fortset-

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So auch Annuß/Hohenstatt NZA 2004, 420, 421. BAG AP Nr. 42 zu § 111 BetrVG 1972. So auch die Einschätzung von Annuß/Hohenstatt NZA 2004, 420, 421. NZA 2004, 435. BAG NZA 2004, 435, 436 f. BAG NZA 2004, 435, 437.

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zen.80 Die einheitliche Leitung des gemeinsamen Betriebes ginge auf dieses Unternehmen über.81 Richtig an dieser Ansicht ist, dass das Mandat des Betriebsrates so lange bestehen bleibt, wie die Identität der betrieblichen Einheit, für die er gewählt wurde, andauert.82 Allein aus der Fortsetzung der bisherigen betrieblichen Tätigkeit durch ein oder mehrere Unternehmen kann sich jedoch keine Identität des Betriebes ergeben. I. Differenzierung zwischen eigenem und gemeinsamen Leitungsapparat Soweit der Senat davon ausgeht, die einheitliche Leitung des gemeinsamen Betriebes bestehe fort und gehe auf die oder das verbleibende Unternehmen über, geht diese Annahme fehl. Es besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen dem einheitlichen Leitungsapparat eines Betriebes und dem eines gemeinsamen Betriebes.83 Der Leitungsapparat des gemeinsamen Betriebes nimmt die ihm übertragenen wesentlichen Arbeitgeberfunktionen im personellen und sozialen Bereich einheitlich für alle am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen wahr.84 Da dem einheitlichen Leitungsapparat nur die wesentlichen Arbeitgeberfunktionen im personellen und sozialen Bereich übertragen werden, bleiben den einzelnen Unternehmen noch gewisse Funktionen zur eigenständigen Ausübung überlassen. Im übertragenen Bereich werden die Funktionen jedoch nicht mehr eigenständig vom Unternehmen, sondern einheitlich vom betrieblichen Leitungsapparat, der alle beteiligten Unternehmen vertritt, wahrgenommen. Scheidet ein beteiligtes Unternehmen aus dem gemeinsamen Betrieb aus, so kommt es nicht zu einem Übergang der einheitlichen Leitung. Dieses Unternehmen verlässt den gemeinsamen Betrieb vielmehr, um die bisher auf den einheitlichen Leitungsapparat übertragenen Funktionen wieder selbständig wahrnehmen zu können. Diese wiedererlangte Eigenständigkeit kann mitunter das Ziel der Betriebsspaltung sein. Das Ergebnis gilt jedoch auch dann, wenn die betrieblichen Aktivitäten insgesamt eingestellt werden sollen.85

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BAG NZA 2004, 435, 437. BAG NZA 2004, 435, 437. 82 BAG AP Nr. 12 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, Bl. 190; BAG BZA 2004, 435, 437; Reichold in ArbRKo, § 21 BetrVG Rn 1; Thüsing in Richardi, BetrVG, § 21a Rn 2. 83 Vgl. BAG ZInsO 2004, 1095, 1097; BAG NZA 2004, 477, 479. 84 BAGE 59, 319, 325; BAG AP Nr. 6 zu § 1 BetrVG 1972, Bl. 743 Rs.; Fitting, BetrVG, § 1 Rn 71; Richardi in Staudinger, BGB, Vorbem zu §§ 611 ff Rn 415; Peter DB 1990, 424, 425. 85 Vgl. BAG ZInsO 2004, 1095, 1097; BAG NZA 2004, 477, 479. 81

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II. Die Spaltung des gemeinsamen Betriebes – Auflösung oder Abspaltung Bisher wurde recht allgemein von der Spaltung des gemeinsamen Betriebes gesprochen. Daran ist richtig, dass die Spaltung eines Betriebes den Oberbegriff für eine gewisse Art von Veränderungen der betrieblichen Organisation bildet.86 Bei einer Spaltung wird die betriebliche Organisation derart verändert, dass ein Teil der bisherigen betrieblichen Einheit zukünftig separat, also außerhalb des bisherigen Betriebes geführt wird.87 Während der Vorgang grundsätzlich einheitlich zu beurteilen ist, so muss in Bezug auf die Folgen der Spaltung zwischen der „Ausgliederung eines Betriebsteiles“ und der „Auflösung des gemeinsamen Betriebes“ unterschieden werden.88 Bei der Ausgliederung wird ein Teil des bisherigen Betriebes herausgelöst und als neue Einheit selbständig fortgeführt, während der Betrieb im Übrigen unverändert fortbesteht.89 Dies setzt voraus, dass der Betrieb seine betriebsverfassungsrechtliche Identität, wenn auch um den ausgegliederten Teil vermindert, wahrt.90 Dazu ist bei einem gemeinsamen Betrieb notwendig, dass er weiterhin als Kooperation mehrerer Unternehmen fortbesteht.91 Die Identität kann daher nur gewahrt beleiben, wenn entweder mindestens drei Unternehmen am gemeinsamen Betrieb beteiligt sind und nur eines ausscheidet oder bei zwei Unternehmen eines nur einen Teil seiner eingebrachten Organisation herauslöst.92 Man wird jedoch in jedem Fall verlangen müssen, dass der herausgelöste Teil in Größe und arbeitstechnischer Bedeutung für den gemeinsamen Betrieb nicht wesentlich ist. Anderenfalls überzeugt es nicht, dass sich die Identität des gemeinsamen Betriebes in dem „unbedeutenden Rest“ fortsetzen soll.93 Demgegenüber führt die Auflösung dazu, dass der ursprüngliche Betrieb insgesamt seine Existenz verliert und in mehrere neue eigenständige Organisationen zerfällt.94 Eine solche Auflösung ist immer dann gegeben, wenn der bisherige Betrieb seine betriebsverfassungsrechtliche Identität verliert.95 86

Vgl. Gaul, Betriebsspaltung, § 2 Rn 6. Gaul, Betriebsspaltung, § 2 Rn 6; Kallmeyer ZIP 1994, 1746, 1748; vgl. Oetker in GK-BetrVG, § 111 Rn 103. 88 Gaul, Betriebsspaltung, § 2 Rn 11. 89 Gaul, Betriebsspaltung, § 2 Rn 7. Dabei ist keinesfalls notwendig, dass der herausgelöste Teil auch einen eigenständigen Betrieb bildet. Er kann auch in einen anderen Betrieb eingegliedert werden, mit einem anderen Betrieb zusammengelegt oder stillgelegt werden. Vgl. zu diesen Möglichkeiten unten § 28 C.II. 90 Gaul, Betriebsspaltung, § 28 Rn 58; vgl. Henssler NZA 1994, 294, 295. 91 Gaul, Betriebsspaltung, § 2 Rn 12 f.; § 28 Rn 60; vgl. LAG Nürnberg DB 1995, 1972. 92 Gaul, Betriebsspaltung, § 25 Rn 198, § 28 Rn 60. 93 Vgl. Gaul, Betriebsspaltung, § 28 Rn 61; Annuß/Hohenstatt NZA 2004, 420, 422. 87

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Dies vorausgesetzt, kann bei mehreren Unternehmen eines ausscheiden, ohne dass dies die Identität des Betriebes berühren muss. Sind dagegen nur zwei Unternehmen am gemeinsamen Betrieb beteiligt, müssen beide Rechtsträger zumindest einen Teil ihrer Abteilungen im gemeinsamen Betrieb belassen, damit dessen Identität unberührt bleibt.96 Andernfalls hat das vollständige Ausscheiden eines der am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen stets dessen Auflösung zur Folge.97 Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn es zum Betriebsübergang auf das verbleibende Unternehmen kommt, da dann in der Tat ein betriebsverfassungsrechtlich unbeachtlicher Betriebsinhaberwechsel vorläge.98 III. Leitungsapparat und Gesellschaftsrecht Dies spiegelt sich auch in der Zuständigkeit des gemeinsamen Leitungsapparates wieder. Wird die betriebliche Organisation von mehreren Unternehmen fortgeführt, so vertritt der einheitliche Leitungsapparat zukünftig nur noch die Unternehmen, welche sich weiter am gemeinsamen Betrieb beteiligen. Der nicht übertragene Bereich der Arbeitgeberfunktion bleibt gänzlich unberührt. Stellt jedoch ein Unternehmen seine betriebliche Aktivitäten vollständig ein und verbleibt nur ein Unternehmen im gemeinsamen Betrieb, so hört dieser schlicht auf zu existieren.99 Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn das andere Unternehmen den Leitungsapparat im Wege eines Betriebsüberganges übernimmt. Die Organisation bleibt dann in ihrer Gesamtheit erhalten und der Leitungsapparat nimmt dieselben Aufgaben wie zuvor wahr. In diesem Fall kann es dann keinen Unterschied machen, dass er zukünftig nur noch ein Unternehmen vertritt. Dieses Ergebnis wird auch durch das gesellschaftsrechtliche Schicksal der Führungsvereinbarung bestätigt. Spätestens im Zeitpunkt der vollständigen Stilllegung der Betriebsabteilungen eines Unternehmens scheidet dieses aus der Verpflichtung zur Aufrechterhaltung eines gemeinsamen betrieblichen Leitungs94

Gaul, Betriebsspaltung, § 2 Rn 8. Vgl. Gaul, Betriebsspaltung, § 2 Rn 8. 96 Gaul, Betriebsspaltung, § 2 Rn 13. 97 Vgl. BAG ZInsO 1095, 1097; NZA 2004, 477, 479; Gaul, Betriebsspaltung, § 28 Rn 60. Soweit Gaul, ebenda, § 28 Rn 61 dagegen auch in diesem Fall eine Ausgliederung für denkbar hält, soweit die Organisation eines der beteiligten Unternehmen an Größe so kann das wie im Folgenden gezeigt wird, nicht überzeugen. 98 Vgl. BAG AP Nr. 137 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 1535 Rs. f.; Fitting, BetrVG, § 111 Rn 50; Oetker in GK-BetrVG, § 111 Rn 52; Schweibert in W/H/S/S, Umstrukturierung, C Rn 79 f.; a. A. Däubler in D/K/K, § 111 Rn 102. Zum Betriebsübergang im gemeinsamen Betrieb vgl. unten § 23 B. 99 So auch Gaul, Betriebsspaltung, § 2 Rn 14: „. . . wird der gemeinsame Betrieb als besondere Form der Zusammenarbeit der beiden Rechtsträger beendet.“ 95

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apparates aus. Die Stilllegungsentscheidung des Unternehmens kann rechtstechnisch als konkludente Kündigung der Innengesellschaft verstanden werden. Wird jedoch die Führungsvereinbarung aufgelöst, so ist dies gleichbedeutend mit der Vollbeendigung, da bei einer Innengesellschaft keine Abwicklung stattfindet.100 Die in § 738 Abs. 1 S. 1 BGB vorgesehene Rechtsfolge der Anwachsung an die übrigen Gesellschafter ist dagegen nicht anwendbar. Die §§ 730 ff. BGB finden auf Innengesellschaften keine Anwendung, soweit sie Gesellschaftsvermögen voraussetzen.101 Eine Anwachsung erfordert jedoch zwingend das Vorhandensein von Gesellschaftsvermögen. Ein solches fehlt jedoch im Falle einer durch Führungsvereinbarung begründeten BGB-Innengesellschaft. Zu einem Übergang von Eigentum oder Verträgen kommt es nur, wenn die Unternehmen dafür eine gesonderte Rechtsgrundlage schaffen, etwa einen Betriebsübergang im Sinne des § 613a BGB vereinbaren. Wird der gemeinsame Betrieb lediglich von zwei Unternehmen gebildet, so ergibt sich nichts anderes. Der ersatzlose Wegfall des vorletzten Gesellschafters führt ebenfalls zur Auflösung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts.102 IV. Die Führungsvereinbarung als konstitutives Merkmal des gemeinsamen Betriebes – nur bei der Betriebsgründung Im Ergebnis steht die Entscheidung des siebten Senates damit in der dogmatischen Tradition der des ersten Senates vom 11.11.1997.103 Die Entscheidung hält zwar nominal am Erfordernis der Führungsvereinbarung fest. Letztendlich misst der Senat diesem Erfordernis jedoch keine konstitutive Bedeutung zu.104 Sofern man aber mit der bisher ständigen Rechtsprechung am Erfordernis einer Führungsvereinbarung festhält, ist aufgrund der Rechtsnatur der Vereinbarung die Anwendung des BGB-Gesellschaftsrechts zwingend. Führt dies in Einzelfällen zu ungerechten Ergebnissen, muss dieses Erfordernis insgesamt überdacht werden. Es ist jedoch nicht angängig, im Interesse der Einzelfallgerechtigkeit nominell an der Führungsvereinbarung festzuhalten und diesem Merkmal dann jede Bedeutung zu verweigern. Insoweit sieht sich die Entscheidung des siebten 100 Vgl. BGH NJW 1990, 573, 574; Stürner in Jauernig, BGB, § 705 Rn 24; Ulmer in MünchKomm BGB, § 730 Rn 12. 101 Vgl. Ulmer in MünchKomm BGB, § 705 Rn 285; K. Schmidt, GesR, § 44 II 1 a), S. 1304. 102 RGZ 163, 142, 149; BGH NJW 1981, 1956; Stürner in Jauernig, BGB, §§ 723– 728 Rn 3; Ulmer in MünchKomm BGB, § 705 Rn 60; K. Schmidt, GesR, § 58 I 1, S. 1689. 103 BAG AP Nr. 42 zu § 111 BetrVG 1972. 104 So auch die Einschätzung von Annuß/Hohenstatt NZA 2004, 420, 422.

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Senates den gleichen Bedenken ausgesetzt, wie sie auch gegen die des ersten Senates vom 11.11.1997 erhoben wurden. Für die Praxis bestünde zudem die fragwürdige Konsequenz, einen gemeinsamen Betrieb zwar konkludent gründen zu können, eine Spaltung jedoch stets nur ausdrücklich und erneut unter Beachtung der Beteiligungsrechte gem. § 111 f. BetrVG vornehmen zu können.105 Zu einer solchen Ausdehnung des Schutzes der Arbeitnehmer besteht aber kein Anlass, da der Betriebsrat ja bereits an der Stilllegungsentscheidung des Unternehmens zu beteiligen war. Der zu diesem Zeitpunkt für den gesamten gemeinsamen Betrieb zuständige Betriebsrat kann die Belange der Mitarbeiter im Rahmen dieses Beteiligungsverfahrens ausreichend wahrnehmen. Für einen weiteren Interessenausgleich oder Sozialplan besteht kein Bedürfnis. V. Zur Zuständigkeit des Betriebsrates für die stillgelegten Einheiten Im Übrigen verliert der bisherige einheitliche Leitungsapparat die Zuständigkeit für die stillgelegten Betriebseinheiten des anderen Unternehmens.106 Insoweit kommt lediglich ein Restmandat gem. § 21b BetrVG in Betracht, bis die endgültige Stilllegung erfolgt ist.107 Ist die Stilllegung vollständig umgesetzt worden, fehlt es an einer Organisationseinheit, innerhalb derer der einheitliche Leitungsapparat seine Funktionen für das liquidierte Unternehmen wahrnehmen kann. Damit wird aus dem gemeinsamen Leitungsapparat beider Unternehmen der alleinige Leitungsapparat des verbleibenden Unternehmens, welches weiter betriebliche Einheiten unterhält. Der gemeinsame Betrieb beider Unternehmen wird damit wieder zu einem Betrieb eines Unternehmens.108 VI. Begriff der Identität eines Betriebes Fraglich ist, ob der Betrieb des verbleibenden Unterhnehmens mit dem gemeinsamen Betrieb identisch ist. Was genau die Identität des Betriebes ausmacht, ist nicht geklärt.109 In Bezug auf den Betriebsübergang nach § 613a BGB wird die Identität des Betriebes durch die Identität der Verknüpfung von 105 Für eine Auflösung durch Beseitigung der Führungsvereinbarung auch Commandeur/Kleinebrink NZA-RR 2004, 449, 461. 106 Vgl. BAG ZInsO 2004, 1095, 1097; BAG NZA 2004, 477, 479. 107 Vgl. zum Übergangs- und Restmandat nach Auflösung eines gemeinsamen Betriebes Kapitel 5, S. 258 ff. 108 So auch BAG ZInsO 2004, 1095, 1097; BAG NZA 2004, 477, 479, für den Fall der Stilllegung aller einem Unternehmen zuzuordnenden Betriebsteile im gemeinsamen Betrieb zweier Unternehmen. 109 Vgl. Hohenstatt in W/H/S/S, Umstrukturierung, D Rn 68; Annuß/Hohenstatt NZA 2004, 420, 421; vgl. Gaul, Betriebsspaltung, § 2 Rn 14, der eine Prüfung anhand des Einzelfalles fordert.

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Betriebsmitteln und Betriebszweck charakterisiert.110 Innerhalb derselben wirtschaftlichen Einheit müsse der Erwerber mit denselben sächlichen und personellen Betriebsmitteln auch künftig demselben Betriebszweck nachgehen.111 Dies setzt voraus, dass der Erwerber die bestehenden prägenden Organisationsstrukturen übernimmt.112 Kommt es zu einem Betriebsübergang auf das oder die verbleibenden Unternehmen, wäre die Identität des Betriebes also gewahrt, da der Inhaberwechsel insoweit keine Auswirkungen hat.113 Dies würde jedoch voraussetzen, dass das Unternehmen sächliche und personelle Mittel des ausscheidenden Rechtsträgers so übernimmt, dass er die alleinige Verfügungsmacht an diesen erlangt.114 Führt es den Betrieb hingegen nur mit seinen bisherigen eigenen Mitteln zur Erfüllung seiner Aufträge fort, so scheidet ein Betriebsübergang aus.115 Dies gilt umso mehr, als das ausscheidende Unternehmen seinen Betrieb vollständig stillgelegt hat. Betriebsübergang und Betriebsstilllegung stehen jedoch zueinander in einem Ausschließlichkeitsverhältnis.116 Im Übrigen kann diese Umschreibung der Betriebsidentität für das Betriebsverfassungsrecht nur bedingt übernommen werden. Anders als im Rahmen der Übertragung einer Organisation auf einen Erwerber geht es nicht um eine wirtschaftliche Einheit, sondern um den einem Betriebsrat zugewiesenen Repräsentationsbereich. Deswegen muss die Identität des Betriebes vornehmlich aus den Kriterien entwickelt werden, welche für seine Konstitution ausschlaggebend sind.117 Maßgeblich für die Bildung eines Betriebes ist jedoch allein die Einheit der Organisation, welche durch einen einheitlichen Leitungsapparat begründet wird.118 Entscheidend für die Repräsentation durch den Betriebsrat ist dabei, dass der Kern der beteiligungspflichtigen Arbeitgeberfunktionen im personellen und sozialen Bereich von diesem Leitungsapparat ausgeübt werden.119 Nur so lässt sich gewährleisten, dass die Beteiligung der Arbeitnehmer auf der Ebene

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Willemsen in ArbRKo, § 613a BGB Rn 89; ErfKO-Preis, § 613a BGB Rn 6. Willemsen in ArbRKo, § 613a BGB Rn 89; ErfKO-Preis, § 613a BGB Rn 6. 112 BAG AP Nr. 165 zu § 613a BGB, Bl. 71 Rs.; Willemsen in ArbRKo, § 613a BGB Rn 89; ErfKO-Preis, § 613a BGB Rn 6. 113 Vgl. BAG AP Nr. 137 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 1536; Fitting, BetrVG, § 111 Rn 50; Oetker in GK-BetrVG, § 111 Rn 52; Schweibert in W/H/S/S, Umstrukturierung, C Rn 79 f. 114 LAG Frankfurt NZA-RR 1998, 242, 243; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 261; Gaul, Betriebsspaltung, § 9 Rn 14. 115 LAG Frankfurt NZA-RR 1998, 242, 243; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 261. 116 BAG AP Nr. 74 zu § 613a BGB, Bl. 831 Rs.; Fitting, BetrVG, § 111 Rn 67. 117 Hohenstatt in W/H/S/S, Umstrukturierung, D Rn 69. 118 BAG AP Nr. 3 zu § 4 BetrVG 1972, Bl. 981; AP Nr. 7 zu § 1 BetrVG 1972, Bl. 747; Richardi in Richardi, BetrVG, § 1 Rn 27. 119 BAGE 59, 319, 325; BAG AP Nr. 6 zu § 1 BetrVG 1972, Bl. 743 Rs.; Richardi in Staudinger, BGB, Vorbem zu §§ 611 ff Rn 415, 417; Peter DB 1990, 424, 425. 111

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erfolgt, auf der die für sie relevanten Entscheidungen getroffen werden.120 Dies bedeutet, dass der für den Betriebsrat maßgebliche Repräsentationsbereich durch die Organisationsentscheidungen des Arbeitgebers beeinflusst wird. Erforderlich ist daher, dass der installierte Leitungsapparat tatsächlich die relevanten Entscheidungen trifft. Die Verfolgung eines einheitlichen Betriebszwecks im Betrieb ist demgegenüber nicht erforderlich.121 Es steht der Annahme eines einheitlichen Betriebes nicht entgegen, wenn in einem Betrieb gleichzeitig mehrere verschiedene Betriebszwecke verfolgt werden.122 Dies hat auch der siebte Senat in einem früheren Urteil ausdrücklich anerkannt.123 Eine Änderung des Betriebszweckes lässt den Bestand des Betriebes unberührt, wenn die Organisationseinheit erhalten bleibt.124 Dementsprechend lässt sich der fortgesetzten Verfolgung des bisherigen Betriebszweckes nichts über die Identität des gemeinsamen Betriebes entnehmen. Dies gilt umso mehr, als keinesfalls erforderlich ist, dass die am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen einen einheitlichen Betriebszweck verfolgen oder solche Zwecke, die in einem funktionalen Zusammenhang stehen müssen.125 Es erscheint jedoch widersprüchlich, dass der einheitliche Betriebszweck bei der Auflösung des gemeinsamen Betriebes im Gegensatz zur Gründung ausschlaggebend sein soll. Dass in dem Teil des gemeinsamen Betriebes, welcher dem zweiten Unternehmen zuzuordnen ist, der bisherige Betriebszweck weiterverfolgt wird, belegt allein, dass dieser Teil seine Identität wahrt. VII. Änderung der Organisationsstrukturen Dieser Betriebteil übernimmt jedoch keinesfalls die im gemeinsamen Betrieb bestehenden Organisationsstrukturen. Wie dargelegt, wird die bisherige gemeinsame Leitungsorganisation zukünftig nur für ein Unternehmen zuständig sein. Da es insoweit nicht zu einem Übergang von sächlichen oder personellen Betriebsmitteln kommt,126 hören die Organisationsstrukturen der Abteilungen, wel120 Fitting, BetrVG, § 1 Rn 72; Kraft/Franzen in GK-BetrVG, § 1 Rn 36; Breitfeld in Praxishandbuch BetrV, Kapitel 1, Rn 9; Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 9; Franzen, ZfA 2000, 285, 288. 121 Die unveränderte Fortführung desselben Betriebszweckes ist jedoch das Hauptargument des siebten Senates, vgl. BGA NZA 2004, 435, 436; Gaul in Gaul, Aktuelles AR, I/2004, S. 185. 122 BAG AP Nr. 1 zu § 1 BetrVG 1972, Bl. 150 Rs.; AP Nr. 3 zu § 4 BetrVG 1972, Bl. 981; AP Nr. 4 zu § 23 KSchG 1969, Bl. 925 Rs.; AP Nr. 9 zu § 1 BetrVG 1972, Bl. 707 Rs.; Richardi in Richardi, BetrVG, § 1 Rn 24; Joost, Betrieb und Unternehmen, S. 16. 123 BAG AP Nr. 4 zu § 23 KSchG 1969, Bl. 925 Rs. 124 BAG AP Nr. 3 zu § 4 BetrVG 1972, Bl. 981; Richardi in Richardi, BetrVG, § 1 Rn 26. 125 BAG NZA 1986, 600, 601 f.; BAG NZA 2001, 831; Gaul in Gaul, Aktuelles AR, I/2004, S. 175.

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che dem liquidierten Unternehmen zugeordnet waren, schlicht auf zu existieren. Insoweit ist der einheitliche Leitungsapparat nicht mehr zuständig. Da aber die Leitungsmacht konstituierend für den Betrieb ist, müssten diese Organisationsstrukturen übernommen werden, um von einer Identität des Betriebes sprechen zu können. Dabei kommt es jedoch nicht darauf an, dass formal die gleiche Betriebsführung, im Fall einer Personenidentität sogar dieselbe Person, jetzt nur noch für weniger Arbeitnehmer zuständig ist, sondern darauf, wen diese Betriebsführung vertritt. Beim reinen Personalabbau innerhalb des Betriebes bleiben die betriebliche Organisation und die Arbeitnehmer unverändert einem Unternehmen zugeordnet. Beim gemeinsamen Betrieb stellt sich dies jedoch anders dar. Allein durch den einheitlichen Leitungsapparat werden die verschiedenen Unternehmen zugeordneten Organisationseinheiten und Arbeitnehmer zu einem Betrieb zusammengefasst. Allein die einheitliche Zuständigkeit einer Betriebsführung macht aus den Untergliederungen einen gemeinsamen Betrieb. Legt nun ein Unternehmen seine betrieblichen Abteilungen insgesamt still, so fehlt insoweit das Objekt, in welchem der Leitungsapparat tätig wurde. Da aber gerade das einheitliche Mandat der Betriebsführung für den gemeinsamen Betrieb konstitutiv ist, muss dieser mit dem Ende der Zuständigkeit seine Identität verlieren. Die Identität des übrigbleibenden Betriebes ist somit von der des gemeinsamen Betriebes verschieden.127 Dies lässt sich auch mit dem Zweck des BetrVG vereinbaren, einen Repräsentationsbereich für die Arbeitnehmer zu schaffen. Der an die Zuständigkeit des Leitungsapparates gebundene Repräsentationsbereich des Betriebsrates fällt durch die Stilllegung der Betriebsabteilungen weg. Übrig bleibt nur noch der dem zweiten Unternehmen zuzuordnende Bereich. In diesem werden die Entscheidungen jedoch nicht mehr einheitlich vom gemeinsamen betrieblichen Leitungsapparat getroffen, sondern allein vom verbleibenden Unternehmen. Es liegt also nicht nur eine bloße Veränderung der Betriebsführung vor,128 sondern eine Änderung der Organisationseinheit von einem gemeinsamen Betrieb zum Betrieb eines Unternehmens. Aus diesem Grund ist die Stilllegung sämtlicher einem Unternehmen zuzurechnenden Betriebsteile im gemeinsamen Betrieb anders zu beurteilen als die Stilllegung einer Betriebsabteilung im Betrieb eines Unternehmens. Dies zeigt bereits folgende Gegenüberlegung. Hätte das ausscheidende Unternehmen seine Betriebsorganisation nicht stillgelegt, sondern getrennt von der des anderen Unternehmens weitergeführt, so hätte die bisherige einheitliche Leitung nach der Senatsentscheidung auf beide Unternehmen übergehen müs126 So auch Gaul, Betriebsspaltung, § 9 Rn 5. Dies muss, anders als in dem vom BAG entschiedenen Fall, nicht immer zutreffen. Zum grundsätzlich möglichen Betriebsübergang im gemeinsamen Betrieb siehe unten § 23 B. 127 Vgl. BAG ZInsO 2004, 1095, 1097; BAG NZA 2004, 477, 479. 128 So aber BAG NZA 2004, 435, 437. Dies wäre jedoch nur zutreffend, wenn die Betriebsidentität aufgrund eines Betriebsübergangs nach § 613a BGB erhalten bliebe.

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sen. Dies würde aber überspitzt gesagt bedeuten, dass eine Spaltung des gemeinsamen Betriebes nicht möglich sei. Es ist jedoch allgemein anerkannt, dass ein gemeinsamer Betrieb nach § 111 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 BetrVG in zwei selbständige Betriebe gespalten werden kann.129 Daher ist davon auszugehen, dass der siebte Senat im Falle einer Fortführung der Betriebsorganisation durch das andere Unternehmen nicht von einer Identität der Betriebe ausgegangen wäre, sondern ein Übergangsmandat gem. § 21a BetrVG angenommen hätte.130 Es ist jedoch nicht ersichtlich, wieso die Frage der Betriebsidentität in den erläuterten Fällen unterschiedlich beurteilt werden soll. VIII. Anwendungsbereich des Übergangsmandats gem. § 21a BetrVG Im Übrigen geht auch der Gesetzgeber davon aus, dass die Gründung eines gemeinsamen Betriebes zu einer Änderung der Identität der bisherigen Einzelbetriebe oder Betriebsabteilungen führt. Das Übergangsmandat nach § 21a Abs. 2 BetrVG soll gerade im Fall der Gründung eines gemeinsamen Betriebes eingreifen.131 Da ein Übergangsmandat jedoch nur in Betracht kommt, wenn die bisherigen Einheiten ihre Identität verlieren,132 muss dies nach der Vorstellung des Gesetzgebers bei der Gründung eines gemeinsamen Betriebes der Fall sein. IX. Mangelnde Berücksichtigung der Größenverhältnisse Schließlich lässt der siebte Senat in dem entschiedenen Fall außer Acht, dass das ausgeschiedene Unternehmen zehnmal so viele Beschäftigte zählte wie das verbleibende.133 Selbst wenn man mit Gaul134 auch im gemeinsamen Betrieb zweier Unternehmen eine Ausgliederung für möglich hält, ohne dass es zu einem Betriebsübergang kommt, so hätte die Identität von der größeren Einheit gewahrt werden müssen. Diese ist jedoch mit der Stilllegung untergegangen. Die Identität eines Betriebes kann sich jedoch denknotwendig nicht in zwei Organisationen fortsetzen,135 so dass dies auch das Ende des gemeinsamen Betrie129

Däubler in D/K/K, BetrVG, § 111 Rn 76; Gaul NZA 2003, 696. So auch Annuß/Hohenstatt, NZA 2004, 420, 421. 131 Vgl. Reichold in ArbRKo, § 21a BetrVG Rn 9; Worzalla in H/S/W/G, BetrVG, § 21a Rn 10. 132 Vgl. Kreutz in GK-BetrVG, § 21a Rn 7; Thüsing in Richardi, BetrVG, § 21a Rn 2; sowie unten § 28 C.II. 133 Vgl. BAG NZA 2004, 435. 134 Betriebsspaltung, § 28 Rn 61. 135 Hohenstatt in W/H/S/S, Umstrukturierung, E Rn 17; Hohenstatt/Müller-Bonanni NZA 2003, 766, 770. 130

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bes bedeutet hätte. Auch erscheint es grundsätzlich zweifelhaft, eine so umfangreiche Personalreduzierung als folgenlos für die Organisation einzustufen.136 Auch wenn die bloße Zahl der Arbeitnehmer für den Betrieb nicht konstitutiv ist, wird die Identität eines Betriebes von einer so umfangreichen Einschränkung wohl nicht völlig unberührt bleiben.137 X. Ergebnis Der bestehende Widerspruch der Rechtsprechung des zweiten und des siebten Senates ließe sich nur dadurch auflösen, dass für das Betriebsverfassungsrecht ein vom KSchG abweichender Betriebsbegriff vertreten wird. Eine so weitreichende Aussage lässt sich dem Urteil jedoch nicht entnehmen. Im Übrigen lag der Entscheidung eine Kündigungsschutzklage, gestützt auf eine Verletzung des § 102 BetrVG zu Grunde. Aufgrund dieser engen Verknüpfung zum KSchG hätte ein abweichender Betriebsbegriff einer ausdrücklichen Klarstellung bedurft.138 Damit ist die These des siebten Senates abzulehnen. Vielmehr ist mit dem ersten und zweiten Senat daran festzuhalten, dass der gemeinsame Betrieb zweier Unternehmen seine Identität einbüßt, wenn ein Unternehmen seine Betriebsorganisation stillgelegt und so aus dem Betrieb ausscheidet.139 Der Ansatz des zweiten Senats wird im weiteren Verlauf der Arbeit daher nicht weiter behandelt.

D. Bei Einordnung der Führungsvereinbarung als BGB-Gesellschaftsvertrag Sofern man das Erfordernis einer Führungsvereinbarung anerkennt, kommt es, da diese regelmäßig eine BGB-Innengesellschaft herbeiführt, zur Anwendung des Rechtes der BGB-Gesellschaft. Damit unterscheidet sich der gemeinsame Betrieb vom Betrieb eines Unternehmens, da er ein zusätzliches rechtliches Element enthält.

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Annuß/Hohenstatt NZA 2004, 420, 421. Annuß/Hohenstatt NZA 2004, 420, 421. 138 Nur ergänzend sei hier erwähnt, dass eine differenzierende Begrifflichkeit keinesfalls eine tragfähige Lösung für die durch den gemeinsamen Betrieb aufgeworfenen Fragestellungen bietet. Vielmehr ist wie das vierte und fünfte Kapitel zeigen werden der Fortbestand des gemeinsamen Betriebes sowohl betriebsverfassungsrechtlich, als auch kündigungsschutzrechtlich problematisch. Insoweit ist eine einheitliche Lösung notwendig. 139 BAG AP Nr. 72 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, Bl. 929 Rs.; BAG AP Nr. 42 zu § 111 BetrVG 1972, Bl. 1127 Rs.; BAG ZInsO 2004, 1095, 1097; BAG NZA 2004, 477, 479. 137

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I. Mitbestimmungspflichtigkeit der einzelnen Auflösungstatbestände Aus der Anwendung des BGB-Gesellschaftsrechts ergibt sich jedoch keineswegs die sofortige Auflösung des gemeinsamen Betriebes in jeder Situation. Vielmehr muss auf der Grundlage der §§ 723 ff. BGB danach differenziert werden, ob die Auflösung der Gesellschaft durch mitbestimmungsfreie Handlungen unternehmensfremder Dritter veranlasst wird oder ob die Auflösung auf dem Entschluss eines oder mehrerer Gesellschafter beruht. Nur im letzteren Fall ist ein unternehmerisches Handeln gegeben, an das die Mitbestimmung nach § 111 BetrVG anknüpfen kann. Untersucht man die Auflösungsgründe der §§ 723 ff. BGB, so lässt sich auf dieser Grundlage folgendes feststellen. 1. Kündigung der Gesellschaft Ein freier Willensentschluss der Gesellschafter ist im Fall einer Kündigung der Gesellschaft nach §§ 723, 724 BGB stets gegeben. Die Kündigung einer Gesellschaft setzt wie die Kündigung eines jeden Dauerschuldverhältnisses eine Willenserklärung des Kündigenden voraus. Die Abgabe dieser Willenserklärung beruht auf dem freien Willensentschluss des Erklärenden und bietet insoweit den benötigten Anknüpfungspunkt für das Eingreifen der Mitbestimmung nach § 111 BetrVG. Die Motivationslage, aus der heraus die Kündigungserklärung abgegeben wird, ist für das Eingreifen der Mitbestimmung wie gezeigt irrelevant. Etwas anderes könnte bei der Kündigung nach § 725 BGB gelten, da hier nicht der Gesellschafter, sondern sein Gläubiger die Gesellschaft kündigt. Eine solche Kündigung setzt jedoch die Pfändung des Gesellschaftsanteils durch den Gläubiger voraus. Dabei ist zu beachten, dass § 725 BGB kein Gesellschaftsvermögen voraussetzt und daher auch auf eine vermögenslose Innengesellschaft anzuwenden ist.140 Dies ergibt sich daraus, dass Gegenstand der Pfändung nicht der Anteil am Gesellschaftsvermögen, sondern die Mitgliedschaft als solche ist.141 Jedoch ist eine Pfändung der Mitgliedschaft nur dann sinnvoll, wenn diese einen Vermögenswert darstellt. Da die Führungsvereinbarung sich auf die Aufrechterhaltung des gemeinsamen Betriebes beschränkt, kommt der Mitgliedschaft in diesem Fall kein finanzieller Wert zu. Da der Betrieb keine Rechtsträgerqualität besitzt und somit weder Schuldner noch Gläubiger sein kann, wer140 Timm/Schöne in Bamberger/Roth, BGB, § 725 Rn 2; Ulmer in MünchKomm BGB, § 725 Rn 2; Habermeier in Staudinger, BGB, § 725 Rn 5. 141 Ulmer in MünchKomm BGB, § 725 Rn 10; Habermeier in Staudinger, BGB, § 725 Rn 7; anders noch BGHZ 97, 392, 394.

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den allein durch die Errichtung des gemeinsamen Betriebes in der Regel keine finanziellen Ausgleichsansprüche unter den Unternehmen begründet. Die finanziellen Folgen der gemeinsamen Betriebsorganisation unterliegen vielmehr gesonderten Vereinbarungen zwischen den Unternehmen, so dass es für einen Gläubiger einfacher wäre diese Forderungen zu pfänden, als den Umweg über § 725 BGB zu suchen. In der Praxis spielt die Kündigung nach § 725 BGB für den gemeinsamen Betrieb daher keine Rolle. 2. Sonstige Auflösungsgründe Die sonstigen Kündigungsgründe normieren sämtlich Auflösungsgründe, welche vom Eintritt sonstiger Ereignisse und nicht vom Willen der Gesellschafter abhängen, so dass ein Anknüpfungspunkt für ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 111 BetrVG in der Regel fehlt. Dies zeigt sich besonders plastisch im Fall des § 727 Abs. 1 BGB, der Tod eines Gesellschafters ist nicht als unternehmerische Maßnahme zur Betriebsänderung zu verstehen. Soweit aus den bisherigen Urteilen des BAG ersichtlich, wird ein gemeinsamer Betrieb in aller Regel von Handelsgesellschaften und juristischen Personen gebildet, so dass der Auflösungsgrund des § 727 Abs. 1 BGB keine praktische Bedeutung für die Führungsvereinbarung hat. Gleiches gilt für § 726 BGB, welcher die Auflösung für den Fall anordnet, dass die Erreichung des Gesellschaftszweckes unmöglich wird. Da die bloße Unrentabilität noch keine Unmöglichkeit bedeutet,142 bleibt dieser Auflösungsgrund im wesentlichen dem Bereich der Lehrfälle vorbehalten. Demgegenüber hat die Auflösung nach § 728 Abs. 2 BGB durchaus einen praktisch relevanten Anwendungsbereich, der sich allein aus der ergangenen Rechtsprechung des BAG ergibt.143 Eine Beteiligung des Betriebsrates an der Entscheidung des Insolvenzgerichtes ist offensichtlich nicht möglich. Da die Auflösung aufgrund der Entscheidung des Insolvenzgerichts erfolgt, das Insolvenzverfahren zu eröffnen, ist ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nicht gegeben. Jedoch muss festgehalten werden, dass nur die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die BGB-Gesellschaft auflöst. Deren Schicksal in den sonstigen denkbaren Verfahrenskonstellationen muss differenziert betrachtet werden.

142 Timm/Schöne in Bamberger/Roth, BGB, § 726 Rn 7; Ulmer in MünchKomm BGB, § 726 Rn 5. 143 Mangels Gesellschaftsvermögens ist die BGB-Innengesellschaft nicht insolvenzfähig, so dass eine Auflösung nach § 728 Abs. 1 BGB ausscheidet, vgl. oben § 11 C.

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II. Beteiligung des Betriebsrates vor Stellung des Insolvenzantrages Da die Entscheidung des Insolvenzgerichtes nach dieser Auffassung unmittelbar zur Auflösung des gemeinsamen Betriebes führt, ließe sich vertreten, dass eine Beteiligung des Betriebsrates vor der Stellung des Insolvenzantrags durch das Unternehmen notwendig ist. Da eine Beteiligung an der gerichtlichen Entscheidung selbst ausgeschlossen ist, wäre eine Beteiligung an dem diese Entscheidung veranlassenden Insolvenzantrag nicht von vornherein unangemessen. Eine sachgerechte Lösung muss daher beim Gegenstand der Beteiligungsrechte der §§ 111 ff. BetrVG ansetzen. 1. Notwendigkeit unternehmerischen Handelns Gegenstand des Mitbestimmungsrechtes gem. § 111 BetrVG sind vom Unternehmer geplante Betriebsänderungen. Früher war umstritten, ob das Mitbestimmungsrecht nur bei freien Entschlüssen des Unternehmers greift oder auch, wenn dieser in Reaktion auf wirtschaftliche oder tatsächliche Umstände den Betrieb ändern muss.144 Teilweise wurde unter Berufung auf den Wortlaut des § 111 S. 1 BetrVG „geplante Betriebsänderungen“ vertreten, dass die §§ 111 f. BetrVG im Konkurs keine Anwendung fänden, da die Stilllegung der Betriebe des insolventen Unternehmens nicht auf einer freien Entscheidung beruhen, sondern bloße Folge der Unternehmensliquidation seien.145 Gegen diese Argumentation ist jedoch mit dem BAG146 die Entstehungsgeschichte des § 111 BetrVG anzuführen. Im Regierungsentwurf war ein einschränkender zweiter Absatz enthalten, nach dem ein Mitbestimmungsrecht ausscheiden sollte, wenn die Betriebsänderungen „durch nicht geplante Einschränkungen der Beschäftigungsmöglichkeiten im Betrieb, insbesondere auf Grund einer Veränderung der Auftragslage oder der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens bedingt sind.“147 Diese Einschränkung ist jedoch auf Veranlassung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung aus dem Entwurf gestrichen worden.148 Dementsprechend hat das BAG dem Merkmal „geplante Betriebsänderung“ eine rein zeitliche Bedeutung zugemessen.149 Durch die Formulierung solle lediglich sichergestellt werden, dass der Betriebsrat schon in einer möglichst frühen Phase beteiligt werden solle, nämlich vor der Umsetzung der Betriebsänderung.150 Aufgrund 144

Ausführlich zu dieser Willemsen, Arbeitnehmerschutz, S. 68 ff. Vgl. Müller KTS 1974, 69 f.; Ritze BB 1976, 325, 327; Uhlenbruck BB 1973, 1360, 1362. 146 AP Nr. 1 zu § 113 BetrVG 1972, Bl. 32 f. 147 Vgl. BT-Drucks. VI/1786, S. 23, 54. 148 Vgl. BT-Drucks. VI/2729, S. 52; Willemsen, Arbeitnehmerschutz, S. 68. 149 Ebenso Willemsen, Arbeitnehmerschutz, S. 68. 145

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der Rechtslage nach Inkrafttreten der InsO hat das Insolvenzverfahren nicht notwendigerweise die Zerschlagung des Unternehmens zur Folge. Damit entfällt schon der behauptete Kausalzusammenhang zwischen Verfahrenseröffnung und Betriebstilllegung. Trotzdem zeigen die Materialien und die erwähnte Rechtsprechung einen wichtigen Punkt auf.151 Die Betriebsänderung muss die Folge eines unternehmerischen Entschlusses sein, der Unternehmer muss Maßnahmen durchführen wollen, welche eine Betriebsänderung i. S. d. § 111 BetrVG bedeuten. Dies setzt eine Entscheidung des Unternehmens voraus, welche sich auf den konkreten Betrieb als arbeitstechnische Einheit auswirkt.152 Unbeachtlich ist dabei, aus welcher Motivationslage heraus der Entschluss gefasst wurde. Ein irgendwie geartetes Handeln des Unternehmers ist aber stets erforderlich.153 Dies lässt sich weiter mit dem Charakter des Interessenausgleichs begründen. Dieser enthält eine Vereinbarung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber über das ob, wann und wie der Betriebsänderung.154 Eine solche Vereinbarung kann jedoch sinnvoll nur mit demjenigen getroffen werden, welcher über die Gegenstände des Interessenausgleichs entscheidet. Demzufolge setzt ein Interessenausgleich nicht nur voraus, dass der Arbeitgeber die entsprechenden Maßnahmen noch nicht getroffen hat, sondern auch, dass er grundsätzlich über diese entscheiden kann. Das heißt aber in der Konsequenz, dass in den Fällen, in denen eine Betriebsänderung ohne Unternehmerhandeln eintritt, eine Beteiligung des Betriebsrates und ein Interessenausgleich sinnlos wäre. Dementsprechend ist in diesen Fällen kein Beteiligungsrecht gem. §§ 111 ff. BetrVG gegeben. 2. Mitbestimmung bei Auflösung einer BGB-Gesellschaft Überträgt man dieses Ergebnis nun auf die im BGB vorgesehenen Auflösungsgründe für BGB-Gesellschaften, so müssen zwei Arten von Gründen unterschieden werden. Neben der willentlichen Auflösung der Gesellschaft etwa durch Kündigung gem. § 723 BGB finden sich auch Regelungen, welche die Auflösung als gesetzliche Rechtsfolge unabhängig vom Willen der Gesellschafter festschreiben, etwa die Auflösung wegen des Todes eines Gesellschafters 150 BAG AP Nr. 1 zu § 113 BetrVG 1972, Bl. 32 Rs.; seitdem ständige Rechtsprechung. 151 Der Regierungsentwurf zum BetrVG knüpft die Mitbestimmung in BT-Drucks. VI/1786, S. 54 davon „ob und in welchem Umfang durch unternehmerische Maßnahmen Arbeitnehmer eines Betriebes . . .“. 152 Willemsen, Arbeitnehmerschutz, S. 28. 153 Vgl. Däubler in D/K/K, BetrVG, § 111 Rn 3; Hess in H/S/W/G, BetrVG, § 111 Rn 1, die von Maßnahmen des Arbeitgebers reden. 154 Schweibert in W/H/S/S, Umstrukturierung, C Rn 127; Willemsen, Arbeitnehmerschutz, S. 25.

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nach § 727 Abs. 1 BGB. In diesen Fällen haben die Gesellschafter sich nicht selbst zur Auflösung entschlossen, sondern der Gesetzgeber ordnet diese an. In Bezug auf die Mitbestimmung bei der Beendigung der Führungsvereinbarung nach § 111 BetrVG bedeutet diese Unterscheidung, dass für unternehmerisches Handeln nur dann Raum ist, wenn die Auflösung der Gesellschaft auf dem Willen eines oder mehrerer Gesellschafter beruht. Demzufolge sind die §§ 111 f. BetrVG nur einschlägig, wenn die Auflösung die Rechtsfolge von Handlungen der Gesellschafter ist. Tritt diese Rechtsfolge nicht aufgrund solcher Handlungen, sondern aufgrund anderer Ereignisse oder Handlungen Dritter ein, so ist für unternehmerische Maßnahmen und demnach auf für Mitbestimmung des Betriebsrates kein Raum. Im Falle der Insolvenz tritt dies klar zu Tage. Die Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegt gem. § 27 Abs. 1 InsO beim Insolvenzgericht. Dass das Gericht in seiner Entscheidung nur an Recht und Gesetz und nicht an die Mitbestimmung des Betriebsrates gebunden ist, ist offensichtlich.155 Als Rechtsfolge des Eröffnungsbeschlusses sieht § 728 Abs. 2 S. 1 BGB die Auflösung der BGB-Gesellschaft vor. Damit führt die Eröffnung also in diesem Fall den vorstehenden Ausführungen zufolge zu einer Spaltung des gemeinsamen Betriebes. Die Betriebsspaltung wird in § 111 S. 3 Nr. 3 BetrVG ausdrücklich als Betriebsänderung genannt. Adressat der Interessenausgleichpflicht nach § 111 S. 1 BetrVG ist aber allein der Unternehmer und nicht das Insolvenzgericht. Erforderlich ist also eine Maßnahme eines am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmens. Das Insolvenzverfahren wird gem. § 13 Abs. 1 S. 1 InsO nur auf Antrag eingeleitet. Antragsberechtigt sind die Gläubiger oder der Schuldner selbst, § 13 Abs. 1 S. 2 InsO. Allein der Eigenantrag des Schuldnerunternehmens könnte als unternehmerische Maßnahme i. S. d. § 111 BetrVG aufgefasst werden. Nach allgemeiner Auffassung ist jedoch der Eigenantrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens keine interessenausgleichpflichtige Maßnahme i. S. d. § 111 BetrVG.156 Dies wird vor allem damit begründet, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens selbst keine Betriebsänderung i. S. d. § 111 BetrVG darstellt. Darüber hinaus ist der Arbeitgeber für die im Anschluss an die Eröffnung eventuell erfolgenden Betriebsänderungen gem. § 80 Abs. 1 InsO nicht mehr zuständig, diese werden durch den noch zu bestellenden Insolvenzverwalter durchgeführt.157 155 Vgl. Annuß in Richardi, BetrVG, § 111 Rn 36; Willemsen in W/H/S/S, Umstrukturierung, Kap. B Rn 68; ders. Arbeitnehmerschutz, S. 33, 64, mit FN 38. 156 Fitting, BetrVG, BetrVG, § 111 Rn 39; Annuß in Richardi, BetrVG, § 111 Rn 36; Willemsen in W/H/S/S, Umstrukturierung, Kap. B Rn 67. 157 Willemsen in W/H/S/S, Umstrukturierung, Kap. B Rn 68; als Beispiel sei das Urteil des ArbG Berlin vom 21. Januar 2005 (Az.: 28 Ca 25419/04) genannt. Das ArbG geht von einem auf einen Betriebsteil beschränkten gemeinsamen Betrieb aus,

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Diese Begründung kann so pauschal nicht aufrechterhalten werden, wenn die Führungsvereinbarung als BGB-Innengesellschaft verstanden wird. Für den vorliegenden Fall des Eigenantrags eines an einem gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmens könnte allein auf dieser Argumentationsgrundlage eine Interessensausgleichpflicht angenommen werden. Dieser Antrag führt nämlich die gerichtliche Entscheidung herbei, welche im Falle einer Verfahrenseröffnung den Betrieb spaltet. Eine solche Sichtweise würde aber weder dem Anliegen der herrschenden Meinung noch dem Sinn und Zweck des Interessenausgleichs gerecht. Zunächst ist hervorzuheben, dass ein Eigenantrag des Unternehmens nicht stets zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens führen muss, da das Gericht den Antrag aus verschiedenen Gründen abweisen kann. In diesem Fall bliebe die Auflösung des gemeinsamen Betriebes und damit die Betriebsänderung aus. Dann wäre aber auch das Ergebnis des Interessenausgleichsverfahrens hinfällig. Es ist also durchaus denkbar, dass dem Interessenausgleich die tatsächliche Grundlage fehlt. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die Verletzung der Pflicht zur Stellung eines rechtzeitigen Insolvenzeigenantrages mit zivilrechtlichen und strafrechtlichen Sanktionen bewehrt ist.158 Zwar besteht eine solche Antragsfrist nicht für die ohnehin nicht insolvenzfähige BGB-Innengesellschaft. Sofern eines der beteiligten Unternehmen jedoch eine juristische Person sein sollte, besteht für deren Organe die Insolvenzantragsfrist.159 Nach § 64 Abs. 1 GmbHG160 haben die Unternehmensorgane der Gesellschaft einen Insolvenzantrag zu stellen, wenn die Gesellschaft zahlungsunfähig ist oder sich die Überschuldung ergibt. Der Antrag ist unverzüglich, spätestens indem es von den Indizien ausgehend einen gemeinsamen Betrieb annimmt, obwohl getrennte Leitungsapparate existieren. Die Entscheidung verkennt darüber hinaus, dass für das KSchG der Betrieb und nicht der Betriebsteil die maßgebliche Einheit ist. Ein gemeinsamer Betriebsteil führt daher nicht zu einer gemeinsamen Sozialauswahl, da diese nicht auf den Betriebsteil zu beschränken wäre, vgl. ErfKO-Ascheid, § 1 KSchG Rn 476 m.w. N., Arbeitnehmerschutz, S. 32. 158 Vgl. dazu Tröndle/Fischer, StGB, Vor § 283 Rn 21 f.; Uhlenbruck in Gottwald, Insolvenzhandbuch, § 7 Rn 7 ff.; Schmidt in Schmidt/Uhlenbruck, Sanierung, Rn 1826 ff. 159 Bei Personengesellschaften und natürlichen Personen sieht das Gesetz keine strafbewehrte Insolvenzantragspflicht vor, da hier stets eine natürliche Person unbeschränkt mit ihrem Privatvermögen haftet. Auch in diesem Fall bestehen aber Strafbarkeitsrisiken, wenn der spätere Eröffnungszeitpunkt zu einem Bankrott gem. § 283 StGB führt oder eine Gläubigerbegünstigung nach § 283c StGB darstellt. Vgl. Tröndle/Fischer, StGB, Vor § 283 Rn 18 f.; Bork, Insolvenzrecht, Rn 81; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn 7.04. 160 Bzw. § 92 Abs. 2 AktG für die Aktiengesellschaft, § 99 Abs. 1 S. 1 GenG für die eingetragenen Genossenschaft und § 130a Abs. 1 S. 1 HGB für die GmbH & Co. KG.

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innerhalb von drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung zu stellen, § 64 Abs. 1 S. 1 GmbHG.161 Diese Antragsfrist beginnt in dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Insolvenzgrund objektiv vorliegt.162 Die Antragspflicht trifft dabei jedes Organmitglied persönlich, unabhängig von einer internen Zuständigkeitsregelung.163 Das gleiche gilt für Rechtsfolgen eines nicht rechtzeitig gestellten Insolvenzantrages, diese treffen das Organmitglied persönlich. Neben der zivilrechtlichen Ausfallhaftung164 droht nach § 84 Abs. 1 GmbHG165 eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Auch die fahrlässige Fristversäumnis ist gem. § 84 Abs. 2 GmbHG unter Strafe gestellt. Demnach müsste dass Verfahren über den Interessenausgleich spätestens innerhalb von drei Wochen durchgeführt worden sein, damit ein Insolvenzantrag noch rechtzeitig gestellt werden kann. Dies dürfte jedoch faktisch ausgeschlossen sein. Des Weiteren ist hervorzuheben, dass ein Gläubigerantrag gem. § 13 Abs. 1 S. 2 i.V. m. § 14 Abs. 1 InsO in keinem Fall der Mitbestimmung unterliegt, da der Gläubiger als außenstehender Dritter nicht dem Betriebsrat des Schuldnerunternehmens verpflichtet ist.166 Ein solcher Gläubigerantrag könnte also stets neben dem Eigenantrag des Schuldners gestellt werden und insoweit das Mitbestimmungsverfahren bzgl. des Eigenantrages überholen. Entscheidend ist aber, dass die Mitbestimmung nur dort sinnvoll ist, wo dem Unternehmer die Entscheidungsfreiheit zusteht. Die Entscheidung über die Eröffnung liegt allein beim zuständigen Insolvenzgericht und ist insoweit mitbestimmungsfrei. Der Unternehmer selbst führt durch den Insolvenzantrag noch keine Betriebsänderung durch, eine solche folgt erst aus dem Eröffnungsbeschluss des Gerichtes. Selbst wenn man in dem Antrag eine Betriebsänderung sehen wollte, so besteht dennoch kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates. 161 Bzw. § 92 Abs. 2 AktG für die Aktiengesellschaft, § 99 Abs. 1 S. 1 GenG für die eingetragenen Genossenschaft und § 130a Abs. 1 S. 3 HGB für die GmbH & Co. KG. 162 BGHZ 75, 96, 111; 126, 181, 199; Uhlenbruck in Gottwald, Insolvenzhandbuch, § 7 Rn 4. Eine Strafbarkeit nach § 283 Abs. 1, 2 StGB setzt demgegenüber zumindest bedingten Vorsatz, also Kenntnis der Krise voraus, Stree/Heine in Schönke/Schröder, StGB, § 283 Rn 56; Tröndle/Fischer, StGB, § 283 Rn 32. Jedoch droht auch hier eine Strafbarkeit nach § 283 Abs. 4 StGB, wenn die Unkenntnis fahrlässig war. 163 BHG NJW 1994, 2149, 2150; Mönning in Nerlich/Römermann, InsO, § 13 Rn 65; Uhlenbruck in Gottwald, Insolvenzhandbuch, § 7 Rn 4; ders. in Schmidt/Uhlenbruck, Sanierung, Rn 1899. 164 Sog. „Quotenschaden“ vgl. BGHZ 100, 19, 23; Uhlenbruck in Gottwald, Insolvenzhandbuch, § 7 Rn 8; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn 30.38, 30.70; 30.86; Schmidt in Schmidt/Uhlenbruck, Sanierung, Rn 1870 ff. 165 bzw. § 401 AktG; § 148 GenG; § 130b HGB. 166 Wobei ein Gläubigerantrag die Strafbarkeit der Organe nicht beseitigt vgl. BGH wistra 1988, 69; OLG Dresden NStZ-RR 1999, 27; Otto in Großkommentar AktG, § 401 R44; Schaal in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 84 Rn 47.

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Der Unternehmer ist nämlich gesetzlich verpflichtet, einen Insolvenzantrag zu stellen. Wenn ein Insolvenzgrund vorliegt, besteht keine Verhandlungsmasse für einen Interessenausgleich. Inhalt des Interessenausgleichs ist das Ob, Wann und Wie der Betriebsänderung.167 Diese Fragen sind im vorliegenden Fall jedoch stets entweder gesetzlich geregelt oder werden nicht vom Unternehmer selbst entschieden. Ob das Insolvenzverfahren eröffnet wird, entscheidet allein das Insolvenzgericht. Es bestimmt auch, wann und wie die Verfahrenseröffnung eintritt. In Bezug auf den Antrag selber ist das Ob, das Wann und das Wie dem Unternehmer ebenfalls streng vorgegeben. Ist ein Insolvenzgrund gegeben, so muss innerhalb der gesetzlichen Frist schriftlich Insolvenzantrag beim zuständigen Gericht gestellt werden. Aufgrund dieser strengen gesetzlichen Vorgaben ist es für den Unternehmer unmöglich anders zu handeln. Vor dem Hintergrund dieses vorgegebenen Ablaufs sind Verhandlungen mangels Handlungsalternativen sinnlos. Da die fehlenden Handlungsalternativen auch nicht auf wirtschaftlichen, sondern auf normativen Zwängen beruhen, kann hier kein Beteiligungsrecht bestehen. Der insoweit konstruierbare Widerspruch zwischen dem Beteiligungsrecht des Betriebsrates und der Insolvenzantragspflicht des Unternehmers ist im Wege der Auslegung aufzulösen. Sinn und Zweck der Insolvenzantragspflicht ist der Schutz aller Gläubiger des Schuldnerunternehmens vor Vermögensschäden sowie des gesamtwirtschaftlichen Systems.168 Zu den Gläubigern des Unternehmens gehören auch die dort beschäftigten Arbeitnehmer. Es kann nicht angehen, den Schutz einer Gläubigergruppe auf Kosten der anderen überzubetonen, da ein geordnetes Insolvenzverfahren auch den Interessen der Arbeitnehmer dient. Darüber hinaus wäre dieser Schutz in der Regel hinfällig, da bei Verzögerungen in Bezug auf den Eigenantrag in der Regel ein Gläubiger einfach einen Eröffnungsantrag stellen würde. Nach alledem kann das Beteiligungsrecht seinen Sinn in diesem Zusammenhang nicht erfüllen, so dass der Eigenantrag mitbestimmungsfrei ist. Nur ergänzend sei betont, dass auch die Entscheidung des Gläubigerausschusses gem. § 157 S. 1 InsO mitbestimmungsfrei ist.169 Dies ergibt sich zum einen aus der fehlenden Betriebsbezogenheit der Entscheidung.170 Zum anderen ist ein Vollzug durch den Insolvenzverwalter nötig, welcher dann die Betriebsänderung darstellt.171 Aus denselben Gründen ist der Antrag des vorläufigen Insolvenzverwalters nach § 22 InsO, das Schuldnerunternehmen stillzulegen, selbst noch keine Betriebsänderung. Ein solcher Antrag löst daher nicht Beteiligungsrechte des Betriebsrates aus. 167 Moll in Schmidt/Uhlenbruck, Sanierung, Rn 760; Schweibert in W/H/S/S, Umstrukturierung, C Rn 128. 168 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn 7.04; vgl. Stree/Heine in Schönke/Schröder, StGB, Vorbem. §§ 283 ff. Rn 2; Tröndle/Fischer, StGB, Vor § 283 Rn 3. 169 Vgl. Willemsen, Arbeitnehmerschutz, S. 58 ff. 170 Vgl. Willemsen, Arbeitnehmerschutz, S. 61 f. 171 Vgl. Willemsen, Arbeitnehmerschutz, S. 65 f.

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Kap. 3: Die Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens

3. Exkurs: Information des Wirtschaftsausschusses Soweit ein Wirtschaftsausschuss besteht, muss das Unternehmen diesen gem. § 106 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 1 BetrVG rechtzeitig und umfassend über die wirtschaftliche und finanzielle Lage des Unternehmens unterrichten. Dementsprechend ist der Wirtschaftsausschuss darüber zu informieren, wenn das Unternehmen beabsichtigt, einen Insolvenzantrag zu stellen oder ein solcher von einem Dritten gestellt wurde.172 Dies ist insoweit unproblematisch, als das Unternehmen nur zur Unterrichtung des Wirtschaftsausschusses verpflichtet ist.173 Zwar sieht das Gesetz in § 106 Abs. 1 S. 2 BetrVG die Beratung mit dem Wirtschaftsauschuss vor, welche auch nach dem Kooperationsgebot der Betriebsverfassung (vgl. §§ 74 Abs. 1 S. 2, 2 Abs. 1 BetrVG) in der Regel ergebnisoffen geführt werden sollte.174 Es kann jedoch bezweifelt werden, ob angesichts der gesetzlichen Vorgaben zur Stellung eines Insolvenzantrages überhaupt Beratungsbedarf in Bezug auf etwaige Alternativen besteht. Entscheidender Unterschied zur Beteiligung nach §§ 111 ff. BetrVG ist jedoch, dass die Unterrichtung des Wirtschaftsausschusses keine Verzögerung bedeutet. Will das Unternehmen selber einen Insolvenzantrag stellen, so wird es die dem Wirtschaftsausschuss vorzulegenden Unterlagen wie etwa eine Überschuldungsbilanz schon für die eigene Entscheidungsfindung zusammengestellt haben. Diese Unterlagen dürften dem Ziel der Unterrichtung, Informationsparität herzustellen, genügen.175 Es dürfte daher ein Leichtes sein, den Wirtschaftsausschuss unter Vorlage dieser Unterlagen zu unterrichten. Da selbst eine unvollständige oder vollständig unterlassene Unterrichtung in keinem Fall die Wirksamkeit der Maßnahmen des Unternehmens beeinträchtigt, wird die Stellung des Insolvenzantrages nicht verzögert.176 Fraglich ist jedoch, unter welchen Voraussetzungen ein Wirtschaftsausschuss im gemeinsamen Betrieb zu errichten ist. Nach dem Wortlaut des § 106 Abs. 1 S. 1 BetrVG ist ein Wirtschaftsausschuss in Unternehmen mit in der Regel mehr als 100 Arbeitnehmern zu errichten. Erreichen die am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen jeweils den Schwellenwert, so ist für jedes Unternehmen ein Wirtschaftsausschuss zu bilden.177 Entgegen dem Wortlaut des 172 Willemsen/Lembke in ArbRKo, § 106 BetrVG Rn 58; Däubler in D/K/K, BetrVG, § 106 Rn 64; Fitting, BetrVG, § 106 Rn 38; Oetker in GK-BetrVG, § 106 Rn 52. 173 Vgl. Willemsen/Lembke in ArbRKo, § 106 BetrVG Rn 54. 174 Vgl. Willemsen/Lembke in ArbRKo, § 106 BetrVG Rn 54. 175 Vgl. Fitting, BetrVG, § 106 Rn 23; Schweibert in W/H/S/S, Umstrukturierung, C Rn 402. 176 Es droht lediglich eine Ordnungswidrigkeit nach § 121 BetrVG im Fall einer vorsätzlich wahrheitswidrigen, unvollständigen oder verspäteten Unterrichtung, vgl. Willemsen/Lembke in ArbRKo, § 106 BetrVG Rn 88; Oetker in GK-BetrVG, § 106 Rn 104.

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§ 106 Abs. 1 S. 1 BetrVG hat das BAG in seinem Beschluss vom 01.08. 1990178 entschieden, dass ein Wirtschaftsausschuss auch dann zu errichten ist, wenn zwar die am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen jeweils weniger als 100 Arbeitnehmer beschäftigten, der gemeinsame Betrieb insgesamt jedoch mehr als 100 Beschäftigte zähle. Diese Abweichung vom Wortlaut wurde mit einer Regelungslücke begründet. Dem Gesetzgeber des BetrVG 1972 sei der gemeinsame Betrieb nicht bekannt gewesen.179 Diese Begründung vermag nach der Einführung des § 1 Abs. 1 S. 2 BetrVG durch das BetrV-Reformgesetz180 nicht mehr zu überzeugen.181 Der Gesetzgeber hat nunmehr den gemeinsamen Betrieb ausdrücklich geregelt, so dass keine planwidrige Regelungslücke angenommen werden kann.182 Da die durch die Führungsvereinbarung gebildete BGB-Gesellschaft als Innengesellschaft kein Unternehmen bildet, ist es nicht möglich, die Trägergemeinschaft des gemeinsamen Betriebes einem Unternehmen gleichzustellen.183 Will man die bisherige Lösung des BAG daher aufrechterhalten, so kann man dies nur damit begründen, dass der Wirtschaftsausschuss ein Hilfsorgan des Betriebsrates ist.184 Da für den gemeinsamen Betrieb ein eigenständiger Betriebsrat gebildet wird, erscheint es vertretbar, einen Wirtschaftsausschuss zu bilden, wenn der Schwellenwert im gemeinsamen Betrieb erreicht wird.185 De lege ferenda wäre insoweit eine Klarstellung des Gesetzgebers wünschenswert. III. Die Rechtsfolgen einer Auflösung gem. § 728 Abs. 2 BGB für die Führungsvereinbarung Im Rahmen der bisherigen Darstellung wurde stets davon ausgegangen, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die sofortige Auflösung der Führungsvereinbarung zur Folge habe. Der Rechtsnatur der Führungsvereinbarung als 177 Willemsen/Lembke in ArbRKo, § 106 BetrVG Rn 28; Fitting, BetrVG, § 106 Rn 13; Schweibert in W/H/S/S, Umstrukturierung, C Rn 397. Die Arbeitnehmer des gemeinsamen Betriebes sind nach der überwiegenden Ansicht in jedem der Unternehmen mitzuzählen. 178 NZA 1991, 643. 179 BAG NZA 1991, 643, 644; Fitting, BetrVG, § 106 Rn 13; Oetker in GKBetrVG, § 106 Rn 13; Schweibert in W/H/S/S, Umstrukturierung, C Rn 398; vgl. ausführlich Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 159 ff. 180 v. 23.7.2001, BGBl. I, S. 1852. 181 Willemsen/Lembke in ArbRKo, § 106 BetrVG Rn 27; Annuß in Richardi, BetrVG, § 106 Rn 8. 182 Willemsen/Lembke in ArbRKo, § 106 BetrVG Rn 27; Annuß in Richardi, BetrVG, § 106 Rn 8; anders BAG NZA 2005, 420 für § 99 BetrVG. 183 Willemsen/Lembke in ArbRKo, § 106 BetrVG Rn 27; a. A. Oetker in GKBetrVG, § 106 Rn 12, 25. 184 So auch Willemsen/Lembke in ArbRKo, § 106 BetrVG Rn 27. 185 Willemsen/Lembke in ArbRKo, § 106 BetrVG Rn 27.

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Kap. 3: Die Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Vetrag über eine BGB-Innengesellschaft entsprechend, ist diese Auflösung gleichbedeutend mit der Beendigung der Gesellschaft. Dieser Ausgangspunkt, der dem gesicherten Stand des Gesellschaftsrechts entspricht, braucht denn auch nicht näher dargelegt zu werden. Ebenso allgemein anerkannt ist, dass § 728 Abs. 2 BGB kein Gesellschaftsvermögen voraussetzt, also auch für Innengesellschaften gilt.186 Einer näheren Darstellung bedürfen jedoch die Rechtsfolgen einer solchen Auflösung und die Frage einer möglichen Fortsetzung der BGBGesellschaft. 1. Auseinandersetzung ohne Liquidation Grundsätzlich vollzieht sich die Auseinandersetzung der Gesellschaft außerhalb des Insolvenzverfahrens nach den Regeln des Gesellschaftsrechts, § 84 Abs. 1 S. 1 InsO.187 Bei Innengesellschaften ohne Gesellschaftsvermögen scheidet ein Auflösungsverfahren nach den §§ 730 ff. BGB jedoch aus.188 In Betracht kommt nur ein finanzieller Ausgleich der Gesellschafter untereinander, der jedoch nicht den Fortbestand der Gesellschaft verlangt.189 Dementsprechend wird diese mit der Auflösung vollbeendet. Die Auseinandersetzung zwischen den beteiligten Unternehmen richtet sich dann nach den allgemeinen Regeln, wobei im Rahmen der Insolvenz die §§ 103 ff. InsO zu beachten sind. Da die Gesellschaft nicht nach außen im Rechtsverkehr in Erscheinung getreten ist, kann diese auch nicht Vertragspartei geworden sein. Insoweit ist davon auszugehen, dass bestehende Verträge immer mit den am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen geschlossen worden sind. Wie diese Verträge ausgestaltet sind, ist für die vorliegende Untersuchung unerheblich, da insoweit keine Besonderheiten zur Auseinandersetzung einer BGB-Innengesellschaft, welche keinen gemeinsamen Betrieb unterhält, bestehen.190

186 BAGE 55, 117, 134; Ulmer in MünchKomm BGB, § 728 Rn 33; Sprau in Palandt, BGB, § 728 Rn 2; Hadding in Soergel, BGB, § 728 Rn 3. 187 Ulmer in MünchKomm BGB, § 728 Rn 38; Habermeier in Staudinger, BGB, § 728 Rn 21. 188 BGH NJW 1990, 573, 574; Ulmer in MünchKomm BGB, § 730 Rn 12; Habermeier in Staudinger, BGB, § 705 Rn 59; K. Schmidt, GesR, § 59, S. 1761. 189 Vgl. Ulmer in MünchKomm BGB, § 730 Rn 2, 12. 190 Grundsätzlich sind bei Verträgen mit Dritten zwei Gestaltungen denkbar. Entweder sind alle Unternehmen gemeinsam als Gesamtschuldner verpflichtet oder nur einer der Rechtsträger ist Vertragspartner geworden. Im letzteren Fall haben die Unternehmen einen weiteren Vertrag geschlossen, welcher das Rechtsverhältnis untereinander regelt.

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2. Zeitweiliger Fortbestand gem. § 728 Abs. 2 S. 2 BGB i.V. m. § 727 Abs. 2 S. 2, 3 BGB Fraglich ist weiter, ob die Gesellschaft stets mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens endet. Es erscheint durchaus denkbar, dass die Gesellschaft nach Maßgabe der §§ 728 Abs. 2 S. 2, 727 Abs. 2 S. 3 BGB als fortbestehend gilt. Diese Fiktion greift jedoch nur, soweit Geschäftsführung und Vertretung nach § 728 Abs. 2 S. 2 BGB i.V. m. § 727 Abs. 2 S. 2 BGB fortbestehen.191 Die Rechtsfolge des § 727 Abs. 2 S. 2 BGB, welche den Fortbestand von Geschäftsführung und Vertretung anordnet, gilt jedoch nur für die einem Gesellschafter entgegen § 709 BGB übertragene Geschäftsführung.192 Da die Führungsvereinbarung stets zu einer Innengesellschaft führt, dürfte eine Übertragung der Geschäftsführung an einen der beteiligten Rechtsträger selten vorkommen. Denkbar ist dies ohnehin nur, wenn der praktisch kaum anzutreffende Fall einer ausdrücklichen Führungsvereinbarung vorliegt. Auch in diesen Fällen dürfte jedoch eine Übertragung der Geschäftsführung auf ein Unternehmen selten vorkommen, da der gemeinsame Betrieb von beiden oder mehreren Unternehmen einheitlich geführt wird, so dass auch alle Gesellschafter Einfluss auf die Gesellschaft haben müssen. Selbst wenn man eine übertragene Geschäftsführung unterstellt, so setzt die Fiktion der §§ 728 Abs. 2 S. 2, 727 Abs. 2 S. 3 BGB weiter voraus, dass die Geschäftsführung zum Zwecke der Gefahrenabwehr erforderlich ist.193 Ein solcher Fall ist jedoch kaum vorstellbar, da zum einen der Insolvenzverwalter nach dem Eröffnungsbeschluss die Befugnisse des insolventen Unternehmens übernimmt und sich die BGB-Gesellschaft in der Führung des gemeinsamen Betriebes erschöpft. Insoweit besteht in Notfällen die Vollmacht des einheitlichen betrieblichen Leitungsapparates nach §§ 115 Abs. 2, 117 Abs. 2 InsO fort. Ein Handeln des Gesellschafters ist daher nicht erforderlich. Darüber hinaus sind solche Notfälle nicht ersichtlich, da der Gesetzgeber die erforderlichen Vorkehrungen getroffen hat um zu gewährleisten, dass in dem Zeitraum, welchen der Insolvenzverwalter benötigt, um sich einen Überblick über das Unternehmen des Schuldners zu verschaffen, keine Nachteile entstehen. So werden anhängige Prozesse beispielsweise gem. § 240 ZPO unterbrochen, bis der Insolvenzverwalter diese aufnimmt. Von extremen Ausnahmefällen abgesehen, kommt ein Fortbestand der Gesellschaft nach § 728 Abs. 2 S. 2 BGB i.V. m. § 727 Abs. 2 S. 3 BGB daher nicht in Betracht.

191 Ulmer in MünchKomm BGB, § 727 Rn 10; Habermeier in Staudinger, BGB, § 727 Rn 6. 192 Ulmer in MünchKomm BGB, § 727 Rn 9; Habermeier in Staudinger, BGB, § 727 Rn 6. 193 Ulmer in MünchKomm BGB, § 727 Rn 9; Habermeier in Staudinger, BGB, § 727 Rn 6.

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Kap. 3: Die Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens

3. Fortsetzung der Gesellschaft Fraglich ist schließlich, ob und unter welchen Voraussetzungen die am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen die BGB-Gesellschaft fortsetzen können. Dies wird vor allem dann relevant, wenn sich die Auflösung der GbR betriebsverfassungsrechtlich ausnahmsweise nicht als Auflösung des gemeinsamen Betriebes, sondern als Ausgliederung darstellt.194 An dieser Stelle soll jedoch allein der gesellschaftsrechtliche Rahmen für eine solche Fortsetzung untersucht werden. a) Fortsetzung ohne den Schuldner Die übrigen Unternehmen können ein Interesse daran haben, den gemeinsamen Betrieb ohne den insolventen Rechtsträger fortzuführen. Dies ist ohne weiteres möglich, wenn der Gesellschaftsvertrag eine sog. Fortsetzungsklausel enthält.195 Jedoch wird es an einer solchen Klausel gerade bei einer konkludenten Führungsvereinbarung in der Regel fehlen. Diese Regelungslücke könnte im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung geschlossen werden. Maßgeblich für die ergänzende Auslegung ist der hypothetische Parteiwille. Es soll also die Regelung gelten, welche die Parteien in Hinblick auf den von ihnen mit Vertrag verfolgten Zweck nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte bei Vertragsschluss getroffen hätten.196 Insoweit wird man in der Regel nicht davon ausgehen können, dass die beteiligten Rechtsträger in jedem Fall eine Fortführung des Betriebes ohne das ausscheidende Unternehmen gewollt hätten. Da der gemeinsame Betrieb kein Gesellschaftsvermögen bildet und die BGB-Gesellschaft auch keine Gewinne erwirtschaftet, würden durch eine Fortsetzung des gemeinsamen Betriebes die Interessen des ausscheidenden Unternehmens jedoch nicht berührt. Dies gilt umso mehr, als eine Haftung für Gesellschaftsschulden aufgrund der fehlenden Teilnahme der Gesellschaft am Rechtsverkehr nicht in Betracht kommt und zusätzlich durch § 736 Abs. 2 BGB begrenzt würde. Daher entspricht es dem hypothetischen Willen der Unternehmen, die Möglichkeit zu haben, frei über die Fortsetzung der Gesellschaft zu entscheiden, wenn diese aufgelöst wird. Aus diesem Grund wird man im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zumindest die Berechtigung der übrigen Gesellschafter zur Fortsetzung der Gesellschaft durch einstimmigen Beschluss annehmen können. Demzufolge ist die Fortsetzung des gemeinsamen Betriebes gesellschaftsrechtlich möglich.197 Zusätzlich wird man jedoch verlangen müssen, dass eine solche Fortsetzung auch betriebsverfassungsrechtlich 194

Vgl. dazu oben § 14 C.II. Statt vieler Timm/Schöne in Bamberger/Roth, BGB, § 728 Rn 9; Ulmer in MünchKomm BGB, § 728 Rn 43. 196 BGH NJW 1975, 1116, 1117; Medicus, AT, Rn 342; Bork, BGB-AT, Rn 537. 195

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möglich ist. Der gemeinsame Betrieb muss also seine Identität durch die Spaltung nicht verloren haben, was nur im Falle einer Ausgliederung denkbar ist.198 Anderenfalls geht der Fortsetzungsbeschluss ins Leere und führt zur Gründung eines neuen gemeinsamen Betriebes. Nach überwiegender Auffassung ist eine solche Fortsetzung als Abweichung von den gesetzlichen Auflösungsfolgen der §§ 730 ff. BGB nur mit Zustimmung des Insolvenzverwalters zulässig.199 Diese Einschränkung lässt sich nur mit den finanziellen Interessen der Insolvenzmasse begründen, welcher das Auflösungsguthaben zufiele. Die Zustimmung des Insolvenzverwalters ist daher nur erforderlich, wenn durch die Fortsetzung Nachteile für die Insolvenzmasse drohen. Da der Abschluss einer Führungsvereinbarung kein Gesellschaftsvermögen erzeugt, ist eine finanzielle Beeinträchtigung der Insolvenzmasse nicht zu befürchten. Im Übrigen ist der ausscheidende Gesellschafter nach § 738 Abs. 1 S. 2 BGB abzufinden, wobei eventuell überlassene Gegenstände nach § 732 BGB zurückzugeben sind. Insoweit dürfte eine Zustimmung des Insolvenzverwalters zur Fortführung des gemeinsamen Betriebes ohne den Insolvenzschuldner regelmäßig entbehrlich sein. Etwas anderes gilt immer dann, wenn finanzielle Interessen der Insolvenzmasse berührt sind, es etwa zur Übernahme von Verträgen oder Betriebsmitteln kommt. b) Fortsetzung mit dem Schuldner Fraglich ist, ob auch eine Fortsetzung der Gesellschaft mit dem Schuldner in Betracht kommt. Insoweit ist zunächst festzuhalten, dass eine Klausel im Gesellschaftsvertrag, welche die Fortsetzung unter Einschluss aller Gesellschafter, also auch des Insolvenzschuldners, vorsieht, unwirksam ist.200 Unproblematisch möglich ist es hingegen, den Schuldner nach Abschluss des Insolvenzverfahrens erneut in die Gesellschaft aufzunehmen und diese so fortzusetzen.201 197 So auch Schmädicke/Glaser/Altmüller NZA-RR 2005, 393, 399. Betriebsverfassungsrechtlich ist die Identität des Betriebes für eine Fortsetzung notwendig. Eine solche ist nur im Falle einer Ausgliederung denkbar, vgl. oben § 14 C.II., sowie unten § 28 C.I. 198 Möglich wäre auch eine Identitätswahrung durch eine Betriebsübergang gem. § 613a BGB. Eine Fortsetzung der Gesellschaft kommt allerdings auch dann nur in Betracht, wenn mindestens zwei Gesellschafter vorhanden sind. Vgl. Schmädicke/Glaser/Altmüller NZA-RR 2005, 393, 399. 199 OLG Hamm BauR 1986, 462; Timm/Schöne in Bamberger/Roth, BGB, § 728 Rn 11; Westermann in Erman, BGB, § 728 Rn 8; Ulmer in MünchKomm BGB, § 728 Rn 43; a. A. Hadding in Soergel, BGB, § 728 Rn 8, der die Zustimmung des Schuldners verlangt. 200 Timm/Schöne in Bamberger/Roth, BGB, § 728 Rn 10; v. Gamm in RGRK, § 728 Rn 1. 201 Vgl. nur Timm/Schöne in Bamberger/Roth, BGB, § 728 Rn 11; Habermeier in Staudinger, BGB, § 728 Rn 25.

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Während des Insolvenzverfahrens soll eine Fortsetzung unter Einschluss des Insolvenzschuldners nur möglich sein, wenn der Insolvenzverwalter den Gesellschaftsanteil aus der Masse freigibt.202 Eine solche am Gesellschaftsvermögen orientierte Sichtweise kann für den gemeinsamen Betrieb nicht überzeugen. Dies ergibt sich schon daraus, dass der gemeinsame Betrieb umfassende arbeitsrechtliche Konsequenzen hat und deshalb neben der Führungsvereinbarung auch den betriebsverfassungsrechtlichen Zusammenschluss unter einen einheitlichen Leitungsapparat verlangt. Die betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitgeberfunktionen werden jedoch allein vom Insolvenzverwalter wahrgenommen,203 so dass insoweit der Insolvenzschuldner nicht zur Umsetzung der Führungsvereinbarung in der Lage wäre. Im Übrigen ist maßgeblich, dass der Schuldner am Abschluss eines die Insolvenzmasse belastenden Vertrages durch das Verfügungsverbot aus § 80 InsO gehindert ist.204 Da aufgrund des fehlenden Gesellschaftsvermögens die Mitgliedschaft in der Gesellschaft der Insolvenzmasse keinen Vermögensvorteil bringt, sondern wie im Einzelnen noch gezeigt wird205, der gemeinsame Betrieb dem Insolvenzschuldner zusätzliche Verpflichtungen auferlegt, ist eine erneute Aufnahme ohne Zustimmung des Insolvenzverwalters nicht zulässig. Vor diesem Hintergrund kann auch die teilweise vertretene Ansicht nicht überzeugen, dass es möglich sei, den Insolvenzschuldner nach seinem Ausscheiden infolge der Auflösung noch während des Insolvenzverfahrens erneut als neues Mitglied mit Wirkung für die Zukunft aufzunehmen.206 Selbst wenn bei einer rein wirtschaftlichen Betrachtungsweise insoweit von einem bloßen Vermögenszuwachs ausgegangen wird, ist jedoch gegen diese Sicht einzuwenden, dass gem. § 35 InsO auch neuerworbenes Vermögen zur Insolvenzmasse zu rechnen wäre und der Insolvenzverwalter insoweit sofort an die Stelle des Insolvenzschuldners träte.207 Demnach ist eine Fortsetzung der Gesellschaft mit dem Schuldner vor Abschluss des Insolvenzverfahrens nur mit Zustimmung des Insolvenzverwalters zulässig. Auch hier ist zu berücksichtigen, dass die Fortsetzung betriebsverfassungsrechtlich möglich sein müsste. Da jedoch der dem Insolvenzschuldner zuzuordnende Betriebsteil durch die Spaltung aus dem gemeinsamen Betrieb ausscheidet,208 ist insoweit nur eine erneute Einbringung in

202 Timm/Schöne in Bamberger/Roth, BGB, § 728 Rn 11; Ulmer in MünchKomm BGB, § 728 Rn 44; Habermeier in Staudinger, BGB, § 728 Rn 25. 203 Hamacher in Nerlich/Römermann, InsO, vor § 113 Rn 15; Heinze/Bertram in Gottwald, Insolvenzhandbuch, § 103 Rn 28, 32; Regh in Steindorf/Regh, Mandatshandbuch, § 3 Rn 45. 204 Habermeier in Staudinger, BGB, § 728 Rn 25. 205 Vgl. dazu unten Kapitel 4 und Kapitel 5. 206 So Ulmer in MünchKomm BGB, § 728 Rn 44; Weber in Jaeger8, KO, § 212 Anm. 6. 207 Habermeier in Staudinger, BGB, § 728 Rn 25. 208 Vgl. oben § 14 C.II.

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den gemeinsamen Betrieb möglich. Dies setzt stets voraus, dass dessen Identität durch die Spaltung unberührt geblieben ist. Eine Fortsetzung mit dem Schuldner ist damit betriebsverfassungsrechtlich nicht möglich. Denkbar wäre nur eine erneute Aufnahme in den ohne den Schuldner fortgesetzten Betrieb. Diese kann während des Insolvenzverfahrens nur mit Zustimmung des Insolvenzverwalters erfolgen. IV. Kritik und Stellungnahme Gegen diesen Ansatz wird zunächst dieselbe Kritik vorgebracht, die auch gegen das Erfordernis der Führungsvereinbarung selbst erhoben wird.209 Insbesondere wird in diesem Zusammenhang das Argument wiederholt, dass die rechtliche Komponente der Führungsvereinbarung für den rein tatsächlichen Betriebsbegriff einen Systembruch bedeute.210 Dies ist jedoch nur dann zutreffend, wenn der gemeinsame Betrieb dem Betrieb eines Unternehmens nicht nur in der betriebsverfassungsrechtlichen Behandlung, sondern auch in den Voraussetzungen gleichzustellen ist. Seinem Wortlaut nach regelt § 1 Abs. 1 S. 2 BetrVG jedoch nur, dass in einem gemeinsamen Betrieb ebenfalls ein Betriebsrat zu wählen ist. Die Voraussetzungen des gemeinsamen Betriebes wollte der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien nicht regeln, da er diesbezüglich auch mit den Vermutungsregelungen des § 1 Abs. 2 BetrVG an die bisherige Rechtsprechung des BAG anknüpfen wollte.211 Der Gesetzeswortlaut verbietet demnach nicht, das Vorliegen eines gemeinsamen Betriebes an besondere Voraussetzungen zu knüpfen. Die Kritik überzeugt aber auch unter systematischen Gesichtspunkten nicht. Sie leugnet die besondere Situation des gemeinsamen Betriebes. Der gemeinsame Betrieb ist eine Erscheinungsform der Unternehmenskooperation. Eine solche Kooperation ist ohne zumindest konkludente Absprache nicht denkbar. Nach dem Grundkonzept des BetrVG ist das Gegenüber des Betriebsrates der Betriebsinhaber. Das Betriebsverfassungsrecht geht dabei vom Grundsatz der Betriebsinhaberidentität aus.212 Diesem Grundsatz läuft der gemeinsame Betrieb zuwider, da an ihm mehrere Rechtsträger beteiligt sind. Die Führungsvereinbarung ist erforderlich, um ein einheitliches Handeln der Betriebsinhaber zu gewährleisten und insoweit einen einheitlichen Betriebsinhaber und damit Arbeitgeber im Sinne der Betriebsverfassung herzustellen.213 Nur so ist der gemeinsame Betrieb mit dem Grundsatz der Betriebsinhaberidentität zu vereinbaren. 209

Siehe dazu oben § 6 D. I.–IX. Däubler in FS Zeuner, S. 19, 23; Kohte RdA 1992, 302, 307. 211 Vgl. BT-Drucks. 14/5741, S. 33. 212 Trümner in D/K/K, BetrVG, § 1 Rn 51; Fitting, BetrVG, § 1 Rn 68; Kraft/Franzen in GK-BetrVG, § 1 Rn 37; Konzen RdA 2001, 76, 80. 210

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Kap. 3: Die Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Aus insolvenzrechtlicher Sicht ließe sich weiter vorbringen, dass die sofortige Auflösung des gemeinsamen Betriebes der Entscheidung des Gläubigerausschusses gem. § 157 S. 1 InsO vorgreife. Dagegen ist jedoch folgendes zu sagen. Mit der Auflösung des gemeinsamen Betriebes ist noch keine Entscheidung über die Stilllegung des herausgelösten Teiles getroffen. Dem Insolvenzverwalter steht es vielmehr frei, den Betriebsteil mit einem bestehenden Betrieb zusammenzulegen, erneut in den gemeinsamen Betrieb einzubringen oder als selbständigen Betrieb fortzuführen. Bis zu einer Entscheidung des Gläubigerausschusses ist der Insolvenzverwalter lediglich in der Entscheidung beschränkt, das Schuldnerunternehmen gänzlich stillzulegen. Eine Fortführung des Betriebsteiles ist jedoch auch außerhalb des gemeinsamen Betriebes denkbar. Des Weiteren richtet sich die Insolvenzordnung selbst am Rechtsträger aus, was für eine getrennte Behandlung der Unternehmen spricht. Nach § 11 InsO kann über ein einheitliches sonderungsfähiges Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet werden, um die miteinander verbundenen Vermögens- und Haftungsverhältnisse in einem Gesamtverfahren amtlich abzuwickeln.214 Die damit umschriebene Insolvenzfähigkeit ist Zulässigkeitsvoraussetzung für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens.215 Insolvenzfähig sind neben natürlichen und juristischen Personen (§ 11 Abs. 1 InsO) auch bestimmte Formen der Vermögensorganisation, die bestimmten Gläubigern unter Ausschluss anderer Gläubiger haftungsrechtlich zugewiesen sind.216 Die Insolvenzfähigkeit setzt also immer ein abgegrenztes Vermögen voraus.217 Ein solches abgegrenztes Vermögen benötigt aber immer einen zumindest teilrechtsfähigen Träger, dem das Vermögen zugewiesen ist.218 Arbeitsrechtlich gesprochen ist dieser Vermögensträger das Unternehmen. Dementsprechend überträgt § 80 Abs. 1 InsO dem Insolvenzverwalter die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nur für das zur Insolvenzmasse gehörige Vermögen des Schuldners. Die Insolvenzmasse wird durch das gesamte der Zwangsvollstreckung unterworfene Vermögen des Schuldners gebildet.219 Zu den mit der Verwaltungsbefugnis übergehenden Rechten und Pflichten gehören die Arbeitgeberfunktionen des Insolvenzschuldners.220 Dies bedeutet auf den gemeinsamen Betrieb übertragen, dass der Insolvenzverwalter nur für die Ar-

213 Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 41; Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 90; Wißmann NZA 2001, 409, 410. 214 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn 6.17. 215 Ott in MünchKomm InsO, § 11 Rn 9, Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn 6.17. 216 Ott in MünchKomm InsO, § 11 Rn 9, Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn 6.17. 217 Begr. Zu § 13 RegE, BT-Drucks. 12/7302, S. 156; Ott in MünchKomm InsO, § 11 Rn 9. 218 Ott in MünchKomm InsO, § 11 Rn 9, 10. 219 Häsemeyer, Insolvenzrecht, 9.01. 220 Ott in MünchKomm InsO, § 80 Rn 121; Heinze/Bertram in Gottwald, Insolvenzhandbuch, § 103 Rn 21 ff.

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beitnehmer zuständig sein kann, welche in einer arbeitsvertraglichen Beziehung zu dem insolventen Unternehmen stehen. Schon die Anknüpfung der Verwaltungsbefugnis an die Insolvenzmasse macht eine weitergehende Zuständigkeit unmöglich. Es wäre auch ein nicht zu rechtfertigender Eingriff, wenn der gerichtlich bestimmte Insolvenzverwalter Einfluss auf die Geschicke eines solventen und am Verfahren weitgehend unbeteiligten Unternehmens Einfluss nehmen könnte. Andererseits muss der Insolvenzverwalter aber für alle Arbeitnehmer des Insolvenzschuldners zuständig sein, um seiner gesetzlichen Aufgabe, der gemeinschaftlichen Befriedigung aller Gläubiger nachkommen zu können. Eine Beschränkung seiner Befugnisse etwa im Bereich einer notwendigen Personalreduzierung wäre nicht eingängig. Diese Kompetenzbündelung beim Insolvenzverwalter wird auch durch die §§ 115 bis 117 InsO bestätigt.221 Danach erlöschen mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens sämtliche Aufträge, Geschäftsbesorgungsverträge und Vollmachten, welche sich auf die Insolvenzmasse beziehen.222 Dadurch wird gewährleistet, dass allein der Insolvenzverwalter die Insolvenzmasse verwaltet und über diese verfügt, damit diese nicht geschmälert wird. Für den gemeinsamen Betrieb bedeutet dies zunächst einmal, dass die bisher bestehende gemeinsame Betriebsleitung ihre Vertretungsbefugnis für das insolvente Unternehmen verliert. Dies gilt unabhängig davon, ob man eine Führungsvereinbarung fordert oder nicht, da in jedem Fall die Maßnahmen des betrieblichen Leitungsapparates den beteiligten Unternehmen nach allgemeinen Regeln zugerechnet werden können müssen. Zwar ist es dem Insolvenzverwalter möglich, Aufträge und Vollmachten erneut zu erteilen, er muss dies jedoch nicht in der gleichen Form und im gleichen Umfang wie der Insolvenzschuldner tun.223 Damit würde der betriebliche Leitungsapparat eigentlich auch nach der Ansicht, welche eine Führungsvereinbarung ablehnt, mit der Verfahrenseröffnung entfallen. Etwas anderes ließe sich nur vertreten, wenn man annähme, dass mit der Einstellung der gemeinsamen Leitung Gefahren im Sinne des § 115 Abs. 2 InsO verbunden seien. Dies scheint kaum und nur in einem äußerst beschränkten Zeitrahmen vorstellbar. Die Ansicht, welche annimmt, dass der gemeinsame Betrieb mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst wird, fügt sich demgegenüber nahtlos in die Zuständigkeitsregelung der Insolvenzordnung ein. Der gemeinsame Leitungsapparat ist nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens für die vom insolventen Unternehmen in den gemeinsamen 221 Geht man davon aus, dass die Führungsvereinbarung den Rechtscharakter einer Innengesellschaft bürgerlichen Rechts hat, so könnte man an die Anwendbarkeit des § 118 InsO denken. Insoweit muss aber festgehalten werden, dass es keinen geschäftsführenden Gesellschafter geben kann, da die Gesellschaft als solche nicht am Rechtsverkehr teilnimmt, sondern nur als Vereinbarung zwischen den Unternehmen wirkt. 222 Wobei die InsO eine Fortführung der Geschäfte in Notfällen und den Schutz des gutgläubigen Vertreters ohne Vertretungsmacht vorsieht. 223 Vgl. zu den Handlungsalternativen des Insolvenzverwalters auf Grundlage der einzelnen Ansichten unten § 16.

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Kap. 3: Die Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Betrieb eingebrachten Betriebsabteilungen nicht mehr zuständig. Damit entfällt zusätzlich zur gesetzlichen Anordnung in § 728 Abs. 2 BGB die verbindende Klammer des gemeinsamen Betriebes. Dessen Fortbestand ist daher kaum zu begründen. Dies wird auch dadurch bestätigt, dass nach bisher überwiegender Ansicht ein Konzernverhältnis – sowohl im Vertrags- als auch im faktischen Konzern- mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer konzernangehörigen Gesellschaft endet.224 Soweit die Kritiker der Führungsvereinbarung allein die bestehende Konzernleitungsmacht für die Bildung eines gemeinsamen Betriebes ausreichen lassen, fällt also auch diese Klammer im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung weg. Darüber hinaus wird vorgebracht, dass diese Ansicht den Arbeitnehmer gerade dann schutzlos stelle, wenn dieser am schutzbedürftigsten sei, nämlich in der Insolvenz des Arbeitgebers.225 Ob dieser Vorwurf berechtigt ist, kann erst nach einer Untersuchung des Kündigungsschutzes und der betrieblichen Mitbestimmung beantwortet werden.226

E. Lösung bei Vorliegen eines bloßen Kooperationsvertrages Wie bereits zuvor erläutert, sind Sonderfälle denkbar, in denen kein gemeinsamer Zweck und somit kein Gesellschaftsvertrag i. S. d. § 705 BGB festgestellt werden kann. Dies ist, um das Modell der Typenreihen zu bemühen, dann denkbar, wenn die Führungsvereinbarung rein schuldvertraglichen Charakter hat.227 Sollte ein solcher theoretischer Sonderfall vorliegen, so wäre eine Lösung über § 728 Abs. 2 BGB ausgeschlossen. Als normaler schuldrechtlicher Vertrag bliebe die Führungsvereinbarung, mangels spezialgesetzlicher Regelung, wirksam. In diesem Fall stünde dem Insolvenzverwalter gem. § 103 Abs. 1 InsO ein Wahlrecht zu, ob er die Führungsvereinbarung fortsetzt. Da nach § 119 InsO abweichende Vereinbarungen ausgeschlossen sind, kann dieses Wahlrecht auch nicht durch eine ergänzende Auslegung der Führungsvereinbarung vermieden werden. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Entscheidung des Insolvenzverwalters über die Fortführung oder Beendigung der Führungsvereinbarung dem Charakter nach einer Gestaltungserklärung, wie etwa der Kündigung der Führungsvereinbarung gleichkommt. Jedenfalls kann der Insolvenzverwalter nach Maß224 BGHZ 103, 1, 6 f.; BAG BB 1994, 2350, 2352; LAG Frankfurt BB 2002, 1421, 1423; a. A. Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn 32.09; K. Schmidt, GesR, § 31 III 5, S. 957; Zeidler NZG 1999, 692, 696, die davon ausgehen, dass die Beschränkung der Leitungsmacht durch die Kompetenzzuweisung an die jeweiligen Insolvenzverwalter nicht zu einer Auflösung des Unternehmensverbandes führt. 225 Däubler in FS Zeuner, S. 19, 24. 226 Dies ist Gegenstand der Kapitel 4 und 5. 227 Vgl. oben § 9 B.I.3.

§ 15 Übertragung der Auflösung auf die möglichen Verfahrenskonstellationen 125

gabe der Zwecke des Insolvenzverfahrens frei über die Fortführung entscheiden. Insoweit stellt sich das Ende der Vereinbarung nicht als gesetzliche Folge einer gerichtlichen Entscheidung dar, sonder als Folge der Entscheidung des Insolvenzverwalters. Für eine Mitbestimmung des Betriebsrates wäre daher Raum, da er das Ob und Wie beeinflussen könnte. Dies gilt umso mehr als der Insolvenzverwalter infolge der Verfahrenseröffnung in die Arbeitgeberstellung des Insolvenzschuldners einrückt.228 Damit lässt sich als Ergebnis festhalten, dass in diesen Sonderfällen ein Mitbestimmungsverfahren gem. der §§ 111 ff. BetrVG vor der Beendigung der Führungsvereinbarung durchzuführen ist. In der praktischen Auswirkung sind solche Sonderfälle daher ebenso zu lösen, wie im Falle eines Verzichts auf die Führungsvereinbarung. Dem Eröffnungsbeschluss kann jedenfalls keine Bedeutung zukommen. Da solche Sonderfälle jedoch lediglich theoretisch denkbar sind229 und im Übrigen dem Modell derjenigen entsprechen, die dem Eröffnungsbeschluss keine Bedeutung zumessen, bleibt dieser Sonderfall im Rahmen der weiteren Untersuchung außer Betracht.

§ 15 Übertragung der Theorie der sofortigen Auflösung auf die möglichen Verfahrenskonstellationen im Zusammenhang mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens Dem Ansatz des zweiten Senates zufolge ist gem. § 728 Abs. 2 BGB die Eröffnung des Insolvenzverfahrens das maßgebliche Auflösungsereignis. Allgemein wird dies dahingehend verstanden, dass ein gem. § 27 InsO wirksamer Eröffnungsbeschluss die Gesellschaft auflöst.230 Auf die Rechtskraft der Beschlüsse kommt es nicht an.231 Da aber nicht jeder Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mit einer solchen Entscheidung endet, ist nach den verschiedenen möglichen Verfahrenskonstellationen im Zusammenhang mit der Eröffnung zu differenzieren. Dabei ist noch einmal zu betonen, dass Schuldner des Insolvenzverfahrens nur eines der am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen sein kann. Dessen Insolvenz hat dann über § 728 Abs. 2 BGB möglicherweise die Auflösung des gemeinsamen Betriebes zur Folge. Ausgehend 228

Vgl. oben § 12 und unten § 15 C.II.1. Vgl. dazu bereits oben § 9 B.I.3. 230 Timm/Schöne in Bamberger/Roth, BGB, § 728 Rn 3; Ulmer in MünchKomm BGB, § 728 Rn 3, 34; Habermeier in Staudinger, BGB, § 728 Rn 26. 231 Timm/Schöne in Bamberger/Roth, BGB, § 728 Rn 3; Ulmer in MünchKomm BGB, § 728 Rn 3, 34; Habermeier in Staudinger, BGB, § 728 Rn 26. 229

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Kap. 3: Die Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens

von den oben erläuterten Verfahrensvoraussetzungen ergeben sich folgende mögliche Verfahrensabläufe.

A. Unzulässiger Insolvenzantrag Der Insolvenzantrag ist unzulässig, wenn es dem antragstellenden Gläubiger nicht gelingt, seine Antragsberechtigung nach § 14 Abs. 1 InsO glaubhaft zu machen. Zum Zwecke der Glaubhaftmachung kann der Gläubiger nach § 294 ZPO alle Beweismittel verwenden.232 Da aber gem. § 294 Abs. 2 ZPO nur präsente Beweismittel zugelassen sind, wird es vor allem auf Urkunden oder schriftliche Erklärungen ankommen.233 Glaubhaft gemacht sind die Voraussetzungen, wenn sie nach überwiegender Wahrscheinlichkeit gegeben sind.234 Da die Zulassung des Antrages zwingende Voraussetzung für die Anordnung von amtlichen Ermittlungen gem. § 5 InsO und Sicherungsmaßnahmen nach §§ 21 ff. InsO ist235, sind einschneidende Maßnahmen nicht denkbar, wenn der Antrag bereits in diesem Stadium abgewiesen wird. Veränderungen auf der Unternehmens- oder gar Betriebsebene sind in diesem Fall auszuschließen. Für eine solche Verfahrenskonstellation kann daher festgehalten werden, dass eine Auflösung des gemeinsamen Betriebes nach § 728 Abs. 2 BGB nicht in Betracht kommt. Der gemeinsame Betrieb besteht vielmehr unverändert fort, sofern nicht die beteiligten Unternehmen den Insolvenzantrag zum Anlass genommen haben, ihre betriebliche Zusammenarbeit aufzulösen. Eine solche Spaltung des gemeinsamen Betriebes wäre jedoch als normale Betriebsänderung außerhalb eines Insolvenzverfahrens zu behandeln.

B. Abweisung eines zulässigen Insolvenzantrages Ein zulässiger Insolvenzantrag wird abgewiesen, wenn die Ermittlungen des Gerichts ergeben, dass kein Eröffnungsgrund gegeben ist. Ebenso wird der Antrag abgewiesen, wenn sich herausstellt, dass zwar ein Insolvenzgrund gegeben ist, aber das Vermögen des Schuldners voraussichtlich nicht ausreicht, um die Kosten des Verfahrens zu decken.

232

Leipold in Stein/Jonas, ZPO, § 294 Rn 8; Greger in Zöller, ZPO, § 294 Rn 3 f. Beck in Beck/Depré, Insolvenzpraxis, § 1 Rn 18; vgl. Leipold in Stein/Jonas, ZPO, § 294 Rn 12 ff.; Greger in Zöller, ZPO, § 294 Rn 3, 5. 234 BGH NJW 1996, 1682; Leipold in Stein/Jonas, ZPO, § 294 Rn 6; anders Greger in Zöller, ZPO, § 294 Rn 6. 235 Schmerbach in Frankfurter Kommentar InsO, § 21 Rn 1; Beck in Beck/Depré, Insolvenzpraxis, § 1 Rn 19; Uhlenbruck in Gottwald, Insolvenzhandbuch, § 12 Rn 25; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn 7.34. 233

§ 15 Übertragung der Auflösung auf die möglichen Verfahrenskonstellationen 127

In beiden Fällen hat das Gericht die Zulässigkeit des Insolvenzantrages bejaht. Demzufolge ist es möglich, dass vorläufige Sicherungsmaßnahmen gem. §§ 21 InsO getroffen werden. Diese Sicherungsmaßnahmen haben jedoch in der Regel vorläufigen Charakter und dienen nur der Sicherung des Status Quo bis zur endgültigen Entscheidung des Insolvenzgerichts.236 Auf die möglichen endgültigen Veränderungen während des Eröffnungsverfahrens wird an anderer Stelle einzugehen sein.237 Mit der ablehnenden Entscheidung sind solche Sicherungsmaßnahmen im Übrigen aufzuheben,238 wobei die Aufhebung gem. § 25 Abs. 1 InsO bekannt zu machen ist. Zwar bleiben die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter getroffenen Maßnahmen in entsprechender Anwendung des § 34 Abs. 3 S. 3 InsO wirksam239, es soll an dieser Stelle jedoch unterstellt werden, dass es nicht zu wesentlichen Änderungen in Bezug auf das Unternehmen gekommen ist. I. Fehlender Eröffnungsgrund Fehlt ein Eröffnungsgrund, ist das Unternehmen nicht insolvent. Die einschneidenden Maßnahmen, welche mit einem Insolvenzverfahren einhergehen, sind in diesem Fall nicht zu rechtfertigen. Da das Unternehmen weiter zahlungsfähig ist, kann es wieder frei am Markt agieren. Wesentliche Änderungen der Unternehmens- oder Betriebsstruktur aufgrund des Insolvenzantrags sind daher nicht zu erwarten. Allerdings ist die erneute Stellung eines Insolvenzantrages durch einen Gläubiger oder den Schuldner möglich, sofern er auf eine neue Begründung gestützt wird.240 Auch dieser Verfahrensablauf führt nicht zu den Rechtsfolgen des § 728 Abs. 2 BGB. II. Abweisung mangels Masse Im Fall der Abweisung mangels Masse steht hingegen die Insolvenz des Unternehmens fest. Es stellt sich daher die Frage, wie der Markt vor solchen Unternehmen geschützt werden kann. Der Schutz soll zunächst durch die nach

236 Vgl. Schmerbach in Frankfurter Kommentar InsO, § 21 Rn 3; Uhlenbruck in Gottwald, Insolvenzhandbuch, § 14 Rn 1; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn 7.34. 237 Vgl. dazu unten § 17. 238 Schmerbach in Frankfurter Kommentar InsO, § 25 Rn 3 f.; Bork, Insolvenzrecht, Rn 110. 239 Bork, Insolvenzrecht, Rn 110; Uhlenbruck in Gottwald, Insolvenzhandbuch, § 14 Rn 116. 240 Beck in Beck/Depré, Insolvenzpraxis, § 1 Rn 66; vgl. OLG Köln ZIP 1989, 789 ff. (zur KO).

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§ 26 Abs. 2 InsO vorzunehmende Eintragung in ein Schuldnerverzeichnis erreicht werden.241 Dieser Schutz ist jedoch nicht immer ausreichend.242 1. Gesellschaftsrechtliche Folgen Ist der Schuldner eine natürliche Person, haftet er für Verbindlichkeiten bis zum Tode mit seinem gesamten Vermögen243 und kann sich nur über die Restschuldbefreiung gem. §§ 286 ff. InsO von dieser Haftung befreien. Die Restschuldbefreiung ist aber nur möglich, wenn das Insolvenzverfahren eröffnet und nicht mangels Masse wieder eingestellt wurde.244 Um diese Möglichkeit zu erhalten, sieht die InsO in § 4a eine Stundung der Verfahrenskosten vor. Bei juristischen Personen und Personengesellschaften, bei denen keine natürliche Person unbeschränkt für die Gesellschaftsverbindlichkeiten haftet, scheidet die unbeschränkte Haftung einer natürlichen Person naturgemäß aus.245 Solche Gesellschaften können nach § 141a Abs. 1 FGG von Amts wegen aufgrund Vermögenslosigkeit gelöscht werden. Allerdings führt die Löschung nach der sog. Lehre vom Doppeltatbestand allein nur zum Verlust der Existenz der Gesellschaft, wenn diese tatsächlich vermögenslos ist.246 Dies ergibt sich daraus, dass im Gesellschaftsrecht allgemein zwischen der Auflösung und der Vollbeendigung der Gesellschaft unterschieden werden muss.247 Mit der Auflösung der Gesellschaft ändert sich der Zweck derselben, aus der werbenden wird eine abzuwickelnde Gesellschaft.248 Die Gesellschaft erlischt erst mit dem Abschluss des Liquidationsverfahrens, also der restlosen Verteilung des Gesellschaftsvermögens.249 Sofern jedoch ein Abwicklungsverfahren mangels Gesellschaftsver-

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Vgl. dazu Haarmeyer in MünchKomm InsO, § 26 Rn 42 ff. Bork, Insolvenzrecht, Rn 100; Haas in Gottwald, Insolvenzhandbuch, § 91 Rn 12 f.; vgl. auch BT-Drucks. 12/2443, S. 72 f. 243 Anschließend treten die Erben gem. §§ 1922, 1967 BGB in diese Haftung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge ein. 244 Stephan in MünchKomm InsO, § 286 Rn 74 f.; Bork, Insolvenzrecht, Rn 392; Schmidt-Räntsch in Gottwald, Insolvenzhandbuch, § 77 Rn 3; die Masseunzulänglichkeit nach § 208 InsO ist dagegen unschädlich. 245 Ausgenommen sind Sonderfälle, welche unter dem Stichwort der Durchgriffshaftung diskutiert werden, vgl. dazu Grunewald, GesR, 2.A Rn 62 f., 2.C Rn 185, 2.F Rn 145 ff.; K. Schmidt, GesR, § 9 IV, S. 233 ff. 246 BGH NJW-RR 1988, 477, 478; BGH NZG 2000, 1222, 1223; BAG NJW 1988, 2637; Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn 7.24; K. Schmidt, GesR, § 11 V 6, S. 316 ff.; Vallender NZG 1998, 249, 252; a. A. RGZ 156, 23, 26 f.; BGHZ 74, 212, 213; Hüffer, § 262 Rn 4, mit dem Argument, dass die Eintragung in das Handelsregister für die Entstehung einer juristischen Person konstitutiv sei. 247 Grunewald, GesR, 1.A Rn 180 ff.; K. Schmidt, GesR, § 11 V 3a), S. 308. 248 Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn 7.1; K. Schmidt, GesR, § 11 V 3 b), S. 311; vgl. auch Grunewald, GesR, 1.A Rn 180. 242

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mögens überflüssig ist, tritt die Vollbeendigung zusammen mit der Auflösung der Gesellschaft ein.250 Sofern keine natürliche Person mit ihrem Vermögen für die Gesellschaftsschulden haftet, ist es also möglich, dass der Gläubiger sein Haftungsobjekt verliert, ohne dass ein Abwicklungsverfahren stattgefunden hat. Zwar bedeutet die Abweisung mangels Masse nicht stets die Vermögenslosigkeit der Gesellschaft,251 jedoch dürfte das verfügbare Vermögen äußerst gering zu veranschlagen sein, da ein Insolvenzgrund vorliegt. Um zu verhindern, dass derart finanzschwache Unternehmen bis zu einer Löschung vom Amts wegen am Markt teilnehmen, hat der Gesetzgeber in § 262 Abs. 1 Nr. 4 AktG, § 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG und § 81a Nr. 1 GenG die rechtskräftige Abweisung mangels Masse als Auflösungstatbestand geregelt. Dieser Auflösungstatbestand wird gem. § 131 Abs. 2 HGB auf solche Handelsgesellschaften erstreckt, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter – auch nicht mittelbar –252 eine natürliche Person ist. Die in diesem Fall durchzuführende Abwicklung vollzieht sich außerhalb des Insolvenzrechts nach den Regeln des Gesellschaftsrechts.253 Insbesondere erfolgt die Durchsetzung von Forderungen wieder im Wege der Einzelzwangsvollstreckung und nicht im Gesamtvollstreckungsverfahren nach der InsO.254 Im gesellschaftsrechtlichen Liquidationsverfahren besteht die Gesellschaft, wenn auch mit dem Zweck der Liquidation, fort.255 Die Liquidation obliegt wie die gewöhnliche Geschäftsführung dem vertretungsberechtigten Organ der Gesellschaft, sofern nicht der Gesellschaftervertrag andere Bestimmungen enthält.256 Abgesehen vom geänderten Zweck ändert sich in diesen Fällen für das Unternehmen nichts. Nach einer teilweise vertretenen Ansicht soll sogar die Fortsetzung einer so aufgelösten Gesellschaft möglich sein, wenn nur der Insolvenzgrund beseitigt werde.257 Dies hätte zur Konsequenz, dass die Vollbeendi-

249 RGZ 134, 91, 94; 155, 75, 84; OLG Stuttgart, NJW 1969, 1493; Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn 7.1; K. Schmidt, GesR, § 11 V 3 b), S. 311. Bei eingetragenen Gesellschaften muss zusätzlich noch die Löschung im jeweiligen Register erfolgen. 250 RGZ 166, 160, 164; BAGE 55, 117, 134; BGH NJW 1990, 573, 574; Ulmer in MünchKomm BGB, § 730 Rn 11; Habermeier in Staudinger, BGB, § 730 Rn 6; vgl. K. Schmidt, GesR, § 11 V 3a), S. 308 ff. zu den einzelnen Fallgruppen. 251 Haarmeyer in MünchKomm InsO, § 26 Rn 49; Vallender NZG 1998, 249, 250. 252 Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn 7.10. 253 Haas in Gottwald, Insolvenzhandbuch, § 92 Rn 229 ff.; K. Schmidt in Schmidt/ Uhlenbruck, Sanierung, Rn 1171; Vallender NZG 1998, 249, 250. 254 BGH NJW 1992, 2229, 22230; Haas in Gottwald, Insolvenzhandbuch, § 92 Rn 236; K. Schmidt, GesR, § 11 VI 5a), S. 329. 255 BGH NJW 1968, 297, 298; Haarmeyer in MünchKomm InsO, § 26 Rn 52; Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, 7.16. 256 OLG Koblenz GmbHR 1991, 315; Haarmeyer in MünchKomm InsO, § 26 Rn 52; Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn 7.36; Vallender NZG 1998, 249, 250.

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gung nicht die notwendige Folge einer solchen Auflösung bedeuten würde, sondern eine Weiterexistenz des Unternehmens denkbar wäre. Gegen diesen Zustand, der die Abwicklung von masselosen Gesellschaften in die Hände der Gesellschafter und Geschäftsführer legt und nicht eines neutralen auf die gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger bedachten Verwalters, werden erheblich rechtsstaatliche und rechtspolitische Bedenken erhoben.258 Für die vorliegende Arbeit ist dieser Zustand trotz der berechtigten Kritik als geltendes Recht hinzunehmen. 2. Arbeitsrechtliche Folgen Maßgeblich ist hier allein die Frage nach den arbeitsrechtlichen Konsequenzen einer solchen Auflösung und Liquidation des Unternehmens. Da die Auflösung als gesetzliche Folge der rechtskräftigen Abweisung des Insolvenzantrags eintritt, also ein Fall der gesetzlichen und nicht der freiwilligen Auflösung vorliegt, ist die Auflösung selbst keineswegs mitbestimmungspflichtig.259 Als bloße Veränderung auf gesellschaftlicher Ebene löst die Auflösung für sich genommen auch keine arbeitsrechtlichen Folgen aus.260 Es kommt vielmehr darauf an, ob während der Liquidation Veränderungen in personeller oder betrieblicher Hinsicht eintreten. Diese Einzelmaßnahmen und nicht die Liquidation an sich unterfallen der Mitbestimmung und bewirken arbeitsrechtliche Konsequenzen.261 Zwar ist davon auszugehen, dass die Liquidation regelmäßig eine Betriebsstilllegung oder eine Betriebsveräußerung nach sich zieht, jedoch gelten insoweit keine Besonderheiten gegenüber Maßnahmen außerhalb einer Liquidation.262 Die Ursache der Betriebsänderung ist für die Frage der Mitbestimmung unwichtig. Insbesondere werden auch unfreiwillige Betriebsänderungen, die durch eine wirtschaftliche Notlage verursacht werden, von der Mitbestimmung erfasst.263 Auch in der Liquidation obliegt die Entscheidung über die Veräußerung oder die Betriebsstilllegung dem für die Geschäftsführung zuständigen Gesellschaftsorgan.264 257 Haas in Gottwald, Insolvenzhandbuch, § 92 Rn 255 f.; a. A. BGHZ 75, 178, 181; BayObLG NJW 1994, 594, 595; KG ZIP 1993, 1476, 1477; Haarmeyer in MünchKomm InsO, § 26 Rn 53. 258 Haarmeyer in MünchKomm InsO, § 26 Rn 52; K. Schmidt, GesR, § 11 VI 5a), S. 329 f. 259 Vgl. Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn 7.10; Moll in Schmidt/Uhlenbruck, Sanierung2, Rn 517. 260 Vgl. Moll in Schmidt/Uhlenbruck, Sanierung2, Rn 517; ähnlich für das Umwandlungsrecht Willemsen in W/H/S/S, Umstrukturierung, B Rn 94 ff. 261 Moll in Schmidt/Uhlenbruck, Sanierung2, Rn 517. 262 Vgl. Moll in Schmidt/Uhlenbruck, Sanierung2, Rn 521 ff. 263 BAG GS AP Nr. 6 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 397; Fitting, BetrVG, § 111 Rn 38; ausführlich Willemsen, Arbeitnehmerschutz, S. 66 ff.

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3. Auswirkungen auf den gemeinsamen Betrieb Insgesamt zeigt sich also, dass die Auflösung der Gesellschaft nach rechtskräftiger Abweisung mangels Masse für sich genommen keine arbeitsrechtlichen Folgen zeitigt. Sie bildet vielmehr den wirtschaftlichen Anlass für normale Betriebsänderungen, wie sie auch außerhalb der Abwicklung vorkommen können. Erst diese Betriebsänderungen können den gemeinsamen Betrieb in seinem Bestand verändern. Obwohl ein Gesellschafter der BGB-Innengesellschaft insolvent ist, greift § 728 Abs. 2 BGB de lege lata in diesen Fällen gerade nicht, da er die Eröffnung des Insolvenzverfahrens voraussetzt.265

C. Eröffnung des Insolvenzverfahrens Ist der Eröffnungsantrag zulässig und begründet, so ergeht der Eröffnungsbeschluss gem. §§ 27 ff. InsO.266 Dieser Beschluss hat weitreichende Wirkungen, insbesondere bewirkt er gem. § 80 Abs. 1 InsO den Verlust der Verwaltungsund Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse, also das gesamte der Zwangsvollstreckung unterworfene Schuldnervermögen.267 Als Folge dieses Übergangs sind Verfügungen des Schuldners und Leistungen an denselben, welche massezugehörige Forderungen betreffen, nach den §§ 81, 82 InsO unwirksam.268 Des Weiteren gilt ab der Eröffnung nach § 89 Abs. 1 InsO das Verbot der Einzelzwangsvollstreckung für Insolvenzgläubiger und alle die Insolvenzmasse betreffenden Prozesse werden bis zur Aufnahme durch den Insolvenzverwalter gem. § 240 S. 1 ZPO, §§ 85, 86, 180 Abs. 2 InsO unterbrochen.269 Die vorläufigen Sicherungsmaßnahmen, welche das Insolvenzgericht getroffen hat, werden durch die §§ 80 ff. InsO abgelöst und treten daher ohne besondere Aufhebung außer Kraft.270

264 BAG DB 1998, 1568; Moll in Schmidt/Uhlenbruck, Sanierung2, Rn 517; da diese auch für die Liquidation zuständig sind, sofern nicht die Satzung ein anderes bestimmt. 265 BGHZ 75, 178, 181 (zu Eröffnung des Konkursverfahrens); Timm/Schöne in Bamberger/Roth, BGB, § 728 Rn 3; Ulmer in MünchKomm BGB, § 728 Rn 9; Habermeier in Staudinger, BGB, § 728 Rn 20. 266 Zu den inhaltlichen Anforderungen vgl. im einzelnen Beck in Beck/Depré, Insolvenzpraxis, § 1 Rn 73. 267 Beck in Beck/Depré, Insolvenzpraxis, § 1 Rn 76; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn 7.48; Hess in Obermüller/Hess, InsO, Rn 267. 268 Beck in Beck/Depré, Insolvenzpraxis, § 1 Rn 102 ff.; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn 7.48; Hess in Obermüller/Hess, InsO, Rn 268 ff. 269 Beck in Beck/Depré, Insolvenzpraxis, § 1 Rn 106 ff.; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn 7.48; Hess in Obermüller/Hess, InsO, Rn 272 ff. 270 Kirchhof in HK-InsO, § 21 Rn 56; Schmahl in MünchKomm InsO, § 34 Rn 90.

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I. Auswirkungen auf Gesellschaften Für juristische Personen und Personengesellschaften führt die Verfahrenseröffnung darüber hinaus zur Auflösung.271 Die zur Vertretung und Geschäftsführung berufenen Gesellschafter bzw. Organe verlieren mit der Eröffnung ihre Kompetenzen in Bezug auf die Insolvenzmasse, die auf den Insolvenzverwalter übergehen.272 Dem gemäß erlöschen mit der Eröffnung des Verfahrens sämtliche Aufträge und Vertretungsverhältnisse nach §§ 115 ff. InsO. Der Insolvenzverwalter kann jedoch Angestellten und Arbeitnehmern des Schuldners neue Vertretungsbefugnisse einräumen und wird dies bei größeren Unternehmen auch zwangsläufig tun. Wird über das Vermögen eines Gesellschafters das Insolvenzverfahren eröffnet, so hat dies regelmäßig sein Ausscheiden unter Fortbestand der Gesellschaft zur Folge.273 Etwas anderes gilt gem. § 728 Abs. 2 S. 1 BGB nur für die BGB-Gesellschaft.274 Umstritten ist, ob das Insolvenzverfahren gleichzeitig auch der Liquidation der Gesellschaft, also ihrer Abwicklung bis zur Löschungsreife, dient.275 Da dieser Streit praktisch nur bei der Freigabe von kontaminierten Grundstücken relevant wird,276 ist eine Entscheidung im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht notwendig. Entscheidend ist vielmehr die Frage, ob die mit dem Insolvenzverfahren beabsichtigte Gläubigerbefriedigung durch die Veräußerung, die Sanierung oder die Stilllegung des Unternehmens erfolgen soll. Diese Entscheidung muss jedoch unabhängig von der vertretenen Ansicht durch die Gläubigerversammlung im Berichtstermin getroffen werden.277 Ob die Gesellschafter die Gesellschaft im Anschluss an das Insolvenzverfahren noch fortsetzen oder diese nach § 141a FGG gelöscht wird, kann vor diesem Hintergrund dahinstehen.

271 Beck in Beck/Depré, Insolvenzpraxis, § 1 Rn 109 f.; vgl. § 262 Abs. 1 Nr. 3 AktG; § 728 Abs. 2 BGB; § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG; §§ 131 Abs. 1 Nr. 3, 161 Abs. 2 HGB. 272 App in Frankfurter Kommentar InsO, § 80 Rn 5; Ott in MünchKomm InsO, § 80 Rn 111. 273 Vgl. §§ 131 Abs. 3 Nr. 2, 161 Abs. 2 HGB, für OHG bzw. KG; vgl. im Übrigen Hirte in Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn 53 ff., 249. 274 Vgl. Hirte in Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn 53. 275 So Bork, Insolvenzrecht, Rn 135; K. Schmidt, ZGR 1998, 633, 636 f.; Vallender NZG 1998, 249, 251 a. A. BGH ZIP 2001, 1469, 1471; OLG Rostock NZI 2001, 96; Henckel in FS Merz, S. 197 ff.; Kilger in FS Merz, S. 253, 269 f. 276 Ott in MünchKomm InsO, § 80 Rn 114; vgl. Eickmann in HK-InsO, § 35 Rn 42 ff. 277 Beck in Beck/Depré, Insolvenzpraxis, § 10 Rn 162 ff.; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn 7.58 ff. Etwas anderes gilt nur dann, wenn eine sofortige Stilllegung des Unternehmens nach § 158 InsO erforderlich ist. In diesem Fall entscheidet der Insolvenzverwalter, vgl. zu den Einzelheiten Beck in Beck/Depré, Insolvenzpraxis, § 10 Rn 173 ff.

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II. Arbeitsrechtliche Konsequenzen 1. Arbeitgeberstellung des Insolvenzverwalters Mit dem Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis rückt der Insolvenzverwalter in die Rechtsstellung des Insolvenzschuldners als Arbeitgeber ein.278 Dabei ist umstritten, ob der Insolvenzverwalter in die arbeitsrechtliche Rechts- und Pflichtenstellung einrückt279 oder ob der Schuldner selbst Arbeitgeber bleibt und der Insolvenzverwalter lediglich die Rechte und Pflichten aus dieser Stellung wahrnimmt.280 Geht man von den allgemeinen Grundsätzen aus, so bleibt der Schuldner auch nach der Verfahrenseröffnung selbst Rechtsträger und damit Träger des Unternehmens.281 Das heißt dann aber auch, dass er selbst Vertragspartner der Arbeitnehmer bleibt. Aufgrund der Wirkung der Eröffnung ist es ihm jedoch nicht möglich, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Pflichten wahrzunehmen, weil die Handlungskompetenzen sämtlich auf den Insolvenzverwalter übergegangen sind.282 Dies spricht für die zweite Ansicht. Letztlich ist dieser Streit jedoch bedeutungslos.283 Er hätte nur dann Relevanz, wenn die Stellung als Arbeitgeber auch Kompetenzen beinhaltet, welche nur der Schuldner wahrnehmen kann, etwa weil sie sich auf Gegenstände beziehen, welche nicht zur Insolvenzmasse gehören. Solche Kompetenzen sind jedoch nicht ersichtlich, vielmehr übt der Insolvenzverwalter sämtliche Zuständigkeiten aus, die sich aus der Arbeitgeberstellung ergeben.284 Nur der Insolvenzverwalter hat die Lohn- und Gehaltsansprüche der Arbeitnehmer zu erfüllen, ihm steht das Direktionsrecht zu, er allein ist zur Kündigung der Arbeitsverhältnisse berechtigt und ist Adressat der Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte des Betriebsrates.285 Im Rahmen der Unternehmensmitbestimmung nach dem BetrVG 1952 oder dem MitbestG ist zu berücksichtigen, dass sich die Kompe-

278 BAG NZA 1991, 62, 63; Ott in MünchKomm InsO, § 80 Rn 121; Uhlenbruck in Uhlenbruck, InsO, § 80 Rn 11; Beck in Beck/Depré, Insolvenzpraxis, § 1 Rn 121. 279 So Uhlenbruck in Uhlenbruck, InsO, § 80 Rn 11; Beck in Beck/Depré, Insolvenzpraxis, § 1 Rn 121. 280 So Heinze/Bertram in Gottwald, Insolvenzhandbuch, § 103 Rn 23. 281 App in Frankfurter Kommentar InsO, § 80 Rn 5; Ott in MünchKomm InsO, § 80 Rn 122; Hess in Obermüller/Hess, InsO, Rn 267. 282 Ott in MünchKomm InsO, § 80 Rn 122; Eickmann in Gottwald, Insolvenzhandbuch, § 30 Rn 43; vgl. auch Henckel in Jaeger, KO, § 6 Rn 53. 283 So auch Henckel in Jaeger, KO, § 6 Rn 53; Ott in MünchKomm InsO, § 80 Rn 122; Uhlenbruck in Uhlenbruck, InsO, § 80 Rn 63. 284 Ott in MünchKomm InsO, § 80 Rn 122; Löwisch/Caspers ebenda, vor §§ 113 bis 128 Rn 11 ff.; Moll in Schmidt/Uhlenbruck, Sanierung, Rn 1319. 285 Ott in MünchKomm InsO, § 80 Rn 122 ff.; Uhlenbruck in Uhlenbruck, InsO, § 80 Rn 63; Heinze/Bertram in Gottwald, Insolvenzhandbuch, § 103 Rn 32 f.

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Kap. 3: Die Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens

tenzen des Aufsichtsrates nach der Eröffnung lediglich auf die Geschäfte beziehen, welche nicht die Insolvenzmasse betreffen.286 2. Fortbestand der Arbeitsverhältnisse Weiter ist hervorzuheben, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens keinen Einfluss auf den Bestand und Inhalt der Arbeitsverhältnisse hat, wie sich aus § 108 Abs. 1 InsO ergibt.287 Dem Insolvenzverwalter steht folglich nicht das Wahlrecht nach § 103 InsO zu. Dies gilt auch für noch nicht angetretene Arbeitsverhältnisse, da § 113 InsO im Gegensatz zu § 22 KO nicht nur die Kündigung „angetretener“ Dienstverhältnisse regelt.288 Beschäftigt der Insolvenzverwalter die Arbeitnehmer weiter, so muss er die Löhne und Gehälter aus der Insolvenzmasse bedienen, § 55 Abs. I Nr. 2 InsO.289 Löhne aus der Zeit vor der Verfahrenseröffnung sind demgegenüber nach § 108 Abs. 2 InsO lediglich als Insolvenzforderungen zu bedienen.290 Der Insolvenzverwalter kann jedoch diejenigen Arbeitnehmer, deren Arbeitsleistung er etwa infolge einer Betriebsstilllegung, nicht annehmen kann, von der Arbeitsleistung freistellen.291 Diese Arbeitnehmer haben dann die Möglichkeit im Wege der Gleichwohlgewährung nach § 143 Abs. 3 SGB III Arbeitslosengeld zu beziehen.292 Der Anspruch auf die Differenz zum Nettolohn aus § 615 S. 1 BGB ist jedoch weiterhin als Masseforderung zu bedienen.293 Die Freistellung wird erst dann relevant, wenn der Insolvenzverwalter die Masseunzulänglichkeit angezeigt hat.294 Wird die Ar286 Ott in MünchKomm InsO, § 80 Rn 115; Haas in Gottwald, Insolvenzhandbuch, § 92 Rn 302. 287 Hamacher in Nerlich/Römermann, InsO, vor § 113 Rn 5; Bork, Insolvenzrecht, Rn 173; Heinze/Bertram in Gottwald, Insolvenzhandbuch, § 103 Rn 57; Moll in Schmidt/Uhlenbruck, Sanierung, Rn 1319. 288 Irschlinger in HK-InsO, § 113 Rn 11; Eisenbeis in Frankfurter Kommentar InsO, Vor §§ 113 ff. Rn 6; Löwisch/Caspers in MünchKomm InsO, § 113 Rn 12; Heinze/Bertram in Gottwald, Insolvenzhandbuch, § 103 Rn 57; a. A. Hess in Obermüller/Hess, InsO, Rn 805. 289 Hamacher in Nerlich/Römermann, InsO, vor § 113 Rn 36; Bork, Insolvenzrecht, Rn 173; Schaub in Schaub, AR-HB, § 93 Rn 31. 290 Hamacher in Nerlich/Römermann, InsO, vor § 113 Rn 37; Schaub in Schaub, AR-HB, § 93 Rn 29. 291 LAG Hamm NZI 2001, 499, 500; Lakies BB 1998, 2638; Schaub DB 1999, 217, 219; a. A. Mues in Frankfurter Kommentar InsO, Anhang zu § 113 Rn 213; Seifert DZWiR 2002, 407, 409. Dies führt dann zu einem Anspruch auf Annahmeverzugslohn gem. § 615 S. 1 BGB. Dieser Anspruch ist als Masseforderung zu bedienen, vgl. Schaub in Schaub, AR-HB, § 93 Rn 31. 292 Mit der Folge, dass der Anspruch auf Arbeitsentgelt gem. § 115 SGB X in dieser Höhe auf die Bundesanstalt für Arbeit übergeht. Auch dieser Anspruch ist eine Masseforderung, vgl. Hefermehl in MünchKomm InsO, § 55 Rn 169. 293 Hamacher in Nerlich/Römermann, InsO, vor § 113 Rn 30; Schaub in Schaub, AR-HB, § 93 Rn 31.

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beitsleistung in Anspruch genommen, so sind die Lohnforderungen nach § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO zu erfüllen, anderenfalls gilt § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO.295 3. Auswirkungen auf den gemeinsamen Betrieb Ausgehend von der Rechtsnatur der Führungsvereinbarung als BGB-Gesellschaftsvertrag ist in diesem Fall § 728 Abs. 2 BGB anzuwenden, der die Auflösung der Gesellschaft zur Folge hat. Da die Führungsvereinbarung eine vermögenslose BGB-Innengesellschaft begründet, ist zu diesem Zeitpunkt die Gesellschaft gleichzeitig voll beendet. Damit wird der gemeinsame Betrieb aufgelöst. Maßgeblich für die Auflösung ist der Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Eröffnungsbeschlusses gem. § 27 InsO. Der Eröffnungsbeschluss wird wirksam, wenn er vom Insolvenzrichter unterzeichnet wurde, auf die Rechtskraft des Beschlusses oder seine Zustellung kommt es nicht an.296 Demzufolge wird die durch die Führungsvereinbarung gebildete Gesellschaft und damit der gemeinsame Betrieb im Zeitpunkt der Unterzeichnung des Eröffnungsbeschlusses aufgelöst und beendet.

D. Spätere Einstellung des eröffneten Insolvenzverfahrens Auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist noch nicht gewährleistet, dass das Insolvenzverfahren auch bis zum Schlusstermin nach § 197 InsO durchgeführt wird. In diesen Fällen stellt sich die Frage, ob die Wirkungen der Eröffnung ex-nunc oder ex-tunc beseitigt werden und ob Handlungen des Insolvenzverwalters wirksam bleiben. I. Erfolgreiche Beschwerde gegen den Eröffnungsbeschluss Nach § 34 Abs. 2 InsO steht dem Insolvenzschuldner gegen den Eröffnungsbeschluss die sofortige Beschwerde zu. Ebenfalls zulässig ist eine Beschwerde des Antragstellers gegen die Abweisung des Eröffnungsantrags oder eine Beschwerde gegen die Eröffnung, wenn eine Abweisung mangels Masse für rich-

294 Schaub in Schaub, AR-HB, § 93 Rn 31; Moll in Schmidt/Uhlenbruck, Sanierung, Rn 1322. 295 Kießner in Frankfurter Kommentar InsO, § 209 Rn 34; Moll in Schmidt/Uhlenbruck, Sanierung, Rn 1322. 296 Timm/Schöne in Bamberger/Roth, BGB, § 728 Rn 3; Habermeier in Staudinger, BGB, § 728 Rn 20; anders Ulmer in MünchKomm BGB, § 728 Rn 8: Unterzeichnung und Herausgabe durch die Geschäftsstelle zum Zwecke der Bekanntgabe.

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Kap. 3: Die Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens

tig gehalten wird.297 Diese Beschwerden führen jedoch zu keiner neuen Verfahrenskonstellation, sondern über den „Umweg“ der Entscheidung des Beschwerdegerichts zu einer der dargestellten Möglichkeiten. Hat die Beschwerde Erfolg, so wird der Eröffnungsbeschluss aufgehoben. Das Insolvenzgericht wird dann das Verfahren eröffnen oder aus einem anderem Grund den Antrag zurückweisen. Die Beschwerde mit dem Ziel, eine Abweisung mangels Masse zu erreichen, hat im Falle des Erfolges gerade diese zur Folge. Der anschließende Verfahrensablauf birgt keine Besonderheiten, so dass diese Konstellationen zu vernachlässigen sind. Von Interesse ist nur die (erfolgreiche) Beschwerde des Schuldners gegen die Eröffnung, da diese zu einer nachträglichen Einstellung des Insolvenzverfahrens führt. 1. Wirkungen einer erfolgreichen Beschwerde Nach § 4 InsO i.V. m. § 570 Abs. 1 ZPO hat die Einlegung der Beschwerde keine aufschiebende Wirkung. Darüber hinaus bestimmt § 6 Abs. 3 S. 1 InsO, dass die Entscheidung über die Beschwerde erst mit Rechtskraft wirksam wird. Das Beschwerdegericht kann jedoch nach § 6 Abs. 3 S. 2 InsO die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung anordnen. Im Fall der Aufhebung eines Eröffnungsbeschlusses sollte dies jedoch nur erfolgen, wenn die materiellen Voraussetzungen der Eröffnung ernsthaften Zweifeln unterliegen und dem Schuldner Schaden droht.298 Dies gilt umso mehr, als nach § 7 InsO eine Rechtsbeschwerde stets möglich ist. Eine erfolgreiche Beschwerde führt zur Aufhebung der Verfahrenseröffnung durch Beschluss.299 Der aufhebende Beschluss wird nach § 6 Abs. 3 InsO mit Rechtskraft wirksam, wenn das Beschwerdegericht nicht die sofortige Wirksamkeit anordnet.300 Der Beschluss wirkt auf den Eröffnungszeitpunkt zurück und lässt sämtliche rechtlichen Wirkungen der Eröffnung von Anfang an entfallen.301 Der Schuldner wird also so behandelt, als ob das Insolvenzverfahren nie eröffnet worden wäre. Dies gilt auch für die gesellschaftsrechtlichen Folgen der Verfahrenseröffnung wie etwa die Auflösung von Gesellschaften.302 Des Weite297 Im Einzelnen ist dies str. vgl. dazu Kirchhof in HK-InsO, § 34 Rn 3 ff.; Schmahl in MünchKomm InsO, § 34 Rn 70. 298 Schmerbach in Frankfurter Kommentar InsO, § 6 Rn 26; Kirchhof in HK-InsO, § 34 Rn 27; Ganter in MünchKomm InsO, § 6 Rn 76. 299 Dieser Beschluss kann wiederum von Gläubigern mit der nach § 7 InsO statthaften Rechtsbeschwerde angegriffen werden, vgl. zu den Einzelheiten Ganter in MünchKomm InsO, § 7 nF Rn 15 ff.; Lipp in MünchKomm ZPO, AB, § 574 Rn 4 ff. Vorliegend soll die Wirksamkeit des Aufhebungsbeschlusses unterstellt werden. 300 Kirchhof in HK-InsO, § 34 Rn 27; Schmahl in MünchKomm InsO, § 34 Rn 86. 301 Schmerbach in Frankfurter Kommentar InsO, § 34 Rn 41; Kirchhof in HK-InsO, § 34 Rn 38; Schmahl in MünchKomm InsO, § 34 Rn 86; Uhlenbruck in Uhlenbruck, InsO, § 34 Rn 32; Bork, Insolvenzrecht, Rn 114.

§ 15 Übertragung der Auflösung auf die möglichen Verfahrenskonstellationen 137

ren entfallen mit der Wirksamkeit des Beschlusses auch solche Rechtsfolgen, die kraft rechtsgeschäftlicher Bedingung mit der Eröffnung eingetreten sind, da nach dem Beschwerdebeschluss die Bedingung nie eingetreten ist.303 Etwas anderes gilt für anlässlich der Eröffnung vorgenommene Handlungen, diese bleiben wirksam, sofern sie nicht nach den allgemein maßgeblichen Regeln rückabgewickelt werden können.304 Das Insolvenzverfahren selbst wird nur beendet, wenn das Beschwerdegericht nicht nur den Eröffnungsbeschluss aufhebt, sondern selbst den Eröffnungsantrag abweist.305 Im Interesse des Rechtsverkehrs und aus Gründen der Rechtssicherheit bleiben jedoch vom oder gegenüber dem Insolvenzverwalter zwischenzeitlich vorgenommene Rechtshandlungen wirksam, § 34 Abs. 3 S. 3 InsO.306 Das bedeutet, dass die Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters auch für die Zukunft Bestand haben und den Schuldner wie eigenes Handeln binden.307 So beenden ausgesprochene Kündigungen das Dienstverhältnis wirksam und etwaige Schadensersatzansprüche, z. B. nach § 113 Abs. 1 S. 2 InsO, treffen den Schuldner. Ihm steht lediglich die Möglichkeit offen, die Handlungen des Verwalters nach den allgemeinen Regeln rückgängig zu machen, sofern dies möglich ist. Sofern der Eröffnungsbeschluss jedoch nichtig ist, findet § 34 Abs. 3 S. 3 keine Anwendung.308 Damit lässt sich für diese Konstellation festhalten, dass die allgemeinen Wirkungen der Verfahrenseröffnung nie eingetreten sind, einzelne Maßnahmen des Insolvenzverwalters jedoch wirksam bleiben. 2. Auswirkungen auf den gemeinsamen Betrieb In Bezug auf den gemeinsamen Betrieb ist an den allgemeinen Grundsätzen festzuhalten. Danach wirkt die Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses zurück, so dass die Gesellschaft bürgerlichen Rechts nie aufgelöst war, sondern weiter als werbend angesehen wird.309 Da die Wirkung des ergangenen Beschlusses ex302

Kirchhof in HK-InsO, § 34 Rn 39; Uhlenbruck in Uhlenbruck, InsO, § 34 Rn 32. Schmahl in MünchKomm InsO, § 34 Rn 87. 304 Kirchhof in HK-InsO, § 34 Rn 39; Schmahl in MünchKomm InsO, § 34 Rn 87. 305 Schmahl in MünchKomm InsO, § 34 Rn 89; Uhlenbruck in Uhlenbruck, InsO, § 34 Rn 29. Die durch die Eröffnung abgelösten vorläufigen Sicherungsmaßnahmen des Insolvenzgerichtes leben mit dem Aufhebungsbeschluss wieder auf, sofern sie nicht ausdrücklich aufgehoben werden, Schmahl in MünchKomm InsO, § 34 Rn 90 m.w. N. 306 Schmerbach in Frankfurter Kommentar InsO, § 34 Rn 41a; Kirchhof in HKInsO, § 34 Rn 38; Bork, Insolvenzrecht, Rn 114; Uhlenbruck in Gottwald, Insolvenzhandbuch, § 16 Rn 39. 307 Vgl. zu den Einzelheiten Schmal in MünchKomm InsO, § 34 Rn 62 ff.; Uhlenbruck in Uhlenbruck, InsO, § 34 Rn 33 f. 308 Schmerbach in Frankfurter Kommentar InsO, § 34 Rn 41a; vgl. auch BGHZ 137, 49, 56 f. (zur KO). 303

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Kap. 3: Die Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens

tunc entfällt, wurde der gemeinsame Betrieb niemals aufgelöst. Demgegenüber bleiben die Handlungen des Insolvenzverwalters selbst aufgrund der gesetzlichen Anordnung gem. § 34 Abs. 3 S. 3 InsO wirksam. Ausgesprochene Kündigungen oder die Stilllegung des durch das Unternehmen eingebrachten Betriebsteils blieben demzufolge wirksam. Diese Rechtslage kann dazu führen, dass der gemeinsame Betrieb trotz des aufgehobenen Eröffnungsbeschlusses aufgelöst bleibt, da der ursprünglich eingebrachte Betriebsteil vollständig stillgelegt wurde, also eine gemeinsame Betriebsleitung nicht mehr möglich ist. In einem solchen Fall können die Maßnahmen des Insolvenzverwalters durch das Unternehmen nur nach den allgemeinen Regelungen rückgängig gemacht werden, sofern dies gewollt ist. Der stillgelegte Betrieb kann also wieder eröffnet und entlassene Mitarbeiter erneut eingestellt werden. Dieses Ergebnis kann zwar unbefriedigende Folgen haben, dies ist jedoch nicht zu vermeiden, da die Auflösung der Gesellschaft nicht mit Rechtskraft des Eröffnungsbeschlusses eintritt, sondern schon mit dem Wirksamwerden nach § 27 InsO. Da jedoch in aller Regel das Beschwerdeverfahren abgeschlossen sein wird, bevor eine nach § 111 f. BetrVG mitbestimmungspflichtige Betriebsstilllegung durchgeführt wurde, dürften die vorstehenden Folgen in der Praxis selten auftreten. II. Einstellung mangels Masse Bei der Einstellung mangels Masse sind gegenüber der vorstehenden Konstellation alle Verfahrensvoraussetzungen gegeben. Jedoch ist im Rahmen der Prüfung der Eröffnungsvoraussetzungen gem. § 26 Abs. 1 InsO nur eine Prognose vorzunehmen, so dass sich im Verfahren herausstellen kann, dass die Masse nicht zur vollständigen Befriedigung aller Masseforderungen ausreicht. Da der Insolvenzverwalter nach § 61 S. 1 InsO für die von ihm begründeten Masseverbindlichkeiten einzustehen hat, stellt sich die Frage, wie er zu verfahren hat, wenn er eine Massearmut feststellt. Dabei sind nach der InsO zwei Konstellationen zu unterscheiden. 1. Fehlende Verfahrenskostendeckung gem. § 207 InsO Fehlende Verfahrenskostendeckung, also Massearmut im engeren Sinne liegt vor, wenn die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um die Kosten des Verfahrens zu decken.310 Zu den Kosten des Verfahrens zählen nach § 54 InsO die Gerichts309 Timm/Schöne in Bamberger/Roth, BGB, § 728 Rn 3; Ulmer in MünchKomm BGB, § 728 Rn 8; Habermeier in Staudinger, BGB, § 728 Rn 20. 310 Kießner in Frankfurter Kommentar InsO, § 207 Rn 6; Beck in Beck/Depré, Insolvenzpraxis, § 10 Rn 187.

§ 15 Übertragung der Auflösung auf die möglichen Verfahrenskonstellationen 139

kosten, die Vergütungen und Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters, des Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses. a) Auswirkung auf das Insolvenzverfahren Stellt der Insolvenzverwalter eine solche Massearmut fest, so hat er diese umgehend dem Insolvenzgericht anzuzeigen und die Einstellung mangels Masse anzuregen.311 Das Insolvenzgericht überprüft dann im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht nach § 5 InsO, ob tatsächlich eine fehlende Verfahrenskostendeckung vorliegt.312 Führt diese Prüfung zu einem positiven Ergebnis, so sind nach § 207 Abs. 2 InsO die Gläubigerversammlung, die Massegläubiger und der Insolvenzverwalter anzuhören. Mit dieser Anhörung soll den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme und zur Zahlung eines Kostenvorschusses gegeben werden, falls ein Interesse an der Durchführung des Verfahrens besteht.313 Sofern kein solcher Kostenvorschuss geleistet wird und die Verfahrenskosten nicht nach § 4a InsO gestundet werden, stellt das Gericht das Verfahren nach der Verteilung verfügbarer Barmittel gem. § 207 Abs. 3 InsO ein. Der Einstellungsbeschluss wird mit der Bewirkung der öffentlichen Bekanntmachung wirksam, nach § 9 Abs. 1 S. 3 InsO also zwei Tage nach der Veröffentlichung.314 Mit dem Wirksamwerden der Einstellung erhält der Schuldner nach § 215 Abs. 2 InsO die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse zurück.315 Die Einstellung wirkt ex-nunc, daher bleiben vom Insolvenzverwalter vorgenommene Handlungen wirksam und für den Insolvenzschuldner bindend.316 Die gegen die Einstellung gem. § 216 Abs. 1 InsO statthafte sofortige Beschwerde hat gem. § 4 InsO i.V. m. § 572 Abs. 1 ZPO keine aufschiebende Wirkung.317 Der Schuldner kann also vor der Rechtskraft des Einstellungsbeschlusses wieder frei über sein Vermögen verfügen.318 Hat die Beschwerde Er-

311 Pape in Kübler/Prütting, InsO, § 207 Rn 12; Uhlenbruck in Uhlenbruck, InsO, § 207 Rn 4; Beck in Beck/Depré, Insolvenzpraxis, § 10 Rn 196. 312 Hefermehl in MünchKomm InsO, § 207 Rn 40; Beck in Beck/Depré, Insolvenzpraxis, § 10 Rn 196. 313 Kießner in Frankfurter Kommentar InsO, § 207 Rn 19; Hefermehl in MünchKomm InsO, § 207 Rn 41. 314 Kießner in Frankfurter Kommentar InsO, § 207 Rn 33; Hefermehl in MünchKomm InsO, § 207 Rn 49. 315 Einzelheiten bei Hefermehl in MünchKomm InsO, § 207 Rn 70 ff. 316 Kießner in Frankfurter Kommentar InsO, § 215 Rn 13; Hefermehl in MünchKomm InsO, § 207 Rn 49. 317 Das Beschwerdegericht kann aber gem. § 572 Abs. 3 ZPO die Vollziehung des Einstellungsbeschlusses vorläufig aussetzen. 318 Hefermehl in MünchKomm InsO, § 216 Rn 14.

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Kap. 3: Die Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens

folg, so läuft das Insolvenzverfahren weiter. Die zwischenzeitlichen Verfügungen des Schuldners bleiben jedoch wirksam.319 Diese Konstellation ist also dadurch gekennzeichnet, dass zunächst die Wirkungen der Eröffnung sämtlich eintreten, diese aber nachträglich mit Wirkung für die Zukunft wegfallen. Nach der erfolgten Einstellung gilt das oben zur Nichteröffnung mangels Masse Ausgeführte. b) Auswirkungen auf den gemeinsamen Betrieb In Bezug auf den gemeinsamen Betrieb ist zunächst festzuhalten, dass ein wirksamer Eröffnungsbeschluss vorliegen muss, um den Betrieb aufzulösen. Die Wirkungen des Eröffnungsbeschlusses werden jedoch anders als im Falle einer erfolgreichen Beschwerde nicht ex-tunc, sondern nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben. Fraglich ist somit, ob der durch die Verfahrenseröffnung gem. § 728 Abs. 2 BGB aufgelöste gemeinsame Betrieb durch die nachträgliche Einstellung des Verfahrens wieder neu gebildet wird. Auch in dieser Konstellation ergibt sich die Lösung aus der konsequenten Anwendung des Rechtes der BGB-Gesellschaft. Demnach ist die Auflösung mit dem wirksamen Eröffnungsbeschluss eingetreten. Diese Auflösung wird durch die für die Zukunft wirkende Einstellung nicht rückgängig gemacht.320 Das Schicksal der Gesellschaft hängt somit davon ab, ob sie bereits vollständig beendet ist, also nicht mehr existiert oder ob sie fortgesetzt wurde bzw. das Abwicklungsverfahren noch läuft. Eine vollständig abgewickelte Gesellschaft kann, auch wenn das Insolvenzverfahren nachträglich wieder eingestellt wird, nicht mehr fortgesetzt, sondern nur neu gegründet werden.321 Wie bereits gezeigt ist im Falle der Führungsvereinbarung eine Fortsetzung der Gesellschaft durch einen entsprechenden Beschluss der verbleibenden Gesellschafter gesellschaftsrechtlich zulässig.322 Ein solcher Beschluss kann jedoch nur im zeitlichem Zusammenhang mit der Verfahrenseröffnung getroffen werden, da ein Abwicklungsverfahren mangels Gesellschaftsvermögens nicht durchgeführt wird. Zusätzlich kommt eine Fortsetzung nur in Betracht, wenn diese betriebsverfassungsrechtlich möglich ist, der gemeinsame Betrieb also durch die Spaltung nicht seine Identität eingebüßt hat. Da die Spaltung jedoch in jedem Fall zu einem Ausscheiden des dem insolventen Unternehmen zuzuordnenden Betriebsteiles geführt hat, ist eine Fortset319

Hefermehl in MünchKomm InsO, § 216 Rn 15. Timm/Schöne in Bamberger/Roth, BGB, § 728 Rn 3; Ulmer in MünchKomm BGB, § 728 Rn 9. 321 Vgl. Timm/Schöne in Bamberger/Roth, BGB, § 728 Rn 3; Ulmer in MünchKomm BGB, § 728 Rn 9. 322 Vgl. oben § 14 D.III.3. 320

§ 15 Übertragung der Auflösung auf die möglichen Verfahrenskonstellationen 141

zung mit dem Schuldner betriebsverfassungsrechtlich nicht möglich.323 Ohnehin wäre für eine solche Fortsetzung während des Insolvenzverfahrens die Zustimmung des Insolvenzverwalters notwendig.324 Sofern die solventen Unternehmen den gemeinsamen Betrieb also unverändert fortgeführt haben, handelt es sich um eine konkludente Fortsetzung ohne den Insolvenzschuldner. Demnach kommt nur dessen erneute Aufnahme in den gemeinsamen Betrieb in Betracht. Die spätere Einstellung des Insolvenzverfahrens hat für sich genommen also keine Auswirkungen auf das Schicksal des gemeinsamen Betriebes. 2. Masseunzulänglichkeit gem. § 208 InsO Von der vorstehend beschriebenen Situation ist die Masseunzulänglichkeit i. S. d. § 208 InsO zu trennen.325 Masseunzulänglichkeit oder Massearmut i. w. S. liegt vor, wenn zwar die Verfahrenskosten nach § 54 InsO durch die Masse gedeckt sind, diese jedoch nicht ausreicht um die fälligen sonstigen Masseverbindlichkeiten gem. § 55 InsO zu befriedigen. Die drohende Masseunzulänglichkeit wird gem. § 208 Abs. 1 S. 2 InsO der Masseunzulänglichkeit gleichgestellt. Die Anzeige ist vom Insolvenzverwalter vorzunehmen, sobald er die Masseunzulänglichkeit feststellt.326 Die Prüfung und Feststellung der Masseunzulänglichkeit obliegt allein dem Insolvenzverwalter, eine Überprüfung durch das Insolvenzgericht erfolgt insoweit nicht.327 Dem Gericht bleibt nur im Rahmen der allgemeinen Aufsicht nach § 58 InsO die Befugnis, nähere Auskünfte oder Angaben vom Insolvenzverwalter zu verlangen, kann aber die Einschätzung des Verwalters an sich nicht ändern.328 Die gegen diesen Zustand geäußerte Kritik329 mag im einzelnen berechtigt sein, jedoch ist die Entscheidung des Gesetzgebers als geltendes Recht zu akzeptieren.330

323

Vgl. oben § 14 D.III.3.b). Vgl. oben § 14 D.III.3.b). 325 Sofern sich die Vermögenssituation ändert, kann der Insolvenzverwalter vor der Entscheidung des Insolvenzgerichtes seine Anzeige entsprechend abändern, Hefermehl in MünchKomm InsO, § 207 Rn 13. 326 Landfermann in HK-InsO, § 208 Rn 6; Beck in Beck/Depré, Insolvenzpraxis, § 10 Rn 200. 327 Landfermann in HK-InsO, § 208 Rn 8; Hefermehl in MünchKomm InsO, § 208 Rn 34 f., 38; Beck in Beck/Depré, Insolvenzpraxis, § 10 Rn 201. 328 Hefermehl in MünchKomm InsO, § 208 Rn 39; Beck in Beck/Depré, Insolvenzpraxis, 3 10 Rn 202. 329 Vgl. Hefermehl in MünchKomm InsO, § 208 Rn 40 m.w. N. 330 Landfermann in HK-InsO, § 208 Rn 5. 324

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Kap. 3: Die Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens

a) Auswirkungen auf den Verfahrensablauf Stellt der Insolvenzverwalter also die Masseunzulänglichkeit fest, so muss die Anzeige nach § 208 Abs. 2 InsO öffentlich bekannt gemacht und den Massegläubigern zugestellt werden. Auch nach der Anzeige bleibt der Insolvenzverwalter zur Verwaltung und Verwertung der Masse verpflichtet, § 208 Abs. 3 InsO. Das Insolvenzverfahren wird also fortgesetzt, jedoch ändert sich dessen Zielsetzung. Da eine gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger ausscheidet, muss der Insolvenzverwalter nun eine zügige Restabwicklung zugunsten der Massegläubiger durchführen.331 Wichtigste Konsequenz ist die Änderung der Befriedigungsreihenfolge nach § 209 Abs. 1 InsO. Die sog. „Alt-Masseverbindlichkeiten“, also solche Forderungen, die vor der Anzeige entstanden sind, treten hinter die Verbindlichkeiten zurück, die nach der Anzeige entstehen, sog. „NeuMasseverbindlichkeiten“. Diese Reihenfolge der Befriedigung wird durch § 210 InsO geschützt, der die Vollstreckung wegen „Alt-Masseverbindlichkeiten“ untersagt. Aus arbeitsrechtlicher Sicht ist hervorzuheben, dass eine Betriebsfortführung nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit nur in Ausnahmefällen denkbar ist, da die wirtschaftlichen Risiken die ohnehin geringe Masse aufzuzehren drohen.332 In diesem Zusammenhang ist für den Rang etwaiger Lohnforderungen von Bedeutung, ob der Insolvenzverwalter die Arbeitsleistung in Anspruch genommen hat oder ob die Arbeitnehmer freigestellt wurden.333 Ist die Masse gem. § 209 InsO verteilt, wird das Verfahren nach § 211 I InsO durch Beschluss des Insolvenzgerichts eingestellt. Nach § 6 Abs. 1 InsO i.V. m. § 216 InsO unterliegt dieser Beschluss keinem Rechtsmittel. Die Einstellung führt zur Verfahrensbeendigung ex-nunc und hat damit die gleichen Rechtsfolgen wie die Einstellung nach § 207 InsO.334 Insoweit kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden. Da kein Rechtsmittel gegen den Beschluss gegeben ist, treten die Rechtsfolgen sofort und endgültig mit dessen Wirksamkeit ein. Ein solches Verfahren gleicht also einem verkürzten Regelinsolvenzverfahren. Die verfügbare Masse wird vollständig verwertet, jedoch bleiben die Insolvenzgläubiger gänzlich unberücksichtigt. Während des gesamten Verfahrens bleiben daher die Auswirkungen der Eröffnung erhalten. Lediglich der Zweck des Verfahrens ändert sich nach der Unzulänglichkeitsanzeige dahingehend, dass eine schnelle Liquidation und Verteilung erfolgt.

331 Kießner in Braun, InsO, § 208 Rn 29; Uhlenbruck in Uhlenbruck, InsO, § 208 Rn 20; Beck in Beck/Depré, Insolvenzpraxis, § 10 Rn 205. 332 Hefermehl in MünchKomm InsO, § 208 Rn 81; vgl. Kießner in Frankfurter Kommentar InsO, § 209 Rn 17; Pape in Kübler/Prütting, InsO, § 208 Rn 20. 333 Vgl. Beck in Beck/Depré, Insolvenzpraxis, § 10 Rn 227. 334 Hefermehl in MünchKomm InsO, § 211 Rn 15.

§ 16 Konsequenzen für das Verhalten des Insolvenzverwalters

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b) Auswirkungen auf den gemeinsamen Betrieb In Bezug auf den gemeinsamen Betrieb entspricht diese Konstellation derjenigen einer fehlenden Verfahrenskostendeckung gem. § 207 InsO. Das Insolvenzverfahren wird verkürzt durchgeführt und dann eingestellt. Diese Einstellung wirkt jedoch nur für die Zukunft und vermag also die Spaltung des gemeinsamen Betriebes nicht zu beeinflussen. Dementsprechend ist in Bezug auf den gemeinsamen Betrieb festzuhalten, dass es bei der durch die Eröffnung gem. § 728 Abs. 2 BGB eingetretenen Spaltung des gemeinsamen Betriebes bleibt. Eine Fortsetzung der Gesellschaft mit dem Schuldner ist nicht möglich. Es kommt nur eine erneute Aufnahme des Unternehmens in Betracht, wenn die übrigen beteiligten Unternehmen den gemeinsamen Betrieb gesellschaftsrechtlich und betriebsverfassungsrechtlich fortgeführt haben.

§ 16 Konsequenzen für das Verhalten des Insolvenzverwalters In § 14 wurden zwei dogmatische Grundmodelle als vertretbar herausgearbeitet, welche verschiedene Auffassungen in Bezug auf die Wirkung der Insolvenzeröffnung auf den gemeinsamen Betrieb vertreten. Diese beiden Modelle entsprechen dem im zweiten Kapitel dargestellten Grundkonflikt um die Führungsvereinbarung als Voraussetzung des gemeinsamen Betriebes. Die beiden Grundmodelle führen zu verschiedenen Handlungsspielräumen und Vorgaben für den Insolvenzverwalter. Für beide Modelle gilt jedoch der Grundsatz, dass der Insolvenzverwalter dazu verpflichtet ist, für die bestmögliche Verwirklichung des Verfahrenszieles des § 1 S. 1 InsO Sorge zu tragen.335 Demzufolge muss er alle Maßnahmen ergreifen, welche die Insolvenzmasse mehren bzw. erhalten und so die bestmögliche Gläubigerbefriedigung ermöglichen. Unabhängig von den arbeitsrechtlichen Einzelproblemen, welche in den folgenden Kapiteln dargestellt werden, soll hier kurz erläutert werden, welche Situation der Insolvenzverwalter nach der Eröffnung auf Grundlage der beiden Grundmodelle vorfindet.

A. Meinung, welche dem Eröffnungsbeschluss keine Bedeutung zumisst Misst man dem Eröffnungsbeschluss keine Bedeutung für die Existenz des gemeinsamen Betriebes bei, so treffen sämtliche der Rechtsfolgen des gemeinsamen Betriebes den Insolvenzverwalter, der in die Arbeitgeberstellung des 335 Ausführlich zu den Pflichten des Insolvenzverwalters Uhlenbruck in Uhlenbruck, InsO, § 60 Rn 11 ff.

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Kap. 3: Die Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Schuldnerunternehmens einrückt. Da der gemeinsame Betrieb fortbesteht, wird die arbeitsrechtliche Situation der Arbeitnehmer nicht geändert. Insbesondere gilt derselbe Rahmen für den Kündigungsschutz und die im gemeinsamen Betrieb abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen gelten ohne weiteres fort, da dessen Identität durch die Eröffnung unberührt bleibt. Der Insolvenzverwalter muss nun entscheiden, ob die zur Gläubigerbefriedigung notwendigen personellen und betriebsverfassungsrechtlichen Maßnahmen sich innerhalb des gemeinsamen Betriebes verwirklichen lassen oder ob eine Spaltung des gemeinsamen Betriebes notwendig ist, um den dem insolventen Unternehmen zuzuordnenden Teil des gemeinsamen Betriebes an die neuen Gegebenheiten anzupassen. Schon an dieser Stelle kann festgehalten werden, dass insoweit der strenge Vermögensbezug der insolvenzarbeitsrechtlichen Regelungen nicht mit dem unternehmensübergreifenden Charakter des gemeinsamen Betriebes harmoniert. Sollten sich die daraus resultierenden Probleme als kaum lösbar erweisen, so wäre dem Insolvenzverwalter anzuraten, den Betriebsteil erst aus dem gemeinsamen Betrieb herauszulösen und dann die notwendigen Maßnahmen zu treffen. Da die Spaltung des gemeinsamen Betriebes keineswegs die Stilllegung des Unternehmens bedeutet, kann der Insolvenzverwalter diese Maßnahme auch vor dem Berichtstermin gem. § 157 InsO treffen. Dennoch kann die vorzunehmende Spaltung unter den Bedingungen der Insolvenz eine kaum hinnehmbare Verzögerung bedeuten, wenn das Verfahren der §§ 111 ff. BetrVG einzuhalten ist.

B. Bei Auflösung des gemeinsamen Betriebes durch den Eröffnungsbeschluss Anders stellt sich die Situation dar, wenn davon ausgegangen wird, dass der gemeinsame Betrieb durch den Eröffnungsbeschluss aufgelöst wird. Auch hier hat der Insolvenzverwalter das Unternehmen bis zum Berichtstermin fortzuführen, sofern er nicht eine vorzeitige Stilllegung nach § 158 InsO vornimmt. Sind bis zum Berichtstermin bereits Maßnahmen zu treffen, so ist der aus dem gemeinsamen Betrieb herausgelöste Teil des gemeinsamen Betriebes wie ein alleiniger Betrieb des insolventen Unternehmens zu behandeln. Insoweit deckt sich die arbeitsrechtliche Zuständigkeit mit der vermögensrechtlichen Zuordnung, so dass der Konflikt, welchen die vorstehende Ansicht auslöst, nicht auftreten kann. Aufgrund der Spaltung des gemeinsamen Betriebes stellen sich jedoch auch zahlreiche Einzelprobleme wie etwa das Schicksal des Betriebsratsmandats und die Fortgeltung etwaiger Betriebsvereinbarung, auf welche in den folgenden Kapiteln einzugehen sein wird. Es steht dem Insolvenzverwalter natürlich frei, den ausgeschiedenen Betriebsteil erneut dem gemeinsamen Betrieb zuzuführen.336 Dies setzt zum einen vo-

§ 16 Konsequenzen für das Verhalten des Insolvenzverwalters

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raus, dass dieser durch die Spaltung nicht aufgelöst wurde, sondern im Sinne der vorstehenden Terminologie eine Ausgliederung vorliegt. Zum anderen müssen die am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen der Fortsetzung der Gesellschaft unter Einbeziehung des Insolvenzschuldners ebenso wie der Insolvenzverwalter zustimmen. Ist der Insolvenzverwalter jedoch davon überzeugt, dass die Spaltung des gemeinsamen Betriebes den Zwecken des Insolvenzverfahren eher dient, so muss er bei der vorläufigen Fortführung bis zur Entscheidung durch die Gläubigerversammlung die durch die Eröffnung eingetretene Auflösung des gemeinsamen Betriebes aufrechterhalten. Insoweit wird man dem Insolvenzverwalter zunächst einen gewissen Zeitraum zugestehen müssen, um sich ein Bild der betrieblichen Gegebenheiten zu verschaffen. Ist dies erfolgt, so wird man im Interesse des Erhalts der Masse und der Arbeitsplätze genügen lassen, wenn er die Arbeitnehmer in ihrer bisherigen Tätigkeit weiterbeschäftigt und die Absprachen mit den anderen Unternehmen auf das praktisch nötige Mindestmaß reduziert. Es macht keinen Sinn, eine sofortige Verlegung des Betriebsteils vorzunehmen, wenn dieser ohnehin in absehbarer Zeit stillgelegt wird. Da die Zuständigkeit des einheitlichen betrieblichen Leitungsapparates durch die Verfahrenseröffnung beseitigt wurde337, muss es ausreichen, wenn der Insolvenzverwalter diese Trennung aufrechterhält und alle Gemeinsamkeiten vermeidet, welche Indizien für einen einheitlichen Leitungsapparat begründen.338 Andererseits wird es gerade im Falle einer gemeinsamen räumlichen Unterbringung weiterhin zu einigen Absprachen zum Betriebsablauf kommen. So wird man dem Insolvenzverwalter nicht verwehren dürfen die Modalitäten der Arbeitsabläufe mit den anderen Unternehmen abzusprechen, um die Fortführung des Schuldnerunternehmens zu ermöglichen. Ausgeschlossen werden muss jedoch der bisher übliche arbeitgeberübergreifende Arbeitnehmereinsatz.339 Solche Absprachen müssen durch Dienst- oder Werkverträge ersetzt werden, welche gerade keinen gemeinsamen betrieblichen Leitungsapparat begründen. Wesentlich ist ebenfalls eine Trennung der Entscheidungskompetenz in personellen und sozialen Angelegenheiten. Der Insolvenzverwalter täte gut daran, hier auch eine personelle Veränderung herbeizuführen, um den Zuständigkeitswechsel zu verdeutlichen. Gehen die getroffenen Absprachen jedoch über das zum Erhalt des Schuldnerunternehmens nötige Maß hinaus, ist sorgfältig zu prüfen, ob der Insolvenzverwalter nicht eine neue gemeinsame Betriebsleitung installiert und damit selbst einen neuen gemeinsamen Betrieb mit den anderen Unternehmen gegründet hat. 336 337 338 339

Vgl. BAG NZA 2005, 867, 686. Siehe oben § 14 C.II. Vgl. dazu oben § 5 A.II.2. BAG NZA 2005, 867, 868.

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Kap. 3: Die Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Ein Sonderfall lag der Entscheidung des BAG vom 24.02.2005340 zugrunde. In dem entschiedenen Fall war das Insolvenzverfahren über das Vermögen aller drei Unternehmen eröffnet worden, welche den gemeinsamen Betrieb bildeten. Für alle Unternehmen wurde derselbe Insolvenzverwalter bestellt. Das BAG ließ es für die Aufrechterhaltung des gemeinsamen Betriebes ausreichen, dass der Insolvenzverwalter seine Befugnisse für alle drei Vermögensmassen einheitlich ausübte. Insbesondere ordnete der Insolvenzverwalter einzelne Arbeitnehmer den Unternehmen neu zu, indem er diese rückwirkend auf die Lohnliste eines Unternehmens setzte.341 Das BAG lässt mangels Entscheidungserheblichkeit offen, ob der gemeinsame Betrieb durch die Verfahrenseröffnung aufgelöst wurde, da zumindest der Insolvenzverwalter einen solchen zum Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung führe.342 Dem ist im Ergebnis zuzustimmen, auch wenn kritisch anzumerken ist, dass das Gericht nicht zwischen der betriebsverfassungsrechtlichen Identität des gemeinsamen Betriebes und der Zulässigkeit einer Fortsetzung der BGB-Gesellschaft trennt. Letztere wäre im entschiedenen Fall ohne weiteres möglich, da der Insolvenzverwalter seine Zustimmung für jedes Unternehmen auch konkludent erteilen kann. In derart gelagerten Fällen muss der Insolvenzverwalter also die Zuständigkeiten für die verschiedenen Gesellschaften streng trennen, wenn er verhindern will, dass der gemeinsame Betrieb fortbesteht bzw. neu begründet wird.343

§ 17 Handlungsspielraum des vorläufigen Insolvenzverwalters Wird ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt,344 so stellt sich die Frage, welche Handlungsalternativen dieser in Bezug auf den gemeinsamen Betrieb hat. Zunächst ist festzuhalten, dass der vorläufige Insolvenzverwalter gem. § 22 Abs. 1 Nr. 2 InsO das Unternehmen des Schuldners fortzuführen hat. Etwas anderes gilt nur dann, wenn eine Stilllegung erforderlich ist, um eine erhebliche Verminderung des Schuldnervermögens zu verhindern.345 Auch in diesem Fall 340

Az. 2 AZR 214/02, NZA 2005, 867. BAG NZA 2005, 867, 869. 342 BAG NZA 2005, 867, 868. 343 Wobei zu betonen ist, dass die erwähnten Anwendungsschwierigkeiten des Insolvenzarbeitsrechts dadurch gemildert werden, dass sämtliche Unternehmen dem Insolvenzarbeitsrecht unterfallen. Letztlich geht es in derartigen Fällen damit vor allem um die Frage einer einheitlichen Sozialauswahl. 344 Im Folgenden wird von einem sog. starken vorläufigen Insolvenzverwalter ausgegangen, da dessen Befugnisse gem. § 22 Abs. 2 S. 2 InsO am weitesten reichen. Darüber hinaus stellen sich keine Besonderheiten, wenn der Schuldner weiterhin die Arbeitgeberstellung vollständig ausüben kann und etwa nur einem Zustimmungsvorbehalt unterliegt. 341

§ 17 Handlungsspielraum des vorläufigen Insolvenzverwalters

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muss das Insolvenzgericht der Stilllegung zustimmen, um die Entscheidungszuständigkeit der Gläubigerversammlung nach § 157 S. 1 InsO zu wahren. Die Unternehmerstellung geht insoweit auf den starken vorläufigen Insolvenzverwalter über, so dass dieser die Arbeitgeberfunktionen ausübt.346 Er ist damit zur Einhaltung der betriebsverfassungsrechtlichen Beteiligungs- und Informationsrechte verpflichtet, sowie zum Ausspruch von Kündigungen berechtigt. Dabei stehen ihm nach zutreffender Ansicht nicht die besonderen Rechte des Insolvenzarbeitsrechtes zur Verfügung, da die §§ 103 ff. InsO die Verfahrenseröffnung voraussetzen und die für eine analoge Anwendung erforderliche Regelungslücke fehlt.347 Da dies keine Stilllegung bedeutet, wäre der vorläufige Insolvenzverwalter nicht gehindert, den gemeinsamen Betrieb mit den Mitteln des allgemeinen Arbeitsrechtes zu spalten und den eingebrachten Betriebsteil als selbständigen Betrieb fortzuführen oder mit anderen Betrieben des Schuldnerunternehmens zusammenzulegen oder in einen solchen einzugliedern. Um den bereits angedeuteten Konflikt zwischen dem Vermögensbezug der InsO und dem rechtsträgerübergreifenden Charakter des gemeinsamen Betriebs auszuschließen, ist dem vorläufigen Insolvenzverwalter zu einer solchen Spaltung des gemeinsamen Betriebs zu raten. Ohne der nachfolgenden Darstellung der einzelnen Probleme vorwegzugreifen empfiehlt sich diese Vorgehensweise auch aus einem weiteren Grund. Aufgrund der widersprüchlichen Rechtsprechung des ersten und des zweiten Senates des Bundesarbeitsgerichtes besteht für die Praxis erhebliche Unsicherheit, ob die Eröffnung des Insolvenzverfahrens den gemeinsamen Betrieb auflöst. Die damit verbundenen Folgeprobleme, etwa in Bezug auf die gemeinsame Sozialauswahl bei betriebsbedingten Kündigungen, können vermieden werden, wenn im Zeitpunkt der Eröffnung die Spaltung des gemeinsamen Betriebs bereits erfolgt ist und somit feststeht. Der spätere Insolvenzverwalter, der oft mit dem vorläufigen identisch ist, wäre so „auf der sicheren Seite“.

345 Vgl. zu den Einzelheiten Kirchhof in HK-InsO, § 22 Rn 22; Haarmeyer in MünchKomm InsO, § 22 Rn 111 ff. 346 Kirchhof in HK-InsO, § 22 Rn 21; Berscheid in Uhlenbruck, InsO, § 22 Rn 53 f. 347 BAG BB 2005, 1685, 1686; Annuß in ArbRKo, § 113 InsO Rn 2; Hamacher in Nerlich/Römermann, InsO, vor § 113 Rn 21; Zwanziger, AR der InsO, § 113 Rn 1; Lakies BB 1998, 2638, 2639 f. a. A. Löwisch/Caspers in MünchKomm InsO, vor §§ 113 bis 128 Rn 30 f. Vgl. auch Canaris, Lücken, S. 39; Larenz, Methodenlehre, S. 381; Rüthers, Rechtstheorie, Rn 889.

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Kap. 3: Die Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens

§ 18 Zusammenfassung der Ergebnisse des dritten Kapitels Der gemeinsame Betrieb ist nicht insolvenzfähig. Dies gilt auch dann, wenn man vom Erfordernis einer Führungsvereinbarung ausgeht, da insoweit eine BGB-Innengesellschaft gebildet wird. Mangels Gesellschaftsvermögen ist eine solche Innengesellschaft nicht insolvenzfähig. § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO ist insoweit teleologisch zu reduzieren. In Bezug auf den gemeinsamen Betrieb sind nur zwei dogmatische Grundmodelle vertretbar. Das eine verzichtet gänzlich auf das Erfordernis einer Führungsvereinbarung, während das andere derselben konstitutive Bedeutung zumisst. Diese Bedeutung muss dann konsequent nicht nur bei der Gründung, sondern auch bei der Auflösung des gemeinsamen Betriebes zu Tage treten. Geht man vom Erfordernis einer Führungsvereinbarung aus, so ist diese als Gesellschaftsvertrag über eine BGB-Innengesellschaft zu qualifizieren. Daraus folgt die Anwendbarkeit des BGB-Gesellschaftsrechts, insbesondere des § 728 Abs. 2 S. 1 BGB. Diese Normen regeln das Schicksal des gemeinsamen Betriebes in der Insolvenz. Dementsprechend wird der gemeinsame Betrieb durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines der beteiligten Unternehmen gespalten. Die Entscheidung des Gerichtes und ein eventueller Eigenantrag des Insolvenzschuldners fallen nicht unter das Beteiligungsrecht des Betriebsrates gem. den §§ 111 ff. BetrVG. Es besteht ein Grundkonflikt zwischen dem Vermögensbezug des Insolvenzrechtes und den unternehmensübergreifenden Wirkungen des gemeinsamen Betriebes. Diesen Konflikt vermag das Grundmodell, welches von einer Führungsvereinbarung ausgeht, besser zu lösen. Insbesondere führt es zur uneingeschränkten Anwendbarkeit des Insolvenzarbeitrechtes und hilft so im Interesse der Gläubigergleichbehandlung, dessen masseerhaltende Wirkung zu gewährleisten.

Kapitel 4

Kündigungsschutz im gemeinsamen Betrieb in der Insolvenz Nachdem in den vorstehenden Kapiteln die Voraussetzungen des gemeinsamen Betriebes und sein Schicksal im Rahmen der Insolvenz erörtert wurden, soll nun untersucht werden, wie der Kündigungsschutz im gemeinsamen Betrieb in der Insolvenz gewährleistet wird. Dazu wird zunächst der Kündigungsschutz im gemeinsamen Betrieb ohne Insolvenzsituation erläutert. Im Anschluss soll auf Grundlage der im vorhergegangenen Kapitel erläuterten dogmatischen Grundmodelle des gemeinsamen Betriebes untersucht werden, welches Modell dem Kündigungsschutz im gemeinsamen Betrieb am ehesten gerecht wird. Dabei wird es neben einem gerechten Ergebnis vor allem um eine bruchlose dogmatische Begründung gehen.

§ 19 Der Kündigungsschutz im gemeinsamen Betrieb Der Betriebsbezug des Kündigungsschutzes steht seit einiger Zeit in der Kritik.1 Neben der Diskussion um die Kleinbetriebsklausel in § 23 Abs. 1 KSchG,2 wird vor allem eine Erweiterung des Kündigungsschutzes im Konzern3 und eine generelle Ersetzung des Betriebsbezuges durch die Maßgeblichkeit des Unternehmens4 diskutiert. Diese Ansichten mögen zumindest teilweise auf richtigen Überlegungen beruhen und zu besseren Lösungen führen, de lege lata (vgl. § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG) ist jedoch der Betriebsbezug des Kündigungsschutzes als gesetzgeberische Grundentscheidung zu akzeptieren.5 In der jüngst erfolgten 1 Vgl. nur Joost, Betrieb und Unternehmen, S. 343; Bepler ArbuR 1997, 54, 55; Preis RdA 2000, 257, 263 f. 2 Vgl. dazu oben § 4, sowie Kittner in KSchR, § 23 KSchG Rn 11; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 219. 3 Kittner in KSchR, § 1 KSchG Rn 389 ff.; Bepler ArbuR 1997, 54, 58 f.; vgl. auch Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 233 m. N. in Fn 472. 4 Joost, Betrieb und Unternehmen, S. 343; Preis RdA 2000, 257, 271; für die Sozialauswahl Berkowsky in Münchener Handbuch AR, § 139 Rn 27, 73. 5 Moll in APS, § 23 KSchG Rn 8; Richardi DB 2004, 486; Tschöpe MDR 2004, 193; vgl. Dörner in Bader/Bram/Dörner/Wenzel, KSchG, § 23 Rn 12 ff. zur verfassungskonformen Auslegung bei mehreren Kleinbetrieben eines Unternehmens; sowie Heun in Dreier, GG, Art. 3 Rn 92.

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Kap. 4: Kündigungsschutz in der Insolvenz

Reform des Kündigungsschutzes zum 1. Januar 2004 hat der Gesetzgeber in Kenntnis der am Betriebsbezug geäußerten wohl bekannten Kritik und der Rechtsprechung des BVerfG zur Kleinbetriebsklausel eine Änderung des KSchG in diesem Punkt nicht einmal erwogen.6 Damit wurde erneut eine entsprechende Grundentscheidung des Gesetzgebers belegt, welche die Annahme von Regelungslücken in dieser Frage unmöglich macht. Vor diesem Hintergrund muss die Diskussion um den Kündigungsschutz im gemeinsamen Betrieb betrachtet werden. Denn dieser bestätigt einerseits die Grundentscheidung des Gesetzgebers, da er als Betrieb im Sinne der KSchG anzusehen ist, andererseits sind an diesem Betrieb verschiedene Unternehmen beteiligt, was insbesondere im Hinblick auf die unternehmensbezogene Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nach § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 1b KSchG Probleme bereitet. Da eine grundlegende Darstellung des Kündigungsschutzes im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht möglich ist, werden lediglich die Besonderheiten des Kündigungsschutzes im gemeinsamen Betriebes hervorgehoben.7 Dabei ist eine genauere Untersuchung stets in den Bereichen notwendig, in denen das Gesetz auf den Betrieb oder das Unternehmen abstellt.

A. Sachliche und persönliche Anwendbarkeit des KSchG Der gemeinsame Betrieb spielt zunächst eine besondere Rolle in Bezug auf die sachliche und persönliche Anwendbarkeit des KSchG. I. Sachliche Anwendbarkeit Die sachliche Anwendbarkeit des KSchG ist durch das Gesetz für Reformen am Arbeitsmarkt mit Wirkung zum 1. Januar 2004 geändert worden.8 Der Gesetzgeber hat in diesem Zusammenhang jedoch nicht den Betriebsbezug geän6 Vgl. BT-Drucks. 15/1204, S. 13 f.; auch das BAG hält in ständiger Rechtsprechung am Betriebsbezug des Kündigungsschutzes fest, vgl. nur BAG AP Nr. 20 zu § 23 KSchG 1969, Bl. 809 Rs. ff.; AP Nr. 21 zu § 23 KSchG 1969 Bl. 1662 Rs.; AP Nr. 29 zu § 23 KSchG 1969, Bl. 1704 Rs. f.; BAG NZA 2001, 831. 7 Dabei bleibt zunächst die ausnahmsweise Erstreckung der Weiterbeschäftigungspflicht im Konzern wegen eines Konzernarbeitsverhältnisses oder eines konzernweiten Versetzungsvorbehaltes im Arbeitsvertrag außen vor. Vgl. dazu Willemsen in W/H/ S/S, Umstrukturierung, H Rn 38 f.; Kittner in KSchR, § 1 KSchG Rn 389 ff., 435. Ebenfalls unberücksichtigt muss das einheitliche Arbeitsverhältnis zu einer sog. Arbeitgebergruppe bleiben, dazu BAG AP Nr. 1 zu § 611 BGB Arbeitgebergruppe; Schneider, Vertragliche Zuordnung, S. 17 ff. Da die durch die Führungsgesellschaft gebildete GbR eine reine Innengesellschaft ist, welche nicht nach außen im Rechtsverkehr in Erscheinung tritt, muss eine Arbeitgeberstellung dieser Gesellschaft ausscheiden, so auch Schneider, Vertragliche Zuordnung, S. 20 ff. Anderenfalls läge ein Gemeinschaftsunternehmen vor. 8 BGBl. I, S. 3002.

§ 19 Der Kündigungsschutz im gemeinsamen Betrieb

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dert, sondern den Schwellenwert, also die Anzahl der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer für neu eingestellte Arbeitnehmer auf zehn erhöht. Daraus ergibt sich folgende Rechtslage. 1. Der Schwellenwert des § 23 KSchG Hat ein Betrieb am 31. Dezember 2003 regelmäßig mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt9, bleibt das KSchG auch nach der Gesetzesänderung anwendbar. In Betrieben, die bisher fünf oder weniger Arbeitnehmer regelmäßig beschäftigten, bleibt das Kündigungsschutzgesetz unanwendbar. Solche Betriebe können bis zu 5 weitere Arbeitnehmer einstellen, ohne den neuen Schwellenwert von mehr als zehn regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmern zu überschreiten, wenn die Einstellungen ab dem 1. Januar 2004 erfolgt sind. Alle ab dem 1. Januar 2004 neu gegründeten Betriebe fallen erst ab einer Beschäftigtenzahl von mehr als zehn Arbeitnehmern unter das KSchG. 2. Maßgeblichkeit des gemeinsamen Betriebes Unabhängig vom jeweils verwandten Betriebsbegriff10 wird der gemeinsame Betrieb mehrerer Unternehmen als Betrieb im Sinne des § 23 KSchG angesehen.11 Dies bedeutet, dass für die Zahl der regelmäßig Beschäftigten nicht auf die einzelnen Unternehmen, sondern auf den gemeinsamen Betrieb abzustellen ist.12 Überschreitet die Zahl der im gemeinsamen Betrieb tätigen Arbeitnehmer also den maßgeblichen Schwellenwert, so ist das KSchG auf den gemeinsamen Betrieb anzuwenden. Dies gilt selbst dann, wenn die einzelnen Unternehmen für sich genommen den Schwellenwert nicht erreichen.13

9 Zum Begriff der regelmäßigen Beschäftigtenzahl vgl. Moll in APS, § 23 KSchG Rn 26, 29; KR-Weigand, § 23 KSchG Rn 37 f. m.w. N. Teilzeitbeschäftigte zählen entsprechend ihren Wochenstunden als 0,5 oder 0,75 Arbeitnehmer, § 23 Abs. 1 S. 3 KSchG. 10 Vgl. dazu die Ausführungen im zweiten Kapitel, S. 65 f. 11 BAGE 55, 117, 127; BAG AP Nr. 4 zu § 23 KSchG 1969, Bl. 925 Rs.; BAG AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969, Bl. 1483 Rs.; BAG EzA KSchG § 23 Nr. 25, S. 6; Moll in APS, § 23 KSchG Rn 14; v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 23 Rn 10; Schmädicke/Glaser/Altmüller NZA-RR 2005, 393, 398. 12 BAG AP Nr. 4 zu § 23 KSchG 1969, Bl. 925; BAG EzA KSchG § 23 Nr. 25, S. 6; BAG NZA 2004, 1380, 1381; Moll in APS, § 23 KSchG Rn 14; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 228; Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 188 f.; Schmädicke/ Glaser/Altmüller NZA-RR 2005, 393, 398. 13 BAG AP Nr. 4 zu § 23 KSchG 1969, Bl. 925; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 228; Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 189.

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Kap. 4: Kündigungsschutz in der Insolvenz

3. Darlegungs- und Beweislast Daher kann es für die Anwendbarkeit des KSchG im Kündigungsschutzprozess darauf ankommen, ob ein gemeinsamer Betrieb gegeben ist. Nach der Rechtsprechung des BAG trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines gemeinsamen Betriebes.14 Dies entspricht der allgemeinen Regel der Beweislast, wonach der Anspruchsteller die Beweislast für die rechtsbegründenden, der Anspruchsgegner die Beweislast für die rechtsvernichtenden und rechtshemmenden Tatbestandsmerkmale trägt.15 Diese Grundregel gilt nicht nur für Ansprüche, sondern für sämtliche Rechte, sowie den Negativbeweis.16 Da der allgemeine Kündigungsschutz von der Anwendbarkeit des KSchG abhängt, muss der Arbeitnehmer also die Anwendbarkeit und damit das Vorliegen des gemeinsamen Betriebes beweisen. Dies bereitet Arbeitnehmern jedoch in der Regel Schwierigkeiten, da sie keine oder nur ungenaue Kenntnisse über die Wahrnehmung der betrieblichen Leitung und die zugrundeliegenden Vereinbarungen der Unternehmen haben werden. Aus diesem Grund lässt es die Rechtsprechung genügen, wenn der Arbeitnehmer solche Umstände schlüssig vorträgt und beweist, aus denen die Rechtsprechung auf eine einheitliche Leitung auf Grundlage einer Führungsvereinbarung schließt.17 II. Persönliche Anwendbarkeit In Bezug auf die persönliche Anwendbarkeit bereitet der gemeinsame Betrieb keine Schwierigkeiten. Nach § 1 Abs. 1 KSchG muss dass Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen länger als sechs Monate bestanden haben, damit der allgemeine Kündigungsschutz greift. Da im gemeinsamen Betrieb die arbeitsvertragliche Zuordnung zu einem Unternehmen unberührt bleibt, ist insoweit der gemeinsame Betrieb unbeachtlich. Es genügt, wenn eine mindestens sechs Monate ununterbrochen andauernde arbeitsvertragliche Beziehung zu ei14 BAG AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969, Bl. 1484 Rs.; BAG AP Nr. 4 zu § 23 KSchG 1969, Bl. 925 Rs. f.; BAG AP Nr. 9 zu § 23 KSchG 1969, Bl. 89 Rs.; Dörner in Bader/Bram/Dörner/Wenzel, KSchG, § 23 Rn 26; KR-Weigand, § 23 KSchG Rn 50; Berscheid in Uhlenbruck, InsO, Vor § 113 Rn 36; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 228 m. N. auch zur Gegenansicht in Fn 454. 15 BGH NJW 1999, 352, 353; BGH NJW-RR 2002, 159, 160; Foerste in Musielak, ZPO, § 286 Rn 35; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 114 Rn 7 f. 16 LAG Berlin NZA 1994, 319, 320; Foerste in Musielak, ZPO, § 286 Rn 35. 17 BAG AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969, Bl. 1484 Rs.; BAG AP Nr. 4 zu § 23 KSchG, Bl. 926; Bram in Bader/Bram/Dörner/Wenzel, KSchG, § 1 Rn 101; KR-Weigand, § 23 KSchG Rn 50; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 229; Schmädicke/Glaser/Altmüller NZA-RR 2005, 393, 398. Vgl. zu diesen Umständen die Ausführungen im zweiten Kapitel, S. 37 f.

§ 19 Der Kündigungsschutz im gemeinsamen Betrieb

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nem der an einem gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen bestand. Auf die Dauer der Beschäftigung im gemeinsamen Betrieb und damit auf dessen Bestand kommt es in diesem Fall nicht an. Etwas anderes gilt lediglich, wenn der Arbeitnehmer innerhalb des gemeinsamen Betriebes den Arbeitgeber wechselt. Sofern keine Übernahme der bisherigen Beschäftigungszeit beim alten Arbeitgeber vereinbart wird, kann es für den Kündigungsschutz dann auf die Dauer der Beschäftigung in demselben Betrieb ankommen. Da insoweit der gemeinsame Betrieb als Betrieb im Sinne des KSchG einzuordnen ist,18 muss sich das andere Unternehmen die Beschäftigungszeit im gemeinsamen Betrieb zurechnen lassen, da der gemeinsame Betrieb allen daran beteiligten Unternehmen zugerechnet wird. Sollte insoweit die Existenz eines gemeinsamen Betriebes streitig werden, so gilt dass vorstehend zur Darlegungs- und Beweislast Gesagte entsprechend.19

B. Besonderheiten bei den einzelnen Kündigungsgründen Grundlegende Besonderheiten in Bezug auf die Kündigungsgründe existieren im gemeinsamen Betrieb nur im Bereich der betriebsbedingten Kündigung.20 Zwar lassen sich auch bei der verhaltensbedingten Kündigung Fallkonstellationen konstruieren, die zumindest auf den ersten Blick problematisch erscheinen. So könnte zweifelhaft sein, ob eine schuldhafte Beschädigung von Betriebsmitteln eines am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmens stets eine Vertragsverletzung gegenüber dem Vertragsarbeitgeber bedeutet, wenn dieser nicht Eigentümer ist. Solche Fragen lassen sich jedoch in der Regel mit einem Hinweis auf den Charakter des gemeinsamen Betriebes lösen. So ist in einem gemeinsamen Betrieb, für den ein arbeitgeberübergreifender Arbeitnehmereinsatz kennzeichnend ist, die vermögensrechtliche Zuordnung nicht ausschlaggebend. Entscheidend muss im Beispielsfall vielmehr sein, dass auch der Vertragsarbeitgeber ein Interesse an der Nutzung der gemeinsamen sachlichen Betriebsmittel hat und der Arbeitnehmer insoweit die gleiche Sorgfalt schuldet wie in Bezug auf das Eigentum des Arbeitgebers.21 Im Bereich der verhaltens- und personenbedingten Kündigung treten jedoch keine Schwierigkeiten auf, welche eine grundlegend andere Handhabung des Kündigungsschutzes erfordern. Darüber hinaus ist bei der Insolvenz eines Unternehmens in erster Linie mit einer Viel18 BAG AP Nr. 21 zu § 23 KSchG 1969, Bl. 1660 Rs., Bram in Bram/Bader/Dörner/Wenzel, KSchG, § 1 Rn 100; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 227. 19 Vgl. Bram in Bram/Bader/Dörner/Wenzel, KSchG, § 1 Rn 101. 20 So auch Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 190. 21 Dies zeigt bereits ein Vergleich zu geleasten oder gemieteten Betriebsmitteln. Auch hier ist der Arbeitgeber nicht Eigentümer, der Arbeitnehmer muss jedoch diese Betriebsmittel ebenfalls sorgfältig behandeln.

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Kap. 4: Kündigungsschutz in der Insolvenz

zahl von betriebsbedingten Kündigungen zu rechnen. Aus diesem Grund wird nur auf diesen Kündigungsgrund eingegangen. I. Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit Der Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung setzt zunächst dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, voraus, § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG. Schon der Gesetzeswortlaut legt nahe, dass der Betrieb den organisatorischen Rahmen bildet, in dem der Kündigungsgrund gegeben sein muss. Andererseits ist nach allgemeiner Ansicht eine unternehmerische Entscheidung notwendig, welche zu einer Verringerung des Arbeitskräftebedarfes führt und deren betriebsorganisatorische Umsetzung kausal für den Wegfall des Arbeitsplatzes ist.22 Liegt eine solche Entscheidung vor, welche auf inner- oder außerbetrieblichen Gründen beruhen kann, wird von den Arbeitsgerichten nur geprüft, ob die Maßnahme nicht offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist.23 Teilweise wird formuliert, dass die kündigungsbegründenden Erfordernisse einen konkreten Bezug zu dem gemeinsamen Betrieb als Ganzes aufweisen müssten.24 Herrmann fordert, dass es sich um eine Rationalisierungsmaßnahme im gemeinsamen Betrieb und nicht nur bei einem Arbeitgeber handeln müsse.25 Geht man jedoch von der Unterscheidung zwischen Betrieb und Unternehmen aus, welche durch den gemeinsamen Betrieb nicht aufgehoben wird, stellt sich die Frage, wie die unternehmerische Entscheidungsfreiheit und der Bezug zum gemeinsamen Betrieb in Einklang gebracht werden können. Dabei ist als Grundsatz festzuhalten, dass jedes Unternehmen frei über seinen Bedarf an Arbeitsplätzen entscheiden darf.26 Dies gilt auch für Unternehmen, welche sich an einem gemeinsamen Betrieb beteiligen.27 Andererseits ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG, dass allein die Entscheidung zur Personalreduzierung nicht als Kündigungsgrund genügt. Aufgrund dieses Betriebsbezuges ist daher zunächst zu fordern, dass der Beschäftigungsbedarf im 22 BAG NZA 1999, 1095, 1096; NZA 1999, 1098, 1099; Kittner in KSchR, § 1 KSchG Rn 250; Preis in Stahlhacke/Preis/Vossen Rn 932 f. 23 BAG AP Nr. 50 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, Bl. 73; AP Nr. 79 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, Bl. 1868; Kittner in KSchR, § 1 KSchG Rn 267. 24 Bauer/Lingemann NZA 1994, 1057, 1060; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 248, unter irriger Berufung auf BAG AP Nr. 4 zu § 23 KSchG 1969. 25 Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 192, dies wird jedoch in BAGE 55, 117, 129 nicht verlangt. 26 BAG NZA 1999, 1095, 1096; NZA 1999, 1098, 1100; BAG AP Nr. 124 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, Bl. 970; Mayer in Backmeister/Trittin/ Mayer, KSchG § 1 Rn 296; Berkowsky in Münchener Handbuch AR, § 138 Rn 27. 27 Annuß NZA Sonderheft 2001, 12, 23.

§ 19 Der Kündigungsschutz im gemeinsamen Betrieb

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Bereich der Arbeitsplätze wegfällt, welche das Unternehmen in den gemeinsamen Betrieb eingebracht hat.28 Fraglich ist jedoch, wie der Bezug zum gesamten gemeinsamen Betrieb ausgestaltet werden muss. Die an einem gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen bleiben auf der rechtlichen und wirtschaftlichen Ebene getrennt, werden jedoch in personellen und sozialen Angelegenheiten zusammengefasst. Dieser Wirkungsweise des gemeinsamen Betriebes ist zunächst zu entnehmen, dass jedes Unternehmen seine wirtschaftlichen Entscheidungen, also auch in Bezug auf den Bedarf an Arbeitsplätzen, selbständig trifft. Dementsprechend ist nicht zu verlangen, dass die Unternehmen gemeinsam die Entscheidung über den Wegfall des Arbeitsplatzes treffen.29 Aus der personellen Zusammenfassung andererseits ergibt sich, dass allein ein geringerer Beschäftigungsbedarf im Bereich der in den gemeinsamen Betrieb eingebrachten Arbeitsplätze nicht in jedem Fall ausreicht. Wird die Arbeitskraft des Arbeitnehmers aufgrund des arbeitgeberübergreifenden Arbeitseinsatzes im gemeinsamen Betrieb weiterhin benötigt, so kann der geringere Beschäftigungsbedarf allein des Vertragsarbeitgebers nicht ausreichen. Es ist daher zu verlangen, dass sich die unternehmerische Entscheidung des Vertragsarbeitgebers so auswirkt, dass der Arbeitsablauf im gemeinsamen Betrieb verändert wird. Der arbeitgeberübergreifende Arbeitseinsatz bedeutet auch einen arbeitgeberübergreifenden Beschäftigungsbedarf. Im Rahmen dieses Beschäftigungsbedarfes muss ein Arbeitsplatz wegfallen, also eine Veränderung aufgrund der unternehmerischen Entscheidung eintreten. Dies bedeutet, dass für die Frage des Beschäftigungsbedarfes, der Wirkung des gemeinsamen Betriebes entsprechend, nicht allein auf den Vertragsarbeitgeber, sondern auf den gemeinsamen Betrieb abzustellen ist. Fällt in diesem Bezugsrahmen ein Arbeitsplatz weg, liegt ein Kündigungsgrund vor. In der Praxis wird dies mitunter schwierig festzustellen sein. Man wird insoweit die Arbeitsstunden, welche dem wegfallenden Arbeitsplatz entsprechen, ausrechnen und auf den Arbeitsbedarf aller beteiligten Unternehmen im gemeinsamen Betrieb verteilen müssen. Nur wenn aufgrund der unternehmerischen Entscheidung der Bedarf im gesamten gemeinsamen Betrieb weggefallen ist, liegt ein betriebsbedingter Kündigungsgrund vor. So ist gewährleistet, dass die unternehmerische Entscheidung einen konkreten Bezug zum gesamten gemeinsamen Betrieb hat. Die praktische Umsetzung erfolgt durch den gemeinsamen betrieblichen Leitungsapparat, welcher den einheitlichen Vollzug der Entscheidung im gesamten Betrieb gewährleistet.30

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So auch Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 192. Anders wohl Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 192. Jedoch bleibt unklar, wie die Rationalisierungsmaßnahme im gemeinsamen Betrieb auszusehen hat. Letztlich kann es nicht um eine gemeinsame Entscheidung der Unternehmen, sondern nur um eine konkrete Auswirkung auf den gemeinsamen Betrieb gehen. 30 So auch Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 193. 29

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Kap. 4: Kündigungsschutz in der Insolvenz

Damit lässt sich festhalten, dass die unternehmerische Entscheidung, welche zum verringerten Beschäftigungsbedarf führt, allein vom einzelnen Unternehmen, nämlich dem jeweiligen Vertragsarbeitgeber, getroffen wird. Die Entscheidung muss sich jedoch auf den gesamten gemeinsamen Betrieb auswirken. II. Die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung gem. § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 1b) KSchG Nach § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 b) KSchG ist eine Kündigung auch dann sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann. Die mögliche Weiterbeschäftigung steht dabei bereits der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entgegen.31 Eine Sozialauswahl ist dann nicht durchzuführen. Etwas anderes gilt, wenn mehr Arbeitnehmer entlassen werden sollen als Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten verfügbar sind. Die Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer muss dann nach den Grundsätzen der Sozialauswahl erfolgen.32 Die Weiterbeschäftigungspflicht konkretisiert dabei den ultima ratio Grundsatz, wonach die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur das letzte Mittel sein darf.33 Für eine Weiterbeschäftigung kommen dabei grundsätzlich nur freie und gleichwertige Arbeitsplätze in Betracht,34 auf denen der Arbeitnehmer aufgrund seiner Fähigkeiten oder nach zumutbaren Fortbildungs- oder Umschulungsmaßnahmen eingesetzt werden kann.35 Ist ein solcher Arbeitsplatz nicht verfügbar, so hat eine eventuell mögliche Änderungskündigung als milderes Mittel Vorrang vor einer Beendigungskündigung.36 Aufgrund der unternehmensübergreifenden Betriebsorganisation im gemeinsamen Betrieb ist trotz des relativ eindeutigen Wortlauts der Norm umstritten, in Bezug auf welche Betriebe und Unternehmen die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit zu prüfen ist.

31 Kiel in APS, § 1 KSchG Rn 579; Kittner in KSchR, § 1 KSchG Rn 353 f.; Berkowsky in Münchener Handbuch AR, § 135 Rn 27 ff. 32 BAG NZA 1995, 566, 568; Kiel in APS, § 1 KSchG Rn 666; Kittner in KSchR, § 1 KSchG Rn 512 ff. 33 BAG NZA 1990, 734, 735; NZA 1993, 1075, 1077; Kiel in APS, § 1 KSchG Rn 580; Bram in Bader/Bram/Dörner/Wenzel, KSchG, § 1 Rn 301; Willemsen in W/ H/S/S, Umstrukturierung, H Rn 30. 34 BAG NZA 1985, 489, 491, NZA 2001, 535, 538; Bram in Bader/Bram/Dörner/ Wenzel, KSchG, § 1 Rn 303; Willemsen in W/H/S/S, Umstrukturierung, H Rn 30. 35 Vgl. zur Fortbildung oder Umschulung Bram in Bader/Bram/Dörner/Wenzel, KSchG, § 1 Rn 307; Kittner in KSchR, § 1 KSchG Rn 400 ff. 36 BAG BB 1985, 1130, 1132 ff.; ArbuR 1997, 166; Quecke in ArbRKo, § 1 KSchG Rn 274.

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1. Grundsatz Unternehmensbezug Dabei wird mit dem BAG folgender Ausgangspunkt vorausgesetzt. Die Weiterbeschäftigungspflicht ist nicht auf den Betrieb beschränkt, sondern unternehmensbezogen zu prüfen.37 Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Norm. Das BAG geht dabei davon aus, dass unter dem Unternehmen der Arbeitgeber zu verstehen ist.38 Überträgt man diese Sichtweise auf den gemeinsamen Betrieb, so ergibt sich ohne weiteres, dass sich der Arbeitnehmer auf alle bei seinem Arbeitgeber bestehenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten berufen kann, und zwar unabhängig davon, ob diese im gemeinsamen oder einem anderen Betrieb dieses Unternehmen bestehen.39 Kiel geht davon aus, dass der Arbeitnehmer sich nur auf Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten im gemeinsamen Betrieb berufen kann, wenn ein Arbeitsverhältnis zu einer von allen beteiligten Rechtsträgern gebildeten Gesellschaft besteht.40 Gegen diese Sichtweise ist jedoch einzuwenden, dass dies eine Gesellschaft voraussetzt, welche gegenüber den Arbeitnehmern im Rechtsverkehr auftritt. Eine solche Außengesellschaft führt jedoch wie gezeigt stets zu einem Gemeinschaftsunternehmen und nicht zu einem gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmen.41 Der von Kiel diskutierte Sachverhalt ist also keine Besonderheit. Vielmehr ist dann das Gemeinschaftsunternehmen als alleiniger Rechtsträger Arbeitgeber, so dass sich die Weiterbeschäftigung nach allgemeinen Grundsätzen nur auf dieses Gemeinschaftsunternehmen beschränkt. 2. Erstreckung im gemeinsamen Betrieb Problematisch ist im gemeinsamen Betrieb jedoch, ob sich die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auch auf Arbeitsplätze im gemeinsamen Betrieb erstreckt, welche einem anderen Unternehmen als dem Vertragsarbeitgeber zuzuordnen sind. Des Weiteren wird teilweise auch eine Erstreckung auf alle Betriebe dieser anderen Unternehmen erwogen.

37 BAG NZA 1985, 489, 491; NZA 2001, 535, 538; Kiel in APS, § 1 KSchG Rn 587; ErfKO-Ascheid, § 1 KSchG Rn 408; v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG § 1 Rn 391; Willemsen in W/H/S/S, Umstrukturierung, H Rn 32. 38 BAG AP Nr. 66 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, Bl. 1326; BAG NZA 1985, 489, 491; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 242. 39 Kiel in APS, § 1 KSchG Rn 589; Kittner in KSchR, § 1 KSchG Rn 387; v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn 391a. 40 Kiel in APS, § 1 KSchG Rn 589. 41 Vgl. oben § 9 A.I.

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a) Weiterbeschäftigung im gemeinsamen Betrieb bei einem anderen Unternehmen Dem grundsätzlichen Betriebsbezug des Kündigungsschutzes folgend bezieht § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 b) KSchG seinem Wortlaut nach alle Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten im Beschäftigungsbetrieb des Arbeitnehmers ein. Da der gemeinsame Betrieb jedoch mehrere Unternehmen mit ihren Arbeitsplätzen zu einem Betrieb zusammenfasst, führt eine konsequente Anwendung des Wortlautes zu einem Konflikt mit dem Grundsatz des Unternehmensbezuges der Weiterbeschäftigungsmöglichkeit. Dennoch kann sich der Arbeitnehmer nach nahezu einhelliger Ansicht auf alle Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten im gemeinsamen Betrieb berufen, ohne Rücksicht auf die arbeitsvertragliche Zuordnung des Arbeitnehmers und des Arbeitsplatzes.42 Dies lässt sich mit der Wirkung des gemeinsamen Betriebes begründen. Da die Vereinbarung zur Errichtung und Führung eines gemeinsamen Betriebes auch Regelungen für die Umsetzung durch betriebliche Verhältnisse erforderliche Einzelmaßnahmen enthalten muss,43 ist auch hier der gemeinsame Betrieb der maßgebliche Betrieb i. S. d. KSchG. Die Unternehmen können nicht einen gemeinsamen Betrieb einrichten und von der gemeinsamen Organisation profitieren, ohne die kündigungsschutzrechtlichen Konsequenzen einer solchen Betriebbildung tragen zu wollen.44 Da der gemeinsame Betrieb die arbeitsvertragliche Zuordnung auf Betriebsebene überwindet, muss er sich dann überall dort, wo das Gesetz auf den Betrieb abstellt, auch gegenüber der vertraglichen Zuordnung durchsetzen. b) Weiterbeschäftigung in anderen Betrieben eines vertragsfremden Unternehmens Teilweise wird vertreten, dass der Arbeitnehmer im gemeinsamen Betrieb sich zum Zwecke einer Weiterbeschäftigung auch auf solche Arbeitsplätze berufen kann, welche in anderen Betrieben eines arbeitsvertragsfremden Unternehmens verfügbar sind.45 Als Begründung für diese Sichtweise wird vor allem der

42 BAG AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969, Bl. 1485 Rs.; BAG NZA 1994, 1023; Kiel in APS, § 1 KSchG Rn 589; Bram in Bader/Bram/Dörner/Wenzel, KSchG, § 1 Rn 309; Kittner in KSchR, § 1 KSchG Rn 387; Willemsen in W/H/S/S, Umstrukturierung, H Rn 38; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 245; Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 195. 43 BAG AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969, Bl. 1486 Rs.; bestätigt durch BAG NZA 1994, 1023; BAG AP Nr. 72 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, Bl. 929. 44 Vgl. BAG AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969, Bl. 1486 Rs.; bestätigt durch BAG NZA 1994, 1023; vgl. Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 235.

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ultima-ratio-Grundsatz des Kündigungsschutzrechts angeführt.46 Darüber hinaus will Däubler aus dem „sozialen Kontakt“ der Unternehmen mit vertragsfremden Arbeitnehmern eine Schutzpflicht begründen, welche sie zur Wahrung des Beschäftigungsinteresses der Arbeitnehmer verpflichtet.47 Gegen eine solche Sichtweise spricht, dass eine Erstreckung auf andere Betriebe der vertragsfremden Unternehmen gegen den Wortlaut des § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 b) KSchG verstößt, der auf die Weiterbeschäftigung in einem „anderen Betrieb des Unternehmens“ abstellt. Mit diesem Unternehmen kann aber nur der Vertragsarbeitgeber selbst angesprochen sein. Aus der Bildung eines gemeinsamen Betriebes kann jedoch nicht der Wille der Unternehmen abgeleitet werden, ein einheitliches Unternehmen im Sinne des KSchG bilden zu wollen.48 Allein die Abgrenzung zum Gemeinschaftsunternehmen zeigt, dass es ein wesentliches Merkmal des gemeinsamen Betriebes ist, die rechtliche Selbständigkeit der Unternehmen nicht zu berühren.49 Die weiter bestehende unterschiedliche arbeitsvertragliche Zuordnung wird vom gemeinsamen Betrieb nur im Hinblick auf die betriebliche Ebene überwunden, und zwar nur insoweit, wie die Führungsvereinbarung reicht. Zweck des gemeinsamen Betriebes ist es, die Arbeitnehmer in dieser Organisation sinnvoll zusammenzufassen und vor Nachteilen zu schützen, welche sich daraus ergeben, dass sie nicht im Betrieb eines Unternehmens beschäftigt werden. Eine unternehmensübergreifende Anwendung des KSchG kommt damit nur dort in Betracht, wo eine Beschränkung auf den Vertragsarbeitgeber den Arbeitnehmer im gemeinsamen Betrieb schlechter stellen würde. Das KSchG eröffnet dem Arbeitnehmer Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten in seinem Betrieb und im gesamten Unternehmen seines Arbeitgebers. Da jedoch nur ein gemeinsamer Betrieb und kein Gemeinschaftsunternehmen gegründet wurde, würde die vorgeschlagene Erstreckung auf andere Betriebe vertragsfremder Unternehmen zu einer nicht zu rechtfertigenden Besserstellung der Arbeitnehmer im gemeinsamen Betrieb führen.50 Diese Erstreckung ist daher abzulehnen. Die Arbeitnehmer im gemeinsamen Betrieb können sich für die Weiterbeschäftigung nur auf freie Arbeitsplätze im gemeinsamen Betrieb oder in anderen Betrieben ihres Vertragsarbeitgebers berufen.51

45 Trümner in D/K/K, BetrVG § 1 Rn 152; Däubler in FS Zeuner, S. 19, 36 f.; Zöllner in FS Semler, S. 995, 1009; Bachner NJW 1995, 2881, 2884; Wlotzke DB 1995, 40, 44. 46 Däubler in FS Zeuner, S. 19, 36. 47 Däubler in FS Zeuner, S. 19, 34, 37. 48 Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 245. 49 Vgl. dazu oben § 9 A.I. m.w. N. 50 Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 245. 51 Kittner in KSchR, § 1 KSchG Rn 387; Wackerbarth in Holding Handbuch, § 9 Rn 202; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 245; Annuß NZA Sonderheft 2001, 12, 24.

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3. Praktische Durchführung Ist ein Arbeitsplatz in einem anderen Betrieb des Vertragsarbeitgebers frei, so wird der Arbeitnehmer auf diesen versetzt und scheidet aus dem gemeinsamen Betrieb aus. Ist nur ein Arbeitsplatz im gemeinsamen Betrieb verfügbar, der einem anderen Unternehmen zuzuordnen ist, so wird der Arbeitnehmer auf diesen Arbeitsplatz versetzt. Dabei kommt es nicht zu einem Wechsel des Arbeitgebers52 Dies ergibt sich bereits daraus, dass die bestehende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bereits der Kündigung des Arbeitsverhältnisses entgegensteht, die Arbeitsbeziehung zum alten Arbeitgeber also nicht beendet wurde.53 Darüber hinaus liefe ein Wechsel des Arbeitgebers auf einen unzulässigen Kontrahierungszwang für das andere Unternehmen hinaus.54 Die Weiterbeschäftigung auf einem Arbeitsplatz im gemeinsamen Betrieb muss daher wie die Beschäftigung nach einem Wechsel im Rahmen der Sozialauswahl gem. § 1 Abs. 3 KSchG im Wege der betriebsinternen Verleihung des Arbeitnehmers erfolgen.55 Soweit Annuß darüber hinaus kritisiert, dass es dem Vertragsarbeitgeber unmöglich gemacht werde, die Zahl der eigenen Arbeitnehmer entsprechend der eigenen unternehmerischen Entscheidung zu gestalten,56 vermag diese Kritik nicht zu überzeugen. Zum einen wird der Vertragsarbeitgeber durch die betriebsinterne Leihe finanziell entlastet und erreicht damit sein wirtschaftliches Ziel. Dass das Arbeitsverhältnis an sich nicht beendet wird, der Arbeitnehmer also seine Personalstärke nicht reduzieren kann, ist keinesfalls alleinige Folge des gemeinsamen Betriebes. Auch außerhalb des gemeinsamen Betriebes ist es dem Arbeitgeber nicht möglich, die Zahl seiner Arbeitnehmer völlig frei festzulegen. Maßgeblich ist, wie vorstehend erläutert, zunächst der betriebliche Beschäftigungsbedarf und nicht eine abstrakte Zahlenvorgabe. Zum anderen ist die Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz im gemeinsamen Betrieb nur Konsequenz der Gründung einer einheitlichen betrieblichen Organisation im Sinne des KSchG. Durch die Führungsvereinbarung haben sich die Unternehmen zur einheitlichen Umsetzung von durch betriebliche Verhältnisse erforderlichen Einzelmaßnahmen verpflichtet.57 Die Unternehmen können nicht einen gemeinsamen Betrieb einrichten und von der gemeinsamen Organisation profitieren, ohne die kündigungsschutzrechtlichen Konsequenzen einer solchen Be-

52 Wackerbarth in Holding Handbuch, § 9 Rn 201; Annuß NZA Sonderheft 2001, 12, 24. 53 Vgl. Annuß NZA Sonderheft 2001, 12, 24. 54 Vgl. unten § 19 III.3.a). 55 Dazu ausführlich sogleich unter III.3.d). 56 Annuß NZA Sonderheft 2001, 12, 24. 57 BAG AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969, Bl. 1486 Rs.; bestätigt durch BAG NZA 1994, 1023; BAG AP Nr. 72 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, Bl. 929.

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triebsbildung tragen zu wollen.58 Darüber hinaus ist, wie schon mehrfach betont, Zweck des gemeinsamen Betriebes, die Arbeitnehmer vor derartigen Nachteilen zu schützen, die ihnen daraus entstehen, dass sie nicht im Betrieb eines Unternehmens eingesetzt werden. In einem solchen Betrieb stünden dem Arbeitnehmer jedoch sämtliche Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten in „seinem“ Betrieb zur Verfügung. Dieser Schutz ist gerechtfertigt, da die Arbeitnehmer die Gründung eines gemeinsamen Betriebes letzlich nicht verhindern können und daher vor mißbräuchlichen und künstlichen Betriebsorganisationen geschützt werden müssen. Dadurch wird auch der Arbeitgeber nicht schlechter gestellt, als er im Falle des Betriebes eines Unternehmens stünde. Schließlich würde der Kündigungsschutz der im gemeinsamen Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer ungerechtfertigt eingeschränkt, wenn ihnen nur die Weiterbeschäftigung beim Vertragsarbeitgeber offenstünde. Die von Annuß kritisierte Einschränkung der unternehmerischen Freiheit ist also durch die freiwillig abgeschlossene Führungsvereinbarung gerechtfertigt und daher hinzunehmen. Ungeklärt ist jedoch, ob eine Weiterbeschäftigung zu gleichen Bedingungen auf einem vertragsfremden Arbeitsplatz im gemeinsamen Betrieb Vorrang vor einer Weiterbeschäftigung zu nachteilig geänderten Arbeitsbedingungen in einem anderen Betrieb des Vertragsarbeitgebers genießt. Dies ist wohl zu bejahen, da § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 b) die individuelle Rechtsstellung des Arbeitnehmers schützen soll und eine Beschäftigung zu unveränderten Bedingungen das mildere Mittel wäre. Zwar könnte man aus der gesellschaftlichen Treuepflicht eine entsprechende Verpflichtung des Arbeitgebers ableiten, diese Verpflichtung darf jedoch nicht zu Lasten des Arbeitnehmers gehen. Ein Vorrang der Weiterbeschäftigung beim Vertragsarbeitgeber ist daher nur dann anzunehmen, wenn zwei absolut gleichwertige freie Arbeitsplätze vorhanden sind. III. Die Sozialauswahl Hauptproblem des Kündigungsschutzes im gemeinsamen Betrieb ist die Durchführung der Sozialauswahl. Eine solche ist durchzuführen, wenn der Arbeitnehmer nicht nach § 1 Abs. 2 S. 2 Mr. 1 b) KSchG weiterbeschäftigt werden kann. Eine sozial gerechtfertigte betriebsbedingte Kündigung verlangt jedoch über das dringende betriebliche Erfordernis hinaus, dass der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt, § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG. Die damit normierte Sozialauswahl ist in der Praxis oft nur schwer durchzuführen und bedeu58 Vgl. BAG AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969, Bl. 1486 Rs.; bestätigt durch BAG NZA 1994, 1023; vgl. Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 235.

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tet ein beträchtliches Risiko für die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.59 Der Gesetzgeber wollte durch die (erneute) Normierung der für die Sozialauswahl maßgeblichen Kriterien durch das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt60 insoweit die Rechtssicherheit verbessern.61 Für die vorliegende Arbeit ist allein von Interesse, wie weit der Bereich der in die Sozialauswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer zu erstrecken ist. Auf die übrigen Probleme der sozialen Auswahl muss im Rahmen der Untersuchung nicht eingegangen werden.62 1. Grundsatz: Betriebsbezug der Sozialauswahl Nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 3 KSchG ist die Sozialauswahl betriebsbezogen durchzuführen, da das Kündigungsschutzgesetz betriebsbezogen ist und § 1 Abs. 3 KSchG anders als § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 b) KSchG keine Erweiterung auf das Unternehmen enthält. Die gegen diese Sicht vorgebrachten Argumente63 mögen rechtspolitisch zutreffend sein, der Gesetzgeber hat jedoch eindeutig in Kenntnis dieser Kritik am Betriebsbezug des Kündigungsschutzes festgehalten.64 De lege lata ist somit am Betriebsbezug der Sozialauswahl festzuhalten.65 2. Unternehmensübergreifende Sozialauswahl Die Übertragung dieses Grundsatzes auf den gemeinsamen Betrieb führt jedoch unweigerlich zu einer unternehmensübergreifenden Sozialauswahl, da an dieser Sonderform des Betriebes mehrere Unternehmen beteiligt sind. Dieses Ergebnis erscheint auf den ersten Blick dem Zweck des Betriebsbezuges zu widersprechen. Der Betrieb ist nach allgemeinem Verständnis eine dem Unternehmen untergeordnete Einheit. Ein Unternehmen kann mehrere Betriebe haben, jedoch ist der Betrieb höchstens identisch mit dem Unternehmen, wenn dieses 59

Kritisch z. B. Willemsen in W/H/S/S, Umstrukturierung, H Rn 17. v. 24.12.2003, BGBl. I, S. 3002. 61 BT-Drucks. 15/1204, S. 11. Vgl. zur Entwicklung des Gesetzeslage Bram in Bader/Bram/Dörner/Wenzel, KSchG, § 1 Rn 254 ff.; Kittner in KSchR, § 1 KSchG Rn 420. 62 Insoweit wird auf die einschlägige Literatur verwiesen, vgl. statt vieler Mayer in Backmeister/Trittin/Mayer, KSchG, § 1 Rn 373 ff. 63 Berkowsky in Münchener Handbuch AR, § 139 Rn 27, 73; Bepler ArbuR 1997, 54, 58 ff. 64 Vgl. BT-Drucks. 15/1204, S. 13 f. 65 BAG NZA 1987, 125, 126; NZA 1990, 226, 227; vgl. BAG NZA 1994, 1023 wo es missverständlich betriebsübergreifend heißt; Kiel in APS, § 1 KSchG Rn 663c; Mayer in Backmeister/Trittin/Mayer, KSchG, § 1 Rn 377; Bram in Bader/Bram/Dörner/Wenzel, KSchG, § 1 Rn 320; v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn 434; Kittner in KSchR, § 1 KSchG Rn 435. 60

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sich nur zu einem Betrieb organisiert hat. Der Gesetzgeber hat somit an die tendenziell kleinere Einheit des Betriebes angeknüpft. Er wollte damit erreichen, dass die Sozialauswahl möglichst in der organisatorischen Einheit durchgeführt wird, in welcher der Arbeitnehmer eingesetzt wird.66 Sofern die Sozialauswahl über die Grenzen des Unternehmens hinweg erfolgt, scheint der Maßstab hingegen vergrößert zu werden. Dies ist jedoch nicht zutreffend. Wenn der gemeinsame Betrieb als Betrieb im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes anzusehen ist, wird nur ein konsequentes Abstellen auf den gemeinsamen Betrieb der Grundentscheidung des Gesetzgebers gerecht. Eine unternehmensübergreifende Sozialauswahl ließe sich nur vermeiden, wenn man auf die von den einzelnen Unternehmen eingebrachten Betriebsteile oder Abteilungen abstellt oder das KSchG im gemeinsamen Betrieb unternehmensbezogen anwendet. Gegen die erste Lösung ist zunächst einzuwenden, dass § 1 Abs. 3 KSchG schon nach seinem Wortlaut nicht zwischen Betrieb, Betriebsteil und Nebenbetrieb unterscheidet.67 Dass dem Gesetzgeber diese Unterscheidung durchaus geläufig ist, zeigt aber bereits § 4 BetrVG. Die dort normierte Selbständigkeit betrieblicher Untereinheiten ist jedoch nach richtiger Ansicht nicht auf das KSchG übertragbar.68 Denn § 4 BetrVG soll mit seinen Fiktionen für eine ortsnahe Interessenvertretung der Arbeitnehmer sorgen, jedoch nicht den individuellen Kündigungsschutz beschränken. Je kleiner die Einheit, in der die Sozialauswahl durchzuführen ist, gewählt wird, umso weniger austauschbare Arbeitnehmer sind in die Auswahl einzubeziehen. Im Übrigen wäre bei einer auf Betriebabteilungen beschränkten Sozialauswahl eine missbräuchliche Organisation des Arbeitgebers möglich, der die zu kündigenden Arbeitnehmer zunächst in einer stillzulegenden Betriebsabteilung zusammenfasst. Eine unternehmensbezogene Durchführung der Sozialauswahl im gemeinsamen Betrieb begegnet den gleichen Bedenken, wie sie gegen eine generelle unternehmensbezogene Deutung des Kündigungsschutzes insgesamt angeführt werden können.69 Bereits der Wortlaut des § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG nimmt auf die dringenden betrieblichen Erfordernisse Bezug, welche einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers „in diesem Betrieb“ entgegenstehen. Dies verdeutlicht wiederum, dass der Kündigungsschutz nach der Grundentscheidung des Gesetz66

Vgl. v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn 434. Kiel in APS, § 1 KSchG Rn 663; Berkowsky in Münchner Handbuch AR, § 139 Rn 77. 68 BAG NZA 1999, 255, 257; NZA 2001, 831, 832; Kiel in APS, § 1 KSchG Rn 663; Mayer in Backmeister/Trittin/Mayer, KSchG, § 1 Rn 28; Kittner in KSchR, § 1 Rn 17a; Berkowsky in Münchener Handbuch AR, § 139 Rn 77; a. A. BAG NZA 1990, 607, 608; BAG NZA 1990, 977. 69 Vgl. dazu v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn 435; sowie Preis in Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigungsschutz, Rn 1055 f. und oben § 19. 67

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gebers betriebsbezogen und die Erstreckung der Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf das Unternehmen eine Ausnahme ist.70 Es wäre im Übrigen widersprüchlich, den gemeinsamen Betrieb als Betrieb im Sinne des Kündigungsschutzes anzusehen, dann aber eine der wesentlichen Konsequenzen dieser „Betriebsbildung“ zu verneinen.71 Der Gesetzgeber hat darüber hinaus den Betriebsbezug der Sozialauswahl in § 322 UmwG für gemeinsame Betriebe, die infolge einer Unternehmensspaltung entstehen, ausdrücklich anerkannt.72 Es ist also damit am Grundsatz der Betriebsbezogenheit der Sozialauswahl auch für den gemeinsamen Betrieb festzuhalten.73 Nach nahezu allgemeiner Ansicht ist die Sozialauswahl nicht über den gemeinsamen Betrieb hinaus auf weitere Betriebe der beteiligten Unternehmen zu erstrecken.74 Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Sozialauswahl stets betriebsbezogen durchzuführen ist.75 Für eine Erstreckung auf die übrigen Betriebe eines am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmens fehlt es insoweit an einer rechtlichen Grundlage. Die Rechtsprechung begründet die einheitliche Sozialauswahl damit, dass die Vereinbarung zur Errichtung und Führung eines gemeinsamen Betriebes auch Regelungen für die Umsetzung von durch betriebliche Verhältnisse erforderlichen Einzelmaßnahmen enthalten müsse.76 In der Übertragung der personellen Kompetenzen auf einen einheitlichen Leitungsapparat liege ein Verzicht auf eine selbständige Personalführung.77 Die Unternehmen können nicht einen gemeinsamen Betrieb einrichten und von der ge70 v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn 435; unter Berufung auf den Wortlaut des § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 1b Willemsen in W/H/S/S, Umstrukturierung, H Rn 32, auch Rn 148. 71 Zu den praktischen Schwierigkeiten bei der Durchführung der unternehmensübergreifenden Sozialauswahl sogleich unter 3., S. 165 f. 72 Kiel in APS, § 1 KSchG Rn 666; v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn 436; Willemsen in W/H/S/S, Umstrukturierung, H Rn 148; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 238 f. 73 BAG AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969, Bl. 1484; BAG NZA 1994, 1023; Kiel in APS, § 1 KSchG Rn 665; v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn 436; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 239; Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 195. 74 Kittner in KSchR, § 1 KSchG Rn 436; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 238; im Ergebnis auch Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 195. 75 Weiter Zöllner in FS Semler, S. 995, 1009, der die Sozialauswahl auf die „arbeitsvertraglich und/oder arbeitsleitungsmäßig eigenen und die gemeinsam geleiteten Arbeitnehmer“ erstrecken will. Dies würde aber bedeuten, dass die Sozialauswahl über den gemeinsamen Betrieb hinaus durchzuführen wäre. Da eine solche Ausdehnung der Sozialauswahl auch für mehrere Betriebe eines Unternehmens allgemein abgelehnt wird, muss dies auch für den gemeinsamen Betrieb gelten. Der insoweit eindeutige Wortlaut des § 1 Abs. 3 KSchG begrenzt die Sozialauswahl auf den Betrieb. In diesem Sinne auch die h. M. vgl. BAG NZA 1994, 1023; Kiel in APS, § 1 KSchG Rn 663c; Kittner in KSchR, § 1 KSchG Rn 435. 76 BAG AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969, Bl. 1486 Rs.; bestätigt durch BAG NZA 1994, 1023; BAG AP Nr. 72 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, Bl. 929.

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meinsamen Organisation profitieren, ohne die gesetzlichen Konsequenzen einer solchen Betriebsbildung tragen zu wollen.78 Fehle es an einer derartigen Absprache, könne regelmäßig kein gemeinsamer Betrieb angenommen werden.79 Allein durch die Führungsvereinbarung schaffen die Unternehmen also die Voraussetzungen einer einheitlichen Sozialauswahl.80 Dementsprechend kann die einheitliche Sozialsauswahl auch nur für den Geltungsbereich der Führungsvereinbarung durchgeführt werden. Anderenfalls läge eine unzulässige Beeinträchtigung der unternehmerischen Freiheit vor.81 Eine Erstreckung der Sozialauswahl über den gemeinsamen Betrieb hinaus ist damit nicht möglich. 3. Praktische Durchsetzbarkeit Unklar ist, wie die Sozialauswahl im gemeinsamen Betrieb tatsächlich durchzuführen ist. Die Ausführungen des BAG zu dieser Frage sind lediglich allgemeiner Natur. Im Ausgangspunkt festzuhalten ist, dass die unternehmerische Entscheidung eines Unternehmens, seinen Arbeitsplatzbedarf zu verringern, im Wege der Sozialauswahl dazu führen kann, dass ein anderes Unternehmen einem seiner Arbeitnehmer kündigen muss, weil dieser sozial weniger schutzbedürftig ist.82 Dies gilt jedoch nur insoweit, als die einzubeziehenden Arbeitnehmer von dem betriebsbedingten Kündigungsgrund unmittelbar oder aufgrund ihrer Austauschbarkeit betroffen sind.83 Aus diesem Grund muss die unternehmerische Entscheidung sich auch auf den gemeinsamen Betrieb insgesamt auswirken. Die genauen Maßgaben für die Sozialsauwahl sind aber unklar. a) Durchführung nach Maßgabe der Rechtsprechung des BAG Nach der Rechtsprechung des BAG bestimmen zwei Gesichtspunkte die Durchführung der Sozialauswahl. Zum einen ist die Durchführung unabhängig von der arbeitsvertraglichen Zuordnung der Arbeitnehmer. Dies bedeutet, dass 77 ErfKO-Ascheid, § 1 KSchG Rn 477; v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn 436; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 236. 78 Vgl. BAG AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969, Bl. 1486 Rs.; bestätigt durch BAG NZA 1994, 1023; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 235. 79 BAG AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969, Bl. 1486 Rs.; bestätigt durch BAG NZA 1994, 1023; ErfKO-Ascheid, § 1 KSchG Rn 477. 80 Bram in Bader/Bram/Dörner/Wenzel, KSchG, § 1 Rn 321; Rieble in FS Wiese, S. 453, 475; Linck, soziale Auswahl, S. 25 f. 81 Linck, soziale Auswahl, S. 25 f.; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 238. 82 BAG AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969, Bl. 1483 Rs. f.; Bram in Bader/Bram/Dörner/Wenzel, KSchG, § 1 Rn 321; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 239; Annuß NZA Sonderheft 2001, 12, 23. 83 BAG NZA 1994, 1023; Bader in Bader/Bram/Dörner/Wenzel, KSchG, § 1 Rn 321.

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der sozial weniger schutzbedürftige Arbeitnehmer aus dem Betrieb ausscheiden muss, obwohl sein Arbeitgeber eigentlich einen unveränderten Beschäftigungsbedarf aufweist. Andererseits soll die gemeinsame Sozialauswahl nicht zu einem Arbeitgeberwechsel führen, sondern der Arbeitnehmer bleibt weiter bei seinem bisherigen Arbeitgeber beschäftigt.84 Dies wird von der Rechtsprechung ebenso für die Weiterbeschäftigung im gemeinsamen Betrieb gem. § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 b) KSchG so gesehen. Demgegenüber gehen zahlreiche Autoren davon aus, dass es bei einem durch die Sozialauswahl oder die Weiterbeschäftigungspflicht veranlassten Arbeitsplatzwechsel auch zu einem Übergang des Arbeitsvertrages kommt.85 Gegen eine solche Sichtweise spricht zunächst, dass aufgrund der Sozialauswahl der Vertragsarbeitgeber gerade am Ausspruch gehindert ist bzw. eine dennoch ausgesprochene Kündigung sozialwidrig und damit gem. § 1 Abs. 1 KSchG unwirksam ist. Der Arbeitsvertrag zum ursprünglichen Arbeitgeber bleibt damit unverändert weiter bestehen. Ein Wechsel des Arbeitgebers ist jedoch ohne Beendigung des bestehenden Arbeitsverhältnisses nicht möglich. Soweit die Parteien keine vertragliche Lösung finden, wären folglich zwei betriebsbedingte Kündigungen notwendig, wobei der sozial schutzwürdigere Arbeitnehmer dann Anspruch auf Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages mit dem anderen am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen hätte.86 Das andere Unternehmen hat jedoch selbst keinen Grund für eine betriebsbedingte Kündigung gegenüber seinem sozial weniger schutzbedürftigen Arbeitnehmer. Vielmehr wirkt diesem gegenüber das dringende betriebliche Erfordernis desjenigen Unternehmens, welches einen reduzierten Beschäftigungsbedarf aufweist. Dieser betriebsbedingte Kündigungsgrund wirkt mittelbar über die Sozialauswahl auf das andere Unternehmen ein und berechtigt dieses erst zur Kündigung. Auf den betriebsbedingten Wegfall eines Arbeitsplatzes können jedoch nicht zwei Kündigungen gestützt werden. Demnach bleibt das Arbeitverhältnis des sozial schutzbedürftigeren Arbeitnehmers bestehen, so dass für einen Arbeitgeberwechsel kein Raum ist. Es muss insoweit klar zwischen dem Arbeitsverhältnis und dem Arbeitsplatz getrennt werden. Des Weiteren bedeutete ein Arbeitgeberwechsel einen unzulässigen Kontrahierungszwang für das übernehmende Unternehmen.87 Ein solcher Kontrahie84 BAG AP Nr. 72 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, Bl. 930; Wackerbarth in Holding Handbuch, § 9 Rn 201; Willemsen in W/H/S/S, Umstrukturierung, H Rn 143; Annuß NZA Sonderheft 2001, 12, 23. 85 Bram in Bader/Bram/Dörner/Wenzel, KSchG, § 1 Rn 309, 321; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 250; Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 194; Linck, soziale Auswahl, S. 25 f. 86 In diesem Sinne auch Annuß NZA Sonderheft 2001, 12, 23 in Fn 126. 87 Annuß NZA Sonderheft 2001, 12, 24.

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rungszwang bedarf in der vom Grundsatz der Privatautonomie geprägten Zivilrechtsordnung jedoch stets einer besonderen Begründung.88 Neben der gesetzlichen Anordnung kommt ein solcher Abschlusszwang nur in Betracht, wenn der Nichtabschluss sittenwidrig ist.89 Dies wird man jedoch in der Regel nur annehmen können, wenn eine faktische Monopolstellung besteht, welche Alternativen für den Vertragsschluss ausschließt.90 Eine solche Monopolstellung kommt den am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen jedoch nicht zu. Dies gilt umso mehr, als sich nach richtiger Ansicht kein Bedarf zum Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages ergibt. Den beteiligten Unternehmen muss es möglich bleiben, die sich aus der Anwendbarkeit des KSchG ergebenen Folgen untereinander zu regeln.91 Demnach ist mit dem BAG festzuhalten, dass es im Rahmen der Sozialauswahl oder der Weiterbeschäftigung im gemeinsamen Betrieb nicht zu einem Arbeitgeberwechsel kommt.92 b) Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer Ein weiteres Problem bereitet die Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer. Vergleichbar sind nur solche Arbeitnehmer, die nach ihren Fähigkeiten und Kenntnissen sowie dem Vertragsinhalt austauschbar sind.93 Da sich die Vergleichbarkeit in Bezug auf Fähigkeiten und Kenntnisse94 nur nach dem Einzelfall bestimmt, ist für die vorliegende Arbeit allein die Austauschbarkeit nach dem Vertragsinhalt interessant. Für die Sozialauswahl außerhalb des gemeinsamen Betriebes geht das BAG in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass nur solche Arbeitnehmer in die Sozialauswahl einzubeziehen sind, welche der Arbeitgeber einseitig in Ausübung seines Direktionsrechtes austauschen könnte.95 Ist also eine Änderung des Vertrages, sei es einvernehmlich oder durch Änderungskündigung notwendig, ist der Arbeitnehmer nicht vergleichbar und folglich nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen.96 Eine strikte Übertragung dieser Rechtsprechung auf den gemeinsamen Betrieb begegnet jedoch Bedenken. Der 88

Armbrüster in Erman, BGB, Vor § 145 Rn 26 f.; Bork, BGB AT, Rn 664. Armbrüster in Erman, BGB, Vor § 145 Rn 28; Bork, BGB AT, Rn 668. 90 RGZ 132, 273, 276; 148, 326, 334; BGH ZIP 1994, 1274, 1276; Armbrüster in Erman, BGB, Vor § 145 Rn 28; Bork, BGB AT, Rn 667; Brox/Walker, SR-AT, § 4 Rn 10. 91 Wackerbarth in Holding Handbuch, § 9 Rn 201. 92 BAG AP Nr. 72 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, Bl. 930; Wackerbarth in Holding Handbuch, § 9 Rn 201; Willemsen in W/H/S/S, Umstrukturierung, H Rn 143; Annuß NZA Sonderheft 2001, 12, 23. 93 Kiel in APS, § 1 KSchG Rn 672; Kittner in KSchR, § 1 KSchG Rn 447. 94 Zu den damit verbundenen Problemen vgl. Kiel in APS, § 1 KSchG Rn 673 ff. 95 BAG NZA 1991, 181, 182; NZA 1998, 1332, 1333; Kiel in APS, § 1 KSchG Rn 672; Mayer in Backmeister/Trittin/Mayer, KSchG, § 1 Rn 388; Kittner in KSchR, § 1 KSchG Rn 448. 89

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durch die Sozialauswahl geschützte Arbeitnehmer bleibt nämlich arbeitsvertraglich seinem bisherigen Arbeitgeber zugeordnet, wird jedoch in Zukunft bei dem Unternehmen eingesetzt, welches seinen Arbeitnehmer aufgrund der Sozialauswahl entlassen musste. Zwar wird eine solche Versetzung gelegentlich vom Arbeitsvertrag gedeckt sein, dies ist jedoch nicht immer der Fall.97 Schließt man in solchen Fällen die Arbeitnehmer der anderen Unternehmen mangels Vergleichbarkeit von der Sozialauswahl aus, so liefe die einheitliche Sozialauswahl im gemeinsamen Betrieb leer. Darüber hinaus könnten die beteiligten Unternehmen durch eine entsprechende Vertragsgestaltung die Sozialauswahl im gemeinsamen Betrieb umgehen. Zwar ist der Arbeitsvertrag grundsätzlich als maßgebliche Rechtsquelle zur Ausgestaltung der Arbeitsbeziehungen zu respektieren, jedoch zeichnet sich der gemeinsamen Betrieb gerade dadurch aus, dass er die unterschiedliche arbeitsvertragliche Zuordnung der Arbeitnehmer auf der betrieblichen Ebene überwindet. Da die Sozialauswahl außerhalb des gemeinsamen Betriebes ausdrücklich betriebsbezogen ist und nicht an den Arbeitsvertrag anknüpft,98 muss die Vergleichbarkeit im gemeinsamen Betrieb anders bestimmt werden, wenn am Betriebsbezug festgehalten werden soll. Es müssen daher solche Vertragsänderungen außer Betracht bleiben, welche sich allein aus der Tatsache ergeben, dass am gemeinsamen Betrieb mehrere Unternehmen beteiligt sind. Vergleichbar sind daher alle Arbeitnehmer, die ihre Tätigkeit unter entsprechenden arbeitsvertraglichen Bedingungen auch bei einem anderen Unternehmen ausüben könnten.99 Nur eine solche Sicht wird auch dem für den gemeinsamen Betrieb charakteristischen arbeitgeberübergreifenden Arbeitseinsatz gerecht. Wenn die arbeitsvertragliche Zuordnung im gemeinsamen Betrieb keine Rolle spielt, dann muss sie auch bei der Bestimmung der auswahlrelevanten Arbeitnehmer zurücktreten. Es kommt damit auf die Vergleichbarkeit in Bezug auf die ausgeübte Tätigkeit und Funktion und nicht auf die Zuordnung zu einem Arbeitgeber an.

96 BAG NZA 1991, 181, 184; Mayer in Backmeister/Trittin/Mayer, KSchG, § 1 Rn 388; Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 194. 97 In der Praxis behalten sich die Unternehmen oft die Versetzung zu einer anderen Konzerngesellschaft vor. Außerhalb von Konzernen ist eine Versetzung zumeist nur innerhalb des Unternehmens geregelt. 98 BAG NZA 1987, 125, 126; NZA 1990, 226, 227; NZA 1994, 1023; Kiel in APS, § 1 KSchG Rn 663c; Mayer in Backmeister/Trittin/Mayer, KSchG, § 1 Rn 377; Bram in Bader/Bram/Dörner/Wenzel, KSchG, § 1 Rn 321; v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn 434; Kittner in KSchR, § 1 KSchG Rn 435; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 239. 99 So auch Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 194, der jedoch von einem Arbeitgeberwechsel spricht. Im Ergebnis auch Bram in Bader/Bram/Dörner/Wenzel, KSchG, § 1 Rn 321a, der von einer konkludenten Erweiterung des Versetzungsrechtes im gemeinsamen Betrieb ausgeht. Vgl. auch BAG NZA 2005, 867, 868 m.w. N.

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c) Kritik an der gemeinsamen Sozialauswahl Die Rechtsprechung des BAG führt also in der Konsequenz dazu, dass es an einem gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen unter Umständen nicht möglich ist, seinen Arbeitnehmerüberhang wie geplant zu reduzieren.100 Fällt nämlich die Sozialauswahl zu Lasten derjenigen Arbeitnehmer aus, welche bei anderen am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen beschäftigt werden, so sind diese zu entlassen. Im Ergebnis beschäftigt dann das Unternehmen, welches seinen Personalbestand reduzieren wollte, weiterhin zu viele Arbeitnehmer, während die übrigen beteiligten Unternehmen nach ihrer unternehmerischen Entscheidung offene Arbeitsplätze haben. aa) Generelle Ablehnung der einheitlichen Sozialauswahl Diese Konsequenz nimmt Annuß zum Anlass, die einheitliche Sozialauswahl im gemeinsamen Betrieb insgesamt in Frage zu stellen.101 Das BAG setze sich in Widerspruch zu seiner ständigen Rechtsprechung, welche die Größe der betriebenen Arbeitsorganisation in den Bereich der grundsätzlich freien Unternehmerentscheidung einordne.102 Diese Einschränkung der Unternehmerfreiheit kann nicht durch die Führungsvereinbarung gerechtfertigt werden, da die Unternehmen im Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung nicht an betriebsbedingte Kündigungen gedacht hätten.103 Einen entsprechenden Willen aus den tatsächlichen Umständen herzuleiten laufe daher auf eine Fiktion hinaus.104 Darüber hinaus solle die Sozialauswahl nur den Verteilungskonflikt in Bezug auf die verbleibenden Arbeitsplätze im Verhältnis der Arbeitnehmer zueinander lösen.105 Dieser Verteilungskonflikt stelle jedoch das spezifische Vertragsrisiko dar, welches die Arbeitnehmer beim Vertragsschluss auf sich nähmen.106 Das Risiko, dass der Beschäftigungsbedarf des eigenen Arbeitgebers sinke, sei ein Binnenrisiko des Arbeitsvertrages, welches nach allgemeinen Grundsätzen nicht auf Dritte abgewälzt werden dürfe.107 Die Sozialauswahl sei daher allein auf den Vertragsarbeitgeber zu begrenzen.108

100 101 102 103 104 105 106 107 108

Annuß Annuß Annuß Annuß Annuß Annuß Annuß Annuß Annuß

NZA NZA NZA NZA NZA NZA NZA NZA NZA

Sonderheft Sonderheft Sonderheft Sonderheft Sonderheft Sonderheft Sonderheft Sonderheft Sonderheft

2001, 2001, 2001, 2001, 2001, 2001, 2001, 2001, 2001,

12, 12, 12, 12, 12, 12, 12, 12, 12,

23. 23. 23. 23. 23. 23. 23. 23. 23.

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An dieser Kritik stimmt zunächst bedenklich, dass eine Begrenzung auf den Vertragsarbeitgeber eine Abweichung vom Betriebsbezug der Sozialauswahl bedeuten würde. Diese Abweichung ist wie vorstehend dargelegt mit dem Wortlaut des § 1 Abs. 3 KSchG und der Grundentscheidung des Gesetzgebers nicht in Einklang zu bringen. Des Weiteren ist hervorzuheben, dass es nicht auf eine positive Rechtsfolgenkenntnis der Unternehmen beim Abschluss einer Führungsvereinbarung ankommen kann. Eine positive Kenntnis sämtlicher gesetzlicher Folgen eines Rechtsgeschäftes ist nicht nötig, ein diesbezüglicher Rechtsfolgenirrtum wäre unbeachtlich.109 Es muss vielmehr genügen, dass die Unternehmen willentlich eine gemeinsame betriebliche Organisation ins Leben rufen, welche als Betrieb im Sinne des KSchG einzuordnen ist. Das Unternehmen ist dann auch an die nachteiligen Folgen dieser Organisationsgründung gebunden. Des Weiteren brächte eine Beschränkung der Sozialauswahl Missbrauchsrisiken mit sich, was auch Annuß einräumt.110 Die Sozialauswahl könnte, im Extremfall, teilweise umgangen oder eingeschränkt werden, indem sozial besonders schutzwürdige Arbeitnehmer bei einem Rechtsträger gebündelt werden.111 Als Lösung schlägt Annuß eine für das gesamte Arbeitsrecht gültige Regelung nach Vorbild des § 322 UmwG vor, der den Missbrauch für den Sonderfall der partiellen Gesamtrechtsnachfolge verhindere.112 Diese Lösung mag de lege ferenda überzeugen, kann de lege lata jedoch nicht befriedigen. Sofern man die Grundentscheidung des Gesetzgebers für den Betriebsbezug der Sozialauswahl akzeptiert, ist eine Beschränkung auf das einzelne Unternehmen im gemeinsamen Betrieb ein Systembruch. Sie widerspräche auch dem Charakter des gemeinsamen Betriebes, welcher die betriebliche Zuordnung gerade von der arbeitsvertraglichen Beziehung abkoppelt. Den Bedenken Annuß’ kann daher ohne Änderung des KSchG nur dadurch Rechnung getragen werden, dass man den gemeinsamen Betrieb im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes insgesamt ablehnt. Dies verbietet sich jedoch, da § 322 UmwG den gemeinsamen Betrieb im Sinne des Kündigungsschutzes ausdrücklich anerkennt. Zuzustimmen ist Annuß im Grundsatz jedoch bei seiner Einschätzung in Bezug auf die ungerechte Verteilung des Vertragsrisikos. Die Sozialauswahl im gemeinsamen Betrieb darf nicht dazu führen, dass sich die Führungsvereinbarung als Vertrag zu Lasten Dritter darstellt. Vergleicht man das Vertragsrisiko des Arbeitnehmers im gemeinsamen Betrieb jedoch mit dem des Arbeitnehmers im Betrieb eines Unternehmens, so ist festzustellen, dass der Arbeitnehmer im

109 Vgl. BGHZ 70, 47, 48; 134, 152, 156; Wendtland in Bamberger/Roth, BGB, § 119 Rn 32; Heinrichs in Palandt, BGB, § 119 Rn 15; Hefermehl in Soergel, BGB, § 119 Rn 24. 110 Vgl. Annuß NZA Sonderheft 2001, 12, 23 f. 111 Annuß NZA Sonderheft 2001, 12, 23 f. 112 Annuß NZA Sonderheft 2001, 12, 24.

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gemeinsamen Betrieb grundsätzlich nicht schlechter gestellt wird als der Arbeitnehmer im „normalen“ Betrieb. Der Arbeitnehmer hat bei der Einstellung in den Betrieb keinen Überblick über die Sozialdaten der zukünftigen Arbeitkollegen.113 Die eigene Schutzwürdigkeit bei der Sozialauswahl spielt demgemäß für den Arbeitnehmer keine Rolle bei der Entscheidung über den Abschluss des Arbeitsvertrages. Da der Arbeitnehmer keinen Einfluss auf etwaige Neueinstellungen, welche seine soziale Schutzwürdigkeit ebenfalls berühren könnten, hat, bedeutet der gemeinsame Betrieb insoweit keine Verschlechterung der eigenen Rechtsstellung. Denn es gibt für den Arbeitnehmer keine Garantie dafür, dass seine Schutzwürdigkeit stets gewahrt wird. Insoweit ließe sich zwar argumentieren, dass es einen Unterschied macht, ob der eigene Vertragspartner Neueinstellungen vornimmt oder ob Arbeitnehmer aus einem fremden Unternehmen die soziale Schutzwürdigkeit herabsetzen. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass die Sozialauswahl ausdrücklich an den Betrieb und nicht an den Arbeitsvertrag anknüpft und das KSchG dem Arbeitnehmer dieses Risiko ausdrücklich zumutet.114 Ebenso hat der Arbeitnehmer keinen Überblick über die betriebliche Organisationsstruktur des einstellenden Unternehmens. Vielmehr hat er noch nicht einmal Einfluss darauf, dass diese Organisationsstruktur so erhalten bleibt. Lediglich über die betriebliche Mitbestimmung nach §§ 111 ff. BetrVG können die Arbeitnehmer über den Betriebsrat auf Betriebsänderungen Einfluss nehmen. Auch die Betriebsorganisation ist somit kein Vertragsrisiko, das der Arbeitnehmer überschauen oder beeinflussen könnte. Die Risiken einer Betriebsänderung treffen den Arbeitnehmer also nicht anders, als wenn er nicht im gemeinsamen Betrieb eines Unternehmens tätig wäre. Dabei wird nicht verkannt, dass diese Betrachtung lediglich auf einer abstrakten Ebene zutrifft. Individuell wird der weniger schutzwürdige Arbeitnehmer durch die einheitliche Sozialauswahl immer benachteiligt. Jedoch ist diese individuelle Benachteiligung hinzunehmen, da die Arbeitnehmer insgesamt von der einheitlichen Sozialauswahl in der Weise profitieren, dass eine größere Vergleichsgruppe in aller Regel zu einer erhöhten Bedeutung der eigenen Schutzbedürftigkeit führt. Im Übrigen sind durchaus Fälle denkbar, in denen die Zusammenrechnung der Arbeitnehmer im gemeinsamen Betrieb erst den sachlichen Anwendungsbereich des KSchG eröffnet. Es wäre aber nicht sachgerecht, den gemeinsamen Betrieb im Rahmen des § 23 Abs. 1 KSchG zu berücksichtigen, im Rahmen der Sozialauswahl dann aber keine Bedeutung zukommen zu lassen. Das Risiko der nachteiligen Sozialauswahl ist ein gesetzlicher Reflex des KSchG und damit hinzunehmen. 113 Wobei der Datenschutz im Übrigen die Weitergabe der persönlichen Daten verbieten würde. 114 Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 239.

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Die einheitliche Sozialauswahl ohne Berücksichtigung der arbeitsvertraglichen Zuordnung ist vor allem in dem fortgesetzten arbeitgeberübergreifenden Arbeitseinsatz im gemeinsamen Betrieb zu begründen. Aus diesem Grund ist eine einheitliche Sozialauswahl und die damit verbundene Verteilung des Vertragsrisikos dann nicht mehr durchzuführen, wenn das Ende der gemeinsamen Organisation droht. Dem Arbeitnehmer des am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmens darf nicht das Insolvenzrisiko der anderen Unternehmen aufgedrängt werden. Der Arbeitnehmer muss also nur das Risiko tragen, innerhalb einer bestehenden Betriebsorganisation sozial weniger schutzwürdig zu sein. Es ist keinesfalls angängig, ihm über die betriebliche Einheit hinaus das wirtschaftliche Risiko der anderen am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen aufzubürden. bb) Vergleichbarkeit der einheitlichen Sozialauswahl im gemeinsamen Betrieb mit der konzernbezogenen Sozialauswahl Neben dieser grundsätzlichen Kritik von Annuß wird die einheitliche Sozialauswahl vor allem von Wiedemann kritisiert.115 Es sei nicht einzusehen, wieso die Rechtsprechung für den gemeinsamen Betrieb eine einheitliche Sozialauswahl durchführe, diese aber im Konzern zu Recht ablehnt.116 Die Auswirkungen seien nämlich in beiden Fällen dieselben. Einem rechtlich selbstständigen Unternehmen werde über den Umweg der Sozialauswahl ein fremder Arbeitnehmer aufgedrängt, während es seinen eigenen Arbeitnehmer kündigen müsse.117 Dies sei vor allem vor dem Hintergrund der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Unternehmerfreiheit bedenklich. Dagegen ist jedoch hervorzuheben, dass sich die Unternehmen im Wege der Organisationsgründung freiwillig ihrer unternehmerischen Freiheit begeben haben.118 Die einheitliche Sozialauswahl ist die gesetzliche Folge der Gründung einer einheitlichen und gemeinsamen Betriebsorganisation. Es kann auch in diesem Zusammenhang nicht angehen, dass die Unternehmen die Vorteile einer solchen Organisationsstruktur in Anspruch nehmen, ohne die daran gesetzlich geknüpften Folgen tragen zu wollen.119 Darüber hinaus bedeutet eine konzernweite Sozialauswahl eine Rechtsfortbildung contra legem, während das Kündigungsschutzgesetz ausdrücklich auf den Betrieb und nicht auf den Arbeitsvertrag abstellt.120 Insoweit muss den beteiligten Unternehmen bewusst sein, dass 115

Wiedemann Anm. zu BAG AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969, Bl. 186 Rs. Wiedemann Anm. zu BAG AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969, Bl. 186 Rs. 117 Vgl. Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 238; Linck, soziale Auswahl, S. 24. 118 Linck, soziale Auswahl, S. 24 f. 119 Insoweit wird auf die vorstehenden Überlegungen zur Kritik von Annuß verwiesen, vgl. S. 170. 120 Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 239. 116

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die willentliche Gründung eines gemeinsamen Betriebes auch kündigungsschutzrechtliche Konsequenzen hat. Da sich dies bereits aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 3 KSchG ergibt, ist eine Einschränkung der Rechte der Unternehmer aus Art. 12 Abs. 1 GG auf dieser Grundlage möglich. In diesem Zusammenhang sind die Rechte der betroffenen Arbeitnehmer in eine etwaige Abwägung einzubeziehen. Es wurde bereits betont, dass diese keine Möglichkeit haben, die Gründung eines gemeinsamen Betriebes zu verhindern. Die Arbeitnehmer müssen daher so gestellt werden, wie sie im Betrieb eines Unternehmens stünden, um sie vor missbräuchlichen Organisationsformen zu schützen. Da sich auch die Arbeitnehmer in Bezug auf ihre kündigungsrechtliche Stellung auf Art. 12 Abs. 1 GG berufen können, stehen sich zwei gleich starke Rechtspositionen gegenüber. Berücksichtigt man vor diesem Hintergrund, dass die Unternehmen die Organisationsentscheidung für den gemeinsamen Betrieb freiwillig getroffen haben, bedeutet die einheitliche Sozialauswahl im gemeinsamen Betrieb gemessen am Maßstab der Unternehmerfreiheit keinen ungerechtfertigten Eingriff. Trotz der Kritik ist also an einer einheitlichen Sozialauswahl im gemeinsamen Betrieb festzuhalten. d) Lösungsmöglichkeiten und Grenzen der Sozialauswahl Damit stellt sich jedoch die Frage, wie die praktische Durchführung der einheitlichen Sozialauswahl geschehen soll und ob es Grenzen für diese gibt. Dabei ist auf Grundlage der Rechtsprechung des BAG davon auszugehen, dass die Unternehmen aufgrund der Führungsvereinbarung verpflichtet sind, die sich aus der Anwendung des KSchG ergebenden Folgen zu tragen und insoweit ihr Personal einheitlich zu behandeln.121 aa) Vertragliche Umsetzung und deren Kosten Da der Arbeitnehmer, zu dessen Gunsten zum Zwecke der Sozialauswahl ein anderer Arbeitnehmer im gemeinsamen Betrieb entlassen wird, nicht zu einem anderen Vertragsarbeitgeber wechselt,122 stellt sich die Frage, wie die veränderte Arbeitsplatzsituation umzusetzen ist. Einigkeit besteht insoweit, dass der sozial schutzwürdigere Arbeitnehmer auf einem Arbeitsplatz im Betrieb beschäftigt wird, der nicht seinem Vertragsarbeitgeber zuzuordnen ist.123 Er wird 121

Bram in Bader/Bram/Dörner/Wenzel, KSchG, § 1 Rn 321. BAG AP Nr. 72 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, Bl. 930; Willemsen in W/H/S/S, Umstrukturierung, H Rn 143; Annuß NZA Sonderheft 2001, 12, 23. 123 Bram in Bader/Bram/Dörner/Wenzel, KSchG, § 1 Rn 321 f.; Willemsen in W/ H/S/S, Umstrukturierung, H Rn 143. 122

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insofern im gemeinsamen Betrieb versetzt.124 Willemsen schlägt vor, diesen Vorgang als betriebsinterne Verleihung aufzufassen.125 Demgegenüber schwebt Bram offenbar ein anderes Verständnis vor, da er als Folge der Versetzung eine Verschlechterung der Arbeitbedingungen für möglich hält.126 Gegen die Sichtweise Brams ist jedoch anzuführen, dass es gerade nicht zu einem Wechsel der Arbeitsvertragsparteien und damit auch nicht zu einer Änderungen der Vertragsbedingungen kommt. Denn das Arbeitsverhältnis ist nicht mit dem Arbeitsplatz gleichzusetzen. Allein der in dem Arbeitsplatz zusammengefasste Beschäftigungsbedarf ist bei dem kündigenden Unternehmen entfallen, nicht jedoch der Arbeitsvertrag. Dieser kann nur durch eine Kündigung beendet werden, welche aber aufgrund der Sozialauswahl gerade nicht ausgesprochen werden konnte. Akzeptiert man diese Prämisse als Ausgangspunkt, so wird der sozial schutzwürdigere Arbeitnehmer zwar auf einem Arbeitsplatz eines anderen Unternehmens beschäftigt, steht zu diesem jedoch in keiner Vertragsbeziehung. Diese Situation entspricht derjenigen bei der Arbeitnehmerüberlassung. Der Arbeitnehmer ist bei seinem bisherigen Vertragsarbeitgeber angestellt und dieser verleiht ihn an das andere am gemeinsamen Betrieb beteiligte Unternehmen. Auf diese Weise ist es dem Unternehmen möglich, seinen durch die Entlassung des eigenen Mitarbeiters entstandenen Beschäftigungsbedarf zu decken. Das Weisungsrecht steht weiter unverändert dem einheitlichen betrieblichen Leitungsapparat zu. Das AÜG verhindert eine solche Lösung nicht, da es auf die Verleihung innerhalb eines Betriebes nicht anzuwenden ist.127 Für die Arbeitnehmerüberlassung ist charakteristisch, dass der Verleiher dem Entleiher seine Weisungsbefugnisse über die zu entleihenden Arbeitnehmer überträgt. Diese Leiharbeitnehmer unterwerfen sich dem Direktionsrecht des Entleihers und werden in der Regel vollständig in dessen Betrieb eingegliedert und dort wie eigene Arbeitnehmer eingesetzt.128 Für die Dauer der Überlassung müsste demnach nur mehr der Entleiher und nicht mehr der Verleiher weisungsbefugt sein.129 Die Weisungsbefugnis der Vertragsparteien schließt sich bei der Arbeitnehmerüberlassung also gegenseitig aus. Auch wäre erforderlich, dass der Entleiher über eine eigenständige Betriebsorganisation verfügt, in welche die entliehenen Arbeitnehmer eingebracht werden.130 An einer solchen eigenständigen Organisation fehlt es jedoch, wenn ein gemeinsamer Betrieb vorliegt.131 124 Bram in Bader/Bram/Dörner/Wenzel, KSchG, § 1 Rn 321a; Willemsen in W/H/ S/S, Umstrukturierung, H Rn 143. 125 Willemsen in W/H/S/S, Umstrukturierung, H Rn 143. 126 Bram in Bader/Bram/Dörner/Wenzel, KSchG, § 1 Rn 321a. 127 Willemsen in W/H/S/S, Umstrukturierung, H Rn 143 in FN 239. 128 BAG NZA 1998, 876, 877; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 84; vgl. ErfKOEisemann, § 7 BetrVG Rn 6; Schüren in Schüren, AÜG, Einleitung Rn 260; Junker, Grundkurs AR, Rn 116. 129 Vgl. Walker AcP 194 (1994), 295, 297. 130 Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 84.

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Ein weiterer Vorteil dieser Lösung ist, dass die Frage, wer die Bezahlung des Arbeitnehmers zu übernehmen hat, geklärt wird. Da der Arbeitnehmer weiterhin allein zum Verleiher, also seinem alten Arbeitgeber Vertragsbeziehungen unterhält, ist allein dieser verpflichtet, ihm seine bisherige Vergütung weiter zu bezahlen. Da jedoch der entliehene Arbeitnehmer auf einem Arbeitsplatz, der dem Entleiher zuzuordnen ist, tätig wird, ist dieser verpflichtet, dem Verleiher entsprechend zu entlohnen. Dies ergibt sich als Folge der in der Führungsvereinbarung enthaltenen Absprache, die für die Umsetzung der betrieblichen Verhältnisse erforderlichen personellen Einzelmaßnahmen durchzuführen, insbesondere die Folgen einer einheitlichen Sozialauswahl zu tragen.132 Wenn die Unternehmen vereinbaren, einen gemeinsamen Betrieb zu führen, enthält dies konkludent die Vereinbarung, die finanziellen Folgen der gemeinsamen Sozialauswahl entsprechend der arbeitsvertraglichen Zuordnung auszugleichen. Auf diese Weise kann das Unternehmen, welches seinen Beschäftigungsbedarf verringern wollte, sein wirtschaftliches Ziel, Personalkosten zu sparen, im Ergebnis erreichen, obwohl die Sozialauswahl zugunsten des Arbeitnehmers ausgefallen ist. Dadurch wird der Kritik von Annuß133 zumindest in Bezug auf die wirtschaftlichen Konsequenzen Rechung getragen. Jedoch ist die Zahlungspflicht des Entleihers auf die Vergütung zu begrenzen, welche der sozial weniger schutzbedürftige Arbeitnehmer erhielt. Da die Leihe letztlich auf der unternehmerischen Entscheidung allein eines Unternehmens beruht, welches einen Beschäftigungsbedarf reduzieren wollte, kann dies nicht zu einer Mehrbelastung des anderen Unternehmens führen. Dies ergibt sich bereits aus der gesellschaftlichen Treuepflicht der an der Führungsvereinbarung beteiligten Unternehmen. bb) Prozessuale Probleme Ebenfalls problematisch ist in diesem Zusammenhang die prozessuale Durchsetzung des Kündigungsschutzes. Anders als im arbeitsrechtlichen Beschlussverfahren, an dem jedes der am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen beteiligt werden muss, wenn es durch die Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen oder mitbestimmungsrechtlichen Rechtsstellung unmittelbar materiell betroffen wird,134 ist im Kündigungsschutzprozess nur der Vertragsarbeitgeber passiv legitimiert. Die durch die Führungsvereinbarung gebildete BGB-Gesellschaft ist als Innengesellschaft nicht selbst parteifähig135 und wird 131 132 133 134

BAG NZA 1998, 876, 877; Trümner in D/K/K, BetrVG, § 1 Rn 171. Vgl. BAG AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969, Bl. 1486 Rs. NZA Sonderheft 2001, 12, 23. BAG NZA 1987, 708; NZA 1999, 947; Hauck in Hauck/Helml, ArbGG, § 83

Rn 9. 135 Vgl. Stürner in Jauernig, BGB, § 705 Rn 1; Habermeier in Staudinger, BGB, Vorbem zu §§ 705–740 Rn 16.

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zudem nicht Arbeitgeber der im gemeinsamen Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer. Da auch der errichtete einheitliche betriebliche Leitungsapparat die Kündigung nur als Vertreter des Vertragsarbeitgebers ausspricht,136 kommt eine Beteiligung der übrigen am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen nicht in Betracht. Unterstellt man, dass es dem Arbeitnehmer gelungen ist, die Existenz eines gemeinsamen Betriebes und die fehlerhafte Sozialauswahl zu beweisen, so bleibt die Frage, wie er seine Rechtsposition gegenüber den übrigen Unternehmen durchsetzen kann. In der Rechtsprechung des BAG finden sich nur spärliche Hinweise darauf, dass die Durchführung der gemeinsamen Sozialauswahl durch die Führungsvereinbarung rechtlich abgesichert wird.137 Da die Führungsvereinbarung als Vertag über eine BGB-Innengesellschaft jedoch nur zwischen den am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen besteht, kann der Arbeitnehmer selbst hieraus keine Rechte herleiten. Die verfügbaren Stellungnahmen in der Literatur sind sich dahingehend einig, dass es nicht zu Lasten des Arbeitnehmers gehen darf, wenn sein Vertragsarbeitgeber die einheitliche Sozialauswahl rechtlich oder tatsächlich nicht durchsetzen kann.138 Diesem Ausgangspunkt ist zuzustimmen, da alle am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen sich an ihrer Entscheidung, einen Betrieb im Sinne des KSchG zu gründen und zu führen, festhalten lassen müssen. Es ist nicht angängig, dass die Unternehmen die Vorteile einer solchen Organisation für sich in Anspruch nehmen, ohne die kündigungsschutzrechtlichen Konsequenzen zu tragen. Ungeklärt ist die Frage, wie dies praktisch umzusetzen ist. Nach Berkowsky kommt es für die Unwirksamkeit der Kündigung daher nicht auf die rechtliche und tatsächliche Durchsetzbarkeit der Sozialauswahl an.139 Sollte durch die erfolgreiche Kündigungsschutzklage ein personeller Überhang entstehen, sollen die am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen gemeinsam für die dadurch hervorgerufenen Kosten haften.140 An dieser Lösung überzeugt, dass die Rechtsposition des Arbeitnehmers weitestgehend geschützt wird und er genauso wie der Arbeitnehmer im Betrieb eines Unternehmens lediglich einen Kündigungsschutzprozess gegen seinen Vertragsarbeitgeber führen muss. Der andere mögliche Weg, die gerichtliche Durchsetzung der einheitlichen Sozialauswahl dem Arbeitnehmer und nicht seinem Arbeitgeber aufzuerlegen, würde eine nicht zu rechtfertigende Benachteiligung für die in einem gemeinsamen Betrieb Beschäftigten bedeuten. Da die Verpflichtung zur einheitlichen So136

Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 197. Vgl. BAG AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969, Bl. 1483 Rs. f., Bl. 1486 Rs. 138 Berkowsky in Münchener Handbuch AR, § 139 Rn 85; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 235 in Fn 476, S. 247. 139 Berkowsky in Münchener Handbuch AR, § 139 Rn 85; im Ergebnis ebenso Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 197. 140 Berkowsky in Münchener Handbuch AR, § 139 Rn 85. 137

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zialauswahl aus der Führungsvereinbarung resultiert, ist es nur konsequent, wenn allein die Parteien dieser Vereinbarung die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten gerichtlich durchzusetzen haben.141

C. Die Stellung des Betriebsrates Der Betriebsrat ist im Kündigungsschutzrecht vor allem wegen der Pflicht zur Betriebsratsanhörung von Bedeutung. Hört der Arbeitgeber den Betriebsrat nicht oder unvollständig oder anderweitig fehlerhaft an, so ist die Kündigung gem. § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG unwirksam.142 Zuständig für die Anhörung ist der im gemeinsamen Betrieb gewählte Betriebsrat.143 Daneben bereitet auch die Anwendung des Sonderkündigungsschutzes gem. § 15 Abs. 4 und 5 KSchG im gemeinsamen Betrieb Probleme. Nach der Rechtsprechung des BAG ist der gemeinsame Betrieb auch für den besonderen Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 4 und 5 KSchG maßgeblich.144 Dies ergibt sich bereits aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift, die Funktionsfähigkeit der Organe der Betriebsverfassung aufrechtzuerhalten.145 Da insoweit der gemeinsame Betrieb die Organisationseinheit bildet, in welcher der Betriebsrat agiert, muss er auch in diesem Organisationsrahmen geschützt werden.146 I. Stilllegung des gesamten Betriebes, § 15 Abs. 4 KSchG Nach § 15 Abs. 4 KSchG ist eine ordentliche Kündigung der nach § 15 Abs. 1 bis 3 KSchG geschützten Personen dann möglich, wenn der Betrieb stillgelegt wird.147 Da der insoweit maßgebliche Betrieb der gemeinsame Betrieb 141 Im Ergebnis ebenso Däubler in FS Zeuner, S. 19, 36, der davon ausgeht, dass die drohenden gerichtlichen Sanktionen das im Kündigungsschutzprozess unterlegene Unternehmen zu einer Einwirkung auf das andere Unternehmen veranlassen. 142 BAG AP Nr. 58 zu § 102 BetrVG 1972, Bl. 162; AP Nr. 62 zu § 102 BetrVG 1972, Bl. 974 Rs.; KR-Etzel, § 102 BetrVG Rn 106 ff.; Kittner in KSchR, § 102 BetrVG Rn 282 ff.; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 251. 143 BAG v. 7.11.1990, 2 AZR 225/90 (n. v.), unter II.2.b); Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 251. 144 BAGE 55, 117, 129; v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG § 15 Rn 168; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 249; Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 197. 145 Dörner in Bader/Bram/Dörner/Wenzel, KSchG, § 15 Rn 2; KR-Etzel, § 15 KSchG Rn 10. 146 Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 249; Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 197. 147 Zum Begriff der Stilllegung vgl. Dörner in Bader/Bram/Dörner/Wenzel, KSchG § 15 Rn 72 f.; Kittner in KSchR, § 15 Rn 61 ff. Eine Stilllegung scheidet aus, wenn es zu einem Betriebsübergang gem. § 613a BGB kommt, Dörner in Bader/Bram/Dörner/Wenzel, KSchG § 15 Rn 71; Kittner in KSchR, § 15 Rn 64. Zum Betriebsübergang im gemeinsamen Betrieb vgl. unten, § 23 B.

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ist, muss der gesamte gemeinsame Betrieb stillgelegt werden.148 Bonanni will auch in der Auflösung des gemeinsamen Betriebes einen Fall der Betriebstilllegung sehen.149 Dies kann nicht überzeugen, da die bloße Auflösung des gemeinsamen Betriebes als Betriebspaltung einzuordnen ist. Eine Fortsetzung der nunmehr wieder selbständigen Betriebe ist ohne weiteres möglich. Die von Bonanni zur Stützung ihrer Ansicht herangezogen Rechtsprechung des BAG bestätigt diese gerade nicht.150 Vielmehr geht das BAG in der zitierten Entscheidung ausdrücklich davon aus, dass die Auflösung des gemeinsamen Betriebes die Anwendbarkeit des § 15 Abs. 5 entfallen lasse.151 Das BAG setzt damit voraus, dass die nach der Auflösung erfolgte Stilllegung der ausschließlich einem Unternehmen zuzuordnenden Betriebsorganisationen allenfalls als Stilllegung einer Betriebsabteilung gem. § 15 Abs. 5 KSchG zu sehen wäre. Dementsprechend spielt § 15 Abs. 4 KSchG bei der bloßen Auflösung des gemeinsamen Betriebes keine Rolle. II. Stilllegung einer Betriebsabteilung, § 15 Abs. 5 KSchG Anders ist der praktische Anwendungsbereich des § 15 Abs. 5 KSchG zu beurteilen. Bestehen in einem gemeinsamen Betrieb mehrere Betriebsabteilungen, so ist § 15 Abs. 5 KSchG auf den gemeinsamen Betrieb anzuwenden.152 Eine Betriebsabteilung im Sinne des § 15 Abs. 5 KSchG setzt einen räumlich und organisatorisch abgegrenzten Teil des Betriebes voraus, dem eigene Betriebsmittel zur Verfügung stehen und der eigene Betriebszwecke verfolgt.153 Da der gemeinsame Betrieb keinen einheitlichen Betriebszweck der beteiligten Unternehmen verlangt,154 ist auch denkbar, dass die von den einzelnen Unternehmen eingebrachte Organisationen jeweils Abteilungen des gemeinsamen Betriebes bilden. Wird nun eine Betriebsabteilung im vorstehenden Sinne stillgelegt, ist das Betriebsratsmitglied in eine andere Betriebsabteilung zu übernehmen. Besteht dort kein freier Arbeitsplatz, ist ein entsprechender Arbeitsplatz nach der Rechtsprechung des BAG freizukündigen.155 Nach dem vorstehend zur Weiter148

Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 198. Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 250. 150 BAGE 55, 117. 151 BAGE 55, 117, 133. 152 BAGE 55, 117, 129; v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 15 Rn 168; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 250. 153 BAGE 55, 117, 133 f.; BAG AP Nr. 47 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, Bl. 577 Rs.; Dörner in Bader/Bram/Dörner/Wenzel, KSchG § 15 Rn 95; Kittner in KSchR, § 15 Rn 76. 154 Vgl. BAG AP Nr. 1 zu § 1 BetrVG 1972, Bl. 150 Rs.; AP Nr. 3 zu § 4 BetrVG 1972, Bl. 981; AP Nr. 4 zu § 23 KSchG 1969, Bl. 925 Rs.; AP Nr. 9 zu § 1 BetrVG 1972, Bl. 707 Rs.; Richardi in Richardi, BetrVG, § 1 Rn 24; Joost, Betrieb und Unternehmen, S. 16. 149

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beschäftigung Gesagten gilt dies auch dann, wenn ein freier Arbeitplatz nur in einer Betriebsabteilung verfügbar ist, die ausschließlich einem anderen Unternehmen als dem Vertragsarbeitgeber des Betriebsratsmitgliedes zuzuordnen ist.156 Das andere Unternehmen ist gegebenenfalls auch zur Kündigung eines eigenen Arbeitnehmers und zur Übernahme des Betriebsratsmitgliedes verpflichtet.157 Die gegenteilige Sicht von Bonanni vermag nicht zu überzeugen. Nach § 15 Abs. 5 S. 1 KSchG ist das Betriebsratsmitglied in eine andere Betriebsabteilung zu übernehmen. Da der Betrieb im Sinne dieser Vorschrift der gesamte gemeinsame Betrieb ist, kann die unterschiedliche arbeitsvertragliche Zuordnung keine Rolle spielen. Erst recht begründet sie keinen betrieblichen Grund, welcher der Übernahme gem. § 15 Abs. 5 S. 2 KSchG entgegenstünde. Zuzugeben ist Bonanni jedoch, dass der Fall einer Freikündigung und Übernahme durch ein anderes Unternehmen als den Vertragsarbeitgeber kaum praktisch werden dürfte. Das Betriebsratsmitglied muss auf einen gleichwertigen, das bedeutet vor allem gleich entlohnten Arbeitsplatz, übernommen werden.158 Steht ein solcher nicht zur Verfügung, so muss der Arbeitgeber einen geringerwertigen Arbeitsplatz anbieten und gegebenenfalls eine Änderungskündigung aussprechen.159 Überträgt man diese Vorgaben auf den gemeinsamen Betrieb, so ist anzunehmen, dass der Vertragsarbeitgeber i. d. R. einen gleichwertigen ihm zuzuordnenden Arbeitsplatz im gemeinsamen Betrieb zur Verfügung hat. Aus der gesellschaftlichen Treuepflicht innerhalb der BGB-Innengesellschaft ergibt sich, dass der Vertragsarbeitgeber in erster Linie verpflichtet ist, einen eigenen Arbeitnehmer freizukündigen um das Betriebsratsmitglied zu übernehmen. Da § 15 Abs. 5 die Funktionsfähigkeit des Betriebsrates nur im kollektiven Interesse der Belegschaft und nicht im persönlichen Interesse der Betriebsratsmitglieder schützt,160 ist kein Vorrang der Freikündigung eines Arbeitsplatzes bei einem anderem Unternehmen vor der Übernahme auf einen geringerwertigen Arbeitsplatz beim eigenen Vertragsarbeitgeber anzuerkennen. Die Grenze ist also erst dann erreicht, wenn der Vertragsarbeitgeber das Betriebsratsmitglied nur auf einen Arbeitsplatz außerhalb des Unternehmens übernehmen kann, da 155 BAG RdA 2002, 52, 53; KR-Etzel, § 15 KSchG Rn 126; Kittner in KSchR, § 15 KSchG Rn 77; v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 15 Rn 170a; Krause RdA 2002, 56, 57 f.; a. A. Linck in APS, § 15 KSchG Rn 172; Dörner in Bader/Bram/Dörner/Wenzel, KSchG, § 15 Rn 99; ErfKO-Ascheid, § 15 KSchG Rn 45a; Schleusener DB 1998, 2368; 2370. 156 Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 198. 157 BAG RdA 2002, 52, 56; Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 198; a. A. Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 250. 158 ErfKO-Ascheid, § 15 KSchG Rn 45a; Kittner in KSchR, § 15 KSchG Rn 77; v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 15 Rn 170. 159 BAG AP Nr. 44 zu § 15 KSchG 1969, Bl. 1251 Rs.; Dörner in Bader/Bram/ Dörner/Wenzel, KSchG, § 15 Rn 97. 160 BAGE 8, 207, 212 f.; ErfKO-Ascheid, § 15 KSchG Rn 2; KR-Etzel, § 15 KSchG Rn 149; v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 15 Rn 1a.

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in diesem Fall das Betriebsratsamt mit dem Ausscheiden aus dem gemeinsamen Betrieb enden würde.161 Eine Übernahme auf einen Arbeitsplatz eines anderen Unternehmens kommt daher nur in Betracht, wenn dem Arbeitgeber kein gleichwertiger oder geringerwertiger Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Dies ist aber nur dann denkbar, wenn der Vertragsarbeitgeber seine betrieblichen Aktivitäten im gemeinsamen Betrieb insgesamt eingestellt hat und dort keine Arbeitsplätze mehr bereitstellt. In diesem Fall wird der gemeinsame Betrieb jedoch nach der Rechtsprechung des BAG aufgelöst, so dass der Anwendungsbereich des § 15 KSchG sich nicht mehr auf den gemeinsamen Betrieb erstrecken kann.162

D. Anzeigepflicht nach § 17 KSchG Schließlich ist der gemeinsame Betrieb auch für die Anzeigepflicht bei Massenentlassungen nach § 17 KSchG die maßgebliche Organisationseinheit, da auch diese Norm auf die Anzahl der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer abstellt.163 In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ab welchem Zeitpunkt der gemeinsame Betrieb nach Maßgabe des § 17 KSchG aufgelöst ist, also ab wann wieder die einzelnen Betriebe der beteiligten Unternehmen die maßgebliche Organisationseinheit bilden. Zunächst ist festzuhalten, dass § 17 KSchG nicht nur dem Individualschutz dient, sondern auch die Absicherung der Beteiligung des Betriebsrats und arbeitsmarktpolitische Zielsetzungen verfolgt. Da nach der hier vertretenen Ansicht jedoch im Betriebsverfassungs- und Kündigungsschutzrecht die gleichen Anforderungen an einen gemeinsamen Betrieb zu stellen sind,164 richtet sich der Auflösungszeitpunkt dessen ungeachtet nach den allgemeinen Grundsätzen.165 Hier zeigt sich erneut, dass die Vorverlagerung des Auflösungszeitpunktes durch manche Landesarbeitsgerichte nicht überzeugen kann.166 Soweit man es nämlich bereits ausreichen lässt, dass die Spaltung des gemeinsamen Betriebes greifbare Formen angenommen hat, so wird der betriebsverfassungsrechtliche und der arbeitsmarktpolitische Zweck des § 17 KSchG unterlaufen. Denn das Bedürfnis der Arbeitsagentur, sich im Voraus auf die große Zahl von Arbeitssu161 Vgl. Dörner in Bram/Dörner/Wenzel, KSchG, § 15 Rn 103; v. HoyningenHuene/Linck, KSchG § 15 Rn 171. 162 BAGE 55, 117, 135; Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 198. 163 ErfKO-Ascheid, § 17 KSchG Rn 8; Kittner in KSchR, § 17 KSchG Rn 5; Däubler in FS Zeuner, S. 19, 36; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 251. 164 Vgl. dazu oben § 8. 165 Vgl. dazu oben § 13. 166 Vgl. dazu oben § 13 C.I.2. und unten § 22 A.III.

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chenden einzustellen, besteht unabhängig vom Erfordernis einer gemeinsamen Sozialauswahl. Vor allem würden aber dem Betriebsrat die Rechte des § 17 KSchG entzogen, ohne dass zuvor das Interessenausgleichsverfahren gem. §§ 111 ff. BetrVG durchgeführt wurde.167

§ 20 Kündigungsschutz in der Insolvenz Da die Eröffnung des Insolvenzverfahrens keinen Einfluss auf den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses hat,168 muss der Insolvenzverwalter im Falle einer beabsichtigten Personalreduzierung betriebsbedingte Kündigungen aussprechen oder Aufhebungsverträge abschließen. Auf der Grundlage der soeben für den Kündigungsschutz im gemeinsamen Betrieb geltenden Besonderheiten soll nun der Kündigungsschutz im gemeinsamen Betrieb in der Insolvenz erläutert werden. Dabei will und kann die vorliegende Untersuchung keine umfassende Darstellung der Probleme des Kündigungsschutzes in der Insolvenz leisten. Es geht vielmehr darum, die Auswirkungen der Arbeitgeberinsolvenz auf den Kündigungsschutz im gemeinsamen Betrieb nach Maßgabe der im dritten Kapitel herausgearbeiteten beiden Grundmodelle zu untersuchen. Dabei wird es eher um die Anwendbarkeit einzelner Normen der Insolvenzordnung gehen als um die Schwierigkeiten ihrer Anwendung, welche auch außerhalb des gemeinsamen Betriebes bestehen.

A. Grundgedanke des Insolvenzarbeitsrechts Das so genannte Insolvenzarbeitsrecht beabsichtigt einen Ausgleich zwischen den Schutzinteressen der Arbeitnehmer und dem Interesse der übrigen Gläubiger an einer umfassenden Haftungsverwirklichung.169 Dabei besteht kein besonderes Insolvenzarbeitsrecht im Sinne eines eigenständigen Rechtsgebietes.170 Vielmehr hat der Insolvenzverwalter das allgemeine Arbeitsrecht zu beachten und ist an die bestehende arbeitsrechtliche Rechtslage gebunden, soweit die InsO nicht ausdrücklich abweichende Regelungen trifft.171 Vorbehaltlich abwei167

Soweit dieses erforderlich ist. Vgl. oben § 14 D.I. und II. Wolf in Braun, InsO, § 113 Rn 5; Depré/Heck in Beck/Depré, Insolvenzpraxis, § 19 Rn 104; Regh in Steindorf/Regh, Mandatshandbuch, § 3 Rn 71; kritisch Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn 23.08, der einen Verstoß gegen das Prinzip der Gläubigergleichbehandlung sieht, da die Arbeitsverhältnisse unabhängig von ihrem Nutzen für die Masse fortbestehen. Der notwendige sozialpolitische Schutz der Arbeitnehmer dürfe aber nicht zur Lasten der Insolvenzgläubiger führen, sondern müsse allein mit öffentlichen Mitteln bewerkstelligt werden. 169 Vgl. Löwisch/Caspers in MünchKomm InsO, vor §§ 113 bis 128 Rn 1; Depré/ Heck in Beck/Depré, Insolvenzpraxis, § 19 Rn 6. 170 Hamacher in Nerlich/Römermann, InsO. vor § 113 Rn 5; Löwisch/Caspers in MünchKomm InsO, vor §§ 113 bis 128 Rn 2. 168

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chender Regelungen hat der Insolvenzverwalter also alle einschlägigen Kündigungs- und Kündigungsschutzvorschriften zu beachten.172 Insoweit bleibt es also grundsätzlich bei der vorstehend dargestellten Rechtslage.

B. Anwendungsvoraussetzungen der besonderen arbeitsrechtlichen Bestimmungen der InsO Im Bereich des Kündigungs- und Kündigungsschutzrechtes enthält die InsO jedoch in den §§ 113, 125 bis 127 InsO einige Sonderregelungen. Diese Vorschriften sind jedoch nur im eröffneten Insolvenzverfahren anzuwenden, was sich bereits aus der systematischen Stellung im ersten Abschnitt des dritten Teiles der InsO „Wirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens“ ergibt.173 Darüber hinaus setzen die §§ 113, 125 bis 127 InsO schon ihrem Wortlaut nach Maßnahmen des Insolvenzverwalters voraus. Dieser ist aber wie erläutert174 nur für das insolvente Unternehmen zuständig, da seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf die Insolvenzmasse beschränkt ist. Das Insolvenzarbeitsrecht gilt daher grundsätzlich nur für das insolvente Unternehmen und nicht für die übrigen am gemeinsamen Betrieb beteiligten Rechtsträger.

C. Inhalt der kündigungsrechtlichen Regelungen der Insolvenzordnung Den kündigungsrelevanten Regelungen der InsO ist gemeinsam, dass eine gewisse Beschleunigung der Abläufe gegenüber dem allgemeinen Arbeitsrecht beabsichtigt ist.175 Der vom Gesetzgeber vorgesehene Ausgleich zwischen den Schutzinteressen der Arbeitnehmer und dem Interesse der Gläubiger an der Vermehrung der Masse erfolgt also durch eine Beibehaltung des allgemeinen arbeitsrechtlichen Schutzniveaus, welches aber mit einer Beschleunigung der Abläufe verbunden wird. Insbesondere nach der Rücknahme des Beschäftigungsförderungsgesetzes vom 25.9.1996176 durch das sog. Korrekturgesetz vom 19.12.1998177 wurden aufgrund der Beschleunigungswirkung des Insolvenz171 Dörner in APS, Vor § 113 InsO Rn 2; Hamacher in Nerlich/Römermann, InsO vor § 113 Rn 5, 16; Regh in Steindorf/Regh, Mandatshandbuch, § 3 Rn 1. 172 BAG NJW 1983, 1341; Annuß in ArbRKo, § 113 InsO Rn 2; Hamacher in Nerlich/Römermann, InsO, § 113 Rn 31; Berscheid in Uhlenbruck, InsO, Vor § 113 Rn 3. 173 Löwisch/Caspers in MünchKomm InsO, vor §§ 113 bis 128 Rn 11; vgl. Annuß in ArbRKo, § 113 InsO Rn 2; ErfKO-Müller-Glöge, § 113 InsO Rn 8. 174 Vgl. oben § 14 D.IV. 175 Löwisch/Caspers in MünchKomm InsO, vor §§ 113 bis 128 Rn 4 f.; Depré/ Heck in Beck/Depré, Insolvenzpraxis, § 19 Rn 4 f. 176 BGBl. I S. 1476. 177 BGBl. I S. 3843.

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arbeitsrechts Wettbewerbsvorteile für insolvente Unternehmen befürchtet.178 Durch das am 1.1.2004 in Kraft getretene Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt179 wurden die Unterschiede zwischen dem allgemeinen und dem Insolvenzarbeitsrecht jedoch weitestgehend wieder beseitigt. Im Folgenden sollen daher die Besonderheiten gegenüber dem KSchG nur kurz dargestellt werden. I. Kündigung von Dienstverhältnissen, § 113 InsO Die Regelung der Kündigung von Dienstverhältnissen erfasst alle Dienst- und Arbeitsverhältnisse, bei denen der Insolvenzschuldner Dienstberechtigter ist.180 Sie gilt darüber hinaus für alle Arten der ordentlichen Kündigung.181 Der Norm sind zwei voneinander zu trennende Grundaussagen zu entnehmen. Zunächst einmal räumt § 113 S. 1 InsO dem Insolvenzverwalter ein gesetzliches Recht zur ordentlichen Kündigung von Dienstverhältnissen ein.182 Dieses Kündigungsrecht, welches jedoch keinen eigenständigen Kündigungsgrund bildet,183 setzt sich gegenüber sämtlichen vereinbarten Kündigungsbeschränkungen und Befristungen durch, unabhängig davon, ob sie individualvertraglich oder in einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag niedergelegt sind.184 Nicht erfasst sind jedoch gesetzliche Kündigungsverbote, wie sie etwa in § 15 KSchG oder § 9 MuSchG, § 18 BErzGG und § 85 SGB IX geregelt sind.185 Zum anderen bestimmt § 113 S. 2 InsO eine gesetzliche Kündigungshöchstfrist. 1. Kündigungsfrist in der Insolvenz Ist das Dienstverhältnis somit nach § 113 S. 1 InsO kündbar, trägt § 113 S. 2 InsO dem Beschleunigungsgedanken des Insolvenzarbeitsrechtes Rechnung. Die Norm sieht eine gesetzliche Höchstkündigungsfrist von drei Monaten zum Mo178

So insbesondere Heinze NZA 1999, 57, 58. Gesetz vom 24.12.2003, BGBl. I S. 3002. 180 Annuß in ArbRKo, § 113 InsO Rn 3; Löwisch/Caspers in MünchKomm InsO, § 113 Rn 6; Berscheid in Uhlenbruck, InsO, § 113 Rn 5. 181 Irschlinger in HK-InsO, § 113 Rn 13; Hamacher in Nerlich/Römermann, InsO, § 113 Rn 33; Zwanziger, AR der InsO, § 113 Rn 3. 182 Annuß in ArbRKo, § 113 InsO Rn 6; Löwisch/Caspers in MünchKomm InsO, § 113 Rn 17; Berscheid in Uhlenbruck, InsO, § 113 Rn 2. 183 Wolf in Braun, InsO, § 113 Rn 8; Berscheid in Uhlenbruck, InsO, § 113 Rn 2. 184 Annuß in ArbRKo, § 113 InsO Rn 7; Löwisch/Caspers in MünchKomm InsO, § 113 Rn 18. Soweit bezüglich der Verdrängung der tariflichen Regelungen eine Verletzung der Tarifautonomie angenommen wird, Däubler in KSchR, § 113 InsO Rn 29 f., sind diese vom BAG in NZA 1999, 1331 und vom BVerfG in NZA 1999, 597 verworfen worden. 185 Dörner in APS, § 113 InsO Rn 4; Löwisch/Caspers in MünchKomm InsO, § 113 Rn 20 f.; ausführlich Berscheid in Uhlenbruck, InsO, § 113 Rn 43 ff. 179

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natsende vor. Gesetzliche, tarifvertraglich oder einzelvertraglich vereinbarte Kündigungsfristen sind nur maßgeblich, wenn sie kürzer als die Dreimonatsfrist sind.186 Umstritten ist, welche Kündigungsfrist für befristete oder ordentlich unkündbare Arbeitsverhältnisse maßgeblich ist. Das BAG steht dabei auf dem Standpunkt, dass im Falle einer mehr als drei Monate dauernden Befristung oder der ordentlichen Unkündbarkeit die Kündigungsfrist des § 113 S. 2 InsO maßgeblich sein soll.187 Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass die Unkündbarkeit der Vereinbarung einer unendlich langen Kündigungsfrist und die Befristung der Vereinbarung einer Kündigungsfrist über die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses gleichsteht.188 Die Gegenansicht beruft sich demgegenüber darauf, dass die Vereinbarung einer Kündigungsfrist bzw. der ordentlichen Unkündbarkeit unterschiedliche Zwecke verfolgen.189 Während die Unkündbarkeit den Arbeitsplatz erhalten solle, gewährt die Kündigungsfrist dem Arbeitnehmer die notwendige Zeit, sich auf die mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verbundenen Veränderungen einzustellen.190 Muss der an sich unkündbare Arbeitnehmer jedoch aufgrund der Vorschrift des § 113 S. 1 InsO mit einer Kündigung rechnen, so sei er nicht schutzbedürftiger als ein ohnehin kündbarer Arbeitnehmer, dessen Schutz durch die gesetzliche Kündigungsfrist bestimmt sei. Diesem Ansatzpunkt ist zwar grundsätzlich zuzustimmen, jedoch ist ein unkündbarer oder befristet beschäftigter Arbeitnehmer in einem höherem Maße schutzbedürftig, was die zeitliche Dauer seines Arbeitsverhältnisses betrifft. Da der Arbeitnehmer die wirtschaftliche Lage seines Arbeitgebers nur bedingt überschauen kann, darf er in der Regel trotz des ihm zuzuweisenden Insolvenzrisikos in der Regel auf eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Befristung bzw. bis zum Eintritt ins Rentenalter vertrauen. Dieses Vertrauen rechtfertigt es, mit dem BAG von einer dreimonatigen Kündigungsfrist auszugehen. 2. Sonstige Rechtsfolgen einer Kündigung in der Insolvenz Macht der Insolvenzverwalter von der Möglichkeit einer vorzeitigen Kündigung des Arbeitsverhältnisses Gebrauch, so kann der Arbeitnehmer nach § 113 186 Dörner APS, § 113 InsO Rn 6; Annuß in ArbRKo, § 113 InsO Rn 8; Wolf in Braun, InsO, § 113 Rn 13; Löwisch/Caspers in MünchKomm InsO, § 113 Rn 24 f. 187 BAG NZA 2001, 23; ebenso LAG Düsseldorf BB 2000, 622; LAG Hamm ZInsO 2000, 407; Dörner in APS, § 113 InsO, Rn 8; Hamacher in Nerlich/Römermann, InsO, § 113 Rn 96. 188 Vgl. Dörner in APS, § 113 InsO, Rn 8; Hamacher in Nerlich/Römermann, InsO, § 113 Rn 96. 189 Löwisch/Caspers in MünchKomm InsO, § 113 Rn 26; Berscheid in Uhlenbruck, InsO, § 113 Rn 100. 190 Löwisch/Caspers in MünchKomm InsO, § 113 Rn 26; Berscheid in Uhlenbruck, InsO, § 113 Rn 100.

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S. 3 InsO Ersatz des sog. Verfrühungsschadens verlangen.191 Der Schadensersatzanspruch hat den Rang einer einfachen Insolvenzforderung. § 113 Abs. 2 InsO a. F. sah vor, dass die dreiwöchige Klagefrist des § 4 KSchG a. F. für die Geltendmachung sämtlicher Unwirksamkeitsgründe auch außerhalb des KSchG gilt.192 Durch das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt ist nun § 4 KSchG dahingehend geändert, dass die dreiwöchige Klagefrist für sämtliche Rechtsunwirksamkeitsgründe einer Arbeitgeberkündigung193 gilt und zwar gem. § 23 Abs. 1 S. 2 KSchG unabhängig von der Geltung des KSchG.194 Dementsprechend wurde § 113 Abs. 2 InsO a. F. ohne Änderung der Rechtslage aufgehoben.195 II. Interessenausgleich mit Namensliste, § 125 InsO Nach der erneuten Einführung des § 1 Abs. 5 KSchG mit Wirkung zum 1.1.2004 durch das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt196 unterscheidet sich die Rechtslage im Rahmen der Insolvenz nicht mehr wesentlich vom allgemeinen Arbeitsrecht.197 Hervorzuheben ist allein, dass die Sozialauswahl bei einem Interessenausgleich nach § 125 InsO nur in Bezug auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter und die Unterhaltspflichten überprüft wird, während nach § 1 Abs. 5 S. 2 KSchG i.V. m. § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG auch die Schwerbehinderung zu berücksichtigen ist.198 Ob sich die Vermutung nach § 1 Abs. 5 S. 1 KSchG auch wie § 125 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO auf die fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit erstreckt, ist umstritten.199 Daneben sieht § 125 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO auch vor, dass eine ausgewogene Personalstruktur geschaffen werden kann. Diese Erweiterung gegenüber dem Kündigungsschutzgesetz, welches lediglich die Sicherung einer ausgewogenen Struktur vorsieht, lässt sich mit der in der InsO vorgesehenen Möglichkeit der Gläubigerbefriedigung durch Sanierung begründen. Die Sanierung eines Unter191 Vgl. zu den Einzelheiten der Schadensberechnung Berscheid in Uhlenbruck, InsO, § 113 Rn 107 ff. 192 Vgl. dazu Dörner in APS, § 113 InsO Rn 15 ff. 193 Ausgenommen hiervon sind Verstöße gegen das Schriftformerfordernis des § 623 BGB. 194 Ascheid in APS, § 4 KSchG Rn 2; siehe auch Hanau ZIP 2004, 1169, 1174 ff. zu den Einzelheiten der Neuregelung. 195 Dörner in APS, § 113 InsO, Rn 17a. 196 v. 24.12.2004, BGBl. I S. 3002. 197 Vgl. Dörner in APS, § 125 InsO, Rn 33a; Annuß in ArbRKo, § 125 InsO, Rn 1. 198 Vgl. dazu Boemke NZI 2005, 209, 211 f., der der Praxis zur Vermeidung von Risiken empfiehlt auch in der Insolvenz die Schwerbehinderung zu berücksichtigen, jedoch nicht stärker als die in § 125 InsO genannten Kriterien. 199 Vgl. insoweit Kiel in APS, § 1 KSchG, Rn 785g f.

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nehmens ist oft nur möglich, wenn personelle Fehlentwicklungen der Vergangenheit korrigiert werden, also eine ausgewogene Personalstruktur geschaffen wird.200 Im Übrigen gelten in der Insolvenz keine Besonderheiten. III. Beschlussverfahren zum Kündigungsschutz, § 126 InsO Eine Besonderheit des Insolvenzarbeitsrechtes, welche auch in der KO kein Vorbild hat,201 enthält § 126 InsO. Die Vorschrift ergänzt die Regelung des § 125 InsO. Kommt ein Interessenausgleich nicht zustande oder existiert kein Betriebsrat, so kann der Insolvenzverwalter ein besonderes Beschlussverfahren anstrengen. In dem Beschlussverfahren kann der Insolvenzverwalter einzelne Arbeitnehmer benennen und beantragen festzustellen, dass deren Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt und sozial gerechtfertigt ist. Im Rahmen des Verfahrens wird die soziale Auswahl nur im Hinblick auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter und die Unterhaltspflichten überprüft. 1. Grundsätzlicher Anwendungsbereich der Vorschrift – Verhältnis zu § 125 InsO Unklar ist der Anwendungsbereich der Vorschrift, insbesondere ob eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG vorliegen muss. Dies ist für den gemeinsamen Betrieb von besonderem Interesse, da die Anwendung der §§ 111 ff. BetrVG einige Probleme bereitet.202 Das BAG hat diese Frage bisher nur in seinem Beschluss vom 29.6.2000203 erwähnt. In dieser Entscheidung konnte das Gericht die Streitfrage offen lassen, da das betroffene Unternehmen mehr als die in § 111 BetrVG geforderten 20 Arbeitnehmer beschäftigte.204 a) Meinungsstand Unstreitig ist zunächst, dass der Antrag zulässig ist, wenn eine interessenausgleichspflichtige Betriebsänderung i. S. d. § 111 BetrVG vorliegt, aber eine Eini200 ErfKO-Ascheid, § 125 InsO Rn 6; Berscheid in Uhlenbruck, InsO, § 125 Rn 60. Vgl. zu den Möglichkeiten der Bildung von Altersgruppen im Rahmen der Personalstruktur Berscheid in Uhlenbruck, InsO, § 125 Rn 61 ff. 201 Wolf in Braun, InsO, § 126 Rn 1; Berscheid in Uhlenbruck, InsO, §§ 126, 127 Rn 1. 202 Vgl. dazu Kapitel 5, S. 217 ff. 203 NZA 2000, 1180 ff. 204 BAG NZA 2000, 1180, 1184.

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gung mit dem bestehenden Betriebrat nicht zustande gekommen ist. Teilweise wird vertreten, dass ein Antrag für alle betriebsbedingten Kündigungen Anwendung finden müsse, bei denen ein Interessenausgleich aus welchen Gründen auch immer nicht möglich sei.205 Es sei nicht sachgerecht, den Anwendungsbereich der Vorschrift auf Unternehmen zu beschränken, welche in der Regel mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigten und so dem Anwendungsbereich der §§ 111 ff. BetrVG nicht unterfielen. Besondere Bedeutung hätte das Beschlussverfahren vor allem im Zusammenhang mit der übertragenden Sanierung gem. § 128 InsO.206 Deshalb sei es kontraproduktiv, kleine und mittelständische Unternehmen von diesen Sanierungsweg auszunehmen, in dem es zu einer weitgehend unmodifizierten Anwendung des § 613a BGB käme.207 Auch sei es verfehlt, für den Personalabbau eine Betriebsänderung i. S. d. § 111 BetrVG zu verlangen. Unterschreite der Insolvenzverwalter die Schwellenwerte des § 17 KSchG, wäre ein Antrag nach § 126 InsO unzulässig.208 Dies führe zu dem arbeitsplatzfeindlichen Ergebnis, dass die Entlassung einer größeren Zahl von Arbeitnehmern leichter durchzusetzen ist, da dann das Verfahren nach § 126 InsO zur Verfügung stünde.209 Eine differenzierende Ansicht will die Vorschrift ebenfalls in Unternehmen anwenden, welche nicht dem Anwendungsbereich der §§ 111 ff. BetrVG unterfallen, also weniger als 21 Arbeitnehmer beschäftigen.210 Jedoch sei bei einem Personalabbau stets zu verlangen, dass die Zahl der Kündigungen die Schwellenwerte des § 17 KSchG überschreite.211 Für ein Beschlussverfahren zum Kündigungsschutz bestünde nur bei einer gewissen Zahl der Kündigungen ein Bedürfnis, ansonsten sei dem Insolvenzverwalter der Weg über die Einzelkündigung zuzumuten.212 Demgegenüber will eine dritte Ansicht den Anwendungsbereich des § 126 InsO an den des § 111 BetrVG koppeln.213 Liege keine Betriebsänderung vor oder sei der Anwendungsbereich des § 111 BetrVG aufgrund der Unterneh205 Dörner in APS, § 126 InsO Rn 34; ErfKO-Ascheid, § 126 InsO Rn 1; Löwisch/ Caspers in MünchKomm InsO, § 126 Rn 6. 206 Löwisch/Caspers in MünchKomm InsO, § 126 Rn 6. 207 Löwisch/Caspers in MünchKomm InsO, § 126 Rn 6. 208 Löwisch/Caspers in MünchKomm InsO, § 126 Rn 6. 209 Löwisch/Caspers in MünchKomm InsO, § 126 Rn 6. 210 Däubler in KSchR, § 126 InsO Rn 7; Lakies BB 1999, 206, 208. 211 Däubler in KSchR, § 126 InsO Rn 7; Lakies BB 1999, 206, 208. 212 Däubler in KSchR, § 126 InsO Rn 7; Müller NZA 1998, 1315, 1319. Ähnlich argumentiert das LAG München ZInsO 2003, 339, dass einen Feststellungsantrag zumindest dann für unzulässig hält, wenn lediglich eine einzige Kündigung im Antragszeitpunkt streitig ist. 213 Wolf in Braun, InsO, § 126 Rn 2; Eisenbeis in Frankfurter Kommentar InsO, § 126 Rn 4; Irschlinger in HK-InsO, § 126 Rn 9; Hamacher in Nerlich/Römermann, InsO, § 126 Rn 9; Berscheid in Uhlenbruck, InsO, § 126 Rn 8; Zwanziger, AR der

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mensgröße nicht eröffnet, so sei ein Antrag nach § 126 Abs. 1 InsO nicht zulässig.214 Das Beschlussverfahren zum Kündigungsschutz habe eine Auffangfunktion gegenüber dem Interessenausgleich nach § 125 InsO.215 Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des § 126 Abs. 1 InsO, welcher auf § 125 InsO Bezug nehme. Daraus ergebe sich zum einen, dass dann eine Betriebsänderung geplant sein müsse und ein Interessenausgleich entweder an einer fehlenden Einigung oder an der Nichtexistenz eines Betriebsrates gescheitert sein muss.216 b) Stellungnahme Eine Stellungnahme muss beim Wortlaut des § 126 Abs. 1 InsO ansetzen. Dieser unterscheidet zwei mögliche Sachverhaltsgestaltungen. Danach soll ein Antrag zulässig sein, wenn entweder kein Betriebsrat besteht oder ein Interessenausgleich aus anderen Gründen nicht zustande kommt, obwohl der Insolvenzverwalter den Betriebsrat umfassend und rechtzeitig informiert und sich um die Einleitung von Verhandlungen bemüht hatte. aa) Betriebe mit Betriebsrat Eine Pflicht zur Aufnahme von Verhandlungen über einen Interessenausgleich und zur rechtzeitigen und umfassenden Information des Betriebsrates besteht aber nur im Rahmen des § 111 BetrVG.217 Dem Wortlaut des § 126 Abs. 1 InsO und den Gesetzesmaterialien ist nicht zu entnehmen, dass der Gesetzgeber eine zusätzliche Unterrichtungspflicht über § 111 BetrVG hinaus normieren wollte.218 Damit besteht in einem Unternehmen, welches regelmäßig weniger als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt, keine Pflicht, den vorhandenen Betriebsrat zu unterrichten.219 Ebenfalls steht damit fest, dass eine BetriebsInsO, § 126 Rn 8; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn 23.07; Oetker/Friese DZWIR 2001, 177. 214 Wolf in Braun, InsO, § 126 Rn 2; Eisenbeis in Frankfurter Kommentar InsO, § 126 Rn 4; Irschlinger in HK-InsO, § 126 Rn 9; Hamacher in Nerlich/Römermann, InsO, § 126 Rn 9; Berscheid in Uhlenbruck, InsO, § 126 Rn 8; Zwanziger, AR der InsO, § 126 Rn 8, Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn 23.07. 215 Hamacher in Nerlich/Römermann, InsO, § 126 Rn 9; Berscheid in Uhlenbruck, InsO, § 126 Rn 8; Zwanziger, AR der InsO, § 126 Rn 8. 216 Hamacher in Nerlich/Römermann, InsO, § 126 Rn 9; Berscheid in Uhlenbruck, InsO, § 126 Rn 8. 217 Hamacher in Nerlich/Römermann, InsO, § 126 Rn 9; Berscheid in Uhlenbruck, InsO, § 126 Rn 8; Müller NZA 1998, 1315, 1319. 218 Eisenbeis in Frankfurter Kommentar InsO, § 126 Rn 4; Müller NZA 1998, 1315, 1319. Vgl. auch die Begründung des Regierungsentwurfes zur InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 149 zu § 129. Dort wird als einziger anderer Grund für das Scheitern eines Interessenausgleichs die fehlende Einigung zwischen Betriebsrat und Insolvenzverwalter genannt.

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änderung i. S. d. § 111 BetrVG gegeben sein muss,220 da unabhängig von der Unternehmensgröße eine Unterrichtung nach § 111 BetrVG voraussetzt, dass eine Betriebsänderung geplant ist, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile derselben haben kann.221 Dieses Ergebnis wird auch dadurch bestätigt, dass das Beschlussverfahren nach dem Willen des Gesetzgebers den Interessenausgleich nach § 125 InsO ergänzen soll.222 Insoweit kann für Betriebe mit Betriebsrat allein die dritte Ansicht überzeugen. Demnach ist in Betrieben mit Betriebsräten ein Antrag nach § 126 Abs. 1 InsO nur zulässig, wenn der Schwellenwert des § 111 BetrVG223 erreicht und eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG geplant ist. Ist ein bloßer Personalabbau geplant, müssen die Schwellenwerte des § 17 Abs. 1 KSchG erreicht werden, damit eine Betriebsänderung vorliegt.224 bb) Betriebsratslose Betriebe Fraglich ist, ob für betriebsratslose Betriebe etwas anderes gelten kann.225 Da ein Betriebsrat gem. § 1 Abs. 1 BetrVG in Betrieben mit in der Regel mindestens fünf wahlberechtigten Arbeitnehmern zu wählen ist, kann davon ausgegangen werden, dass in Betrieben, welche diesen Schwellenwert unterschreiten, regelmäßig die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 KSchG nicht vorliegen. Besteht daher kein Betriebsrat aufgrund der geringen Betriebsgröße und ist der Anwendungsbereich des KSchG nicht eröffnet, folgt daraus, dass ein Verfahren nach § 126 InsO mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig ist.226 Demzufolge wären 219 Vgl. Eisenbeis in Frankfurter Kommentar InsO, § 126 Rn 4, der noch von Betrieb spricht. 220 Moll in Kübler/Prütting, InsO, § 126 Rn 11; Hamacher in Nerlich/Römermann, InsO, § 126 Rn 9; Berscheid in Uhlenbruck, InsO, § 126 Rn 8; Friese ZInsO 2001, 350, 351; Müller NZA 1998, 1315, 1319. 221 Vgl. statt vieler Fitting, BetrVG, BetrVG, § 111 Rn 40 f. 222 Begründung des Regierungsentwurfes zur InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 149 zu § 129. 223 Zur Bestimmung des Schwellenwertes im gemeinsamen Betrieb siehe unten § 25 A. II.3. 224 BAG AP Nr. 32 zu § 113 BetrVG 1972, Bl. 1084 Rs.; Hohenstatt/Willemsen in ArbRKo, § 111 BetrVG Rn 27 ff.; ErfKO-Kania, § 111 BetrVG Rn 9; Fitting, BetrVG, § 111 Rn 74 f. Problematisch ist in diesem Zusammenhang, dass § 17 KSchG einen Mindestbetriebsgröße von 20 Arbeitnehmern voraussetzt, während § 111 S. 1 BetrVG diese Arbeitnehmerzahl nur für das Unternehmen verlangt. Unklar ist daher, welchen Umfang der Personalabbau in solchen Kleinbetrieben erreichen muss. Fitting, BetrVG, § 111 Rn 48; Löwisch BB 2001, 1790, 1797 gehen in Anlehnung an § 112a Abs. 1 Nr. 1 von 6 Arbeitnehmer aus. Däubler in D/K/K, BetrVG, § 111 Rn 45a plädiert für ein Drittel der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer. Oetker in GK-BetrVG, § 111 Rn 73 nimmt eine Mindestzahl von 3 Arbeitnehmern an. Ausführlich zu der Problematik Staufenbiel, Sozialplan, S. 33 ff. 225 So etwa Caspers, Personalabbau, Rn 242; Lakies BB 1999, 206, 208.

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in Kleinbetrieben ohne Betriebsrat, deren Belegschaft unterhalb des Schwellenwertes des § 23 Abs. 1 KSchG bleibt, ein Antrag nach § 126 Abs. 1 InsO unzulässig. Damit wären solche Kleinstbetriebe aus dem Anwendungsbereich des § 126 Abs. 1 InsO grundsätzlich ausgeschlossen. Nach der Reform des KSchG zum 1. Januar 2004 können im Betrieb bis zu 10 Vollzeitarbeitnehmer beschäftigt sein, ohne dass der Anwendungsbereich des KSchG eröffnet wird.227 Dabei darf des Weiteren nicht übersehen werden, dass im Rahmen des § 1 Abs. 1 BetrVG jeder Beschäftigte unabhängig von der Stundenzahl voll zählt.228 Der Betrieb kann also betriebsverfassungsrechtlich durchaus größer sein als im Sinne des Kündigungsschutzes, da hier Teilzeitbeschäftigte gem. § 23 Abs. 1 S. 4 KSchG nur anteilig zu berücksichtigen sind.229 Demnach sind verschiedene Betriebsgrößen im Sinne des BetrVG denkbar, bei denen je nach der Wochenstundenzahl der Arbeitnehmer das KSchG teilweise Anwendung findet und teilweise der Schwellenwert nicht erreicht wird. Es ist jedoch nicht einsichtig, wieso ein Betrieb von 20 Teilzeitbeschäftigten anders behandelt werden soll als ein solcher mit fünf Vollzeitbeschäftigten, die vor dem 31. Dezember 2004 eingestellt wurden. Will man in diesem Bereich willkürliche und zufällige Ergebnisse vermeiden, so muss auch für Betriebe ohne Betriebsräte ein fester Schwellenwert für die Anwendbarkeit des § 126 InsO bestehen. Da bei 21 beschäftigten Arbeitnehmern sowohl der Schwellenwert des § 111 S. 1 BetrVG als auch der des § 23 Abs. 1 KSchG in jedem Fall erreicht wird, erscheint diese Grenze als plausibel. In betriebsratslosen Betrieben ist demnach § 126 Abs. 1 InsO dann anzuwenden, wenn das Unternehmen den Schwellenwert des § 111 S. 1 BetrVG erreicht. Dies entspricht auch der Auffang- und Ergänzungsfunktion des § 126 InsO gegenüber § 125 InsO, der unstreitig voraussetzt, dass der Anwendungsbereich des § 111 BetrVG eröffnet ist.230 Die von Löwisch/Caspers231 hiergegen vorge226 Moll in Kübler/Prütting, InsO, § 126 Rn 12a; Hamacher in Nerlich/Römermann, InsO, § 126 Rn 6; Friese ZInsO 2001, 350. Vgl. auch sogleich unter 2., S. 192. 227 Vgl. Moll in APS, § 23 KSchG Rn 32g. 228 Gaul in ArbRKo, § 1 BetrVG Rn 4; Fitting, BetrVG, § 1 Rn 272; Kraft/Franzen in GK-BetrVG, § 1 Rn 96. 229 Allerdings ist in Bezug auf Betriebe eines Unternehmens, welche dem Kündigungsschutzgesetz unterfallen stets auch der Anwendungsbereich der §§ 111 ff. BetrVG eröffnet. Denn alle Arbeitnehmer sind nach § 23 Abs. 1 S. 4 KSchG mit mindestens 0,5 zu berücksichtigen, so dass sich selbst bei 21 Arbeitnehmer mit weniger als 20 Wochenstunden ein Wert von 10,5 und damit mehr als 10 ergibt (21 x 0,5 = 10,5). Hat der Betrieb also mehr als zwanzig Arbeitnehmer, unterfällt der Arbeitgeber den §§ 111 ff. BetrVG, selbst wenn dies der einzige Betrieb des Unternehmens ist. 230 Moll in Kübler/Prütting, InsO, § 126 Rn 12; Hamacher in Nerlich/Römermann, InsO § 126 Rn 9; Berscheid in Uhlenbruck, InsO, § 126 Rn 8; Zwanziger, AR der InsO, § 126 Rn 3. 231 in MünchKomm InsO, § 126 Rn 6.

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brachten teleologischen Argumente vermögen demgegenüber nicht zu überzeugen. Zwar ist nicht von der Hand zu weisen, dass auch in Unternehmen, welche den Schwellenwert des § 111 S. 1 BetrVG nicht erreichen, ein Bedürfnis für ein kollektives Verfahren zum Kündigungsschutz besteht, jedoch können solche Erwägungen nicht über die vom Gesetzgeber aufgestellten Tatbestandsvoraussetzungen hinweghelfen. Der Gesetzgeber hat seinen Willen, das Beschlussverfahren gem. § 126 InsO in einen systematischen Zusammenhang zu § 125 InsO und § 111 BetrVG zu stellen, hinreichend klar gemacht.232 So enthielt die entsprechende Vorgängernorm des § 120 Diskussionsentwurf noch ausdrücklich einen Verweis auf § 111 S. 2 BetrVG.233 Dieses Tatbestandsmerkmal ist im weiteren Gesetzgebungsverfahren ohne die Absicht einer inhaltlichen Änderung aufgegeben worden.234 Die Vorschriften der §§ 125, 126 InsO haben entstehungsgeschichtlich und gesetzessystematisch denselben Anwendungsbereich.235 Die Erwägungen von Löwisch/Caspers sind daher lediglich rechtspolitischer Natur, dogmatisch scheitern sie am Wortlaut der Norm236 und am Willen des Gesetzgebers. cc) Möglichkeit einer analogen Anwendung auf Betriebe in Unternehmen, welche den Schwellenwert des § 111 S. 1 BetrVG nicht erreichen In Betracht käme damit nur eine analoge Anwendung des § 126 InsO auf Betriebe, welche zu Unternehmen mit in der Regel weniger als 21 Arbeitnehmern gehören.237 Hält man eine analoge Anwendung auf Unternehmen mit weniger als 21 Arbeitnehmern für zulässig, so ist stets zu verlangen, dass eine Betriebsänderung im Sinne § 111 BetrVG vorliegt.238 Zumindest im Bereich des bloßen Personalabbaus dürfte es daran jedoch zumeist fehlen, da Unternehmen von solch geringer Größe den Schwellenwert des § 17 Abs. 1 KSchG nicht erreichen.239

232 Moll in Kübler/Prütting, InsO, § 126 Rn 12; Hamacher in Nerlich/Römermann, InsO § 126 Rn 9; Berscheid in Uhlenbruck, InsO, § 126 Rn 8; Zwanziger, AR der InsO, § 126 Rn 3. 233 Moll in Kübler/Prütting, InsO, § 126 Rn 12; Caspers, Personalabbau, Rn 236. 234 Moll in Kübler/Prütting, InsO, § 126 Rn 12; vgl. Caspers, Personalabbau, Rn 237. 235 Moll in Kübler/Prütting, InsO, § 126 Rn 12; Berscheid in Uhlenbruck, InsO, § 126 Rn 8. 236 Dies wird von Löwisch in RdA 1997, 80, 85 auch eingeräumt. 237 Friese ZInsO 2001, 350, 351. 238 Däubler in D/K/K, BetrVG, Anh. zu §§ 111–113, § 126 InsO Rn 7; Berscheid in Uhlenbruck, InsO, § 126 Rn 8; Friese ZInsO 2001, 350, 351. 239 Berscheid in Uhlenbruck, InsO, § 126 Rn 8; Friese ZInsO 2001, 350, 351.

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Ob jedoch die für eine Analogie erforderliche planwidrige Regelungslücke vorhanden ist, kann bezweifelt werden. Der Gesetzgeber hat jedenfalls in Kenntnis des Problems eine Änderung durch das Insolvenzrechtsänderungsgesetz vom 26.10.2001240 nicht für notwendig erachtet. Allein das Bedürfnis nach einer zügigen Durchführung masseerhaltender oder -sichernder Betriebsänderung vermag daran nichts zu ändern. Demnach ist ein Antrag nach § 126 InsO nur dann zulässig, wenn sowohl eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 S. 1 BetrVG vorliegt, als auch das betroffene Unternehmen den Schwellenwert des § 111 S. 1 BetrVG erreicht. Ist dies der Fall ist der Antrag zulässig, unabhängig davon, ob ein Betriebsrat besteht oder nicht. 2. Anwendungsreichweite des Beschlussverfahrens Ist demnach der Anwendungsbereich des § 126 InsO eröffnet, kann dieser sich nur auf betriebsbedingte Kündigungen beziehen.241 Der Insolvenzverwalter kann das Verfahren sowohl für beabsichtigte, als auch für bereits ausgesprochene Kündigungen einleiten, vgl. § 127 Abs. 2 InsO.242 Da sich die Vermutungswirkung ausdrücklich auf die soziale Rechtfertigung der Kündigung bezieht, werden auch nur solche Kündigungen erfasst, welche dem KSchG unterliegen.243 Für Kündigungen außerhalb des Anwendungsbereiches des KSchG würde das Beschlussverfahren nur eine unnötige Verzögerung bedeuten. Da Arbeitnehmer, welche nicht dem allgemeinen Kündigungsschutz unterliegen, nicht in die soziale Auswahl einzubeziehen sind244 und ihre Kündigung keines Grundes im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG bedarf,245 hätte der Insolvenzverwalter mit der Durchführung des Beschlussverfahrens keine Rechtssicherheit gewon240

BGBl. I, S. 2710. Wolf in Braun, InsO, § 126 Rn 10; Hamacher in Nerlich/Römermann, InsO, § 126 Rn 3; Löwisch/Caspers in MünchKomm InsO, § 126 Rn 2. 242 BAG NZA 2000, 1180; Annuß in ArbRKo, § 126 InsO Rn 1; Löwisch/Caspers in MünchKomm InsO, § 126 Rn 8. 243 Annuß in ArbRKo, § 126 InsO Rn 1; Wolf in Braun, InsO, § 126 Rn 4; Däubler in KSchR, § 126 InsO Rn 8; Zobel in Beck/Depré, Insolvenzpraxis, § 20 Rn 268; a. A. Moll in Kübler/Prütting, InsO, § 128 Rn 34, anders aber bei § 126 Rn 12a, der dies daraus ableiten will, dass die Vermutungswirkung im Falle eines Betriebsübergangs auch auf die Unwirksamkeit nach § 613a Abs. 4 BGB erstreckt wird. Dem § 128 InsO ist aber nicht zu entnehmen, dass er Einfluss auf den Anwendungsbereich der §§ 126, 127 InsO nehmen will. Vielmehr ist die Erstreckung im Falle eines Betriebsüberganges an den Anwendungsbereich der §§ 126, 127 InsO gekoppelt und nicht umgekehrt. 244 BAG EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 35, S. 280; ErfKOAscheid, § 1 KSchG Rn 468; KR-Etzel, § 1 KSchG Rn 636; Kittner in KSchR, § 1 KSchG Rn 441. 245 Vgl. ErfKO-Ascheid, § 1 KSchG Rn 110; Kittner in KSchR, § 1 KSchG Rn 21. 241

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nen. Dies ergibt sich auch daraus, dass das Arbeitsgericht allein über die soziale Rechtfertigung der Kündigung entscheidet und andere Unwirksamkeitsgründe nicht prüft.246 Insoweit entfaltet der Beschluss des Arbeitsgerichtes daher auch keine Bindungswirkung gem. § 127 InsO.247 Wie sich aus dem Wortlaut des § 126 Abs. 2 S. 1 InsO „mit den geänderten Arbeitsbedingungen einverstanden sind“ ergibt, ist ein Beschlussverfahren sowohl für Änderungs- als auch für Beendigungskündigungen zulässig.248 3. Die Bindungswirkung für den Kündigungsschutzprozess Die mit dem Verfahren nach § 126 InsO beabsichtigte Beschleunigung und Bündelung notwendig werdender Kündigungsschutzverfahren wird durch § 127 InsO abgesichert. Die Norm gewährleistet, dass das rechtskräftige Ergebnis des Verfahrens nach § 126 InsO die Parteien auch in einem späteren Kündigungsschutzprozess bindet. Anderenfalls wäre die mit dem Beschlussverfahren beabsichtigte Rechtssicherheit nicht zu erreichen, da die Gefahr divergierender Entscheidungen bestünde, wenn das Gericht im Kündigungsschutzprozess erneut die soziale Rechtfertigung der Kündigung prüfte.249 Aufgrund dieser „Unterstützungsfunktion“ deckt sich der Anwendungsbereich des § 127 InsO mit dem des § 126 InsO.250 Die Bindungswirkung tritt nicht ein, wenn sich die Sachlage nach dem Schluss der letzten mündlichen Verhandlung im Beschlussverfahren wesentlich geändert hat. Eine wesentliche Änderung liegt vor, wenn das Gericht aufgrund der neuen Sachlage anders entschieden hätte.251 Um den Vorrang des Verfahrens nach § 126 InsO zu sichern, ordnet § 127 Abs. 2 InsO an, dass ein vor der rechtskräftigen Entscheidung des Beschlussverfahrens eingeleitetes Kündigungsschutzverfahren auf Antrag des Insolvenzverwalters bis zum Erlass der Entscheidung auszusetzen ist.

246 Annuß in ArbRKo, § 126 InsO Rn 5; Zobel in Beck/Depré, Insolvenzpraxis, § 20 Rn 275. Ausführlich zum Vortragslast und zum Prüfungsumfang im Beschlussverfahren Berscheid in Uhlenbruck, InsO, §§ 126,127 Rn 15 ff. 247 Annuß in ArbRKo, § 126 InsO Rn 5; Zobel in Beck/Depré, Insolvenzpraxis, § 20 Rn 275. 248 Annuß in ArbRKo, § 126 InsO Rn 3; Däubler in KSchR, § 126 InsO Rn 9; Hamacher in Nerlich/Römermann, InsO, § 126 Rn 3; Zobel in Beck/Depré, Insolvenzpraxis, § 20 Rn 270. 249 ErfKO-Ascheid, § 127 InsO Rn 5; Löwisch/Caspers in MünchKomm InsO, § 127 Rn 1. 250 ErfKO-Ascheid, § 127 InsO Rn 2; Löwisch/Caspers in MünchKomm InsO, § 127 Rn 1. 251 Annuß in ArbRKo, 3 127 InsO Rn 3; Löwisch/Caspers in MünchKomm InsO, § 127 Rn 13.

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§ 21 Probleme des Kündigungsschutzes im gemeinsamen Betrieb in der Insolvenz Im gemeinsamen Betrieb bestehen grundsätzlich keine besonderen Probleme in Bezug auf die Anwendung der kündigungsrechtlichen Vorschriften der Insolvenzordnung. Schwierigkeiten ergeben sich jedoch immer dann, wenn der unternehmensübergreifende Charakter des gemeinsamen Betriebes in Widerspruch zu der vermögensrechtlichen Zuordnung der Insolvenzordnung gerät.

A. Die gemeinsame Sozialauswahl Wie oben erläutert wird im gemeinsamen Betrieb die Sozialauswahl betriebsbezogen verstanden. Dies gilt auch in der Insolvenz, soweit die Arbeitnehmer vergleichbar sind. Vergleichbar, und damit in die Sozialauswahl einzubeziehen, sind alle Arbeitnehmer, die nach Ausbildung und Tätigkeit gegeneinander ausgetauscht werden können.252 Fraglich ist, ob § 113 InsO der Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer des insolventen Unternehmens mit den übrigen im gemeinsamen Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern entgegensteht. Nach allgemeiner Auffassung steht eine unterschiedlich lange Kündigungsfrist der Vergleichbarkeit jedoch nicht entgegen.253 Aus der Sozialauswahl grundsätzlich auszunehmen sind vielmehr nur Arbeitnehmer ohne Kündigungsschutz und ordentlich unkündbare Arbeitnehmer.254 Da § 113 InsO, wie gezeigt, (tarif)vertragliche Kündigungsbeschränkungen beseitigt, ist der Kreis der in die Sozialauswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer größer als außerhalb der Insolvenz. Dies bedeutet im Ergebnis, dass der bei einem Arbeitgeber bestehende betriebsbedingte Kündigungsgrund zur Entlassung eines vertragsfremden Arbeitnehmers führen kann, wenn dieser sozial weniger schutzbedürftig ist. Die Kündigungserklärung wird diesem Arbeitnehmer gegenüber jedoch allein von seinem Vertragsarbeitgeber ausgesprochen, dieser wird zwar durch den betrieblichen Leitungsapparat vertreten, die Gestaltungserklärung wirkt aber allein für und gegen dieses Unternehmen. I. Konsequenzen für die Anwendbarkeit des § 113 InsO Dies bedeutet in der Situation der Insolvenz, dass eine Kündigungserklärung nur dann vom oder für den Insolvenzverwalter abgegeben wurde, wenn das in252

Zur Vergleichbarkeit im gemeinsamen Betrieb vgl. oben § 19 B.III.3.b). Vgl. Kiel in APS, § 1 KSchG Rn 672 ff.; Bram in Bader/Bram/Dörner/Wenzel, KSchG, § 1 Rn 319 ff.; Mayer in Backmeister/Trittin/Meyer, KSchG, § 1 Rn 383 f. 254 Bram in Bader/Bram/Dörner/Wenzel, KSchG, § 1 Rn 319; Mayer in Backmeister/Trittin/Meyer, KSchG, § 1 Rn 382 f. 253

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solvente Unternehmen der Vertragsarbeitgeber des zu Entlassenden war. Denn nur für diesen Vermögensträger ist der Insolvenzverwalter nach § 80 Abs. 1 InsO verwaltungs- und verfügungsbefugt.255 Die Anwendung des § 113 InsO setzt jedoch ausdrücklich eine Kündigung des Insolvenzverwalters voraus. Beabsichtigt der Insolvenzverwalter in folge seines Sanierungskonzeptes, eine gewisse Anzahl von Arbeitnehmern entlassen, so ist nicht gewährleistet, dass er auch eine entsprechende Anzahl an Kündigungen abgeben darf. Führt nämlich die gemeinsame Sozialauswahl mittelbar dazu, dass auch die übrigen am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen Kündigungen aussprechen müssen, so ist der Insolvenzverwalter am Ausspruch gehindert, da der bestehende Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit nur den Wegfall eines Arbeitsplatzes bedingen kann. Überspitzt gesagt führt die gemeinsame Sozialauswahl dazu, dass der Insolvenzverwalter seine betriebsbedingten Kündigungsgründe verliert. In Bezug auf die von den übrigen Unternehmen ausgesprochenen Kündigungen kann § 113 InsO jedoch keine Anwendung finden. Selbst wenn die übrigen am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen bereit wären, sich vom Insolvenzverwalter vertreten zu lassen, führt dies nicht zu einer Anwendung des § 113 InsO. Dies ergibt sich bereits aus dem systematischen Zusammenhang der Norm. Die §§ 113 ff. InsO befinden sich im dritten Teil des Gesetzes, welcher die Wirkungen der Verfahrenseröffnung regelt. Insoweit setzt die Anwendung des Insolvenzarbeitsrechtes die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens voraus.256 Des Weiteren wäre eine vereinbarte Anwendung des § 113 InsO auf Arbeitnehmer nicht insolventer Unternehmen ein unzulässiger Vertrag zu Lasten dieser Arbeitnehmer. Die kündigungsschutzverkürzende Wirkung des Insolvenzarbeitsrechts soll kraft gesetzlicher Anordnung nur dort greifen, wo dies im Rahmen des staatlichen Zwangsbefriedigungsverfahrens zum Schutze der übrigen Gläubiger notwendig ist. Eine Vereinbarung über die Anwendung der Vorschriften außerhalb des Insolvenzverfahrens kommt nicht in Betracht. Dies bedeutet, dass insoweit vereinbarte Kündigungsverbote257 und vor allem eventuelle längere Kündigungsfristen zu beachten sind. Da jedoch ein am gemeinsamen Betrieb beteiligtes Unternehmen keinesfalls verpflichtet ist, die Kosten für den zu übernehmenden vertragsfremden Arbeitnehmer zu tragen, bevor der eigene Arbeitnehmer ausgeschieden ist, führt die längere Kündigungsfrist dazu, dass das insolvente Unternehmen durch diese Kosten über den Drei-Mo-

255

Vgl. oben § 14 D.IV. Vgl. Annuß in ArbRKo, § 113 InsO Rn 2; Hamacher in Nerlich/Römermann, InsO, § 113 Rn 21; Zwanziger, AR der InsO, § 113 Rn 1. 257 Die Beachtung von Kündigungsverboten in diesem Zusammenhang führt dazu, dass unkündbare Arbeitnehmer nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen sind, Kiel in APS, § 1 KSchG Rn 691 ff.; v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn 453 ff. Dies kann für den Insolvenzverwalter durchaus vorteilhaft sein, da er dann selbst mehr Kündigungen aussprechen kann. 256

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natszeitraum des § 113 InsO hinaus belastet wird. Dies gilt selbst dann, wenn man entgegen der hier vertretenen Ansicht von einem Arbeitgeberwechsel infolge der Sozialauswahl ausgeht. Denn auch der Arbeitgeberwechsel wird erst nach Ablauf der Kündigungsfrist erfolgen, da ansonsten das kündigende Unternehmen zwei Arbeitnehmer auf einem Arbeitsplatz beschäftigen müsste. Dies ist jedoch nicht zumutbar, da der Wegfall des Beschäftigungsbedarfs allein im Bereich des anderen Unternehmens liegt. Dies gilt ebenfalls, solange das Unternehmen den Arbeitnehmer im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses weiterbeschäftigen muss, sei es gem. § 102 Abs. 5 BetrVG, sei es aufgrund des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs. Da der Beschäftigungswegfall allein im Bereich des insolventen Unternehmens liegt, ist es nicht billig, dass das solvente Unternehmen, welches nur über die Sozialauswahl zur Kündigung veranlasst wird, das Risiko einer möglichen finanziellen Doppelbelastung trägt. Eine Übernahme des sozial schutzbedürftigeren vertragsfremden Arbeitnehmers durch das solvente Unternehmen kommt daher erst in Betracht, wenn der eigene Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis endgültig ausgeschieden ist. Die gemeinsame Sozialauswahl führt also dazu, dass die masseentlastende Funktion des § 113 InsO geschmälert wird. Dabei darf nicht übersehen werden, dass die Personalstruktur der Unternehmen das Ausmaß der Beeinträchtigung bestimmt. Ein insolventes Unternehmen mit vielen besonders sozial schutzwürdigen Arbeitnehmern würde kaum Arbeitnehmer freisetzen können. II. Der Interessenausgleich gem. § 125 InsO Diese Beeinträchtigung der Wirksamkeit der masseerhaltenden Beschleunigungswirkung des Insolvenzarbeitsrechtes zeigt sich auch im Bereich der §§ 125 ff. InsO. Dabei ist aufgrund der erneuten Einführung des Interessenausgleichs mit Namensliste in § 1 Abs. 5 KSchG ein Problem durch den Gesetzgeber weitestgehend entschärft worden. Besteht ein gemeinsamer Betrieb, so ist der dort errichtete Betriebsrat für alle dort beschäftigten Arbeitnehmer, unabhängig von ihrer arbeitsvertraglichen Zuordnung zuständig. Dementsprechend ist es möglich, für alle zu kündigenden Arbeitnehmer einen Interessenausgleich mit Namensliste zu vereinbaren. Dadurch, dass der Interessenausgleich keine Schlechterstellung der Arbeitnehmer des insolventen Unternehmens gegenüber dem allgemeinen Arbeitsrecht bedeutet,258 dürfte die Bereitschaft des Betriebsrates für einen solchen Interessenausgleich für alle Arbeitnehmer des gemeinsamen Betriebes auch grundsätzlich gegeben sein. Dadurch ist es möglich, die Folgen der gemeinsamen Sozialauswahl und die damit einhergehende Verlagerung der Kündigungserklärungen soweit abzumildern, dass die Vermutungswirkungen des § 125 InsO auch für die Kündigungserklärungen der anderen Unter258

Vgl. Dörner in APS, § 125 InsO Rn 33 f.

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nehmen greifen. Insoweit wird der Insolvenzverwalter von dem ansonsten bestehenden Risiko der Sozialwidrigkeit der Kündigung der solventen Unternehmen weitgehend befreit, da diese auch einen Interessenausgleich abschließen können. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG vorliegt. Da der Schwellenwert des § 17 KSchG betriebsbezogen zu verstehen ist,259 werden bei einem bloßen Personalabbau jedoch die Kündigungen im gemeinsamen Betrieb zusammengerechnet. Insoweit gibt es also keinen Unterschied zum Betrieb eines Unternehmens. Jedoch muss zwischen einem Interessenausgleich nach § 1 Abs. 5 KSchG und einem solchen gem. § 125 InsO gleich mehrfach unterschieden werden. Ist die Wirkung im Kündigungsschutzprozess zwar grundsätzlich die gleiche, besteht ein wesentlicher Unterschied in Bezug auf einen möglichen Betriebsübergang. Besteht ein Interessenausgleich gem. § 125 InsO, so wird nach § 128 Abs. 2 InsO die Vermutungswirkung auch darauf erstreckt, dass die Kündigung nicht nach § 613a Abs. 4 BGB unwirksam ist. Ein Interessenausgleich nach § 1 Abs. 5 KSchG ist im Rahmen des § 128 Abs. 2 InsO nach dessen Wortlaut bedeutungslos. Da ein Interessenausgleich nach § 125 Abs. 1 InsO nur zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Betriebsrat geschlossen werden kann, muss hier unterschieden werden. Würde der Interessenausgleich von allen am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen gemeinsam mit dem Betriebsrat abgeschlossen, so wäre der Anwendungsbereich der InsO nur für die Vereinbarung mit dem Insolvenzverwalter eröffnet. Handelt es sich insoweit um eine einheitliche Erklärung aller am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen, so ist es aber nicht angängig, die Erklärung des Insolvenzverwalters abzutrennen und einer anderen normativen Grundlage zu unterwerfen. Dies erscheint auch praktisch unmöglich, da im Rahmen eines Interessenausgleichs nach § 1 Abs. 5 KSchG auch die Schwerbehinderteneigenschaft der Arbeitnehmer zu berücksichtigen ist. Im Rahmen des § 125 InsO findet diese Kriterium jedoch keine Berücksichtigung. Dementsprechend wird man einen gemeinsamen Interessenausgleich mit Namensliste stets als § 1 Abs. 5 KSchG zuzuordnen haben. Plant der Insolvenzverwalter also eine Veräußerung des Betriebes oder von Betriebsteilen, welche einen Betriebsübergang im Sinne des § 613a BGB bedeuten könnten, so ist ihm dringend zu empfehlen, eine eigenständige Namensliste für die von ihm zu kündigenden Arbeitnehmer mit dem Betriebsrat zu vereinbaren. Dann muss der Insolvenzverwalter jedoch auch allein für sich die Voraussetzungen einer Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG erfüllen. Da für die Ermittlung der Beschäftigtenzahl gem. § 17 KSchG weiterhin der gemeinsame Betrieb insgesamt maßgeblich wäre, könnte dies bei einem bloßen Personalabbau problematisch sein. Dies gilt insbesondere, wenn das insolvente Unternehmen nur eine verhältnismäßig geringe Anzahl Arbeitnehmer im gemeinsamen 259

Siehe oben § 19 D.

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Betrieb beschäftigt. Ein Interessenausgleich nach § 125 InsO ist damit faktisch ausgeschlossen. III. Das Beschlussverfahren zum Kündigungsschutz gem. § 126 InsO Diese Unterscheidung wird noch wichtiger für die Fälle, in denen der Betriebsrat zu keiner Einigung bereit ist oder ein solcher nicht besteht. In diesem Fall kann der Insolvenzverwalter das besondere Verfahren zum Kündigungsschutz gem. § 126 InsO einleiten. Da § 126 Abs. 1 S. 1 InsO ausdrücklich dem Insolvenzverwalter das Recht zu einem solchen Antrag einräumt, ist ein solches Verfahren auch nur im Rahmen der Zuständigkeit des Verwalters gem. § 80 InsO zulässig. Damit steht wiederum fest, dass ein solches Verfahren nur für die vom Insolvenzverwalter gegenüber den Vertragsarbeitnehmern des insolventen Unternehmens ausgesprochenen Kündigungen gilt. Dies bedeutet, dass die mit § 126 InsO einhergehende vereinfachte Kündigungsmöglichkeit für einen Teil der im gemeinsamen Betrieb auszusprechenden Kündigungen nicht gelten würde. Die Wirkung des § 126 InsO würde daher ebenfalls durch die gemeinsame Sozialauswahl im gemeinsamen Betrieb beeinträchtigt, da diese zu einer geringeren Anzahl der vom Insolvenzverwalter ausgesprochenen Kündigungen führt. Darüber hinaus kann die Zusammenfassung zu einem gemeinsamen Betrieb auch dazu führen, dass die Voraussetzungen für einen Antrag nach § 126 Abs. 1 InsO fehlen. Da nach richtiger Ansicht das Beschlussverfahren zum Kündigungsschutz voraussetzt, dass eine Betriebsänderung gem. § 111 BetrVG vorliegt,260 müssen allein die Maßnahmen des Insolvenzverwalters diese Voraussetzung erfüllen. Nach § 111 S. 1 BetrVG setzt eine Betriebsänderung wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder einen wesentlichen Teil derselben voraus. Unabhängig von der Frage, wie der unternehmensbezogene Schwellenwert von mehr als 20 Arbeitnehmern im gemeinsamen Betrieb zu verstehen ist,261 sind sämtliche Arbeitnehmer des gemeinsamen Betriebes Teil der Belegschaft im Sinne des § 111 S. 1 BetrVG.262 Zwar wird für Betriebsänderungen nach § 111 S. 3 BetrVG die Betroffenheit der Belegschaft oder eines wesentlichen Teils derselben fingiert,263 jedoch sind die Zahlenverhältnisse im Betrieb insbesondere für die Frage, wann ein wesentlicher Teil des Betriebes betroffen 260

Vgl. oben § 20 C.III.1.b). Dazu unten § 25 A.II. 262 BAG AP Nr. 42 zu § 111 BetrVG 1972, Bl. 1127; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 175. 263 BAG AP Nr. 34 zu § 111 BetrVG 1972, Bl. 1257 Rs.; Fitting, BetrVG, § 111 Rn 42; im Ergebnis auch Oetker in GK-BetrVG, § 111 Rn 41 f., der von einer unwiderlegbaren Vermutung ausgeht. 261

§ 21 Probleme des Kündigungsschutzes in der Insolvenz

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ist und beim reinen Personalabbau von Belang.264 Das BAG geht davon aus, dass eine Maßnahme dann einen wesentlichen Betriebsteil betrifft, wenn die Schwellenwerte des § 17 Abs. 1 KSchG erreicht, mindestens jedoch 5% der Arbeitnehmer betroffen sind.265 Unklar ist, ob ein Betriebsteil allein aufgrund seiner Bedeutung als „wesentlich“ anzusehen ist, obwohl die Schwellenwerte nicht erreicht werden.266 Das BAG hat diese Frage bisher offengelassen, jedoch einen wesentlichen Betriebsteil in den von ihm entschiedenen Fällen stets verneint.267 Macht man sich nun bewusst, dass es keinerlei Vorgaben in Bezug auf die Größe der in den gemeinsamen Betrieb einzubringenden Organisationseinheiten der einzelnen Unternehmen gibt, so sind Fälle denkbar, in denen die Arbeitnehmer nur einen sehr geringen Anteil an der Gesamtbelegschaft ausmachen. Insbesondere wenn ein gemeinsamer Betrieb infolge einer Unternehmenstransaktion entsteht, kann es zu erheblichen Größenunterschieden kommen. Erreichen die Maßnahmen des Insolvenzverwalters dann nicht die von der Rechtsprechung geforderten Schwellenwerte, so läge keine Betriebsänderung vor. Dann wäre ein Beschlussverfahren nach § 126 InsO nicht zulässig. Dies ist besonders im Bereich des bloßen Personalabbaus denkbar, wo es allein auf die Zahl der betroffenen Arbeitnehmer ankommt. IV. Sozialauswahl und Existenzverlust des insolventen Unternehmens Schließlich führt die fortgesetzte einheitliche Sozialauswahl in der Insolvenz auch zu weiteren Problemen. Die oben skizzierte Lösung einer betriebsinternen Leihe als Folge der gemeinsamen Sozialauswahl setzt das Fortbestehen der beteiligten Unternehmen und der gemeinsamen Betriebsorganisation voraus. Wird das insolvente Unternehmen nun im Rahmen des Insolvenzverfahrens liquidiert und hört es nach Abschluss der Abwicklung auf zu existieren, fehlt dem Entleiher der notwendige Vertragspartner. Dies bedeutet dann aber, dass letztlich ein Übergang der Arbeitnehmer zum vertragsfremden solventen Unternehmen unvermeidbar wird. Dieser ist jedoch als unzulässig abzulehnen, da er einen zwangsweisen Wechsel der Vertragsparteien mit sich brächte.268 Darüber hinaus 264 Vgl. BAG AP Nr. 34 zu § 111 BetrVG 1972, Bl. 1258; Fitting, BetrVG, § 111 Rn 48, 69; Oetker in GK-BetrVG, § 111 Rn 82 ff., 137. 265 BAG AP Nr. 26 zu § 111 BetrVG 1972, Bl. 1009; ErfKO-Kania, § 111 BetrVG Rn 8; Fitting, BetrVG, § 111 Rn 69; Oetker in GK-BetrVG, § 111 Rn 82 ff. 266 Vgl. Fitting, BetrVG, § 111 Rn 70; Oetker in GK-BetrVG, § 111 Rn 84 m.w. N. auch zur Gegenauffassung. 267 BAG AP Nr. 2 zu § 111 BetrVG 1972, Bl. 1140 Rs.; BAG AP Nr. 26 zu § 111 BetrVG 1972, Bl. 1010; BAG AP Nr. 34 zu § 111 BetrVG 1972, Bl. 1258 Rs. f. 268 Vgl. oben § 19 B.III.3.a).

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würde dieser Existenzverlust des insolventen Unternehmens wohl spätestens die gemeinsame Betriebsorganisation beenden. In diesen Fällen geht es für die sozial weniger schutzbedürftigen Arbeitnehmer dann aber nicht mehr um die Sozialauswahl im Rahmen einer fortbestehenden Betriebsorganisation, sondern darum, wer das Risiko des Verlustes des eigenen Vertragspartners zu tragen hat. Da es insoweit nicht um die betriebliche Verteilung des Risikos des Beschäftigungsbedarfes, sondern um das arbeitsvertragliche Risiko des Wegfalls des Rechtsträgers auf der Gegenseite geht, ist eine Sozialauswahl allein durch den arbeitgeberübergreifenden Charakter des gemeinsamen Betriebes nicht mehr zu rechtfertigen. Da die rechtliche Selbstständigkeit der beteiligten Unternehmen auch im gemeinsamen Betrieb erhalten bleibt, führt eine solche Zusammenarbeit nicht dazu, dass die vertragsfremden Arbeitnehmer das Risiko für die Auflösung des insolventen Unternehmens tragen müssen. Insoweit ist mit Annuß269 von einer unzulässigen Übertragung dieses Risikos durch die Führungsvereinbarung und damit von einer drittbelastenden Absprache auszugehen. Eine solche Erstreckung der Sozialauswahl ist auch nicht mehr durch den Betriebsbezug des § 1 Abs. 3 KSchG zu rechtfertigen, da es hier nicht um den betrieblichen Beschäftigungsbedarf, sondern um das allgemeine Vertragsrisiko geht. Diese Überlegung steht auch im Einklang mit der Verteilung des Insolvenzrisikos im allgemeinen Zivilrecht. Dort wird dieses Risiko allein dem Vertragspartner auferlegt, da er den Insolvenzschuldner ausgewählt hat.270 Diese vertragliche Risikoverteilung kann auch nicht durch etwaige im gemeinsamen Betrieb bestehende Schutzpflichten für vertragsfremde Arbeitnehmer überlagert werden. So geht Däubler davon aus, dass die im gemeinsamen Betrieb tätigen Unternehmen eine Schutzpflicht kraft sozialen Kontakts träfe, welche sie im Rahmen der Sozialauswahl zur Kündigung des eigenen weniger schutzbedürftigen Vertragsarbeitnehmers verpflichte.271 Es ist aber schon im Ansatz verfehlt anzunehmen, dass eine solche Schutzpflicht kraft sozialen Kontakts den Arbeitgeber stärker binden könnte als die arbeitsvertraglichen Schutzpflichten gegenüber dem Vertragsarbeitnehmer. Insoweit käme höchstens die Kollision gleichrangiger Pflichten in Betracht, welche zur Perplexität führen würde, da sich die Verpflichtungen widersprechen. Richtigerweise ist die Verpflichtung zur gemeinsamen Sozialauswahl jedoch allein aus dem Vorrang des Normbefehls des § 1 Abs. 3 KSchG vor der arbeitsvertraglichen Zuordnung abzuleiten. Dieser Vorrang der gesetzlichen Regelung zur betriebsbezogenen Sozialauswahl kann jedoch, wie soeben festgestellt, in dieser Situation keine Gültigkeit beanspruchen.

269

NZA Sonderheft 2001, 12, 23. Vgl. BGHZ 122, 46, 51; Westermann in Erman, BGB, § 812 Rn 17; Lieb in MünchKomm BGB, § 812 Rn 40; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn 667; im Ergebnis auch Larenz/Canaris, SR-BT, Band II/2, § 70 S. 247. 271 Däubler in FS Zeuner, S. 19, 36. 270

§ 22 Lösung anhand der beiden Grundmodelle

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Droht also die Auflösung der gemeinsamen Betriebsorganisation infolge der vollständigen Liquidierung eines am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen, lässt sich eine gemeinsame Sozialauswahl nicht mehr begründen.272

B. Die unternehmensübergreifende Weiterbeschäftigung Anders als die gemeinsame Sozialauswahl lässt eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bei einem vertragsfremden Unternehmen im Betrieb den Anwendungsbereich der Vorschriften der InsO weitgehend unberührt. Jedoch führt auch eine bestehende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im gemeinsamen Betrieb dazu, dass dem Insolvenzverwalter der zur Erhaltung der Masse notwendige Personalabbau unmöglich wird, da er am Ausspruch der Kündigung gehindert ist. Dieses grundsätzlich positive Ergebnis erscheint problematisch, wenn man bedenkt, dass die Durchführung der Weiterbeschäftigung im Wege der betriebsinternen Leihe erfolgt. Es kommt also nicht zu einem Arbeitgeberwechsel, da das Arbeitsverhältnis zum insolventen Unternehmen weiter besteht. Hört dieses Unternehmen nun aber auf zu existieren, so wird dem solventen Unternehmen zwangsweise ein Arbeitnehmer aufgedrängt bzw. muss der Arbeitnehmer zu dem vertragsfremden Unternehmen wechseln, da eine Durchführung im Wege einer betriebsinternen Leihe mangels Verleiher unmöglich ist. Insoweit bestehen aber gegen den zwangsweisen Wechsel des Vertragspartners die gleichen Bedenken wie sie soeben im Rahmen der gemeinsamen Sozialauswahl erhoben wurden.

§ 22 Lösung anhand der beiden Grundmodelle des gemeinsamen Betriebes Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass eine unmodifizierte Anwendung des Kündigungsschutztes im gemeinsamen Betrieb zu zahlreichen Schwierigkeiten führt. Es stellt sich daher die Frage, inwieweit die im dritten Kapitel herausgearbeiteten Grundmodelle in Bezug auf diese Probleme zu unterschiedlichen Ergebnissen führen.

A. Lösung auf Grundlage der Meinung, welche die Auflösung für unbeachtlich hält Räumt man der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines der am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen grundsätzlich keine Be272 Vgl. Annuß in NZA Sonderheft 2001, 12, 23; Annuß/Hohenstatt NZA 2004, 420, 422.

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deutung für den Bestand des Betriebes ein,273 so besteht dieser unverändert fort, bis er im Wege einer Betriebsänderung gem. § 111 BetrVG gespalten wird. Dies bedeutet, dass sich sämtliche der oben erläuterten Probleme des gemeinsamen Betriebes stellen. I. Möglichkeit der Anwendung des Insolvenzarbeitsrechts im gesamten gemeinsamen Betrieb Es stellt sich damit die Frage, wie diese Probleme zu lösen sind. Keine Möglichkeit ist es, das Arbeitsrecht der InsO auch auf Maßnahmen der solventen Unternehmen anzuwenden. Dies würde eine planwidrige Regelungslücke des Gesetzes gemessen an der gesamten geltenden Rechtsordnung voraussetzen.274 Dies erscheint fraglich, da die Beschränkung der Arbeitnehmerrechte in der InsO vom Gesetzgeber bewusst auf die wirtschaftliche Ausnahmesituation der Insolvenz begrenzt wurde. Darüber hinaus wäre aber erforderlich, dass die zu entscheidende Interessenlage der gesetzlichen so ähnlich ist, dass die Gesetzgebung die getroffene Regelung auch für diesen Sachverhalt vorsehen würde.275 Die mit dem Insolvenzarbeitsrecht einhergehenden Einschränkungen und Verkürzungen des allgemeinen Kündigungsschutzes sind nur vor dem Hintergrund des Ausgleiches der Arbeitnehmerinteressen mit denen der übrigen Gläubiger zu rechtfertigen. Außerhalb der Insolvenz eines Unternehmens besteht keine solche Verteilungsknappheit, die eine Verkürzung der Arbeitnehmerrechte begründen könnte. Hier hat der Gesetzgeber mit der arbeitsrechtlichen Gesetzgebung vielmehr eine Grundentscheidung für einen umfassenden Arbeitnehmerschutz getroffen. Eine analoge Anwendung der „Ausnahmevorschriften“ §§ 113, 125–127 InsO auf Maßnahmen der solventen Unternehmen kommt daher nicht in Betracht. II. Vorverlagerung des Auflösungszeitpunktes Die Rechtsprechungspraxis behilft sich wie bereits erwähnt damit, dass sie den Zeitpunkt, ab dem eine einheitliche Sozialauswahl im gemeinsamen Betrieb nicht mehr zu erfolgen hat, vorverlegt.276 In seiner Entscheidung vom 17.01. 2002277 hat der zweite Senat ausdrücklich ausgeführt, dass „ein etwaiger Gemeinschaftsbetrieb zwischen der Gemeinschuldnerin und einem anderen Unter273 So BAG AP Nr. 42 zu § 111 BetrVG 1972, Bl. 1127 Rs., LAG Frankfurt BB 2002, 1421, 1424; Fitting, BetrVG, § 1 Rn 101; Trümner in D/K/K, BetrVG, § 1 Rn 158. 274 Canaris, Lücken, S. 39; Rüthers, Rechtstheorie, Rn 832 ff. 275 Larenz, Methodenlehre, S. 381 f.; Rüthers, Rechtstheorie, Rn 889. 276 Vgl. zu dieser Rechtsprechung bereits oben § 13 C.I.2. 277 BB 2003, 209.

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nehmen (. . .) durch die in Abstimmung mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter getroffene Entscheidung, den Betrieb stillzulegen, und die nachfolgend durchgeführte Suspendierung aller Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin aufgelöst“ wird. Noch weiter gehen das LAG Berlin278 und das LAG Bremen.279 Diese nehmen an, dass eine gemeinsame Sozialauswahl entfällt, wenn zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung die Auflösung des gemeinsamen Betriebes bereits greifbare Formen angenommen hat. Damit wird an die Rechtsprechung des BAG zur Kündigung im Zusammenhang mit einer Betriebstilllegung angeknüpft, wonach ausreichend ist, dass im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung die unternehmerische Entscheidung zur Stilllegung des Betriebes bereits greifbare Formen angenommen hat und eine vernünftige betriebswirtschaftliche Betrachtung die Prognose rechtfertigt, dass der Arbeitnehmer bis zum Ablaufen der Kündigungsfrist entbehrt werden kann.280 Diesem Ansatz hat sich der zweite Senat des BAG ausdrücklich angeschlossen. Es genüge, wenn im Zeitpunkt der Kündigung feststeht, dass eines der am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen seinen in den gemeinsamen Betrieb eingebrachten Betriebsteil bis zum Ablauf der Kündigungsfrist stilllegen wird.281 III. Kritik und Stellungnahme Diese Rechtsprechung erscheint gleich aus mehreren Gesichtspunkten problematisch. Zunächst einmal steht ihr das Urteil des siebten Senates vom 19.11.2003282 entgegen. In dieser Entscheidung geht der siebte Senat davon aus, dass der gemeinsame Betrieb durch die Stilllegung sämtlicher Betriebsabteilungen, die einem am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen zuzuordnen sind, nicht aufgelöst wird.283 Auch wenn dieser Rechtsprechung nicht zuzustimmen ist, so stellt sich für die Praxis in jedem Fall das Problem, mit divergierenden Entscheidungen konfrontiert zu sein. Auch dogmatisch kann diese Lösung nicht befriedigen. Während den Kündigungsgründen nach allgemeiner Ansicht ein Prognosecharakter zuzubilligen ist,284 ist für die Beurteilung der Sozialwidrigkeit der Kündigung allein die ob278

ZIP 2003, 546, 547. AP Nr. 15 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, Bl. 179 Rs. 280 BAG AP Nr. 41 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, Bl. 146; BAG NJW 2001, 2116, 2117; v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn 415 ff. 281 BAG ZinsO 2004, 1095, 1097; BAG NZA 2004, 477, 478 = ZIP 2004, 966, 967; NZA 2005, 867, 868. 282 NZA 2004, 435. 283 Vgl. zu dieser Entscheidung oben § 14 C. 284 BAG NZA 1989, 633; Dörner in APS, § 1 KSchG Rn 73; ErfKO-Ascheid, § 1 KSchG Rn 125 f.; Kittner in KSchR, § 1 KSchG Rn 47; vgl. auch BAG AP Nr. 53 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, Bl. 1625 Rs. 279

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jektive Rechtslage zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung maßgeblich.285 In Bezug auf den betriebsbedingten Kündigungsgrund stellt sich die angebliche Vorverlagerung also nicht als Besonderheit dar. Vielmehr muss der Kündigungsgrund aufgrund der negativen Zukunftsprognose nicht nur zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung, sondern aller Voraussicht nach auch im Zeitpunkt des Ablaufes der Kündigungsfrist gegeben sein. Aus diesem Grund muss es auch genügen, wenn der Kündigungsgrund im Zeitpunkt des Ablaufes der Kündigungsfrist verwirklicht ist. Denn bis zu diesem Zeitpunkt ist der Arbeitgeber ohnehin weiter zur Beschäftigung des Arbeitnehmers verpflichtet, da das Arbeitsverhältnis fortdauert. Demgegenüber ist die Sozialauswahl nicht zukunftsbezogen ausgestaltet.286 Der Arbeitgeber kann nur die ihm im Zeitpunkt der Kündigungserklärung bekannten Sozialdaten in die Sozialauswahl einbeziehen. Jede andere Betrachtungsweise machte den Ausspruch einer Kündigung gerade bei längeren Kündigungsfristen unmöglich, da etwa die Geburt eines Kindes und damit eine Veränderung der Sozialdaten nie auszuschließen wäre. Insoweit stellt es eine begründungsbedürftige Ausnahme dar, warum im gemeinsamen Betrieb die Sozialauswahl nicht aufgrund der Rechts- und Sachlage im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung durchgeführt, sondern auf einen späteren Zeitpunkt abgestellt wird. Eine Begründung für diese Ausnahme wird in den Urteilen des BAG und der LAG nicht gegeben. Letztlich argumentieren beide Gerichte vom Ergebnis ausgehend, da sie eine gemeinsame Sozialauswahl im gemeinsamen Betrieb für undurchführbar halten, wenn eines der beteiligten Unternehmen seine betrieblichen Aktivitäten einstellt. Diese Erkenntnis ist zutreffend, wie gerade die vorstehende Analyse der Probleme des Kündigungsschutzes im gemeinsamen Betrieb in der Insolvenz ergeben hat. Jedoch ersetzt eine solche zutreffende Wertung keinesfalls das Erfordernis einer zutreffenden dogmatischen Begründung. Schließlich begegnet diese Lösung auch praktischen Schwierigkeiten. Nach dem Urteil des zweiten Senates ist erforderlich, dass im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung feststeht, dass eines der am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen seinen in den gemeinsamen Betrieb eingebrachten Betriebsteil bis zum Ablauf der Kündigungsfrist stilllegen wird.287 Dies bedeutet einen nicht zu unterschätzenden Zeitdruck für den Insolvenzverwalter. Da in der Insolvenz gem. § 113 S. 2 InsO eine Höchstkündigungsfrist von drei Monaten gilt, kann 285 BAG AP Nr. 12 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, Bl. 468; BAG AP Nr. 75 zu § 613a BGB, Bl. 58; Kiel in APS, § 1 KSchG Rn 717; ErfKOAscheid, § 1 KSchG Rn 155; Kittner in KSchR, § 1 KSchG Rn 56. Dies gilt auch für die fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit Gaul in Gaul, Aktuelles AR I/2004, S. 182. 286 Vgl. BAG NZA 1997, 757; Dörner in APS, § 1 KSchG Rn 70; v. HoyningenHuene/Linck, KSchG, § 1 Rn 156. 287 BAG NZA 2004, 477, 478 = ZIP 2004, 966, 967; a. A. Gaul in Gaul, Aktuelles AR I/2004, S. 182 f.

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der Insolvenzverwalter frühestens drei Monate vor einer beabsichtigen Betriebsstilllegung Kündigungen aussprechen. Da oft kürzere Kündigungsfristen maßgeblich sein dürften, verringert sich dieser Zeitraum entsprechend. Sofern die übrigen Voraussetzung des § 111 BetrVG gegeben sind, sind zusätzlich die Beteiligungsrechte des Betriebsrates gem. §§ 111 ff. BetrVG zu beachten. Diese können nicht nur eine erhebliche Verzögerung der Stilllegung mit sich bringen, sie bedeuten u. U. auch, dass eine verlässliche Prognose über den Stilllegungszeitraum nicht möglich ist. Eine solche setzt der zweite Senat jedoch voraus. Noch problematischer ist, dass der Insolvenzverwalter sich nur dann auf die Rechtsprechung stützen kann, wenn er beabsichtigt, den Betrieb stillzulegen. Damit wird wiederum eine Sanierung oder ein teilweiser Personalabbau gegenüber der vollständigen Betriebsstilllegung benachteiligt. Insbesondere versagt die vorgeschlagene Lösung der Rechtsprechung in den Fällen, in denen der Insolvenzverwalter den Betrieb durch eine Personalreduzierung erst soweit saniert, dass dieser veräußert werden kann. Als einziger Ausweg des Insolvenzverwalters kommt in Betracht, den Betrieb im Wege einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG zu spalten und erst nach der Durchführung dieser Spaltung die erforderlichen Kündigungen auszusprechen. Daran ist problematisch, dass eine solche Betriebsänderung auch aufgrund der Beteiligungsrechte des Betriebsrates nach §§ 111 ff. BetrVG eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt.288 Während dieses Zeitraumes wird die Insolvenzmasse jedoch weiter durch die Personalkosten belastet. Insgesamt zeigt sich daher, dass die Probleme des Kündigungsschutzes auf der Grundlage der Ansicht, welche am Fortbestand des gemeinsamen Betriebes nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens festhält, nicht zufriedenstellend gelöst werden kann.

B. Lösung bei Annahme der Auflösung des gemeinsamen Betriebes durch den Eröffnungsbeschluss Demgegenüber werden die oben skizzierten Probleme des Kündigungsschutzes in der Insolvenz von der Ansicht vermieden, welche davon ausgeht, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens den gemeinsamen Betrieb auflöst.

288 Vgl. zu den zeitlichen Rahmenbedingungen und den Schwierigkeiten für Unternehmen die Verhandlungen zu beschleunigen Schweibert in W/H/S/S, Umstrukturierung, C. Rn 128 ff.

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I. Vermeidung der Anwendungsprobleme durch die Spaltung des gemeinsamen Betriebes Mit dem Wegfall der gemeinsamen Betriebsorganisation entfällt die Grundlage für eine einheitliche Sozialauswahl und eine unternehmensübergreifende Pflicht zur Weiterbeschäftigung. Der gemeinsame Betrieb entfaltet damit keine kündigungsrechtlichen Wirkungen mehr. Da nach der hier vertretenen Ansicht selbständige Betriebe entstehen,289 ist insoweit allein die dem insolventen Unternehmen zuzuordnende betriebliche Organisation der maßgebliche Bezugsrahmen für den Kündigungsschutz. Auf diese Weise ist gewährleistet, dass die auf die Insolvenzmasse beschränkte Kompetenz des Insolvenzverwalters sich mit der alleinigen betrieblichen Zuständigkeit deckt. Der Insolvenzverwalter wird also nicht durch eine unternehmensübergreifende Sozialauswahl oder die Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung am Ausspruch von Kündigungen gehindert, sondern den zum Masseerhalt notwendigen Personalabbau mit den Mitteln des Insolvenzarbeitsrecht durchsetzen. Darüber hinaus ist in Bezug auf die Voraussetzungen einer Betriebsänderung allein die betriebliche Organisation des insolventen Unternehmens maßgeblich, so dass es auch hier zu keinen Verschiebungen kommt. In den Betrieben des insolventen Unternehmens sind dann nur noch Arbeitnehmer beschäftigt, welche zu dem Insolvenzschuldner in einer arbeitsvertraglichen Beziehung stehen. Dies ist die Situation, welche auch dem Gesetzgeber der InsO vorschwebte, da allein diese Arbeitnehmer das Risiko der Insolvenz ihres Arbeitgebers tragen sollen. Nur gegenüber diesen Arbeitnehmern, welche auch Gläubiger des Insolvenzschuldners sind, sind die Einschnitte durch das Insolvenzarbeitsrecht mit dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung zu rechtfertigen. Denn nur diese Arbeitnehmer werden wie alle Gläubiger an dem Insolvenzverfahren beteiligt, welches gem. § 1 S. 1 InsO der gemeinschaftlichen Befriedigung aller Gläubiger dient.290 Da das Schuldnervermögen nicht mehr genügt, um sämtliche Forderungen gegen den Schuldner zu befriedigen, würde das normale System der Einzelzwangsvollstreckung zu ungerechten Ergebnissen führen, da es allein auf die Schnelligkeit der eigenen Vollstreckungsmaßnahmen ankäme.291 Um diesen Wettlauf der Gläubiger zu vermeiden, schafft die InsO ein gesetzliches Zwangsverfahren, welches die Einzelzwangsvollstreckung zugunsten einer gemeinschaftlichen Befriedigung ablöst.292 Dieses Verfahren erlegt allen Gläubigern 289

Vgl. dazu oben § 14 C.X. Vgl. Henckel in Jaeger, InsO, § 1 Rn 6; Prütting in Kübler/Prütting, InsO, § 1 Rn 13; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn 1.12. 291 Ganter in MünchKomm InsO, § 1 Rn 51; Bork, Insolvenzrecht, Rn 1; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn 2.01; Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 18. 292 Ganter in MünchKomm InsO, § 1 Rn 52; Bork, Insolvenzrecht, Rn 1; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn 2.04. 290

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ein Opfer auf, da aufgrund der Überschuldung keine vollständige Befriedigung möglich ist. Diese Belastung ist aber dadurch gerechtfertigt, dass die Gläubiger sich den Schuldner im Wege der eigenen Privatautonomie als Vertragspartner ausgesucht haben.293 Von daher haben sie eben dieses Insolvenzrisiko zu tragen. Eine Verlagerung dieses Risikos auf Dritte ist nicht angängig. Allein wer sich im Wege privatautonomer Entscheidung an den Insolvenzschuldner gebunden hat, muss die Einschnitte durch das Insolvenzverfahren ertragen. Gleichzeitig ergibt sich aus der gemeinschaftlichen Haftungsverwirklichung, dass grundsätzlich alle Gläubiger gleichbehandelt werden müssen, par condicio creditorum.294 Aus diesem Grund sind besondere Schutzrechte einzelner Gläubiger oder Gläubigergruppen erklärungsbedürftige Ausnahmen. Da das Arbeitsverhältnis die Existenzgrundlage der Arbeitnehmer bildet, ist es gerechtfertigt, dass ihre Verträge nicht dem Wahlrecht des Insolvenzverwalters gem. § 103 InsO unterfallen, sondern dass der allgemeine Kündigungsschutz sie im Vergleich zu anderen Vertragspartnern besser stellt.295 Da jedoch ein absoluter Schutz der Arbeitnehmer zu Lasten der Insolvenzmasse und damit der übrigen Gläubiger unvertretbar wäre, schränkt die InsO den Kündigungsschutz ein. Im Interesse der bestmöglichen Befriedigung aller Gläubiger darf diese Einschränkung in ihrer Wirksamkeit nicht beschränkt werden, wenn ein gewisser Personalabbau zum Erhalt der Masse unerlässlich ist. Von daher ist die Ansicht vorzugswürdig, welche die uneingeschränkte Anwendung des Insolvenzarbeitsrechts ermöglicht. II. Kritik und Stellungnahme Gegen diese Sichtweise wird angeführt, dass das Ende der gemeinsamen Betriebsorganisation zu einem Wegfall des Kündigungsschutzes gerade dann führen könnte, wenn dieser Schutz am dringendsten benötigt wird, nämlich in der Insolvenz des Arbeitnehmers. Ist die dem insolventen Unternehmen zuzuordnende Organisation zu klein, um den Schwellenwert des § 23 Abs. 1 KSchG zu erreichen, würde das KSchG aufgrund der Auflösung des gemeinsamen Betriebes keine Anwendung mehr finden. Die Arbeitnehmer könnten sich dann nicht mehr auf die Sozialwidrigkeit der Kündigung berufen. Dieses problematische Ergebnis wird jedoch entscheidend abgemildert. Zunächst einmal muss festgehalten werden, dass der Kündigungsschutz nicht vor der Insolvenz des Arbeitgebers schützen kann und soll. Im Übrigen kommt den

293 Vgl. Ganter in MünchKomm InsO, § 1 Rn 69 f.; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn 2.24 ff. 294 BGHZ 41, 98, 101; 88, 147, 151; Bork, Insolvenzrecht, Rn 2; ausführlich Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn 2.13 ff. 295 Kritisch jedoch Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn 1.07, 23.08.

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Arbeitnehmern die verfassungskonforme Auslegung der Kleinbetriebsklausel durch das BVerfG zugute, sofern der Insolvenzschuldner ein größeres Unternehmen betreibt, welches selbst genug Vertragsarbeitnehmer hat, um mindestens den Schwellenwert des § 23 Abs. 1 KSchG zu erreichen. Das BVerfG geht davon aus, dass die Anknüpfung an den Betrieb in § 23 Abs. 1 KSchG nicht dazu führen dürfe, dass auch Teile größerer Unternehmen vom allgemeinen Kündigungsschutz ausgenommen werden.296 Eine solche Ausnahme sei nicht von den gesetzgeberischen Gründen für die Kleinbetriebsklausel gedeckt und mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren.297 Dieses Urteil gibt zwar in mehrfacher Hinsicht Rätsel auf. Vor allem ist unklar, wann ein Betrieb Teil eines „größeres Unternehmen“ ist. Teilweise wird insoweit angenommen, dass jedes Unternehmen, welches selbst den Schwellenwert des § 23 Abs. 1 KSchG erreiche, dem KSchG unabhängig von der Betriebsgröße unterfalle.298 Andere wiederum gehen davon aus, dass eine Korrektur der Betriebsbegriffes nur in Ausnahmefällen notwendig ist.299 Festzuhalten ist insoweit, dass eine Anwendung des § 23 Abs. 1 KSchG dann nicht mehr in Betracht kommt, wenn der Schutzgedanke der Kleinbetriebsklausel für die Einheit nicht mehr zutrifft.300 Gerechtfertigt wird die Beschränkung des Kündigungsschutzes durch die enge persönliche Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Kleinbetrieb sowie durch die geringere verwaltungstechnische und finanzielle Belastbarkeit.301 Wann diese Schutzgedanken auf ein Unternehmen nicht mehr zutreffen, lässt sich in aller Regel nicht anhand eines abstrakten Schwellenwertes, sondern nur auf der Grundlage der individuellen Verhältnisse prüfen. Von der Kleinbetriebsklausel erfasst werden wohl im Wesentlichen die in Handwerk, Kleinhandel und anderen Dienstleistungsunternehmen zu findenden Betriebsstätten.302 Gehört der Kleinbetrieb demgegenüber einem industriellen Großunternehmen an, so wird man das KSchG in verfassungskonformer Auslegung entgegen dem Wortlaut des § 23 Abs. 1 KSchG in aller Regel anzuwenden haben. Erreicht die Zahl der vom insolventen Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer daher insgesamt nicht den Schwellenwert des § 23 Abs. 1 KSchG, so ist die Nichtanwendung des KSchG infolge der Auflösung des gemeinsamen Be296

BVerfGE 97, 169, 184. BVerfGE ebendort. 298 ErfKO-Ascheid, § 23 KSchG Rn 4; Preis in Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigungsschutz, Rn 892; Löwisch BB 2004, 154, 161. 299 Moll in APS, § 23 KSchG Rn 8, 40; Pods/Quecke in ArbRKo, § 23 KSchG Rn 9; v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 23 Rn 19b; zurückhaltend auch BAG AP Nr. 20 zu § 23 KSchG 1969, Bl. 810 Rs. f. 300 BVerfGE 97, 169, 184; Moll in APS, § 23 KSchG Rn 40; Dörner in Bader/ Bram/Dörner/Wenzel, KSchG, § 23 Rn 12. 301 BVerfGE 97, 169, 177 f.; Moll in APS, § 23 KSchG Rn 40; Preis in Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigungsschutz, Rn 892. 302 Dörner in Bader/Bram/Dörner/Wenzel, KSchG, § 23 Rn 12. 297

§ 22 Lösung anhand der beiden Grundmodelle

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triebes hinzunehmen. Zum einen schlagen bei einem solchen Unternehmen die Schutzgedanken der Kleinbetriebklausel voll durch. Zum anderen wird ein Unternehmen dieser Größe in aller Regel kaum über eine große Kapitaldecke verfügen, so dass der Erhalt der Insolvenzmasse besonders eilbedürftiger Maßnahmen bedarf. Würde man in diesem erst eine Spaltung des gemeinsamen Betriebes verlangen, würde dies in aller Regel zu einer Masseunzulänglichkeit führen, womit das Insolvenzverfahren sein eigentliches Ziel der Gläubigerbefriedigung nicht erreichen könnte. Des Weiteren wird dieses Ergebnis auch dadurch gemildert, dass der allgemeine Kündigungsschutz durch die InsO stark eingeschränkt wird. Damit ist die Schlechterstellung der Arbeitnehmer im Verhältnis zum allgemeinen Arbeitsrecht nicht erheblich. Hält man sich weiter vor Augen, dass der Kündigungsschutz unter diesen Umständen eine besondere Ungleichbehandlung gegenüber den übrigen Gläubigern bewirken würde, so erscheint der Schutz der Arbeitnehmer durch die Kündigungsfrist und den möglichen Bezug von Insolvenzgeld ausreichend. Darüber hinaus ist letztlich davon auszugehen, dass auch die erste Auffassung zu diesem Ergebnis führt. Dies gilt zumindest dann, wenn man der Lösung der Rechtsprechung folgt und den Zeitpunkt, ab dem keine gemeinsame Sozialauswahl zu erfolgen hat, vorverlegt.303 Denn dann würde bereits ab dem Zeitpunkt des Stilllegungsentschlusses keine Sozialauswahl mehr durchzuführen sein. Letztlich käme einem durchzuführenden Beteiligungsverfahren gem. § 111 f. BetrVG damit keine verzögernde Wirkung im Hinblick auf den Ausspruch der Kündigungen zu.304 Da bei einer vollständigen Betriebsstilllegung zum einen ein betriebsbedingte Kündigungsgrund gegeben ist,305 zum anderen die Notwendigkeit einer Sozialauswahl entfällt,306 wirkt sich die sofortige Auflösung in diesen Fällen nicht nachteilig aus. Darüber hinaus müssten die Erwägungen für eine vorzeitige Beendigung der gemeinsamen Sozialauswahl auch für die unternehmensübergreifende Weiterbeschäftigung zutreffen, da auch diese die Möglichkeit der Einflussnahme auf die übrigen am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen voraussetzt. Des Weiteren ist nicht klar, ob die Abteilungen, welche zuvor in den gemeinsamen Betrieb eingebracht wurden, auch als selbstständiger Betrieb weiter existieren können. Es sind durchaus Situationen denkbar, wo sie einer anderen größeren betrieblichen Organisation leitungsmäßig zugeordnet werden.307 In diesem Fall wird man im Interesse der Arbeitnehmer das KSchG anzuwenden 303

So BAG ZInsO 2004, 1095, 1096 f.; BAG NZA 2004, 477, 478 f. Vgl. zur Beteiligung nach §§ 111 ff. BetrVG unten § 25. 305 Statt vieler BAG AP Nr. 41 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, Bl. 146 Rs.; BAG NJW 2001, 2116, 2117; Kiel in APS, § 1 KSchG Rn 488; KREtzel, § 1 KSchG 579; v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn 414. 306 BAG NZA 1997, 92; NZA 2002, 1111; Kiel in APS, § 1 KSchG Rn 493. 307 Zum betriebsverfassungsrechtlichen Schicksal nach der Auflösung siehe unten § 28 C. 304

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Kap. 4: Kündigungsschutz in der Insolvenz

haben, obwohl die Betriebsänderung und insbesondere ein mögliches Beteiligungsverfahren nach § 111 ff. BetrVG noch nicht abgeschlossen ist. Die sofortige Auflösung des gemeinsamen Betriebes führt zu einer vollständigen Durchsetzung des Insolvenzarbeitsrechtes. Sie wird damit sowohl der vom Gesetzgeber angedachten gemeinsamen Befriedigung der Gläubiger als auch der damit verbundenen Verteilung des Insolvenzrisikos auf alle Gläubiger gerecht. Soweit in Kleinunternehmen die Auflösung des gemeinsamen Betriebes zum Wegfall der Anwendungsvoraussetzungen des KSchG führt, ist dies als Folge des gesetzlich festgelegten Schwellenwertes hinzunehmen. Insgesamt ist daher der zweiten Ansicht zuzustimmen. Sie ermöglicht eine bruchlose Anwendung des Insolvenzarbeitsrechtes und fügt sich in die vom Gesetzgeber angedachte Verteilung des Insolvenzrisikos ein. Die Schwierigkeiten, welche die erste Auffassung nicht zufriedenstellend zu lösen vermag, stellen sich auf der Grundlage dieser Ansicht erst gar nicht. Sie hat vor allem für die Arbeitnehmer der solventen Unternehmen den klaren Vorteil, nicht das Insolvenzrisiko des vertragsfremden Unternehmens tragen zu müssen. So wird eine ungerechtfertigte Privilegierung der Arbeitnehmer des insolventen Unternehmens und eine Verlagerung des Insolvenzrisikos vermieden. Für die am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen besteht der Vorteil, dass die betrieblichen Abläufe weniger gestört werden, als wenn diese eigene Arbeitnehmer infolge der gemeinsamen Sozialauswahl entlassen müssten. Die solventen Unternehmen müssen damit lediglich auf die rein tatsächlichen Umstellungen im Rahmen der zuvor gemeinsamen Arbeitsabläufe reagieren, eine Beteiligung am insolvenzbedingten Personalabbau erübrigt sich jedoch. Dies erscheint auch gerechtfertigt, da die Unternehmen ohnehin mit den Folgen der Insolvenz ihres bisherigen Vertragspartners belastet sind. So müssen eventuelle gemeinsam angemietete Räumlichkeiten gekündigt werden, bzw. gemeinsam angeschaffte Betriebsmittel verteilt werden. Eine endgültige Stellungnahme kann aber nur unter Berücksichtigung der betriebsverfassungsrechtlichen Verhältnisse erfolgen, welche im Folgenden fünften Kapitel dargestellt werden.

§ 23 Exkurs: Betriebsübergang im gemeinsamen Betrieb Im Rahmen der vorstehenden Darstellung zum Schicksal des gemeinsamen Betriebes und der dort geltenden Betriebsvereinbarungen wurde davon ausgegangen, dass kein Betriebsübergang im Sinne des § 613a BGB vorliegt. Da ein solcher jedoch grundsätzlich möglich ist, sollen nun die genauen Voraussetzungen des Betriebsübergangs im gemeinsamen Betreib untersucht werden. Dies ist schon deshalb geboten, weil der gemeinsame Betrieb unter Umständen sogar Anreize zu einer Betriebsübernahme schafft.

§ 23 Exkurs: Betriebsübergang im gemeinsamen Betrieb

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Der gemeinsame Betrieb ist von einem arbeitgeberübergreifenden Einsatz der personellen und sachlichen Betriebsmittel gekennzeichnet. Dies vermittelt den beteiligten Unternehmen Kenntnisse über die Aufträge, das Personal und die verfügbaren technischen Einrichtungen der Partner. Scheidet nun einer dieser Partner infolge der Insolvenz aus dem gemeinsamen Betrieb aus, so ist durchaus denkbar, dass die übrigen Unternehmen ein Interesse daran haben, Aufträge sowie unter Umständen Betriebsmittel zu übernehmen. In diesem Zusammenhang stellt sich dann die Frage, wann es zu einem Betriebsübergang im gemeinsamen Betrieb kommt. Da es nicht Aufgabe der vorliegenden Untersuchung sein kann, die Voraussetzungen eines Betriebsüberganges in der Insolvenz umfassend darzustellen, wird dabei nur auf die Besonderheiten in Bezug auf den gemeinsamen Betrieb eingegangen.308

A. Betriebsübergang auf Grundlage des Modells, welches von einer Spaltung des gemeinsamen Betriebes durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeht Dieser Ansicht zufolge wird der gemeinsame Betrieb durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gespalten. Dies führt zu einem Ausscheiden des Betriebsteils des Gemeinschuldners aus der Identität des gemeinsamen Betriebes, und zwar unabhängig davon, ob der gemeinsame Betrieb trotz der Spaltung im Übrigen fortbesteht.309 Demzufolge ist nach dieser Ansicht ein Betriebsübergang nach der Eröffnung des Verfahrens kein interner Vorgang innerhalb des gemeinsamen Betriebes. Insoweit bestehen also keine Besonderheiten zu einem gewöhnlichen Betriebs- bzw. Betriebsteilübergang. Die Anwendung des § 613a BGB, welche europarechtlich nicht geboten ist,310 wird im Insolvenzverfahren durch § 128 InsO modifiziert. Dabei erweitert § 128 Abs. 2 InsO die Vermutungswirkung der §§ 125 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 126 Abs. 1 S. 1 InsO dahingehend, dass vermutet wird, dass die Kündigung nicht wegen des Betriebsüberganges erfolgt ist, also nicht gegen § 613a Abs. 4 S. 1 BGB verstößt. Daneben ermöglicht § 128 Abs. 1 InsO die Anwendung der §§ 125 bis 127 InsO, wenn die Betriebsänderung, welche dem Interessenausgleich oder dem Feststellungsantrag zugrunde liegt, erst nach dem Betriebsübergang vom Erwerber durchgeführt wird. Das Bundesarbeitsgericht hat jüngst anerkannt, dass eine Kündigung vor dem Betriebsübergang aufgrund eines Sanierungskonzeptes des Erwerbers unter gewissen Voraussetzungen möglich ist.311 308 Vgl. zu den Voraussetzungen des § 613a BGB umfassend Willemsen in W/H/S/ S, Umstrukturierung, G Rn 31 ff. 309 Vgl. dazu unten § 28 C. 310 Irschlinger in HK-InsO, § 128 Rn 1; Löwisch/Caspers in MünchKomm InsO, § 128 Rn 2.

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Kap. 4: Kündigungsschutz in der Insolvenz

Unklar, aber vor dem Hintergrund des Untersuchungsgegenstandes unbedeutend ist gegenwärtig, ob dies auch außerhalb der Insolvenz gilt.312 Der Anwendungsbereich des § 128 InsO wird also maßgeblich durch die jeweils zugrundegelegte Reichweite der §§ 125, 126 InsO beeinflusst.313 Damit setzt § 128 nach der hier vertretenen Auffassung voraus, dass eine Betriebsänderung i. S. d. § 111 BetrVG vorliegt.

B. Betriebsübergang im fortbestehenden gemeinsamen Betrieb Da nach der Gegenauffassung der gemeinsame Betrieb über den Zeitpunkt des Eröffnungsbeschlusses hinaus fortbesteht, stellt sich die Frage, wann hier ein Betriebsübergang i. S. d. § 613a BGB vorliegt. Die Rechtslage entspricht damit der, welche ein vorläufiger Insolvenzverwalter antreffen würde, so dass die hier gefundenen Ergebnisse auf diesen Verfahrensabschnitt übertragbar sind. I. Möglichkeit des Betriebsübergangs im gemeinsamen Betrieb An einem Betriebsübergang könnten sich zunächst Zweifel ergeben, da die betriebliche Identität als solche fortbesteht. Jedoch wurde bereits darauf hingewiesen, dass der EuGH in Bezug auf den Betriebsübergang einen vom deutschen Verständnis abweichenden Betriebsbegriff vertritt.314 Fraglich ist, ob die in den gemeinsamen Betrieb eingebrachten Organisationen der Unternehmen selbstständige wirtschaftliche Einheiten im Sinnde der EuGH-Rechtsprechung bilden.315 Das Bundesarbeitsgericht geht davon aus, dass die eingebrachten Organisationen stets übergangsfähige Betriebteile bilden, da die weiterbestehende vertragliche Zuordnung aus Rechtsgründen zu abgrenzbaren Einheiten führe.316 Dem wird man in dieser Allgemeinheit nicht zustimmen können.317 Gerade im Falle einer langandauernden betrieblichen Zusammenarbeit ist es denkbar, dass die arbeitsvertragliche Zuordnung keine Rolle mehr spielt. In diesen Fällen sind aus Rechtsgründen abgrenzbare Einheiten nicht festzustellen.318 Dies kann ins311

BAG NZA 2003, 1027; vgl. dazu Schumacher-Mohr NZA 2004, 629 ff. Ablehnend LAG Köln ZIP 2003, 2042; bejahend Annuß/Stamer NZA 2003, 1247, 1248. 313 Vgl. Löwisch/Caspers in MünchKomm InsO, § 128 Rn 4; sowie oben § 20 C.III.1.b). 314 Vgl. dazu oben § 4. 315 Vgl. zu den Anforderungen an eine selbständige wirtschaftliche Einheit Willemsen in W/H/S/S, Umstrukturierung, G Rn 10 ff. 316 BAG v. 29.08.1999, 8 AZR 588/98 (n. v.), unter B.2.c)ee) der Gründe. 317 Gaul, Betriebsspaltung, § 9 Rn 12, vgl. BAG NZA 2006, 592, 594. 318 Gaul, Betriebsspaltung, § 9 Rn 12. 312

§ 23 Exkurs: Betriebsübergang im gemeinsamen Betrieb

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besondere dann der Fall sein, wenn die rechtliche Trennung der Unternehmen lediglich haftungsrechtliche Gründe hat, aber im betrieblichen Ablauf keine Rolle spielt und den Arbeitnehmern, etwa aufgrund der Identität der Geschäftsleitung, nicht bewusst ist. Letztlich kommt es stets auf die Umstände des Einzelfalles an, wobei man für einen abgrenzbaren Betriebsteil verlangen müssen wird, dass die Entscheidungen in personeller und sozialer Hinsicht von den Unternehmen innerhalb des Betriebes relativ selbständig getroffen werden.319 Geht man davon aus, dass die in den gemeinsamen Betrieb eingebrachten Organisationsteile abgrenzbare wirtschaftliche Einheiten im Sinne des EuGH bilden, so ist auch im gemeinsamen Betrieb ein Betriebs- bzw. ein Betriebsteilübergang möglich.320 Diese wirtschaftlichen Einheiten müssten dann unter Wahrung ihrer Identität auf einen Erwerber übertragen werden.321 Voraussetzung ist in diesem Zusammenhang stets, dass es zu einem Inhaberwechsel kommt.322 Die wirtschaftliche Einheit muss daher vom bisherigen Unternehmen auf einen anderen am gemeinsamen Betrieb beteiligten Rechtsträger übergehen. Angesichts des durch § 613a BGB beabsichtigten Arbeitnehmerschutzes macht es keinen Unterschied, ob dieser neue Inhaber zuvor am gemeinsamen Betrieb beteiligt war oder ob die Übertragung auf einen Dritten erfolgt.323 Die Übernahme durch einen Dritten würde dann jedoch dessen Eintritt in den gemeinsamen Betrieb oder die Ausgliederung des Betriebsteiles aus demselben voraussetzen.324 II. Voraussetzungen eines Betriebsübergangs im gemeinsamen Betrieb Für die Frage, ob ein Betriebsübergang vorliegt, kann es nicht allein auf die Nutzung solcher Betriebsmittel ankommen, auf die der mögliche Erwerber bereits innerhalb des gemeinsamen Betriebes Zugriff hatte.325 Vielmehr kann insoweit nur maßgeblich sein, dass der Erwerber nach dem Ausscheiden des anderen Unternehmens allein über die Verwendung der Betriebsmittel entscheiden kann.326 In diesem Zusammenhang ist die Übernahme eines wesentlichen Teiles 319

Gaul, Betriebsspaltung, § 9 Rn 13. LAG Frankfurt NZA-RR 1998, 242, 243; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 253; Gaul, Betriebsspaltung, § 9 Rn 5. 321 BAG NZA 1998, 31, 32; NZA 2006, 592, 594; BAG AP Nr. 190 zu § 613a BGB, Bl. 1337; ErfKO-Preis, § 613a BGB Rn 6; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 261. 322 BAG EzA § 613a BGB Nr. 33, S. 204; LAG Frankfurt NZA-RR 1998, 242, 243; Gaul, Betriebsspaltung, § 9 Rn 5; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 261; Schiefer NZA 1998, 1095, 1104 f.; vgl. auch EuGH EzA § 613a BGB Nr. 186, S. 3 f. 323 BAG v. 11.06.1995,3 AZR 238/95 (n. v.); Gaul, Betriebsspaltung, § 9 Rn 7, 14. 324 Gaul, Betriebsspaltung, § 9 Rn 16. 325 Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 261; Gaul, Betriebsspaltung, § 9 Rn 14. 326 Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 261; Gaul, Betriebsspaltung, § 9 Rn 14. 320

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Kap. 4: Kündigungsschutz in der Insolvenz

des Personals oder bestimmter Aufträge dann unbedeutend.327 In betriebsmittelarmen Betrieben ist demgegenüber von größerer Bedeutung, ob der nach Zahl und Sachkunde wesentliche Teil des Personales und Aufträge des ausgeschiedenen Unternehmens übernommen wurden.328 Demgemäß scheidet ein Betriebsübergang aus, wenn sich der verbliebene Unternehmer mit seinen bisherigen Arbeitnehmern nur noch seinen eigenen Aufträgen widmet.329 Besteht der gemeinsame Betrieb aus mehreren Unternehmen, so ist auch denkbar, dass diese den Betriebsteil des ausscheidenden Unternehmens unter den vorstehenden Voraussetzungen gemeinsam fortführen.330 Da die Unternehmen jedoch gemeinsam Arbeitgeber dieser Arbeitnehmer würden, müssten sie einen gemeinsamen Rechtsträger, etwa eine Außen-GbR, bilden.331 Es entstünde also ein Gemeinschaftsunternehmen der verbleibenden Rechtsträger. Dieses Gemeinschaftsunternehmen darf nicht mit der durch die Führungsvereinbarung gebildeten Gesellschaft verwechselt werden, welche gerade nicht Arbeitgeber der im gemeinsamen Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer wird. Die Arbeitgeberstellung verlangt zwingend, dass die Gesellschaft nach außen im Rechtsverkehr auftritt. Die Führungsvereinbarung führt aber zu einer Innengesellschaft. An dieser Innengesellschaft wären dann weiterhin mindestens drei Unternehmen beteiligt: die beiden im gemeinsamen Betrieb verbleibenden Rechtsträger, sowie als neuer Gesellschafter das von diesen Unternehmen gebildete Gemeinschaftsunternehmen, welches an die Stelle des ausgeschiedenen Rechtsträgers tritt. III. Problemfelder der gemeinsamen Betriebes im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang in der Insolvenz Kommt es nach diesem Modell zu einem Betriebsübergang im gemeinsamen Betrieb, so vermag § 128 InsO nur eingeschränkt zu wirken. Da er in seiner Anwendung von §§ 125, 126 InsO abhängig ist, teilt er deren Anwendungsschwierigkeiten im gemeinsamen Betrieb.332 Damit wird der Erhalt von Arbeitsplätzen durch eine übertragende Sanierung deutlich gefährdet, obwohl gerade im gemeinsamen Betrieb aufgrund der bestehenden Erfahrungen eine solche eher wahrscheinlich wäre.

327 BAG v. 29.08.1999, 8 AZR 588/98 (n. v.), unter B.2.c)dd) der Gründe; Gaul, Betriebsspaltung, § 9 Rn 14. 328 LAG Frankfurt NZA-RR 1998, 242, 243; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 261; Gaul, Betriebsspaltung, § 9 Rn 5. 329 LAG Frankfurt NZA-RR 1998, 242, 243; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 261; vgl. BAG NZA 2006, 592, 594. 330 Es kommt dann zu einem Teilbetriebsübergang, vgl. BAG BB 2003, 209, 212; Schmädicke/Glaser/Altmüller NZA-RR 2005, 393, 399. 331 Gaul, Betriebsspaltung, § 9 Rn 17. 332 Vgl. dazu oben § 21 A.II und A.III.

§ 24 Zusammenfassung der Ergebnisse des vierten Kapitels

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Problematisch ist der Fortbestand des gemeinsamen Betriebes auch vor dem Hintergrund der Kündigung aufgrund eines Erwerberkonzeptes. Da der gemeinsame Betrieb fortbestünde, käme es zu einer einheitlichen Sozialauswahl. Dann würde der Insolvenzverwalter aufgrund des Sanierungskonzeptes Kündigungen aussprechen, welche über die Sozialauswahl Arbeitnehmer des solventen Unternehmens träfen. Insoweit könnte das solvente Unternehmen eigenes Personal durch die Sanierung des insolventen Unternehmens verlieren. Da es anschließend zu einem Übergang des Arbeitsverhältnisse nach § 613a BGB käme, würde ein weiterer Teil der Arbeitnehmer des insolventen Unternehmens auf das solvente übergehen. Letztlich hätten so die ausscheidenden Arbeitnehmer des solventen Unternehmens die Sanierungslast mitzutragen. Das BAG hält aber die Kündigung aufgrund eines Erwerberkonzeptes nur für zulässig, wenn sie der Unternehmenssanierung dient.333 Dies ist bei Kündigungen, welche vertragsfremde Arbeitnehmer treffen, nur eingeschränkt der Fall. Dies zeigt wiederum, warum die gemeinsame Sozialauswahl im Fall der Insolvenz zu untragbaren Ergebnissen führt.

§ 24 Zusammenfassung der Ergebnisse des vierten Kapitels Der gemeinsame Betrieb ist die für den Kündigungsschutz relevante organisatorische Einheit. Er bildet den Rahmen für den betrieblichen Schwellenwert und die Sozialauswahl. Ein Weiterbeschäftigungsanspruch steht den im gemeinsamen Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern bei Arbeitsplätzen innerhalb des Betriebes gegenüber jedem Unternehmen, außerhalb nur gegenüber dem jeweiligen Vertragsarbeitgeber zu. Die einheitliche Handhabung des Kündigungsschutzes im gemeinsamen Betrieb führt in der Insolvenz eines der beteiligten Unternehmen zu untragbaren Ergebnissen. Das Insolvenzrisiko wird unzulässigerweise auf vertragsfremde Arbeitnehmer verlagert und die masseerhaltende Wirkung des Insolvenzarbeitsrechts wird stark geschmälert. Eine dogmatisch schlüssige Lösung bietet nur das Grundmodell, welches vom Erfordernis der Führungsvereinbarung ausgeht und § 728 Abs. 2 S. 1 BGB auf den gemeinsamen Betrieb anwendet. Allein die Spaltung des gemeinsamen Betriebes durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beseitigt die Anwendungsschwierigkeiten des Insolvenzarbeitsrechts und verhilft dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung zur Geltung.

333

BAG NZA 2003, 1027, 1029.

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Kap. 4: Kündigungsschutz in der Insolvenz

Das Gegenmodell kann sich insoweit nur mit einer dogmatisch unzulässigen Vorverlagerung des Endes der einheitlichen Sozialauswahl helfen, um über diesen Umweg zu denselben Ergebnissen zu gelangen. Ein Betriebsübergang ist auch im gemeinsamen Betrieb möglich. Er unterliegt hier den gewöhnlichen Voraussetzungen. Aus diesem Grund ist für einen Betriebsübergang nicht allein die Fortführung des bisherigen eigenen Betriebsteils ausreichend. Vielmehr müssen sächliche und/oder personelle Betriebsmittel sowie Aufträge des ausscheidenden Unternehmens übernommen werden.

Kapitel 5

Die betriebsverfassungsrechtlichen Auswirkungen der Insolvenz auf den gemeinsamen Betrieb Das vierte Kapitel hat die Probleme des Kündigungsschutzes im gemeinsamen Betrieb in der Insolvenzsituation beleuchtet. Die Analyse wäre jedoch unvollständig, wenn nicht auch auf die betriebsverfassungsrechtlichen Fragestellungen eingegangen würde. Dabei soll dieses Kapitel im Ansatz und Aufbau dem vorstehenden folgen. Wiederum kann es im Rahmen der vorliegenden Untersuchung dabei nicht um eine umfassende Darstellung sämtlicher mit dem gemeinsamen Betrieb verbundenen betriebsverfassungsrechtlichen Fragestellungen gehen. Vielmehr werden nur solche Fragestellungen behandelt, welche für das Schicksal des gemeinsamen Betriebes in der Insolvenz von Bedeutung sind.

§ 25 Betriebsverfassungsrechtliche Probleme des gemeinsamen Betriebes Dem soeben erläuterten Untersuchungsumfang entsprechend beschränkt sich die Untersuchung hauptsächlich auf die Anwendbarkeit der §§ 111 ff. BetrVG im gemeinsamen Betrieb. Dies ist zum einen dadurch bedingt, dass nach einem der denkbaren dogmatischen Grundmodelle der gemeinsame Betrieb durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines der am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen gespalten wird. Zum anderen kommt den Beteiligungsrechten gem. §§ 111 ff. BetrVG in der Insolvenz besondere Bedeutung zu, da oft ein Personalabbau oder gar eine Betriebstilllegung durch den Insolvenzverwalter unabdingbar ist. Dementsprechend bleiben die Fragen, welche mit der Gründung des gemeinsamen Betriebes in Zusammenhang stehen, ebenso unerwähnt wie die Beteiligung des Betriebsrates in personellen und sozialen Angelegenheiten.1

A. Die Voraussetzungen des § 111 S. 1 BetrVG Als Ausgangspunkt kann festgehalten werden, dass die §§ 111 ff. BetrVG im gemeinsamen Betrieb uneingeschränkt Anwendung finden. Betrieb im Sinne 1

Vgl. dazu ausführlich Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 140 ff.

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Kap. 5: Die betriebsverfassungsrechtlichen Auswirkungen der Insolvenz

dieser Normen ist auch der gemeinsame Betrieb mehrerer Unternehmen.2 Sollten Beteiligungsrechte gem. § 111 ff. BetrVG bestehen, so werden sie von dem für den gemeinsamen Betrieb gebildeten Betriebsrat wahrgenommen.3 Die allgemeinen Voraussetzungen, welchen die Beteiligungsrechte nach § 111 ff. BetrVG unterliegen, finden sich in § 111 S. 1 BetrVG.4 Danach setzen die Beteiligungsrechte der §§ 111 ff. BetrVG neben einem bestehenden Betriebsrat eine Betriebsänderung und vor allem das Überschreiten des Schwellenwertes voraus. I. Betriebsänderung Zunächst einmal muss eine Betriebsänderung i. S. d. § 111 S. 1 BetrVG gegeben sein. In diesem Zusammenhang besteht seit längerem Streit darüber, ob die in § 111 S. 3 BetrVG aufgezählten Betriebsänderungen abschließend sind5 oder ob § 111 S. 1 BetrVG eine Generalklausel enthält, welche neben den Fällen des § 111 S. 3 BetrVG andere Betriebsänderungen erfasse.6 Da die praktisch relevanten Fälle durch § 111 S. 3 BetrVG erfasst sind, hat der Streit lediglich theoretische Bedeutung.7 Dies gilt insbesondere auch für die von Däubler8 diskutierten Fallkonstellationen, in denen der Streit eine praktische Konsequenz haben könnte. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung sind lediglich der Personalabbau, die Betriebsstilllegung und die Betriebsspaltung von Bedeutung. Diese Maßnahmen fallen sämtlich unter den Katalog des § 111 S. 3 BetrVG. So stellt die Beendigung des gemeinsamen Betriebes eine Spaltung i. S. d. § 111 S. 3 Nr. 3 BetrVG dar,9 die Verringerung der personellen Betriebsmittel bedeutet eine Einschränkung des Betriebes i. S. d. § 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG10 und die Betriebsstilllegung ist in § 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG ausdrücklich genannt. Für die 2 BAG AP Nr. 8 zu § 18 BetrVG 1972, Bl. 1523; AP Nr. 42 zu § 111 BetrVG 1972, Bl. 1127; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 174. 3 BAG AP Nr. 42 zu § 111 BetrVG 1972, Bl. 1127; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 174 f. 4 Schweibert in W/H/S/S, Umstrukturierung, C Rn 4. 5 So LAG Düsseldorf DB 1979, 114; Hohenstatt/Willemsen in ArbRKo, § 111 BetrVG Rn 20; Hess in H/S/WG, BetrVG § 111 Rn 16; Annuß in Richardi, BetrVG, § 111 Rn 41; Staufenbiel, Sozialplan, S. 29. 6 So LAG Baden-Württemberg LAGE § 111 BetrVG 1972 Nr. 6, S. 27; Däubler in D/K/K, BetrVG, § 111 Rn 92; Oetker in GK-BetrVG, § 111 Rn 34; Fitting, BetrVG, § 111 Rn 44. 7 ErfKO-Kania, § 111 BetrVG Rn 19; Fitting, BetrVG, § 111 Rn 44. 8 in D/K/K, BetrVG, § 111 Rn 96 ff. 9 LAG Nürnberg DB 1995, 1972; Däubler in D/K/K; BetrVG § 111 Rn 76; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 178; Gaul NZA 2003, 695, 696. 10 BAG AP Nr. 3 zu § 111 BetrVG 1972, Bl. 166 Rs.; AP Nr. 34 zu § 111 BetrVG 1972, Bl. 1258; BAG NZA 1997, 787, 788; Hohenstatt/Willemsen in ArbRKo, § 111 BetrVG Rn 27; Oetker in GK-BetrVG, § 111 Rn 65.

§ 25 Betriebsverfassungsrechtliche Probleme

219

Zwecke dieser Arbeit genügt es daher festzustellen, dass insoweit für den gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmen keine Besonderheiten gelten. Liegt ein Fall des § 111 S. 3 BetrVG vor, so wird nach zutreffender Ansicht fingiert, dass der Belegschaft oder einem wesentlichen Teil Nachteile drohen können.11 Dieses Merkmal braucht daher nicht gesondert geprüft zu werden. Im Übrigen bilden sämtliche Arbeitnehmer des gemeinsamen Betriebes die Belegschaft im Sinne des § 111 S. 1 BetrVG.12 Kommt es also für die Feststellung einer Betriebsänderung auf die Belegschaft an, so ist von der Arbeitnehmerzahl des gemeinsamen Betriebs auszugehen.13 Die Zahlenverhältnisse im Betrieb sind insbesondere für die Frage, wann ein wesentlicher Teil des Betriebes betroffen ist, und beim reinen Personalabbau von Belang.14 Das BAG geht davon aus, dass eine Maßnahme dann einen wesentlichen Betriebsteil betrifft, wenn die Schwellenwerte des § 17 Abs. 1 KSchG erreicht sind, mindestens jedoch 5% der Arbeitnehmer betroffen sind.15 Ob daneben ein Betriebsteil allein aufgrund seiner Bedeutung als „wesentlich“ anzusehen ist, ist ungeklärt.16 Das BAG hat diese Frage bisher offengelassen, jedoch einen wesentlichen Betriebsteil in den von ihm entschiedenen Fällen stets verneint.17 Im Bereich des bloßen Personalabbaus kann von einer Betriebsänderung nur gesprochen werden, wenn erhebliche Teile der Belegschaft erfasst sind.18 In diesem Zusammenhang werden ebenfalls die Zahlen- und Prozentangaben des § 17 KSchG zugrundegelegt.19 Problematisch ist jedoch, dass § 17 KSchG eine Mindestbetriebsgröße von 20 Arbeitnehmern voraussetzt, während § 111 S. 1 BetrVG diese Arbeitnehmerzahl nur für das Unternehmen verlangt. Unklar und 11 BAG AP Nr. 34 zu § 111 BetrVG 1972, Bl. 1257 Rs.; Fitting, BetrVG, § 111 Rn 42; im Ergebnis auch Oetker in GK-BetrVG, § 111 Rn 41 f., der von einer unwiderlegbaren Vermutung ausgeht. 12 BAG AP Nr. 8 zu § 18 BetrVG 1972, Bl. 1523; AP Nr. 42 zu § 111 BetrVG 1972, Bl. 1127; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 174 f. 13 BAG AP Nr. 8 zu § 18 BetrVG 1972, Bl. 1523; AP Nr. 42 zu § 111 BetrVG 1972, Bl. 1127; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 174 f. 14 Vgl. BAG AP Nr. 34 zu § 111 BetrVG 1972, Bl. 1258; Fitting, BetrVG, § 111 Rn 48, 69; Oetker in GK-BetrVG, § 111 Rn 82 ff.; 137. 15 BAG AP Nr. 26 zu § 111 BetrVG 1972, Bl. 1009; ErfKO-Kania, § 111 BetrVG Rn 8; Fitting, BetrVG, § 111 Rn 69; Oetker in GK-BetrVG, § 111 Rn 82 ff. 16 Vgl. Fitting, BetrVG, § 111 Rn 70; Oetker in GK-BetrVG, § 111 Rn 84 m.w. N. auch zur Gegenauffassung. 17 BAG AP Nr. 2 zu § 111 BetrVG 1972, Bl. 1140 Rs.; BAG AP Nr. 26 zu § 111 BetrVG 1972, Bl. 1010; BAG AP Nr. 34 zu § 111 BetrVG 1972, Bl. 1258 Rs. f. 18 BAG AP Nr. 2 zu § 111 BetrVG 1972, Bl. 1140 Rs.; AP Nr. 34 zu § 111 BetrVG 1972, Bl. 1258; Fitting, BetrVG § 111 Rn 74; Oetker in GK-BetrVG, § 111 Rn 68. 19 BAG AP Nr. 2 zu § 111 BetrVG 1972, Bl. 1140 Rs.; AP Nr. 34 zu § 111 BetrVG 1972, Bl. 1258; Fitting, BetrVG § 111 Rn 75; Oetker in GK-BetrVG, § 111 Rn 69.

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Kap. 5: Die betriebsverfassungsrechtlichen Auswirkungen der Insolvenz

nicht höchstrichterlich entschieden ist daher, welcher Schwellenwert für den Personalabbau in Kleinbetrieben eines Unternehmens, welches den Schwellenwert des § 111 S. 1 BetrVG überschreitet, zu gelten hat.20 Da die Sozialplanpflicht an das Vorliegen einer Betriebsänderung i. S. d. § 111 S. 1 BetrVG anknüpft,21 spricht viel dafür, dass beim Personalabbau Rückschlüsse aus § 112a Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zu ziehen sind. Dies indiziert einen Schwellenwert von sechs Arbeitnehmern. Im gemeinsamen Betrieb, der keine Mindestgröße der an ihm beteiligten Unternehmen festlegt, sind also durchaus Konstellationen denkbar, in denen ein Unternehmen fast seinen kompletten Personalbestand im gemeinsamen Betrieb abbaut, die Schwellenwerte in Bezug auf den gesamten Betrieb jedoch nicht erreicht werden.22 II. Schwellenwert Dies führt direkt zu der zweiten Voraussetzung des § 111 S. 1 BetrVG, dem Schwellenwert in Bezug auf die Unternehmensgröße. Vor der Änderung durch das Betriebsverfassungsreformgesetz stellt § 111 S. 1 BetrVG allein auf den Betrieb ab. Diese Regelung war jedoch derselben Kritik ausgesetzt wie der betriebsbezogene Schwellenwert des § 23 Abs. 1 KSchG.23 Zweck des Schwellenwertes ist es, Kleinunternehmen vor den finanziellen Belastungen des Beteiligungsverfahrens, insbesondere im Hinblick auf die Sozialplanpflichtigkeit zu schützen.24 Durch den Betriebsbezug kam dieser Schutzzweck jedoch auch Unternehmen zugute, welche sich in mehrere Kleinbetriebe organisierten, insgesamt jedoch über 20 Arbeitnehmer beschäftigten. Hierin wurde vielfach ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG gesehen.25 Anders als bei der Reform des KSchG hat der Gesetzgeber diesen Bedenken im Rahmen des BetrV-Reformgesetzes Rechnung getragen. Durch den Wechsel des Betriebs- zum Unternehmensbezug soll sichergestellt werden, dass der Schutzzweck der Norm, kleinere 20 Fitting, BetrVG, § 111 Rn 48; Löwisch BB 2001, 1790, 1797; gehen in Anlehnung an § 112a Abs. 1 Nr. 1 von 6 Arbeitnehmer aus. Däubler in D/K/K, BetrVG, § 111 Rn 45a plädiert für ein Drittel der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer. Oetker in GK-BetrVG, § 111 Rn 73 nimmt eine Mindestzahl von 3 Arbeitnehmern an. Ausführlich zu der Problematik Staufenbiel, Sozialplan, S. 33 ff. 21 Vgl. Hohenstatt/Willemsen in ArbRKo, § 112 BetrVG Rn 1; Oetker in GKBetrVG, §§ 112, 112a Rn 103; Staufenbiel, Sozialplan, S. 7. 22 Vgl. zu solchen Fallgestaltungen bereits oben § 21 A.II. 23 Vgl. dazu oben § 19. 24 Vgl. BAG AP Nr. 47 zu § 111 BetrVG 1972, Bl. 1603; Oetker in GK-BetrVG, § 111 Rn 7; Matthes in Münchner Handbuch AR, § 360 Rn 7. 25 BAG AP Nr. 47 zu § 111 BetrVG 1972, Bl. 1604 Rs. Vgl. auch Hohenstatt/Willemsen in ArbRKo, § 111 BetrVG Rn 12; Oetker in GK-BetrVG, § 111 Rn 7 jeweils m.w. N.

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Unternehmen vor zu starker Belastung durch Sozialpläne zu schützen, auch tatsächlich nur diesen Unternehmen zugute kommt.26 1. Unternehmensbezug des § 111 S. 1 BetrVG In Bezug auf den gemeinsamen Betrieb hat dieser Paradigmenwechsel zu einem heftigen Streit geführt, wie der Unternehmensbezug im gemeinsamen Betrieb umzusetzen sei. Die Unsicherheit ergibt sich wiederum daraus, dass der gemeinsame Betrieb als unternehmensübergreifende Organisation sich in die Systematik der Grundbegriffe Betrieb und Unternehmen nur bedingt einfügt.27 Das BetrVG setzt den Begriff des Unternehmens voraus, ohne ihn selbst zu definieren. Maßgeblich für den Unternehmensbegriff des BetrVG ist der allgemeine Unternehmensbegriff, für welchen die Einheit des Rechtsträgers maßgeblich ist.28 Überträgt man dies nun auf den gemeinsamen Betrieb, so ist man dort mit einer Mehrzahl von Rechtsträgern konfrontiert, die jeweils für sich ein Unternehmen im Sinne der Betriebsverfassung bilden. Insoweit legt es der Wortlaut nahe, für die Anwendbarkeit der §§ 111 ff. BetrVG auf die jeweilige Beschäftigtenzahl der Unternehmen abzustellen.29 Soweit Schweibert30 dagegen auf die Zahlenverhältnisse im gemeinsamen Betrieb abstellen will, sofern dieser als Gesellschaft bürgerlichen Rechts in Erscheinung tritt, beruht diese Überlegung auf der ungenügenden Unterscheidung von gemeinsamem Betrieb und Gemeinschaftsunternehmen. Tritt die Gesellschaft tatsächlich nach außen in Erscheinung, besteht also eine Außen-GbR, so liegt kein gemeinsamer Betrieb, sondern ein Gemeinschaftsunternehmen vor.31 Dann ist aber allein die GbR maßgeblicher Rechtsträger und damit Unternehmen i. S. d. § 111 S. 1 BetrVG, so dass insoweit keine besondere Konstellation vorliegt. Ein gemeinsamer Betrieb, welcher die rechtliche Selbständigkeit der Unternehmen unberührt lässt, kann nur existieren, wenn die Führungsvereinbarung eine Innengesellschaft bildet.

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Begr. RegE BT-Drucks. 14/5741, S. 51. Vgl. dazu bereits oben § 19. 28 BAG AP Nr. 7 zu § 47 BetrVG 1972, 1490; AP Nr. 9 zu § 47 BetrVG 1972, 203; ErfKO-Eisemann, § 47 BetrVG Rn 3; Fitting, BetrVG, § 47 Rn 9 f. 29 So Hohenstatt/Willemsen ArbRKo, § 111 BetrVG Rn 16; ErfKO-Kania, § 111 BetrVG Rn 5; Hess in H/S/W/G, BetrVG, § 111 Rn 12d; Annuß in Richardi, BetrVG, § 111 Rn 26; Röder/Baeck in Praxishandbuch BetrV, Kapitel 28 Rn 10; Staufenbiel, Sozialplan, S. 14; Lingemann, NZA 2002, 935, 937; Löwisch BB 2001, 1790, 1797; Reichold NZA 2001, 857, 865. 30 in W/H/S/S, Umstrukturierung, C Rn 11. 31 Vgl. dazu bereit oben § 9 A.I. 27

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2. Mögliche Ausnahme: der gemeinsame Betrieb Trotz des an sich eindeutigen Wortlautes hat sich eine Gegenansicht gebildet, welche wie vor der Reform auf die Arbeitnehmerzahl im gemeinsamen Betrieb abstellen möchte.32 Dies wird vor allem mit dem Anliegen des Gesetzgebers des Betriebsverfassungsreformgesetzes begründet. Dieser wollte die Beteiligung des Betriebsrates stärken und nicht einschränken.33 Diesem Zweck liefe es jedoch zuwider, wenn zuvor unstreitig von der Beteiligung erfasste gemeinsame Betriebe nun aus dem Anwendungsbereich des § 111 S. 1 BetrVG herausfielen.34 Darüber hinaus bezwecke der Gesetzgeber lediglich den Schutz von Kleinunternehmen vor zu starken finanziellen Belastungen. Dem werde im gemeinsamen Betrieb jedoch bereits dadurch genügt, dass die Lasten des Sozialplanes auf mehrere Unternehmen verteilt würden.35 Wer sich als Mitdirigent an einer größeren Einheit beteilige, müsse auch die entsprechenden Lasten tragen. Darüber hinaus ließen sich auch nur auf diesem Wege die schwer lösbaren Probleme vermeiden, welche entstünden, wenn lediglich eines der am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen den Schwellenwert erreiche.36 Schließlich stehe auch der Wortlaut des § 111 S. 1 BetrVG einer solchen Auslegung nicht entgegen, da das BAG37 auch für die Bildung eines Wirtschaftsausschusses gem. § 106 BetrVG auf den gemeinsamen Betrieb abgestellt habe, obwohl die Norm auf das Unternehmen abstellt.38 Der erste Senat des Bundesarbeitsgerichtes hat in seinem Beschluss vom 29. September 200439 für § 99 BetrVG entschieden, dass dieser entsprechend anzuwenden sei, wenn der gemeinsame Betrieb, nicht aber die beteiligten Unternehmen mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigen. Da § 99 BetrVG seit der Betriebsverfassungsreform im Jahre 2001 ebenfalls auf das Unternehmen und nicht mehr auf den Betrieb abstellt, liegt die Vermutung nahe, dass der Senat in Bezug auf den Schwellenwert des § 111 S. 1 BetrVG ähnlich entscheiden würde. Denn das BAG geht nicht davon aus, dass es den vom Gesetzgeber bewusst 32 LAG Berlin NZA-RR 2003, 477, 478; Däubler in D/K/K, BetrVG, § 111 Rn 24a; ders. AuR 2001, 285, 291; Gaul NZA 2003, 695; siehe auch Oetker GK-BetrVG, § 111 Rn 11, der eine analoge Anwendung des § 111 BetrVG befürwortet. 33 LAG Berlin NZA-RR 2003, 477, 478; Däubler in D/K/K, BetrVG, § 111 Rn 24a. 34 LAG Berlin NZA-RR 2003, 477, 478; Däubler in D/K/K, BetrVG, § 111 Rn 24a. 35 LAG Berlin NZA-RR 2003, 477, 478; Däubler in D/K/K, BetrVG, § 111 Rn 24a. 36 Däubler in D/K/K, BetrVG, § 111 Rn 24a; vgl. auch Richardi/Annuß DB 2001, 41, 45. 37 in NZA 1991, 643, 644. 38 LAG Berlin NZA-RR 2003, 477; Däubler in D/K/K, BetrVG, § 111 Rn 24a. 39 1 ABR 39/03, NZA 2005, 420.

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gewählten und fachsprachlich geklärten Begriff des „Unternehmens“ im Sinne von „Betrieb“ verstehen kann.40 Es sei aber eine den Wortlaut überschreitende Gesetzesananlogie von Verfassungs wegen, insbesondere durch Art. 3 Abs. 1 GG, geboten.41 Das BAG geht also von einer verfassungsrechtlich indizierten Regelungslücke aus.42 Der Gesetzgeber habe den Sonderfall des gemeinsamen Betriebes mehrerer Unternehmen nicht berücksichtigt. Auch der Zweck der Gesetzesänderung stehe dem nicht entgegen.43 Der Gesetzgeber habe den Schutz des Kleinunternehmers, der persönlich vor Ort mit seinen Arbeitnehmern zusammenarbeitet. Von einer solchen engen persönlichen und räumlichen Zusammenarbeit sei in einem größeren Betrieb mehrerer Unternehmen jedoch nicht auszugehen. 3. Stellungnahme Gegen eine grundsätzliche Gleichsetzung von Betrieb und Unternehmen ist neben dem klaren Wortlaut der Norm auch der Wille des Gesetzgebers anzuführen. Dieser wollte Kleinunternehmen vor zu starker Belastung schützen.44 Die rechtliche und damit die finanzielle Selbständigkeit der am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen wird durch die gemeinsame Betriebsorganisation nicht aufgehoben. Dementsprechend treffen die Belastungen durch den Sozialplan jedes Unternehmen individuell in seiner finanziellen Leistungsfähigkeit. Allein aus der Tatsache, dass mehrere Unternehmen an dem Sozialplan beteiligt sind, können daher keine Rückschlüsse über die finanzielle Belastung des einzelnen Unternehmens gezogen werden. Da nach richtiger Auffassung45 Anspruchsgegner der Sozialplanansprüche allein der Vertragsarbeitgeber ist, wird die finanzielle Belastung des einzelnen Unternehmens nicht dadurch gemildert, dass auch ein anderes Unternehmen seinen Vertragsarbeitnehmern Sozialplanentschädigungen zahlen muss. Da sich die Zahl und Höhe der Ansprüche vielmehr allein an der arbeitsvertraglichen Beziehung orientiert, wird es ebenso belastet, wie wenn es nicht am gemeinsamen Betrieb beteiligt wäre. Dies gilt selbst dann, wenn man mit Däubler46 von einer gesamtschuldnerischen Haftung 40

BAG NZA 2005, 420, 422. BAG BZA 2005, 420, 422; vgl. Jarass in Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rn 42, mit dem zutreffenden Hinweis, dass sich eine Rechtsfortbildung contra legem unter Berufung auf das Verfassungsrecht die Vorlagepflicht des Art. 100 GG beachten muss. 42 BAG NZA 2005, 420, 422; vgl. Dazu allgemein Jarass in Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rn 42. 43 BAG NZA 2005, 420. 423; vgl. Wieland in Dreier, GG, Art. 12 Rn 67, Verfassungsrechtlich ist die Unterscheidung zwischen Groß- und Kleinunternehmen gerechtfertigt, da sich in kleinen Betrieben der personelle Bezug der Berufsfreiheit des Unternehmers voll verwirklicht. 44 BT-Drucks. 14/5741, S. 51. 45 Vgl. dazu unten § 25 B.II.1. 41

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der beteiligten Unternehmen ausgeht. Denn die Verteilung der Belastung im Innenverhältnis gem. § 426 Abs. 1 S. 1 BGB kann sich nur an der jeweiligen Arbeitgeberstellung der Unternehmen orientieren. Der vom Gesetzgeber mit dem Schwellenwert beabsichtigte Schutz kleinerer Untenehmen hat also auch im gemeinsamen Betrieb Gültigkeit. Dieser Zweck muss sich auch gegenüber der allgemeinen Absicht, Beteiligungsrechte zu stärken, durchsetzen, da in diesem Fall der Gesetzgeber gerade die Beschränkung der Beteiligungsrechte nach § 111 S. 1 BetrVG beabsichtigte. Darüber hinaus verwischt die Gegenauffassung den allgemein anerkannten Unterschied zwischen einem Gemeinschaftsunternehmen und dem gemeinsamen Betrieb. Mit der Gründung des gemeinsamen Betriebes haben die beteiligten Unternehmen ihren Willen bekundet, gerade keinen neuen Rechtsträger zu schaffen. Diese Entscheidung ist als freie unternehmerische Organisationsentscheidung zu respektieren. Auch die angeführte Rechtsprechung des BAG zum Wirtschaftsausschuss vermag in dieser Frage nicht weiterzuhelfen. Das BAG hat die Abweichung vom Wortlaut mit einer planwidrigen Regelungslücke begründet.47 Dem Gesetzgeber des BetrVG 1972 sei das Phänomen des gemeinsamen Betriebes mehrerer Unternehmen nicht bekannt gewesen.48 Da der Wirtschaftsausschuss ein Hilfsorgan des Betriebsrates sei, hat das BAG diese Regelungslücke durch die Bildung des Wirtschaftsausschusses für den gemeinsamen Betrieb geschlossen.49 Das gleiche gilt für den Beschluss des ersten Senates zu § 99 BetrVG, der ebenfalls von einer Regelungslücke ausgeht.50 Eine gesetzliche Regelungslücke setzt eine planwidrige Unvollständigkeit der Gesetzesordnung, gemessen am Maßstab der gesamten Rechtsordnung voraus.51 Anders gewendet muss sich im Gesetzes- oder Gewohnheitsrecht keine Regelung finden, obwohl die Rechtsordnung in ihrer Gesamtheit eine solche erfordert.52 Dementsprechend müsste § 111 S. 1 BetrVG bzw. § 99 BetrVG eine Regelung zum gemeinsamen Betrieb nicht enthalten, obwohl eine solche erforderlich ist. Festzustellen ist daher zunächst, dass weder § 99 noch § 111 S. 1 BetrVG in ihrem Wortlaut auf den gemeinsamen Betrieb eingehen. Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung ist daher nicht vorhanden. Dabei ist jedoch nicht jedes Schweigen des Gesetzes als Lücke einzustufen, vielmehr kann das 46

in FS Zeuner, S. 19, 28. BAG NZA 1991, 643, 644. 48 BAG NZA 1991, 643, 644; siehe auch Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 11 Rn 5. 49 BAG NZA 1991, 643, 644; siehe auch Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 11 Rn 5. 50 BAG NZA 2005, 420. 51 Canaris, Lücken, S. 39; Larenz, Methodenlehre, S. 373; Rüthers, Rechtstheorie, Rn 832. 52 Canaris, Lücken, S. 39. 47

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Schweigen in dem Sinne planmäßig sein, dass es für einen anderen als den genannten Tatbestand die gesetzlich geregelte Rechtsfolge nicht vorsehen will.53 Da dem Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung die Unterscheidung zwischen Betrieb und Unternehmen geläufig war, spricht zunächst viel dafür, eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers anzunehmen.54 Darüber hinaus hat der Gesetzgeber ebenfalls im Betriebsverfassungs-Reformgesetz den gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmen in § 1 Abs. 1 S. 2 BetrVG dem Betrieb eines Unternehmens gleichgestellt, sowie in § 1 Abs. 2 BetrVG Vermutungstatbestände zu dessen Voraussetzungen normiert. Die Rechtsfolgen des gemeinsamen Betriebes wurden darüber hinaus in einigen Normen wie etwa § 47 Abs. 9 BetrVG geregelt. Es erscheint unwahrscheinlich, dass der Gesetzgeber innerhalb eines Gesetzgebungsverfahrens den gemeinsamen Betrieb an mehreren Stellen einer Regelung zuführt und an anderen schlicht vergisst. Dies gilt umso mehr, als bereits während des Gesetzgebungsverfahrens auf diese strittige Konstellation hingewiesen wurde.55 Dem kann nicht mit dem BAG entgegengehalten werden, dass die Beibehaltung der Entwurfsfassung trotz geäußerter Einwände nicht besage, dass das Ergebnis gerade gewollt sei.56 Soweit der Gesetzgeber ernst zu nehmen ist, muss ihm auch das Recht zugestanden werden, Fehler zu machen, die nur im Wege der Gesetzesänderung korrigiert werden können.57 Geht daher der Wille des Gesetzgebers klar in die eine Richtung, besagt jedoch der Text unter Heranziehung aller Auslegungsmethoden klar das Gegenteil, so stellt sich die Frage, woran der Gesetzesanwender gebunden ist.58 Hier ist neben der wohl eher politischen Frage nach dem Verständnis der Rolle des Gesetzgebers vor allem der Gedanke der Rechtssicherheit zu berücksichtigen. Da der Gesetzestext die verlässliche Grundlage für alle Gesetzesanwendungen bieten soll, muss in solchen Zweifelsfällen der Text den Vorrang haben.59 Führt dies zu vom Gesetzgeber nicht gewollten Ergebnissen, so muss er das Gesetz entsprechend ändern. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass der Gesetzgeber seine Verantwortung auf die Gerichte abwälzt oder die Gerichte den Wortlaut neuer Normen nicht richtig ernst nehmen.60 In beiden Fällen würde die Rechtssicherheit für die Rechtsunterworfenen unzumutbar eingeschränkt. 53 Canaris, Lücken, S. 40, 44 ff.; vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 370; Rüthers, Rechtstheorie, Rn 838. 54 Hohenstatt/Willemsen in ArbRKo, § 111 BetrVG Rn 12; Hess in H/W/S/G, BetrVG, § 111 Rn 12e; Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 11 Rn 5; Annuß in NZA Sonderheft 2001, 12, 21; vgl. Jarass in Jarass/Pieroth, GG Art. 20 Rn 42. 55 Vgl. Richardi/Annuß DB 2001, 41, 45. 56 BAG NZA 2005, 420, 424. 57 Vgl. Reichold NZA 2005, 622, 623; allgemein Jarass in Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rn 42. 58 Wank, Auslegung, S. 45. 59 Reichold NZA 2005, 622, 623; Wank, Auslegung, S. 45. 60 Reichold NZA 2005, 622, 623.

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Darüber hinaus gilt die gesetzgeberische Wertung des Schutzes kleiner Unternehmen vor den finanziellen Belastungen durch Sozialpläne auch bei Unternehmen, welche sich zu einem gemeinsamen Betrieb zusammengeschlossen haben. Diese bleiben rechtlich und finanziell selbständig und sind allein Schuldner etwaiger Sozialplanansprüche. Demnach spricht auch der Gesetzeszweck gerade gegen eine analoge Anwendung. Der vom BAG für § 99 BetrVG behauptete Widerspruch zwischen Gesetzestext und Gesetzzweck besteht daher im Rahmen des § 111 BetrVG nicht. Kleine Unternehmen sollen vor allem vor finanziellen Belastungen des Unternehmens geschützt werden. Daher ist die zentrale Argumentation des BAG,61 es fehle in größeren gemeinsamen Betrieben an einer engen räumlichen und persönlichen Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber, nicht übertragbar. Nach alledem kann nicht von einer planwidrigen Regelungslücke ausgegangen werden.62 Folglich fehlt es methodisch an den Voraussetzungen für eine extensive Auslegung oder eine Analogie.63 Die von der Gegenansicht vorgebrachten Argumente stellen sich daher lediglich als rechtspolitische Überlegungen dar, welche in den Gesetzeswortlaut und die Überlegungen des Gesetzgebers keinen Eingang gefunden haben. Eine entsprechende Rechtsfortbildung ist damit als contra legem abzulehnen. 4. Lösung, wenn die am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen nur teilweise den Schwellenwert überschreiten Zuzugeben ist der Gegenauffassung jedoch, dass auf Grundlage der hier vertretenen Ansicht eine Lösung für die Fälle gefunden werden muss, in denen lediglich eines oder einige der am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen den Schwellenwert des § 111 S. 1 BetrVG erreichen. Abzulehnen ist in diesem Zusammenhang die Ansicht, welche die Beteiligungsrechte lediglich auf die Unternehmen erstrecken will, welche selbst den Schwellenwert erreichen.64 Diese Ansicht berücksichtigt nicht ausreichend, dass Gegenstand der Betriebsänderung weiterhin der Betrieb ist. Insoweit stellt sich der gemeinsame Betrieb jedoch als einheitliche Organisation dar, auf welche sich die gemeinsam geplante und durchgeführte untrennbare Betriebsänderung bezieht.65 Ebenso ist es 61

NZA 2005, 420, 422 f. Hier zeigt sich wiederum, dass der Akt der Lückenfeststellung bereits eine Wertung enthält, vgl. dazu Canaris, Lücken, S. 17; Engisch, Einführung, S. 180 ff.; Rüthers, Rechtstheorie, Rn 834; Heck AcP 112 (1914), 1, 161 ff. 63 Hess in H/W/S/G, BetrVG, § 111 Rn 12e; vgl. aus der Sicht der Methodenlehre Wank, Auslegung, S. 45 f., 75 f.; sowie Jarass in Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rn 42. 64 So Annuß in Richardi, BetrVG, § 111 Rn 26; Röder/Baeck in Praxishandbuch BetrV, Kapitel 28 Rn 10; Staufenbiel, Sozialplan, S. 15; Lingemann NZA 2002, 934, 937; Löwisch BB 2001, 1790, 1797. 62

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nicht angängig, die Beteiligungsrechte insgesamt auszuschließen, sofern nicht sämtliche der am gemeinsamen Betreib beteiligten Unternehmen den Schwellenwert erreichen.66 Allein die Tatsache, dass die Beteiligungspflicht des größeren Unternehmens im Rahmen der gemeinsamen Betriebsorganisation reflexartige Auswirkungen auf die Kleinunternehmen hat, rechtfertigt es nicht, den Betrieb insgesamt aus der Beteiligung auszuklammern.67 Andererseits verbietet es der Schutzzweck des Schwellenwertes, die Beteiligungsrechte auf den gemeinsamen Betrieb insgesamt zu erstrecken,68 da ansonsten dem Kleinunternehmen eine finanzielle Belastung durch den abzuschließenden Sozialplan droht. Richtigerweise wird man nach dem Gegenstand des Beteiligungsrechtes zu differenzieren haben.69 Ein Interessenausgleich ist nicht über die Einigungsstelle erzwingbar70 und bedeutet daher keine unzumutbaren wirtschaftlichen Belastungen für die Kleinunternehmen.71 Auch geht es hier um die Durchführung der Betriebsänderung, was für eine einheitliche Maßnahme innerhalb des gemeinsamen Betriebes nur einheitlich entschieden werden kann. Demgegenüber richten sich die Sozialplanansprüche gegen den einzelnen Vertragsarbeitgeber. Seinem Inhalt nach soll er nicht die Durchführung der Betriebsänderung regeln, sondern die Nachteile des einzelnen Arbeitnehmers kompensieren.72 Da ein solcher Sozialplan gem. § 112 Abs. 4 BetrVG erzwingbar ist und nach der Begründung des Gesetzgebers für Kleinunternehmen unzumutbare finanzielle Belastungen mit sich bringt,73 müssen die Kleinunternehmen von dieser Beteiligungspflicht ausgeklammert bleiben.74 Dementsprechend ist in gemeinsamen Betrieben, in denen lediglich ein Unternehmen den Schwellenwert erreicht, ein Interessenausgleich mit dem einheitlichen Leitungsapparat für alle beteiligten Unternehmen abzuschließen. Die damit verbundene Einschränkung der Unternehmerfreiheit ist hinzunehmen, da die Unternehmen sich willentlich an einer gemeinsamen Betriebsorganisation mit dem größeren Unternehmen beteiligen. Der Sozialplan kann demgegenüber nur mit denjenigen Unternehmen vereinbart werden, wel65 Hohenstatt/Willemsen in ArbRKo, § 111 BetrVG, Rn 16; Fitting, BetrVG § 111 Rn 23; Wissman NZA 2001, 409, 411; Hanau ZIP 2001, 1981, 1986. 66 So aber Annuß NZA 2001, 367, 369; aufgegeben in Richardi, BetrVG, § 111 Rn 26. 67 Annuß in Richardi, BetrVG, § 111 Rn 26; Röder/Baeck in Praxishandbuch BetrV, Kapitel 28 Rn 11; Löwisch BB 2001, 1790, 1797. 68 So aber Hohenstatt/Willemsen in ArbRKo, § 111 Rn 16; Hanau ZIP 2001, 1981, 1986. 69 Fitting, BetrVG, § 111 Rn 23. 70 Hohenstatt/Willemsen in ArbRKo, § 112 Rn 10; Schweibert in W/H/S/S, Umstrukturierung, C Rn 180. 71 Fitting, BetrVG, § 111 Rn 23. 72 Vgl. BAG AP Nr. 155 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 882 Rs.; Fitting, BetrVG, § 111 Rn 23. 73 Vgl. BT-Drucks. 14/5741, S. 51. 74 Fitting, BetrVG, § 111 Rn 23.

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che den Schwellenwert von 20 Arbeitnehmern überschreiten. Diese Trennung ist auch in der Praxis ohne weiteres durchführbar, da sie lediglich eine Unterscheidung nach der Vertragsarbeitgeberschaft voraussetzt. Die arbeitsvertragliche Zuordnung wird durch den gemeinsamen Betrieb jedoch nicht berührt. Von daher sind die Arbeitnehmer, welchen Ansprüche aus dem Sozialplan zustehen, leicht zu ermitteln. III. Bestehender Betriebsrat Die Beteiligungsrechte bestehen nach allgemeiner Ansicht nur, wenn der von einer Betriebsänderung betroffene Betrieb durch einen Betriebsrat vertreten wird.75 Nach der Änderung des § 50 Abs. 1 S. 1 BetrVG durch das Gesetz zur Reform der Betriebsverfassung76 ist nun klargestellt, dass die originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates nach § 50 Abs. 1 BetrVG ausreicht, um den Anwendungsbereich der §§ 111 ff. BetrVG zu eröffnen.77 Fraglich ist jedoch, wann eine solche originäre Zuständigkeit angenommen werden kann. Allein die fehlende Existenz eines Betriebsrates kann die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates nicht begründen.78 Vielmehr muss auch in diesen Fällen stets anhand der Umstände des Einzelfalles geprüft werden, ob die originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates begründet ist.79 Da der Gesamtbetriebsrat nur für überbetriebliche Angelegenheiten zuständig ist, müssen also mindestens zwei Betriebe betroffen sein.80 Damit ist festzuhalten, dass eine originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates nicht in Betracht kommt, wenn nur der gemeinsame Betrieb von der Betriebsänderung betroffen ist. Problematisch ist ebenfalls, ob ein Betriebsrat zu beteiligen ist, welcher in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Betriebsänderung gewählt wurde. Dies ist in der Insolvenz oft von besonderer Relevanz, da die Belegschaft aufgrund der drohenden oder erfolgten Eröffnung eines Insolvenzverfahrens einen Betriebsrat zur Wahrnehmung ihrer Interessen wählt. In solchen Fällen kommt es für die Beteiligung darauf an, zu welchem Zeitpunkt der Betriebsrat gewählt wird. 75 BAG BB 2000, 1245, 1246; Fitting, BetrVG, § 111 Rn 33; Annuß in Richardi, BetrVG, § 111 Rn 27; Schweibert in W/H/S/S, Umstrukturierung, C Rn 14. 76 v. 23. Juli 2001, BGBl. I, S. 1852. 77 Fitting, BetrVG, § 111 Rn 33; ErfKO-Kania, § 111 BetrVG Rn 6; Schweibert in W/H/S/S, Umstrukturierung, C Rn 17. 78 Fitting, BetrVG, § 111 Rn 15 f.; Annuß in Richardi, BetrVG, § 111 Rn 29; Schweibert in W/H/S/S, Umstrukturierung, C Rn 17. 79 Annuß in Richardi, BetrVG, § 111 Rn 29; Schweibert in W/H/S/S, Umstrukturierung, C Rn 17. Vgl. zu den Voraussetzungen BAG AP Nr. 102 zu § 99 BetrVG 1972, Bl. 1583 Rs.; AP Nr. 104 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, Bl. 1185; ErfKOEisemann, § 50 Rn 2 ff.; Fitting, BetrVG § 50 Rn 15 ff. 80 BAG AP Nr. 37 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, Bl. 716 Rs.; Trittin in D/ K/K, § 50 Rn 22; ErfKO-Eisemann, § 50 Rn 3; Fitting, BetrVG § 50 Rn 19.

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Wird der Betriebsrat erst gewählt, wenn der Unternehmer bereits mit der tatsächlichen Durchführung der Betriebsänderung begonnen hat, so stehen diesem die Beteiligungsrechte gem. den § 111 ff. BetrVG nicht zu.81 Da die Beteiligung des Betriebsrates jedoch nicht an die Durchführung, sondern die geplante Betriebsänderung anknüpft, ist für die Beteiligung der Abschluss der unternehmerischen Planungsphase maßgeblich.82 Besteht in diesem Zeitpunkt kein Betriebsrat, so ist ein später gewählter Betriebsrat nicht mehr gem. §§ 111 ff. BetrVG zu beteiligen.83 Ohne Bedeutung für die Beteiligung des Betriebsrates ist demgegenüber die Eröffnung des Insolvenzverfahrens.84 Da die §§ 111 ff. BetrVG ohne weiteres in der Insolvenz des Unternehmens gelten,85 können insoweit keine anderen Anforderungen gestellt werden als außerhalb der Insolvenz.86 Wird ein Betriebsrat daher nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gewählt, jedoch bevor der Insolvenzverwalter die Planungsphase abgeschlossen hat, so ist dieser Betriebsrat gem. §§ 111 ff. BetrVG zu beteiligen.87

B. Die Beteiligung des Betriebsrates bei einer Betriebsänderung Liegen die Voraussetzungen des § 111 S. 1 BetrVG vor, so hat der Unternehmer den Betriebsrat von der geplanten Betriebsänderungen rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und mit dem Betriebsrat über die geplanten Maßnahmen zu beraten. Ziel dieser Beratungen ist es, nach § 112 Abs. 1 S. 1 BetrVG Einigkeit über einen Interessenausgleich zu erzielen sowie einen Sozialplan gem. § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG zu vereinbaren. Es würde den Rahmen der vorliegenden Untersuchung sprengen, den Ablauf der Verhandlungen und den Inhalt eines Interessenausgleiches oder Sozialplans 81 BAG AP Nr. 63 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 1006 Rs.; BAG ZIP 2004, 235, 236; Däubler in D/K/K, BetrVG, § 111 Rn 124; Fitting, BetrVG, § 111 Rn 34; Schweibert in W/H/S/S, Umstrukturierung, C Rn 15. 82 Annuß in Richardi, BetrVG § 111 Rn 27; Schweibert in W/H/S/S, Umstrukturierung, C Rn 15; Staufenbiel, Sozialplan, S. 18 f.; Bauer DB 1994, 217; vgl. BAG AP Nr. 63 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 1006 Rs.; Fitting, BetrVG, § 111 Rn 33. 83 a. A. Däubler in D/K/K, BetrVG, § 111 Rn 125, der auf den Zeitpunkt der Bekanntmachung des Wahlausschreibens abstellen will. Ab diesem Zeitpunkt sei ein Vertrauen des Arbeitgebers auf das Nichtbestehen eines Betriebsrates nicht mehr schützenswert. Dagegen spricht jedoch, dass der Arbeitgeber nicht gezwungen ist, mit der Durchführung einer geplanten Betriebsänderung bis zur Konstituierung des Betriebsrates zu warten. Die §§ 111 ff. BetrVG setzen jedoch einen funktionsfähigen Verhandlungspartner voraus, welcher mit der Einleitung der Wahl noch nicht vorliegt. 84 BAG ZIP 2004, 235, 236. 85 BAG ZIP 2003, 2216; BAG ZIP 2004, 235, 236; Eisenbeis in Frankfurter Kommentar InsO, § 122 Rn 1; Berscheid in Uhlenbruck, InsO, §§ 121, 122 Rn 3. 86 BAG ZIP 2004, 235, 236. 87 BAG ZIP 2004, 235, 236.

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Kap. 5: Die betriebsverfassungsrechtlichen Auswirkungen der Insolvenz

umfassend darzustellen. Insoweit muss auf die verfügbare Literatur verwiesen werden.88 Für die Zwecke dieser Untersuchung genügt es allein, die Besonderheiten im gemeinsamen Betrieb darzustellen. I. Der Interessenausgleich Unter einem Interessenausgleich im Sinne des § 112 Abs. 1 S. 1 BetrVG ist die Einigung von Betriebsrat und Unternehmer über die geplante Betriebsänderung zu verstehen.89 In dem Interessenausgleich wird also allein das „Ob“ und das „Wie“ der Betriebsänderung beraten.90 Die scharfe Abgrenzung des Inhalts des Interessenausgleichs vom Sozialplan ist notwendig, da zwischen beiden Formen der Einigung ein Ausschließlichkeitsverhältnis besteht91 und nur der Sozialpan durch die Einigungsstelle erzwungen werden kann.92 In der Praxis werden jedoch zumeist Interessenausgleich und Sozialplan gemeinsam verhandelt und vereinbart. Darüber hinaus wirkt der Interessenausgleich als kollektive Vereinbarung nur zwischen Betriebsrat und Unternehmen, so dass durch die Einigung keine individuellen Ansprüche der Arbeitnehmer entstehen.93 II. Der Sozialplan Demgegenüber ist der Sozialplan nach § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG die Einigung über den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, welche infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen. Der Sozialplan hat die Wirkung einer Betriebsvereinbarung, § 112 Abs. 1 S. 3 BetrVG. Daraus folgt, dass der Sozialplan gem. § 77 Abs. 4 S. 1 BetrVG unmittelbar und zwingend wirkt und individuelle Ansprüche der erfassten Arbeitnehmer begründet. Der Zweck des Sozialplanes besteht in erster Linie darin, den ausscheidenden Arbeitnehmern eine Überbrückungshilfe bis zum Beginn eines neuen Arbeits88

Vgl. statt vieler Schweibert in W/H/S/S, Umstrukturierung, C Rn 127 ff. Oetker in GK-BetrVG, §§ 112, 112a Rn 6; Annuß in Richardi, BetrVG, § 112 Rn 13. Vgl. zur Rechtsnatur des Interessenausgleiches Oetker in GK-BetrVG, § 112, 112a Rn 48 ff. 90 BAG AP Nr. 27 zu § 113 BetrVG, Bl. 281; Fitting, BetrVG, §§ 112, 112a Rn 14; Annuß in Richardi, BetrVG, § 112 Rn 18. 91 BGH NJW 2001, 439, 440; Däubler in D/K/K, BetrVG, §§ 112, 112a Rn 13; ErfKO-Kania, §§ 112, 112a BetrVG Rn 1; Oetker in GK-BetrVG, §§ 112, 112a Rn 5. 92 Oetker in GK-BetrVG, §§ 112, 112a Rn 27; Annuß in Richardi, BetrVG § 112 Rn 23. Vgl. auch Hohenstatt/Willemsen in ArbRKo, § 112 BetrVG Rn 10, die jedoch im Hinblick auf das Verfahren zur Einigung und die damit verbundenen Möglichkeiten des Betriebsrates, die Betriebsänderung zu verzögern, von einem faktischen Zwang zur Einigung ausgehen. 93 BGH NJW 2001, 439, 440; Fitting, BetrVG, § 112, 112a Rn 52; Annuß in Richardi, BetrVG, § 112 Rn 36. 89

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verhältnisses oder bis zum Bezug einer Altersrente zu gewähren.94 Es obliegt dabei der Entscheidung der Betriebspartner, welche Nachteile in welchem Umfang ausgeglichen werden.95 Im Rahmen eines frei vereinbarten Sozialplanes finden die Ermessensgrenzen des § 112 Abs. 5 BetrVG keine Anwendung, so dass insoweit ein weiter Regelungsspielraum besteht.96 Insbesondere existiert keine Obergrenze für das Sozialplanvolumen.97 1. Schuldner der Sozialplanansprüche Während im Betrieb eines Unternehmens unzweifelhaft nur das Unternehmen als Rechtsträger Schuldner der durch den Sozialplan begründeten Ansprüche ist, bleibt diese Frage für den gemeinsamen Betrieb umstritten. Teilweise wird vertreten, dass die am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen gesamtschuldnerisch für die Forderungen aus einem im gemeinsamen Betrieb vereinbarten Sozialplan haften.98 Dies wird damit begründet, dass der Sozialplan wirke wie eine Betriebsvereinbarung, und diese erstrecke sich notwendigerweise auf den gesamten Betrieb und erfasse damit alle Arbeitnehmer.99 Die einheitliche Betriebsverfassung des gemeinsamen Betriebes dürfe nicht durch die Anknüpfung an den Arbeitsvertrag „zerschlagen“ werden.100 Demgegenüber geht die überwiegende Meinung davon aus, dass nur der jeweilige Vertragsarbeitgeber Schuldner der Sozialplanansprüche sei.101 Zwar sei der Gegenansicht zuzugeben, dass der gemeinsame Betrieb die maßgebliche betriebliche Organisation i. S. d. §§ 111 f. BetrVG ist.102 Von daher könne regel94 BAG AP Nr. 141 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 1078 Rs.; BAG DB 2002, 903; Hohenstatt/Willemsen in ArbRKo, § 112 BetrVG Rn 29. 95 BAG AP Nr. 7 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 698; AP Nr. 85 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 663 Rs.; Hohenstatt/Willemsen in ArbRKo, § 112 BetrVG Rn 35; Annuß in Richardi, BetrVG, § 112 Rn 56. 96 Hohenstatt/Willemsen in ArbRKo, § 112 BetrVG Rn 35; Annuß in Richardi, BetrVG, § 112 Rn 101. Vgl. zu den Grenzen der Regelungsbefugnis Hohenstatt/Willemsen in ArbRKo, § 112 BetrVG Rn 46 ff.; Annuß in Richardi, BetrVG, § 112 Rn 102 ff. 97 Fitting, BetrVG, § 112, 112a Rn 131. Etwas anderes gilt im Rahmen der Insolvenz, wo § 123 InsO eine Obergrenze zieht. Dazu sogleich unten § 26 D.II. 98 Trümner in D/K/K, BetrVG8, § 1 Rn 146; Däubler in FS Zeuner, S. 19, 28; Gaul DB 2004, 1498, 1503 Hanau ZfA 1990, 115, 121. 99 Trümner in D/K/K, BetrVG8, § 1 Rn 146; Däubler in FS Zeuner, S. 19, 28; Gaul DB 2004, 1498, 1503; Hanau ZfA 1990, 115, 121. 100 Trümner in D/K/K, BetrVG8, § 1 Rn 146; Hanau ZfA 1990, 115, 121. 101 BAG NZA 2003, 676, 678; LAG Frankfurt BB 2002, 1421; 1424; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 183; Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 185; Windbichler, Konzern, S. 358; Zöllner in FS Semler, S. 995, 1006; Gaul NZA 2003, 695, 700; Trümner BB 2002, 1425, 1427. 102 BAG AP Nr. 42 zu § 111 BetrVG 1972, Bl. 1127; BAG NZA 2003, 676, 678; LAG Frankfurt BB 2002, 1421, 1424.

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Kap. 5: Die betriebsverfassungsrechtlichen Auswirkungen der Insolvenz

mäßig sinnvollerweise nur mit der Gemeinschaft aller den gemeinsamen Betrieb führenden Unternehmen verhandelt werden, wenn der Betrieb in seiner Gesamtheit betroffen sei.103 Für die Erfüllung der betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten hafteten die am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen daher grundsätzlich gesamtschuldnerisch.104 Dies gelte insbesondere für den Abschluss eines Interessenausgleiches bzw. für die aus dem Nichtabschluss resultierenden Nachteilsausgleichansprüche gem. § 113 Abs. 3 BetrVG.105 Der Sozialplan kompensiere demgegenüber allein die Nachteile des einzelnen Arbeitnehmers und regele anders als der Interessenausgleich nicht das Schicksal des gesamten Betriebes.106 Da allein die individuelle Position der Arbeitnehmer betroffen sei, stehe es den Unternehmen frei, eine gesamtschuldnerische Haftung zu vereinbaren.107 Sie seien dazu jedoch nicht verpflichtet.108 Der letztgenannten Ansicht ist zuzustimmen. Dies ergibt sich zum einen aus den Wirkungen des gemeinsamen Betriebes. Dieser lässt sowohl die rechtliche Selbständigkeit als auch die arbeitsvertraglichen Beziehungen unberührt.109 Die Unternehmen wollen also in Bezug auf die betriebliche Organisation, nicht jedoch in Bezug auf die individualvertraglichen Pflichten alle Arbeitnehmer als eigene behandeln.110 Dementsprechend lässt der gemeinsame Betrieb durchaus Raum, nach der arbeitsvertraglichen Zuordnung zu differenzieren. Die gemeinsam geschaffene betriebliche Organisation führt nur dazu, dass alle betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten im gemeinsamen Betrieb, welche den Betrieb insgesamt betreffen, gemeinsam wahrgenommen werden.111 Jedoch besteht keine Verpflichtung zur gesamtschuldnerischen Haftung für sämtliche individuellen Forderungen der Arbeitnehmer. Insoweit muss der gemeinsame Betrieb vom Gemeinschaftsunternehmen abgegrenzt werden. Da im gemeinsamen Betrieb nicht nur ein, sondern mehrere Arbeitgeber existieren, liegen ein einheitlicher „Betriebsarbeitgeber“,112 aber „gespaltene“ Vertragsarbeitgeber vor. Die normative Wirkung des Sozialplanes gem. §§ 112 Abs. 1 S. 3, 77 Abs. 4 S. 1 BetrVG kann sich nur auf bestehende Arbeitsverhältnisse erstrecken.113 Insoweit drängt 103

BAG NZA 2003, 676, 678; LAG Frankfurt BB 2002, 1421, 1424. LAG Frankfurt BB 2002, 1421, 1425. 105 BAG NZA 2003, 676, 678; Däubler in FS Zeuner, S. 19, 27 f. 106 BAG NZA 2003, 676, 678; LAG Frankfurt BB 2002, 1421, 1424. 107 BAG NZA 2003, 676, 678; LAG Frankfurt BB 2002, 1421, 1425; Gaul NZA 2003, 695, 700; Trümner BB 2002, 1425, 1427. 108 BAG NZA 2003, 676, 678. Vgl. auch LAG Frankfurt BB 2002, 1421, 1425, das eine vertragliche Grundlage für die Gesamtschuld fordert. 109 Ähnlich Gaul NZA 2003, 695, 700. 110 Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 184. 111 LAG Frankfurt BB 2002, 1421, 1425. 112 Zu diesem Begriff Wißmann NZA 2001, 409, 410; sowie oben § 5 A.I. 113 Trümner BB 2002, 1425, 1427. Vgl. BAG AP Nr. 43 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 20 Rs.; Fitting, BetrVG, § 77 Rn 125. 104

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sich die Parallele zu der normativen Wirkung von Tarifverträgen auf. In Bezug auf die sogenannten Inhaltsnormen setzt die zwingende Geltung die beiderseitige Tarifgebundenheit voraus, §§ 4 Abs. 1 S. 1, 3 Abs. 1 TVG.114 Demgegenüber setzt die zwingende Geltung von betriebs- oder betriebsverfassungsrechtlichen Normen lediglich die Tarifgebundenheit des Arbeitgeber voraus, §§ 4 Abs. 1 S. 2, 3 Abs. 2 TVG.115 Überträgt man diese Differenzierung auf den gemeinsamen Betrieb, so ist nur für solche Betriebsvereinbarungen von einer gesamtschuldnerischen Haftung auszugehen, welche betriebliche oder betriebsverfassungsrechtliche Fragen zum Gegenstand haben.116 Nur bei solchen Vereinbarungen müssen alle Arbeitnehmer des gemeinsamen Betriebes einheitlich behandelt werden, so dass allein die Zugehörigkeit zum gemeinsamen Betrieb zur Rechtfertigung der zwingenden Wirkung ausreicht.117 Wird durch die Betriebsvereinbarung hingegen der Inhalt des Arbeitsverhältnisses geregelt oder ein individueller Anspruch eingeräumt, tritt die zwingende Wirkung nur zwischen den Arbeitsvertragsparteien ein.118 Etwas anderes kann nur gelten, wenn ausdrücklich eine Grundlage für eine gesamtschuldnerische Haftung gelegt wurde. So muss es beispielsweise im gemeinsamen Betrieb möglich sein, dass die Unternehmen ihre Arbeitnehmer in Bezug auf Jubiläumsgelder oder die Höhe des Weihnachtsgeldes unterschiedlich behandeln.119 Da der Sozialplan allein den individuellen Anspruch des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber festlegt, kommt ohne besondere Vereinbarung nur der Vertragsarbeitgeber im gemeinsamen Betrieb als Schuldner der Sozialplanansprüche in Betracht. 2. Erzwingbarkeit des Sozialplans Kommt eine Einigung über den Sozialplan nicht zustande, so sieht § 112 BetrVG dasselbe Verfahren vor wie für den Interessenausgleich. Entscheidender Unterschied ist jedoch, dass der Spruch der Einigungsstelle gem. § 112 Abs. 4 S. 2 BetrVG die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzt. Ein

114 Deinert in Däubler, TVG, § 4 Rn 511; Junker, Grundkurs AR, Rn 505; Trümner BB 2002, 1425, 1427. 115 Deinert in Däubler, TVG, § 4 Rn 511; Junker, Grundkurs AR, Rn 505. 116 Trümner BB 2002, 1425, 1427. 117 Vgl. Trümner BB 2002, 1425, 1427. 118 Trümner BB 2002, 1425, 1427. 119 In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz im gemeinsamen Betrieb nicht unternehmensübergreifend gilt BAG AP Nr. 145 zu § 611 BGB Gratifikation, Bl. 1292 Rs.; Fitting, BetrVG, § 75 Rn 30; Richardi in Münchener Handbuch AR, § 14 Rn 11; Annuß NZA Sonderheft 2001, 12, 23 in FN 128.

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Kap. 5: Die betriebsverfassungsrechtlichen Auswirkungen der Insolvenz

Sozialplan ist also erzwingbar, das heißt, er kann auch gegen den Willen einer Partei, zumeist des Arbeitgebers, von der Einigungsstelle beschlossen werden. Die Kompetenz der Einigungsstelle ist dabei enger als die der Betriebspartner. So kann sie gem. § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG nur diejenigen Nachteile ausgleichen oder mildern, welche infolge der geplanten Betriebsänderung tatsächlich entstehen.120 Die Einigungsstelle entscheidet darüber, ob und welche wirtschaftlichen Nachteile in welcher Form ausgeglichen oder abgemildert werden.121 Sie ist dabei an dieselben Schranken gebunden wie die Betriebsparteien.122 Daneben gelten jedoch weitere Einschränkungen, insbesondere ist die Einigungsstelle an die Ermessensgrenzen des § 112 Abs. 5 BetrVG gebunden. a) Einschränkung beim bloßen Personalabbau Da der durch die Einigungsstelle erzwungene Sozialplan mitunter bedeutende finanzielle Belastungen mit sich bringen kann, normiert § 112a BetrVG zwei Ausnahmefälle, in denen § 112 Abs. 4 und 5 BetrVG keine Anwendung findet. Die erste Einschränkung findet sich in § 112a Abs. 1 BetrVG für den ausschließlichen Personalabbau. Mit der durch das BeschFG 1985123 eingeführten Vorschrift soll verhindert werden, dass der Arbeitgeber von Neueinstellungen absieht, da im Falle der Personalreduzierung die finanzielle Belastung durch einen Sozialplan droht.124 Vor diesem Hintergrund gibt § 112a Abs. 1 BetrVG bestimmte Schwellenwerte vor, welche überschritten werden müssen, um eine erzwingbare Sozialplanpflicht auszulösen. Nach § 112a Abs. 1 BetrVG wird lediglich die verbindliche Entscheidung der Einigungsstelle über den Sozialplan ausgeschlossen.125 Der Arbeitgeber bleibt also weiterhin verpflichtet, den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend über die geplante Betriebsänderung zu unterrichten und mit dem Betriebsrat über einen Sozialplan und Interessenausgleich zu verhandeln.126 Hält er dieses Verfahren nicht ein, so drohen Nachteilsausgleichsansprüche gem. § 113 Abs. 3 BetrVG in Bezug auf den fehlenden 120 Annuß in Richardi, BetrVG, § 112 Rn 136; Schweibert in W/H/S/S, Umstrukturierung, C Rn 206 f. 121 BAG AP Nr. 47 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 363 Rs.; AP Nr. 87 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 1094 Rs.; Annuß in Richardi, BetrVG, § 112 Rn 137. 122 Vgl. zu diesen Schranken Hohenstatt/Willemsen in ArbRKo, § 112 BetrVG Rn 46 ff.; Annuß in Richardi, BetrVG, § 112 Rn 102 ff. 123 v. 30.04.1985, BGBl. I, S. 710. 124 Fitting, BetrVG, § 112, 112a Rn 81; Richardi/Annuß in Richardi, BetrVG, § 112a Rn 1. 125 BAG AP Nr. 18 zu § 113 BetrVG 1972, Bl. 371 Rs.; Löwsich/Kaiser, BetrVG, § 112a Rn 4; Richardi/Annuß in Richardi, BetrVG, § 112a Rn 2. 126 Oetker in GK-BetrVG, §§ 112, 112a Rn 236; Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 112a Rn 4.

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Versuch der Herbeiführung eines Interessenausgleiches.127 Ob der Unternehmer auch verpflichtet ist, in der Einigungsstelle über den Sozialplan zu verhandeln, ist umstritten.128 Dagegen ist jedoch einzuwenden, dass die Anrufung der Einigungsstelle ein ungeeignetes Instrument darstellt, da von vornherein nur ein freiwilliger Sozialplan in Betracht kommt. Damit sind die §§ 112 Abs. 2, 3 BetrVG in diesen Fällen teleologisch zu reduzieren, so dass die Einigungsstelle nur in Bezug auf den Interessenausgleich angerufen werden kann.129 Weiter ist zu beachten, dass § 112a Abs. 1 nur beim reinen Personalabbau greift. Liegt in der Entlassung der Mitarbeiter gleichzeitig eine Änderung der sächlichen Betriebsmittel, welche die Voraussetzungen des § 111 S. 3 Nr. 2–5 BetrVG erfüllt oder liegt gar eine Betriebsstilllegung gem. § 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG vor, so greift die Einschränkung der Sozialplanpflicht nicht.130 Für den gemeinsamen Betrieb ist zu betonen, dass für die Beurteilung der Sozialplanpflichtigkeit auf die Gesamtzahl der im gemeinsamen Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer abzustellen ist, da § 112a Abs. 1 BetrVG auf den Betrieb abstellt.131 b) Einschränkung bei neu gegründeten Unternehmen Ebenfalls durch das Beschäftigungsförderungsgesetz 1985 wurde die Regelung des § 112a Abs. 2 BetrVG eingeführt. Dieser nimmt neugegründete Unternehmen für die ersten vier Jahre nach der Gründung vollständig von der Erzwingbarkeit von Sozialplänen aus, um einen Anreiz zur Gründung von Unternehmen und Schaffung von Arbeitsplätzen zu geben.132 Anders als § 112a Abs. 1 BetrVG gilt das Gründungsprivileg für alle Arten der Betriebsänderungen.133 Im Übrigen gilt das vorstehend zu § 112a Abs. 1 BetrVG Gesagte. Entscheidend für die Privilegierung ist allein das Alter des Unternehmens, nicht das Alter des Betriebes.134 Die Ausnahme greift daher auch dann, wenn

127 LAG Thüringen AuR 1999, 197; Oetker in GK-BetrVG, §§ 112, 112a Rn 236; Richardi/Annuß in Richardi, BetrVG, § 112a Rn 2; a. A. Heinze NZA 1987, 41, 50. 128 Bejahend Däubler in D/K/K, BetrVG, § 112, 112a Rn 38; Oetker in GKBetrVG, § 112, 112a Rn 236; Richardi/Annuß in Richardi, BetrVG, § 112a Rn 2; Heinze NZA 1987, 41, 50. 129 Hohenstatt/Willemsen in ArbRKo, § 112a BetrVG Rn 2; Schweibert in W/H/S/ S, Umstrukturierung, C Rn 219; vgl. LAG Nürnberg AuR 2002, 37. 130 Oetker in GK-BetrVG, §§ 112, 112a Rn 237; Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 112a Rn 5; Richardi/Annuß in Richardi, BetrVG, § 112a Rn 4 ff. 131 BAG AP Nr. 42 zu § 111 BetrVG 1972, Bl. 1127; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 179; Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 184; Däubler in FS Zeuner, S. 19, 26. 132 Hohenstatt/Willemsen in ArbRKo, § 112a BetrVG Rn 6; Fitting, BetrVG, § 112, 112a Rn 81; Richardi/Annuß in Richardi, BetrVG, § 112a Rn 1. 133 Hohenstatt/Willemsen in ArbRKo, § 112a BetrVG Rn 6; Oetker in GK-BetrVG, §§ 112, 112a Rn 242; Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 112a Rn 6.

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Kap. 5: Die betriebsverfassungsrechtlichen Auswirkungen der Insolvenz

ein neugegründetes Unternehmen sich an einem Betrieb beteiligt, der älter als vier Jahre ist.135 Dieser Grundsatz muss auch im gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmen Beachtung finden.136 Da die Bildung eines gemeinsamen Betriebes oder der Eintritt in einen bestehenden Gemeinschaftsbetrieb die rechtliche Selbständigkeit der Unternehmen nicht berührt, ist für jedes Unternehmen gesondert zu prüfen, ob es unter das Sozialplanprivileg des § 112a Abs. 2 BetrVG fällt.137 Den Unternehmen kommt dabei bis zur Grenze des Rechtsmissbrauches, welcher etwa in der Gründung eines Unternehmens nur zum Zwecke der Betriebsstilllegung liegen kann, ein weiter Gestaltungsspielraum zu.138 Vom Anwendungsbereich des § 112a Abs. 2 S. 1 BetrVG sind gem. S. 2 Neugründungen im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen und Konzernen ausgenommen.139 c) Ermessensgrenze der wirtschaftlichen Vertretbarkeit Neben diesen Ausnahmefällen, in denen die Erzwingbarkeit vollständig ausgeschlossen ist, hat die Einigungsstelle die Ermessensgrenzen des § 112 Abs. 5 BetrVG zu beachten. Von besonderem Interesse ist dabei die Grenze der wirtschaftlichen Vertretbarkeit gem. § 112 Abs. 5 S. 1 BetrVG. Diese Ermessensgrenze steht im Spannungsverhältnis zu den sozialen Belangen der Arbeitnehmer und hat insoweit Korrekturfunktion.140 Die wirtschaftliche Vertretbarkeit wird durch § 112 Abs. 5 S. 2 Nr. 3 BetrVG dahingehend konkretisiert, dass durch die Bemessung des Sozialplanvolumens der Fortbestand des Unterneh134 BAG AP Nr. 3 zu § 112a BetrVG 1972, Bl. 99 Rs.; AP Nr. 8 zu § 112a BetrVG 1972, Bl. 1297; AP Nr. 110 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 1247; ErfKO-Kania, §§ 112, 112a BetrVG Rn 17; Fitting, BetrVG, §§ 112, 112a Rn 88; Richardi/Annuß in Richardi, BetrVG, § 112a Rn 13. 135 BAG AP Nr. 3 zu § 112a BetrVG 1972, Bl. 99 Rs.; AP Nr. 8 zu § 112a BetrVG 1972, Bl. 1297; AP Nr. 110 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 1247; Fitting, BetrVG, §§ 112, 112a Rn 90; Oetker in GK-BetrVG, § 112, 112a Rn 244; Richardi/Annuß in Richardi, BetrVG, § 112a Rn 15; Matthes in Münchener Handbuch AR, § 363 Rn 55; Schweibert in W/H/S/S, Umstrukturierung, C Rn 223; a. A. Däubler in D/K/K, BetrVG, §§ 112, 112a Rn 35 unter irriger Berufung auf die Richtlinie 2001/23/EG (Betriebsübergangsrichtlinie). Diese überträgt jedoch nur die Rechte und Pflichten aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis. Der Erwerber rückt also nicht in die kollektivrechtliche Verpflichtung zum Abschluss eines Sozialplanes ein, Fitting, BetrVG, §§ 112, 112a Rn 92. 136 Richardi/Annuß in Richardi, BetrVG, § 112a Rn 16. 137 Richardi/Annuß in Richardi, BetrVG, § 112a Rn 16. 138 BAG AP Nr. 3 zu § 112a BetrVG 1972, Bl. 100 Rs. f.; AP Nr. 110 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 1247 Rs.; Richardi/Annuß in Richardi, BetrVG, § 112a Rn 15; Schweibert in W/H/S/S, Umstrukturierung, C Rn 223. 139 Vgl. dazu Hohenstatt/Willemsen in ArbRKo, § 112a BetrVG Rn 8. 140 BAG ZIP 2003, 2266; Fitting, BetrVG, §§ 112, 112a Rn 216; Annuß in Richardi, BetrVG, § 112 Rn 140.

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mens oder die nach der Betriebsänderung verbleibenden Arbeitsplätze gefährdet werden.141 Ein abstrakter Entscheidungsmaßstab lässt sich nicht formulieren, vielmehr sind stets die Gegebenheiten des Einzelfalles maßgeblich.142 Der Gesetzestext stellt auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unternehmens ab. Aufgrund der unternehmensübergreifenden Organisation im gemeinsamen Betrieb ist umstritten, ob die Leistungsfähigkeit sämtlicher beteiligter Unternehmen oder nur die des Vertragsarbeitgebers zu berücksichtigen ist. Das Bundesarbeitgericht hat diese Frage bisher ausdrücklich offen gelassen.143 Teilweise wird vertreten, dass es auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit aller am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen ankommen soll.144 Dies wird damit begründet, dass der Sozialplan wie eine Betriebsvereinbarung wirke und somit sämtliche Arbeitgeber des gemeinsamen Betriebes erfasse.145 Dazu ist zunächst zu bemerken, dass die Vertreter dieser Ansicht von einer gesamtschuldnerischen Haftung der Unternehmen für die Sozialplanpflichten ausgehen.146 Von dieser Prämisse ausgehend ist es durchaus zutreffend, auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit aller Unternehmen abzustellen. Denn der Gläubiger kann jeden Gesamtschuldner voll in Anspruch nehmen. Jedoch ist die Prämisse einer gesamtschuldnerischen Haftung für die Sozialplanansprüche bereits unzutreffend.147 Da nur der jeweilige Vertragsarbeitgeber für die Sozialplanansprüche haftet, ist allein dessen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit maßgeblich.148 Die Gründung und Aufrechterhaltung eines gemeinsamen Betriebes verpflichtet die Unternehmen nicht zum einheitlichen Handeln in wirtschaftlichen Belangen.149 Vielmehr bleiben die Unternehmen rechtlich und wirtschaftlich selbständig. Wenn aber nur der Zugriff auf das Vermögen des Vertragsarbeitgebers eröffnet ist, so kann auch nur dieses Vermögen für die wirtschaftliche Vertretbarkeit maßgeblich sein. Daher muss im gemeinsamen Betrieb die wirtschaftliche Vertretbarkeit für jedes Unternehmen einzeln geprüft werden. Für die Höhe der

141 Annuß in Richardi, BetrVG, § 112 Rn 143; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 180. 142 BAG AP Nr. 87 zu § 112 BetrVG, Bl. 1094 Rs.; Fitting, BetrVG, §§ 112, 112a Rn 221; Oetker in GK-BetrVG, §§ 112, 112a Rn 319; Annuß in Richardi, BetrVG, § 112 Rn 143; Staufenbiel, Sozialplan, S. 130. 143 BAG AP Nr. 42 zu § 111 BetrVG 1972, Bl. 1128 Rs.; BAG NZA 2003, 676, 678. 144 Däubler in D/K/K, BetrVG, §§ 112, 112a Rn 85; Gaul DB 2004, 1498, 1503. 145 Gaul DB 2004, 1498, 1503. 146 Vgl. Däubler in FS Zeuner, S. 19, 28; Gaul DB 2004, 1498, 1503; anders ders. in NZA 2003, 695, 700. 147 Vgl. vorstehend S. 232 f. 148 So auch Hohenstatt/Willemsen in ArbRKo, § 112 Rn 74; Fitting, BetrVG, §§ 112, 112a Rn 216; Annuß in Richardi, BetrVG, § 112 Rn 144, 168; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 182; Herrmann, Gemeinsamer Betrieb, S. 185 f. 149 Vgl. Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 182.

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Kap. 5: Die betriebsverfassungsrechtlichen Auswirkungen der Insolvenz

wirtschaftlichen Belastung wird dabei auch ausschlaggebend sein, wie viele der eigenen Arbeitnehmer tatsächlich von der Betriebsänderung betroffen sind. Nur diese differenzierende Betrachtung wird auch dem zu § 112a Abs. 2 BetrVG gefundenen Ergebnis gerecht. Im Falle einer gesamtschuldnerischen Haftung würde zum einen das Sozialplanprivileg eines neu gegründeten Unternehmens unterlaufen. Zum anderen erscheint es widersprüchlich, bei den Einschränkungen der Sozialplanpflicht auf das einzelne Unternehmen abzustellen, bei den Ermessengrenzen jedoch eine einheitliche Betrachtung anzustellen. Insoweit muss der klare Wortlaut der §§ 112 Abs. 5 S. 1, 112a Abs. 2 BetrVG, welche auf das Unternehmen abstellen, beachtet werden. Dass es sich hierbei um eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers handelt, zeigt auch § 112a Abs. 1 BetrVG, der den Betrieb für maßgeblich erklärt. Demzufolge ist die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Unternehmen jeweils getrennt zu ermitteln.

§ 26 Insolvenzrechtliche Sonderregelungen in Bezug auf das Betriebsverfassungsrecht Die Beteiligungsrechte der §§ 111 ff. BetrVG sind auch in der Insolvenz zu beachten.150 Verantwortlich für die Beachtung der Beteiligungsrechte ist der Insolvenzverwalter, auf den die Arbeitgeberstellung in folge der Verfahrenseröffnung übergeht.151 Die Anwendung der §§ 111 ff. BetrVG wird in der Insolvenz jedoch durch die §§ 120 ff. InsO modifiziert. Der Inhalt dieser Vorschriften soll, soweit dies für die vorliegende Untersuchung von Bedeutung ist, kurz dargestellt werden.

A. § 120 InsO Die in einem Unternehmen bestehenden Betriebsvereinbarungen können zu erheblichen wirtschaftlichen Belastungen führen. Diese Lasten, welche in einem wirtschaftlich gesunden Unternehmen gerechtfertigt sein mögen, müssen im Interesse der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger abgebaut werden.152 Daneben wird der Betrieb durch den Abbau der Belastung, soweit dies beabsichtigt ist, veräußerungsfähig gemacht, was zum Erhalt von Arbeitsplätzen beitragen kann.153

150 BAG NZI 2004, 99, 100; BAG ZIP 2004, 235, 236; Fitting, BetrVG, §§ 112, 112a Rn 254; Staufenbiel, Sozialplan, S. 235. 151 Löwisch/Caspers in Münch Komm InsO, vor §§ 113 bis 128 Rn 12; Annuß in Richardi, BetrVG, Anhang zu § 113 Rn 1; Oetker/Friese DZWIR 2001, 133, 136. 152 Wolf in Braun, InsO, § 120 Rn 1; Löwisch/Caspers in Münch Komm InsO, § 120 Rn 1 f.; vgl. auch Begr. zu § 138 RegE, BT-Drucks. 12/2443 S. 153.

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§ 120 Abs. 1 S. 2 InsO gibt dem Insolvenzverwalter daher das Recht, Betriebsvereinbarungen, die Leistungen vorsehen, welche die Insolvenzmasse belasten, ordentlich zu kündigen.154 Das Recht zur ordentlichen Kündigung erstreckt sich auf alle Betriebsvereinbarungen unabhängig davon, ob sie Fragen der freiwilligen oder der erzwingbaren Mitbestimmung regeln.155 Die Kündigungsmöglichkeit gilt damit auch für Sozialpläne, welche früher als drei Monate vor dem Eröffnungsantrag aufgestellt wurden und damit nicht unter § 124 InsO fallen.156 Nach überwiegender Ansicht ist sie auch auf Regelungsabreden anzuwenden.157 Vor dem Ausspruch der Kündigung sollen Betriebsrat und Insolvenzverwalter über eine einvernehmliche Herabsetzung der Leistungen beraten. Die Nichtbeachtung dieser „Sollvorschrift“ hat keine Folgen.158 Für die Kündigung gilt eine Höchstkündigungsfrist von drei Monaten, kürzere Kündigungsfristen bleiben unberührt.159 Diese Höchstfrist gilt selbst dann, wenn in der Betriebsvereinbarung der Ausschluss des Rechtes zur ordentlichen Kündigung vereinbart wurde.160 Die Norm trifft keine Aussage über die Rechtsfolgen der Kündigung. Insoweit sind daher die allgemeinen Grundsätze des § 77 BetrVG anzuwenden.161

B. § 121 InsO Durch § 121 InsO wird das Verfahren über die Vereinbarung eines Interessenausgleichs oder eines Sozialplans für die Insolvenz geringfügig verkürzt. Ein Vermittlungsversuch durch den Vorstand der Bundesagentur für Arbeit gem. § 112 Abs. 2 S. 1 BetrVG findet nur statt, wenn beide Seiten gemeinsam um einen solchen Vermittlungsversuch ersuchen. Die Vorschrift hat allein die Wir153 Annuß in ArbRKo, § 120 InsO Rn 1; Wolf in Braun, InsO, § 120 Rn 1; vgl. auch Begr. zu § 138 RegE, BT-Drucks. 12/2443 S. 153. 154 Darunter sind sämtliche Betriebsvereinbarungen zu verstehen, welche finanzielle Verpflichtungen für das Unternehmen mit sich bringen. Vgl. Annuß in ArbRKo, § 120 InsO Rn 4; Löwisch/Caspers in Münch Komm InsO, § 120 Rn 8 ff. 155 Annuß in ArbRKo, § 120 InsO Rn 2; Löwisch/Caspers in Münch Komm InsO, § 120 Rn 4. 156 Annuß in ArbRKo, § 120 InsO Rn 2; Moll in Kübler/Prütting, InsO, § 120 Rn 16; Caspers, Personalabbau, Rn 485. 157 Annuß in ArbRKo, § 120 InsO Rn 3; Wolf in Braun, InsO, § 120 Rn 2; Moll in Kübler/Prütting, InsO, § 120 Rn 15. 158 Annuß in ArbRKo, § 120 InsO Rn 6; Wolf in Braun, InsO, § 120 Rn 7; Eisenbeis in Frankfurter Kommentar InsO, § 120 Rn 6 f.; Moll in Kübler/Prütting, InsO, § 120 Rn 21 f. 159 Annuß in ArbRKo, § 120 InsO Rn 7; Wolf in Braun, InsO, § 120 Rn 10; Löwisch/Caspers in Münch Komm InsO, § 120 Rn 24. 160 Wolf in Braun, InsO, § 120 Rn 7; Löwisch/Caspers in Münch Komm InsO, § 120 Rn 26. 161 Annuß in ArbRKo, § 120 InsO Rn 8; Wolf in Braun, InsO, § 120 Rn 11.

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kung, dass der Insolvenzverwalter unmittelbar die Einigungsstelle anrufen kann, ohne Nachteilsausgleichsansprüche nach § 113 BetrVG fürchten zu müssen.162

C. § 122 InsO Da die §§ 111 ff. BetrVG auch im Fall der Insolvenz Anwendung finden, besteht die Gefahr von Nachteilsausgleichsansprüchen gem. § 113 Abs. 3 BetrVG, wenn der Insolvenzverwalter die Betriebsänderung durchführt, ohne einen Interessenausgleich versucht zu haben.163 Da solche Ansprüche als Masseverbindlichkeiten i. S. d. § 55 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO zu qualifizieren sind,164 für die der Insolvenzverwalter nach § 61 InsO persönlich einstandpflichtig sein kann,165 drohen hier erhebliche finanzielle Risiken. Andererseits sind im Rahmen der Insolvenz eines Unternehmens häufig unverzügliche Betriebsänderungen erforderlich, um die Masse zu erhalten.166 I. Zweck der Regelung Um dem Insolvenzverwalter ein Mittel an die Hand zu geben,167 unablässige Betriebsänderungen ohne Interessenausgleichsverfahren durchzuführen, ohne dass Nachteilsausgleichsansprüche drohen, hat der Gesetzgeber in § 122 InsO ein besonderes Beschlussverfahren geschaffen.168 Das Verfahren setzt ähnlich wie § 126 InsO voraus, dass eine interessenausgleichspflichtige Betriebsänderung i. S. d. § 111 BetrVG geplant ist.169 Hält der Insolvenzverwalter170 den Vermittlungsversuch vor der Einigungsstelle wegen der Eilbedürftigkeit der Be162 Wolf in Braun, InsO, § 121 Rn 4; Hamacher in Nerlich/Römermann, InsO, § 121 Rn 10. 163 BAG NZA 1985, 400; NZA 1989, 278; NZI 2004, 99, 100; ZIP 2004, 235, 236; Berscheid in Uhlenbruck, InsO, §§ 121, 122 Rn 3; Annuß NZI 1999, 344, 345. 164 BAG NZA 2003, 665; BAG NZI 2004, 99, 100; Löwisch/Caspers in MünchKomm InsO, §§ 121, 122 Rn 18; Berscheid in Uhlenbruck, InsO, §§ 121, 122 Rn 116; Annuß NZI 1999, 344, 345. 165 Wird die Masse durch schuldhaft verursachte Nachteilsausgleichsansprüche geschmälert, so kommt auch eine Haftung nach § 60 InsO in Betracht, Annuß in ArbRKo, § 122 InsO Rn 1; Willemsen, Arbeitnehmerschutz, S. 56. 166 Wolf in Braun, InsO, § 122 Rn 1; Moll in Kübler/Prütting, InsO, § 122 Rn 8; Hamacher in Nerlich/Römermann, InsO, § 122 Rn 4 f. 167 Allerdings ist dieses Mittel nach nahezu einhelliger Ansicht weitgehend untauglich, da die ArbG nicht in der Lage seien, die Verfahren in einem überschaubaren zeitlichen Rahmen durchzuführen, pointiert Irschlinger in HK-InsO, § 122 Rn 13. 168 Irschlinger in HK-InsO, § 122 Rn 1; Moll in Kübler/Prütting, InsO, § 122 Rn 8; Hamacher in Nerlich/Römermann, InsO, § 122 Rn 2 f. 169 Vgl. Moll in Kübler/Prütting, InsO § 122 Rn 12; Löwisch/Caspers in MünchKomm InsO, §§ 121, 122 Rn 28; Berscheid in Uhlenbruck, InsO, §§ 121, 122 Rn 59; Annuß NZI 1999, 344, 346; Oetker/Friese DZWIR 2001, 133, 134.

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triebsänderung nicht für sinnvoll, so kann er vor der Durchführung der Betriebsänderung beim Arbeitsgericht die Zustimmung zur Betriebsänderung beantragen.171 II. Voraussetzungen eines solchen Antrages Ein solcher Antrag setzt voraus, dass der Insolvenzverwalter den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend über die geplante Betriebsänderung informiert hat.172 Darüber hinaus ist erforderlich, dass der Insolvenzverwalter zu ernsthaften Verhandlungen mit dem Betriebsrat bereit ist.173 Der Antrag ist daher nur zulässig, wenn ein Interessenausgleich innerhalb von drei Wochen nach der Aufnahme von Verhandlungen oder drei Wochen nach einer schriftlichen Aufforderung an den Betriebsrat, die Verhandlungen aufzunehmen,174 nicht zustande kommt. Da gem. §§ 57 Abs. 1, 88 Abs. 2 S. 1, 83 Abs. 3 ArbGG für die Zulässigkeit des Antrages der Zeitpunkt der Anhörung vor der Kammer maßgeblich ist, kann der Antrag auch vor Ablauf der drei Wochenfrist gestellt werden.175 Da dem Betriebsrat gem. § 122 Abs. 2 S. 3 InsO i.V. m. § 61a Abs. 3 ArbGG eine mindestens zweiwöchige Frist zur schriftlichen Stellungnahme auf die Antragsschrift zu gewähren ist, stellt die dreiwöchige Frist kein besonderes Hindernis dar. III. Die Zustimmung des Arbeitsgerichtes Ist der Antrag zulässig, so erteilt das Gericht gem. § 122 Abs. 2 S. 1 InsO seine Zustimmung, wenn die wirtschaftliche Lage auch unter Berücksichtigung der sozialen Belange der Arbeitnehmer es erfordert, dass die Betriebsänderung ohne vorheriges Verfahren nach § 112 Abs. 2 BetrVG durchgeführt wird.176

170 Nur diesem steht das Antragsrecht zu, vgl. Irschlinger in HK-InsO, § 122 Rn 4; Hamacher in Nerlich/Römermann § 122 Rn 29. 171 Berscheid in Uhlenbruck, InsO, §§ 121, 122 Rn 61; Oetker/Friese DZWIR 2001, 133, 135. 172 Vgl. zu den Einzelheiten Annuß in ArbRKo, § 122 InsO Rn 2; Löwisch/Caspers in MünchKomm InsO, §§ 121, 122 Rn 28 f.; Berscheid in Uhlenbruck, InsO, §§ 121, 122 Rn 65 ff. 173 Löwisch/Caspers in MünchKomm InsO, §§ 121, 122 Rn 30; Berscheid in Uhlenbruck, InsO, §§ 121, 122 Rn 79; Annuß NZI 1999, 344, 346; Oetker/Friese DZWIR 2001, 133, 136. 174 Vgl. Irschlinger in HK-InsO, § 122 Rn 2; Hamacher in Nerlich/Römermann, InsO, § 122 Rn 14 ff.; Oetker/Friese DZWIR 2001, 133, 136. 175 ArbG Lingen ZIP 1999, 1892, 1895; Annuß in ArbRKo, § 122 InsO Rn 2; Irschlinger in HK-InsO, § 122 Rn 4; Moll in Kübler/Prütting, InsO, § 122 Rn 25; vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 93 Rn 37. 176 Vgl. zu den Einzelheiten der Abwägung Löwisch/Caspers in MünchKomm InsO, §§ 121, 122 Rn 35 ff.; Berscheid in Uhlenbruck, InsO §§ 121, 122 Rn 70 ff.

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Streitgegenstand ist daher nicht die Betriebsänderung an sich, sondern nur ihre Eilbedürftigkeit.177 Die Entscheidung des Arbeitsgerichtes ergeht gem. § 84 ArbGG als Beschluss. Das Arbeitsgericht erteilt seine Zustimmung, soweit die Voraussetzungen des § 120 InsO gegeben sind. Ist die Betriebsänderung teilbar, so kann sich die Zustimmung auf einen Teil der beabsichtigten Maßnahmen beschränken.178 Soweit das Arbeitsgericht die Zustimmung ablehnt, so steht entsprechend dem Streitgegenstand nur fest, dass die Betriebsänderung nicht eilbedürftig ist, nicht jedoch, dass die Maßnahme insgesamt unzulässig wäre.179 Wird dem Insolvenzverwalter die Zustimmung zur Durchführung der Betriebsänderung erteilt, so kann er diese ohne Einigungsstellenverfahren durchführen.180 Da § 113 Abs. 3 BetrVG gem. § 122 Abs. 1 S. 2 InsO insoweit nicht anwendbar ist, entstehen trotz der Verstoßes gegen § 112 Abs. 2 BetrVG keine Nachteilsausgleichsansprüche der Arbeitnehmer.181 Ebenso steht dem Betriebsrat, sofern die Existenz eines solchen Anspruches anerkannt wird,182 kein Anspruch auf Unterlassung der Betriebsänderung zu, soweit das Arbeitgericht zugestimmt hat.183 IV. Rechtskraft des Beschlusses – Rechtsmittel Als einziges Rechtsmittel sieht § 122 Abs. 3 S. 1 InsO die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht vor. Insoweit muss in Bezug auf den Eintritt der Rechtskraft im Sinne des § 705 ZPO differenziert werden. Lässt das Arbeitsgericht die Rechtsbeschwerde zum BAG zu, so tritt die Rechtskraft mit Ablauf der Rechtsbeschwerdefrist184 oder mit der zurückweisenden Entscheidung des BAG ein.185 Da § 122 InsO nicht auf die §§ 72a, 92a ArbGG verweist, findet eine Nichtzulassungsbeschwerde an das BAG nicht statt.186 Demzufolge wird

177 ArbG Lingen ZIP 1999, 1982; Annuß in ArbRKo, § 122 InsO Rn 5; Berscheid in Uhlenbruck, InsO, §§ 121, 122 Rn 71; Caspers, Personalabbau, Rn 402; Giesen ZIP 1998, 142, 144; Oetker/Friese DZWIR 2001, 133, 137. 178 Annuß in ArbRKo, § 122 InsO Rn 7; Löwisch/Caspers in MünchKomm InsO, §§ 121, 122 Rn 46; Oetker/Friese DZWIR 2001, 133, 138. 179 Löwisch/Caspers in MünchKomm InsO, §§ 121, 122 Rn 47. 180 Moll in Kübler/Prütting, InsO, § 122 Rn 37; Berscheid in Uhlenbruck, InsO, §§ 121, 122 Rn 87. 181 Irschlinger in HK-InsO, § 122 Rn 5; Moll in Kübler/Prütting, InsO, § 122 Rn 37; Hamacher in Nerlich/Römermann, InsO, § 122 Rn 77. 182 Ablehnend Walker DB 1995, 1961 ff. 183 Annuß in ArbRKo, § 122 InsO Rn 10; Moll in Kübler/Prütting, InsO, § 122 Rn 37; Hamacher in Nerlich/Römermann, InsO, § 122 Rn 78. 184 Gem. § 122 Abs. 3 S. 3 InsO ein Monat ab Zustellung der Entscheidung. 185 Moll in Kübler/Prütting, InsO, § 122 Rn 38; Löwisch/Caspers in MünchKomm InsO, §§ 121, 122 Rn 51.

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der Beschluss mit seiner Verkündung rechtskräftig, wenn das Arbeitsgericht die Rechtsbeschwerde nicht zulässt.187

D. §§ 123, 124 InsO Sozialpläne bedeuten eine nicht unerhebliche finanzielle Belastung für das insolvente Unternehmen. Aus diesem Grund gibt die InsO in § 123 Grenzen für die Sozialplandotierung von nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem Insolvenzverwalter abgeschlossenen Sozialplänen vor. Da auch insolvenznahe Sozialpläne eine große Bedeutung für die Insolvenzmasse haben können, erlaubt § 124 Abs. 1 InsO den Widerruf solcher Sozialpläne, die weniger als drei Monate vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgeschlossen wurden. Das Widerrufsrecht steht sowohl dem Insolvenzverwalter als auch dem Betriebsrat zu. I. Anwendungsbereich Der Anwendungsbereich dieser Vorschriften ist in zweifacher Hinsicht umstritten. Teilweise wird vertreten, dass die §§ 123, 124 InsO einen Sozialplan i. S. d. § 112 BetrVG und damit eine sozialplanpflichtige Betriebsänderung voraussetzen.188 Daran ist zutreffend, dass die §§ 123, 124 InsO eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG voraussetzen.189 Jedoch ist nicht ersichtlich, warum der Insolvenzverwalter, der trotz der fehlenden Erzwingbarkeit einen Sozialplan abschließt, etwa um die Interessenausgleichsverhandlungen zu beschleunigen, nicht an die §§ 123, 124 InsO gebunden sein sollte.190 § 112a BetrVG schließt nämlich lediglich die Erzwingbarkeit des Sozialplanes aus, ändert aber nichts daran, dass die Voraussetzungen des § 111 BetrVG gegeben sind. Demgegenüber sind solche Sozialpläne, welche abgeschlossen werden, ohne dass eine Betriebsänderung i. S. d. § 111 BetrVG vorliegt, nicht an den 186 BAG BB 2001, 2535; Annuß in ArbRKo, § 122 InsO Rn 9; Irschlinger in HKInsO, § 122 Rn 7; Löwisch/Caspers in MünchKomm InsO, §§ 121, 122 Rn 50; Hamacher in Nerlich/Römermann, InsO, § 122 Rn 69; vgl. Berscheid in Uhlenbruck, InsO, §§ 121, 122 Rn 89. 187 BAG BB 2001, 2535; Löwisch/Caspers in MünchKomm InsO, §§ 121, 122 Rn 52; Hamacher in Nerlich/Römermann, InsO, § 122 Rn 75; Berscheid in Uhlenbruck, InsO, §§ 121, 122 Rn 89; a. A. Moll in Kübler/Prütting, InsO, § 122 Rn 38, der auch hier den Ablauf der Rechtsmittelfristen für maßgeblich hält; Irschlinger in HKInsO, § 122 Rn 7, der auf die Zustellung abstellt. 188 Däubler in D/K/K, BetrVG, Anh. §§ 111–113, § 123 InsO Rn 26. 189 Oetker in GK-BetrVG, §§ 112, 112a Rn 288; Berscheid in Uhlenbruck, InsO, §§ 123, 124 InsO Rn 4; Zwanziger, AR der InsO, vor § 123 Rn 2. 190 Oetker in GK-BetrVG, §§ 112, 112a Rn 289; Moll in Kübler/Prütting, InsO, §§ 123, 124 Rn 36; Zwanziger, AR der InsO, vor § 123 Rn 5.

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Kap. 5: Die betriebsverfassungsrechtlichen Auswirkungen der Insolvenz

§§ 123, 124 InsO zu messen. Aufgrund des unklaren Wortlautes des § 123 Abs. 1 InsO ist strittig, ob die Sozialplangrenzen des § 123 InsO nur für solche Sozialpläne gelten, denen eine Betriebsänderung in Form eines Personalabbaus zugrunde liegt.191 Dagegen ist jedoch einzuwenden, dass dies zu unauflösbaren Wertungswidersprüchen führt.192 Die Gegenansicht führt dazu, dass die Sozialplanansprüche der nicht entlassenen Arbeitnehmer keinen Höchstgrenzen unterliegen. Der Verlust des Arbeitsplatzes stellt jedoch für den Arbeitnehmer in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit den einschneidensten wirtschaftlichen Nachteil dar. Es ist nicht hinzunehmen, dass die Entschädigung der stärker Benachteiligten begrenzt wird, während die Nachteile der weiterbeschäftigten Arbeitnehmer unbeschränkt entschädigt werden können. Insoweit ist § 123 InsO zumindest entsprechend auf solche Sozialplanansprüche anzuwenden, welche nicht durch eine Entlassung bedingt sind.193 II. Die Grenzen für das Sozialplanvolumen Durch § 123 InsO werden dabei zwei Sozialplanaußenschranken aufgestellt. Nach dessen Abs. 1 beträgt die absolute Grenze der individuellen Sozialplanentschädigung zweieinhalb nach § 10 Abs. 3 KSchG zu berechnende Monatsverdienste. Wird diese Grenze überschritten, so ist der Sozialplan insgesamt nichtig, sofern nicht auf Grundlage des jeweiligen Einzelfalles eine geltungserhaltende Reduktion entsprechend § 140 BGB möglich ist.194 Daneben setzt § 123 Abs. 2 S. 2 InsO dem Sozialplanvolumen eine relative Obergrenze. Danach darf, sofern nicht ein Insolvenzplan gem. §§ 217 ff. InsO zustande kommt, nicht mehr als ein Drittel der Masse, welche ohne den Sozialplan den Insolvenzgläubigern zu Verfügung stünde, für den Sozialplan verbraucht werden. Wird diese Grenze überschritten, so sind die einzelnen Forderungen gem. § 123 Abs. 2 S. 2 InsO anteilig zu kürzen. Sofern der Insolvenzverwalter bereits Ansprüche erfüllt hat, welche die relative oder absolute Sozialplangrenze überschreiten, kann er diese gem. § 812 Abs. 1 BGB zurückfordern, wobei jedoch das Risiko der Entreicherung des Arbeitnehmers gem. § 818 Abs. 3 BGB droht.195 191 So Däubler in D/K/K, BetrVG, Anh. §§ 111–113, § 123 InsO Rn 22; Moll in Kübler/Prütting, InsO, §§ 123, 124 Rn 32; Boemke/Tietze DB 1999, 1389, 1392. 192 Fitting, BetrVG, §§ 112, 112a Rn 277; Oetker in GK-BetrVG, §§ 112, 112a Rn 291; Löwisch/Caspers in MünchKomm InsO, § 123 Rn 59; Hamacher in Nerlich/ Römermann, InsO, § 123 Rn 24; Annuß in Richardi, BetrVG, Anh. Zu § 113 Rn 9. 193 Fitting, BetrVG, §§ 112, 112a Rn 277; Oetker in GK-BetrVG, §§ 112, 112a Rn 291; Zwanziger, AR der InsO, § 123 Rn 31; Staufenbiel, Sozialplan, S. 239. 194 Fitting, BetrVG, §§ 112, 112a Rn 271 ff.; Oetker in GK-BetrVG, §§ 112, 112a Rn 302 ff.; Hamacher in Nerlich/Römermann, InsO, § 123 Rn 13; Annuß in Richardi, BetrVG, Anh. Zu § 113 Rn 9; Zwanziger, AR der InsO, § 123 Rn 31; Staufenbiel, Sozialplan, S. 239.

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III. Der Widerruf insolvenznaher Sozialpläne und seine Folgen Hat das insolvente Unternehmen in zeitlicher Nähe zum Insolvenzverfahren, d.h. höchstens drei Monate vor der Stellung des Insolvenzantrages, einen Sozialplan vereinbart, so kann der Insolvenzverwalter diesen widerrufen. Das Widerrufsrecht nach § 124 Abs. 1 InsO ist an keine Frist gebunden und bedarf keines sachlichen Grundes.196 Die Regelung des § 124 InsO ist lex specialis gegenüber § 120 InsO.197 Wird der Sozialplan widerrufen, so wird dieser rückwirkend beseitigt.198 Die durch den Sozialplan begründeten Forderungen der Arbeitnehmer entfallen, wobei jedoch eine Rückforderung bereits erfolgter Zahlungen gem. § 124 Abs. 3 S. 1 InsO nicht möglich ist. Die bereits erfolgten Zahlungen können jedoch nach § 124 Abs. 3 S. 2 InsO bei der Aufstellung eines neuen Sozialplanes bis zur Höhe von zweieinhalb Monatsverdiensten angerechnet werden. Der Widerruf beseitigt jedoch nur den Sozialplan, nicht die ursprüngliche Sozialplanpflicht. Diese lebt infolge des Widerrufes erneut auf, so dass ein neuer Sozialplan abzuschließen ist, der den Grenzen des § 123 InsO unterliegt.199 Die Forderungen aus diesem neuen Sozialplan sind dann gem. § 123 Abs. 2 S. 1 InsO als Masseverbindlichkeiten einzuordnen. Fraglich ist jedoch die Rechtsnatur von Forderungen aus einem nicht widerrufenen Sozialplan. Für insolvenzferne Sozialpläne ist unstreitig, dass sie lediglich Insolvenzforderungen begründen.200 Nach richtiger Ansicht muss dies auch für insolvenznahe Sozialpläne gelten, da für Insolvenzverwalter keine Amtspflicht zum Widerruf besteht.201 Das Unterlassen des Widerrufs kann daher keine Masseschuld im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO begründen.

195

Vgl. Zwanziger, AR der InsO, § 123 Rn 23. Annuß in ArbRKo, § 124 InsO Rn 11; Eisenbeis in Frankfurter Kommentar InsO, § 124 Rn 5; Moll in Kübler/Prütting, InsO, §§ 123, 124 Rn 92; Staufenbiel, Sozialplan, S. 240. 197 Wolf in Braun, InsO, § 120 Rn 5. 198 Annuß in ArbRKo, § 124 InsO Rn 11; Löwisch/Caspers in MünchKomm InsO, § 124 Rn 14; Hamacher in Nerlich/Römermann, InsO, § 124 Rn 12. 199 Wolf in Braun, InsO, § 124 Rn 6; Fitting, BetrVG, §§ 112, 112a Rn 297; Staufenbiel, S. 241; Boemke/Tietze DB 1999, 1389, 1394. 200 BAG NZI 1999, 334; Fitting, BetrVG, §§ 112, 112a Rn 300; Löwisch/Caspers in MünchKomm InsO, § 124 Rn 21; Hamacher in Nerlich/Römermann, InsO, § 124 Rn 24. 201 BAG NZA 2002, 1332; Annuß in ArbRKo, §§ 123, 124 InsO Rn 12; Fitting, BetrVG, §§ 112, 112a Rn 302; Boemke/Tietze BB 1999, 1389, 1394; Oetker/Friese DZWIR 2001, 265, 276 a. A. Lakies BB 1999, 206, 210; Warrikof BB 1994, 2338, 2344. 196

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Kap. 5: Die betriebsverfassungsrechtlichen Auswirkungen der Insolvenz

§ 27 Anwendung des Insolvenzarbeitsrechts beim gemeinsamen Betrieb in der Insolvenz Stellt man nun die für die Beteiligungsrechte gem. der §§ 111 ff. BetrVG im gemeinsamen Betrieb einerseits und in der Insolvenz andererseits gefundenen Ergebnisse gegenüber, so ist dieselbe fundamentale Diskrepanz festzustellen, welche bereits im vierten Kapitel zu einigen Problemen führte.202 Die strikte Ausrichtung der Vorschriften der InsO auf die Insolvenzmasse und den dahinter stehenden Rechtsträger weicht diametral von der rechtsträgerübergreifenden Wirkung des gemeinsamen Betriebes ab. Die Folgeprobleme, welche sich aus diesem Grundkonflikt ergeben, sollen nun im Einzelnen dargestellt werden. Im Anschluss an die dargestellten Regelungen des Insolvenzarbeitsrechts sollen zunächst die spezifischen Anwendungsprobleme, welche diese Normen in Bezug auf den gemeinsamen Betrieb aufwerfen, erläutert werden. Dabei wird wiederum die Rechtslage geschildert, welche bei einem unveränderten Weiterwirken des gemeinsamen Betriebes bestünde. Inwieweit die erörterten Probleme vor dem Hintergrund der verschiedenen Grundmodelle des gemeinsamen Betriebes wirken, wird im Anschluss untersucht.

A. Kündigung von Betriebsvereinbarungen Besteht der gemeinsamen Betrieb fort, so kann dies für die Regelung des § 120 InsO zu einigen Anwendungsschwierigkeiten führen. Die Norm berechtigt allein den Insolvenzverwalter zur Kündigung von Betriebsvereinbarungen. Jedoch sind gerade bei länger bestehenden gemeinsamen Betrieben gemeinsame Einrichtungen der Unternehmen denkbar, für die alle gemeinsam die Kosten tragen. Dies kann insbesondere bei einer gemeinsamen Betriebskantine der Fall sein. Hier stellt sich zunächst die Frage, ob der Insolvenzverwalter zur alleinigen Kündigung der Betriebsvereinbarung berechtigt ist. Darüber hinaus ist eine Lösung für solche Fälle zu finden, in denen die Einrichtung von einem Unternehmen allein nicht mehr zu tragen ist. Man wird nach der rechtlichen Gestaltung der Verpflichtung unterscheiden müssen. I. Ohne gesamtschuldnerische Verpflichtung der Unternehmen Gewährt die Betriebsvereinbarung individuelle Leistungen, welche nur den eigenen Vertragsarbeitgeber verpflichten, so wird man wie beim Sozialplan203 202 203

Vgl. oben § 21, insbesondere auch § 22 B. Vgl. oben § 25 B.II.1.

§ 27 Anwendung des Insolvenzarbeitsrechts

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nicht ohne entsprechende Vereinbarung von einer Gesamtschuld ausgehen können. Da dann nur das jeweilige Unternehmen Schuldner der betriebsverfassungsrechtlichen und individualvertraglichen Ansprüche ist, wirkt die Kündigung auch nur zwischen den Parteien. Für solche Betriebsvereinbarungen führt die Anwendung des § 120 InsO also zu keinen Schwierigkeiten, da die solventen Unternehmen an den zu kündigenden Betriebsvereinbarungen nicht beteiligt sind. Auch wenn die Betriebsvereinbarung von allen beteiligten Unternehmen gemeinsam mit dem Betriebsrat des gemeinsamen Betriebes abgeschlossen wurde, wird man die Einzelkündigung eines Unternehmens für zulässig halten müssen, da ja gerade keine einheitliche Verpflichtung der Unternehmen vorliegt, sondern jedes für sich verpflichtet ist. Allein aus der gemeinsamen Vertragsniederschrift wird man nichts anderes ableiten können. II. Bei Vorliegen einer gesamtschuldnerischen Verpflichtung Anders stellt sich die Rechtslage jedoch dar, wenn entweder aufgrund einer ausdrücklichen Vereinbarung oder aufgrund der Rechtsnatur der geschuldeten Leistung eine Gesamtschuld vorliegt. Fraglich ist jedoch, wann eine solche Gesamtschuld anzunehmen ist. Legt man die Voraussetzungen der Gesamtschuld zugrunde,204 so ist eine Gesamtschuld nur anzunehmen, wenn die Unternehmen zu einer einheitlichen einmaligen Leistung verpflichtet sind und die Verpflichtungen die notwendige Verbundenheit aufweisen. Eine solche Verbundenheit setzt zunächst voraus, dass die Verpflichtungen dasselbe Leistungsinteresse des Gläubigers befriedigen, wobei eine enge Verwandtschaft an der Grenze zur inhaltlichen Gleichheit genügen soll.205 Diese Voraussetzungen sind etwa bei einer gemeinsamen Betriebsordnung gegeben oder bei Maßnahmen, welche alle Arbeitnehmer gleich betreffen, etwa der betrieblichen Arbeitszeit oder der Betriebsferien. Geht man davon aus, dass solche einheitliche Maßnahmen, welche den Betrieb oder die Arbeitnehmer insgesamt und kollektiv betreffen, nur von allen Unternehmen einheitlich getroffen werden können, so spricht viel dafür, eine Identität des Leistungsinteresses anzunehmen. Da eine einheitliche, den gesamten Betrieb erfassende betriebsverfassungsrechtliche Verpflichtung besteht, trifft diese alle am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen als Rechtsträger des Betriebes. Da jedes Unternehmen die betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten gegenüber dem Betriebsrat wahrnehmen will, wird dasselbe Leistungsinteresse, nämlich die Einhaltung der jeweiligen Vorgaben des BetrVG, befriedigt.

204 Vgl. dazu allgemein Gehrlein in Bamberger/Roth, BGB, § 421 Rn 2 ff.; Bydlinski in MünchKomm BGB, § 421 Rn 3 ff. 205 Vgl. BGHZ 43, 227, 233; Gehrlein in Bamberger/Roth, BGB, § 421 Rn 5; Bydlinski in MünchKomm BGB, § 421 Rn 5.

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Kap. 5: Die betriebsverfassungsrechtlichen Auswirkungen der Insolvenz

Neben der Gleichheit des Leistungsinteresses ist jedoch zusätzlich zu fordern, dass eine besondere innere Verbundenheit der Schuldverhältnisse im Sinne einer Tilgungsgemeinschaft besteht.206 Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung kann offen bleiben, ob diese Verbundenheit daneben eine sog. Zweckgemeinschaft207 oder die Gleichstufigkeit der Ansprüche voraussetzt.208 Neben einer wechselseitigen Tilgungswirkung ist in jedem Fall zu verlangen, dass die Schuldner nebeneinander stehen, dass der Gläubiger von jedem die volle Leistung verlangen kann. Liegt eine einheitliche betriebsverfassungsrechtliche Verpflichtung vor, wie dies insbesondere bei den sozialen Angelegenheiten i. S. d. § 87 Abs. 1 BetrVG der Fall ist, so wird man von einer solchen Verbundenheit ausgehen müssen, da jedes der Unternehmen für sich als „Betriebsarbeitgeber“ anzusehen ist. So sind beispielsweise alle Unternehmen für Maßnahmen zur Unfallverhütung verantwortlich, faktisch können diese jedoch aufgrund des arbeitgeberübergreifenden Arbeitseinsatzes nur einheitlich getroffen werden. Die notwendige Abstimmung erfolgt hier über den gemeinsamen Leitungsapparat. Werden diese Pflichten vollständig von einem Unternehmen erfüllt, so erlischt das Beteiligungsrecht des Betriebsrates. In diesen Fällen ist dann von einer Gesamtschuld der Unternehmen i. S. d. §§ 421 ff. BGB auszugehen. Bei Gesamtschulden, welche auf der gleichen Verpflichtung beruhen, können Gestaltungsrechte jedoch grundsätzlich nur von allen Gesamtschuldnern gemeinsam bzw. gegenüber allen Gesamtschuldnern ausgeübt werden.209 Dies erscheint problematisch, da das Kündigungsrecht nach § 120 InsO nur dem Insolvenzverwalter zusteht. Jedoch ist insoweit anerkannt, dass die Voraussetzungen des Gestaltungsrechtes nur in der Person eines Gesamtschuldners vorliegen müssen.210 Demnach berechtigt das Kündigungsrecht des § 120 InsO alle am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen zur Kündigung solcher belastenden Betriebsvereinbarungen, für deren Erfüllung die Unternehmen gesamtschuldnerisch haften. Dieses Ergebnis erscheint zwar nicht völlig befriedigend, ist jedoch letztlich hinzunehmen. Zunächst ist eine gemeinsame Ausübung des Kündigungsrechtes durch alle Gesamtschuldner von Nöten. Insoweit ist der Insolvenzverwalter von der Kooperation der übrigen am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen abhängig. Will er dies vermeiden, so muss er den gemeinsamen Betrieb bereits 206 Gehrlein in Bamberger/Roth, BGB, § 421 Rn 6; Bydlinski in MünchKomm BGB, § 421 Rn 6. 207 So RGZ 77, 317, 323; BGHZ 43, 227, 233; 59, 97, 103. 208 So Gehrlein in Bamberger/Roth, BGB, § 421 Rn 8; Wolf in Soergel, BGB, § 421 Rn 15; Noack in Staudinger, BGB, § 421 Rn 18; vgl. BGH NJW 1993, 585 f. 209 BGHZ 96, 306, 309; Ehmann in Erman, BGB, § 421 Rn 80; vgl. Gehrlein in Bamberger/Roth, BGB, § 425 Rn 4 a. A. RGZ 56 423, 424; 65, 399, 405. 210 Vgl. BGH NJW 1976, 1931, 1932; OLG Hamm WM 1987, 105, 106; Gehrlein in Bamberger/Roth, BGB, § 425 Rn 4; Noack in Staudinger, BGB, § 425 Rn 17.

§ 27 Anwendung des Insolvenzarbeitsrechts

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vor der Verfahrenseröffnung auflösen. Darüber hinaus werden die Rechte der Arbeitnehmer der solventen Unternehmen durch § 120 InsO eingeschränkt, obwohl dieser lediglich den Schutz der Insolvenzmasse gewährleisten soll. Da jedoch die Rechte der Arbeitnehmer der solventen Unternehmen über die Nachwirkung nach § 77 Abs. 6 BetrVG geschützt werden, ist die Einschränkung ihrer Rechte hinzunehmen. Dies erscheint vor allem deshalb vertretbar, weil dem erneuten Abschluss der Betriebsvereinbarungen nach der Klärung des Schicksals des gemeinsamen Betriebes nichts im Wege steht.

B. Das Beschlussverfahren nach § 122 InsO Das Beschlussverfahren nach § 122 InsO unterliegt zunächst ähnlichen Schwierigkeiten wie sie für den Antrag gem. § 126 InsO erläutert wurden.211 Anders als das Verfahren nach § 126 InsO tritt die Wirkung eines Arbeitsgerichtsbeschlusses jedoch nicht auf individualvertraglicher, sondern auf kollektiver Ebene ein. Stimmt das Arbeitsgericht der Betriebsänderung zu, so kann der Insolvenzverwalter diese durchführen, ohne Nachteilsausgleichsansprüche fürchten zu müssen. Die unmodifizierte Anwendung des § 122 InsO bereitet im gemeinsamen Betrieb jedoch Schwierigkeiten. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das Interessenausgleichsverfahren im gemeinsamen Betrieb von allen Unternehmen durchzuführen ist, sofern ein Unternehmen die Anwendungsvoraussetzungen des § 111 S. 1 BetrVG erfüllt.212 Dies ergibt sich daraus, dass die Betriebsänderung auf den ganzen Betrieb einwirkt213 und der Interessenausgleich, anders als der Sozialplan, welcher dem individuellen Ausgleich dient, eine Regelung auf kollektiver Ebene für den ganzen Betrieb treffen will. Da demzufolge die Pflicht zum Abschluss eines Interessenausgleiches ebenso wie die Betriebsänderung unteilbar ist, stellt sich die Frage, wie sich der Beschluss des Arbeitsgerichtes auswirkt. Insoweit bieten sich grundsätzlich zwei Lösungsmöglichkeiten. Zum einen ist denkbar, die Wirkung des Beschlusses auf alle am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen zu erstrecken. Auf diese Weise käme die verfahrensbeschleunigende Wirkung des § 122 InsO vollständig zu Geltung. Gegen diese Sichtweise spricht jedoch, dass der Anwendungsbereich des § 122 InsO auf das Schuldnerunternehmen beschränkt ist. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut, der nur dem Insolvenzverwalter die Antragsbefugnis einräumt, und wird durch die Systematik bestätigt, da sich § 122 im dritten Teil der InsO, Wirkungen der Eröffnung 211

Vgl. dazu oben § 21 A.II. Vgl. oben § 25 A.II.3. und 4. 213 Dies ergibt sich schon daraus, dass Bagatellfälle durch § 111 S. 3 BetrVG, der stets Auswirkungen auf zumindest einen wesentlichen Betriebsteil verlangt, aus dem Anwendungsbereich des §§ 111 ff. BetrVG herausgenommen werden. 212

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Kap. 5: Die betriebsverfassungsrechtlichen Auswirkungen der Insolvenz

des Insolvenzverfahrens, findet. Zum anderen ist die Einschränkung der Arbeitnehmerrechte durch § 122 InsO nur mit dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung (par condicio creditorum) zu rechtfertigen. Weil sie durch die Beteiligungsrechte der §§ 111 ff. BetrVG im Verhältnis zu den übrigen Gläubigern besser gestellt sind, müssen die Arbeitnehmer des Insolvenzschuldners einen Abbau ihrer Rechte hinnehmen, um die bestmögliche Befriedigung aller Gläubiger zu erleichtern. Dieser Zweck verfängt jedoch nicht gegenüber den Arbeitnehmern der am gemeinsamen Betrieb beteiligten solventen Unternehmen. Da diese nicht Gläubiger des Insolvenzschuldners sind, müssen sie auch nicht zur gleichmäßigen Befriedigung beitragen. Eine Erstreckung der Wirkungen des § 122 InsO stellt sich somit als unzulässiger Eingriff in die Rechte dieser Arbeitnehmer dar. Sofern die Betriebsänderung daher nicht in ihren Wirkungen für jedes Unternehmen geteilt durchgeführt werden kann, muss die Lösung darin bestehen, dem Beschluss des Arbeitsgerichtes gem. § 122 InsO keine Wirkung zuzumessen, dem Insolvenzverwalter also die Möglichkeit, diese Verfahren anzustrengen, im Ergebnis zu versagen. Dies erscheint höchst unbefriedigend, da die masseerhaltende Funktion des § 122 InsO damit komplett aufgehoben wird. Jedoch ist dies die Konsequenz der bereits beschriebenen Diskrepanz zwischen dem Vermögensbezug der InsO und den rechtsträgerübergreifenden Wirkungen des gemeinsamen Betriebes. Ebenso wird in Bezug auf § 121 InsO zu verfahren sein. Besteht also im Zeitpunkt der geplanten Betriebsänderung der gemeinsame Betrieb fort, so sind die verfahrensbeschleunigenden Vorschriften der InsO nur dann anwendbar, wenn eine teilbare Betriebsänderung vorliegt. Da jedoch auch ein reiner Personalabbau sich aufgrund der gemeinsamen Sozialauswahl nicht allein auf ein Unternehmen beschränkt, dürften solche Fälle höchst selten sein. Der Insolvenzverwalter ist dann auf die Bereitschaft des Betriebsrates angewiesen, das Interessenausgleichsverfahren möglichst rasch durchzuführen.

C. Die Behandlung von Sozialplänen Demgegenüber dürfte die Anwendung der §§ 123, 124 InsO weniger Probleme bereiten. I. Grundsatz: Keine Gesamtschuld zwischen den Unternehmen Da im gemeinsamen Betrieb nur der jeweilige Vertragsarbeitgeber als Schuldner der Sozialplanansprüche in Betracht kommt,214 ist auch ein von mehreren am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen abgeschlossener Sozialplan 214

Vgl. oben § 25 B.II.1.

§ 27 Anwendung des Insolvenzarbeitsrechts

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keine untrennbare Einheit. Vielmehr wird man hier einen Widerruf des Insolvenzverwalters für den Teil des Sozialplanes zulassen müssen, welcher die Insolvenzmasse belastet. Widerrufen wird damit nur die Erklärung des insolventen Unternehmens, der Sozialplan im Übrigen bleibt wirksam. Dies ergibt sich auch aus dem Rechtsgedanken des § 139 BGB. Da der Schwellenwert des § 111 S. 1 BetrVG nach der hier vertretenen Auffassung in Bezug auf den Sozialplan nur unternehmensbezogen zu verstehen ist,215 erfüllt jedes der am Sozialplan beteiligten Unternehmen für sich die Voraussetzungen für die Sozialplanpflichtigkeit. Insoweit wäre das Unternehmen auch ohne die Beteiligung des insolventen Unternehmens zum Abschluss des Sozialplanes verpflichtet gewesen. Dies bedeutet aber, dass es den Sozialplan auch alleine abgeschlossen hätte. Es kann angenommen werden, dass der nachträgliche Widerruf des Sozialplanes durch das insolvente Unternehmen, welcher nach dem hiesigen Verständnis die Höhe der Verbindlichkeiten des solventen Unternehmens nicht beeinflusst, die Erklärungen der übrigen Unternehmen nicht berührt. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass der Widerruf die Sozialplanpflichtigkeit nicht beseitigt, sondern diese selbst dann wieder auflebt, wenn die Betriebsänderung bereits durchgeführt wurde.216 Dieser neue Sozialplan unterliegt dann den Beschränkungen des § 123 InsO.217 Da die Sozialplanpflicht jedoch an die ursprüngliche Betriebsänderung anknüpft, ist die damalige Rechtslage zugrunde zu legen. Es kann also nicht in Bezug auf den bloßen Personalabbau argumentiert werden, dass keine Betriebsänderung mehr vorliege, da die Zahl der betroffenen Arbeitnehmer des insolventen Unternehmens nicht den Schwellenwert des § 112a Abs. 1 BetrVG erreiche. Vielmehr muss die zum Zeitpunkt der Betriebsänderung erfolgte Zusammenrechnung der Arbeitnehmerzahl aller Unternehmen auch in diesem Zeitpunkt noch gelten. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die §§ 123, 124 InsO die Sozialplanbelastungen für das insolvente Unternehmen nur beschränken und nicht beseitigen sollen. Im Rahmen der Sozialplanschranken des § 123 InsO beabsichtigt das Gesetz eine Besserstellung der Arbeitnehmer gegenüber sonstigen Gläubigern.218 Eine Einschränkung der Rechte der Arbeitnehmer der am gemeinsamen Betrieb beteiligten solventen Unternehmen ist jedoch nicht mit dem Zweck des § 124 InsO vereinbar.

215

Vgl. oben § 25 A.II.3. Wolf in Braun, InsO, § 124 Rn 6; Moll in Kübler/Prütting, InsO, §§ 123, 124 Rn 96. 217 Wolf in Braun, InsO, § 124 Rn 6; Fitting, BetrVG, §§ 112, 112a Rn 297; Staufenbiel, S. 241; Boemke/Tietze DB 1999, 1389, 1394. 218 Löwisch/Caspers in MünchKomm InsO, § 123 Rn 5; Hamacher in Nerlich/Römermann, InsO, § 122 Rn 2. 216

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Kap. 5: Die betriebsverfassungsrechtlichen Auswirkungen der Insolvenz

II. Gegenansicht: Es liegt stets eine Gesamtschuld vor Ginge man entgegen der hier vertretenen Ansicht von einer gesamtschuldnerischen Haftung der am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen für die Sozialplanverbindlichkeiten aus,219 so wäre die Anwendung des § 124 InsO zunächst zweifelhaft. Da die Widerrufserklärung des Insolvenzverwalters nur für das insolvente Unternehmen wirken kann, würden die solventen Träger des gemeinsamen Betriebes weiter verpflichtet bleiben. Da der Gläubiger einer Gesamtschuldnerschaft jeden Schuldner auf die gesamte Leistung in Anspruch nehmen kann, würde der Widerruf des insolventen Unternehmens zu einer alleinigen Haftung der solventen Rechtsträger führen. Jedoch wird man das durch § 124 InsO gewährte Recht zum Widerruf des Sozialplanes dogmatisch als Gestaltungsrecht einzuordnen haben. Ein solches Gestaltungsrecht zeichnet sich dadurch aus, dass es zur Umgestaltung eines Rechtsverhältnisses ermächtigt.220 Für den Widerruf, der in seinen Wirkungen dem Rücktritt ähnelt, muss von einer solchen Umgestaltungsberechtigung ausgegangen werden. Bei Gesamtschulden, welche auf dem gleichen Grund beruhen, sind Gestaltungsrechte jedoch grundsätzlich von allen Gesamtschuldnern gemeinsam bzw. gegenüber allen Gesamtschuldnern auszuüben.221 Dies erscheint problematisch, da das Widerrufsrecht nur einem der Gesamtschuldner zusteht. Jedoch ist im Zivilrecht anerkannt, dass die Voraussetzungen des Gestaltungsrechts nur in der Person eines Gesamtschuldners vorliegen müssen.222 Dies würde bedeuten, dass der Widerrufsgrund gem. § 124 InsO die Unternehmen zu einem gemeinsamen Widerruf des Sozialplanes berechtigen würde. Nur so wird der masseerhaltenden Wirkung des § 124 InsO Rechnung getragen, da die vertragsfremden Arbeitnehmer als Gläubiger des insolventen Unternehmens ausscheiden. Die solventen Unternehmen werden der gemeinsamen Ausübung des Widerrufsrechtes auch in aller Regel zustimmen, da sie so von der drohenden Inanspruchnahme durch die Arbeitnehmer des insolventen Unternehmens befreit werden. Sofern der Betriebsrat den Sozialplan widerrufen will, muss er entsprechend dem soeben Gesagten die Erklärung gegenüber jedem der am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen abgeben. In diesem Fall würde § 124 InsO also Anwendung finden. Sollte demgegenüber der Insolvenzverwalter den Sozialplan nicht widerrufen, so würde dies letztlich zu einer Haftung der am gemeinsamen Betrieb beteiligten solventen Unternehmen führen. Die Ansprüche aus Sozialplänen aus der 219 So etwa Trümner in D/K/K, BetrVG8, § 1 Rn 146; Däubler in FS Zeuner, S. 19, 28; Gaul DB 2004, 1498, 1503. 220 Vgl. Bork, BGB AT, Rn 297. 221 BGHZ 96, 302, 309 f.; Ehmann in Erman, BGB, § 421 Rn 80. 222 BGH NJW 1976, 1931, 1932; OLG Hamm WM 1987, 105, 106; Gehrlein in Bamberger/Roth, BGB, § 425 Rn 4; Noack in Staudinger, BGB, § 425 Rn 17.

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Zeit vor dem Eröffnungsantrag sind als Insolvenzforderungen gem. § 38 InsO anzumelden.223 Diese Forderungen werden daher nur zu einem Teil befriedigt werden, so dass die Arbeitnehmer sich bezüglich der nicht erfüllten Ansprüche an die solventen Unternehmen halten werden. Etwas anderes gilt nur, wenn der Sozialplan durch einen vorläufigen Insolvenzverwalter mit Verfügungsbefugnis abgeschlossen wurde, da die Ansprüche dann gem. § 55 Abs. 2 InsO als Masseverbindlichkeiten einzuordnen sind.224 Diese Probleme verdeutlichen, warum die These von der generellen Gesamtschuldnerschaft abzulehnen ist.225 Sie weist dem gemeinsamen Betrieb zu weitreichende Wirkungen in Bezug auf die Vermögen der Unternehmen zu. III. Lösung bei Annahme einer freiwilligen Gesamtschuld Ähnlich ist zu verfahren, wenn die Unternehmen freiwillig eine gesamtschuldnerische Haftung im Sozialplan vereinbart haben.226 Wird der Sozialplan nicht widerrufen, so ist die oben beschriebene Inanspruchnahme Folge der freiwillig vereinbarten Gesamtschuld. Die solventen Unternehmen müssen insoweit das Insolvenzrisiko des Mitgesamtschuldners tragen.227 Nach dem vorstehend Gesagten ist jedoch ein gemeinsamer Widerruf aller beteiligten Unternehmen möglich, da es ausreicht, dass der Widerrufsgrund gem. § 124 InsO in der Person eines Unternehmens vorliegt. Ist dieser Widerruf erfolgt, so wird man bei der erneuten Vereinbarung nicht zu einem nochmaligen gesamtschuldnerischen Sozialplan raten können. Vielmehr sollte das insolvente Unternehmen mit seinen Arbeitnehmern einen getrennten Sozialplan nach Maßgabe des § 123 InsO vereinbaren, da nur so gewährleistet ist, dass diese Sozialplangrenzen Beachtung finden. Denn die solventen Unternehmen können sich bei der Vereinbarung des neuen Sozialplanes nicht auf § 123 InsO berufen. Im Übrigen ist zu betonen, dass die Arbeitnehmer keinen Anspruch auf eine gesamtschuldnerische Verpflichtung der Unternehmen haben. Da nur die Arbeitnehmer des insolventen Unternehmens benachteiligt werden, deren Ansprüche durch § 123 InsO begrenzt werden, führt der gemeinsame Widerruf auch nicht zu untragbaren Ergebnissen. Denn als Vertragspartner des insolventen Unternehmens fällt das Risiko einer Arbeitgeberinsolvenz allein ihnen zu. Sie werden auch nicht schlechter gestellt, als sie im Betrieb eines 223 Fitting, BetrVG, §§ 112, 112a Rn 302; Zwanziger, AR der InsO, § 124 Rn 13; Schweibert in W/H/S/S, Umstrukturierung, C Rn 287; Caspers, Personalabbau, Rn 479; Staufenbiel, Sozialplan, S. 242. 224 Staufenbiel, Sozialplan, S. 242; Oetker/Friese DZWIR 2001, 265, 276. 225 Vgl. dazu bereits oben § 25 B.II.1. 226 Dies ist ohne weiteres zulässig, vgl. nur BAG NZA 2003, 676, 678. 227 Vgl. Stürner in Jauernig, BGB, § 426 Rn 21.

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Kap. 5: Die betriebsverfassungsrechtlichen Auswirkungen der Insolvenz

Unternehmens stünden, da hier eine gesamtschuldnerische Haftung von vorneherein ausscheidet. Im Übrigen verwehrt es § 124 Abs. 3 S. 1 InsO allen Unternehmen, bereits ausgezahlte Beträge aufgrund des Widerrufes zurückzufordern. Dementsprechend ist das Vertrauen der Arbeitnehmer ausreichend geschützt. Dies gilt umso mehr, als die Sozialplanforderung gegen das insolvente Unternehmen als Insolvenzforderung in aller Regel nur zu einem geringen Teil erfüllt würde.228 Auch die vertragsfremden Arbeitnehmer erleiden daher, die Solvenz des eigenen Vertragsarbeitgebers unterstellt, keine finanziellen Einbußen.

§ 28 Betriebsverfassungsrechtliche Fragestellungen beim gemeinsamen Betrieb in der Insolvenz – Rechtsfolgen einer Spaltung Bevor die dogmatischen Grundmodelle des gemeinsamen Betriebes in Bezug auf ihre betriebsverfassungsrechtlichen Auswirkungen untersucht werden können, muss das betriebsverfassungsrechtliche Schicksal des gemeinsamen Betriebes in Folge einer Spaltung geklärt werden. Dabei unterscheiden sich die Grundmodelle vor allem darin, wann und wie die Spaltung des gemeinsamen Betriebes herbeigeführt wird. Unabhängig davon, ob man eine automatische Spaltung durch den Eröffnungsbeschluss oder eine Spaltung durch den Insolvenzverwalter, etwa im Wege der Betriebstilllegung annimmt, ist fraglich, wie die Spaltung auf den gemeinsamen Betrieb wirkt.

A. Voraussetzungen der §§ 111 ff. BetrVG Nach der hier vertretenen Ansicht sind die §§ 111 ff. BetrVG nur anwendbar, wenn das Unternehmen mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigt. Dies gilt auch für Unternehmen, welche sich an einem gemeinsamen Betrieb beteiligen.229 Überschreitet nur eines oder einige der an einem gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen den Schwellenwert des § 111 S. 1 BetrVG, so ist zu differenzieren. Ist eine einheitliche Betriebsänderung geplant, welche auch Arbeitnehmer der „großen“ Unternehmen betrifft, so haben alle am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen die Pflicht, einen gemeinsamen Interessenausgleich zu suchen.230 Dabei werden sie durch den einheitlichen betrieblichen Leitungsapparat vertreten. Eine Sozialplanpflicht trifft jedoch stets nur die Unternehmen, welche selbst den Schwellenwert überschreiten, da auch im gemeinsamen Be228 229 230

Vgl. Bork, Insolvenzrecht, Rn 7: nicht selten unter 10%. Vgl. oben § 25 A.II.3. Vgl. oben § 25 A.II.4.

§ 28 Betriebsverfassungsrechtliche Fragestellungen in der Insolvenz

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trieb sog. Kleinunternehmen vor den finanziellen Belastungen eines Sozialplanes zu schützen sind.231

B. Sozialplanpflichtigkeit und Interessenausgleich Ist nach diesen Vorgaben der Anwendungsbereich der §§ 111 ff. BetrVG eröffnet, so ist für die Feststellung, ob eine Betriebsänderung vorliegt, wiederum auf die betrieblichen Verhältnisse abzustellen.232 Ebenso ist für die Frage der Sozialplanpflichtigkeit des Personalabbaus die Arbeitnehmerzahl des gesamten gemeinsamen Betriebes maßgeblich.233 Durch die im Rahmen der Betriebsverfassungsreform unterbliebene Anpassung an das Unternehmen bestehen für die einzelnen Voraussetzungen der Beteiligungsrechte also unterschiedliche Bezugsrahmen. Bei Vorliegen eines gemeinsamen Betriebes kann dieser unterschiedliche Bezugsrahmen dazu führen, dass zwar der Anwendungsbereich der §§ 111 ff. BetrVG eröffnet ist, die vom Insolvenzverwalter geplanten Maßnahmen jedoch nicht interessenausgleichs- bzw. sozialplanpflichtig sind. Beim reinen Personalabbau ist sowohl die Schwelle für den in Interessenausgleich nach § 17 KSchG als auch die Einschränkung der Sozialplanpflicht gem. § 112a Abs. 1 BetrVG betriebsbezogen. Bei einer entsprechenden Größe des gemeinsamen Betriebes ist also durchaus denkbar, dass die Personalreduzierung des insolventen Unternehmens nicht die erforderlichen Schwellenwerte erreicht, da es im Verhältnis zur Gesamtzahl nur wenige Arbeitnehmer beschäftigt. Insoweit werden die Arbeitnehmer durch den größeren Bezugsrahmen des gemeinsamen Betriebes schlechter gestellt. Dieses Problem wird jedoch dadurch gemildert, dass die erwähnten Schwellenwerte nur beim reinen Personalabbau einschlägig sind. Liegt in der Entlassung der Mitarbeiter gleichzeitig eine Änderung der sächlichen Betriebsmittel, welche die Voraussetzungen des § 111 S. 3 Nr. 2–5 BetrVG erfüllt oder liegt gar eine Betriebsstilllegung gem. § 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG vor, so ist die Maßnahme unabhängig von der Zahl der betroffenen Arbeitnehmer interessenausgleichs- und sozialplanpflichtig.234 Ein solcher Mischtatbestand dürfte in der Insolvenz häufig gegeben sein.

231

Vgl. oben § 25 A.II.3. BAG AP Nr. 42 zu § 111 BetrVG 1972, Bl. 1127; Richardi in Münchener Handbuch AR, § 31 Rn 49. 233 BAG AP Nr. 42 zu § 111 BetrVG 1972, Bl. 1127; Bonanni, Gemeinsamer Betrieb, S. 179. 234 Vgl. Oetker in GK-BetrVG, §§ 112, 112a Rn 237; Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 112a Rn 5; Annuß in Richardi, BetrVG, § 111 Rn 46. 232

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Kap. 5: Die betriebsverfassungsrechtlichen Auswirkungen der Insolvenz

C. Betriebsratsmandat – Schicksal der betrieblichen Einheiten bei einer Spaltung des gemeinsamen Betriebes Besondere Probleme wirft der gemeinsame Betrieb schließlich in Bezug auf die ungeklärten betriebsverfassungsrechtlichen Folgen seiner Spaltung auf. Insbesondere stellt sich die Frage, ob die Identität des gemeinsamen Betriebes durch das Ausscheiden eines der beteiligten Unternehmen verändert wird. I. Die Identität des gemeinsamen Betriebes Nach allgemeiner Ansicht ist sowohl das Mandat des Betriebsrates als auch die Geltung der abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen an die Identität des Betriebes geknüpft, für den er gewählt worden ist.235 Nach der hier vertretenen Ansicht führt die Spaltung des gemeinsamen Betriebes stets dazu, dass der dem ausscheidenden Unternehmen zuzuordnende Betriebsteil aus der Identität des gemeinsamen Betriebes ausscheidet.236 Für diesen Teil ist damit stets ein Identitätsverlust gegeben. Ob die Identität des gemeinsamen Betriebes insgesamt untergeht oder fortbesteht, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Stellt sich die Spaltung als Ausgliederung dar, so bleibt die Identität des verbleibenden gemeinsamen Betriebes unberührt.237 Dies setzt jedoch wie bereits erläutert voraus, dass auch weiterhin mindestens zwei Unternehmen an dem gemeinsamen Betrieb beteiligt sind. Anders liegen die Dinge, wenn eine Auflösung im vorstehend definierten Sinn gegeben ist. Dann führt die Spaltung stets dazu, dass mehrere selbständige Betriebe entstehen. Die Fortführung des bisherigen gemeinsamen Betriebes durch das verbleibende Unternehmen führt dann nur zu einer Identitätswahrung, wenn ein Betriebsübergang i. S. d. § 613a BGB stattfindet.238 Dies setzt jedoch voraus, dass das verbleibende Unternehmen personelle und sächliche Betriebsmittel übernimmt.239 Führt es den gemeinsamen Betrieb hingegen allein mit seinen bisherigen eigenen personellen und sächlichen Betriebsmitteln fort, so verändert sich die Identität des Betriebes, so dass das Mandat des für den gemeinsamen Betrieb gewählten Betriebsrates nach allgemeinen Grundsätzen erlischt. Dies entspricht auch dem Recht der BGB-Gesellschaft. Da in dem Ausscheiden des einen Unternehmens eine Kündigung der Gesellschaft liegt,240 wird 235 BAG AP Nr. 12 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, Bl. 181 Rs. f.; AP Nr. 77 zu § 613a BGB, Bl. 1135 Rs.; Reichold in ArbRKo, § 21a BetrVG Rn 1. 236 Vgl. oben § 14 C.II. 237 Vgl. oben § 14 C.II. 238 Vgl. LAG Frankfurt NZA-RR 1998, 242, 243, sowie oben § 14 C.II. 239 LAG Frankfurt NZA-RR 1998, 242, 243. Zu den Voraussetzungen eines Betriebüberganges im gemeinsamen Betrieb vgl. oben § 23 B.II.

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diese aufgelöst und aufgrund ihres Charakters als Innengesellschaft gleichzeitig beendet. Da die Führungsvereinbarung in der Regel keine Fortsetzungsklausel enthalten wird, dies gilt insbesondere für konkludente Führungsvereinbarungen, ist eine Fortsetzung der ursprünglichen Gesellschaft nur durch einen entsprechenden Beschluss der verbleibenden Gesellschafter möglich.241 Ein solcher Beschluss setzt gesellschaftsrechtlich voraus, dass noch mindestens zwei Gesellschafter vorhanden sind, da die Gesellschaft ansonsten erlischt.242 Des Weiteren muss die Fortsetzung auch betriebsverfassungsrechtlich möglich sein, das heißt die Identität des gemeinsamen Betriebes darf durch die Spaltung nicht verändert worden sein. Da eine solche Fortsetzung mit dem Schuldner in aller Regel nicht in Betracht kommt,243 ist demnach nur eine Fortsetzung unter Ausschluss des insolventen Unternehmens möglich. Dasselbe gilt für den Fall des freiwillig ausscheidenden Unternehmens, da dieses kein Interesse an einer Fortsetzung hat. Wird jedoch die Identität des gemeinsamen Betriebes verändert, liegt also eine Auflösung vor, käme nur eine Neugründung der Gesellschaft in Betracht. Zuzugeben ist, dass diese Sichtweise zur Folge hat, dass die Unternehmer durch die Spaltung des gemeinsamen Betriebes auf das Mandat des dort errichteten Betriebsrates einwirken können. Jedoch ist die Rechtslage hier nicht anders, als wenn der Betrieb eines Unternehmens aufgespalten wird. Insoweit liegt es in der Hand des Unternehmers, den Zuschnitt der betrieblichen Einheiten und damit auch deren Identität selbst zu bestimmen. Die Belange der Arbeitnehmer sind dadurch geschützt, dass sie zum einen dem Betriebsrat die Beteiligungsrechte der §§ 111 ff. BetrVG zugestehen, zum anderen wird eine betriebsratslose Zeit in aller Regel244 durch das Übergangsmandat gem. § 21a BetrVG vermieden. Folgt man dem nicht, so wären bei unterstellter Wahrung der Identität gem. § 13 Abs. 2 BetrVG Neuwahlen durchzuführen, sofern dessen Voraussetzung gegeben sind. Da der gemeinsame Leitungsapparat und die ihn tragende Führungsvereinbarung entfallen sind, sind die Arbeitnehmer des ausgeschiedenen Unternehmens nicht mehr Arbeitnehmer des gemeinsamen Betriebes i. S. d. § 7 S. 1 BetrVG. An der Neuwahl wären diese Arbeitnehmer also nicht mehr zu beteiligen. Der so neugewählte Betriebsrat wäre mangels demokratischer Legitimation für diese Arbeitnehmer auch nicht mehr zuständig. Dies zeigt bereits, dass die These von der Betriebsidentität nicht recht überzeugen kann. Es erscheint überzeugender, von einem Identitätsverlust auszugehen um so den Anwendungsbereich des § 21a BetrVG erst zu eröffnen.245 240

Sofern nicht ein anderer Auflösungsgrund wie etwa § 728 Abs. 2 BGB vorliegt. Vgl. oben § 14 D.III.3. 242 RGZ 163, 142, 149; Timm/Schöne in Bamberger/Roth, BGB, vor §§ 723 ff. Rn 1; Hadding in Soergel, vor § 705 Rn 6. 243 Vgl. oben § 14 D.III.3.b). 244 Vgl. dazu sogleich unter II., S. 258 ff. 241

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II. Übergangs- und Restmandat des Betriebsrates des gemeinsamen Betriebes nach dem Ausscheiden eines der beteiligten Unternehmen Es stellt sich nicht nur in der Insolvenz die Frage, inwieweit der Betriebsrat des gemeinsamen Betriebes weiter für den Betriebsteil, welcher dem ausscheidenden Unternehmen zuzuordnen ist, zuständig bleibt. Dies richtet sich nach den allgemeinen Bestimmungen der §§ 21a, 21b BetrVG. Diese sollen im Folgenden kurz in Bezug auf die denkbaren Konstellationen dargestellt werden. Sinn und Zweck des Übergangsmandates nach § 21a BetrVG ist dabei, den Arbeitnehmern die betriebsverfassungsrechtlichen Beteiligungsrechte zu erhalten und bis zur Neuwahl eines Betriebsrates in der neu gebildeten Einheit eine betriebsratslose Zeit zu vermeiden.246 Das Übergangsmandat ist ein zeitlich befristetes Vollmandat, welches auch neu entstehende Beteiligungsrechte umfasst.247 Erforderlich ist dafür, dass der bisherige Betriebsrat seine Zuständigkeit für den bisherigen Betrieb oder Teile davon verliert.248 Für ein Übergangsmandat ist daher kein Raum, wenn der Betriebsrat sein Mandat nach allgemeinen Regeln behält, weil die Identität des Betriebes unverändert bleibt.249 Keineswegs setzen die §§ 21a, 21b BetrVG jedoch voraus, dass eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 S. 1 BetrVG vorliegt. Die Spaltung wird zwar regelmäßig den Tatbestand des § 111 S. 3 Nr. 3 BetrVG erfüllen,250 jedoch sind die §§ 21a, 21b BetrVG nicht auf den Anwendungsbereich der §§ 111 ff. BetrVG beschränkt. Dies zeigt sich bereits daran, dass sowohl Übergangs- als auch Restmandat keinen Schwellenwert bzgl. der Unternehmensgröße voraussetzen. Dementsprechend ist keineswegs eine Betriebsänderung durch den Arbeitgeber zu verlangen, vielmehr genügt jede Änderung der betrieblichen Organisation, welche die Betriebsidentität verändert.251 Somit kommt ein Übergangsmandat auch dann in Betracht, wenn die Spaltung des Betriebes durch Dritte erfolgt, wie dies etwa bei einer angenommenen Spaltung infolge des Eröffnungsbeschlusses des Insolvenzgerichts der Fall ist. 245 § 21a BetrVG setzt voraus, dass der bisherige Betriebsrat aufgrund der Identitätsänderung die Zuständigkeit für den Ursprungsbetrieb oder Teile davon verliert, vgl. Fitting, BetrVG, § 21a Rn 6; Thüsing BB 2004, 2474. 246 Begr. RegE, BT-Drucks. 14/5741, S. 39. 247 Reichold in ArbRKo, § 21a BetrVG Rn 10; Fitting, BetrVG, § 21a Rn 20; Kreutz in GK-BetrVG, § 21a Rn 37. 248 Buschmann in D/K/K, BetrVG, § 21a Rn 4; Kreutz in GK-BetrVG, § 21a Rn 7; Thüsing in Richardi, BetrVG, § 21a Rn 2. 249 ErfKO-Eisemann, § 21a BetrVG Rn 3; Fitting, BetrVG, § 21 Rn 6; Thüsing in Richardi, BetrVG, § 21a Rn 4. 250 Buschmann in D/K/K, BetrVG, § 21a Rn 22; Fitting, BetrVG, § 21a Rn 9. 251 Vgl. Fitting, BetrVG, § 21a Rn 9; Kreutz in GK-BetrVG, § 21a Rn 18; Thüsing in Richardi, BetrVG, § 21a Rn 4.

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Im Folgenden wird daher davon ausgegangen, dass die Spaltung des gemeinsamen Betriebes dessen Identität so verändert hat, dass der im gemeinsamen Betrieb gewählte Betriebsrat für den ausgeschiedenen Teil des Betriebes nicht mehr zuständig ist. Ob sich die Identität des gemeinsamen Betriebes insgesamt ändert oder ob dieser von den Übrigen beteiligten Unternehmen fortgesetzt wird, ist an dieser Stelle ohne Bedeutung. Das Übergangsmandat setzt weiterhin voraus, dass die neu entstehende Einheit gem. § 1 Abs. 1 S. 1 BetrVG betriebsratsfähig ist.252 Soweit Buschmann253 unter Berufung auf Art. 6 Abs. 1 S. 3 der Richtlinie 2001/23/EG die gegenteilige Ansicht vertritt, vermag dies nicht zu überzeugen. Die Richtlinie will nur gewährleisten, dass das nationale Recht die Aufrechterhaltung des Schutzes durch eine Arbeitnehmervertretung während eines Schutzzeitraumes vorsieht, der für die Bildung einer Arbeitnehmervertretung notwendig ist, wenn infolge eines Betriebsüberganges die Selbständigkeit des Betriebes oder Betriebsteils endet.254 Der Richtlinie sind jedoch keine Vorgaben in Bezug auf die Voraussetzungen zu entnehmen, unter denen eine Arbeitnehmervertretung zu bilden ist.255 Ist nach Maßgabe des nationalen Rechts keine Arbeitnehmervertretung zu bilden, so entfällt der Sinn des Übergangsmandates. Die Anknüpfung an die Betriebsratfähigkeit der abgespaltenen Einheit verstößt also nicht gegen die Betriebsübergangsrichtlinie.256 Erfüllt die abgespaltene Einheit die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 S. 1 BetrVG nicht, so kommt lediglich ein Restmandat des Betriebsrates in Betracht.257 Das Restmandat kann grundsätzlich auch neben einem Übergangsmandat bestehen.258 Zweck des Restmandates ist es, die Beteiligungsrechte des Betriebsrates zu sichern, welche infolge der Auflösung des Betriebes durch Stilllegung, Spaltung oder Zusammenlegung entstehen.259 Insoweit normiert die Vorschrift die Rechtsprechung des BAG, welche ein solches Restmandat bereits im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung geschaffen hatte.260 Das Restmandat ist inhaltlich und zeitlich auf die Abwicklung der durch den Untergang des Betriebes

252 Fitting, BetrVG, § 21a Rn 13; Kreutz in GK-BetrVG, § 21a Rn 26; Thüsing in Richardi, BetrVG, § 21a Rn 5; Hohenstatt in W/H/S/S, Umstrukturierung, D Rn 78; Rieble NZA 2002, 233, 235. 253 in D/K/K, BetrVG, § 21a Rn 34. 254 Vgl. Fitting, BetrVG, § 21a Rn 13. 255 Fitting, BetrVG, § 21a Rn 13. 256 Fitting, BetrVG, § 21a Rn 13; Kreutz in GK-BetrVG, § 21a Rn 26. 257 Fitting, BetrVG, § 21a Rn 13; Thüsing in Richardi, BetrVG, § 21a Rn 12. 258 Fitting, BetrVG, § 21b Rn 13; Kreutz in GK-BetrVG, § 21b Rn 25; Thüsing in Richardi, BetrVG, § 21b Rn 5. 259 Fitting, BetrVG, § 21a Rn 1; Kreutz in GK-BetrVG, § 21b Rn 1. 260 Vgl. BAG AP Nr. 20 zu § 111 BetrVG 1972, Bl. 536 Rs.; AP Nr. 77 zu § 613a BGB, Bl. 1135 Rs.; AP Nr. 123 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 1490.

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ausgelösten Aufgaben des Betriebsrates beschränkt, sei es durch Stilllegung oder Spaltung.261 Es ist daher kein allgemeines Abwicklungsmandat für alle noch nicht abgeschlossenen betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben.262 Voraussetzung für die Entstehung eines Restmandates ist, dass die betriebliche Organisation durch einen der gesetzlichen Auflösungstatbestände untergeht, also der bisherige Betrieb seine Identität verliert.263 1. Ausscheiden eines Betriebsteiles und Fortführung als eigenständiger Betrieb Geht man von einer Auflösung des gemeinsamen Betriebes aus, so liegt eine Spaltung i. S. d. § 21a BetrVG vor.264 Führt das ausgeschiedene Unternehmen den ihm zuzuordnenden Betriebsteil daher als selbständigen Betrieb fort, so kommt dem Betriebsrat des gemeinsamen Betriebes ein Übergangsmandat zu, sofern die abgespaltene Einheit betriebsratsfähig ist. Liegt demgegenüber ein Fall der Abspaltung vor, so bleibt die Identität des gemeinsamen Betriebs unberührt. Zu Neuwahlen kann es dann nur in dem abgespaltenen Betriebsteil kommen,265 wiederum unter der Voraussetzung der Betriebsratsfähigkeit. Nur für diesen Teil besteht dann konsequenter Weise ein Übergangsmandat. Dementsprechend ist unabhängig von der Frage, ob der weiterhin gemeinsam geführte Rest des gemeinsamen Betriebes seine Identität wahrt, für den abgespaltenen Teil von einem Übergangsmandat auszugehen. 2. Ausscheiden eines Betriebsteiles und Zusammenlegung mit einem anderen Betrieb/Betriebsteil Diese Konstellation erscheint auf den ersten Blick problematisch, da aufgrund des bestehenden gemeinsamen Betriebes der Zusammenlegung des dem insolventen Unternehmen zuzuordnenden Betriebsteils zwangsläufig eine Spaltung des gemeinsamen Betriebes vorausgehen muss. Ist jedoch das Ziel der Spaltung die Zusammenlegung mit einem anderen Betrieb bzw. Betriebsteil, so ist es widersinnig, von zwei möglichen Übergangsmandaten auszugehen.266 261

Reichold in ArbRKo, § 21b Rn 9; Worzalla in H/S/W/G, BetrVG, § 21b Rn 5 f. ErfKO-Eisemann, § 21b BetrVG Rn 3; Fitting, BetrVG, § 21b Rn 16; Kreutz in GK-BetrVG, § 21b Rn 13. 263 ErfKO-Eisemann, § 21b BetrVG Rn 2; Fitting, BetrVG, § 21b Rn 5. 264 Vgl. Buschmann in D/K/K, § 21a Rn 29; Fitting, BetrVG, § 21a Rn 9; Thüsing in Richardi, BetrVG, § 21a Rn 5. 265 Thüsing in Richardi, BetrVG, § 21a Rn 6; Hanau ZIP 2001, 1981; Rieble NZA 2002, 233, 234. 266 Vgl. Kreutz in GK-BetrVG, § 21a Rn 57; Schuster in Praxishandbuch BetrV, Kapitel 4 Rn 26; Hohenstatt in W/H/S/S, Umstrukturierung, D Rn 80. 262

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Wird durch eine Zusammenlegung von Betrieben oder Betriebsteilen eine neue betriebsratsfähige Einheit geschaffen, kommt es zu einem Übergangsmandat.267 Dies gilt allerdings nur dann, wenn die neue Einheit sich von den bisher vorhandenen Organisationsstrukturen in ihrer Identität unterscheidet. Dies setzt voraus, dass die einzelnen Organisationen unter einer neuen einheitliche Leitung zusammengefasst werden, welcher die erforderlichen personellen und sozialen Kompetenzen zustehen.268 Fraglich ist demgegenüber, wie der Fall zu behandeln ist, dass ein Betrieb nach einer Spaltung zunächst eigenständig weitergeführt wird, dann jedoch eine Zusammenlegung erfolgt. Ist in dem ausgegliederten Betrieb bereits ein neuer Betriebsrat gewählt, so kann es für das Entstehen des Übergangsmandates nicht auf die Amtsdauer ankommen. Vielmehr endet das Mandat des Betriebsrates aufgrund des Identitätsverlusts, und ein Übergangsmandat ist möglich. Im Hinblick auf den Regelungszweck des § 21a BetrVG, der betriebsratslose Zeiten verhindern will, ist aber auch der Fall nicht anders zu entscheiden, in dem es noch vor Ablauf des Übergangsmandates zu einer Zusammenlegung kommt.269 Eine eventuell eingeleitete Betriebsratswahl ist abzubrechen, da die Einheit, für die gewählt würde, ihre Identität einbüßt. Statt dessen ist von einem zweiten Übergangsmandat auszugehen, welches sechs Monate ab dem Zeitpunkt der Zusammenlegung gilt.270 Nach § 21a Abs. 2 S. 1 BetrVG steht das Übergangsmandat dem Betriebsrat zu, der von der größten Arbeitnehmerzahl legitimiert wurde. Dabei kann es jeweils nur auf die Arbeitnehmerzahl in den Einheiten ankommen, welche zusammengelegt werden.271 Dementsprechend muss auch auf die Belegschaftsstärke im Zeitpunkt der Zusammenlegung abgestellt werden.272 Umstritten ist schließlich, wie der Fall zu handhaben ist, dass in der nach der Zahl der Arbeitnehmer größten Organisationseinheit kein Betriebsrat besteht. Teilweise wird vertreten, dass das Übergangsmandat dann dem nach der Zahl der Arbeitnehmer nächstgrößeren Betrieb zustehe.273 Diese Ansicht übersieht jedoch, dass dies bei entsprechenden Zahlenverhältnissen zu einer Herrschaft der Minderheit über die 267

Fitting, BetrVG, § 21a Rn 11; Kreutz in GK-BetrVG, § 21a Rn 59. Kreutz in GK-BetrVG, § 21a Rn 59. 269 Rieble NZA 2002, 233, 238. 270 Rieble NZA 2002, 233, 238. 271 Worzalla in H/S/W/G, BetrVG, § 21a Rn 11; Thüsing in Richardi, BetrVG, § 21a Rn 9. 272 Thüsing in Richardi, BetrVG, § 21a Rn 9; Schuster in Praxishandbuch BetrV, Kapitel 4 Rn 28; Rieble NZA 2002, 233, 237; a. A. Fitting, BetrVG, § 21a Rn 18; Kreutz GK-BetrVG, § 21a Rn 71, die auf Gründen der Rechtssicherheit auf den Zeitpunkt der letzten Betriebsratswahl abstellen wollen. Dies führt aber zu unsinnigen Ergebnissen, wenn sich die Arbeitnehmerzahl seit der letzten Wahl massiv geändert hat. 273 Fitting, BetrVG, § 21a Rn 19; Kreutz in GK-BetrVG, § 21a Rn 73; Thüsing in Richardi, BetrVG, § 21a Rn 11. 268

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Mehrheit führen kann.274 Die Entscheidung der Mehrheit, nicht von einem Betriebsrat repräsentiert werden zu wollen, ist daher ebenso zu akzeptieren wie die mehrheitliche Entscheidung für eine Betriebsrat. Da es nicht praktikabel ist, das Übergangsmandat auf die Teile des neuen Betriebes zu erstrecken, welche auch bisher von einem Betriebsrat repräsentiert wurden,275 ist in diesen Fällen ein Übergangsmandat insgesamt abzulehnen.276 Es kommt jedoch zu einem Restmandat gem. § 21b BetrVG. 3. Ausscheiden eines Betriebsteiles und Eingliederung in einen anderen Betrieb Nach § 21 Abs. 1 S. 1 BetrVG entsteht kein Übergangsmandat, wenn der Betrieb oder Betriebsteil in einen Betrieb eingegliedert wird, in dem ein Betriebsrat besteht. Voraussetzung einer Eingliederung ist also, dass zumindest ein an der Umstrukturierung beteiligter Betrieb seine Identität wahrt.277 Dies unterscheidet die Eingliederung von der Zusammenlegung, die einen Betrieb mit einer neuen Identität entstehen lässt.278 Da also ein Betrieb seine Identität wahrt, bleibt auch dessen Betriebsrat im Amt, so dass ein Übergangsmandat nicht erforderlich ist. Aufgrund der veränderten Belegschaftszahlen im aufnehmenden Betrieb können jedoch nach Maßgabe des § 13 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG Neuwahlen erforderlich werden.279 Unklar ist die Rechtslage, wenn der aufnehmende Betrieb keinen Betriebsrat hat. Teilweise wird dieser Fall dem § 21a Abs. 2 BetrVG zugeordnet, der lediglich die Zusammenfassung zu einem Betrieb verlange, eine solche sei auch im Fall der Eingliederung gegeben.280 Dem ist jedoch mit der Gegenauffassung entgegenzutreten.281 Das Übergangsmandat dient seinem Zweck nach dem Erhalt der bestehenden Mitbestimmung und nicht der Erweiterung von Betriebs274 Willemsen in Kallmeyer, UmwG, § 321 Rn 9; Schuster in Praxishandbuch BetrV, Kapitel 4 Rn 29; Hohenstatt in W/H/S/S, Umstrukturierung, D Rn 83; Rieble NZA 2002, 233, 237 f. 275 So aber ErfKO-Eisemann, § 21a BetrVG Rn 4; Worzalla FA 2001, 261, 263. 276 Willemsen in Kallmeyer, UmwG, § 321 Rn 9; Schuster in Praxishandbuch BetrV, Kapitel 4 Rn 29; Hohenstatt in W/H/S/S, Umstrukturierung, D Rn 87; Rieble NZA 2002, 233, 237 f. 277 Reichold in ArbRKo, § 21a Rn 9; Thüsing in Richardi, BetrVG, § 21a Rn 10. 278 Reichold in ArbRKo, § 21a BetrVG Rn 9; Kreutz in GK-BetrVG, § 21a Rn 60; Löwisch/Kaiser BetrVG, § 21a Rn 22. 279 Fitting, BetrVG, §21a Rn 14; Kreutz in GK-BetrVG, § 21a Rn 31. 280 Buschmann in D/K/K, BetrVG, § 21a Rn 39; ErfKO-Eisemann, § 21a BetrVG Rn 4; Fitting, BetrVG, § 21a Rn 11a. 281 Reichold in ArbRKo, § 21a BetrVG Rn 9; Worzalla in H/S/W/G, BetrVG, § 21a Rn 11; Willemsen in Kallmeyer, UmwG, § 321 Rn 14; Thüsing in Richardi, BetrVG, § 21a Rn 10; Hohenstatt in W/H/S/S, Umstrukturierung, D Rn 65, Rieble NZA 2002, 233, 237.

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ratsmandaten.282 Es soll daher grundsätzlich nur bestehende Betriebsratsmandate übergangsweise erhalten. Dem Willen des Gesetzgebers zufolge soll dabei nur ein Übergangsmandat bestehen. Durch die Anknüpfung an den Betriebsrat mit der stärksten demokratischen Legitimation soll eine Konkurrenz vermieden werden.283 Da der Gesetzgeber die fehlende demokratische Legitimation in den neu hinzukommenden Betriebsteilen zu ersetzen sucht, ist die Belegschaftsstärke ausschlaggebend für das Übergangsmandat.284 Die durch das Übergangsmandat begründete Ausnahme von der demokratischen Legitimation durch die repräsentierten Arbeitnehmer erscheint jedoch nur hinnehmbar, wenn der Betriebsrat wenigstens von der Mehrheit der repräsentierten Arbeitnehmer ursprünglich gewählt wurde. Anderenfalls würde deren Recht, auf die Zusammensetzung des Betriebsrates Einfluss zu nehmen, beseitigt.285 Entscheidend ist jedoch, dass § 21a Abs. 1 S. 1 BetrVG, der gem. § 21a Abs. 2 BetrVG auch für eine Zusammenfassung gilt, zwischen Eingliederung und Zusammenfassung unterscheidet. Da der aufnehmende Betrieb bei einer Eingliederung seine Identität nicht verliert, ist es systemfremd, ein Übergangsmandat anzunehmen.286 Denn ein solches Übergangsmandat setzt nach allgemeiner Ansicht voraus, dass der Betrieb seine Identität verliert. Würde man die Eingliederung in einen betriebsratlosen Betrieb als Zusammenfassung betrachten, so wäre die Unterscheidung des Gesetzgebers in § 21a BetrVG hinfällig. Diese Unterscheidung ist jedoch die Grundlage der gesetzgeberischen Konzeption. Entsprechend dem betriebsverfassungsrechtlichen Repräsentationsgedanken ist das Mandat an die Identität der wählenden Einheit gekoppelt.287 Nur soweit diese untergeht und ohnehin keine direkte Fortsetzung des Mandates möglich ist, soll ein Übergangsmandat bestehen. Nur in diesem Fall tritt an die Stelle der demokratischen Legitimation das Majoritätsprinzip. Da bei der Eingliederung die Identität des aufnehmenden Betriebes fortbesteht, kommt daher kein Übergangsmandat in Betracht, unabhängig davon, ob dieser Betrieb einen Betriebsrat hat oder nicht. Wird der dem insolventen Unternehmen zuzuordnende Teil des gemeinsamen Betriebes daher aus diesem herausgelöst und in einen bestehenden größeren Betrieb dieses Unternehmens eingegliedert, so steht dem Betriebsrat des gemeinsamen Betriebes kein Übergangsmandat zu. Führt die Spaltung zur Auflösung des gemeinsamen Betriebes, ist jedoch ein Restmandat denkbar. Da der aus 282

Worzalla in H/S/W/G, BetrVG, § 21 Rn 11. Hohenstatt in W/H/S/S, Umstrukturierung, D Rn 82. 284 Vgl. Hohenstatt in W/H/S/S, Umstrukturierung, D Rn 86; Rieble NZA 2002, 233, 237. 285 Rieble NZA 2002, 233, 237 f. 286 Thüsing in Richardi, BetrVG, § 21a Rn 10; Hohenstatt in W/H/S/S, Umstrukturierung, D Rn 83; Rieble NZA 2002, 233, 237. 287 Hohenstatt in W/H/S/S, Umstrukturierung, D Rn 86. 283

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dem gemeinsamen Betrieb ausscheidende Teil nach der hier vertretenen Ansicht seine Identität stets verliert, kann er niemals aufnehmender Betrieb sein. Insoweit käme nur ein Zusammenschluss in Betracht. 4. Ausscheiden eines Betriebsteiles und anschließende Stilllegung Wird der dem insolventen Unternehmen zuzuordnende Betrieb nur aus dem Grund aus dem gemeinsamen Betrieb herausgelöst, um ihn stillzulegen, so stellt sich die Frage, ob hier ein Übergangsmandat entsteht. Diese Konstellation wird insbesondere dann relevant, wenn man der Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Bedeutung für den Bestand des gemeinsamen Betriebes zubilligt. Der Insolvenzverwalter kann dann gezwungen sein, den gemeinsamen Betrieb zu spalten, um eine uneingeschränkte Anwendung des Insolvenzarbeitsrechts zu gewährleisten. Explizite Regelungen für diese Frage fehlen. Da ein Nebeneinander von Übergangs- und Restmandat möglich ist, muss sich eine Lösung an den verschiedenen Zwecken und Inhalten der Mandate orientieren. Praktikabel erscheint es, sich streng an den betriebsverfassungsrechtlichen Verhältnissen zum maßgeblichen Zeitpunkt in Bezug auf die Mandate, also das Entstehen eines jeweiligen Beteiligungsrechtes, zu orientieren. Ist die Spaltung des Betriebes noch nicht durchgeführt, so ist weder ein Rest- noch ein Übergangsmandat nötig, da es sich um die Stilllegung eines Betriebsteiles handelt. Für diesen Betriebsteil ist der Betriebsrat ohne weiteres zuständig. Ist dagegen der Betriebsteil bereits aus dem Ursprungsbetrieb herausgelöst, so ist unter den erläuterten Voraussetzungen sowohl ein Übergangs- als auch ein Restmandat möglich. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob der herausgelöste Betriebsteil nun sogleich stillgelegt oder noch eine Weile fortgeführt wird. Allein die Tatsache, dass ein Übergangsmandat im Fall der sofortigen Stilllegung nicht zum Tragen kommt, hindert das Entstehen eines solchen Mandates nicht. Dies gilt umso mehr, als die Beschäftigung einiger Arbeitnehmer mit Abwicklungsarbeiten bis zum Ablauf der Kündigungsfrist einer Stilllegung nicht entgegensteht.288 Will der Insolvenzverwalter einen Personalabbau außerhalb des gemeinsamen Betriebes durchführen, so muss er, gesteht man der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht diese Wirkung zu, den gemeinsamen Betrieb zunächst spalten. Erst nachdem diese Spaltung wirksam geworden und die Identität des gemeinsamen Betriebes untergegangen ist bzw. zumindest den ausgeschiedenen Betriebsteil nicht mehr erfasst, entfaltet der gemeinsame Betrieb keine kündigungsschutzrechtlichen und betriebsverfassungsrechtlichen Wirkungen mehr. Demzufolge ist es für diesen Zweck unabdingbar, dass die Spaltung ihre 288 Vgl. BAG AP Nr. 77 zu § 613a BGB, Bl. 1135 Rs.; AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Konzern, Bl. 863; Fitting, BetrVG, § 21b Rn 17.

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Rechtsfolgen zeitlich vor einer möglichen Stilllegung zeitigt. Folglich ist in diesem Fall ein Übergangsmandat anzunehmen, und dieser Fall unterscheidet sich damit nicht von dem unter 1. erläuterten.

D. Folgen des Verlustes der Betriebsidentität – Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen Fraglich ist, welche Folgen sich aus dem Verlust der Betriebsidentität für die Fortgeltung der im gemeinsamen Betrieb vereinbarten Betriebsvereinbarungen ergeben. Knüpft man deren kollektivrechtliche Wirkung an die Betriebsidentität, so muss diese enden, wenn die Identität des Betriebes untergeht. Entsprechend der bereits erfolgten Unterteilung muss dabei wie folgt unterschieden werden. Im Falle der Auflösung des gemeinsamen Betriebes verliert der gemeinsame Betrieb insgesamt seine Identität. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob die Betriebsteile nach der Auflösung fortgeführt oder stillgelegt werden.289 Die Identität des gemeinsamen Betriebes endet in diesem Fall mit der Auflösung. Andererseits wurde für den gemeinsamen Betrieb mit mehr als zwei beteiligten Unternehmen die Möglichkeit einer Ausgliederung erläutert. In diesem Fall bleibt die Identität des gemeinsamen Betriebes erhalten, wobei dieser verkleinert wird und sich nur auf die im gemeinsamen Betrieb verbleibenden Teile erstreckt.290 Bleibt die Identität des gemeinsamen Betriebes so erhalten, gelten die dort vereinbarten Betriebsvereinbarungen kollektivrechtlich fort.291 Für den aus dem gemeinsamen Betrieb herausgelösten Teil ist jedoch auch in diesem Fall festzuhalten, dass er von dieser Identität des gemeinsamen Betriebes nicht mehr erfasst wird.292 Auch ist je nach Maßgabe des Einzelfalles denkbar, dass die Spaltung eines von mehr als zwei Unternehmen getragenen gemeinsamen Betriebes nicht zu einer Ausgliederung, sondern zu einer Auflösung führt.293 Wann immer die Identität des gemeinsamen Betriebes insgesamt oder für den ausgegliederten Teil endet, stellt sich die Frage, ob und wenn ja wie die Betriebsvereinbarungen, die im gemeinsamen Betrieb vereinbart wurden, fortgelten. Die Frage ist gesetzlich nicht geregelt.294 Eine Anwendung des § 613a BGB kommt nicht in Betracht, da es an einem Rechtsträgerwechsel fehlt.295 289

Gaul, Betriebsspaltung, § 25 Rn 201. Gaul, Betriebsspaltung, § 25 Rn 200. 291 Gaul, Betriebsspaltung, § 25 Rn 202. 292 Hohenstatt in W/H/S/S, Umstrukturierung, E Rn 17; Gaul, Betriebsspaltung, § 25 Rn 16. 293 Vgl. oben § 14 C.II. 294 Gaul, Betriebsspaltung, § 25 Rn 203; Hohenstatt in W/H/S/S, Umstrukturierung, E Rn 68. 290

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I. Kollektiver Fortbestand, sofern keine Gegenstandslosigkeit eintritt Teilweise wird, unabhängig davon, ob es sich um eine unternehmensinterne Umwandlung handelt, vertreten, dass die Spaltung eines Betriebes keine Auswirkungen auf die Fortgeltung der Betriebsvereinbarungen hat. Werden die ausgegliederten Betriebsteile selbständig fortgeführt und nicht in eine andere Organisation eingegliedert, so bleibe es bei der kollektivrechtlichen Geltung der Betriebsvereinbarungen.296 Etwas anderes könne nur dann gelten, wenn die Betriebsvereinbarungen ihrem Inhalt nach infolge der Betriebsänderung gegenstandlos werden.297 Dies wird zunächst damit begründet, dass die demokratische Legitimation erhalten bleibe, da die Betriebsvereinbarung dieselben Arbeitnehmer erfasse wie vor der Betriebsänderung.298 Auch sei es widersprüchlich, dem Betriebsrat ein Übergangsmandat nach § 21a BetrVG zuzugestehen, die Fortgeltung der von diesem Betriebsrat abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen aber zu verneinen.299 Weitergehend führt Bachner300 an, dass die Arbeitnehmer vor nicht kontrollierbaren Organisationsentscheidungen des Arbeitgebers geschützt werden müssten. II. Stellungnahme Diese Ansicht begegnet durchgreifenden Bedenken. Sie bricht, ohne dies ausdrücklich zu sagen,301 mit der bisher überwiegend vertretenen Betriebsidentitätslehre.302 Bisher war anerkannt, dass eine kollektivrechtliche Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen entgegen § 613a Abs. 1 S. 2 BGB dann möglich ist, 295 Gaul, Betriebsspaltung, § 25 Rn 203; Hohenstatt in W/H/S/S, Umstrukturierung, E Rn 66. 296 BAG NZA 2003, 670, 675; Berg in D/K/K, BetrVG, § 77 Rn 49a; Fitting, BetrVG, § 77 Rn 174; Kreutz in GK-BetrVG, § 77 Rn 376; noch weitergehend Bachner NZA 1997, 79, 81, der stets von einer kollektivrechtlichen Fortgeltung ausgeht. Vgl. auch Düwell NZA 1996, 393, 395, der von einer Fortgeltung für die Dauer des Übergangsmandates ausgeht. 297 BAG NZA 2003, 670, 674; Berg in D/K/K, BetrVG § 77 Rn 47a; Fitting, BetrVG, § 77 Rn 161; Kreutz in GK-BetrVG, § 77 Rn 377; enger Bachner NZA 1997, 79, 81 f., der die Fortgeltung nur bei Unmöglichkeit entfallen lassen will. 298 BAG NZA 2003, 670, 675; Fitting, BetrVG, § 77 Rn 174. 299 BAG NZA 2003, 670, 675; Fitting, BetrVG, § 77 Rn 174; Kreutz in GKBetrVG, § 77 Rn 377. 300 In NZA 1997, 79, 81. 301 Vgl. BAG NZA 2003 670, 674 einerseits und 675 andererseits. 302 Steffan in APS, § 613a BGB Rn 114; Hohenstatt in W/H/S/S, Umstrukturierung, E Rn 17; Hohenstatt/Müller-Bonanni NZA 2003, 766, 770; Thüsing DB 2004, 2474, 2477.

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wenn die Identität des Betriebes unverändert blieb.303 Diese Abweichung vom Grundsatz der individualrechtlichen Fortgeltung gem. § 613a Abs. 1 S. 2 BGB wurde damit gerechtfertigt, dass die Betriebsvereinbarung Normcharakter hat und damit stets eine kollektive Ordnung in dem bestimmten betrieblichen Gebilde schaffe, auf welches sie sich bezieht.304 Nur soweit die Identität dieses Gebildes reicht, kann daher die kollektivrechtliche Fortgeltung greifen. Die Identität des ursprünglichen, in unserem Fall des gemeinsamen Betriebes, kann sich jedoch bereits begrifflich nicht in mehreren Betrieben oder Betriebsteilen fortsetzen.305 Die kollektivrechtliche Fortgeltung der Betriebsvereinbarung kann daher nicht aus der Betriebsidentität gefolgert werden. Dies erkennen auch die Vertreter der kollektivrechtlichen Fortgeltung an, indem sie sich auf § 21a BetrVG berufen,306 da ein Übergangsmandat den Verlust der Betriebsidentität voraussetzt. Diese Abkehr von der Betriebsidentitätslehre wird jedoch nicht ausreichend dogmatisch begründet.307 Eine Fortgeltung der Betriebsvereinbarungen lässt sich zunächst nicht aus dem Übergangsmandat gem. § 21a BetrVG herleiten. Dies ergibt sich bereits daraus, dass § 1a BetrVG seinem Zweck nach nur den Fortbestand der Vertretung regelt. Der Norm lassen sich daher keine Aussagen über die Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen entnehmen.308 Diese ist vielmehr in § 613a Abs. 1 S. 1 BGB für Fälle des Betriebsübergangs geregelt.309 Dort wird jedoch die individuelle Fortgeltung angeordnet. Da die Vertreter der kollektivrechtlichen Fortgeltung ihre Auffassung auch auf solche Fälle erstre-

303 BAG AP Nr. 89 zu § 613a BGB, Bl. 565; AP Nr. 118 zu § 613a BGB, Bl. 1141 Rs.; ErfKO-Preis, § 613a BGB Rn 110; Annuß in Staudinger, BGB, § 613a Rn 256; Hohenstatt in W/H/S/S, Umstrukturierung, E Rn 6; Boecken, Unternehmensumwandlung, Rn 156; Müller RdA 1996, 287 f. m.w. N. 304 Hohenstatt in W/H/S/S, Umstrukturierung, E Rn 17; Boecken, Unternehmensumwandlung, Rn 156; Hohenstatt/Müller-Bonanni NZA 2003, 766, 769; Thüsing DB 2004, 2474, 2477. Liegt ein Betriebsinhaberwechsel vor, so ist die Fortgeltung beim Erwerber zusätzlich durch dessen Eintritt in die Arbeitgeberstellung zu begründen, vgl. Hohenstatt/Müller-Bonanni NZA 2003, 766, 769 m.w. N. in Fn 28. Ein solcher Wechsel des Betriebsinhabers steht vorliegend aber gerade nicht in Rede. 305 Hohenstatt in W/H/S/S, Umstrukturierung, E Rn 17; Hohenstatt/Müller-Bonanni NZA 2003, 766, 770; Thüsing DB 2004, 2474, 2477. 306 Vgl. BAG NZA 2003, 670, 675; Fitting, BetrVG, § 77 Rn 174; Kreutz in GKBetrVG, § 77 Rn 377. 307 Röder/Haußmann in Praxishandbuch BV, Kapitel 29 Rn 7, 10; Hohenstatt in W/H/S/S, Umstrukturierung, E Rn 17 ff.; Boecken, Unternehmensumwandlung, Rn 159; Hohenstatt/Müller-Bonanni NZA 2003, 766, 770; Kreßel DB 1989, 1623, 1625. 308 Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 77 Rn 43; Hohenstatt/Müller-Bonanni NZA 2003, 766, 770; Thüsing DB 2004, 2474, 2477. 309 LAG Hamm NZA-RR 2003, 369, 370; Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 77 Rn 43; Hohenstatt/Müller-Bonanni NZA 2003, 766, 770.

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cken, welche § 613a BGB unterfallen, ist diese mit den gesetzlichen Regelungen unvereinbar.310 Dies gilt jedoch auch für unternehmensinterne Umwandlungen. Das Übergangsmandat kann nicht verhindern, dass der abgespaltene Betriebsteil dauerhaft nicht mehr der Zuständigkeit des alten Betriebsrates unterfällt.311 Konsequenterweise müsste die Fortgeltung sich dann nur auf die Dauer des Übergangsmandates beschränken.312 Diese Einschränkung wird aber nur von Düwell gemacht.313 Es ist jedoch nicht angängig, an eine temporäre Übergangslösung die dauerhafte Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen zu knüpfen. Das Übergangsmandat soll nur davor schützen, dass der Arbeitgeber mitbestimmungsfreie Entscheidungen zu Lasten der Arbeitnehmer trifft, nicht jedoch soll es den durch Betriebsvereinbarungen gebildeten Besitzstand schützen.314 Dies gilt umso mehr, als keineswegs gesichert ist, dass in dem selbständigen Betriebsteil nach Ablauf des Übergangsmandates auch ein Betriebsrat gewählt wird. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, war dieser Betriebsrat niemals Vertragspartner beim Abschluss der fortgeltenden Betriebsvereinbarung.315 Nach der abgelehnten Ansicht ist die Fortgeltung jedoch unabhängig von einer tatsächlichen Neuwahl. Kommt es nicht zu einer Neuwahl des Betriebsrates, so offenbart diese Ansicht im Übrigen gravierende Schutzlücken zu Lasten der Arbeitnehmer. Mangels Betriebsrat solle es dem Arbeitgeber dann möglich sein, die Betriebsvereinbarung gegenüber allen Arbeitnehmern zu kündigen.316 Da kein Betriebsrat zur Wahrnehmung der erzwingbaren Beteiligungsrechte bestehe, sei in diesen Fällen eine Nachwirkung ausgeschlossen.317 Demzufolge wäre nach Ablauf des Übergangsmandates eine jederzeitige Beseitigung möglich, so dass in betriebsratslosen Betrieben der angebliche Schutz durch die kollektivrechtliche Fortgeltung leerliefe. Es ist jedoch nicht ersichtlich, wieso die Kündigung gegenüber den Arbeitnehmern andere Rechtswirkungen zeitigen soll als gegenüber dem Betriebsrat.318 310

LAG Hamm NZA-RR 2003, 369, 370. LAG Hamm NZA-RR 2003, 369, 370; Hohenstatt in W/H/S/S, Umstrukturierung, E Rn 18. 312 LAG Hamm NZA-RR 2003, 369, 370; Hohenstatt in W/H/S/S, Umstrukturierung, E Rn 18. 313 In NZA 1996, 393, 395. 314 LAG Hamm NZA-RR 2004, 369, 370; Hohenstatt in W/H/S/S, Umstrukturierung, E Rn 18; Hohenstatt/Müller-Bonanni NZA 2003, 766, 770; Thüsing DB 2004, 2474, 2477. 315 Steffan in APS, § 613a BGB Rn 114. 316 BAG NZA 2003, 670, 674; Berg in D/K/K, BetrVG, § 77 Rn 52; Fitting, BetrVG, § 77 Rn 175; Kreutz in GK-BetrVG, § 77 Rn 383. 317 So Fitting, BetrVG, § 77 Rn 179; Kreutz in GK-BetrVG, § 77 Rn 400, 402. 318 In diesem Sinne Gaul NZA 1986, 628, 631; Sowka DB 1988, 1318, 1321. 311

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Weder dem Wortlaut der Norm noch den Gesetzgebungsmaterialien ist ein entsprechender Regelungswille des Gesetzgebers zu entnehmen, mit dem Übergangsmandat auch die kollektivrechtliche Fortgeltung der bestehenden Betriebsvereinbarungen zu verbinden, obwohl dies im Zuge der Betriebsverfassungsreform ohne Weiteres möglich gewesen wäre.319 Dabei war dem Gesetzgeber die Problematik durchaus bekannt, wie ein entsprechender Vorschlag im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Betriebsverfassungsreformgesetz zeigt.320 Die Einführung des Übergangsmandates dient vielmehr allein der Umsetzung europarechtlicher Vorgaben, welche eine kollektive Fortgeltung nicht verlangen.321 Ohne eine entsprechende Richtlinien-Vorgabe hat sich der Gesetzgeber jedoch nicht veranlasst gesehen, die Frage des Bestandsschutzes bei unternehmensinternen Umstrukturierungen zu regeln.322 Insoweit bleibt es bei der Regelung des § 613a Abs. 1 S. 1 BGB, der im Übrigen keinen nennenswerten praktischen Anwendungsbereich mehr hätte, wenn es unabhängig von der Betriebsidentität zu einer kollektivrechtlichen Fortgeltung käme.323 Auch das rein interessenbezogene Argument von Bachner kann nicht überzeugen. Vor Änderungen der betrieblichen Organisationsstruktur werden die Arbeitnehmer nach dem Willen des Gesetzgebers durch die Beteiligungsrechte des Betriebsrates gem. §§ 111 ff. BetrVG geschützt. Ein weitergehender Schutz ist weder erforderlich noch de lege lata zu begründen. Sollten durch Umstrukturierungen Nachteile für die Arbeitnehmer entstehen, so ist es Aufgabe des Betriebsrates, einen Ausgleich im Sozialplan zu verankern.324 Vor dem Hintergrund der Aufgabe der Betriebsidentitätslehre stimmt es zudem bedenklich, dass der erste Senat eine Vorlage an den Großen Senat ablehnt.325 Die Entscheidung weicht nämlich nicht nur vom erwähnten Urteil des dritten Senates326 ab, sondern auch von einem Beschluss des siebten Senates.327 Nach alledem ist an der Betriebsidentitätslehre festzuhalten, so dass eine kollektivrechtliche Fortgeltung nicht in Betracht kommt.328

319 Hohenstatt in W/H/S/S, Umstrukturierung, E Rn 18; vgl. Müller RdA 1996, 287, 291. 320 Vgl. Rieble/Gutzeit NZA 2003, 233, 235. 321 Rieble/Gutzeit NZA 2003, 233, 235. 322 Rieble/Gutzeit NZA 2003, 233, 235. 323 ErfKO-Preis, § 613a BGB Rn 112; Rieble/Gutzeit NZA 2003, 233, 235 f. 324 In diesem Sinne auch Kreßel DB 1989, 1623, 1625. 325 BAG NZA 2003, 670, 676. 326 BAGE 50, 62, 71. 327 BAG AP Nr. 118 zu § 613a BGB. 328 LAG Hamm NZA-RR 2003, 369, 370; Willemsen in Kallmeyer, UmwG, § 324 Rn 28; Hohenstatt in W/H/S/S, Umstrukturierung, E Rn 19; Boecken, Unternehmensumwandlung, Rn 159.

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III. § 613a BGB analog Soweit ein Rechtsträgerwechsel vorliegt, würde § 613a Abs. 1 S. 2 BGB eingreifen, so dass es zu einer Umwandlung und individualvertraglichen Fortgeltung der Betriebsvereinbarungen käme. Da § 613a Abs. 1 S. 2 BGB jedoch mangels Rechtsträgerwechsel ausscheidet, käme keine Fortgeltung in Betracht. Dieses Ergebnis wird vielfach als nicht hinnehmbarer Wertungswiderspruch gesehen.329 Es könne nicht angehen, dass ein neuer Arbeitgeber an die bisherigen Betriebsvereinbarungen gebunden sei, der bisherige Arbeitnehmer und Vertragspartner der Vereinbarung jedoch nicht.330 Einer Veränderungen innerhalb des Unternehmens könne keine weitergehende Wirkung zukommen als einer solchen außerhalb desselben.331 Jede andere Lösung stünde im Widerspruch zu den Wertungen der §§ 77 Abs. 6 BetrVG, 613a BGB.332 Aus diesem Grund sei § 613a Abs. 1 S. 2 BGB auf unternehmensinterne Umstrukturierungen entsprechend anzuwenden.333 Der rechtspolitischen Wertung dieser Ansicht ist durchaus zuzustimmen, jedoch kann ihr letztlich nicht gefolgt werden, da es an den Voraussetzungen einer Analogie fehlt.334 Gaul begründet die erforderliche planwidrige Regelungslücke damit, dass der gemeinsame Betrieb bei der Schaffung des § 613a im Jahre 1972 und der Änderung im Jahre 1980 nicht die heutige Bedeutung hatte.335 Gegen diese Sichtweise spricht jedoch, dass der Gesetzgeber im Rahmen des Betriebsverfassungsreformgesetzes336 den gemeinsamen Betrieb allgemein normierte. Im Rahmen des gleichen Gesetzes ist auch das Übergangsmandat gem. § 21a BetrVG eingeführt worden. Darüber hinaus wurde § 613a BGB nach der Betriebsverfassungsreform durch das Gesetz zur Änderung des Seemannsgesetzes und anderer Gesetze337 mit Wirkung zum 1. April 2002 geändert. Dementsprechend war dem Gesetzgeber sowohl der gemeinsame Betrieb als auch die Regelungslücke in Bezug auf Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen bei unternehmensinternen Umstrukturierungen bekannt.338 Eine allgemeine 329 Gaul, Betriebsspaltung, § 25 Rn 204; Hanau RdA 1989, 207, 211; Kreßel DB 1989, 1623, 1625; Thüsing DB 2004, 2474, 2477. 330 Kreßel DB 1989, 1623, 1625. 331 Hanau RdA 1989, 207, 211. 332 Gaul, Betriebsspaltung, § 25 Rn 204. 333 Hohenstatt in W/H/S/S, Umstrukturierung, E Rn 68; Gaul, Betriebsspaltung, § 25 Rn 204; Düwell NZA 1996, 393, 396; Hanau RdA 1989, 207, 211. 334 Annuß NZA Sonderheft 2001, 12, 18; Rieble/Gutzeit NZA 2003, 233, 235; vgl. auch Thüsing DB 2004, 2474, 2477, der jedoch inhaltlich-sachlichen Argumenten den Vorrang vor dogmatisch-formalen Gesichtspunkten einräumen will. 335 Gaul, Betriebsspaltung, § 25 Rn 205. 336 v. 23.07.2001, BGBl. I S. 1852. 337 v. 23.03.2002, BGBl. I S. 1163. 338 Annuß NZA Sonderheft 2001, 12, 18; Rieble/Gutzeit NZA 2003, 233, 235.

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Regelung außerhalb des § 613a BGB wäre dem Gesetzgeber der Betriebsverfassungsreform auch ohne Weiteres möglich gewesen.339 Jedoch zeigt die Umsetzung des Art. 6 Abs. 1 RL 2001/23/EG, dass dem Gesetzgeber zwar an einer allgemeinen Umsetzung außerhalb des § 613a BGB gelegen war,340 er jedoch keine über die bloße Umsetzung der Richtlinie hinausgehenden Regelungsabsichten verfolgte.341 Es ist daher nicht angängig, allein aufgrund der Bestandsschutzinteressen der Arbeitnehmer eine systemwidrige Analogie anzunehmen.342 Vielmehr wird man keine im Wege der Rechtsanwendung zu schließende Regelungslücke, sondern eine bewusste Rechtslücke anzunehmen haben, welche durch eine Entscheidung des Gesetzgebers zu schließen ist.343 IV. Ende der kollektiven Wirkung der Betriebsvereinbarung Da eine analoge Anwendung des § 613a Abs. 1 S. 2 BGB ausscheidet, kommt eine Fortgeltung der Betriebsvereinbarungen somit nicht in Betracht. Dies gilt nicht für solche Betriebsvereinbarungen, die nach ihrem Inhalt unabhängig vom Fortbestand der Betriebsidentität vereinbart wurden.344 Als Beispiel seien Sozialpläne oder Ruhestandsvereinbarungen genannt, welche fortgelten, bis ihr Zweck erfüllt ist, also alle begründeten Ansprüche befriedigt sind.345 1. Nachwirkung gem. § 77 Abs. 6 BetrVG Da die Betriebsvereinbarungen somit enden, käme nur eine Nachwirkung gem. § 77 Abs. 6 BetrVG in Betracht.346 Diese würde sich nur auf sog. erzwingbare Betriebsvereinbarungen erstrecken.347 Demgegenüber vertritt Annuß, dass § 77 Abs. 6 BetrVG in den Fällen des Verlustes der Betriebsidentität keine 339

Annuß NZA Sonderheft 2001, 12, 18; Rieble/Gutzeit NZA 2003, 233, 235. Annuß NZA Sonderheft 2001, 12, 18 in FN 83. 341 Annuß NZA Sonderheft 2001, 12, 18; Rieble/Gutzeit NZA 2003, 233, 235. 342 So jedoch Thüsing DB 2004, 2474, 2477. 343 Annuß NZA Sonderheft 2001, 12, 18; vgl. Rieble/Gutzeit NZA 2003, 233, 235. Zur Unterscheidung zwischen Regelungs- und Rechtslücke vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 372, der die Rechtslücke als Normlücke bezeichnet. Eine solche liegt vor, wenn zu einer Frage gesetzliche Regelungen insgesamt fehlen und nicht nur die bestehende Regelung unvollständig ist. 344 BAG AP Nr. 12 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 878; Hromadka/Maschmann, Arbeitsrecht, Bd. 2 § 16 Rn 406. 345 BAG AP Nr. 12 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 878; Hromadka/Maschmann, Arbeitsrecht, Bd. 2 § 16 Rn 406. 346 In diesem Sinne Richardi in Richardi, BetrVG9, § 77 Rn 215, 217; Rieble/Gutzeit NZA 2003, 233, 236. 347 Vgl. statt vieler Fitting, BetrVG, § 77 Rn 178, sowie Rn 189 zu Mischbetriebsvereinbarungen, jeweils m.w. N. 340

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Anwendung findet.348 Eine Begründung für seine These gibt Annuß nicht. Sie bedeutet in der Konsequenz, dass es lediglich möglich wäre, in einem eventuell zu vereinbarenden Sozialplan Regelungen zu treffen, welche den Wegfall der bestehenden Betriebsvereinbarungen abmildern.349 Der Schutz durch den Sozialplan ist aber insofern schwächer, als er an die Voraussetzungen der §§ 111 ff. BetrVG gekoppelt wäre. Liegen diese nicht vor, so käme es zu einem ersatzlosen Wegfall der Betriebsvereinbarungen. Dies erscheint gerade im gemeinsamen Betrieb misslich, da hier einige Konstellationen vorstellbar sind, in denen keine Sozialplanpflicht besteht. Dies gilt insbesondere dann, wenn man mit dem einem Grundmodell von der automatischen Auflösung infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeht. 2. Voraussetzungen der Nachwirkung Einer Nachwirkung steht jedoch zumindest der Wortlaut des § 77 Abs. 6 BetrVG nicht entgegen, da dieser nur den „Ablauf“ der Betriebsvereinbarung voraussetzt. Da eine Ablösung der Betriebsvereinbarung, welche nun keine zwingende Wirkung mehr besitzt, auch durch eine individualvertragliche Abrede möglich ist,350 ist eine ablösende Betriebsvereinbarung nicht zwingend erforderlich. Es ist festzuhalten, dass der Wortlaut des § 77 Abs. 6 BetrVG eine Nachwirkung nicht ausschließt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass ein Ablauf in diesem Sinne auch im Verlust der Betriebsidentität liegen kann.351 Es kann insoweit keinen Unterschied machen, aus welchem Grund der Betriebsrat als Vertragspartner der Betriebsvereinbarung wegfällt.352 Entfällt die Wirkung der Betriebsvereinbarung durch den endgültigen Wegfall des Betriebsrates oder den Verlust der Betriebsratsfähigkeit,353 so muss dies auch für den Verlust der Betriebsidentität gelten. Mit dem Betriebsrat entfällt einer der Vertragspartner der Vereinbarung, mit der Betriebsidentität das Regelungsobjekt der Betriebsvereinbarung. In beiden Fällen müssen die gleichen Rechtsfolgen eintreten, so dass auch bei Verlust der Betriebsidentität eine Nachwirkung grundsätzlich in Betracht kommt.354

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Annuß NZA Sonderheft 2001, 12, 18. So auch Kreßel DB 1989, 1623, 1625. 350 Fitting, BetrVG, § 77 Rn 183; Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 77 Rn 46. 351 Richardi in Richardi, BetrVG9, § 77 Rn 215; Gaul NZA 1986, 628, 632; Rieble/ Gutzeit NZA 2003, 233, 236; Sowka DB 1988, 1318, 1321. 352 Vgl. Gaul NZA 1986, 628, 631. 353 Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 77 Rn 41; Hromadka/Maschmann, Arbeitsrecht, Bd. 2 § 16 Rn 406; Gaul NZA 1986, 628, 631. Anders die Vertreter der kollektivrechtlichen Fortgeltung, vgl. oben § 28 D.I. 354 Richardi in Richardi, BetrVG9, § 77 Rn 215; Rieble/Gutzeit NZA 2003, 233, 236. 349

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Fraglich ist jedoch, ob die Nachwirkung nicht zwingend die Existenz eines Betriebsrates voraussetzt.355 Deshalb wird man nach dem Zweck der Nachwirkung gem. § 77 Abs. 6 BetrVG differenzieren müssen. Soll diese lediglich verhindern, dass in den mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten eine andere Rechtslage herbeigeführt wird, ohne dass eine Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erfolgte, also die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates schützen,356 so kommt eine Nachwirkung nur in Betracht, wenn weiterhin ein Betriebsrat besteht, dem erzwingbare Mitbestimmungsrechte zustehen können. Bezweckt § 77 Abs. 6 BetrVG neben der reinen Sicherung der Mitbestimmungsrechte § 77 Abs. 6 BetrVG auch den materiellen Bestandsschutz der Arbeitnehmer durch Verhinderung eines Regelungsvakuums,357 so wäre auch in diesen Fällen eine Nachwirkung denkbar. Das BAG vertritt in ständiger Rechtsprechung, dass eine Nachwirkung die Möglichkeit voraussetzt, eine Einigung durch Anrufung der Einigungsstelle zu erzwingen.358 Dies erfordert jedoch zwingend die Existenz eines Betriebsrates. Dementsprechend kommt eine Nachwirkung nur dann in Betracht, wenn im Betrieb ein Betriebsrat besteht oder nur vorübergehend nicht besteht. Nach diesen Vorgaben sind folgende Konstellationen zu unterscheiden. a) Spaltung führt zu einer betriebsratsfähigen Einheit Mit dem Verlust der Betriebsidentität verlieren die bestehenden Betriebsvereinbarungen ihre Gültigkeit. Eine Nachwirkung besteht nur, wenn in dem neuen Betrieb ein Betriebsrat besteht. In dem neu gegründeten Betrieb wird es zunächst an einem gewählten Betriebsrat fehlen. Aufgrund des Übergangsmandates gem. § 21a BetrVG kommt es jedoch nicht zu einer betriebsratslosen Zeit. Da das Übergangsmandat ein inhaltlich unbeschränktes Vollmandat ist, stehen dem Betriebsrat sämtliche Mitbestimmungsrechte zu, so dass eine Nachwirkung nach Maßgabe des § 77 Abs. 6 BetrVG gegeben ist. Wird in dem Betrieb nach Ablauf von 6 Monaten kein neuer Betriebsrat gewählt und ist ein Wahlverfahren noch nicht eingeleitet, so muss nach dem oben Gesagten die Nachwirkung enden, da nun mangels Betriebsrat keine erzwingbaren Mitbestimmungsrechte vorliegen. Diese Konsequenz ist auch hinzunehmen, da es die Arbeitnehmer selbst in der Hand hatten, einen neuen Betriebsrat zu 355 So Fitting, BetrVG, § 77 Rn 178; Kreutz in GK-BetrVG, § 77 Rn 400, 402; Richardi in Richardi, BetrVG, § 77 Rn 162; Klein, Nachwirkung, 162. 356 Kreutz in GK-BetrVG, § 77 Rn 401; Richardi in Richardi, BetrVG, § 77 Rn 164. 357 Gaul NZA 1986, 628, 631. 358 BAG AP Nr. 40 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 478 Rs.; BAG AP Nr. 4 zu § 77 BetrVG 1972 Nachwirkung, Bl. 374 Rs.; BAG AP Nr. 5 zu § 77 BetrVG 1972 Nachwirkung, Bl. 377; BAG AP Nr. 6 zu § 77 BetrVG 1972 Nachwirkung, Bl. 1362.

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wählen. Indem sie auf eine solche Wahl verzichteten, gaben sie freiwillig den Schutz des Betriebsverfassungsrechtes und damit auch des § 77 Abs. 6 BetrVG auf. Damit entfällt die Nachwirkung nicht aufgrund der Organisationsentscheidung des Arbeitgebers, sondern aufgrund der Entscheidung der Belegschaft. Wird demgegenüber ein Betriebsrat gewählt, so steht auch einer Nachwirkung nichts im Wege, da dann deren Voraussetzungen erfüllt sind. Anders ist die Lage dann zu beurteilen, wenn kein Übergangsmandat, sondern lediglich ein Restmandat gegeben ist. Das Restmandat gem. § 21b BetrVG ist kein Vollmandat, sondern auf die Abwicklung der durch die Betriebsspaltung hervorgerufenen Beteiligungsrechte beschränkt.359 Dementsprechend können neue Beteiligungsrechte auf der Grundlage dieses Mandates nicht mehr entstehen. Damit ist auch keine Anrufung der Einigungsstelle möglich, so dass es an dieser Voraussetzung der Nachwirkung fehlt. Dementsprechend ist diese Konstellation für zukünftige Beteiligungsrechte so zu behandeln, als bestünde kein Betriebsrat. Eine Nachwirkung der Betriebsvereinbarungen scheidet damit aus. b) Spaltung führt zu einer betriebsratsunfähigen Einheit Wird demgegenüber durch die Spaltung eine Einheit gebildet, welche die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 S. 1 BetrVG nicht erfüllt, so steht mit der Spaltung endgültig fest, dass in dem neu gegründeten Betrieb kein Betriebsrat gewählt werden kann. Da auch ein Übergangsmandat aufgrund der geringen Betriebsgröße ausscheidet, kommt in diesen Fällen keine Nachwirkung in Betracht. Damit muss der bei der Spaltung beteiligte Betriebsrat für einen adäquaten Schutz durch den aufgrund der Betriebsänderung abgeschlossenen Sozialplan sorgen. Die dann verbleibenden Lücken sind die Folge des betriebsverfassungsrechtlichen Schwellenwertes und der darin verkörperten gesetzgeberischen Entscheidung zu akzeptieren. Der Vollständigkeit halber sei jedoch erwähnt, dass eine „Atomisierung“ in unzählige Kleinbetriebe mit vier Arbeitnehmern aufgrund der damit verbundenen Schwierigkeiten im Arbeitsablauf und Organisationsaufwand kaum vorkommen wird.

§ 29 Lösungsmöglichkeiten auf Grundlage der dogmatischen Grundmodelle des gemeinsamen Betriebes Nach der vorstehenden Analyse der Anwendungsprobleme, welche der gemeinsame Betrieb in Bezug auf das Insolvenzrecht aufwirft, soll nun versucht werden, diese einer dogmatisch stimmigen Lösung zuzuführen. De lege lata nicht behoben werden kann dabei der Grundkonflikt. Die strenge Ausrichtung 359

Reichold in ArbRKo, § 21b Rn 9; Worzalla in H/S/W/G, BetrVG, § 21b Rn 5 f.

§ 29 Lösungsmöglichkeiten

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der Insolvenzordnung auf die Insolvenzmasse ist für das Ziel der gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedung, vgl. § 1 Abs. 1 InsO, ebenso unverzichtbar wie die unternehmensübergreifende Wirkung des gemeinsamen Betriebes für diesen ein konstitutives Charakteristikum darstellt. Ebenso wenig wie es zulässig ist, solvente Unternehmen ohne normative Grundlage der Verfügungsmacht des Insolvenzverwalters zu unterwerfen360, kann bezweifelt werden, dass dies die zwingende Folge der unternehmensübergreifenden Wirkung des gemeinsamen Betriebes wäre. Dementsprechend kann es im Folgenden nur darum gehen, inwieweit die im dritten Kapitel dargestellten dogmatischen Grundmodelle in der Lage sind, diesen Grundkonflikt aufzulösen. Es wird neben einem dogmatisch stimmigen Konzept vor allem um eine Abwägung der Interessen der Arbeitnehmer der am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen sowie der Interessen der übrigen Gläubiger des insolventen Unternehmens gehen. Dabei hat sich gezeigt, dass auch der differenzierende sog. teleologische Betriebsbegriff keine Lösung bieten kann. Ein solcher Weg wäre nur gangbar, wenn der gemeinsame Betrieb im Kündigungsschutzgesetz aufzulösen, im Betriebsverfassungsrecht sein Fortbestand aber zwingend geboten wäre. Wie sich jedoch gezeigt hat, bereitet der gemeinsame Betrieb in beiden Rechtsgebieten vergleichbare Probleme. Die Lösung der aufgeworfenen Fragen orientiert sich daher anhand der aufgezeigten dogmatischen Grundmodelle und damit an der Frage des Fortbestandes des gemeinsamen Betriebes. Dabei ist es auf Grundlage des teleologischen Betriebsbegriffes zwar denkbar, den gemeinsamen Betrieb im KSchG an andere Voraussetzungen zu knüpfen als im Betriebsverfassungsrecht. Gewonnen wäre damit jedoch nur die Möglichkeit, sich jeweils zwischen den beiden aufgezeigten Grundmodellen entscheiden zu können. Eine sachlich andere Lösung ergäbe sich jedoch nicht.

A. Modell I: Keine Spaltung des gemeinsamen Betriebes infolge der Verfahrenseröffnung Da die erste Ansicht der Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Bedeutung beimisst, ist es nur konsequent, dass sie auch keine betriebsverfassungsrechtlichen Folgen an diese knüpft. Insoweit bleibt der gemeinsame Betrieb als unternehmensübergreifende Organisation bestehen, was den dargestellten Konflikt zum Vermögensbezug des nun einschlägigen Insolvenzrechts aufwirft.

360

Vgl. dazu bereits oben § 14 D.IV.

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Kap. 5: Die betriebsverfassungsrechtlichen Auswirkungen der Insolvenz

I. Schicksal des Betriebes und des Betriebsratsmandates Da der gemeinsame Betrieb durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht aufgelöst wird, bleibt die Identität des gemeinsamen Betriebes erhalten und der dort gewählte Betriebsrat im Amt. Dies hat die Konsequenz, dass die bestehenden Betriebsvereinbarungen weitergelten. Da im Übrigen die besonderen Regelungen des Insolvenzarbeitsrechts in der gezeigten Art und Weise durch den bestehenden gemeinsamen Betrieb in ihrer Wirkung eingeschränkt werden, ist mit einer starken Belastung der Masse zu rechnen. Der Insolvenzverwalter ist auf die Mitwirkung der beteiligten Unternehmen und des Betriebsrates des gemeinsamen Betriebes angewiesen, wenn er die notwendigen Sanierungsmaßnahmen in einem überschaubaren Zeitraum durchführen will. Auf Grundlage dieses Modells wäre jedem vorläufigen Insolvenzverwalter anzuraten, den gemeinsamen Betrieb frühzeitig mit den Mitteln des Betriebsverfassungsrechts zu spalten, damit das Insolvenzarbeitsrecht seine massesichernde Wirkung nach der Verfahrenseröffnung uneingeschränkt entfalten kann. Anders als im Bereich des Kündigungsschutzes lassen sich diese Probleme auch nicht durch eine Vorverlagerung der Trennungswirkung beseitigen.361 Eine Lösung etwa dergestalt, dass zwar ein gemeinsamer Betrieb bestehe, dieser aber ab dem Zeitpunkt der Trennungsabsicht keine betriebsverfassungsrechtlichen Wirkungen mehr zeitige, kann nur als unzulässige Rechtsfortbildung angesehen werden. Der Gesetzgeber hat in § 1 Abs. 1 S. 2 BetrVG den gemeinsamen Betrieb dem Betrieb eines Unternehmens gleichgestellt. Soweit ein gemeinsamer Betrieb nach den eingangs erläuterten Voraussetzungen vorliegt, muss er betriebsverfassungsrechtliche Wirkungen zeigen. Der Gesetzgeber macht sich die Rechtsprechung des BAG zu eigen, welche insbesondere eine Führungsvereinbarung verlangt. Insoweit wäre es jedoch widersprüchlich, eine Regelungslücke anzunehmen, welche allein durch die Nichtanwendung des § 728 Abs. 2 BGB geschaffen wurde. Sofern aufgrund der aufgezeigten Erschwernisse, welche den Zweck des Insolvenzverfahrens durchaus gefährden können, eine andere Lösung für erforderlich gehalten wird, muss entweder der Gesetzgeber tätig werden, oder der Eröffnung des Insolvenzverfahrens muss eine betriebsverfassungsrechtliche Bedeutung zukommen. Eine solche Lösung ist jedoch ohne besondere gesetzliche Grundlage nur denkbar, wenn das Erfordernis der Führungsvereinbarung anerkannt wird und ihm konstitutive Bedeutung für die Gründung und das Ende des gemeinsamen Betriebes zugebilligt wird. Da dieses Grundmodell auf die Führungsvereinbarung verzichtet, sind die dargestellten Probleme unausweichliche Folge dieser dogmatischen Grundentscheidung. Eine Lösung de lege lata müsste also an dieser Grundentscheidung ansetzen, was allerdings dieses

361

Vgl. zu diesem Ansatz oben § 13 C.I.2.

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Modell insgesamt in Frage stellt, da dies der wesentliche Unterschied zur anderen Ansicht ist. II. Interessenausgleich und Sozialplan Aufgrund des Fortbestands des gemeinsamen Betriebes wäre dem Insolvenzverwalter anzuraten, zunächst den gemeinsamen Betrieb zu spalten, um dann unter vollständiger Geltung des Insolvenzarbeitsrechtes die erforderlichen Maßnahmen zur gemeinsamen Gläubigerbefriedigung zu treffen. Dies erscheint kaum praktikabel, weil diese Betriebsänderung ihrerseits interessenausgleichsund sozialplanpflichtig wäre und dementsprechend einige Zeit in Anspruch nähme. Sind jedoch zum Erhalt der Masse unverzügliche Maßnahmen nötig, so darf der Insolvenzverwalter die Durchführung dieser Betriebsspaltung nicht abwarten, sondern muss den Personalabbau bereits zu einem Zeitpunkt einleiten, in dem der gemeinsame Betrieb fortbesteht. Die damit verbundenen kollektiven und individualrechtlichen Probleme sind hinreichend dargestellt worden. Eine Lösung dieser Schwierigkeiten ist nicht ersichtlich, will man nicht die Vorschriften der Insolvenzordnung auf die Arbeitnehmer der solventen am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen erstrecken. Dieser Weg erscheint aber ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage nicht gangbar, da der Eingriff in die Rechte der vertragsfremden Arbeitnehmer zu gewichtig und nicht durch den Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung gedeckt ist. Eine solche Erstreckung widerspräche im Übrigen auch den Wirkungen des gemeinsamen Betriebes, wonach die rechtliche und wirtschaftliche Unabhängigkeit der Unternehmen bestehen bleibt. Soweit der Insolvenzverwalter also eine Betriebsänderung plant, muss er den Betriebsrat des gemeinsamen Betriebs beteiligen, ohne dass ihm die Sonderegelungen der InsO zu Seite stehen. Aber auch für die Arbeitnehmer kann der kollektivrechtliche Fortbestand des gemeinsamen Betriebes negative Folgen haben. So wurde bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass es sowohl für den Schwellenwert des § 112a Abs. 1 BetrVG als auch für die Frage, ob ein wesentlicher Betriebsteil i. S. d. § 111 S. 3 BetrVG von der Betriebsänderung betroffen ist, auf die Zahlenverhältnisse im gemeinsamen Betrieb ankommt. Dementsprechend kann durch den Fortbestand des gemeinsamen Betriebes bei ungünstigen Gesamtzahlenverhältnissen etwa ein Personalabbau nicht der Sozialplanpflicht unterfallen, der nach der erfolgten Spaltung des gemeinsamen Betriebes ohne weiteres den Schwellenwert des § 112a Abs. 1 BetrVG überschreitet. III. Bewertung Dieses Modell bietet also de lege lata keine praktikablen Lösungsmöglichkeiten für die insolvenzrechtliche Behandlung des gemeinsamen Betriebes. Durch

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die damit verbundenen negativen Auswirkungen auf die Insolvenzmasse führt es zum einen zu einer ungerechtfertigten Besserstellung der Arbeitnehmer des insolventen Unternehmens auf Kosten der übrigen Gläubiger. Zum anderen sind auch Belastungen für die vertragsfremden Arbeitnehmer der solventen Unternehmen des gemeinsamen Betriebes zu befürchten. Diese würden zu einer Verlagerung des Insolvenzrisikos führen. Eine solche Wirkungsweise geht jedoch weit über die üblichen Wirkungen des gemeinsamen Betriebes hinaus. Dieser lässt die rechtliche und wirtschaftliche Selbständigkeit der Rechtsträger unberührt, was ihn gerade vom Gemeinschaftsunternehmen unterscheidet. Will man diesen Unterschied nicht verwischen, so müssen die Einschnitte durch das Insolvenzarbeitsrecht auf die Vertragsarbeitnehmer des insolventen Unternehmens beschränkt bleiben. Denn nur diese Einschränkungen sind durch den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung (par condicio creditorum) gerechtfertigt. Dieses Modell ist daher insgesamt abzulehnen.

B. Modell II: Spaltung des gemeinsamen Betriebes durch den Eröffnungsbeschluss Das Gegenmodell, welches von der Spaltung des gemeinsamen Betriebes durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeht, muss demgegenüber der Spaltung auch betriebsverfassungsrechtliche Folgen zubilligen. Insoweit ist es ohne Bedeutung, ob der Betrieb durch den Eröffnungsbeschluss oder durch eine Betriebsänderung der Unternehmen gespalten wird. Da der dem Insolvenzschuldner zuzuordnende Betriebsteil in jedem Fall aus dem gemeinsame Betrieb herausgelöst wurde, stellen sich die erläuterten Schwierigkeiten bei der Anwendung des Insolvenzrechtes nicht. Die rechtsträgerübergreifende Organisation des gemeinsamen Betriebes ist entfallen, so dass die betriebliche Organisation wieder allein dem Insolvenzschuldner zuzurechnen ist. Dieses Modell stellt also sicher, dass die Zuständigkeit des Insolvenzverwalters mit der betriebsverfassungsrechtlichen Organisationsstruktur deckungsgleich ist. Jedoch bleibt zu klären, ob diese dogmatische Kongruenz mit ungerechtfertigten Eingriffen in die Rechte der Arbeitnehmer verbunden ist. I. Schicksal des Betriebes und des Betriebsratsmandates Da die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Spaltung des gemeinsamen Betriebes führt, scheidet nach der hier vertretenen Ansicht der dem insolventen Unternehmen zuzuordnende Betriebsteil aus dem gemeinsamen Betrieb aus. Unabhängig davon, ob die Identität des übrigen Betriebes gewahrt bleibt,362 geht die Betriebsidentität für den ausscheidenden Betriebsteil unter. Dies bedeutet, 362

Zu den Voraussetzungen, unter denen das der Fall ist, vgl. oben § 14 C.VI.

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dass das reguläre Mandat des für den gemeinsamen Betrieb gewählten Betriebsrats endet und je nach dem weiteren Schicksal der ausgeschiedenen Einheit ein Übergangsmandat und/oder ein Restmandat entsteht.363 Dementsprechend endet die kollektivrechtliche Wirkung der im gemeinsamen Betrieb abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen.364 Diese können damit nur noch Nachwirkung gem. § 77 Abs. 6 BetrVG entfalten. Eine solche setzt allerdings ein Übergangsmandat des für den gemeinsamen Betrieb gewählten Betriebsrates voraus. Geht die Identität des gemeinsamen Betriebes insgesamt unter, so treten die gleichen Rechtsfolgen bei den übrigen solventen Unternehmen ein. Besteht der gemeinsame Betrieb in seiner Identität ohne das insolvente Unternehmen fort, dann bleibt der Betriebsrat im Amt, so dass die Betriebsvereinbarungen weiterhin kollektiv gelten. In der Konsequenz führt dieses Modell damit zu einem Einschnitt in die Rechte der Arbeitnehmer, da die freiwilligen Betriebsvereinbarungen insgesamt wegfallen und die erzwingbaren nur noch Nachwirkung entfalten. Sofern der gemeinsame Betrieb insgesamt seine Identität verliert, treffen diese Belastungen auch die Arbeitnehmer der solventen Unternehmen. Im Unterschied zum Gegenmodell liegt diese Belastung jedoch nicht in einer Übertragung des Insolvenzrisikos begründet. Die aufgezeigten nachteiligen Rechtsfolgen sind nicht einmal ein besonderes Risiko des gemeinsamen Betriebes. Auch die Arbeitnehmer des Betriebes eines Unternehmens sind nicht davor geschützt, dass der Arbeitgeber die bestehende betriebliche Organisationsstruktur ändert. Vielmehr zeigt bereits die gesetzliche Regelung des §§ 111 ff. BetrVG, dass der Arbeitgeber das Recht hat, den Zuschnitt seiner Betriebe selbst zu bestimmen.365 Dementsprechend ist es auch im Betrieb eines Unternehmens stets möglich, dass der Arbeitgeber den Betrieb so spaltet, dass er seine Identität verliert, womit die bestehenden Betriebsvereinbarungen entfallen. Da der Gesetzgeber eine allgemeine Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen bei unternehmensinternen Betriebsänderungen nicht für erforderlich gehalten hat, bleibt nur der Schutz durch § 77 Abs. 6 BetrVG. Da dieser aber besteht, belastet dieses Modell die Arbeitnehmer des gemeinsamen Betriebes nicht stärker als solche, deren Betrieb nur einem Unternehmen zuzuordnen ist. Problematisch ist daher allein, dass ein Schutz der Arbeitnehmer im Wege eines Sozialplanes nicht möglich ist, da die §§ 111 ff. BetrVG auf den Eröffnungsbeschluss des Insolvenzgerichtes nicht anzuwenden sind.366 Dies ist besonders bedeutend für aufgrund ihrer Größe betriebsratsunfähige Einheiten, da 363

Vgl. die Darstellung der möglichen Konstellationen oben § 28 C.I. Zum Schicksal der Betriebsvereinbarungen beim Verlust der Betriebsidentität siehe oben § 28 D.IV. 365 Vgl. dazu bereits oben 6 D.I. 366 Vgl. oben § 14 D.II.2. 364

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hier kein Übergangsmandat entsteht und damit eine Nachwirkung ausscheidet.367 Diese bestehende Schutzlücke ist jedoch nicht dogmatisch zu lösen, sondern eine Folge der Weigerung des Gesetzgebers, das Schicksal von Betriebsvereinbarungen infolge einer unternehmensinternen Betriebsspaltung zu regeln. Im Übrigen muss auch bedacht werden, dass der Schutz durch einen Sozialplan nur bedingt möglich wäre. Gerade wenn der ausscheidende Teil nicht betriebsratsfähig ist, wäre es eine übermäßige Belastung des Arbeitgebers, hier den im Rahmen des größeren Gemeinschaftsbetriebes erreichten Regelungsstandard dauerhaft festzuschreiben. Zusätzlich ist zu erwägen, dass der Insolvenzverwalter einen solchen Sozialplan, welcher ja unmittelbar im Zusammenhang mit der Verfahrenseröffnung abzuschließen wäre, gem. § 124 InsO widerrufen könnte, so dass ein dauerhafter Schutz durch den Sozialplan hinfällig wäre. Schließlich zeigt ein Vergleich mit der Gegenansicht, dass dort dieselben Schutzlücken bestehen.368 Denn auch nach dieser Ansicht käme es zu denselben Rechtsfolgen. Diese würden zeitlich nur insoweit hinausgezögert, bis der Insolvenzverwalter den gemeinsamen Betrieb gespalten hat. Die aufgezeigten Schwierigkeiten bei der Anwendung des Insolvenzarbeitrechts in dieser Zeit würden aufgrund ihrer masseverringernden Wirkung sämtliche Arbeitsplätze des insolventen Unternehmens gefährden, so dass sich der Verlust der Rechte aus den wegfallenden Betriebsvereinbarungen als weniger gravierend erweist. Dies gilt umso mehr, als dies nur solche Betriebsteile betrifft, die schon bei ihrer Einbringung in den gemeinsamen Betrieb nicht betriebsratsfähig waren. Insoweit ist es aber konsequent, wenn die Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes an die Zugehörigkeit zum größeren gemeinsamen Betrieb gekoppelt ist, dies auch mit dem Ausscheiden aus demselben enden zu lassen. Damit erweist sich das Modell jedoch nicht als ungerechte Belastung der Arbeitnehmer, da in den betriebsratsfähigen Organisationseinheiten der auch ohne den gemeinsamen Betrieb bestehende Schutz erhalten bleibt. Da es zudem dazu führt, dass das Insolvenzrisiko allein den Arbeitnehmern des insolventen Unternehmens aufgebürdet wird, schützt es die Arbeitnehmer der solventen Unternehmen sogar besser als das Gegenmodell. Die mit dem Modell verbundenen Einschränkungen von Arbeitnehmerrechten sind infolge der besonderen Insolvenzsitua367

Vgl. oben § 28 D.IV.2.b). Nahezu ebenso groß sind die Schutzlücken im Übrigen, wenn man mit der abgelehnten Auffassung des BAG von einer kollektivrechtlichen Fortgeltung ausgeht, vgl. oben § 28 D.I. Da dann die nachwirkungsfreie Lösung von den Betriebsvereinbarungen in Betrieben ohne Betriebsrat durch eine Erklärung gegenüber allen Arbeitnehmern möglich sein soll, würden die Betriebsvereinbarungen unmittelbar im Anschluss an die Verfahrenseröffnung entfallen. Nämlich sobald der Insolvenzverwalter die Gelegenheit zu einer solchen Erklärung hatte. Diese allein durch praktische Umstände bedingte Verzögerung ist jedoch nicht bedeutend genug, um gegenüber dem hier diskutierten Modell den Vorwurf einer Schutzlücke zu Lasten der Arbeitnehmer zu begründen. 368

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tion hinzunehmen und verwirklichen den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung. Die verbleibenden Schutzlücken sind de lega lata nicht zu schließen. Hier mag der Gesetzgeber Abhilfe schaffen. In ihrer praktischen Auswirkung und unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten sind diese Schutzlücken jedoch nicht gravierend genug, um Bedenken gegen das diskutierte Modell zu rechtfertigen. II. Interessenausgleich und Sozialplan Für den Anwendungsbereich der §§ 111 ff. BetrVG bedeutet dieses Modell demgegenüber keine Einschränkungen der Arbeitnehmerrechte. Da auch im gemeinsamen Betrieb das Unternehmen mindestens 20 Arbeitnehmer beschäftigen muss, ändert sich durch die Betriebsspaltung die für den Schwellenwert maßgebliche Arbeitnehmerzahl nicht. Positiv hervorzuheben ist vielmehr, dass nach der Spaltung in Bezug auf die betriebsbezogenen Voraussetzungen allein die Verhältnisse des ausgeschiedenen Betriebsteiles maßgeblich sind. Dies schließt eine Nichtanwendung der §§ 111 ff. BetrVG aufgrund ungünstiger Größenverhältnisse im gemeinsamen Betrieb aus. Da in betriebsratsfähigen Einheiten dem Betriebsrat des gemeinsamen Betriebes in der Regel ein Übergangsmandat zusteht, ist die Wahrnehmung dieser Beteiligungsrechte auch nach der Spaltung gesichert. Einzige Konsequenz dieser Ansicht ist es daher, dass keine Spaltung des gemeinsamen Betriebes selbst mehr notwendig ist, um zu einer ungehinderten Anwendung des Insolvenzarbeitsrechts zu kommen. Der Insolvenzverwalter kann ab der Eröffnung im abgespaltenen Betriebsteil die durch die Insolvenz notwendig gewordenen Betriebsänderungen umsetzen und dabei auf die vom Gesetzgeber durch die InsO eingeräumten Beschleunigungsmöglichkeiten zurückgreifen. Da diese Beschleunigungsmöglichkeiten dem Erhalt der Masse dienen, wird das Ziel einer gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung durch diese Ansicht bestmöglich gefördert. Der aus dem gemeinsamen Betrieb ausgeschiedene Teil wird also wie der Betrieb eines Unternehmens behandelt. III. Bewertung Insgesamt erweist sich daher die Ansicht, die von einer sofortigen Auflösung des gemeinsamen Betriebes durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeht, als überlegen. Sie führt sowohl im Kündigungs- als auch im Betriebsverfassungsrecht zu stimmigen Lösungen. Sie ermöglicht die uneingeschränkte Anwendung des vermögensbezogenen Insolvenzarbeitsrechtes und dient so dem Erhalt der Masse. Dies kommt letztlich allen Arbeitnehmern des Insolvenzschuldners zugute, da diese ebenfalls Gläubiger sind. Des Weiteren bietet dieses Modell ein stimmiges Gesamtkonzept, da es der Führungsvereinbarung bei Gründung und Auflösung des gemeinsamen Betriebes konstitutive Bedeutung zumisst. Ein Verzicht auf die Führungsvereinbarung erweist sich vor dem Hin-

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tergrund der Schwierigkeiten, welche die Gegenauffassung aufwirft, als nicht möglich. Soweit die Rechtsprechung die Konsequenzen, welche sich aus der Anwendbarkeit des BGB-Gesellschaftsrechtes ergeben, ablehnt, muss das Erfordernis der Führungsvereinbarung insgesamt aufgegeben werden. Für die Praxis ist die gegenwärtige Unsicherheit, welche aus der widersprüchlichen Rechtsprechung des ersten und des zweiten Senates herrührt, jedenfalls untragbar. Sofern die Notwendigkeit einer Führungsvereinbarung aufgegeben wird, ist jedoch eine dogmatisch stimmige Lösung der aufgezeigten Probleme des Insolvenzarbeitsrechtes nicht möglich. Zumindest im Betriebsverfassungsrecht versagt auch die von der Rechtsprechung im Kündigungsrecht unnötigerweise gewählte Vorverlagerungslösung. Die durch die Aufgabe des Erfordernisses der Führungsvereinbarung entstandenen Probleme wären jedenfalls allein im Wege der dogmatischen Rechtsanwendung kaum zu lösen. Deshalb sollte dieses Erfordernis nur nach genauer Prüfung aufgegeben werden, selbst wenn man einige der hier erzielten Ergebnisse ablehnt. Der Praxis wäre jedenfalls eher mit einigen grundlegenden Richtungsentscheidungen geholfen als mit einer dogmatischen Neuausrichtung, deren Folgen mühsam in einer Reihe von Einzelentscheidungen geklärt werden müssten. Da aber an dem Erfordernis der Führungsvereinbarung festzuhalten und diese als Vertrag über eine BGB-Innengesellschaft zu qualifizieren ist, bleibt die Anwendung des BGB-Gesellschaftsrecht der einzige gangbare Weg, will man sich nicht vom geltenden Recht lösen. Dass dieser Weg auch nicht zu betriebsverfassungsrechtlich untragbaren Ergebnissen führt, hat die Untersuchung gezeigt. Daher ist der Ansicht zu folgen, welche den gemeinsamen Betrieb gem. § 728 Abs. S. 1 BGB durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines der daran beteiligten Unternehmen auflöst.

§ 30 Zusammenfassung der Ergebnisse des fünften Kapitels Der gemeinsame Betrieb ist die betriebsverfassungsrechtlich maßgebliche Einheit. Als solcher ist er der einzig relevante Bezugspunkt für alle Regelungen, welche an die Betriebsgröße anknüpfen. Soweit demgegenüber das BetrVG an das Unternehmen anknüpft, ist die vom Gesetzgeber damit getroffene Unterscheidung zu akzeptieren. Demnach ist für den Schwellenwert des § 111 S. 1 BetrVG allein die jeweilige Unternehmensgröße maßgeblich. Wird der gemeinsame Betrieb gespalten, so endet dessen Identität in Bezug auf den ausscheidenden Betriebsteil. Der im gemeinsamen Betrieb gewählte Betriebsrat ist dementsprechend für diesen Teil nicht mehr zuständig, sofern nicht

§ 30 Zusammenfassung der Ergebnisse des fünften Kapitels

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ein Übergangs- oder Restmandat besteht. Dies gilt unabhängig davon, ob die Identität des gemeinsamen Betriebes insgesamt fortbesteht. Infolge des Identitätsverlustes verlieren die im gemeinsamen Betrieb bestehenden Betriebsvereinbarungen ihre kollektive Gültigkeit. Die erzwingbaren Vereinbarungen wirken nach Maßgabe des § 77 Abs. 6 BetrVG nach, während die freiwilligen Vereinbarungen wegfallen. Eine Nachwirkung setzt jedoch wie auch beim Betrieb eines Unternehmens voraus, dass ein Betriebsrat besteht, der die erzwingbaren Beteiligungsrechte wahrnehmen könnte. Insoweit kommt eine Nachwirkung nur bei Vorliegen eines Übergangsmandats in Betracht. Ein über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hinaus bestehender gemeinsamer Betrieb führt auch im Bereich des Betriebsverfassungsrechtes zu Verwerfungen mit dem Insolvenzarbeitsrecht. Diese Schwierigkeiten sind dogmatisch nicht lösbar, so dass sich allein das Grundmodell, welches von der Spaltung des gemeinsamen Betriebes durch den Eröffnungsbeschluss gem. § 728 Abs. 2 S. 1 BGB ausgeht, als gangbarer Lösungsweg erweist. Dieses Modell führt zwar zu größeren Belastungen der Arbeitnehmer des insolventen Unternehmens, wird jedoch insgesamt dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung besser gerecht. Insbesondere wird eine Belastung der Arbeitnehmer der solventen Unternehmen vermieden.

Kapitel 6

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse der Arbeit und Ausblick Das Anliegen der Arbeit ist es, wie in der Einleitung dargelegt, ein dogmatisch stimmiges Modell des gemeinsamen Betriebes zu entwickeln. Insoweit hat die Arbeit zu dem Ergebnis geführt, dass im Wesentlichen zwei Grundmodelle vertretbar erscheinen, um den gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmen zu erklären. Eine dogmatisch geschlossene Lösung muss also bei einem dieser Grundmodelle ansetzen. Der unterschiedliche Ansatz der beiden Grundmodelle besteht bereits in einer unterschiedlichen Auffassung der Voraussetzungen des gemeinsamen Betriebes. Dies mag darin begründet sein, dass sich die Einordnung eines gemeinsamen Betriebes als schwierig erweist. Einerseits ist der gemeinsame Betrieb gem. § 1 Abs. 1 S. 1 BetrVG wie der Betrieb eines Unternehmens zu behandeln. Andererseits weicht er von dem Grundsatz der Betriebsinhaberidentität ab, indem er sich auf mindestens zwei Unternehmen erstreckt. Der gemeinsame Betrieb bewegt sich daher in dem Bereich zwischen Betrieb und Unternehmen, also zweier arbeitsrechtlicher Grundbegriffe, die selbst nicht vollständig geklärt sind. Festgehalten werden kann, dass das Unternehmen nach dem arbeitsrechtlichen Unternehmensbegriff der alleinige Rechtsträger ist, einem Betrieb also niemals Rechsträgerqualität zukommt. Ist also der gemeinsame Betrieb der Betrieb mindestens zweier unterschiedlicher Rechtsträger, so stellt sich die Frage nach dessen Voraussetzungen. Unstreitig ist insoweit, dass der gemeinsame Betrieb wie jeder Betrieb das Vorliegen eines einheitlichen Leitungsapparates voraussetzt, der die wesentlichen personellen und sozialen Befugnisse eigenständig wahrnimmt. Dieser Leitungsapparat muss die Befugnisse für alle beteiligten Unternehmen gemeinsam ausüben. Seit langem umstritten ist demgegenüber, ob über den gemeinsamen Leitungsapparat hinaus eine rechtliche Übereinkunft der Unternehmen erforderlich ist. Während ein Teil der Literatur dieses Erfordernis ablehnt, ist der Verfasser mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der Auffassung, dass eine Führungsvereinbarung konstitutives Merkmal des gemeinsamen Betriebes ist. Diese Führungsvereinbarung ist nach der hier vertretenen Ansicht in aller Regel als Vertrag über eine BGB-Innengesellschaft zu qualifizieren.

Kap. 6: Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

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Während sich bezüglich der Voraussetzungen des gemeinsamen Betriebes zwei „Meinungsblöcke“ gegenüber stehen, erweist sich das Spektrum der Ansichten, welche zur Auflösung des gemeinsamen Betriebes vertreten werden, als diversifizierter. Während das Grundmodell, welches eine Führungsvereinbarung ablehnt, in sich konsequent allein eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse als Beendigungsgrund anerkennt, fehlt es der Gegenauffassung an einer entsprechenden Konsequenz. Der Wegfall der konstitutiven Voraussetzung der Führungsvereinbarung müsste an sich zur Auflösung des gemeinsamen Betriebes führen. Gerade der Rechtsprechung einiger Senate des BAG ist jedoch der Vorwurf zu machen, dass in einzelnen Entscheidungen, vor allem im Betriebsverfassungsrecht, zugunsten des Fortbestandes des gemeinsamen Betriebes das Erfordernis der Führungsvereinbarung praktisch fallengelassen wird. Da eine solche Sicht der Dinge letzlich zu den gleichen Ergebnissen wie bei einem vollständigen Verzicht auf das Erfordernis der Führungsvereinabrung führt, lassen sich zwei Grundmodelle des gemeinsamen Betriebes als wesentlich festhalten: Das erste Grundmodell verzichtet auf eine Führungsvereinbarung, der gemeinsame Betrieb ist folglich eine rein tatsächliche Erscheinung wie der Betrieb eines Unternehmens. Das Gegenmodell setzt eine Führungsvereinbarung voraus, wodurch der gemeinsame Betrieb eine rechtliche Komponente erhält. Der Unterschied dieser Auffassungen zeigt sich vor allem bei der Frage der Auswirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Da die Insolvenzeröffnung unmittelbare Auswirkungen allein auf Verträge entfaltet, lehnt das erste Grundmodell eine unmittelbare Auswirkung ab. Demgegenüber ist nach dem zweiten Grundmodell eine Auswirkung auf die Führungsvereinbarung etwa gem. § 103 InsO denkbar. Da in der vorliegenden Arbeit die Auffassung vertreten wird, die Führungsvereinbarung sei in aller Regel als Vertrag über eine BGB-Gesellschaft einzuordnen, ergibt sich die Lösung aus der Anwendung der §§ 705 ff. BGB. Dementsprechend wird diese Gesellschaft gem. § 728 Abs. 2 S. 1 BGB durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst und als Innengesellschaft zugleich beendet. Dies führt zum Wegfall der Führungsvereinbarung und damit zur Auflösung des gemeinsamen Betriebes. Nachdem nun die verschiedenen Grundmodelle benannt sind, stellt sich die Frage nach deren Bedeutung. Ohne auf die in den Kapiteln 4 und 5 dargelegten Probleme bei der einzelnen Normanwendung einzugehen, lässt sich folgender Unterschied festhalten. Das erste Grundmodell führt zum Fortbestand des gemeinsamen Betriebes in das Insolvenzverfahren hinein. Dementsprechend bleiben die unternehmensübergreifenden Wirkungen des gemeinsamen Betriebes, wie etwa eine einheitliche Sozialauswahl, erhalten. Dies führt dazu, dass die Arbeitnehmer des insolventen Unternehmens im gemeinsamen Betrieb besser geschützt werden. Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, dass diese Besser-

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Kap. 6: Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

stellung auf Kosten der Gläubiger des insolventen Unternehmens und der übrigen im gemeinsamen Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer erfolgt. Letztere tragen durch die unternehmensübergreifenden Wirkungen des gemeinsamen Betriebes das Insolvenzrisiko eines Arbeitgebers, zu dem keine vertraglichen Bindungen bestehen. Gegenüber den Gläubigern des Insolvenzschuldners negiert der gemeinsame Betrieb die Wirksamkeit der masseerhaltenden Vorschriften des Insolvenzarbeitsrechts, in dem er eine Trennung der Vermögensmassen verhindert. Für das zweite Modell spricht daher, dass es den Grundkonflikt zwischen den vermögensbezogenen Vorschriften der InsO und den vermögensübergreifenden Wirkungen des gemeinsamen Betriebes vermeidet. Durch die Auflösung des gemeinsamen Betriebes wird der Insolvenzverwalter in die Lage versetzt, allein auf das Vermögen des Schuldners einzuwirken und seinen Auftrag der größtmöglichen Gläubigerbefriedigung zu erfüllen. Der gegen dieses Modell erhobene Vorwurf, den Schutz der Arbeitnehmer zu vernachlässigen, hat sich im Laufe der Untersuchung nicht erhärtet. Zwar werden die Arbeitnehmer des insolventen Unternehmens mitunter schlechter gestellt als nach dem Gegenmodell, jedoch sind die dabei festgestellten Schutzlücken nicht gravierend. Sie werden im Übrigen durch den verbesserten Schutz der unbeteiligten Arbeitnehmer der solventen Unternehmen und der Absicherung der masseerhaltenden Wirkung des Insolvenzarbeitsrechtes mehr als aufgewogen. Dieses Grundmodell verzichtet also auf übertriebenen Schutz der Arbeitnehmer des Insolvenzschuldners und wird so dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung gerecht. Die stärkere Masseerhaltung kommt im Übrigen auch diesen Arbeitnehmern zu Gute. Insgesamt erweist sich dieses Modell nach Auffassung des Verfassers daher als überlegen. Dabei wird nicht übersehen, dass die gegenwärtige Rechtsprechung einen anderen Weg zu gehen scheint. Hier scheint eine differenzierte Lösung vorzuherrschen, welche ohne Systembildung rein ergebnisorientiert das wertungsmäßig für richtig gehaltene Ergebnis erreicht. Da in der Rechtsprechung die Auffassung vorherrscht, dass die Sozialauswahl in der Insolvenz zu unzumutbaren Ergebnissen führt, soll diese bereits frühzeitig ausgeschlossen werden. Dies lässt sich entweder über die Vorverlagerung des Spaltungszeitraums oder über den Wegfall der Führungsvereinbarung erreichen. Demgegenüber wird die Mitbestimmung nach den §§ 111 ff. BetrVG überwiegend als erhaltenswert eingestuft, so dass insoweit der gemeinsame Betrieb erst nach einer (mitbestimmungspflichtigen) Änderung der tatsächlichen Umstände sein Ende finden soll.1 Letztlich bedeutet dies, dass der gemeinsame Betrieb im Kündigungsschutzrecht andere Voraussetzungen als der im Betriebsverfassungsrecht aufweist. Es ist je1 Vgl. statt vieler Heinze/Bertram in Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 107 Rn 25.

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doch nicht ersichtlich, woraus sich dieser Unterschied ableiten lassen soll. Zu einer Systembildung trägt eine solche rein ergebnisorientierte Lösung, die auf vorgefassten Wertungen beruht, jedenfalls nicht bei. Dogmatisch halten ließe sich dieser Ansatz nur, indem der gemeinsame Betrieb im Kündigungsschutzrecht anderen Voraussetzungen unterworfen wird als im Betriebsverfassungsrecht. Dies würde jedoch die Aufgabe der bisher als gesichert angesehenen Dogmatik bedeuten. Nach meiner Auffassung sollte die Rechtsprechung für die Zunkunft eine Entscheidung dahingehend treffen, ob sie am Erfordernis der Führungsvereinbarung festhalten will. Wenn sie das tut, so kann die Lösung der Probleme des gemeinsamen Betriebes nur in der konsequenten Anwendung des BGB-Gesellschaftsrechts liegen. Soweit die damit erzielten Lösungen rechtspolitisch als unbillig empfunden werden, muss auf das Erfordernis insgesamt verzichtet werden. Ein bloß nominelles Festhalten an der Führungsvereinbarung würde die Praxis nur zusätzlich verunsichern. Ein Ansatz, der auf die Führungsvereinbarung verzichtet, müsste dann aber auch überzeugende Lösungen für die resultierenden Schwierigkeiten bieten. Wie die vorliegende Arbeit gezeigt hat, ist dies de lega lata – zumindest für die Insolvenz eines der beteiligten Unternehmen – nicht der Fall. Insoweit müsste also der Gesetzgeber Abhilfe schaffen. Der oft beklagten Beliebigkeit und Unübersichtlichkeit des deutschen Arbeitsrechts sollte angesichts der gegenwärtigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen jedenfalls kein Vorschub geleistet werden.

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Stichwortverzeichnis Arbeitgeber – Einheitlicher 35 ff., 232 – Stellung im gemeinsamen Betrieb 34 f. Arbeitnehmerüberlassung – Abgrenzung vom gemeinsamen Betrieb 70 f. Arbeitsgemeinschaft im Baugewerbe (ARGE) 23, 49 Betriebsänderungen – Voraussetzungen des § 111 S. 1 BetrVG 217 ff. – Beteiligungsrechte des Betriebsrats 229 ff. Betriebsbegriff – Arbeitstechnischer Zweck 27, 36 – Räumliche Einheit 28 Betriebsführungsgesellschaft – Abgrenzung vom gemeinsamen Betrieb 71 Betriebsübergang – im gemeinsamen Betrieb 210 ff. Betriebsratsfähigkeit des gemeinsamen Betriebes 26 Betriebsidentität – bei Spaltung des gemeinsamen Betriebes 91 f., 95 ff., 256 ff. Betriebsratsmandat – Restmandat 258 ff. – Übergangsmandat 258 ff. Betriebsvereinbarung – Zuständigkeit für den Abschluss 38, 231 ff. – Folgen des Verlustes der Identität des gemeinsamen Betriebes 265 ff. – Nachwirkung 271 ff.

Führungsvereinbarung – Form 42, 72 – Herleitung aus den tatsächlichen Umständen 42 f. – Inhalt 40 f. – Kritik am Erfordernis der 43 ff. – Rechtsnatur 67 ff., 78 gemeinsamer Betrieb – Abspaltung 97 f. – Änderungen durch die Betriebsverfassungsreform 61 ff. – Auflösung 97 f. – Aufspaltung 23 f. – Beendigung 44 ff., 78 f., 105 ff., 218 f. – Beendigung durch Insolvenz eines der beteiligten Unternehmen 86 ff., 115 ff. – Darlegungs- und Beweislast für 55 f., 152 f. – Erscheinungsformen 21 ff. – Insolvenzfähigkeit 81 ff. – Stilllegung 86 ff., 177 f., 217 ff. – Vermutungstatbestände des § 1 Abs. 2 BetrVG 61 ff. – Voraussetzungen 30 ff. – Voraussetzungen im Kündigungsschutzrecht 65 – Voraussetzungen im Betriebsverfassungsrecht 30 ff. Gemeinschaftsunternehmen – Abgrenzung vom gemeinsamen Betrieb 68 f. Gleichbehandlungsgrundsatz – Anwendung im gemeinsamen Betrieb 223

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Stichwortverzeichnis

Grundmodelle des gemeinsamen Betriebes – Auswirkungen im Betriebsverfassungsrecht 274 ff. – Auswirkungen im Kündigungsschutzrecht 201 ff. – Inhalt 93, 105 ff. Insolvenzverfahren – Eröffnungsvoraussetzungen 83 f. – Entscheidung über die Eröffnung 84, 126 ff. – Verfahrenskonstellationen im Zusammenhang mit der Eröffnung 125 ff. Insolvenzverwalter – Arbeitgeberstellung 133 f. – Auswirkung der Grundmodelle auf den Handlungsspielraum des 143 ff. – Vorläufiger 146 f. Insolvenzarbeitsrecht – Anwendungsprobleme im gemeinsamen Betrieb 194 ff., 246 ff. – Grundgedanke 181 f. – Inhalt der betriebsverfassungsrechtlichen Regelungen 238 ff. – Inhalt der kündigungsrechtlichen Regelungen 181 ff. Interessenausgleich 230 Kündigungsschutzrecht – Anwendbarkeit im gemeinsamen Betrieb 150 ff. – Anhörung des Betriebsrats 177 – Anzeigepflicht gem. § 17 KSchG 180 f.

– Dringende betriebliche Erfordernisse 154 f. – Darlegungs- und Beweislast 152 f. – Rechtsfolgen des gemeinsamen Betriebes 153 ff. – Sonderkündigungsschutz für Betriebsratsmitglieder 171 ff. – Sozialauswahl 161 ff. – Weiterbeschäftigung 156 ff. Leitung, Leitungsapparat – Erforderliche Befugnisse 32 f. – einheitliche/r 31 f. – gemeinsame/r 33 f. – Erfüllung der betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten 34 ff., 218 f. Sozialplan – Besondere Grenzen in der Insolvenz 244 f. – Erzwingbarkeit 233 ff. – Sozialplangrenzen 236 f. – Schuldner der Sozialplanansprüche 231 f. – Widerruf 245 f. – Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit 236 f. – Verhandlungen über den Sozialplan 229 f. Unternehmensbegriff 27 ff. Wirtschaftsausschuss 114 f.